SchlossMagazin September 2019 Bayerisch-Schwaben und Fünfseenland
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nennt, die unsere Erinnerungen, Gedanken <strong>und</strong> Gefühle<br />
formten. Doch die meisten Neurologen <strong>und</strong> Biologen blieben<br />
bei der jahrh<strong>und</strong>ertealten Meinung, dass sich nach den ersten<br />
zwei Lebensjahrzehnten keine neuen Neuronen <strong>und</strong> Schaltkreise<br />
mehr bildeten. Nur wenige sahen die Hinweise, dass<br />
auch das ausgewachsene Gehirn formbar bzw. „plastisch“ war.<br />
Michael Merzenich in Wisconsin studierte um die Jahrtausendwende<br />
mit Mikroelektroden die Hirnrinde von Affen u. a.<br />
in dem Bereich, der für die Empfindungen einer Hand zuständig<br />
war. Dann durchtrennte er bei den Affen die für den Tastsinn<br />
zuständigen Nerven. Die Nerven wuchsen wieder zusammen,<br />
aber unkontrolliert <strong>und</strong> die zuständigen Hirnstrukturen<br />
wurden gleichsam „verwirrt“. Nach einigen Monaten hatten<br />
sich die Nervenbahnen aber eine neue Struktur gegeben, entsprechend<br />
der neuen Nervenstruktur an den Händen.<br />
Eine der einfachsten <strong>und</strong> besten Demonstrationen der Veränderung<br />
von Synapsen brachte das Experiment des österreichisch-amerikanischen<br />
Biologen <strong>und</strong> Nobelpreisträgers Eric<br />
Kandel: Das reflexartige, heftige Zucken einer Kieme der<br />
großen Meereschnecke Aplysia nach Berührung ließ im Laufe<br />
der Zeit nach <strong>und</strong> die Schnecke ignorierte diese schließlich.<br />
Dies beweist die erlernte Verhaltensänderung mit einer fortschreitenden<br />
Schwächung synaptischer Verbindungen zwischen<br />
Sinnesneuronen <strong>und</strong> Motoneuronen, den Nervenzellen,<br />
die die Muskulatur der Körpers innervieren.<br />
Edward Taub studierte in den USA eine Gruppe rechtshändiger<br />
Violinisten <strong>und</strong> verglich sie mit Nicht-Geigern. Bei den Geigern<br />
ist die linke Griffhand sehr stark gefordert <strong>und</strong> ihr entsprechender<br />
Hirnbereich war größer als bei den Nichtmusikern.<br />
Eine Gruppe britischer Forscher studierte die Gehirne von 16<br />
Londoner Taxifahrern, die 2 bis 42 Jahre lang hinter ihrem Lenkrad<br />
gesessen hatten. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe war<br />
im Scan der hintere Hippocampus wesentlich größer als normal.<br />
Diese Hirnregion spielt für die räumliche Erfassung der Umgebung<br />
eine Schlüsselrolle. Seine Größe war mit der Dauer des<br />
Taxifahrens korreliert. Kompensatorisch war der vordere Teil<br />
des Hippocampus geschrumpft.<br />
Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns ist an sich eine gute<br />
Nachricht. Doch es gibt auch eine Kehrseite: Die Neuroplastizität<br />
bietet zwar einen Ausweg aus dem Denkmodell, dass Gehirnleistung<br />
genetisch bestimmt sei, sozusagen ein Hintertürchen<br />
für gedankliche Freiheit <strong>und</strong> freien Willen, doch drückt sie<br />
unserem Verhalten ihre eigene Form von Determinismus auf.<br />
Wenn bestimmte neuronale Netze in unserem Gehirn durch die<br />
Wiederholung einer physischen oder mentalen Aktivität verstärkt<br />
werden, beginnen sie, diese Aktivität als Gewohnheit<br />
abzuspeichern. Wenn in unserem Gehirn eine neue neuronale<br />
Vernetzung entstanden ist, wollen wir, dass sie aktiviert bleibt.<br />
Ungenutzte neuronale Netzwerke werden stillgelegt. #<br />
IMMER DER SONNE NACH.<br />
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