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Zukunfts Werk Stadt_Das Buch

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045<br />

Kunst und Grün<br />

im Dialog mit Peter Menke<br />

O-Ton LAB 1869 <strong>Zukunfts</strong>werk<br />

<strong>Stadt</strong><br />

2018<br />

PM: Die Kunst macht ja genauso, was sie will, wie<br />

das Grün. Mich interessiert vor allen Dingen das Stichwort<br />

Freiraum. <strong>Das</strong> ist das verbindende Medium. Es gibt Räume,<br />

die sind nicht fertig gewidmet, die kann man entwickeln oder<br />

sie entwickeln sich auch selbst, und dies gilt eben auch für<br />

Naturräume – die natürlich der Pflege bedürfen, die angelegt<br />

und geplant sein wollen. Aber das gilt ja auch für die Kunst.<br />

Insofern bietet Freiraum tatsächlich die Möglichkeit, etwas<br />

Neues zu schaffen oder auch einfach etwas entstehen zu<br />

lassen, und das ist das Verbindende von Kunst und Grün.<br />

Ich gehe einen Schritt zurück und erinnere an Zeiten,<br />

in denen es hieß: „Betreten der Grünfläche verboten“. Traditionell<br />

war es ja so, dass der öffentliche Freiraum in Städten,<br />

der Grünraum, sehr stark reglementiert war. Die Leute durften<br />

sich nur auf vorgegebenen Wegen bewegen, sie durften<br />

auch alles angucken, aber sie durften nicht auf den Rasen,<br />

sie durften bestimmte Flächen nicht betreten. <strong>Das</strong> haben<br />

wir lange überwunden. Heutzutage muss man ja nur mal an<br />

einem schönen Tag in den Park gehen. Die Menschen nutzen<br />

die Räume und machen da, was immer sie wollen – in Grenzen<br />

versteht sich – aber da wird gefeiert, da wird gearbeitet,<br />

da trifft man sich. <strong>Das</strong> Entscheidende ist, dass man in Grünräumen<br />

frei sein kann und sich ohne Konsumzwang aufhalten<br />

kann.<br />

Freiräume, wie wir sie uns vorstellen – Grünflächen<br />

im öffentlichen Raum –, sind für jeden offen. Und das ist besonders<br />

wichtig für die Menschen, die eben nicht die Möglichkeit<br />

haben, im eigenen Garten zu sitzen, manche haben<br />

nicht einmal einen Balkon, wo sie sich draußen aufhalten<br />

können. Und so ähnlich, könnt ich mir vorstellen, kann man<br />

das auf euer Projekt hier übertragen. Wenn diese Hallen für<br />

Kunstentwicklung offen sind, wenn diese Räume auch für<br />

Kunsterfahrung, insbesondere für die Bürgerschaft offen sind,<br />

dann, glaube ich, ist das sehr vergleichbar mit dem, was wir in<br />

Grünflächen tun. Meine feste Überzeugung ist, dass Menschen<br />

Grün erleben wollen, dass auch jeder ein Recht darauf<br />

hat, Grün zu erleben, und auch da glaube ich, gibt es eine<br />

Parallele zur Kunst. Kunst bedient ein menschliches Bedürfnis,<br />

Kunst will erlebt werden und Kunst entwickelt sich nicht festgegossen<br />

in eine bestimmte Form. Es braucht einen Rahmen,<br />

man könnte auch sagen, es braucht Grenzen, es braucht aber<br />

eben vor allem Freiraum im Wortsinn, und da, glaube ich,<br />

können wir voneinander lernen.<br />

ML: In der Kunst waren es die 1960er und -70er<br />

Jahre, auch hier in Köln, in denen sich weltweit ziemlich viel<br />

bewegt hat – Köln als eine der Hauptstädte der Kunst war<br />

mit der Fluxusbewegung weit vorn, wo sehr viele gesagt<br />

haben, sie wollen raus aus diesen institutionellen Räumen,<br />

Bürgerräumen – das, was du ja auch sagst, dass der Park nicht<br />

betreten werden durfte, sondern nur die Wege, man durfte<br />

nur schauen, so ist man früher ins Museum gegangen. Man<br />

hat genauso einfach nur geguckt! Und dann ist man zurück<br />

in den <strong>Stadt</strong>raum und hat dort unglaubliche, seltsame Dinge<br />

gemacht, z. B. Autos in Beton gegossen oder irgendwelche<br />

andere verrückte Sachen.<br />

PM: Man kann sehen, dass es eine Befreiung gibt in<br />

der Gesellschaft, was die Eroberung des öffentlichen Raums<br />

angeht, da sind ganz viele Barrieren und Hürden gefallen,<br />

die es früher gegeben hat, die in der Gesellschaft einfach<br />

festgezurrt waren. Aber das Entscheidende ist, dass ich davon<br />

ausgehe: Es gibt ein natürliches Bedürfnis, Natur zu erleben,<br />

Natur zu erfahren – die Natur ist in dem Moment erst wirklich<br />

erfahrbar, wenn sie frei ist. Und das ist die Stelle die uns<br />

in Städte treibt, warum wir nicht zufällig Stiftung „Die grüne<br />

<strong>Stadt</strong>“ heißen, weil wir sagen, die Menschen müssen in ihrem<br />

direkten Lebensumfeld Natur erleben können und sie müssen<br />

Weite erleben können. Im Unterschied zur gebauten <strong>Stadt</strong>,<br />

die ja durch Dichte geprägt ist, ermöglicht der Freiraum auch<br />

mal, den Blick mehrere Hundert Meter weit schweifen zu<br />

lassen, das ist eine wichtige Erfahrung. Früher hat man Kunst<br />

beziehungsweise Natur und Kultur tatsächlich als Gegensatz<br />

gesehen; Natur war draußen und Natur war wild und gefährlich,<br />

Kultur dagegen war <strong>Stadt</strong>, und Kultur war kultiviert. <strong>Das</strong><br />

kann man heute nicht mehr so pauschal auseinanderhalten,<br />

ganz im Gegenteil: Natur in der <strong>Stadt</strong>, Kultur, auch draußen,<br />

auch das passiert ja, wir sehen außerhalb von Städten Kunstprojekte,<br />

Kunstobjekte, die in die freie Landschaft gefallen<br />

sind und da als Fremdkörper erlebt werden, aber genau das<br />

ist ja die interessante Erfahrung. Und umgekehrt für die <strong>Stadt</strong>.<br />

Wenn ich jetzt auf euer Projekt hier in Mülheim schaue, hier<br />

geht’s natürlich darum, dass man im direkten Lebensumfeld<br />

der dichten <strong>Stadt</strong> auch einen Raum mit einer neuen Freiheit<br />

erlebbar machen kann. Ich habe den Eindruck, dass genau<br />

das hier passiert. Nicht erst jetzt, sondern ja schon seit Jahren.<br />

<strong>Das</strong>s Kunst sich als mögliches Instrument von <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />

eignet, finde ich eine sehr interessante Idee, die hier<br />

erlebbar ist.

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