Das komplette Buch als Download - Denknetz
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und mittelgrosse Unternehmen dagegen, die ohnehin kaum je zu den<br />
Verfechtern unbegrenzter Personalflexibilisierung gehört hatten und<br />
dem Schweinezyklus der Managementmoden ferner stehen, bekunden<br />
heute ernsthafte Probleme mit der fehlenden Mitarbeiterbindung. Ihnen<br />
geht <strong>als</strong> Folge des Karriereverhaltens gut qualifizierter Angestellter laufend<br />
Wissen verloren, und die Kosten der Personalfluktuation steigen;<br />
dies könnte sich bei einer allfälligen Erholung des Arbeitsmarktes noch<br />
verschärfen. Also zurück zu den goldenen Zeiten, wo strikte Angestelltenloyalität<br />
und Subordination das Bleiberecht im Unternehmen auf<br />
Lebenszeit begründen konnten?<br />
Wir dürfen wählen: Patriarchale oder<br />
modernisierte Unternehmenskultur<br />
Christoph Blocher, begnadeter Kulturvermittler, hat kurz vor seinem<br />
formellen Austritt aus seinem Unternehmen und dem Eintritt in den<br />
schweizerischen Bundesrat in einem Interview die Grundsätze der<br />
Firmenkultur bei der Ems AG zuhanden der Wirtschaft erläutert: »<strong>Das</strong><br />
ist wahre Identifikation: Der Chef ist Teil seiner Angestellten, und die<br />
Mitarbeiter sind Teil ihres Patrons.« 9 Eine bemerkenswerte Devise, die<br />
Erinnerungen weckt an die Ideologie der ›Betriebsgemeinschaft‹, mit<br />
der man in den 1930er-Jahren auch in der Schweiz die sozialen Klassenauseinandersetzungen<br />
einzudämmen und den Einfluss der Gewerkschaften<br />
am Werkstor aufzuhalten versuchte. 10 Möglicherweise soll uns<br />
Blochers Leitspruch aber auch in jene noch früheren Epochen der<br />
Menschheit zurückführen, wo jeder Primat sein eigenes Unternehmen<br />
verkörperte, es sich einverleibte und mit ins Grab nahm. Subtilere, aber<br />
nicht minder gewaltsame Formen der Einverleibung finden wir in den<br />
betont familiären Kulturen von wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen.<br />
11<br />
Wer jedoch weder der Betriebsgemeinschaft huldigt noch sich in den<br />
Unternehmerschoss zurücksehnt, hat ein Unbehagen mit dem Begriff<br />
›Unternehmenskultur‹. Dies dürfte mit seiner Doppeldeutigkeit zusammenhängen.<br />
Zum einen bezieht er sich auf die Tatsache, dass jedes<br />
soziale System einer Kultur bedarf, in der Reflexion und Austausch über<br />
die Organisationszwecke, den sozialen Umgang, über Machtausübung,<br />
das explizite und implizite Wissen der Organisationsmitglieder usw.<br />
möglich werden. Dies schliesst aus, den Begriff der Unternehmens- oder<br />
Organisationskultur ersatzlos zu streichen. Zum anderen ist Unternehmenskultur<br />
ebenso unbestreitbar ein strategisches Instrument der symbolischen<br />
Aufrechterhaltung von Machtstrukturen mit den Mitteln der<br />
Rechtfertigung, der Unterscheidung von Prestigepositionen, der rituali-<br />
89 <strong>Denknetz</strong> • Jahrbuch 2005<br />
Politische Ökonomie