Angsthunde und der Umgang mit diesen
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Angsthunde und der Umgang mit diesen
Ute Contius
Bäume, Steine, Gras, Blumen, Tische, Stühle, alles, jeder Geruch, der nicht Kot oder Aas
ist, jedes unbekannte Geräusch, jedes Tier, das nicht Hund oder Ratte ist - es ist alles
unbekannt und die Summe an Eindrücken, der sie sich nach ihrer Befreiung nicht
entziehen können, lässt diese Hunde förmlich erstarren, sie sind kaum bis gar nicht
ansprechbar und zu keiner adäquaten Reaktion fähig. Es macht den Anschein als würde
die Summe an Angst- und Furchtsituationen sich zu einer alles umfassenden, komplexen
Angststörung kumulieren, die dazu führt, dass diese Hunde „in ihr Inneres flüchten“, wie
abwesend wirken und auf dem schmalen Grat zwischen Apathie und Angriff wandeln.
Einem mit leerem Blick in‘s Nichts Starren folgt bisweilen ein im höchsten Maße
beschwichtigendes urinierend auf dem Bauch Rutschen, das in Bruchteilen von Sekunden
in einen Angriff übergehen kann.
Diese wie vorstehend beschriebenen Hunde werden im vorherrschenden Sprachgebrauch
als „Angsthunde“ bezeichnet – es sind Hunde mit panischer „Angst“ vor dem Leben.
Ohne einen solchen Hund wieder zu isolieren und von allem abzuschotten, gibt es
anfangs keine Möglichkeit, ihn „aus der Situation zu nehmen“, wie man es mit Hunden mit
vereinzelten Angststörungen kann, da die Situation ausnahmslos überall um diesen Hund
herum ist, einschließlich, in einem Fall wie meiner Hündin, der Tatsache, dass man selbst
durch bloßes „Menschsein“ maßgeblicher Teil dieser Situation ist.
Der Sonderfall der chronischen Traumatisierung/der posttraumatischen Belastungsstörung
Wie vorstehend erläutert, können negative Erlebnisse für Hunde (wie u.a. auch Menschen)
traumatisch sein. Findet keine Verarbeitung dieser Erlebnisse statt, kann sich die
Traumatisierung bei Hunden (wie auch bei Menschen) chronifizieren; man spricht dann
von einer chronischen Traumatisierung oder einem posttraumatischen Belastungssyndrom.
Durch die Präsenz des Erlebten können unspezifisch erscheinende Reize zu
einem spontanen Wiedererleben der traumatischen Situation führen, es kann somit bei nur
minimalen Reizen (Gerüche, Geräusche, Berührungen, optische Reize) zu plötzlichen,
unkontrollierten Angstreaktionen kommen. Das Problem in diesem Zusammenhang ist
meist, die Auslöser zu identifizieren, um die Traumatisierung gezielt angehen zu können,
sodass sich durch ein stetes Wiedererleben die Situation eher verschärft als bessert.
Traumatisierte Hunde stehen ferner unter dem präsenten Eindruck des Erlebten oftmals
unter Dauerstress, sind apathisch, ziehen sich zurück, zeigen Verhaltensauffälligkeiten wie
(Angst-)Aggressivität u.Ä. und entwickeln als Folge weitere Ängste.
Kommt es in der entscheidenden Entwicklungsphase eines Hundes zu einem Trauma, das
nicht verarbeitet wird, kann es infolgedessen zudem zur Deprivation kommen mit den
vorstehend genannten Folgen.
Auch diese Hunde fallen unter den Begriff des „Angsthundes“, so sie infolge des erlittenen
Traumas weitere Angststörungen entwickelt haben und/oder ihr Verhalten dadurch
insgesamt beeinflusst wird.
Welche Störung im Einzelnen vorliegt, ist bisweilen, wenn überhaupt, nur schwer
auszumachen. Viele Symptome sind identisch oder ähneln sich stark, bestimmte
Störungen ziehen wie beschrieben oftmals auch weitere nach sich, sodass es zu
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