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UmweltJournal Ausgabe 2019

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September <strong>2019</strong>/ <strong>UmweltJournal</strong> ABLUFTTECHNIK<br />

9<br />

Abluftreinigung in der Halbleiterindustrie mit niedrigstmöglicher Total Cost of Ownership<br />

Der Weg zur richtigen Abgasreinigungsanlage<br />

Durch immer komplexere Produktionsprozesse in der Industrie steigen auch die<br />

Erwartungen an die Leistungsfähigkeit von Abgasreinigungsanlagen: Sie erfüllen<br />

im Optimalfall nicht nur die gesetzlichen Regelungen, sondern weisen auch eine<br />

vergleichsweise geringe Total Cost of Ownership (TCO) auf. Um diese Vorteile in der<br />

Praxis zu realisieren, müssen die eingesetzten Technologien präzise auf den jeweiligen<br />

Anwendungsfall abgestimmt sein.<br />

Autor:<br />

Dani Muse<br />

centrotherm clean solutions<br />

GmbH<br />

Weltweit sind laut<br />

einer Untersuchung<br />

der WHO mehr als<br />

90 Prozent der Menschen verschmutzter<br />

Luft ausgesetzt.<br />

Angesichts dieser Zahl sehen<br />

viele Industrieunternehmen die<br />

Abluft- beziehungsweise Abgasreinigung<br />

als ein zum Teil sehr<br />

kostspieliges, aber notwendiges<br />

Übel an. Dabei birgt dieser Sektor<br />

großes Potenzial im Hinblick auf<br />

die Energieeffizienz ganzer Produktionsprozesse<br />

– zum Beispiel,<br />

wenn es gelingt, Wärme aus Abgasen<br />

mit Hilfe von Wärmeübertragern<br />

möglichst vollständig<br />

weiterzuverwenden und Medien,<br />

die in den Prozessen nicht verbraucht<br />

werden, stofflich und/<br />

oder energetisch zu nutzen.<br />

Den ersten Schritt dorthin<br />

bildet der Einsatz effizienter Abgasreinigungsanlagen.<br />

Bereits<br />

jetzt erfordern die stetig komplexeren<br />

industriellen Herstellungsprozesse,<br />

in denen immer<br />

mehr verschiedene Chemikalien<br />

zum Einsatz kommen, ein hohes<br />

Maß an Flexibilität und Kombinationsfreiheit<br />

im Bereich der<br />

Abgasreinigungssysteme. Dadurch<br />

werden Sonderlösungen<br />

zum Normalfall, die je nach Anforderungen<br />

auf verschiedene<br />

Technologien zur Gasreinigung<br />

zurückgreifen können: In der<br />

Halbleiter- und Photovoltaikindustrie<br />

beispielsweise sind dies<br />

im Wesentlichen die thermische<br />

Behandlung (Verbrennung), die<br />

Nasswäsche sowie die Trockenbettab-<br />

beziehungsweise -adsorption<br />

an Aktivkohlen oder Granulaten.<br />

Um hier höchste Effizienz<br />

hinsichtlich Reinigungsergebnis<br />

und Kosten zu erzielen, gilt es,<br />

aus diesen Verfahren richtig auszuwählen<br />

sowie optimal zu kombinieren.<br />

Das betrifft im Besonderen<br />

Stoffe, die mit mehreren<br />

Technologien aufgereinigt werden<br />

können, wie beispielsweise<br />

Trichlorsilan, Bromwasserstoff,<br />

