Hänicher Bote | Januar-Ausgabe 2020
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22. Januar 2020
(Gräfenhainichen/HäBo). Kolonialwarenhändler
verkauften seit der
Kolonialzeit überseeische Lebensund
Genussmittel, die mit der Kolonialisierung
fremder Länder bereits
seit dem 17. Jahrhundert anfangs
durch Seefahrer von ihren Handelsreisen
nach Europa gelangt waren.
Insbesondere Kaffee aus Brasilien
oder Tee aus Kenia, Zucker aus
Kuba oder Reis aus Vietnam, Kakao
von der Westküste Afrikas oder
Zigarren aus Indonesien waren begehrte
Produkte, die alsbald die
Märkte eroberten, Veränderungen
in allen Lebensbereichen bewirkten
und neue Ess- und Trinkgewohnheiten
nach sich zogen.
Auf solche Spezereien waren die
Händler stolz. Die Jagd nach den
exotischen Gewürzen und Genussmitteln
zahlte sich aus: Die Kundschaft
wuchs, blieb treu und war
sicher, immer zuverlässig und gut
versorgt zu werden.
Alles in allem gab es im Kolonialwarenladen,
wie der von August
Reinhard, auf kleinem Raum vieles
zu kaufen, was benötigt wurde
und was heute in einem riesigen
Markt auf der grünen Wiese samt
Baumarkt angeboten wird: Kaffeebohnen
z.B. wurden in Jutesäcken
geliefert und mussten Kilo für Kilo
abgewogen werden, oder wurden
mit Hilfe sogenannter Kaffeeschütten
portioniert.
Im Laden gab es keinen Kühlschrank,
Margarine, Butter usw. lagen
im Keller und mussten am Tag
mehrmals heraufgeholt werden.
Saure Gurken und Sauerkraut wurden
direkt in Eichenfässern vom
Bauern geholt. Begehrt waren Einlegegurken.
Nach einer guten Ernte
wurden die letzten Gurken, die
meist etwas größer ausfielen, geschrubbt,
in größeren Stücken zu
Gewürz- oder Senfgurken verarbeitet
und dann verkauft. Der Renner!
Überhaupt wurde alles portiert und
auch in kleinen Stückzahlen oder
Mengen an den Mann gebracht,
je nachdem, wie es benötigt oder
bezahlt werden konnte. Oftmals
schrieb der Händler an, nicht sicher,
sein Geld jemals zu bekommen.
Auch Zigaretten wurden einzeln in
Hänicher Bote
Bote
Historische Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt
August Reinhardt stellt alte Berufe vor – Teil 6:
Der Kolonialwarenhändler
AUS DER HEIMATGESCHICHTE
In diesen Ladenräumen der Historischen Bauschlosserei und Schmiedewerkstatt wurde einst mit Kolonialwaren gehandelt.
Foto: (HäBo) Bebber
Tütchen verpackt verkauft.
Im Lauf der Zeit kamen neben bestimmten
Lebensmitteln dann auch
noch andere Waren dazu, vor allem,
was in der Landwirtschaft gebraucht
wurde. Zu kaufen gab es: Gabeln,
Rechen, Hammer und Sichel, Sämereien
usw. auch Haushaltswaren
wurden angeboten wie Geschirr,
Vasen, Kannen, Pfannen, Töpfe.
Nägel und Schrauben, Schlösser in
vielen Formen und Größen.
Und für ländliche Gegenden sehr
angebracht und sicher nicht ungewöhnlich:
Im Angebot waren auch
Bruchbänder, ein medizinisches
Hilfsmittel, das einen Leistenbruch
am Heraustreten aus der Bauchhöhle
hindern sollte und dem Bauern
ermöglichte, seine Arbeit fortzusetzen.
Was nicht am Lager war, wurde an
Hand von Katalogen bestellt: Badeapparate,
Waffen, Herde, Sanitärartikel,
später erste Elektrodinge,
wie Bügeleisen und Heizgeräte.
In August Reinhards Kolonialwarenladen
befindet sich im Keller
noch immer ein 600-Liter-Fass, welches
von der Straße her mit Petroleum
betankt wurde. Das Gegenstück
dazu – eine Doppelkolbenpumpe –
ist im Laden angebracht. Über eine
Bleileitung verbunden, konnte hier
für die Kundschaft Lampenöl in ein
mitgebrachtes Gefäß abgefüllt werden.
Bis in die sechziger Jahre hießen
Tante-Emma-Läden noch Kolonialwarenläden
– und wer weiß heute
noch, dass die Abkürzung der
Supermarktkette Edeka (gegründet
1898) für „Einkaufsgenossenschaft
19
der Kolonialwarenhändler im Halleschen
Torbezirk zu Berlin“ steht?
Unser Kolonialwarenladen in der
Marktstraße möchte das Flair der
Zeit um 1900 bewahren und präsentierte
sich anlässlich des Gräfenhainicher
Weihnachtsmarktes mit einer
Verkaufsausstellung weihnachtlicher
Basteleien und allerlei Naschereien,
die viele Besucher aus nah
und fern angelockt hat.
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