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Bericht_362_Leseprobe

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2020<br />

DVS-BERICHTE<br />

Tagung und Ausstellung<br />

Roboter 2020<br />

Automatisiertes Schweißen:<br />

Praktische Lösungen für den Mittelstand


Roboter 2020<br />

Vorträge der gleichnamigen Tagung in Fellbach<br />

am 12. und 13. Februar 2020<br />

Veranstalter:<br />

DVS – Deutscher Verband für Schweißen und<br />

verwandte Verfahren e. V., Düsseldorf


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

DVS-<strong>Bericht</strong>e Band <strong>362</strong><br />

ISBN 978-3-96144-077-1<br />

Die Vorträge wurden als Manuskript gedruckt.<br />

Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung dieses Bandes<br />

oder von Teilen desselben nur mit Genehmigung der DVS Media GmbH, Düsseldorf.<br />

© DVS Media GmbH, Düsseldorf ⋅ 2020<br />

Herstellung: Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KG, Hamm


Vorwort<br />

Roboter 2020<br />

Automatisiertes Schweißen – Praktische Lösungen für den Mittelstand<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,<br />

die Technik macht rasante Fortschritte. Themen wie Industrie 4.0, Digitalisierung, Big Data, Robotics,<br />

Virtual Reality, Augmented Reality, Artificial Intelligence sowie autonome Prozesse beeinflussen zunehmend<br />

unser tägliches Leben.<br />

Roboter sind darauf ausgelegt, uns die tägliche Arbeit zu erleichtern, uns von schweren oder gefährlichen<br />

Tätigkeiten zu entlasten oder Routinearbeiten zu übernehmen. Intelligente Roboter greifen, manipulieren,<br />

planen und simulieren. Dabei sind die möglichen Einsatzfelder höchst unterschiedlich. Die Zahl<br />

industrieller Anwendungen steigt stetig.<br />

Unser Fokus beim Einsatz von Robotern gilt ihrem Potential zur weiteren Qualitätsverbesserung und<br />

Effizienzsteigerung von Schweißprozessen. Um diese Entwicklungen aufzugreifen, bietet die Fachtagung<br />

ROBOTER 2020 aktuelle Vorträge aus Industrie und Forschung. Unter dem Motto „Automatisiertes<br />

Schweißen – Praktische Lösungen für den Mittelstand“ diskutieren Sie mit Fachleuten aus vielen Bereichen<br />

die aktuellen Trends zu den Themenfeldern<br />

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Digitalisierung und Robotereinsatz<br />

Fertigungsprozesse und Prozesssicherheit<br />

Moderne Bedienkonzepte und<br />

Anforderungen an das Fachpersonal<br />

Ergänzt wird die Fachtagung durch eine Ausstellung. Ziel ist es, Hersteller und Lieferanten von technischen<br />

Lösungen, Forscher, Dienstleister und Anwender zusammenzubringen, um einen Überblick zu<br />

aktuellen Mechanisierungs- und Automatisierungslösungen zu geben, Trends zu beleuchten, Kontakte<br />

zu knüpfen und zu pflegen sowie Netzwerke zu erweitern. Die Veranstaltung richtet sich nicht nur an<br />

Experten aus diesem Bereich, sondern wir wollen auch Akzente für den Nachwuchs (Studierende, Abiturienten,<br />

Auszubildende) setzen, die den Zusammenhang zwischen Prozess – Mechanisierung/Automatisierung/Digitalisierung<br />

– Bedienung besser verstehen möchten und in diesem Bereich<br />

beruflich Fuß fassen wollen.<br />

Danksagung<br />

Die Vorbereitung und Durchführung solch einer Veranstaltung bedeutet für alle Beteiligten immer einen<br />

großen Aufwand. Der DVS als Veranstalter bedankt sich ausdrücklich bei der Programmkommission, die<br />

eine ansprechende Vortragsreihe zusammengestellt hat. Außerdem danken wir den Referenten für ihre<br />

interessanten und inspirierenden Vorträge sowie den Moderatoren der einzelnen Sessionen. Gleichzeitig<br />

ist die repräsentative Ausstellung nur durch das Engagement der Unternehmen und Sponsoren möglich.<br />

Daher bedanken wir uns ganz herzlich bei den Ausstellern und Sponsoren sowie allen anderen Helfern,<br />

die zum Gelingen von Tagung und Ausstellung beitragen.<br />

Herzlichst<br />

Dr.-Ing. Roland Boecking<br />

Hauptgeschäftsführer DVS e. V.<br />

Christian Paul<br />

Vorsitzender der Programmkommission


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

Roboterprogrammierung im Wandel<br />

Wirtschaftlicher Nutzen durch Automatisierung und Digitalisierung in der Schweißtechnik ....... 1<br />

J. Pitzer, Haiger<br />

Mit wissensbasierter Offline-Programmierung gegen Fachpersonalmangel? ............................ 9<br />

J. Bickendorf, Dortmund<br />

Beeinflussung des automatisierten Schweißprozesses – Verbesserung durch eine gemeinsame<br />

Steuerung von Stromquelle und Roboter? ............................................................................... 16<br />

P. Schumacher, Düsseldorf/Neuss<br />

CAx - Computer Aided Arc Welding – Neue Bedienkonzepte für die Programmierung von<br />

Schweißrobotern ...................................................................................................................... 21<br />

L. Bartevyan, Stuttgart<br />

Schweißroboter und Schweißprozesse<br />

Robotergestütztes Schweißen von Rohrknoten ....................................................................... 27<br />

U. Mückenheim, U. Wolski, S. Lotz, S. Keitel, Halle (Saale), J. Müglitz, Meerane, T. Sigmund, Chemnitz<br />

Vollautomatisiertes Laser-MSG-Hybridschweißen von Kfz-Batteriegehäusen - Kostenoptimierte<br />

Lösung im Dienste der Elektromobilität .................................................................................... 34<br />

A. Hartinger, H. Staufer und S. Egerland, Wels/AT<br />

WAAM zur lokalen Verstärkung dünnwandiger Karosseriebauteile im Fahrzeugbau .............. 49<br />

A. Josten, Haiger; M. Höfemann, Salzgitter<br />

Qualitätsoptimierung im mechanischen Fügen durch Einsatz von<br />

Mensch-Roboter-Kollaboration ................................................................................................. 58<br />

F. Schmatz, S. Neumann, J. Sender, W. Flügge, G. Meschut, Rostock/Paderborn<br />

Kollaborierende Roboter in der Schweißtechnik?<br />

„Kollaborierende Roboter in der Schweißtechnik“ .................................................................... 64<br />

A. Henze, Wettenberg<br />

Plug & Weld mit Cobots: Der einfache und schnelle Einstieg in die<br />

Schweißautomatisierung?! ....................................................................................................... 65<br />

S. Ghandi, U. Mückenheim, S. Rose, S. Keitel


Cobot-Schweißen: Anwendungsfelder und Nutzen .................................................................. 74<br />

M. Venth, Auenwald<br />

Aus- und Weiterbildung<br />

Didaktisches Potenzial von Schweißsimulatoren zur Gestaltung einer Lernsituation .............. 77<br />

B. Schmitt, M. Petersen, Universität Bremen<br />

Ausbildungsmöglichkeiten an den SLV-en im Bereich des automatisierten Schweißens mit<br />

Industrierobotern ...................................................................................................................... 81<br />

M. Streff, D. Rotaru, Fellbach<br />

Automatic Path Planning for Industrial Welding Robots: Review and Introduction of a Novel<br />

Framework ............................................................................................................................... 85<br />

G. Hentz, C. Landgraf, J. Stoll, Stuttgart<br />

Prozesssicherheit und Qualität<br />

Einsatz von Maschinellem Lernen zur Stabilitätsprognose in MSG-Schweißprozessen .......... 92<br />