Bortrichlorid oder flüchtige organische<br />

Verbindungen (VOCs).<br />

Berücksichtigung<br />

aller Faktoren für<br />

Technologiewahl<br />

Als Grundlage für die Entscheidung,<br />

welche Technologie anzuwenden<br />

ist, sollten für jedes Projekt<br />

mehrere Aspekte individuell<br />

bewertet werden. Dies lässt sich<br />

am Beispiel der Photovoltaikund<br />

Halbleiterindustrie gut aufzeigen:<br />

Neben den Investkosten<br />

der einzelnen Reinigungsverfahren<br />

sind insbesondere die <strong>Ausgabe</strong>n<br />

für Betriebsstoffe wie Brennoder<br />

Inertgase, für Druckluft,<br />

Strom, Abwassergebühren (diese<br />

können je nach Standort stark<br />

variieren) sowie für Service- und<br />

Wartungsbedarf zu berücksichtigen.<br />

Bei der Trockenbettabsorption<br />

gilt es zudem, die Wechselintervalle<br />

für die Absorberfüllung<br />

zu beachten. Diese Kriterien<br />

werden als Total Cost of Ownership<br />

(TCO) zusammengefasst.<br />

Hinzu kommt die Bewertung<br />

der Reinigungseffizienz und des<br />

benötigten Platzes für die Aufstellung<br />

(Footprint).<br />

Bei einem Vergleich von<br />

thermischer Behandlung und<br />

Trockenbettabsorption beispielsweise<br />

sollte im Hinblick<br />

auf die TCO unter anderem<br />

bedacht werden, dass ein Brenner-Wäscher<br />

in der Anschaffung<br />

zunächst teurer, weil deutlich<br />

komplexer, ist. Dafür reinigt er<br />

aber zuverlässig eine größere<br />

Bandbreite an Gasen ab als ein<br />

Trockenbettabsorber, dessen<br />

Füllung auf die Absorption einer<br />

oder weniger Gasarten optimiert<br />

ist. Im laufenden Betrieb benötigt<br />

der Brenner-Wäscher Brenngas,<br />

Luft und Strom, wobei die Brenngasmenge<br />

an die Schadgasmenge<br />

und -art angepasst werden kann.<br />

Der Trockenbettabsorber wird<br />

dagegen über die Zeit mit Schadstoffen<br />

beladen. Wenn die Kapazitätsgrenze<br />

erreicht ist, muss die<br />

Füllung gewechselt werden. In<br />

Abhängigkeit von der Schadstoffmenge,<br />

die über einen bestimmten<br />

Zeitraum hinweg anfällt, kann<br />

die TCO beim Trockenbettabsorber<br />

somit höher ausfallen als<br />

beim Brenner-Wäscher. Daher<br />

ist es wichtig, vor der Entscheidung<br />

über die Gasreinigungstechnologie<br />

den Prozess und<br />

die anfallenden Schadgase und<br />

Schadstoffmengen sowie deren<br />

zeitlichen Verlauf möglichst genau<br />

zu erfassen beziehungsweise<br />

abzuschätzen und zu bewerten.<br />

Geschieht dies nicht, kauft der<br />

Kunde im schlimmsten Fall eine<br />

Anlage, die die gesetzlichen Anforderungen<br />

erfüllt, bei der aber<br />

die TCO deutlich höher liegt, als<br />

es mit einer anderen Technologie<br />

möglich wäre.<br />

Technologieoffene<br />

Beratung entscheidend<br />

