09.12.2019 Aufrufe

STADTBLATT_2019_10

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

kunst<br />

sehenswert<br />

Felix Schoeller Photo Award<br />

Schwierige Sache, aus über <strong>10</strong>.000 Fotografien<br />

aus 113 Ländern eine Handvoll Gewinner<br />

rauszusuchen, von Porträt bis Landschaft.<br />

Aber es wird gelingen, denn die Macher haben<br />

ja schon Übung, seit 2013. Besonderheit,<br />

ab <strong>2019</strong>: die Themenkategorien wurden<br />

um den „Deutschen Friedenspreis für<br />

Fotografie“ erweitert. „Für Frieden“, lernen<br />

wir dabei, „gibt es keine einfachen Formeln.“<br />

Das lässt sich unterschreiben.<br />

P 13.<strong>10</strong>. bis 8.3.2020, Museums -<br />

quartier Osnabrück/Kulturgeschichtliches<br />

Museum<br />

FOTO: SAMEER AL-DOUMY, PARIS, FRANCE<br />

FOTO: FRANK GILLICH<br />

Bunter Akkord<br />

Zum Osnabrücker Kulturschwerpunkt<br />

„Klang“ konzipiert, zeigt die Schau konzertierte<br />

Vielfalt. Technisch: Von der Malerei bis<br />

zur Objektkunst. Thematisch: Von der Landschaft<br />

bis zur Konsumkritik. Zu sehen sind<br />

Arbeiten von Jörg Kujawa, Maxim Wakultschik,<br />

Simon Nelke, Sebastian Herzau, Gisela<br />

Krohn, Melanie Helbrecht, Markus Rock<br />

und Jörg Döring.<br />

P bis 26.<strong>10</strong>., Galerie w<br />

Zwischen Erfolg<br />

und Verfolgung<br />

Das Osnabrücker Diözesanmuseum hat seit<br />

langem eine starke Affinität zum Sport. Das<br />

zeigt sich auch in der Wanderausstellung<br />

über „Jüdische Stars im deutschen Sport bis<br />

1933 und danach“. Sie folgt dem Schicksal<br />

von 16 jüdischen Sportlern, die nach 1933<br />

verfolgt wurden. Aber die Schau richtet den<br />

Blick nicht nur in die Vergangenheit. Durch<br />

Sarah Poewe, 2004 in Atlanta die erste<br />

jüdische Sportlerin, die nach 1945 eine olympische<br />

Medaille für Deutschland gewinnt,<br />

sind wir mitten im Hier und Jetzt – und in<br />

einem „Zeichen gegen den neu aufkeimenden<br />

Antisemitismus“.<br />

P bis 13.<strong>10</strong>., Domvorplatz<br />

HPS<br />

oh, nein! Es nimmt einfach<br />

kein Ende! Bauhaus, überall!<br />

Es ist eine Epidemie, eine<br />

Pandemie, und auch Tim Cierpiszewski<br />

ist von ihr befallen.<br />

Das Symptom entdeckt nur, wer antritt,<br />

„Like a House“ bis in jede innenarchitektonische<br />

Blickwinkelverästelung<br />

durchzuanalysieren.<br />

Wer das tut, stößt schnell auf Mies<br />

van der Rohe. Und auf das Besondere<br />

des Pavillons, den der Bauhäusler für<br />

die Weltausstellung 1929 in Barcelona<br />

hat errichten lassen: nichttragende,<br />

versetzbare Wände. Solche Wände<br />

gibt es auch in „Like a House“. Gleich<br />

drei davon, jede 6 x 2,87m groß.<br />

Und auch mit Friedrich Vordemberge-Gildewart,<br />

dem verkopften Geometriker,<br />

dem schwerstvermittelbaren<br />

aller großen Söhne Osnabrücks, hat<br />

„Like a House“ zu tun. „Ein Bild wird<br />

gebaut wie ein Haus“, hat VG, wie ihn<br />

seine Jünger liebevoll nennen, immerhin<br />

mal gesagt, und dadurch erklärt<br />

sich der Ausstellungstitel.<br />

Doch jetzt die gute Nachricht: „Like<br />

a House“ funktioniert auch ohne jedes<br />

Vorwissen. Van der Rohe? Vordemberge-Gildewart?<br />

Wer von beiden noch nie<br />

gehört hat, hat keine Nachteile. Warum<br />

Cierpiszewski dann auf sie verweist?<br />

Wohl, damit seine Schau von<br />

DEM großen Kulturjubiläum des Jahres,<br />

dem <strong>10</strong>0. Bauhaus-Geburtstag, ein<br />

bisschen Glamour abgreift. Eine<br />

Krampfigkeit, auf die er besser verzichtet<br />

hätte. Denn nötig hat er sie nicht.<br />

Schichten, Verschachteln, Verfremden: Tim Cierpiszewski sampelt Internet-Funde zu neuen Welten<br />

