Download: CSpiegel_1_2012.pdf - Kompetenznetz Mittelstand
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Tanz als Präventivangebot und therapeutische Nachreifung<br />
Rudolf von Laban (1879-1958) erforschte die physiologischen und<br />
psychologischen Gesetze menschlicher Bewegung und legte das<br />
Fundament zu wissenschaftlicher Bewegungsbeobachtung und<br />
-analyse; zusammen mit der von ihm begründeten kinetographischen<br />
Tanz- und Bewegungsschrift (Labannotation), Arbeitsgrundlage<br />
für zahlreiche Tanzpädagogen, Tanztherapeuten und<br />
Fachleute weltweit. Laban beschrieb die Grundlagen und Wirkungsweise<br />
einer freien Tanztechnik in seinem Buch „Der Moderne<br />
Ausdruckstanz“ 2001. Die elementaren Antriebsaktionen<br />
befänden sich auch in jeder Form von seelischem oder intellektuellem<br />
Ausdruck und die Projektion eines Impulses könne Aufschluss<br />
über einen inneren Zustand geben. (Laban vgl. S. 69,<br />
2001) Er schreibt:„Manche Menschen haben vielleicht einige der<br />
hier beschriebenen Bewegungsantriebe nie selbst körperlich oder<br />
geistig erfahren. Für sie wird es von Vorteil sein, ihr Verständnis<br />
und Erfassen von Bewegungen auf ein größeres Gebiet auszudehnen,<br />
um auf diese Weise auch menschliches Handeln besser<br />
begreifen und nachempfinden zu können, das von solchen<br />
Bewegungsimpulsen ausgelöst wird.“ (S.69) Laban erläutert, als<br />
Schwerpunkt der tänzerischen Ausdrucksschulung gehe es darum,<br />
das Kind zu lehren zu leben, sich zu bewegen und in den<br />
verschiedenen Medien auszudrücken, die sein Leben bestimmen.<br />
Als wichtigstes Medium beschreibt er den eigenen Bewegungs-<br />
fluss. Sei das Kind im „Fluss“, dann befinde es sich in völliger<br />
Harmonie mit allen Bewegungsfaktoren und könne „sich geistig,<br />
seelisch und körperlich mühelos im Leben zurechtfinden.“<br />
(Laban S.36, 2001) Bezogen auf die Förderung von Resilienz hat<br />
Laban hiermit eine konkret umsetzbare methodische Grundlage<br />
geschaffen, deren Einsatz präventiv pädagogisch eingesetzt bereits<br />
im Kindesalter sinnvoll erscheint. Auch für Heranwachsende<br />
und Erwachsene kann das Integrieren eines umfangreichen Ausdrucksrepertoires<br />
und das Herstellen des heute als „Flow“ (Bertolaso,<br />
vgl. S. 84 ff, 2009) bezeichneten Zustandes eine Quelle<br />
der Regeneration und Ich-stärkenden Zentrierung sein. Für therapeutische<br />
Zwecke wurden tiefenpsychologische Theorien von<br />
Anna Freud (1965), Winnicott (1965), Erickson (1950), Spitz (1959)<br />
und Mahler (1980) mit den Erkenntnissen von Stern (1965) und<br />
mit den wissenschaftlichen Beobachtungen von Judith Kestenberg<br />
(1910-1999) zusammengebracht. Irmgard Bartenieff, Warren<br />
Lamb und in neuerer Zeit Susan Loman, Antja Kennedy, Susanne<br />
Bender und Marianne Eberhard-Kächele vertieften, erweiterten<br />
und konkretisierten die bewegungsanalytischen Erkenntnisse für<br />
die Anwendung im tanztherapeutischen sowie im präventiven Bereich<br />
(siehe Koch/Bender, 2007). Grundlegende Annahme dieser<br />
tanztherapeutischen Methoden ist, dass die Entwicklung trotz<br />
widriger oder ungünstiger Umstände jederzeit für Nachreifungs-<br />
impulse offen ist. Die Tanztherapeutinnen haben phasenspezifische<br />
Interventionen zur Stabilisierung und Anregung (Sicherheit<br />
und Erregung) entwickelt, die ganz im Sinne der Resilienzförderung<br />
eingesetzt werden und wirken. „Nachreifungsprozesse in der<br />
von Vertrauen geprägten therapeutischen Beziehung sind insofern<br />
von eminenter Bedeutung, als sie dazu verhelfen, Urängste<br />
und die daraus resultierende Hilflosigkeit abzubauen.“(Klein, S.<br />
