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Nr. 30 - November / Dezember 2010

Burgund: Die Abtei von Fontenay Paris: Friedhöfe, Museen unter freiem Himmel Languedoc-Roussillon: im Katharland, ein Wanderweg zwischen Mittelmeer und den Pyrenäen Angers: eine der Städte Frankreichs mit der höchsten Lebensqualität Franche-Comté: in der Kathedrale des Comté: das Fort Saint-Antoine Charentes: Schloss La Rochefoucauld Val d'Isère: für Skifahrer empfehlenswert Rezept: Poulet basquaise Weinbrand: die Geschichte des Armagnac Schauwein: welchen Champagner zu Silvester ?

Burgund: Die Abtei von Fontenay
Paris: Friedhöfe, Museen unter freiem Himmel
Languedoc-Roussillon: im Katharland, ein Wanderweg zwischen Mittelmeer und den Pyrenäen
Angers: eine der Städte Frankreichs mit der höchsten Lebensqualität
Franche-Comté: in der Kathedrale des Comté: das Fort Saint-Antoine
Charentes: Schloss La Rochefoucauld
Val d'Isère: für Skifahrer empfehlenswert
Rezept: Poulet basquaise
Weinbrand: die Geschichte des Armagnac
Schauwein: welchen Champagner zu Silvester ?

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Unterwegs in Frankreich Angers<br />