Unternehmen, die Luftverunreinigungen<br />

aus ihren Abgasen<br />

abscheiden müssen, sollten sich<br />

vor dem Kauf eines Abgasreinigungssystems<br />

umfassend über<br />

die verschiedenen Möglichkeiten<br />

und Anbieter informieren und<br />

am besten eine Abgasreinigungsfirma<br />

wählen, die alle für einen<br />

bestimmten Anwendungsfall relevanten<br />

Technologien beherrscht.<br />

Nur bei einem solchen Betrieb<br />

ist die Wahrscheinlichkeit hoch,<br />

dass wirklich technologieoffen beraten<br />

wird. Anbieter mit nur einer<br />

Technologie im Portfolio werden<br />

dagegen eher prüfen, ob diese für<br />

die geforderte Reinigungsaufgabe<br />

grundsätzlich geeignet ist – das<br />

heißt, ob mit diesem Verfahren<br />

am Kundenstandort die gesetzlichen<br />

Vorschriften zur Einhaltung<br />

der Abgasgrenzwerte erfüllt werden<br />

können. Hier ist zwar davon<br />

auszugehen, dass der Anbieter<br />

über die Vorteile und Invest- sowie<br />

Betriebskosten der angebotenen<br />

Technologie Auskunft gibt.<br />

Für den Anbieter einer einzigen<br />

Technologie wird jedoch weniger<br />

relevant sein, an potenzielle<br />

Kunden zu vermitteln, dass es<br />

noch eine wirtschaftlichere Reinigungsart<br />

als diejenige im eigenen<br />

Portfolio gibt. Selbst wenn der<br />

Kunde vorab auf einem Vergleich<br />

aller relevanten Verfahren einschließlich<br />

TCO besteht, ist nicht<br />

gewährleistet, dass der Anbieter<br />

über das notwendige Know-how<br />

für diesen Vergleich verfügt.<br />

Zum Kauf eines Systems mit<br />

ungünstiger TCO kann es jedoch<br />

auch dann kommen, wenn<br />

ein Unternehmen kontaktiert<br />

wird, das alle relevanten Abgas-<br />

1<br />

2a 2b 3<br />

1: Die wesentlichen Technologien in der Halbleiter- und Photovoltaikindustrie sind die thermische<br />

Behandlung (Verbrennung), die Nasswäsche sowie die Trockenbettabsorption an Aktivkohlen oder<br />

Granulaten. Um höchste Effizienz hinsichtlich Reinigungsergebnis und Kosten zu erzielen, gilt es, aus<br />

diesen Verfahren richtig auszuwählen sowie optimal zu kombinieren. Beispiel Silizium-Epitaxie: Hier<br />

fallen hohe Mengen an brennbaren sowie toxischen und korrosiven Gasen an. Im Wesentlichen sind dies<br />

Dichlorsilan (DCS), Trichlorsilan (TCS), Phosphin (PH3), Diboran (B2H6), Wasserstoff (H2) und<br />

Chlorwasserstoff (HCl). Das einzige Verfahren, das alle Schadgase inklusive H2 zuverlässig entsorgen<br />

kann, ist die thermische Behandlung. | 2: Bei der thermischen Gasreinigung werden Abgase bei sehr<br />

hohen Temperaturen aufgespalten und in einer anschließenden Nassstrecke ausgewaschen. | 3: Bei der<br />

Trockenbettabsorption kommen ein oder mehrere unterschiedliche Granulate zum Einsatz, welche die<br />

toxischen, ätzenden und/oder entzündlichen Gase und Beiprodukte absorbieren.<br />