S. Rieck, C. Reppin, A. Gericke und K.-M. Henkel, Rostock<br />

Automatisierte In-Line Prüfung von Schutzgas- und Laserschweißnähten .............................. 99<br />

P. Daniel, Wiesbaden<br />

„Falsche Freunde“ entlarvt - Qualitätssicherung beim Roboterschweißen mit Laser ............. 101<br />

C. Helzle, Aalen<br />

Remote-Laserstrahlschweißen - Gebläse-Crossjet für Scannerschweißoptiken und<br />

Luftmanagement in Laserstrahlschweißzellen ....................................................................... 104<br />

J. Delskamp, Spenge<br />

Autorenverzeichnis ………………………………………………………… ............................… 109


Wirtschaftlicher Nutzen durch Automatisierung und Digitalisierung in der Schweißtechnik<br />

J. Pitzer, Haiger<br />

Automatisierung spielt für produzierende Unternehmen eine immer größere Rolle, um den steigenden, insbesondere<br />

internationalen, Wettbewerb erfolgreich bestreiten zu können. Auch die industrielle Revolution im Sinne von Industrie<br />

4.0 schreitet mit großen Schritten voran und ist – vor allem im privaten Bereich – schon weit verbreitet. Viele Funktionalitäten<br />

und digitale Unterstützung werden von den Menschen im privaten Bereich als selbstverständlich hingenommen<br />

und teilweise schlichtweg vorausgesetzt oder erwartet. Begriffe wie „smart car“; „smart home“, „smart life“<br />

und dergleichen scheinen allgegenwärtig. Auch in der Fachliteratur tauchen immer häufiger smarte Gedanken auf.<br />

Es gibt „smart products“, „smart cars“, „smart buildings“, „smart logistics“, “smart mobility“, “smart grids“ und selbstverständlich<br />

auch die “smart factory”. Entscheidend scheint dabei nicht die Frage, ob die „smart philosophy“ den<br />

Business to Business Bereich erreicht, sondern vielmehr wann und vor allem, wie weit die Digitalisierung schon<br />

verbreitet ist, ohne, dass wir es wirklich gemerkt haben. Auffällig sind vor allem zwei Beobachtungen. Zum einen ist<br />

der Unterschied des Anspruchs an – aber auch der Wahrnehmung von – Digitalisierung stark vom Typ eines Unternehmens<br />

abhängig. Zum anderen scheinen auch die Vorstellungen, was sich genau hinter der Digitalisierung oder<br />

Industrie 4.0 verbirgt sehr individuell zu sein. Dies macht es für Einsteiger in dieses Thema sehr schwierig, auf<br />

bestehende Konzepte zurückzugreifen, um sich eine Vorstellung vom Nutzen für das eigene Unternehmen machen<br />

zu können. Mit diesem Beitrag wollen wir eine mögliche Abgrenzung der unterschiedlichen, aber nicht voneinander<br />

trennbaren, Begriffe zur Verfügung stellen und die Einordnung des eigenen Standpunktes erleichtern. Insbesondere<br />

kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben völlig unterschiedliche und vor allem individuelle Voraussetzungen<br />

und können sich mit den großen Themen aus der öffentlichen Debatte nur schwer identifizieren. Für sie liegt die<br />

digitale Fabrik oder das Internet der Dinge in weiter Ferne und scheint keine Rolle für das eigenen Unternehmen zu<br />

spielen. Da Individualität eine besondere Stellung in der digitalen, automatisierten und vernetzten Umgebung eines<br />

Unternehmens spielt, besteht die Kunst im Umgang mit dem Thema darin, sich aus dem Baukasten der Lösungsansätze<br />

ein individuelles Maßnahmenpaket zusammen zu stellen. Ziel dieses Beitrages ist es, Anknüpfungspunkte für<br />

unterschiedliche Einstiegsniveaus bereit zu stellen und somit vor allem kleinen und mittleren Unternehmen einen<br />

Zugang zu den Möglichkeiten dieser Entwicklungen zu erleichtern.<br />

1 Einleitung<br />

Üblicherweise beginnen Beiträge zum Thema „Industrie 4.0“ mit einer allgemeinen Übersicht über die verschiedenen<br />

Stufen der Industrialisierung. Derartige historische Abrisse mögen dem geschichtlich interessierten Techniker gegebenenfalls<br />

den Einstieg in die Thematik erleichtern, helfen ihm bei der Beantwortung seiner Fragen zur Vierten Industriellen<br />

Revolution in keiner Weise weiter. Wieso das so ist? Die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen sind<br />

mit den bisher bekannten und durchlebten Entwicklungen nicht vergleichbar. Die Änderungen sind wesentlich schneller,<br />

die Verknüpfungen deutlich enger, die Sprünge sind größer und vielfältiger, aber vor allem: Ein Großteil der<br />

Veränderung ist auf den ersten Blick nicht sichtbar. Es gibt keine Dampflok, die das Pferd ablöst, es gibt keinen<br />

Generator, der hunderte Bänder und Maschinen antreibt und es ist nicht die Mechanik eines Roboters, die Digitalisierung<br />

vorantreibt. Die entscheidenden Veränderungen spielen sich größtenteils hinter den sichtbaren Komponenten<br />

ab. Sie stecken in vernetzten Systemen, in Quellcodes, in mathematischen Algorithmen, in Software und in Intelligenz.<br />

Der Benefit steckt nur noch zum Teil in der realwirtschaftlichen Wertschöpfung, als vielmehr in den unterschiedlichen,<br />

neuen Geschäftsmodellen dahinter. Die Bedeutung von Dienstleistungen und der Art, wie mit ihr parallel<br />

zu einem physischen Produkt Umsatz generiert wird, nimmt weiter zu.<br />

Doch auch die Vernetzung der Unternehmen untereinander hat mit der weiten Verbreitung von Informationssystemen<br />

eine völlig neue Dimension erreicht. Es kommt nicht mehr darauf an, wo ein Geschäftspartner sitzt. Entfernungen<br />

spielen nur noch dann eine entscheidende Rolle, wenn es keine Breitband-Datenleitung zwischen den Standorten<br />

gibt. Entscheidend für eine Zusammenarbeit ist nicht unbedingt das „wer?“ oder das „wo?“, sondern in vielen Fällen<br />

das „wann?“ bzw. das „bis wann?“ und vor allem das „wie teuer?“.<br />

Vor diesem Hintergrund bedarf es einer völlig neuen Herangehensweise an die Herausforderungen zur Entwicklung<br />

von Geschäftsmodellen. Sicherlich wird das physische Produkt auch in Zukunft notwendig sein, um Funktionen zu<br />

erfüllen und Kundennutzen zu befriedigen. Aber wer seine Produkte – sei es im privaten Bereich oder im Businessto-Business-Umfeld<br />

– an den Mann oder die Frau bringen will, wird seinem Kunden mehr bieten müssen. Und dazu<br />

muss der Unternehmer wissen, welche Bedeutung die Digitalisierung f ür seinen Kunden zum Zeitpunkt des Angebotes<br />

hat. Die Erwartungen an den Grad der Digitalisierung eines Produktes können bei Kunden sehr stark variieren<br />

und darauf muss ein Unternehmer eingehen. Inwiefern es dafür jedoch notwendig ist, dass sich auch kleine produzierende<br />

Unternehmen zu einer digitalen Fabrik wandeln oder ob in Zukunft jedes Produkt einen Zugang zum Internet<br />

der Dinge benötigt, hängt in erster Linie von der Einstellung des Unternehmers hinter dem Produkt ab<br />

DVS <strong>362</strong> 1


Bild 1. Beispielhafte Übersicht, in welchen Bereichen smarte Kombinationen im privaten Bereich oder im Business-to-Business-<br />

