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Die Kunst des Zweifelns und Glaubens

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kapitel 10<br />

kämpfte (<strong>und</strong> wahrhaftig für Altäre <strong>und</strong> Herde, nämlich für<br />

die drei eben erwähnten Weltgottheiten). Und obwohl sie über<br />

keinerlei Unterstützung durch menschliche Waffen verfügten,<br />

gelang ihnen das auf solche Weise, dass bis zum heutigen Tag<br />

weder der Lauf der Jahrh<strong>und</strong>erte noch menschliche Kriege,<br />

Nachstellungen, Anschläge <strong>und</strong> Verbrechen sie [die Lehre <strong>des</strong><br />

Evangeliums] wieder aus der Welt schaffen konnten.<br />

Mit welchen Worten könnte ich dieses W<strong>und</strong>er noch steigern?<br />

Plinius rühmt die Eloquenz Ciceros <strong>und</strong> erhebt sie in<br />

den Rang eines W<strong>und</strong>ers, weil dieser die Römer zu Dingen<br />

habe überreden können, die ihren Begierden, ihren Interessen<br />

<strong>und</strong> ihrer Ehre zuwiderliefen. So schreibt Plinius im Buch<br />

VII, Kap. 30: « Du sprachst », sagt er (sich an Cicero wendend),<br />

« <strong>und</strong> die Tribus verzichteten auf das Ackergesetz, das heißt<br />

ihren Unterhalt; du gabst einen Rat, <strong>und</strong> sie verziehen dem<br />

Roscius, dem Urheber <strong>des</strong> Theatergesetzes, <strong>und</strong> nahmen die<br />

Beleidigung durch die Unterscheidung der Sitzplätze gleichmütig<br />

hin. » 22 Soweit Plinius über Ciceros Eloquenz, die er<br />

zweifellos nicht ohne Gr<strong>und</strong> rühmt; denn all das hätte er nicht<br />

vollbringen können ohne die außergewöhnliche Kraft seiner<br />

Rede. Vergleicht man damit aber, was die Apostel vollbracht<br />

haben, so verblasst Cicero <strong>und</strong> erscheint als ein Nichts. Denn<br />

dieser, ein Mann von höchstem Ansehen <strong>und</strong> mit allen Mitteln<br />

der Redekunst ausgestattet, der vieles vortäuschte, vieles verdrehte<br />

<strong>und</strong> verbarg <strong>und</strong> den Verstand seiner Zuhörer bisweilen<br />

(wie er sich selbst einmal rühmt) mit Dunkel umhüllte, konnte<br />

mit seiner wohlbedachten, ausgeschmückten, einschmeichelnden<br />

Rede doch letztlich die Römer nicht dazu überreden, der<br />

Jagd nach Genüssen oder der Ehrsucht auf Dauer Lebewohl<br />

zu sagen (wozu Cicero selbst sich auch nie durchringen konnte);<br />

sondern nur für den Augenblick <strong>und</strong> unter dem Eindruck<br />

seiner Redeglut fassten sie Beschlüsse, die für sie selbst abträglich<br />

erschienen.<br />

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