reinigungstechnologien anbietet.<br />

Dies ist unter Umständen<br />

dann der Fall, wenn ein Kunde<br />

ein festgelegtes Budget für die<br />

Investition in eine Anlage angibt,<br />

dieses Budget beim Kauf der Anlage<br />

eingehalten wird, aber die<br />

beauftragte Firma nicht parallel<br />

darauf hinweist, dass mit einer<br />

anderen Technologie die TCO<br />

geringer ausfallen würde. Das<br />

kann vermieden werden, wenn<br />

der Kunde einen Technologieanbieter<br />

mit Schwerpunkt auf<br />

Beratungsleistungen wählt, wie<br />

dies unter anderem bei centrotherm<br />

clean solutions der Fall ist.<br />

Häufig stellt sich dann heraus,<br />

dass zwar ein Budget vorgegeben<br />

ist, über die Vorgabe aber<br />

noch innerhalb des beauftragenden<br />

Unternehmens verhandelt<br />

werden kann.<br />

Beispiel aus<br />

Halbleiterindustrie:<br />

Silizium-Epitaxie<br />

Der Mehrwert einer Beratung<br />

durch Unternehmen, die alle<br />

relevanten Abgasreinigungstechnologien<br />

anbieten, lässt sich anhand<br />

eines Beispiels aufzeigen:<br />

Die Silizium-Epitaxie in der<br />

Halbleiterproduktion gehört zu<br />

den herausforderndsten Prozessen<br />

in der Industrie. Hierbei<br />

werden dünne Siliziumschichten<br />

auf ein Substrat aufgewachsen,<br />

indem Silizium aus der Gasphase<br />

mit dem erhitzten Substrat<br />

reagiert. Das Abgasgemisch besteht<br />

meist aus hohen Mengen<br />

an brennbaren Gasen sowie toxischen<br />

und korrosiven Bestandteilen.<br />

Im Wesentlichen sind dies<br />

Dichlorsilan (DCS), Trichlorsilan<br />

(TCS), Phosphin (PH3),<br />

Diboran (B2H6), Wasserstoff<br />

(H2) und Chlorwasserstoff<br />

(HCl). Um eine Technologie<br />

zu bestimmen, die in einem Anwendungsfall<br />

wie diesem grundsätzlich<br />

zum Einsatz kommen<br />

kann, sollte zunächst die Art des<br />

Prozesses und damit die Art der<br />

Schadstoff-Komponenten im<br />

Abgas betrachtet werden. Wenn<br />

für eine Anwendung prinzipiell<br />

mehrere unterschiedliche Technologien<br />

geeignet sind, kann<br />

durch einen detaillierten TCO-<br />

Vergleich die wirtschaftlichste<br />

Lösung ermittelt werden.<br />

Bei diesem Vorgehen steht im<br />

vorliegenden Beispiel am Ende<br />

folgendes Ergebnis: Der Nasswäscher<br />

ist für die Silizium-Epitaxie-Anwendung<br />

nur bedingt<br />

geeignet, da er lediglich die korrosiven<br />

Gase DCS, TCS und HCl<br />

entfernt. Die Dotiergase PH3<br />

und B2H6 sowie H2 werden<br />

nicht behandelt. Letzterer könnte<br />

zwar – da er nicht toxisch, sondern<br />

„nur“ brennbar ist – durch<br />

Verdünnen auf Konzentrationen<br />

unterhalb der Explosionsgrenze<br />

unschädlich gemacht werden, für<br />

die toxischen Dotiergase ist dies<br />

jedoch keine Lösung. Mittels<br />

Trockenbettabsorption können<br />

prinzipiell alle genannten Gase<br />

außer H2 entfernt werden. Die<br />

Schadstoffmengen (insbesondere<br />

der Wert für HCl) sind<br />

bei diesem Prozess jedoch so<br />

hoch, dass das Absorbergranulat<br />

sehr schnell verbraucht werden<br />

würde. Die TCO dieser Lösung<br />

wäre also sehr hoch. Das einzige<br />

Verfahren, das alle Schadgase inklusive<br />

H2 zuverlässig entsorgen<br />

kann, ist die thermische Behandlung.<br />

Ihre TCO fällt im Vergleich<br />

mit der Trockenbettabsorption<br />

auch niedriger aus, so dass die<br />

Technologie in diesem Anwendungsfall<br />

zu bevorzugen ist.<br />

Technologisches Know-how<br />

als Voraussetzung<br />

Fotos: centrotherm clean solutions GmbH & Co. KG<br />

Essentiell für einen optimalen,<br />

kosteneffizienten Einsatz von<br />

Gasreinigungstechnologien ist<br />

somit, dass stets genau analysiert<br />

und individuell entschieden<br />

wird, welches Verfahren sich für<br />

eine bestimmte Anwendung am<br />

besten eignet. Von Verallgemeinerungen<br />

sollte Abstand genommen<br />

werden, auch wenn sich<br />

gewisse Tendenzen hinsichtlich<br />

der Eignung der verschiedenen<br />

Technologien ausmachen<br />

lassen: So ist zum Beispiel in<br />

der Halbleiterindustrie bei kleinen<br />

Schadstoffmengen, wie sie<br />

in der Regel in Forschung &<br />

Entwicklung sowie Kleinserienfertigung<br />

entstehen, oftmals die<br />

Trockenbettabsorption die wirtschaftlichste<br />

Lösung. Dagegen<br />

sind in der Massenproduktion<br />

bei den meisten Prozessen die<br />

anfallenden Schadstoffmengen<br />

in der Regel so hoch, dass<br />

thermische Lösungen sowohl<br />

aus technischer, als auch aus<br />

wirtschaftlicher Sicht die bessere<br />

Option darstellen. Festzuhalten<br />

bleibt: Angesichts der Komplexität<br />

vieler Prozesse kann die<br />

Beurteilung, welche Technologie<br />

sich für eine spezifische<br />

Abgasreinigungsanwendung am<br />

besten eignet, nur von Experten<br />

vorgenommen werden.<br />

Tischkalender_289x55mm.indd 1 01.08.19 13:33

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