Umfeld stark vorangetrieben werden.<br />

2 Everything gets smart – ist das smart?<br />

Im Zusammenhang mit Industrie 4.0 tauchen immer wieder Begriffskombinationen mit dem Begriff „smart“ auf. Betrachtet<br />

man diese Häufung der Formulierung zunächst von der Bedeutung des Wortes „smart“, so spricht auf den<br />

ersten Blick nichts gegen diese Entwicklung. Smart bedeutet nichts anderes als „klug“ oder „intelligent“ – und das<br />

kann per se nicht schlecht sein. Viele Funktionalitäten und digitale Unterstützungen nehmen wir im privaten Bereich<br />

mittlerweile als selbstverständlich hin. Begriffe wie "smart phone", "smart watch", "smart car", "smart home", "smart<br />

life" und dergleichen scheinen allgegenwärtig. Auch im industriellen Bereich tauchen sie immer häufiger auf. Es gibt<br />

"smart products", "smart buildings", "smart logistics" und selbstverständlich auch die "smart factory". Doch wie weit<br />

ist die Digitalisierung tatsächlich schon verbreitet? Auffällig ist, dass der Anspruch an und die Wahrnehmung von<br />

Digitalisierung sehr stark vom Typ eines Unternehmens abhängen. Auch innerhalb eines Unternehmens gibt es – je<br />

nach Abteilung – sehr individuelle Vorstellungen, was genau sich hinter Digitalisierung und Industrie 4.0 verbirgt. Vor<br />

allem kleine und mittlere Unternehmen haben völlig unterschiedliche und höchst individuelle Voraussetzungen und<br />

können sich mit den großen Themen der öffentlichen Debatte nur schwer identifizieren. Für sie liegen die digitale<br />

Fabrik und das Internet der Dinge oftmals in weiter Ferne und scheinen keine Rolle für das eigene Unternehmen zu<br />

spielen.<br />

Allerdings ist auch hier eine differenzierte Herangehensweise angebracht. Die Verlagerung von Intelligenz vom Menschen<br />

hin zur Sache erleichtert in vielen Bereichen den Umgang mit der Sache und kann darüber hinaus den Nutzen<br />

dieser Sache deutlich steigern. Gleichzeitig kann diese Verlagerung auch dazu führen, dass wesentliches Knowhow<br />

vernachlässigt wird oder gar verloren geht, was dem grundsätzlichen Streben nach Wissen und Neugier entgegen<br />

wirkt. Ein plakatives Beispiel hierzu ist sicherlich die hohe Verbreitung von Navigationssystemen in Fahrzeugen.<br />

Während man vor wenigen Jahren noch vor Beginn einer Reise mit einer Karte – zumindest grob – geplant hat und<br />

sich einen Überblick über die Route verschafft hat, setzt man sich heute völlig unvorbereitet in sein Auto und folgt<br />

den Anweisungen der Stimme aus dem Smartphone. Dies führt immer wieder zu amüsanten Meldungen in den<br />

Nachrichten, wenn wieder einmal ein Reisebusfahrer einen gleichnamigen, aber falschen Skiort angefahren hat und<br />

mit seiner Reisegruppe statt in den Alpen an der Atlantikküste vorgefahren ist. Es kann aber durchaus auch zu<br />

lebensbedrohlichen Situationen führen, wenn ein Autofahrer am Übergang auf eine Fähre nicht darauf achtet, ob die<br />

Fähre schon am Anlieger festgemacht hat und er geradewegs in den Rhein fährt. Beides zeigt, dass der Umgang<br />

mit intelligenten Systemen nur dann den vollen Nutzen liefert, wenn der Anwender diese Technologien trotz aller<br />

Intelligenz auch bewusst einsetzt.<br />

2 DVS <strong>362</strong>


Im privaten Bereich bleiben die Auswirkungen dieser „Intelligentisierung von Dingen“ im Großen und Ganzen im<br />

Rahmen und haben kaum Auswirkungen auf andere. Der Privatanwender kann für sich selbst entscheiden und verantworten,<br />

wie weit er die neuen Technologien nutzen und zulassen möchte. Er entscheidet selbst, ob Daten aus<br />

seinem Umfeld Dritten zugänglich gemacht werden. Es ist jedoch offensichtlich, dass eine Entscheidung gegen die<br />

Teilnahme an dieser Entwicklung zu spürbaren Nachteilen führt und man sich zwangsläufig ein Stück weit aus dem<br />

social media Leben heraus zieht. Somit scheint die Entscheidung, ob jemand an der Entwicklung überhaupt teilnehmen<br />

möchte, nicht ganz freiwillig zu sein. Ganz anders kann das jedoch im Unternehmenskontext aussehen. Hier<br />

kann sich ein Unternehmer in vielen Fällen noch weniger frei entscheiden, ob er an der Entwicklung teilnehmen<br />

möchte. Mit der Einführung von intelligenten Produkten und weitreichender Vernetzung im Unternehmen geht in der<br />

Regel eine Öffnung der Netzwerke von Unternehmen für Dritte zwangsläufig einher. Es entstehen neue Datenflüsse,<br />

die dem Nutzer nicht immer offensichtlich sind. Dies kann zu Unsicherheit führen und stellt insbesondere für kleine<br />

und mittlere Unternehmen eine große Hemmschwelle dar. Bezieht man diesen Sachverhalt auf die Schweißtechnik,<br />

so kommt hinzu, dass sich vor allem kleine und mittlere Betriebe aus der Schweißtechnik in einem eher konservativen<br />

Umfeld bewegen, die mit Automatisierung, Digitalisierung oder gar Industrie 4.0 bisher nicht in Berührung gekommen<br />

sind. Sie müssen sich verstärkt mit diesen Themen auseinander setzen, vertraut machen und lernen, die richtige<br />

Stufe der Unternehmensentwicklung zu definieren. Man bewegt sich also ständig im Spannungsfeld zwischen Nutzensteigerung<br />

durch Digitalisierung und potentieller Gefahr durch Missbrauch von Zugangsmöglichkeiten und Datenverfügbarkeit.<br />

Allerdings sollte man sich hierbei die Frage stellen, welche realen Auswirkungen ein Missbrauch<br />

haben könnte, welcher Schaden wirklich eintreten könnte und ob diese Schäden durch eine zusätzliche Öffnung der<br />

Systeme entstehen würde oder ob diese Gefahr nicht sowieso schon durch die vorhandene Datenverfügbarkeit besteht.<br />

3 Automatisierung ist der Schlüssel zur Effizienz<br />

Für eine positive Unternehmensentwicklung ist es notwendig, den eigenen Startpunkt zu kennen. Gerade kleine und<br />

mittlere Unternehmen, die regional gut aufgestellt sind und sich eventuell über mehrere Generationen hinweg einen<br />

soliden Kundenstamm aufgebaut haben, sind mit dem Begriff Industrie 4.0 überreizt und ersticken jeden Gedanken<br />

an diese Entwicklung aufgrund des Überangebots an Informationen im Keim. Sie fertigen ihre Produkte oft mit einem<br />

hohen Anteil an manuellen Fertigungsschritten und vertreten die Meinung, dass ihr Produkt nicht für die Automation,<br />

geschweige denn für eine vernetzte Produktion geeignet sei. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass in vielen<br />

Beiträgen die Begriffe „Automation“, „Digitalisierung“ und „Industrie 4.0“ oft verschwimmend verwendet werden und<br />

keine klare Abgrenzung stattfindet. Betrachtet man zum Beispiel die grundsätzliche Definition der Stufen der Automatisierung,<br />

so stellt man schnell fest, dass viele Betriebe mehr Automatisierung einsetzen, als sie zunächst vermuten.<br />

Geht man in der Geschichte der Menschheit zurück, so haben schon die ältesten Völker mit der Mechanisierung<br />

begonnen. Bereits aus der Antike ist der Wunsch des Menschen bekannt, seine Arbeit durch automatische Helfer<br />

erledigen zu lassen. Die Maschinen der alten Baumeister waren in der Lage, beeindruckende Arbeiten zu leisten.<br />

