EGTA-Journal 12-2019
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Stefan Hackl
war vielleicht eine Schülerin von Giuliani
– auf einem Ölgemälde von 1817 9 ist
sie mit ihrer Gitarre dargestellt. Der Graf
Louis von Tannenberg wurde 1811 von
Johann Baptist Gänsbacher im Gitarrenspiel,
namentlich in der Begleitung von
Liedern, unterrichtet. 10 In Giulianis Werkliste,
die er 1828 an Domenico Artaria
schickte, wurde das op. 103 „Varizioni sul
tema Scarivari“ genannt. 11 Was auch immer
„Charivari“ zu dieser Zeit bedeutete,
es war wohl etwas Humoristisches.
Die Rezeption von Giulianis Kompositionen
in der alpenländischen
Volksmusik
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
verschwand die Gitarre fast vollständig
aus dem öffentlichen Leben
– es gab nur mehr sehr wenige Konzerte
und Notenausgaben, aber es wurden
immer noch viele Gitarren gebaut (in
Wien meist Bassgitarren für die Begleitung).
Die Volksmusik half dem Instrument,
im privaten Bereich zu überleben.
Tirolstammende Jakob Ortner tourte mit
der Nationalsängergesellschaft Egger-Rieser
durch mehrere Länder und war berühmt
für seine Fähigkeiten, Ländler und
Märsche zu improvisieren. Als erster Professor
für Gitarre etablierte er die Wiener
Kontra-Gitarre im Lehrplan der Wiener
Akademie (1923).
Deutsche und österreichische Verlage
legten zahlreiche alte und neue Ländler
wieder auf, darunter einige von Mauro
Giuliani. Weinberger druckte die Nazionalländer
op. 16a mit den Originalplatten
von Artaria mit dem Titel „16 Walzer“ nach.
Schott veröffentlichte eine Auswahl der
Neuen Wald-Ländler op. 23 (6 leichte Ländler
A-Dur aus op. 23, GA, 325) und ein weiteres
aus op. 75 und 80 in zwei Bänden
(Leichte Ländler, GA 380, 381), in denen
die zweite Gitarre nach A-Dur transponiert
wurde – die Originalfassung für die
Terzgitarre ist in C-Dur geschrieben.
Thema von Giulianis Introduction et Variations pour la Guitarre seule sur un Walz favori op. 103.
© Stefan Hackl
Schließlich gibt es von Giuliani noch Variationen
über einen Walzer, der nach
seiner Wiener Zeit komponiert und in
Napoli (Girard) 1827 veröffentlicht wurde:
Variazoni con Introduzione, e Finale per
Chitarra Sola sul Tema di un Valzer Favorito
di Mauro Giuliani Opera 138. Das Thema
ist eine Variante eines Ländlers, den
Giuliani schon als Trio des Scherzos aus
der Sonatine op. 71/3 verwendet hatte.
Um die Jahrhundertwende haben wir
eine ähnliche Situation wie hundert Jahre
zuvor: eine neue Welle der Begeisterung
für Volksmusik, die sich in neuen
Forschungen und Sammlungen widerspiegelt,
und eine Renaissance des Gitarrenspiels,
die in München in Wien
nicht unwesentlich aus der Volksmusik
erwuchs. Alois Götz, Johann Decker-Schenk,
Markus Schwerdhöfer und
Heinrich Albert veröffentlichten zahlreiche
Tänze und Liedarrangements. Der aus
Seit der Tourismus in den Alpen ein
neues Interesse an der Volksmusik
weckte, entwickelte sich
allmählich eine Trennung
zwischen echter Volksmusik
und kommerzieller
Folklore.
9 aus Privatbesitz
10 Stefan Hackl, „Die Gitarre in der Kammermusik des Tiroler Komponisten Johann Baptist Gänsbacher (1788-1844)“,
in: Gitarre & Laute, 1996/4: 15-19.
11 Dank an Gerhard Penn für diesen Hinweis.
10 EGTA-Journal