203, 1998 ff.) Petra Klein beschreibt, sie habe in ihrer Berufspraxis<br />
vielfach erlebt, dass adäquate stabilisierende therapeutische<br />
Arbeit, die Klienten in die Lage versetzt, „sich selber hilfreich an<br />
die Hand zu nehmen.“ So könne der erwachsene Anteil dem oft<br />
ohnmächtigen kindlichen Persönlichkeitsanteil zu Hilfe kommen.<br />
Möglicher Beitrag der künstlerischen Therapien zur Resilienzförderung<br />
bei traumatisierten Klienten<br />
Autor und Klinikleiter Dr. med. Wolfgang Wöller empfahl in seinem<br />
Vortrag 2007 in der Psychosomatischen Rheinklinik Bad Honnef:<br />
„Ressourcenorientierte Behandlungskonzeption bei komplexen<br />
Traumafolgestörungen“ interessante Ziele und Behandlungsansätze<br />
zur Aktivierung des Ressourcenpotentials und der Selbstheilungskräfte.<br />
In der folgenden Tabelle sind diese auf der linken<br />
Seite zu finden. In der rechten Spalte der Tabelle finden sich<br />
beispielhaft skizziert Vorschläge aus der kreativtherapeutischen<br />
Berufspraxis zur Verdeutlichung der Umsetzungsmöglichkeiten:<br />
Heilkraft der Freude?<br />
Wie der letzte Punkt der Tabelle andeutet,<br />
bstätigen zahlreiche erfahrene<br />
Therapeuten die Erfahrung, wie<br />
aufbauend, heilsam und stärkend die<br />
Erfahrung der lebensbejahenden Freude<br />
auf belastete Klienten wirkt. Der<br />
Neuropsychiater und Psychoanalytiker<br />
Boris Cyrulnik entdeckte die neuronale<br />
Nähe zwischen Glück und Unglück; die<br />
wahrscheinlich mit dem uralten Überlebensinstinkt<br />
zu tun habe. Sobald<br />
ein Unglück eingetreten sei, träume<br />
man vom Glück. Dieses Gegensatzpaar<br />
sei gekoppelt an die entgegengesetzten<br />
Impulse von Hinwendungs-<br />
und Fluchtreaktionen. (vgl.S.69) “Erst<br />
das Gegensatzpaar ermöglicht das<br />
Überleben.“(Cyrulnik, S.69, 2007)<br />
Schlussfolgernd sollte eine therapeutische<br />
Begleitung einen Gegenpol zu<br />
der sonstigen emotionalen Erfahrung<br />
beinhalten. Künstler müssten in der<br />
Lage sein, Freude zu vermitteln, betont<br />
Yolanda Bertolaso in ihrem Buch<br />
über „Resilienz in Pädagogik und<br />
künstlerischer Tanztherapie“(vgl. s.186): Hierbei spreche sie nicht<br />
von oberflächlichem Spaß; „Vielmehr kommt die Freude beim Erleben<br />
wahrer Kunst aus tieferen Quellen als aus der Freude an der<br />
Illusion.“ (Bertolaso, S.186, 2009) Auch die Ende der 60er Jahre<br />
von Peseschkian initiierte Fachrichtung der „Positiven Psychotherapie“<br />
widmet sich forschend den „Glücksfaktoren“. Frank schlägt<br />
ihren Patienten eine „Reise ins Land des Wohlbefindens“ vor<br />
(Frank, S.128 ff 2010). Wie die kreativen Therapien widmen sich<br />
auch andere psychotherapeutischen Fachrichtungen vermehrt<br />
den Kompetenzen, die Stress lösend sind, das Leben bejahen und<br />
lebenswert machen. Der Musiktherapeut Timmermann sieht als<br />
wesentlichen gesellschaftlich auszugleichenden Pol den Zerfall<br />
der alten ethischen und sozialen Ordnungen, die sich ökologisch<br />
sowie in den wachsenden Krankheitsbildern Krebs, Süchten und<br />
Essstörungen spiegelten: „Wer hörend und spielend zurückfindet<br />
zu einem elementaren Gefühl für das eigene Maß und eigene<br />
innere Ordnung, setzt der Entfremdung die Selbsterfahrung entgegen<br />
und schafft damit Voraussetzungen für konstruktives soziales<br />
und ökologisches Denken.“ (Timmermann, S.234, 1994) Die<br />
Tanztherapeutin Petra Klein (vgl. 204, 1998) sieht gar den Sinn<br />
des Lebens darin, das Leid zu überwinden, Freude und Leichtigkeit<br />
zu entdecken und mit anderen zu teilen; also das Leben zu<br />
zelebrieren, nicht nur zu ertragen.<br />
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