immobilia 2019/04 - SVIT
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BAU & HAUS<br />
HONORARWESEN<br />
KAMPF MIT DEN<br />
WETTBEWERBS-<br />
BEHÖRDEN<br />
Die SIA-Honorarordnung ist<br />
wieder einmal in den Fokus der<br />
Wettbewerbskommission<br />
geraten. Resultat der Intervention<br />
ist eine Übergangslösung,<br />
die zahnlos daherkommt.<br />
TEXT—HANS RÖTHLISBERGER*<br />
ENTSTEHUNG DER<br />
SIA-HONORARORDNUNG<br />
Die SIA-Honorarordnung gibt es schon Jahrzehnte.<br />
Ausgangspunkt für die Honorarberechnung gemäss<br />
Ansatz des SIA ist seit jeher die Bausumme. Die bausummenabhängige<br />
Kalkulation der Planerleistung anhand<br />
einer kalibrierten Berechnungsformel bringt es<br />
zwangsläufig mit sich, dass das Honorarwesen einen<br />
preislistenartigen Charakter hat.<br />
Lange störte sich in der kartelltoleranten Schweiz<br />
niemand an dieser Preisabsprache. Erst mit einer verstärkten<br />
Überwachung des Wettbewerbs ab etwa 1995<br />
werden die tendenziell einheitlichen Preise für Planerleistungen<br />
zu einem Problem. Die neu geschaffene<br />
Wettbewerbskommission des Bundes (WEKO) nimmt<br />
sich der Sache an. Nun werden Kartelle und Preisabsprachen<br />
nicht mehr so ohne Weiteres hingenommen.<br />
Etwa um das Jahr 2002 akzentuiert sich der Druck<br />
der WEKO auf den SIA wegen der damaligen Formel<br />
zur Honorarberechnung, dem traditionellen «Kostentarif».<br />
Resultat der Intervention ist eine angepasste<br />
Honorarformel, für die 2003 in aller Eile extra eine<br />
revidierte Honorarordnung herausgegeben werden<br />
muss. Die Bausumme als Ausgangspunkt der Kalkulation<br />
bleibt zwar bestehen, aber es wird nicht mehr direkt<br />
das Honorar ermittelt, sondern nur noch der mutmassliche<br />
Zeitaufwand für die Planungsaufgabe. Der<br />
SIA ringt der WEKO somit das Zugeständnis ab, mit einer<br />
Formel anhand der Bausumme immerhin noch die<br />
Planungsstunden berechnen zu können. Die revidierte<br />
Honorarformel aus dem Jahr 2003 wird daher auch<br />
als Zeitaufwandmodell bezeichnet. Die Stundenansätze<br />
müssen die Planungsbüros selber kalkulieren und in<br />
die Honorarberechnung einsetzen.<br />
Die SIA-Honorarordnung aus dem Jahr 2003, die<br />
nun rund 15 Jahre lang das schweizerische Bauplanungsgewerbe<br />
prägen wird, repräsentiert bestes Normierungshandwerk.<br />
Allein die Honorarordnung für die<br />
Architektentätigkeit (LHO SIA 102) umfasst über 50<br />
Seiten. Die Beschreibung der planerischen Leistungseinheiten<br />
(Art. 4 «Leistungsbeschrieb») nimmt davon<br />
rund 20 Seiten ein. Die in der Praxis vorherrschende<br />
Honorarberechnung, das Zeitaufwandmodell (Art. 7<br />
«Honorarberechnung nach den aufwandbestimmenden<br />
Baukosten») wird in wissenschaftlicher Gründlichkeit<br />
dargestellt. Die diversen Honorarfaktoren und<br />
ihre Anwendung werden genau beschrieben. Alle erdenklichen<br />
Einstufungen und Zuschläge sind geregelt<br />
(z. B. Schwierigkeitsgrad n; Umbauzuschlag; Generalplanerzuschlag<br />
etc.).<br />
