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Die Kunst des Zweifelns und Glaubens

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erstes buch<br />

Häuser geschenkt hat, sondern Korn <strong>und</strong> Trauben, Wolle <strong>und</strong><br />

Holz <strong>und</strong> Steine, um sich mittels Verstand <strong>und</strong> Hand Brot,<br />

Wein, Kleidung <strong>und</strong> Häuser daraus zu fertigen. Ja, nicht einmal<br />

all die genannten Materien wollte sie ganz ohne menschliches<br />

Zutun hergeben, indem nämlich weder Korn noch Trauben<br />

noch Vieh ohne menschliche Arbeit <strong>und</strong> Pflege gedeihen noch<br />

auch Apfel- <strong>und</strong> Birnbäume <strong>und</strong> etliche andere Baumsorten<br />

ohne Pfropfung (die zum Menschenwerk, nicht zur Natur gehört)<br />

genügend gute Früchte tragen. Dem Vieh aber hatte<br />

die Natur Nahrung <strong>und</strong> Kleidung fertig mitgegeben <strong>und</strong> zuvor<br />

ganz von sich aus den meisten auch noch Verstecke beschafft;<br />

oder wenn es an etwas mangelte, so verlieh sie jedem<br />

Tier so viel Fleiß <strong>und</strong> Geschick, wie nötig war, sich dies zu<br />

verschaffen.<br />

Wenn sich also in den Fragen, die den menschlichen Körper<br />

betreffen, die Sache so verhält, dass Hand <strong>und</strong> Verstand <strong>des</strong><br />

Menschen der Natur als Gefährtin <strong>und</strong> Helferin dienen, so<br />

kann es weder verw<strong>und</strong>ern noch abwegig erscheinen, wenn<br />

es sich im Reich <strong>des</strong> Geistes ebenso verhält. Folglich hat die<br />

Natur gewollt, dass es wie bei der Erde <strong>und</strong> den Trieben der<br />

Pflanzen, so auch in der menschlichen Seele etwas geben<br />

soll, was durch die Kraft der Vernunft der Veredelung <strong>und</strong><br />

Verbesserung bedarf. Wenn demnach feststeht, dass die Natur<br />

dort weise verfährt, so darf man darauf vertrauen, dass sie auch<br />

hier weise handelt: ist es doch ein <strong>und</strong> dieselbe Vernunft. Wenn<br />

also gelehrt wird, der Mensch habe gemäß der Natur zu leben,<br />

dann muss man dies ebenso bejahen, wie wenn man sagt, der<br />

Bauer müsse den Acker gemäß der Natur bestellen – <strong>und</strong> zwar<br />

nicht, weil der Bauer der Natur nicht helfen <strong>und</strong> sie verbessern<br />

würde, da die Bebauung <strong>des</strong> Ackers ja geradezu bedeutet, der<br />

Natur zu helfen oder sie zu verbessern, sondern weil er in allem<br />

die Natur selbst zur Führerin <strong>und</strong> zur Gefährtin hat. Denn er<br />

tut alles mit der Kraft der Vernunft, welche naturgegeben ist,<br />

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