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SPORTMEDIZIN<br />
„Das Tempo ist entscheidend“<br />
Was Sportanfänger wissen sollten: Dr. Götz Dimanski vom RehaZentrum im Interview<br />
Sport ist gesundheitsfördernd, birgt aber auch Risiken. Je nach<br />
Sportart stellt Bewegung ganz unterschiedliche Ansprüche<br />
an den Körper, derer sich insbesondere Anfänger gewahr sein<br />
sollten. Worauf ist zu achten und wer liefert verlässliche Informationen?<br />
Dr. Götz Dimanski, Ärztlicher Geschäftsführer des<br />
RehaZentrum Bremen, klärt auf.<br />
„Sport ist Mord“ oder „Bewegung ist die<br />
beste Medizin“?<br />
Dr. Götz Dimanski: „Sport ist Mord“ ist im<br />
übertragenden Sinne gemeint. Unfälle können<br />
im Sport zwar vorkommen, denn es bestehen<br />
je nach Sportart durchaus erhebliche<br />
Verletzungsgefahren. Mit Bedacht und in<br />
einem angemessenen Umfang ausgeführt<br />
ist Bewegung aber definitiv gesundheitsfördernd.<br />
Wer sich einer neuen Sportart<br />
widmen möchte, sollte sich im Vorfeld über<br />
Risiken informieren, um Gefahren zu minimieren.<br />
Darauf kommt es an.<br />
Wo informiere ich mich richtig?<br />
Das kann der Hausarzt, Orthopäde, Kardiologe<br />
sein oder im jungen Alter auch der<br />
Kinderarzt. Ideal sind Ärzte, die eine sportmedizinische<br />
Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen<br />
haben.<br />
Welche Ärzte haben diese Qualifikation?<br />
Die kann grundsätzlich jeder Mediziner erwerben,<br />
unabhängig von der Fachrichtung.<br />
Was untersucht der Arzt?<br />
Er kann eine sportmedizinische Untersuchung<br />
anstellen oder andere Methoden<br />
anwenden. Je nach Sportart sind die Anforderungen<br />
an den Körper unterschiedlich.<br />
Boxen erfordert andere körperliche Voraussetzungen<br />
als Rhythmische Sportgymnastik<br />
– da muss man auf ganz unterschiedliche<br />
Dinge achten, bevor es losgeht.<br />
Wie dosiere ich den Umfang an sportlicher<br />
Betätigung angemessen?<br />
Das hängt zunächst von der Motivation ab.<br />
Warum mache ich Sport? Ist das Ziel, gesund<br />
zu werden? Oder möchte ich den Körper fit<br />
halten, ihn formen, oder die eigene Leistung<br />
steigern? Wieder andere genießen das Gemeinschaftsgefühl<br />
beim Sport. Bei der passenden<br />
Dosierung kann auch der Arzt beratend<br />
zur Seite stehen.<br />
Wie entscheidend ist das Alter für das Erlernen<br />
einer neuen Sportart?<br />
Jungen Menschen fällt es generell viel leichter,<br />
neue Bewegungsabläufe zu erlernen und<br />
sie haben einen deutlich höheren Bewegungsdrang.<br />
Wichtig ist generell, dass die<br />
Sportart möglichst unterschiedliche Fähigkeiten<br />
trainiert. Trainiert werden sollten die<br />
Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination.<br />
Unbedingt ist darauf zu achten, nicht zu<br />
hohe Ansprüche an den eigenen Körper zu<br />
stellen – das Tempo ist entscheidend!<br />
Was bedeutet das konkret?<br />
Man sollte dem Körper viel Zeit gönnen, um<br />
sich an die neue Belastung zu gewöhnen.<br />
Reißerischen Versprechen in Zeitschriften<br />
wie „in drei Monaten zum Marathon“ sind<br />
skeptisch zu betrachten. Selbst wenn Anfänger<br />
diese Distanz bewältigen, zahlen sie<br />
dafür einen hohen Preis.<br />
Was passiert im Körper, wenn ich ihn „von<br />
null auf hundert“ bringe?<br />
Der Punkt ist: In Bezug auf die Muskulatur,<br />
Herz-Kreislauf-Leistung, Atmung zeigen<br />
sich im Training recht schnell Fortschritte.<br />
Andere Strukturen des Körpers hingegen<br />
entwickeln sich recht langsam. Auch die<br />
Sehnen, Knochen und Knorpel müssen sich<br />
erst an die neuen Belastung anpassen, sonst<br />
bestehen erhebliche Verletzungsgefahren.<br />
Welche sind das?<br />
Bleiben wir beim Beispiel Marathon: Die<br />
zu schnelle Leistungssteigerung setzt gravierende<br />
degenerative Prozesse in Gang:<br />
Arthrosen im Hüftgelenk, Kniegelenk und<br />
Sprunggelenk können der Preis sein, den der<br />
übermotivierte Sportler zahlt.<br />
Spielt das Internet in diesem Zusammenhang<br />
als unzuverlässiger Ratgeber eine Rolle?<br />
Ja, das Internet stellt sowohl verführerische<br />
Informationen als auch verlässliche bereit,<br />
die der Laie aber nur schwer unterscheiden<br />
kann. Auch versteckte Werbebotschaften,<br />
etwa für Nahrungsergänzungsmittel, stellen<br />
ein Problem dar, wenn sie Gesundheit versprechen.<br />
Zur Person<br />
Dr. Götz Dimanski erlangte 1989<br />
den Facharzt für Sportmedizin. 1991<br />
kam er von Leipzig nach Bremen, wo<br />
er 23 Jahre Werder Bremens Fußballer<br />
als Mannschaftsarzt betreute.<br />
Heute führt er die Geschäfte des RehaZentrum<br />
Bremen und praktiziert<br />
dort als Chefarzt der Abteilung für<br />
Sportmedizin und Physiotherapie.<br />
Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen<br />
im Bereich der nichtoperativen<br />
Diagnostik sowie der Therapie von<br />
Erkrankungen und Verletzungen des<br />
gesamten Bewegungsapparats. In seiner<br />
Freizeit dreht der frühere Leichtathlet<br />
im Bürgerpark seine Runden<br />
auf der Finnbahn.<br />
Was halten Sie von solchen Produkten?<br />
Davon rate ich dringend ab! Auch die großen<br />
Sportverbände warnen vor ihrem Gebrauch.<br />
Anders als Medikamente sind Nahrungsergänzungsmittel<br />
keinen Qualitätsanforderungen<br />
unterworfen. Untersuchungen<br />
zeigen: Oft sind diese Präparate mit Schwermetallen<br />
verunreinigt, die zu chronischen<br />
Vergiftungen führen können. Auch die Zufuhr<br />
von Magnesium kann fatale Auswirkungen<br />
haben, da es im Verdauungstrakt<br />
mit Eisen um die Aufnahme wetteifert.<br />
Chronischer Eisenmangel kann die Folge<br />
sein. Während die positiven Auswirkung<br />
überhaupt nicht erwiesen sind, wurden die<br />
negativen vielfach belegt. Mein Fazit lautet<br />
also: Finger weg von Nahrungsergänzungsmitteln!<br />
Das Interview führte Kristina Wiede.<br />
Foto: RehaZentrum<br />
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