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syndicom magazin Nr. 13

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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«Diese Geschichte zeigt: Eine Umkehr der Kräfteverhältnisse<br />

ist selbst bei einem mächtigen Arbeitgeber möglich.» Melina Schröter<br />

19<br />

Sozialplan für die 41 vom Matin<br />

Schiedsgericht urteilte mit Signalwirkung: Entschädigungen<br />

wurden stark erhöht, Tamedia zahlt die Verfahrenskosten.<br />

Vierzehn Monate Kampf waren nötig,<br />

aber er hat sich gelohnt. Ein Schiedsgericht<br />

hat den 41 entlassenen Angestellten<br />

von Le Matin endlich zu einem<br />

anständigen Sozialplan verholfen. Mit<br />

Entschädigungen zwischen 3 und 12<br />

Monatslöhnen (statt der von Tamedia<br />

vorgeschlagenen 0 bis 5 Monatslöhne)<br />

bringt der Schiedsspruch eine Erleichterung.<br />

Etwa zehn Personen erhalten<br />

die maximale Entschädigung. Indem<br />

alle Betroffenen mindestens 3 Monatslöhne<br />

erhalten, berücksichtigt<br />

das Gericht auch den immateriellen<br />

Schaden einer Massenentlassung. Zur<br />

Erinnerung: Im System von Tamedia<br />

werden Entschädigungen nur so lange<br />

ausgerichtet, bis eine neue Stelle gefunden<br />

wird. Wer also sofort einen<br />

neuen Arbeitsplatz hat, erhält nichts.<br />

Und wer ohne Beschäftigung bleibt,<br />

muss den Konzern, der ihn auf die<br />

Strasse gestellt hat, jeden Monat wieder<br />

um die Entschädigung bitten.<br />

Der lange Kampf und sein Abschluss<br />

kommen nicht nur den entlassenen<br />

Angestellten von Le Matin zugute.<br />

Der Entscheid des Schiedsgerichts<br />

sendet auch eine wichtige Botschaft<br />

an Tamedia, die nur ein Argument zur<br />

Verteidigung ihres Sozialplans hatte:<br />

Das haben wir immer so gehandhabt.<br />

Der Konzern hatte sich in den Verhandlungen<br />

damit begnügt, die Entschädigungsregelung<br />

vorzulegen, die<br />

er bereits bei jeder seiner – zu – vielen<br />

Restrukturierungen angewendet hatte<br />

– und damit das eigentliche Prinzip<br />

Einigkeit, Mobilisierung und Ausdauer: damit<br />

haben es die Leute vom Matin geschafft. (© <strong>syndicom</strong>)<br />

einer Verhandlung mit Füssen getreten.<br />

Dabei «vergass» Tamedia, dass sie<br />

Anfang 2018 als Mehrheitsaktionärin<br />

der SDA bei der Massenentlassung eines<br />

Viertels der Redaktion einem weit<br />

vorteilhafteren Sozialplan zugestimmt<br />

hatte. Und blendete die 2009<br />

beim Tages-Anzeiger und beim Bund<br />

ausgehandelten Sozialpläne aus.<br />

Doch trotz dem Druck der Westschweizer<br />

Redaktionen, der «41 du Matin»,<br />

von <strong>syndicom</strong> und Impressum gab der<br />

Verleger nicht nach. Weitergehen! Es<br />

gibt nichts zu verhandeln.<br />

Das Schiedsgericht hat aber mit<br />

seinem Entscheid für weit höhere Entschädigungen<br />

eine sehr deutliche Botschaft<br />

ausgesendet. Es bezeichnet den<br />

nun beschlossenen Sozialplan als angemessen<br />

in Anbetracht anderer Sozialpläne<br />

und angesichts der Marktentwicklung.<br />

Anders gesagt: Tamedias<br />

Sozialplan war nicht angemessen. Der<br />

Plan für die «41 du Matin» entsprach<br />

weder der ausgezeichneten Finanzlage<br />

des Unternehmens (129 Mio. Gewinn<br />

2018) noch seiner sozialen Verantwortung<br />

oder der schwierigen<br />

Situation der Presse in der Romandie<br />

und war ganz einfach inakzeptabel.<br />

Und die Verantwortung für das Scheitern<br />

der Verhandlungen wird klar dem<br />

Medienkonzern zugewiesen, denn er<br />

muss nun auch die Kosten des Verfahrens<br />

vollständig übernehmen.<br />

Dieser Schiedsspruch schafft einen<br />

klaren Präzedenzfall. Zunächst<br />

für den Arbeitskampf. Mit ihrer Weigerung,<br />

den Sozialplan von Tamedia<br />

zu akzeptieren, haben die «41 du Matin»<br />

gezeigt, dass eine Umkehr des<br />

Kräfteverhältnisses selbst bei einem<br />

mächtigen Arbeitgeber möglich ist.<br />

Voraussetzung: Einigkeit und Unterstützung<br />

durch eine Gewerkschaft wie<br />

<strong>syndicom</strong>. Aber auch die solidarische<br />

Mobilisierung der übrigen Redaktionen<br />

bis hin zum Streik war nötig.<br />

Und dazu ist es ein Präzedenzfall<br />

für die Ebene des Sozialplans, der<br />

neue Standards für die Branche und<br />

für Tamedia setzt. Bei künftigen Restruk<br />

turie rungen täte der Verleger gut<br />

daran, nicht wieder seine übliche Entschädigungsregelung<br />

hervorzuholen.<br />

Denn dieses Mal könnte er nicht sagen:<br />

«Wir haben es immer so gehandhabt.»<br />

Melina Schröter, Regionalsekretärin<br />

Presse und elektronische Medien und<br />

Mitglied der «41 du Matin»<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/branchen/presse<br />

Medien stärker<br />

fördern – aber nur<br />

mit GAV!<br />

Bundesrätin Sommaruga bringt als<br />

neue Medienministerin frischen<br />

Schwung in die Medienpolitik. Sie<br />

setzt auf rasch umsetzbare Massnahmen,<br />

um die Medien zu fördern.<br />

<strong>syndicom</strong> unterstützt die Erhöhung<br />

der indirekten Presseförderung<br />

um 20 Millionen Franken. Die Posttaxen<br />

für die Zustellung der Zeitungen<br />

sollen billiger werden. Das ist richtig<br />

so, denn trotz Digitalisierung kommt<br />

der Presse bei der Versorgung mit<br />

journalistischen Informationen und<br />

bei der demokratischen Meinungsbildung<br />

weiterhin eine wichtige Rolle zu.<br />

Gleichzeitig müssen auch die Onlinemedien<br />

gefördert werden. Sie haben<br />

bei der Informationsversorgung eine<br />

immer grössere Funktion und erreichen<br />

vermehrt die Jungen. Die dafür<br />

vorgeschlagenen 50 Millionen werden<br />

der Medienvielfalt und der Qualitätsförderung<br />

dienen.<br />

ABER: Alle Fördergelder dürfen<br />

nur denjenigen Anbietern offenstehen,<br />

die faire Produktionsbedingungen<br />

für unabhängigen Journalismus<br />

sicherstellen: Gute Arbeitsbedingungen<br />

mit anständigen Mindestlöhnen,<br />

die im Gesamtarbeitsvertrag (GAV) geregelt<br />

werden, und der Respekt der redaktionellen<br />

Unabhängigkeit sind die<br />

wichtigsten Voraussetzungen dafür.<br />

Stephanie Vonarburg leitet die Branche Presse<br />

und elektronische Medien und ist Mitglied der GL.

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