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The Red Bulletin August 2019

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Einsame Insel bedeutet: Du musst an Land schwimmen, kein Boot kann direkt ankern.<br />

Das Salzwasser brennt in den Augen, die Kleidung ist vollgesogen, der Energieakku nach 28 Stunden<br />

Indonesien-Anreise leer. Helfer befördern das Equipment schwimmend ans Ufer, bevor sie abhauen.<br />

as Meer rauscht nicht,<br />

es brüllt mich an. Der Wind<br />

pfeift durch die Dunkelheit,<br />

Regen peitscht mir ins<br />

Gesicht. Ich zittere am<br />

ganzen Körper, meine Haut ist kalt<br />

und nass, und was von meinen<br />

Haaren übrig blieb, ist zu einem<br />

heillos verfilzten Biberschwanz<br />

auf meinem Hinterkopf verkommen.<br />

Als Schutz gegen das<br />

Unwetter liege ich eingewickelt<br />

in eine schwarze Plastikplane.<br />

Aus der Vogelperspektive muss<br />

ich wie eine schlecht verpackte<br />

Leiche aussehen, an den Strand<br />

gespült. Aber ich bin nicht tot.<br />

Dafür bin ich gerade viel zu wütend aufs Leben.<br />

Und auf mich selbst. Warum zum Teufel wollte<br />

ich unbedingt auf diese einsame Insel mitten im<br />

Indischen Ozean – ohne Zelt und vor allem ohne die<br />

geringste Ahnung, wie man einen 120-km/h-Tropensturm<br />

überlebt? Da können noch so viele Selbsthilfebücher<br />

behaupten, einmal im Leben müsse man<br />

wimmernd in Embryonalstellung am Boden liegen,<br />

weil das angeblich so heilsam sei. Ich weiß nur:<br />

Wenn ich hier weiter in Embryonalstellung verharre,<br />

stehen die Chancen gut, dass mich noch eine Palme<br />

erschlägt.<br />

Rückblende. Es waren vier Flieger, ein Speedboot<br />

und zwei Tabletten gegen Seekrankheit erforderlich,<br />

um auf dieses Archipel vor Indonesien zu kommen.<br />

Genauere Koordinaten darf ich nicht nennen. Sowohl<br />

der Name der einsamen Insel als auch die Region<br />

sind geheim. Alvaro Cerezo, ein 38-jähriger Spanier<br />

und Kopf der Zwei-Mann-Abenteuer-Reiseagentur<br />

Docastaway.com, hat mich und unseren Fotografen<br />

Philipp sogar eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben<br />

lassen. Mit Docastaway (frei übersetzt:<br />

„Schiffbruch zum Nachmachen“) bietet der studierte<br />

Betriebswirt tropische Inselaufenthalte mit Einsamkeitsgarantie<br />

an. In einer Zeit, in der man immer<br />

erreichbar sein muss und jeder Quadratmillimeter<br />

Land verbaut scheint, ist er besessen davon, den<br />

höchsten Grad an Isolation zu finden und diesen<br />

auch zu bewahren.<br />

Für Alvaro sind einsame Inseln wie eine Zeitreise,<br />

mit einer Flora und Fauna wie vor hunderten von<br />

Jahren. Tut sich ein passendes Eiland auf, beginnt die<br />

Überzeugungsarbeit. Denn jedes Stück Land dieser<br />

Welt gehört irgendjemandem: Privatbesitzern, Regierungen,<br />

dem Militär. Bei erfolgreich verhandelter<br />

Betretungserlaubnis lotst Docastaway dann Möchtegern-Robinson-Crusoes<br />

wie mich ab zirka 1000 Euro<br />

pro Woche auf die jeweilige Insel und stellt nur das<br />

Nötigste zum Überleben zur Verfügung: Macheten,<br />

eine Harpune, ein Feuerzeug, zwei Kochtöpfe, Angelleine<br />

und Angelhaken und einen 12-Liter-Kanister<br />

Trinkwasser. Das nennt sich das „Abenteuer-Paket“.<br />

Der Deal lautet: sechs Tage und fünf Nächte Survival,<br />

68 THE RED BULLETIN

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