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BremerSport_Juni_2019-web

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BREMER SPORTJUGEND<br />

„Junge Menschen für einen<br />

modernen Sportverein begeistern“<br />

Interview mit Tobias Ketz, Verantwortlicher für den E-Sport-Bereich beim Habenhauser FV<br />

Herr Ketz, was bedeutet E-Sport eigentlich?<br />

Tobias Ketz: E-Sport ist ein ganz normales<br />

Hobby, bei dem die Spieler eine virtuelle<br />

Sportart am Computer oder an der Konsole<br />

betreiben. Bei uns im Verein spielen wir<br />

ausschließlich das Fußballsimulationsspiel<br />

Fifa. Die Kinder und Jugendlichen haben<br />

Controller in der Hand, steuern Fußballspieler,<br />

gehen Taktiken nach, trainieren und<br />

wollen sich im Wettkampf messen.<br />

Wie oft mussten Sie schon erklären, dass<br />

E-Sport nicht nur „Zocken“ bedeutet?<br />

Ich werde immer wieder gefragt, ob<br />

E-Sport wirklich Sport ist. Der Deutsche<br />

Olympische Sportbund differenziert zwischen<br />

E-Gaming und virtuellen Sportarten.<br />

Wir im Verein bieten E-Sport als virtuelle<br />

Sportart an, weil wir ein reiner Fußballverein<br />

sind. Fifa zu spielen, verlangt sicherlich<br />

nicht die Ausdauer, die ein Fußballer auf<br />

dem Platz mitbringen muss, aber es bedeutet<br />

ein sehr hohes Stresslevel und ist damit<br />

mental sehr anstrengend. Die Spieler müssen<br />

sehr viele Interaktionen am Controller<br />

und viele kleine Bewegungen in kurzer Zeit<br />

ausführen.<br />

Was macht einen guten E-Sportler aus?<br />

Das kommt darauf an. Es gibt sehr strategische<br />

Spiele, bei denen geht es um bis zu 400<br />

Klicks pro Minute. Diese E-Sportler müssen<br />

eine sehr gute Wahrnehmung haben<br />

und in Sekundenschnelle reagieren können.<br />

Fifa ist ein eher langsames Spiel, bei<br />

dem es darauf ankommt, ein gutes Spielverständnis<br />

zu haben, sich eine gute Taktik<br />

zu überlegen und – wie im echten Fußball<br />

– die Taktik des Gegners zu lesen und sich<br />

daran anzupassen. Die Spieler benötigen<br />

also gute analytische Fähigkeiten und müssen<br />

außerdem bestimmte Schusstechniken<br />

und Tricks kennen.<br />

Sie setzen sich dafür ein, dass E-Sport als<br />

Sportart anerkannt wird. Warum?<br />

Wir möchten, dass E-Sport unter eine Förderrichtlinie<br />

fällt, damit Vereine auf Mittel<br />

zugreifen und den virtuellen Sport für Jugendliche<br />

und Kinder anbieten können. Wir<br />

im Habenhauser FV wollen diese Sparte vor<br />

allem deshalb anbieten, weil es junge Menschen<br />

interessiert. Für uns ist der virtuelle<br />

Möchte E-Sport als Breitensport im Verein: Tobias Ketz. <br />

Sport ein neues Medium, um junge Menschen<br />

für einen modernen Sportverein begeistern<br />

zu können. Wir wollen eben nicht,<br />

dass die Jugendlichen zu Hause alleine auf<br />

der Couch „zocken“. Im Verein lernen sie soziale<br />

und demokratische Strukturen kennen.<br />

Ist es nicht schwer, eine Grenze zu ziehen<br />

zwischen intensivem Training und zu viel<br />

Zeit vor der Konsole?<br />

Es gibt einen großen Unterschied zwischen<br />

Leistungssport und Breitensport. Gerade<br />

beim professionellen E-Sport kommt<br />

oft die Frage auf, ob es sich dabei nur um<br />

Kommerz handelt. Die Bundesliga oder die<br />

Champions League werden ja auch nicht<br />

infrage gestellt. Ähnlich ist es beim E-Sport<br />

als Leistungssport, der dadurch massiv im<br />

Fokus steht, dass sehr hohe Preisgelder ausgeschüttet<br />

werden. Wir im Verein wollen<br />

E-Sport allerdings als Breitensport betreiben,<br />

und da sitzen wir nicht acht Stunden<br />

am Tag vor der Konsole, sondern treffen uns<br />

ein bis zweimal die Woche zum Trainieren.<br />

Dabei gehen wir am Whiteboard Strategien<br />

durch, schauen uns Trainingsvideos an und<br />

diskutieren.<br />

Videospiele haben nicht gerade den Ruf,<br />

besonders sozial zu sein, weil die Jugendlichen<br />

dabei meistens alleine vor dem Bildschirm<br />

sitzen.<br />

Den Gamern wird häufig angelastet, sie<br />

säßen zu Hause allein vor der Konsole.<br />

Das war früher sicherlich auch so. Das hat<br />

Fotos: Privat/MÄR<br />

sich aber etwas gewandelt, da die meisten<br />

Spiele heute Multiplayer-Spiele sind, also<br />

mehrere Spieler benötigen. Trotzdem sind<br />

sie nur über das Internet verbunden und<br />

räumlich getrennt. Wenn Jugendliche alleine<br />

spielen, haben sie niemanden, mit dem<br />

sie sich freuen oder ärgern können. Sie haben<br />

keinen Kanal, um mit ihren Emotionen<br />

umzugehen. Im Verein können wir dagegen<br />

soziale Kontakte bieten und die Jugendlichen<br />

anleiten. Dazu gehört es auch, zum<br />

Beispiel zusammen mit Krankenkassen<br />

Suchtprävention anzubieten.<br />

Im Moment gibt es in Bremen kaum Vereine,<br />

die E-Sport anbieten. Was muss sich<br />

ändern?<br />

Ich wünsche mir einen organisierten Wettbewerb,<br />

etwa eine Bremen-Liga, wie es sie<br />

auch beim Fußball gibt. Und zwar unter dem<br />

Dachverband des Bremer Fußballverbands<br />

mit einem Spieltag pro Woche. Anstatt,<br />

dass die Spieler ihre Schienbeinschoner und<br />

Schuhe anziehen und auf den Platz gehen,<br />

streifen sie ihr Trikot über und nehmen die<br />

Controller in die Hand. Sie kommen mit den<br />

Gegnern in Kontakt, gratulieren sich und<br />

können Fair-Play lernen. Den Leistungsbereich<br />

streben wir nicht an. Sollte es einen<br />

Spieler von uns dennoch zu einem der Profivereine<br />

ziehen, dann würde ich sagen, wir<br />

haben gute Nachwuchsarbeit geleistet.<br />

Das Gespräch führte Ina Bullwinkel vom<br />

WESER-KURIER.<br />

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