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STADTBLATT_2019_10

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kino<br />

die platzanweiserin<br />

FOTO: MERIE WEISMILLER WALLACE<br />

Minibordell am Straßenrand: „Lovemobil“<br />

„Die Mauer wird auch in 50 oder <strong>10</strong>0 Jahren<br />

noch bestehen.“<br />

Erich Honecker, 19.1.1989<br />

Der Mauerfall jährt sich diesen Herbst zum<br />

30. Mal. Zu diesem Anlass kommen am<br />

Tag der Deutschen Einheit zwei Filme auf<br />

die deutsche Kinoleinwand, die sich mit<br />

schwierigen Zeiten der deutschen Geschichte<br />

beschäftigen. Zwischen uns die<br />

Mauer (ab 3.<strong>10</strong>. im Kino) behandelt eine<br />

zarte Liebesbeziehung von West- nach<br />

Ostdeutschland, die ihre Vorlage im gleichnamigen<br />

Roman von Katja Hildebrand<br />

findet. Auf einem Ausflug in die DDR lernt<br />

Anna Philipp kennen, ihrer Beziehung<br />

steht die Mauer im Weg. Einige Male treffen<br />

sie sich in Ostdeutschland, schmieden<br />

dann einen Fluchtplan für Philipp in den<br />

Westen. Doch schwierige Zeiten erfordern<br />

Resilienz – die beiden geraten ins Visier<br />

der Stasi, und auch Annas Eltern sind nicht<br />

begeistert von den Umständen der Beziehung<br />

der beiden Liebenden ...<br />

Zum wiederum 34. Mal findet diesen<br />

Herbst das Unabhängige Filmfest Osnabrück<br />

(16.-20.<strong>10</strong>., Lagerhalle u. a. Orte, siehe<br />

„Aufgefallen“) statt. Überdurchschnittlich<br />

viele Dokumentarfilme haben es diesmal<br />

ins Programm geschafft und können<br />

erzähltechnisch durchaus mit den Spiel -<br />

filmen mithalten. So klingt der Eröffnungsfilm<br />

Lovemobil (16.9., Lagerhalle) wie ein<br />

spannender Thriller: Regisseurin Elke Margarete<br />

Lehrenkrauss porträtiert junge<br />

Frauen, die sich in parkenden Wohnmobilen<br />

am Straßenrand prostituieren, bis eine<br />

von ihnen ermordet wird. Lehrenkrauss<br />

gibt in ihrem Film nicht nur den Sexarbeiterinnen<br />

eine Stimme, auch Freier und<br />

Vermieter der Wohnmobile kommen zu<br />

Wort. Zur Ausstrahlung ihres Films wird die<br />

Filmemacherin anwesend sein.<br />

Der Distelfink<br />

SCHICKSALHAFTES MEISTERWERK 1654<br />

malte der niederländische Maler und mutmaßliche<br />

Rembrandt-Schüler Carel Fabritius<br />

den Distelfink und wurde im selben Jahr bei<br />

der Explosion des Delfter Pulverturms getötet.<br />

In dem gleichnamigen Roman von Donna<br />

Tartt kommt die Mutter des Protagonisten<br />

Theodore ebenfalls bei einer Explosion, einem<br />

Bombenanschlag im New Yorker Metropolitan<br />

Museum, ums Leben. Theodore<br />

überlebt und kommt in Besitz des Gemälde<br />

Fabritius', das ihn fortan begleitet, sein Leben<br />

bestimmt und als verschollen gilt. Es<br />

führt ihn unter anderem nach Las Vegas und<br />

Amsterdam, auf den rechten Weg und vom<br />

rechten Weg weg. Tartts Roman, der mit<br />

dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, ist<br />

nun verfilmt worden. Nachdem das Drama<br />

auf dem Toronto Filmfestival gezeigt wurde<br />

und es in den Kinos angelaufen ist, wird man<br />

ihn auf der Streaming-Plattform Amazons<br />

sehen können.<br />

M. GRÖNEWEG<br />

USA <strong>2019</strong>. R: John Crowley. D: Ansel Elgort, Oakes<br />

Fegley, Nicole Kidman u. a.<br />

P ab 26.9., Cinema Arthouse<br />

Midsommar<br />

HEIDNISCHER KULT Letztes Jahr im Sommer<br />

sorgte Regisseur Ari Aster mit seinem<br />

Spielfilmdebüt „Hereditary – Das Vermächtnis“<br />

für mächtig Aufsehen in der Kinound<br />

vor allem Horrorfilmszene. Er wird unter<br />

Kennern als der beste Nachwuchsregisseur<br />

des Genres gehandelt und baut diesen<br />

Ruf jetzt mit seinem zweiten Film aus.<br />

„Midsommar“ handelt von einer Gruppe<br />

junger Studenten, die den Sommer in<br />

Schweden verbringen, um an einem neun<br />

Tage dauernden Fest teilzunehmen, das in<br />

dieser Form nur alle sechs Jahre stattfindet.<br />

Doch statt ausgelassenen Tänzen und fröh -<br />

lichem Schlemmen im Freien erwarten die<br />

jungen Leute die seltsam anmutenden<br />

Rituale eines heidnischen Kultes. Wie schon<br />

in „Hereditary“ setzt Aster mehr auf den<br />

Horror, der sich in den Betroffenen abspielt,<br />

als auf altbekannte Schockeffekte – was<br />

den Film aber umso eindringlicher macht.<br />

NB<br />

USA <strong>2019</strong>. R: Ari Aster. D: Florence Pugh, Jack Reynor,<br />

Will Poulter u. a.<br />