Von links nach<br />

rechts: Innenraum<br />

der Kathedrale<br />

Saint-Maurice. Die<br />

Burg von Angers, das<br />

auch Château du Roi<br />

René genannt wird.<br />

Eingangsportal der<br />

Kathedrale. Gasse,<br />

die zur Kathedrale<br />

Saint-Maurice führt.<br />

Blick von der Burg über<br />

die Dächer der Stadt.<br />

renden Loire-Tals. Der Umgang mit dem eigenen kulturellen<br />

Erbe zeigt jedoch gleichzeitig eine für Angers typische Unaufgeregtheit.<br />

So zählt die Burg aus dem 13. Jahrhundert mit<br />

ihren 17 Türmen, die auf einem Hügel im Zentrum über die<br />

Stadt wacht, zweifelsohne zu einem der bedeutenden Bauten<br />

der Gegend, dennoch wird dieser Fakt nicht endlos touristisch<br />

ausgeschlachtet wie in manch anderen Städten. Die Stadtverwaltung<br />

scheint der Meinung zu sein, dass man diese beeindruckende<br />

Festungsanlage bei einem Besuch sowieso nicht<br />

verfehlen kann. So fügt sich der Bau ganz natürlich in die heutige<br />

Stadt ein. Auch dies passt zum Image des douceur de vivre.<br />

Neben einem einmaligen Panoramablick über die Stadt,<br />

der sich von den Burgtürmen aus bietet, und einem ungewöhnlichen<br />

Garten lohnt ein Besuch der Burg vor allem<br />

wegen des berühmten mittelalterlichen Wandteppichzyklus’<br />

aus dem 14. Jahrhundert, der im Inneren der Anlage<br />

ausgestellt wird. In 75 Bildern zeigt er die Apokalypse des<br />

Johannes. Die Dimensionen sind beeindruckend: 103 Meter<br />

lang und viereinhalb Meter hoch ist dieses einzigartige<br />

Kunstwerk, das als wichtigstes Wandteppichensemble des<br />

Mittelalters gilt. Beauftragt wurde das Kunstwerk vom<br />

Herzog des Anjou Ludwig I. Die Fertigung erfolgte in Paris,<br />

wahrscheinlich zwischen 1377 und 1382.<br />

Um diese Kostbarkeit zu Gesicht zu bekommen, muss<br />

man eine Schleuse passieren, in der die Augen an die dunklen<br />

Lichtverhältnisse gewöhnt werden. Um die Teppiche zu<br />

schonen, werden sie nur mit einem speziellen, recht dunklen<br />

Licht angestrahlt. Wenn man schließlich vor den Wandteppichen<br />

steht, fühlt man sich angesichts der Ausmaße klein.<br />

Indifferent lässt der Anblick des Kunstwerkes kaum jemanden.<br />

Selbst Kinder stehen meist mit großen Augen staunend<br />

davor. Am Ende der Besichtigung müssen sich viele eingestehen,<br />

dass sie einen solchen Schatz in Angers gar nicht<br />

vermutet hätten. Angers liebt eben das Understatement.<br />

Die Wandteppichkunst ist eines der Markenzeichen von<br />

Angers. So ist der Teppich « Le Chant du Monde » von Jean<br />

Lurçat ein zeitgenössisches Pendant zu dem apokalyptischen<br />

Werk aus dem Mittelalter. Er wird im Krankensaal<br />

des einstigen Hôpital Saint-Jean aus dem 12. Jahrhundert<br />

ausgestellt. Außerdem gibt es in der Stadt das Musée de la<br />

Tapisserie Contemporaine mit weiteren international bekannten<br />

Wandteppichen.<br />

Wenn man durch die kopfsteingepflasterten Gassen<br />

des Zentrums schlendert, fällt einem noch ein anderes<br />

Charakteristikum der Stadt auf. In Angers, das man zur<br />

Renaissance gerne das Athen des Westens nannte, stehen<br />

zahlreiche bedeutende religiöse Bauten. Am Vorabend der<br />

Französischen Revolution zählte man gar fünf Abteien, 27<br />

Klöster und 47 Kirchen. Heute sind es vor allem die Kathedrale<br />

Saint-Maurice aus dem 12. Jahrhundert, ein wunderbares<br />

Zeugnis der Gotik, und die karolingische Stiftskirche<br />

Saint-Martin, die die Besucher anziehen.<br />

Am meisten zum Image des douceur de vivre trägt aber<br />

wohl das grüne Stadtbild bei. Neben vielen Parks und<br />

kleinen gepflegten Grünflächen ist es auch die Naturverbundenheit<br />

der Menschen, die die Stadt erblühen lässt. So<br />

schmücken vom Frühling bis zum Herbst Blumenkästen<br />

viele Balkone. Mit 40 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner<br />

ist Angers eine der grünsten Städte des Landes. Die<br />

wichtigsten Parks sind der Parc de l’Arboretum, der sich auf<br />

sieben Hektar erstreckt und eine kleine botanische Weltreise<br />

in zwei Stunden erlaubt, sowie der Parc de Balzac, dessen<br />

Flora sich auf natürlichem Wege durch Hochwasser der<br />

Maine entwickelt hat. Im Herzen der Stadt lockt zudem<br />

der Parc Saint-Nicolas, wo man sich gerne zum Picknicken<br />

mit Freunden trifft.<br />

Angers lohnt also einen Besuch, keine Frage. Zwar gibt<br />

es an einigen Stellen der Stadt bis zur endgültigen Fertigstellung<br />

der Tramlinie noch Baustellen, die teilweise auch<br />

den Fußgängern Umwege abverlangen, doch das wird alles<br />

bald der Vergangenheit angehören. Auf den umgestalteten<br />

Boulevards bereiten sich die Cafés und Brasserien bereits<br />

auf die kommende Zeit vor und stehen mit neuen Stühlen<br />

und Tischen für ihre Terrassen in den Startlöchern. Es wird<br />

also nicht mehr lange dauern, bis der Baustellenlärm der<br />

Geräuschkulisse vergnügter Gäste weichen wird.<br />

Die Einheimischen gehen ohnehin gerne aus. Dann<br />

bestellen sie in den Bars den Wein des Anjou, der kalt getrunken<br />

wird und weniger stark ist als etwa ein Bordeaux,<br />

und dazu regionale Wurstspezialitäten. So lässt es sich<br />

beschwingt bis tief in die Nacht mit Freunden über Gott<br />

und die Welt diskutieren. Wahrscheinlich ist es auch dieses<br />

gesellige Miteinander, das den douceur de vivre auszeichnet<br />

und wovon Bellay im fernen Rom träumte.<br />

46 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2010</strong>

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