Radikaler Remix<br />

Am besten schnell wieder raus? Oder, fasziniert, lange bleiben?<br />

An Tim Cierpiszewskis Rauminstallation „Like a House“ scheiden sich die Geister.<br />

Drei Wände hat Cierpiszewski errichten<br />

lassen. Ihre Vorderseite ist motivisch<br />

beklebt, ihre Rückseite ist<br />

weiß, mit einer schwarzer Basis, die<br />

angeblich auch irgendwie Kunst ist.<br />

An jeder Wand lehnt ein Buch, das die<br />

Motive der Vorderseite spiegelt und<br />

erweitert. „Displays“ nennt Cierpiszewski<br />

diese Arrangements.<br />

Was auf den Vorderseiten zu sehen<br />

ist, nennt Cierpiszewski „Samplings“.<br />

Hier schichtet, verschachtelt, verfremdet,<br />

reiht, wiederholt, kombiniert, variiert<br />

er Bilder, die er im Internet gefunden<br />

hat, und wer zu sagen versucht,<br />

was das ist, was er da sieht, hat<br />

es schwer. Visualisierungen akus -<br />

tischer Prozesse? Buchstabenfragmente?<br />

Mathematische, chemische Modelle?<br />

Konstruktionszeichnungen? Synapsenverbindungen?<br />

Und auch, was sich<br />

schnell identifizieren lässt, vom<br />

Breakout Clone-Game aus der Computersteinzeit<br />

bis zu einem Tomahawk-<br />

Marschflugkörper, unterwegs zu irgendeinem<br />

feindlichen Kommandobunker,<br />

ist, im Dialog mit seinem Umraum,<br />

eine Verrätselung.<br />

Manches ist riesig groß und manches<br />

winzig klein, manches ist farbig<br />

und manches schwarzweiß, manches<br />

ist zweidimensional und manches<br />

plastisch, manches erscheint statisch,<br />

manches bewegt.<br />

„Ein extrem offenes Werk“, sagt Kurator<br />

Michael Kröger zu dieser „Medienbefragung“.<br />

„Es ist, als würde man<br />

in einen unendlichen Kosmos geworfen.<br />

Kein Maßstab mehr, der gilt.“<br />

Kuratorin Elisabeth Lumme: „Es<br />

geht hier auch um die Frage der Wahrnehmungs-Beliebigkeit.<br />

Warum wähle<br />

ich aus den Milliarden von Bildern, die<br />

ich im Netz finde, gerade diese aus ...“<br />

Ja, warum? Wir sehen Gitterstrukturen,<br />

Farbraster, technoide Strahlenkränze,<br />

die wirken wie monumentale<br />

Faserkabel. Rotation, Bewegungsunschärfe,<br />

Zoom: Ein Eindrucks-Overkill,<br />

der entweder schnell abschreckt oder<br />

lange fesselt.<br />

Die, die er besonders fesselt, können<br />

sich in „Like a House“ selber ans Internet<br />

setzen. Das Grafikprogramm<br />

GIMP läuft hier, und das ist ziemlich<br />

selbsterklärend. Viele der Ergebnisse<br />

sind beindruckend. Einige machen<br />

Cierpiszewski harte Konkurrenz.<br />

Eine Schau, die den Betrachter mit<br />

absolut NULL Informationen versorgt,<br />

was ungewöhnlich, aber gut ist: Kunst-<br />

Geschwurbel ist ja meist ziemlich unerträglich.<br />

Aber es gibt auch Irritationen,<br />

die sind nicht produktiv. Da ist<br />

nämlich diese vierte Wand. Genauso<br />

gebaut wie die drei anderen. Die gehört<br />

doch sicher dazu? Falsch: Sie ist<br />

einfach nur eine stinknormale Trennwand.<br />

Was damit zu tun hat, dass auch<br />

die Grundmaterialien der drei Cierpiszewski-Wände<br />

eigentlich einen sehr<br />

pragmatischen Zweck haben – bei<br />

Ausstellungen, die mehr Wandplatz<br />

brauchen, verdecken sie die Fenster...<br />

HARFF-PETER SCHÖNHERR<br />

P bis 12.<strong>10</strong>, Kunstraum Hase29<br />

34 <strong>STADTBLATT</strong> <strong>10</strong>.<strong>2019</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!