Auch im Mittelalter wussten die Menschen sich die Arbeit mit Hilfe großer Apparaturen zu erleichtern.<br />

Bezogen auf die Schweißtechnik definiert die DIN 1910-100 unterschiedliche Grade der Mechanisierung, bis hin zum<br />

vollautomatischen Schweißen von Bauteilen:<br />

Tabelle 1. Übersicht der Grade der Mechanisierung in der Schweißtechnik<br />

Benennung Brenner-/ Werkzeug -<br />

führung<br />

Zusatzvorschub<br />

Werkstückhandhabung<br />

Manuelles Schweißen<br />

(Handschweißen)<br />

manuell manuell manuell<br />

Teilmechanisiert manuell mechanisch manuell<br />

vollmechanisiert mechanisch mechanisch Manuell<br />

automatisiert Mechanisch mechanisch mechanisch<br />

So spricht die DIN 1910-100 von einem manuellen Schweißprozess eigentlich nur beim E-Handschweißen mit Stabelektrode<br />

oder beim WIG Schweißen mit manuell zugeführtem Zusatzwerkstoff, da hier alle wesentlichen Tätigkeiten<br />

manuell ausgeführt werden und nicht durch mechanisierte Systeme unterstützt werden. Bereits der im allgemeinen<br />

Sprachgebrauch als manuell bezeichnete Metallschutzgasschweiß (MSG)-Prozess mit abschmelzender Endlosdrahtelektrode<br />

ist bei genauerer Betrachtung schon ein teilmechanisierter Schweißprozesses, da die Drahtelektrode<br />

durch das Drahtvorschubgerät mechanisch vorgeschoben und nur die Führung des Schweißbrenners selbst<br />

DVS <strong>362</strong> 3


manuell ausgeführt wird. Erst diese Entwicklung – die der Endlosdrahtelektrode – hat es schlussendlich ermöglicht,<br />

dass wir heute automatisiert schweißen können.<br />

Solange die Zuführung der Bauteile oder die Brennerführung nicht auch mechanisiert ausgeführt wird, spricht die<br />

Norm von teilmechanisierten Prozessen. Erst wenn auch diese Schritte mechanisiert in den Fertigungsprozess eingebunden<br />

sind, spricht die Norm von einem automatischen Prozess. Der Begriff „vollautomatisch“ ist demnach genau<br />

genommen überzogen.<br />

Da ein automatisierter Prozess in der Regel eine Abfolge wiederkehrender Arbeitsschritte ist, kann eine deutlich<br />

konstantere Qualität erreicht werden, als bei den manuellen Prozessen. Allerdings überwiegen noch weitere Vorteile<br />

der Automatisierung gegenüber dem manuellen Schweißen. Ein Handschweißer schweißt mit einer Schweißgeschwindigkeit<br />

von ca. 35-45 cm/min. Während einer 7-Stunden-Schicht muss er mehrfach pausieren oder wird durch<br />

Nebentätigkeiten vom Schweißen abgehalten. So kommt ein durchschnittlicher Schweißer vielleicht auf eine produktive<br />

Schweißzeit (Lichtbogenbrennzeit, ist vergleichbar mit der Einschaltdauer) von 30-50%. Setzt man für die gleiche<br />

Aufgabenstellung ein mechanisiertes oder automatisches System ein, so können sowohl die Schweißgeschwindigkeit<br />

als auch die Einschaltdauer je nach Anwendung mit Eindraht-Schweißprozess erheblich höher sein. Nimmt man<br />

für die gleiche Anwendung eine Schweißgeschwindigkeit von 70 cm/min mit einem Roboter an, so erreicht man allein<br />

dadurch eine Steigerung der Produktivität um 100%. Nimmt man weiter an, dass ein mechanisiertes System eine<br />

Einschaltdauer bis zu 95% haben kann, so wäre die Produktivitätssteigerung bei einer Einschaltdauer von 70% noch<br />

einmal um 75% gestiegen. Führt man diese Überlegung weiter und setzt Systeme ein, die die Rüstzeiten parallel zu<br />

den Produktionszeiten legen, so kann man hier weitere Steigerungen der Produktivität erreichen. Auf diese Weise<br />

kann mit einem vergleichsweise einfachen mechanisierten System die Produktivität leicht verdreifacht werden.<br />

Doch nicht nur die direkten Produktivitätssteigerungen zeigen, dass die Investition in automatisierte Systeme vorteilhaft<br />

sein kann. In vielen Fällen arbeiten schweißtechnische Betriebe nach Schweißanweisungen oder anderen produktionsrelevanten<br />

Vorgaben. Bei manuell geführten Schweißanwendungen bedarf es erfahrener, guter Schweißer,<br />

die in der Lage sind, diese Vorgaben über die Naht hinweg, über den Tag hinweg und über die Woche hinweg<br />

konstant einzuhalten. Nur so kann die geforderte Qualität – aus der sich die Vorgaben ableiten – eingehalten werden.<br />

In den meisten Fällen wird diesen Vorgaben ein recht breites „Gut-Fenster“ eingeräumt. Je breiter das Fenster ist,<br />

desto einfacher ist es für den Schweißer, formal korrekt zu schweißen. Allerdings birgt ein breites Fenster die Gefahr,<br />

dass die Naht formal zwar in Ordnung ist, aber der Parameter real zu hoch oder zu niedrig war. Beides kann zu<br />

unzulässigen Unregelmäßigkeiten in der Naht oder zur Zerstörung des Werkstoffes führen oder schlichtweg unwirtschaftlich<br />

sein und sollte vermieden werden. Je kleiner das Fenster ist, desto näher ist der Realwert am idealen<br />

Sollwert.<br />

Für ein mechanisiertes System gibt es diese Schwankungen über die Zeit nicht. Ein mechanisiertes System arbeitet<br />

vormittags genauso wie nachmittags und arbeitet montags genauso wie mittwochs oder freitags. Auch Schwankungen<br />

aufgrund mangelnder Handfertigkeit kommen bei Robotern nicht vor. Daher kann bei einem mechanisierten<br />

System das erlaubte Sollwert-Fenster deutlich kleiner sein, als bei einer manuell ausgeführten Tätigkeit. Dies hat<br />

darüber hinaus zur Folge, dass man mit einem mechanisierten System deutlich näher an die Grenze des technisch<br />

Machbaren rücken kann und somit die Wirtschaftlichkeit innerhalb des Schweißprozesses an seine Grenze ausreizen<br />

kann. Welche Auswirkungen eine Optimierung und Ausreizung der Schweißparameter bereits im Kleinen haben<br />

kann, zeigt folgendes Zahlenspiel. Schweißt man eine Naht für ein a-Maß=4mm mit einer Schweißgeschwindigkeit<br />

von 60cm/min mit dem Roboter, so ist das für einen Handschweißer schon nicht mehr erreichbar. Für einen Meter<br />

Schweißnaht bräuchte man demnach 1:36min. Dafür würde man z.B. 14m/min Drahtvorschub wählen. Dreht man<br />

jetzt den Drahtvorschub auf 16m/min, erreicht man nicht mehr ca.7kg Abschmelzleistung pro Stunde, sondern 8kg.<br />

Damit füllt man den Meter nicht mehr in 1:36min sondern in 1:29min. Man spart also pro Meter Schweißnaht 7 Sekunden.<br />

Das klingt auf den ersten Blick sehr wenig. Wenn man aber im Jahr 20km dieser Schweißnaht fertigt, so<br />

kommt man schnell auf 38 Stunden Einschaltdauer, die eingespart werden können.<br />

Darüber hinaus gibt es Schweißverfahren, die nur noch mechanisiert eingesetzt werden können. Denken wir hierbei<br />

zunächst an das Schweißen mit zwei oder mehr abschmelzenden Drahtelektroden, so sind hier Reduzierung der<br />

