KOLUMNE Die Schattenseiten der Digitalen Revolution Lars Figura, ehemaliger Leichtathlet und Trainer, hält ein Plädoyer für den Schulsport Foto: F. Bramkamp 50 Sport wird zunehmend zu einem Konsumgut, ist Teil der Unterhaltungsindustrie. Als medial aufbereitetes Produkt nimmt die Bedeutung von „Sport- Events“ und dem „Drumherum“ zu, was zuletzt bei „Kloppos Krönung“ veranschaulicht wurde. Das sport- und fußballbegeisterte Deutschland durfte an der Ankunft des Champions-League-Siegers, dem FC Liverpool, der von dem deutschen Fußballlehrer Jürgen Klopp trainiert wird, in Liverpool teilhaben – ein deutscher Privatsender machte es möglich. In gleichem Maße wie das Interesse am Zuschauen beim Sport steigt, geht die sportliche Betätigung im gesellschaftlichen Durchschnitt aber zurück. Die Gesellschaft – insbesondere die jugendliche Gesellschaft – wird bewegungslos. Wenig Freizeit – viel Technik Die Gründe liegen auf der Hand: Die bei früheren Generationen von (vormittäglicher) Schule und (nachmittäglicher) Freizeit geprägte Kindheit und Jugend stellt sich für die heutige Schülergeneration in den Ganztagsschulen weitaus einseitiger dar. Die Freizeit von Schülerinnen und Schülern (nachfolgend kurz, gender- und politisch korrekt: Beschulten) wurde eingeschränkt und auch das Freizeitverhalten in der verbliebenen Freizeit hat sich einem (digitalen) Wandel unterzogen. Binnen einer Generation ging die Freizeit von Beschulten um deutlich mehr als 50 % zurück. Für Sport, Spiel und Musik, für das Erleben eigener Interessen bleibt wenig Zeit – und Raum. Interessen werden nicht erlebt, sondern digital ausgelebt. Der durchschnittliche Tag eines Kindes besteht inzwischen aus neun Stunden Liegen, neun Stunden Sitzen, fünf Stunden stehen und einer Stunde Bewegung, wovon nur Bruchteile die gesundheitlich wertvollen „Intensivminuten“ sind. Der Anteil von Kindern, die höchstens einmal pro Woche an der frischen Luft Sport treiben oder aktivem kindlichem Spiel nachgehen, liegt heute bei 25 Prozent, nur circa 33 Prozent der Kinder spielen noch täglich im Freien. Die Folgen des Rückgangs der Bewegung sind allgemein sichtbar und individuell spürbar. Die Zahl der übergewichtigen Beschulten steigt seit Jahrzehnten stetig. Das Konditionsvermögen und die Koordinationsfähigkeiten gehen in gleichem Maße zurück. Eine Umkehr der Entwicklung ist nicht absehbar – im Gegenteil. Es ist zu befürchten, dass sich diese Entwicklung mit der fortschreitenden Digitalen Revolution noch verstärkt. Das Allheilmittel gegen das schlechte Abschneiden von deutschen Beschulten in internationalen Bildungsvergleichstests – und selbstverständlich auch das Allheilmittel gegen das schlechte Abschneiden von in Bremen Beschulten im nationalen Vergleich – ist der Digitalpakt. Fünf Milliarden Euro für die Digitalisierung von Schulen – sicherlich gut gemeint und hoffentlich wird das Geld auch sinnbringend in funktionierende Technik (und deren Wartung) investiert. Es ist ein gutes Zeichen, wenn eine Gesellschaft erkennt, dass ihre Zukunft in den Kindern liegt und entsprechende Mittel für deren Ausbildung zur Verfügung stellt. Ebenso dringend wie Bits und Bytes fehlen im Bildungssystem aber Bewegungsangebote. Die Anzahl von schulischen Sportstunden ging seit den 1990er-Jahren um 50 Prozent zurück. Sporteinrichtungen in Bremen sind stark sanierungsbedürftig. Im nahezu gleichen Maß ist der Bildungserfolg rückläufig. Körper und Geist Ein Blick zurück mag Erkenntnis schaffen: Die Ursprünge des Gymnasiums liegen im antiken Griechenland. Das Gymnásion war ein Ort der körperlichen, charakterlichen und intellektuellen Erziehung, wo das Körperliche im Vordergrund stand und in den Ruhepausen, den Phasen der körperlichen Erschöpfung der unverändert freie Geist in der Schola gefördert wurde. Heutige Studien belegen die Zusammenhänge von körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit. Es gibt Belege, dass regelmäßige körperliche Aktivität, insbesondere koordinative Bewegungsaufgaben, eine Zunahme von Synapsen im Gehirn bewirken. Weitere positive Nebeneffekte sind ein Abbau von Aggression, Zunahme von Toleranz und Rücksichtnahme sowie höhere Aufgeschlossenheit gegenüber dem Unterricht. Der richtige Schritt zur besseren Ausstattung unserer Schulen mit digitaler Infrastruktur darf daher nicht zu einem weiteren Rückgang der Bewegungsangebote führen. Vielmehr gilt es, neben der Investition in Bits und Bytes auch in die gesamtheitliche körperliche Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen zu investieren. Der römische Dichter und Satiriker Juvenal drückte es treffend aus: Mens sana in corpore sano (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper). Er wollte seinerzeit keineswegs auf den heute nachgewiesenen Zusammenhang von Körper und Geist hinweisen, sondern prangerte damit stattdessen die römischen Bürger an, die sich mit törichten Gebeten und Fürbitten an die Götter wandten. Bei der heutigen Technikgläubigkeit, die die Lösung aller Probleme in der Digitalisierung erhofft, hätte er unverändert recht. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Digitalisierung der Schulen ist ein richtiger Schritt, dem umgehend der zweite Schritt in Bezug auf Sportangebote an und in den Schulen folgen muss. Hierzu ist die Landesregierung unabhängig von ihrer zukünftigen Zusammensetzung dringend aufgerufen! Zur Person Lars Figura wurde 1976 in Bremen geboren und verzeichnete seine ersten Erfolge im Schulsport, wo er sich als leistungsstarker Sprinter im 400-Meter-Lauf hervortat. Bei seinem Verein SV Werder war er Konditionstrainer bei den Jugendfußballmannschaften, bevor er ab 1997 der deutschen Leichtathletik-Nationalmannschaft angehörte und mehrfach den Meistertitel holte. Nach mehreren Vereinswechseln verabschiedete sich Figura 2004 vom aktiven Sport, um sein Jurastudium zu beenden. 2008 folgte die Promotion, seit 2009 praktiziert er als zugelassener Rechtsanwalt. Zudem ist er Vorstandsmitglied der Sportstiftung Bremen und Mitglied der Kommission Jugend trainiert für Olympia der Deutschen Schulsportstiftung.
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