Maas_16_Klarheit_blick-ins-heft
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INTERVIEW MIT
DER KÜNSTLERIN MARTA FREJ
Stellung zu beziehen, auch und gerade wenn es
politisch und gesellschaftlich heikel ist, erfordert
Mut und Klarheit. Die polnische Künstlerin Marta
Frej nimmt kein Blatt vor den Mund, sondern setzt
mit ihren Memes (Bilder und Texte, die sich im
Internet wie ein Lauffeuer verbreiten) einen
klaren Kontrapunkt für die zunehmende politische
und gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen
in Polen. Mit ihren Bildern gibt sie auf eine humorvolle
und zugleich scharfe Art Frauen eine
Stimme und ermutigt damit Tausende von Frauen
in Polen dazu, ebenfalls stark zu sein und sich
nicht zu verstecken.
WAS MÖCHTEST DU DURCH
DEINE ARBEIT KLARSTELLEN?
In Polen versuchen viele Politiker, den Eindruck zu
erwecken, es gäbe in unserem Land keine Probleme.
Dies ist natürlich nicht richtig. Wir haben viele
Probleme und diese sind sehr ernst zu nehmen. Ein
Beispiel: Politiker zitieren gerne eine Statistik, die
aufzeigt, dass Gewalt gegen Frauen in Polen nur
marginal vertreten sei. Der Grund dafür ist jedoch,
dass man in Polen erst von »häuslicher Gewalt«
spricht, wenn es um massive Misshandlungen geht.
Psychische, ökonomische und auch körperliche
Übergriffe ohne große sichtbare Folgen gelten hier
nicht als Gewalt. Auch trauen sich viele Opfer aus
Angst vor Stigmatisierung häufig nicht, ihre Täter
anzuzeigen, und es mangelt enorm an Schulungen
für Polizei, Ärzte und Pflegepersonal über den
richtigen Umgang mit den Betroffenen.
Für mich ist das ein sehr schmerzlicher Zustand
und ich möchte darüber mehr aufklären und das
Bewusstsein meiner Mitmenschen verändern. Das
tue ich auf eine Art, die mir sehr nahe liegt. Über
die Kunst.
VERSTEHST DU DICH MEHR
ALS KÜNSTLERIN ODER ALS AKTIVISTIN?
Momentan mehr als Aktivistin. Denn im Gegensatz
zur dekorativen Kunst, die dazu da ist, Schönheit
darzustellen, interessiere ich mich derzeit für Kunst,
die sich gesellschaftlich engagiert und auch unangenehme
Wahrheiten darstellt. Allerdings versuche
ich, auch bei schwierigen Themen den Humor nicht
zu verlieren. Humor bildet für mich eine Art Puffer,
durch den es vielen Menschen leichter fällt, kontroverse
Inhalte dennoch anzunehmen.
WIE BIST DU AUF DIE
IDEE DER MEMES GEKOMMEN?
Das war eher Zufall. Ich habe ein Foto aus dem Internet
graphisch bearbeitet und daneben einen Text
geschrieben. Auf dieses Bild kamen im Netz viel mehr
Reaktionen, als bei meinen anderen Bildern ohne Text.
Von da an habe ich immer häufiger Zeichnungen
mit kurzen Texten hochgeladen. Zunächst habe ich
vor allem das tägliche Geschehen in der Politik
kommentiert, doch am meisten hat mich immer die
Situation der Frauen in Polen interessiert. Mittlerweile
habe ich gemerkt: Je persönlicher und je mehr
aus mir heraus ich meine Memes gestalte, desto
mehr Frauen können sich damit auch identifizieren.
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