Schweißzeit um bis zu 500% durchaus realistisch. Auch die laserbasierte Schweißverfahren eröffnen dank der hohen<br />

Schweißgeschwindigkeit und des besonders tiefen Einbrandes völlig neue Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung.<br />

4 Mit Digitalisierung den Erfolg steigern<br />

Im Zuge der Automatisierung hat auch die Datenverarbeitung und Digitalisierung Einzug in die Fertigung gehalten.<br />

Unbestritten ist, dass eine gewisse Digitalisierung die notwendige Voraussetzung für den Weg in Richtung Industrie<br />

4.0 ist. Von daher soll auch hier kurz auf einige Merkmale der Digitalisierung eingegangen werden. Diese Entwicklung<br />

ist nichts Neues. Computer Added Design (CAD), Computer Added Manufacturing (CAM) oder CNC gesteuerte Maschinen<br />

sind schon lange in den Unternehmen etabliert. Neu ist der immer tiefer gehende Einfluss der Digitalisierung<br />

4 DVS <strong>362</strong>


und die Gewinnung und Nutzung von Daten während des Produktionsprozesses. So steigt der Einsatz von Sensorik<br />

bei den Produktionsmaschinen oder in der Fertigungsinfrastruktur. Die Sensoren liefern Daten über den aktuellen<br />

Status der Fertigung, die über Softwarelösungen visualisiert werden können. Der Fertigungsleiter kann sich in Echtzeit<br />

ein Bild darüber machen, wie der Status in der Produktion ist und was als Nächstes kommt. Zu jedem Bauteil<br />

können die Prozessparameter erfasst und dargestellt werden. Stichprobenkontrollen sind jederzeit abrufbar und somit<br />

kann über lange Zeiträume der wahre Zustand der Produktionsmaschine ermittelt werden. Auf diese Weise entsteht<br />

eine Transparenz über den eigenen Fertigungsablauf, der mit analoger oder willkürlicher Auswertung nicht<br />

möglich wäre. Diese Informationen werden den Bedienern, den Fertigungsleitern oder auch anderen Teilnehmern<br />

am Produktionsprozess auf unterschiedlichen Visualisierungsmedien dargestellt. Oftmals über browserbasierte<br />

Dashboards, bei denen sich der Anwender seinen individuellen Bildschirm mit den für ihn relevanten Informationen<br />

selbst zusammenstellen kann.<br />

Bild 2. Beispiel eines Dashboards zur browserbasierten Visualisierung von Produktions- und Prozessdaten<br />

Nicht selten kommt es vor, dass Unternehmer über die Zeit hinweg einer gewissen Betriebsblindheit zum Opfer fallen<br />

und den schleichenden Einzug von Ineffizienz – im einfachsten Fall durch stetigen Werkzeugverschleiß – nicht realisieren.<br />

Ein weiterer triftiger Grund für die Erfassung der Produktionsdaten beziehungsweise der Schweißparameter<br />

sind normative Vorgaben. Für viele metallverarbeitende Betriebe, insbesondere für jene, die der Automobilindustrie<br />

zuliefern, ist eine Zertifizierung nach ISO 9001 verpflichtend. Um nicht von vornherein vom Markt abgeschnitten zu<br />

sein, ist es für diese Unternehmen ratsam, die Mindestanforderungen für ein durchgängiges Qualitätsmanagementsystem<br />

zu erfüllen. An dieser Stelle schließt sich der Kreis zur Einleitung, dass viele Unternehmen nur bedingt frei<br />

sind in der Entscheidung, eine Entwicklung mitzumachen oder nicht. In der ISO 9001 werden die Voraussetzungen<br />

für das Qualitätsmanagement beschrieben. Ein wesentliches Merkmal für ein zertifizierfähiges Qualitätsmanagementsystem<br />

ist die unternehmensübergreifende Dokumentation. Dabei geht es zum einen um den Nachweis für das<br />

Qualitätsmanagementsystem zur Zertifizierung, zum anderen allerdings auch um die Know-how-Erhaltung für interne<br />

Zwecke. Das Qualitätsmanagementsystem ist also die grundlegende Basis und gleichzeitig elementarer Grund, der<br />

eine Parameter-Erfassung erforderlich macht. Neben der Pflicht zur sorgfältigen, unternehmensübergreifenden Dokumentation<br />

verlangen weitere, spezifische Normen detaillierte Aufzeichnungen der gewählten Schweißparameter.<br />

Die EN ISO 1090 beispielsweise, die die Grundlage für die CE-Zertifizierung im bauaufsichtlichen Bereich darstellt,<br />

verlangt eine ständige, eigene Überwachung der Produktion, die sogenannte „werkseigene Produktionskontrolle<br />

(WPK)“. Betriebe, die ihre Produkte mit einem CE-Kennzeichen ausstatten wollen oder müssen, sind also zwangsläufig<br />

mit der sorgfältigen und genauen Erfassung und Dokumentation von Schweißdaten konfrontiert.<br />

Bezogen auf den Schweißprozess sind hier vor allem die direkten Schweißparameter (Strom, Spannung, Schweißgeschwindigkeit<br />

und eingebrachte Wärme) interessant. Aber auch Nebenparameter wie Gasdurchflussmenge, Motorströme<br />

oder Bauteiltemperatur können problemlos erfasst werden. Der Gasdurchfluss ist ein gutes Beispiel für<br />

häufig auftretende Fehleinschätzung. Bei einem Drahtdurchmesser von 1,2 mm wird in der Regel eine<br />

DVS <strong>362</strong> 5


Gasdurchflussmenge von 12-14 L/min empfohlen. Über die Zeit hinweg kann sich die reale Gasmenge am Brenner<br />

verändern. Entweder, weil die Schweißer die Durchflussmenge verstellen oder weil unterwegs entlang der Gasstrecke<br />

Schutzgas verloren geht. Etwa durch undichte Stellen oder poröse Gasschläuche. Zu wenig Gas führt dann<br />

irgendwann zu Poren in der Schweißnaht oder Oxidationsunregelmäßigkeiten. Zu viel Gas kann ebenfalls zu Poren<br />

führen, ist aber auch schlichtweg unwirtschaftlich. Den Gasdurchfluss durch Hören oder Fühlen am Brenner korrekt<br />

einzuschätzen, ist wahrscheinlich nur wenigen Schweißern vorbehalten. Daher sollte regelmäßig die Gasdurchflussmenge<br />

überprüft werden. Diese sollte direkt an der Gasdüse gemessen werden. Der manuelle Messvorgang mit<br />

dem Gasmessröhrchen erfordert eine Unterbrechung der Schweißarbeit und benötigt entsprechend Zeit, sodass<br />

viele Stromquellenhersteller einen Gasdurchflusssensor im Verlauf der Gasstrecke anbieten. Der Gasdurchfluss wird<br />

direkt am Display angezeigt und kann – in Verbindung mit einem Schweißdatenüberwachungstool – von der Stromquelle<br />

kontinuierlich überwacht werden.<br />

Bei den direkten Schweißparametern schließt sich der Kreis von Automatisierung und Datenüberwachung noch deutlicher.<br />

Wie bereits beschrieben ist die Einhaltung der vorgegebenen Schweißparameter ein wesentliches Qualitätsmerkmal<br />

und bezogen auf die Schweißleistung aufgrund des Energieverbrauches auch eine wichtige Controllinggröße.<br />

Auch hier führt eine Abweichung nach oben oder nach unten irgendwann zu Fehlern in der Schweißnaht oder<br />

zur Zerstörung des Grundmaterials. Eine mechanisierte Schweißanlage mit der Funktion, die Schweißparameter zu<br />

erfassen und mit Grenzwerten zu überwachen eröffnet die Möglichkeit, eine 100%ige Kontrolle der Schweißnahtparameter<br />

bezogen auf ein Bauteil sicherzustellen. Die Schweißanlage erfasst die Daten kontinuierlich und vergleicht<br />

sie mit vorgegebenen Soll-Wert-Fenstern und greift selbstständig ein, wenn Abweichungen vom erlaubten Wert auftreten.<br />