Und nun das: Im Herbst 2017 meldet sich die WEKO<br />
wieder beim SIA. Wieder werden Bedenken wegen<br />
wettbewerbshemmendem Verhalten vorgebracht. Und<br />
der SIA erstarrt vor Schreck, so stelle ich es mir jedenfalls<br />
vor. Wenn die WEKO auftaucht, muss jedes Kartell<br />
Angst haben. Die WEKO kann bei Preisabsprachen<br />
nämlich Bussen aussprechen. Diese können bei einem<br />
Es ist denkbar, dass<br />
der Wunsch der<br />
WEKO nach Preisdifferenzierung<br />
erhört<br />
wird und Planungsbüros<br />
dazu übergehen,<br />
den Zeitaufwand<br />
vorzukalkulieren.<br />
(BILD: 123RF.COM)<br />
WEITER-<br />
FÜHRENDE<br />
LITERATUR<br />
Eine ausführliche<br />
Beschreibung der<br />
Übergangslösung<br />
2018 der SIA-Honorarordnung<br />
ist auf<br />
dem Blog des Autors<br />
zu finden:<br />
roethlisbergers-baublog.com;<br />
Beitrag<br />
«Aktuelle Entwicklungen<br />
im SIA-Honorarwesen»;<br />
Umfang<br />
ca. 13 Seiten A4<br />
grossen Markt entsprechend gross sein. Und der Markt<br />
das Bauplanungsgewerbes ist gross. Das jährliche Hochbauvolumen<br />
in der Schweiz dürfte über 40 Mia. CHF<br />
betragen. Dies ergibt einen jährlichen Honorarbetrag<br />
für alle Planungsdisziplinen von grössenordnungsmässig<br />
5 Mia. CHF, was beispielsweise mehr ist als das Budget<br />
unserer Armee. Der SIA reagiert so, wie jede Organisation<br />
mit der WEKO im Nacken reagiert: mit grosser<br />
Nervosität. Eine Busse wäre wohl ruinös.<br />
DIE ÜBERGANGSLÖSUNG<br />
In aller Eile speckt der SIA in Absprache mit der<br />
WEKO seine Honorarordnung ab und erstellt eine<br />
Übergangslösung, die im November 2018 vorgestellt<br />
wird. Die Zeit reicht nicht, eine kartellrechtskonforme<br />
neue Honorarordnung zu konzipieren. Es wird alles<br />
entfernt, was auch nur den Anschein einer Preisabsprache<br />
hat. Alle historischen Werte für die Honorarfaktoren<br />
(z. B. für den Schwierigkeitsgrad n) werden als<br />
ungültig erklärt. Das Gleiche gilt für die Zuschlagsfaktoren<br />
(z. B. für den Generalplanerzuschlag). Alle diese<br />
Werte müssen neu individuell vereinbart werden. Eine<br />
Ausnahme stellt lediglich der Leistungsanteil q dar.<br />
Diese Werte dürfen weiterhin benutzt werden, da sie<br />
auf statistischen Abklärungen basieren.<br />
Ganz bitter wird es aus meiner Sicht bei der Interpretation<br />
des Resultats der Honorarberechnung, dem<br />
Zeitaufwand. Er darf nicht mehr als feste Grösse aufgefasst<br />
werden, wie man es nun 15 Jahre getan hat. Neu<br />
stellt er eine Art Wahrscheinlichkeitswolke dar. Es ist<br />
also zu berücksichtigen, dass der ermittelte Zeitaufwand<br />
für eine bestimmte Planungsaufgabe schwanken<br />
kann, nach oben wie nach unten. Der ausgewiesene<br />
Wert gemäss Honorarformel ist nur noch der Median.<br />
Um die Schwankung zu berechnen, muss ein internetbasiertes<br />
Kalkulationstool herangezogen werden, das<br />
sich auf der Homepage des SIA befindet.<br />
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IMMOBILIA / April <strong>2019</strong>