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März_2020_Web

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Fotos©Adobe Stock/Montagen

Stadt - land - flucht

.

.

Die Einwohnerzahl Österreichs befindet sich in ständigem Anstieg und trotzdem

gibt es Gegenden, die von immensen Bevölkerungsrückgängen geprägt sind. Die Rede ist

von der immer wieder heiß diskutierten „Landflucht“.

2001 gab es noch knapp über 8 Millionen

Österreicher. Im Jahre 2080 werden wir,

wenn es nach Prognosen von Statistik

Austria geht, die Zehn-Millionen-Marke

geknackt haben. Vom „Aussterben“

braucht Österreich also offensichtlich

keine Angst haben – es scheint

zumindest so, bis man beginnt, diese

Entwicklung genauer zu betrachten.

Das Wachstum ist nämlich sehr

ungleich verteilt, so wird bis zum

Jahre 2080 beispielsweise in Wien

ein Anstieg von 20,8 Prozent und

in Niederösterreich ein Anstieg von

20,3 Prozent prognostiziert, während

es in den Bundesländern Steiermark,

Salzburg und Kärnten eher düster aussieht:

In der Steiermark und Salzburg

wird die Bevölkerungsanzahl stagnieren,

in Kärnten rechnet man sogar mit einem

Rückgang von bis zu 4 Prozent.

Doch auch innerhalb der Bundesländer

selbst ist ein Gefälle erkennbar. Der

Trend geht in Richtung große Städte,

abgelegene Landgemeinden verwaisen

immer mehr. So geht etwa jeder fünfte

Umzug in eine Landeshauptstadt, und aus

99 Prozent der österreichischen Gemeinden

gab es seit 2003 jemanden, den es in

die Bundeshauptstadt Wien verschlagen

hat. 60 Prozent der Österreicher leben

zurzeit in urbanen Siedlungsräumen (also

in Städten und deren Umland), bis 2050

sollen es 70 Prozent sein.

Vier von zehn österreichische Gemeinden

sind in den vergangenen zehn Jahren geschrumpft.

Die größten „Sorgenkinder“,

was das Thema Abwanderung betrifft,

findet man jedoch in der Steiermark,

beispielsweise Eisenerz. Die ehemals

aufblühende Bergbaustadt schrumpfte

zwischen 1951 und 2019 von 12.948

Einwohnern auf 3.903, was einen Bevölkerungsschwund

von knappen 70 (!)

Prozent bedeutet. Auch die Region Murau

wird bis zum Jahre 2050 24% ihrer derzeitigen

Einwohner verlieren.

Mittlerweile gibt es mehrere Studien,

die sich mit den Gründen für diese

negative Entwicklung auseinandersetzen.

Diese liegen auf der Hand – oft

sind es fehlende Infrastruktur sowie

fehlende Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten.

Die Anzahl

der jungen Menschen, die eine

universitäre Ausbildung beginnen,

steigt immens, und diese Tatsache

verträgt sich mit der Struktur

des ländlichen Arbeitsmarktes,

der hauptsächlich durch Handwerk

geprägt ist, nicht wirklich. Für

viele junge Menschen fehlen also Beschäftigungsmöglichkeiten,

die ihrer

Ausbildung entsprechen. Die jungen

Erwachsenen, die zum Studium in die

Stadt ziehen und ein paar Jahre später

als fertig ausgebildete Akademiker wieder

zurückkommen, sind also vielerorts

eher Wunschvorstellung als Realität.

Die Gegenden verlieren an Attraktivität,

weil die Bevölkerung abwandert, und

diese wandert ab, weil die Gegend an

Attraktivität verliert – beinahe schon

ein Teufelskreis, aus dem es bis jetzt

wenige Landgemeinden geschafft haben,

auszubrechen.

Große Abwanderungszahlen bedrohen

also viele ländliche Gebiete – um das

festzustellen muss man gar keine

Statistiken durchforsten, sondern ein

Blick in abgelegene Gemeinden genügt

meistens. Verfallene Gasthöfe,

auf denen als Zeuge besserer Zeiten

noch das „Puntigamer“-Schild hängt,

leerstehende Wohnhäuser und leergefegte

Straßen sind Mahnmale dieser

schmerzhaften Entwicklung, die nicht

nur einzelne Gemeinden, sondern oft

ganze Regionen betrifft.

Nur vereinzelte Regionen haben es geschafft,

diesem Trend entgegenzuwirken

– wir, als „Almenlandler“, haben

das Glück, in einer solchen zu leben.

In Passail lebten beispielsweise im

Jahre 1961 3.978 Menschen, nun sind

es 4.411 (Quelle: Wikipedia) – eine

Entwicklung, von der Gemeinden, die

teilweise nicht einmal 50 Kilometer

entfernt sind, nur träumen können.

Diese Tatsache, dass wir uns in keinem

„sterbenden Dorf“ befinden, hat

selbst allerdings wenig mit Glück zu

tun, sondern bei genauerer Betrachtung

erkennt man die vielen einzelnen

Faktoren, die über Erfolg und Misserfolg

der Entwicklung von Regionen

entscheiden. Es wird immer nur vom

Dorfsterben gesprochen, jedoch ist es

konkret ein Kaufhaussterben, ein Vereinssterben

und ein Gasthaussterben.

Schafft man es, solche Strukturen zu

erhalten und im besten Falle sogar

auszubauen, ist ein großer Schritt gegen

das Abwanderungsgespenst getan.

Das Almenland ist diesbezüglich wohl

ein absolutes Positivbeispiel, wobei wir

natürlich viel dem Fremdenverkehr in

unserer Region zu verdanken haben.

Gerade Kauf- und Gasthäuser werden

von den Touristen mitgetragen, und so

bleibt das attraktive Angebot natürlich

auch für die Einheimischen bestehen.

In von Abwanderung betroffenen Gegenden,

die eine Trendumkehr nicht

aus eigener Kraft schaffen, müssen

jedoch stärkere Maßnahmen gesetzt

werden, da ein funktionierendes Landund

Dorfleben vermutlich nicht nur aus

meiner Sicht ein wesentlicher Teil der

österreichischen Kultur ist.

Alexander Reisinger

Seite 26

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