Somit ist gewährleistet, dass alle Bauteile, die nicht mit den vorgegebenen Schweißparametern gefertigt worden<br />

sind, aus der Produktion herausgefiltert werden können. Im Umkehrschluss kann garantiert werden, dass alle<br />

Teile, die die Fertigung unbeanstandet verlassen, mit den Parametern geschweißt wurden, die vorgegeben waren.<br />

Allerdings muss man dabei darauf hinweisen, dass die Einhaltung der Schweißparameter nicht gleichzusetzen ist<br />

mit einem fehlerfreien Bauteil. Selbst wenn alle Parameter eingehalten wurden, kann es trotzdem zu unzulässigen<br />

Unregelmäßigkeiten in der Naht führen. Die Kenntnis der wahren Parameter spiegelt daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit<br />

über die Qualität einer Schweißnaht wider. Diese Kenntnis dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung kann<br />

dann wieder dazu genutzt werden, bei Stichprobenkontrollen die Bauteile zu überprüfen, bei denen die Ist-Werte an<br />

den Grenzen des Erlaubten waren, statt sich mit den Bauteilen aufzuhalten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit fehlerfrei<br />

geschweißt wurden. Somit kann die Treffergenauigkeit bei Stichprobenkontrollen mit Hilfe der Schweißdatenüberwachung<br />

optimiert werden.<br />

5 Vernetzung schafft neue Möglichkeiten<br />

Die nächste Stufe in der Reihe ist die Vernetzung der Systeme. Auch hier läuft die Verkettung der physischen Glieder<br />

einer Wertschöpfungskette parallel mit der Vernetzung der digitalen Datenströme. Automatisierte Fertigungsprozesse<br />

bieten zweierlei große, wirtschaftliche Vorteile. Der erste Vorteil ist die Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit<br />

einzelner Fertigungsteilprozesse. Am Beispiel einer Schweißaufgabe ist das die Steigerung der Schweißgeschwindigkeit<br />

(durch Steigerung der Abschmelzleistung und Ausreizung der Grenzen) beziehungsweise die Reduzierung<br />

der Gesamtschweißzeit an einem Bauteil durch den Einsatz automationsfähiger Schweißverfahren (Tandem,<br />

Laser, etc.). Diese Option ist vergleichsweise offensichtlich und leicht zu verstehen. Die zweite Option zielt auf die<br />

Verkettung und Integration unterschiedlicher Fertigungsschritte ab. Die Möglichkeiten hängen natürlich stark vom<br />

Bauteil selbst ab. So kann beispielsweise mit einem geeigneten Werkzeug der Aufwand für Heftarbeiten reduziert<br />

werden, wenn die Einzelbauteile in einem Spannwerkzeug gehalten werden. Oder bei Bauteilen, die vorgewärmt<br />

werden müssen, kann mit Hilfe von Wechselwerkzeugen zunächst automatisiert auf exakt die richtige Temperatur<br />

vorgewärmt werden. Im Anschluss wechselt der Roboter den Vorwärmbrenner gegen einen Schweißbrenner und<br />

schweißt das Teil in der gleichen Vorrichtung aus. Durch die Integration vorgelagerter Produktionsschritte können<br />

Transport- und Zwischenlagerkosten reduziert werden. Durch die automatisierte Vorwärmung ist wiederum gewährleistet,<br />

dass die Teile jedes Mal identisch behandelt werden und es nicht zu Schwankungen durch einen manuellen<br />

Bediener kommt.<br />

Gemäß der in der Einleitung getroffenen Definition der Mechanisierungsgrade ist ein Produktionsablauf dann automatisch,<br />

wenn auch die Zuführung und die Abführung der Teile mechanisiert von Statten gehen. Die Logistik zwischen<br />

den verschiedenen Produktionsschritten trägt also Wesentlich zum Grad der Automatisierung bei. Die mechanische<br />

Verkettung und Integration reduziert Transportaufwand und senkt die erforderliche Fläche für Lagerhaltung<br />

zwischen den Stationen. Man weiß zudem zu jedem Zeitpunkt, wo sich ein Bauteil gerade befindet. Im nächsten<br />

Schritt der Automatisierung wird diesem physischen Materialstrom ein digitaler Datenstrom hinzugefügt. In vielen<br />

Fällen erhält ein Bauteil zu Beginn der Fertigung einen Datenträger (zum Beispiel einen RFID-Chip oder einen Barcode).<br />

Auf diesen Datenträger werden im Laufe der Einzelschritte die Bauteil- und Fertigungsdaten gespeichert und<br />

sind somit dem Bauteil zuordenbar. Das kann bereits beim Wareneingang beginnen, wenn dem Grundmaterial die<br />

entsprechenden Links zu den Materialzeugnissen zugeordnet werden oder wenn ein Bauteil die Programme für den<br />

Schweißroboter selbst mitbringt. Oder es können die Schweißparameter und die erlaubten Grenzen individuell zugeordnet<br />

sein und der Schweißautomat liest diese aus und übernimmt sie in seinen Ablauf. Nach dem Schweißen<br />

werden die realen Daten ebenfalls auf den Datenträger gespeichert und sind somit eindeutig dem Bauteil zuordenbar.<br />

6 DVS <strong>362</strong>


Weitere Informationen wie zum Beispiel die Produktionsdauer, Wartezeiten oder Fehlerhäufigkeit können ebenfalls<br />

mit abgelegt werden.<br />

Bild 3. Beispiel einer Verkettung von unterschiedlichen Fertigungsschritten in einer Gesamtanlage<br />

Auf diese Weise entsteht ein enormer Fundus an Produktions-Know-how, welcher als Datenbasis für eine zielgerechte<br />

Optimierung der Produktion herangezogen werden kann. Die Informationen können unmittelbar zurück in die<br />

Konstruktion gemeldet werden, wenn zum Beispiel erkannt wird, dass die Spaltgröße bei einer Nahtvorbereitung für<br />

eine bestimmte Verbindung ungeeignet ist oder falsch kalkuliert wurde. Diese Information kann dann parallel in die<br />

Qualitätskontrolle gemeldet werden, sodass hier die Verfahren für eine Konstruktionsänderung anlaufen können.<br />

Und wiederum parallel dazu kann die Materialwirtschaft informiert werden, dass sich Bauteilabmessungen ändern<br />

werden.<br />

Für das Qualitätswesen spielt die Vernetzung grundsätzlich eine besondere Rolle. Durch die automatisierte Erfassung<br />

und Verteilung von Informationen ist eine lückenlose Rückverfolgbarkeit gewährleistet. Diese wird inzwischen<br />

sowohl von einigen Normen, aber auch von Kundenkreisen verlangt und ist in der Regel mit großem Erfassungsund<br />

Auswerteaufwand verbunden. Diese Aufwände verursachen zusätzliche Kosten, die in der Regel nicht zu einer<br />

Verbesserung des Produktes oder der Produktfunktion beitragen. Daher ist es oft schwierig, die Kosten für diesen<br />

Aufwand an den Kunden weiter zu geben. Die Folge ist, dass man einen Aufwand hat, der von niemandem bezahlt<br />

wird. Vor allem vor diesem Hintergrund ist eine Steigerung der Automatisierung vor allem für kleine und mittlere<br />

Unternehmen von großem Vorteil, da sie in der Regel mit einer geringeren Ressourcenkapazität wirtschaften müssen.<br />

6 Die 4. Industrielle Revolution in die Fertigung holen?<br />

Alles, was bisher beschrieben wurde, ist im Grunde einfache Mechanisierung in Verbindung mit Sensorik, Verkettung,<br />

