EGTA-Journal 12-2019
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Stefan Hackl
Mauro Giuliani und die Alpenländische Volksmusik
Biografie
Stefan Hackl, Dr. phil., geb. 1954, beschäftigte
sich nach seiner Ausbildung
an Konservatorium und Universität Innsbruck
besonders mit historischen Instrumenten
und Aufführungspraxis, mit der
Kammermusik des 19. Jahrhunderts, mit
Volksmusik sowie mit Recherchen zur
Geschichte der Gitarre. Er veröffentlichte
zahlreiche Fachartikel in Büchern und internationalen
Zeitschriften (Soundboard,
Classical Guitar Magazine, Gitarre & Laute,
Gitarre aktuell, Il Fronimo, Gendai Guitar
etc.), Notenausgaben (u.a. bei Doblinger,
Edition Helbling, Chanterelle, DGA
Editions, Orphée), CDs (200 Jahre volksmusikalisches
Gitarrenspiel in Tirol) und
Bücher (Die Gitarre in Österreich, Stauffer
& Co. – Die Wiener Gitarre des 19. Jahrhunderts,
Guitaromanie – Kleines Panoptikum
der Gitarre von Allix bis Zappa). Die Entdeckung
bisher verschollener Werke u.a.
von Giulio Regondi und Johann Padovetz
erregte internationales Aufsehen.
Stefan Hackl unterrichtet nach seiner
Pensionierung am Tiroler Landeskonservatorium
noch geringfügig am Mozarteum
Salzburg/Standort Innsbruck und an
der Universität für Musik und darstellende
Kunst in Wien sowie bei internationalen
Gitarrenfestivals.
2016 wurde ihm vom Bundespräsidenten
der Berufstitel „Professor“ verliehen.
Mauro Giuliani in Wien (1806-1819)
Mauro Giuliani (1781-1829),
eine der wichtigsten Persönlichkeiten
für die Gitarre
im 19. Jahrhundert, verbrachte seine
produktivste Zeit, von Herbst 1806 bis
Herbst 1819, in Wien. Er war eng vernetzt
mit dem kulturellen und sozialen Leben
in der Hauptstadt der Donaumonarchie,
die ein Schmelztiegel verschiedener ethnischer
Einflüsse aus den Provinzen war.
Giuliani trat mit den bekanntesten lokalen
Musikern (Ignaz Moscheles, Johann
Nepomuk Hummel, Joseph Mayseder)
auf der Bühne und in den Salons auf und
arbeitete mit Wiener Verlagen wie Sigismund
Anton Steiner, Tranquillo Mollo,
Domenico Artaria und Anton Diabelli sowie
Gitarrenbauern wie Johann Georg
Stauffer zusammen. Seine Musik wurde
inspiriert von den Meistern der Wiener
Klassik, und offensichtlich interessierte
er sich auch für die traditionelle Volksmusik
des Landes, die sich in mehreren
Ländlerserien und Variationen von Volksliedern
widerspiegelt. Dabei folgte er einer
Mode, die das kulturelle Leben nicht
nur in Wien prägte.
Mauro Giuliani.
Lithographie von Friedrich Jügel nach
Stubenrauch. Wien: Artaria ca. 1810.
© Österrreichische Nationalbibliothek Wien.
Die Entdeckung der Volksmusik
Die Etablierung der sechssaitigen
Gitarre fällt genau zusammen
mit dem Beginn der Geschichtsschreibung
der Volksmusik: Um 1800 entstand
in fast ganz Europa ein besonderes
Interesse der gebildeten Klassen an der
Kultur der Landbevölkerung.
Nach den napoleonischen Kriegen führte
ein neuer Begriff von „Nation“ zu Forschungen
in Ethnologie, Sprach- und
Musikwissenschaft. Philosophen und
Dichter wie Jean-Jacques Rousseau,
Lord Byron, Johann Gottfried Herder,
Achim von Arnim und Clemens Brentano
haben die Grundlagen geschaffen. In
Österreich waren Erzherzog Johann und
die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde
die treibenden Kräfte einer systematischen
Dokumentation der Vokal- und
Instrumentalpraxis des Volkes („Sonnleithner-Sammlung“).
Auch die größten
Komponisten wie Beethoven (Mödlinger
Tänze, Tirolerlieder) und Schubert
(Deutsche Tänze, etc.) haben Volksmusik
bzw. volksmusikalische Elemente in ihr
Werk aufgenommen.
Im Repertoire der Gitarre, das in seiner
gesamten Geschichte stark von der
Volksmusik geprägt war, manifestiert
sich dies in einer Vielzahl
von Tänzen und Volksliedarrangements.
Ländlermanie
In Wien trafen Musiker
aus den Provinzen
zusammen, und viele
ließen die Musik ihrer
Heimat in ihre Kompositionen
einfließen. Leonard
de Call kam aus
Tirol, Anton Diabelli aus
Salzburg und Wenzel
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