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Die Kunst des Zweifelns und Glaubens

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erstes buch<br />

KAPITEL 4<br />

Da also Gott Gerechtigkeit will <strong>und</strong> sie übt <strong>und</strong> der Mensch<br />

in Gottes Hand <strong>und</strong> Urteil steht, ist es Aufgabe der Menschen,<br />

ihrerseits für Gerechtigkeit zu sorgen 7 <strong>und</strong> diese, damit er für<br />

sie sorgen kann, auch zu erkennen. Gerechtigkeit aber bedeutet,<br />

einem jeden das Seine, also das, was ihm gebührt, zuteil werden<br />

zu lassen. Es gebühren aber Gott <strong>und</strong> dem Menschen von Seiten<br />

<strong>des</strong> Menschen Liebe <strong>und</strong> die Werke der Liebe. 8 Denn wenn<br />

das, was gut ist <strong>und</strong> dem Menschen gut tut, vom Menschen geliebt<br />

werden soll, muss ganz sicher auch Gott, der sowohl gut<br />

ist (was nicht geleugnet werden kann) als auch dem Menschen<br />

gut tut (da der Mensch ja alles, was er an Gutem hat, von Gott<br />

hat), vom Menschen geliebt werden. Und wenn es von Natur<br />

so eingerichtet ist, dass diejenigen Geschöpfe, die miteinander<br />

verwandt sind, einander lieben wie das Schaf das Schaf <strong>und</strong><br />

die Taube die Taube, so ergibt sich daraus, dass alle Menschen,<br />

da sie miteinander verwandt <strong>und</strong> Brüder sind, einander lieben<br />

müssen <strong>und</strong> keinen Menschen von ihrer Liebe ausschließen<br />

dürfen. Wenn sie dem zuwiderhandeln, verstoßen sie gegen<br />

ihre Pflicht. Also ist es aller Menschen Pflicht, Gott <strong>und</strong> die<br />

anderen Menschen zu lieben <strong>und</strong> Werke der Liebe zu tun: <strong>Die</strong>s<br />

ist die Gerechtigkeit, nach der wir streben. Gerechtigkeit aber<br />

wird gelehrt <strong>und</strong> erkannt sowohl durch die Natur wie durch<br />

die Lehre. Denn zum einen hat die Natur dem Menschen die<br />

Vernunft mitgegeben, mit der er das Wahre vom Falschen, das<br />

Gute vom Schlechten, das Gerechte vom Ungerechten unterscheiden<br />

kann; <strong>und</strong> zum andern bestätigt die Lehre, angeleitet<br />

von der Vernunft, die Natur <strong>und</strong> lehrt, dass man gemäß der<br />

Natur leben soll, <strong>und</strong> bezeichnet jene, die das tun, als Gerechte<br />

<strong>und</strong> die, die ihr zuwider handeln, als Ungerechte.<br />

An dieser Stelle erheben sich jedoch zwei sehr bedeutsame<br />

<strong>und</strong> erklärungsbedürftige Fragen. <strong>Die</strong> erste ist diese: Wenn<br />

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