Vernetzung und Digitalisierung innerhalb einer Produktion. Auch die internationale Vernetzung von Unternehmen<br />

und anderen Playern in der Weltwirtschaft ist lediglich eine Ausweitung der vorhandenen Technologie. In vielen<br />

Beiträgen zur 4. Industriellen Revolution wird genau das als neue Entwicklung dargestellt. Allerdings fängt die eigentliche<br />

Revolution an dieser Stelle erst an. Mit der 4. Industriellen Revolution ist nicht gemeint, dass man vorhandene<br />

Technologien auf dem Globus verbreitet und in andere Wirtschaftszweige überträgt. Revolution bedeutet einen<br />

grundsätzlichen Wandel zu durchlaufen. Es geht darum, neue Geschäftsmodelle zu erfinden. Alte Zöpfe abzuschneiden<br />

und sich zwangsläufig mit neuen Ideen zu beschäftigen. Das ist vor dem Hintergrund der vergleichsweise konservativen<br />

Schweißtechnikbranche eine große Herausforderung für produzierende Unternehmen. Zur Veranschaulichung<br />

kann ein Blick in eine andere Welt helfen. Vor allem im Endkundengeschäft gibt es zahlreiche Beispiele, in<br />

denen die industrielle Revolution zu einem Umdenken geführt hat. Vor allem plattformbasierte Lösungen sind im<br />

Trend. Markante Beispiele sind das Hotelunternehmen AirBNB, das selbst keine eigenen Hotels besitzt, sondern<br />

lediglich eine Plattform bietet, auf der private Übernachtungsmöglichkeiten angeboten werden. Ebenso verfährt das<br />

Taxiunternehmen Uber, das keine Taxen bereitstellt, sondern Kunden und Anbieter zusammenführt. Ein bekanntes<br />

Beispiel aus dem Business to Business Bereich ist das Geschäftsmodell von Rolls Royce. Der Turbinenhersteller<br />

verkauft seine Triebwerke nicht mehr, sondern vermietet sie und rechnet über die tatsächlich geleistete Betriebsstunde<br />

ab. Er bietet also nicht mehr die Hardware „Turbine“ an, sondern die Funktion „Vorschub“. Möglich ist das<br />

jedoch nur durch den Umstand, dass Rolls Royce die genauen Informationen über den Betrieb des Triebwerkes hat.<br />

Die Turbinen senden diese Informationen regelmäßig direkt an Rolls Royce. Hier hat Rolls Royce markanten Wandel<br />

seines Geschäftsmodells vollzogen und nutzt digitale Informationsverarbeitung als verkaufbares Gut.<br />

Die Frage dahinter ist nicht mehr, welches Produkt braucht der Kunde, damit er seine Aufgabe lösen kann, sondern<br />

vielmehr „Welche Aufgabe muss der Kunde lösen?“. Ein weiteres Beispiel ist hier die Frage nach dem Bohrer oder<br />

dem Loch. Ein Kunde kauft keine Bohrmaschine, weil er eine Bohrmaschine besitzen möchte, sondern er kauft eine<br />

Bohrmaschine, weil er ein Loch benötigt. Hier könnte also ein Geschäftsmodell entwickelt werden, nach welchem<br />

DVS <strong>362</strong> 7


dem Kunden eine Bohrmaschine zur Verfügung gestellt wird und an Ende wird nach einem gewissen Schlüssel<br />

entsprechend der gebohrten Löcher abgerechnet. Hierzu muss dann aber dem bereitstellenden Unternehmen bekannt<br />

sein, welche Art von Löchern und wie viele Löcher der Kunde mit der Bohrmaschine gebohrt hat. Auch hier<br />

wird der Nutzen „Loch steht zur Verfügung“ verkauft und nicht die Hardware „Bohrmaschine“.<br />

Die Beispiele zeigen, dass es keine Patentlösung oder gar ein Produkt „Industrie 4.0“ gibt. Bei Industrie 4.0 handelt<br />

es sich vielmehr um eine neue Denkweise, eine neue Herangehensweise. Dank der hohen Flexibilität der Lösungsansätze<br />

werden diese auch auf höchst unterschiedliche Problemfälle individuell angewendet.<br />

Deswegen sollten sich Unternehmer Gedanken darüber machen, wie sie mit der „Philosophie Industrie 4.0“ umgehen<br />

wollen. Eine ratsame Herangehensweise könnte sein, dass sich Unternehmen Gedanken machen müssen, ob sie<br />

es sich erlauben können, das Thema „Industrie 4.0“ vollkommen zu ignorieren. Dann muss man sich darüber klar<br />

werden, in welcher Phase der digitalen Entwicklung sich das eigene Unternehmen und das Umfeld befindet. Anschließend<br />

gilt es zu prüfen, welche Voraussetzungen für den nächsten Schritt erforderlich sind. Erst wenn diese<br />

Voraussetzungen geschaffen sind, kann man sich Gedanken über neue Geschäftsmodelle machen. Und als letzter<br />

Schritt gilt es, die Geschäftsprozesse auf die Unternehmensstrategie anzupassen.<br />

7 Zusammenfassung<br />

Der Begriff „Industrie 4.0“ wird seit Jahren inflationär verwendet. Das Problem dabei ist, dass die Vorstellungen der<br />

unterschiedlichen Branchen nicht immer unmittelbar auf die Schweißtechnik übertragen werden können, dies aber<br />

durchaus passiert. Die Forderung nach dem digitalen Lebensbild im privaten Bereich ist für Betriebe aus der<br />

Schweißtechnik nicht so einfach zu übernehmen. Hinzu kommt die Vermischung zahlreicher ähnlicher, aber vom<br />

Wesen her völlig unterschiedlicher Begriffe. Die Vielzahl an Informationen macht es dem Interessierten noch schwerer,<br />

die richtigen Informationen für die eigene Situation heraus zu filtern.<br />

Grundsätzlich ist die 4. Industrielle Revolution nicht mit den vorangegangenen Revolutionen vergleichbar und spielt<br />

sich in einer völlig neuen Dimension ab. Die Herangehensweise ist deutlich individueller und muss für jedes Unternehmen<br />

und teilweise für jedes Produkt oder jede Dienstleistung individuell entwickelt werden. In manchen Bereichen<br />

hat man jedoch keine wirkliche Wahl, sich der Entwicklung zu entziehen oder nicht und ist darauf angewiesen, Teil<br />

des Systems zu werden.<br />

Für Unternehmen, die offen sind, sich mit der eigenen Situation und der Situation im relevanten Umfeld zu beschäftigen,<br />

können sich große Chancen bieten. Die Möglichkeiten reichen von der Steigerung der Produktivität, über die<br />

Optimierung der Abläufe, über die Vereinfachung von Nebentätigkeiten bis hin zur Entwicklung völlig neuer Geschäftsmodelle.<br />

Dabei gibt es kein Patentrezept, das für alle Herausforderungen eine Lösung bietet. Vielmehr ist<br />

unternehmerische Kreativität und die Bereitschaft neue Wege zu gehen eine gute Voraussetzung für einen Start in<br />

die nächste Revolution in der vernetzen Welt von heute.<br />

8 DVS <strong>362</strong>


Mit wissensbasierter Offline-Programmierung gegen Fachpersonalmangel?<br />

J. Bickendorf, Dortmund<br />

Eine große Chance dem Mangel an qualifizierten Schweißern insbesondere auch in kleinen und mittleren Unternehmen<br />

zu begegnen, ist die Automatisierung mit Robotern. Die entscheidende Voraussetzung eine vergleichbare<br />

Flexibilität und Wirtschaftlichkeit zu erreichen, wie mit qualifizierten Schweißern, ist dabei eine schnelle und einfache<br />