P ab 26.9., Cinema Arthouse<br />

Schatten der NS-Zeit: „Deutschstunde“<br />

West-Ost-Liebesgeschichte:<br />

„Zwischen uns die Mauer“<br />

Deutschstunde (ab 3.<strong>10</strong>., Cinema Arthouse)<br />

ist im Deutschland der Nachkriegszeit<br />

situiert. Darin erinnert sich Siggi als Jugendlicher<br />

an seine Kindheit während des<br />

Zweiten Weltkriegs: Gemeinsam mit<br />

seinem Vater sollte er den befreundeten<br />

Maler Nansen<br />

überwachen,<br />

dessen Arbeiten<br />

verboten<br />

werden<br />

sollten. Die<br />

Geschichte<br />

basiert auf<br />

Siegfried Lenz'<br />

gleichnamigen Roman<br />

(1968) und greift die komplexe<br />

Schuld- und Pflichtthematik der Nachkriegszeit<br />

auf.<br />

Irgendwo zwischen Fiktion und Realität<br />

bewegt sich It Must Be Heaven (19.<strong>10</strong>.,<br />

Filmtheater Hasetor): Regisseur und<br />

Drehbuchautor Elia Suleiman verlässt in<br />

seinem eigenen Film seine Heimat Palästina,<br />

um ein neues Zuhause zu finden.<br />

Dabei bewegt er sich als stiller Beobachter<br />

durch die Welt – doch Palästina scheint<br />

ihm allgegenwärtig. Für junge Besucher<br />

des Filmfests lohnt sich der UFOlino-Tag<br />

(20.<strong>10</strong>., Lagerhalle). Gezeigt wird ein gemischtes<br />

Programm aus internationalen<br />

unterhaltenden und ernsthafteren Kurz -<br />

filmen. Beendet wird das Filmfest mit<br />

Les Misérables (20.<strong>10</strong>., Filmtheater<br />

Hasetor), einem Polizeithriller, der nicht<br />

nur wegen des Titels an Victor Hugos<br />

Werk erinnert: An dem Ort, an dem Hugo<br />

seinen gleichnamigen Roman ansiedelte,<br />

kommt es in Paris 2005 zu gewalttätigen<br />

Ausschreitungen. Diese dienten Drehbuchautor<br />

und Regisseur Ladj Ly als Inspiration<br />

für sein Langfilmdebüt.<br />

M. GRÖNEWALD<br />

Der Glanz der Unsichtbaren<br />

BEHERZTER EXISTENZKAMPF Ein Zentrum<br />

für obdachlose Frauen, eine Entscheidung<br />

der Stadtverwaltung aufgrund schlechter<br />

Wiedereingliederungsquoten, eine bevorstehende<br />

Schließung und ein großer Schock<br />

für die Bedürftigen: Drei Monate bleiben den<br />

Sozialarbeiterinnen des Zentrums L’Envol,<br />

ihren Schützlingen trotz allem einen neuen<br />

Start in die Gesellschaft zu ermöglichen und<br />

ihnen ihren Glanz zurückzubringen. Dabei<br />

entsteht eine starke Dynamik zwischen den<br />

Frauen, denen alle Mittel recht sind: Ziviler<br />

Gehorsam, Schwindeleien und Tricks. Ein<br />

wenig erinnert der Film an die Netflix-Serie<br />

„Orange is the New Black“, in der ebenfalls<br />

starke Frauenbilder, die eigentlich am Rande<br />

der Gesellschaft stehen, zu Wort kommen<br />

und dabei humoristisch und einfühlsam<br />

nachgezeichnet werden. Die Komödie trifft<br />

den Geschmack der Zuschauer und wurde<br />

mit vier Publikumspreisen französischer<br />

Filmfeste ausgezeichnet. M. GRÖNEWEG<br />

BEL 2018. R: Louis-Julien Petit. D: Audrey Lamy,<br />

Corinne Masiero, Noémie Lvovsky u. a.<br />

P ab <strong>10</strong>.<strong>10</strong>., Cinema Arthouse<br />

Brittany Runs a Marathon<br />

BITTERE WIEDERBELEBUNG Noch immer<br />

wird mit Bewunderung kolportiert, dass Robert<br />

De Niro 30 Kilo Gewicht zulegte, um in<br />

„Wie ein wilder Stier“ den korpulent gewordenen<br />

Boxer Jake LaMotta naturgetreu darstellen<br />

zu können. Für die Rolle der Brittany<br />

ging Jillian Bell den umgekehrten Weg: Im<br />

Laufe der Dreharbeiten nahm sie laut Berichten<br />

20 Kilo ab. Anfangs lässt Brittany<br />

kein Vergnügen aus, trinkt, mampft, traktiert<br />

den Körper mit Drogen. Eine ernste Warnung<br />

ihres Arztes bringt sie zur Besinnung.<br />

Sie beginnt mit dem Dauerlauf. Die ersten<br />

Schritte fallen schwer, das wirft erwartbare<br />

Gags ab. Aber der Filmautor Paul Downs Colaizzo<br />

hat anderes im Sinn. Hinter der Komik<br />

lässt sich Traurigkeit ausmachen, die in den<br />

Biografien der Haupt- und auch einiger Nebenfiguren<br />

angelegt ist. Mit dem Laufen<br />

kompensieren sie bittere Erfahrungen. Und<br />

anders als in gängigen Hollywood-Komödien<br />

darf Brittany auch mal biestig sein. H. K.<br />

USA <strong>2019</strong>. R: Paul Downs Colaizzo. D: Jillian Bell,<br />

Jennifer Dundas, Michaela Watkins u. a.<br />

P ab 17.<strong>10</strong>., Cinema Arthouse<br />

38 <strong>STADTBLATT</strong> <strong>10</strong>.<strong>2019</strong>

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