Neuprogrammierung der Roboter auch für kleinste Losgrößen. Dieser Beitrag zeigt die hohen Anforderungen<br />

an entsprechende neue Methoden zur schnellen Roboterprogrammierung auf, beschreibt Lösungen zu deren Umsetzung<br />

und veranschaulicht deren Realisierung am Beispiel des Offline-Programmiersystems „MOSES - IWA“<br />

(Intelligent Welding Assistant). Dieses System ist bereits heute in der Lage, für eine Reihe von Anwendungen mittels<br />

automatischer Schweißprozessplanung, automatischer Bewegungsplanung und simulationsbasierter Programmgenerierung<br />

die Programmierung von Schweißrobotern mit einem Automatisierungsgrad von bis zu 100%<br />

selbständig durchzuführen.<br />

1 Fachpersonalmangel und Automatisierung des Schweißens<br />

In Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels, gerade auch an qualifizierten Schweißern, liegt es nahe, den Einsatz<br />

von Automatisierungslösungen wie Schweißrobotern zu erwägen. Selbst bei Verwendung einfacher und kostengünstiger<br />

Lösungen ist die Genauigkeit moderner Industrieroboter in aller Regel hinreichend, um die ruhige Hand<br />

des menschlichen Schweißers zu ersetzen. Der Mensch bringt jedoch eine Reihe weiterer Qualifikationen und<br />

Erfahrungswissen mit, welche nicht ohne Weiteres zu substituieren sind. Dies betrifft vor allem die folgenden Fragen:<br />

• Wo genau beginnen und enden Schweißnähte und wo werden sie unterbrochen?<br />

• In welcher Reihenfolge und Richtung sind Nähte zu schweißen, um den Wärmeverzug gering zu halten?<br />

• Welche Schweißparameter sind einzustellen, um gute Ergebnisse zu erzielen?<br />

Diese Fragen müssen natürlich auch im Rahmen der Roboter-Programmierung beantwortet werden. Hinsichtlich<br />

der Qualifikationsanforderungen an den/die Roboter-Programmierer/in bedeutet dies, dass diese/r nicht nur Erfahrung<br />

in der Teach-In- oder Offline-Programmierung haben muss, sondern auch fundierte Schweißkenntnisse. Mitarbeiter/innen<br />

mit diesen Kenntnissen sind noch schwieriger zu finden, als qualifizierte Schweißer. Die Lösung<br />

dieses Problems kann ein Offline-Programmiersystem (OLP) bieten, welches die Programmierung der Schweißroboter<br />

für neue Aufgaben (teil-)automatisch auf der Basis von CAD-Daten, Schweiß- und Roboter-Wissen durchführt.<br />

2 Prozesskette der automatischen Schweiß-Offline-Programmierung<br />

Voraussetzung dafür ist die Realisierung automatischer Lösungen für eine Reihe anspruchsvoller Teilaufgaben:<br />

Bild 1. Prozesskette der automatischen Schweiß-Offline-Programmierung<br />

Dies beginnt mit der Platzierung der Schweißnähte im CAD-Modell und der automatischen Festlegung der Nahtdicken<br />

(A-Maße) und (ggfls.) der Lagenanzahl. Weiterhin erforderlich sind die Planung der Schweißreihenfolgen und<br />

-richtungen, Zuordnung der Schweißparameter zu den Nähten, Messung der Toleranzen zur Anpassung der Bahn-<br />

DVS <strong>362</strong> 9


koordinaten, Planung der Roboterbewegungen einschließlich ihrer Aufteilung auf Roboterachsen / Portalachsen /<br />

Positioniererachsen, deren Synchronisation sowie Kollisionskontrolle und möglichst sogar Kollisionsvermeidung. Ist<br />

das alles überhaupt technisch und wirtschaftlich möglich?<br />

3 Lösungsbausteine<br />

Die folgenden Abschnitte beschreiben, wie die genannten Teilaufgaben im Offline-Programmiersystem „MOSES –<br />

IWA“ (Intelligent Welding Assistant) gelöst wurden.<br />

Am Anfang der Prozesskette stehen Geometrieimport und -analyse sowie die Platzierung der Schweißnähte im<br />

CAD-Modell. Für die Platzierung der Schweißnähte im CAD Modell gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten:<br />

1) Sofern der Konstrukteur die Schweißnähte bereits im Rahmen des Konstruktionsprozesses als Bestandteil des<br />

3D-CAD-Modells anlegt, können diese zusammen mit dem Geometriemodell in MOSES importiert und ausgewertet<br />

werden. Einige CAD-Systeme bieten für diesen Zweck eigenständige „Schweißnaht“-Objekte an, welche<br />

graphisch als Zylinder, Fillet oder ähnliches Objekt dargestellt und mit Zusatzinformationen, wie zum Beispiel<br />

dem a-Maß, versehen werden können.<br />

Da es jedoch bislang keinen einheitlichen Standard zur Übertragung der Schweißnahtverläufe im Rahmen der<br />

gängigen CAD-Schnittstellenspezifikationen gibt, hat Autocam zusammen mit Partnern den WISCON-Standard<br />

definiert, der bereits vor einigen Jahren vom deutschen Stahlbauverband (DStV / bauforumstahl e.V.) als Empfehlung<br />

für seine Mitglieder übernommen wurde. Dieser nutzt das XML-Format zur Beschreibung der Schweißnahtverläufe<br />

als Ergänzung zu vorhandenen, gängigen CAD-Geometrieformaten wie DSTV/NC oder STEP. Die<br />

WISCON-Schnittstelle wird bereits mit mehreren Stahlbau-CAD-Systemen genutzt (z. B. Trimble Tekla, AVEVA<br />

Bocad, u. a.) und auch im Schiffbau eingesetzt.<br />

Alternativ dazu können Schweißnähte auch als einfache geometrische 3D-Objekte beschrieben werden, sofern<br />

diese mithilfe von Zusatzinformationen (wie z. B. Layer-Zuordnung, Farbe oder andere Attribute) eindeutig als<br />

Schweißnähte identifizierbar sind. Diese können dann als Bestandteil des 3D-Geometriemodells, z. B. im<br />

STEP- oder im IFC-Format, übertragen werden. In diesem Fall ist lediglich der OLP-seitige Implementierungsaufwand<br />

höher, da es sich meist nicht um standardisierte Lösungen handelt.<br />

2) Sofern der Konstrukteur im Rahmen des Konstruktionsprozesses keine Schweißnähte definiert, ist MOSES mit<br />

seinem Modul „Seamdefiner“ in der Lage, Schweißnahtverläufe im 3D-CAD-Modell selbstständig automatisch<br />

anzulegen. Die CAD-Modelle der Schweißbaugruppen müssen dazu zwei Anforderungen erfüllen:<br />

• Es muss sich um Vollkörper-Volumenmodelle (CSG) handeln.<br />

• die Modelle müssen alle konstruktiven Details enthalten, die für die Platzierung und den Verlauf der<br />

Schweißnähte relevant sind (z. B. Ausrundungsradien).<br />

Auf Grundlage dieser Modelldaten platziert MOSES Nähte basierend auf Regeln und auf einer Analyse des<br />

CAD-Baugruppenmodells automatisch dort, wo es schweißtechnologisch sinnvoll und wo die Zugänglichkeit<br />

gegeben ist. Voraussetzung für die Analyse der Baugruppentopologie ist deren Repräsentation als Vollkörper-<br />

Volumenmodell. Deren Informationsgehalt ermöglicht die Nutzung von CAD-Funktionsbibliotheken zur Ermittlung<br />

der Berührkanten und -flächen von Einzelteilen und damit zur Festlegung von Nahtplatzierungen und<br />

Nahtverläufen. Die erforderliche Nahtdicke wird aus Materialstärke, Blechdickenverhältnis, etc. abgeleitet.<br />

Bild 2. Automatische Nahtfindung im CAD-Modell eines Profil-Bauteils<br />

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