Download: CSpiegel_1_2012.pdf - Kompetenznetz Mittelstand
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Gesundheit ist weniger ein<br />
Zustand als eine Haltung,<br />
und sie gedeiht mit der<br />
Freude am Leben.<br />
Thomas von Aquin (1225-74)<br />
Spiegel<br />
campus<br />
Die Zeitschrift der Campus Naturalis Akademien und der Campus Hochschule i.G.<br />
Ausgabe 01/2012 · ISSN 1869-0092<br />
Resilienz<br />
Stark trotz widriger Umstände<br />
Resilienz und Familientherapie<br />
Resilienzforschung<br />
Gestern und heute<br />
Resilienzförderung<br />
Kreative Therapien<br />
Spezial:<br />
Pädagogik für das<br />
21. Jahrhundert<br />
Cybermobbing<br />
Prävention und akute Hilfe<br />
bei Mobbing im Internet<br />
EU, Föderalismus und Pädagogik<br />
Bildungsentwicklung in<br />
Deutschland und Europa<br />
Erlebnispädagogik<br />
Lernen von der Natur<br />
Last Minute:<br />
16.02.12<br />
Pädagogik<br />
Symposium<br />
Hamburg<br />
Seite 30
2<br />
Inhalt<br />
Resilienzforschung - gestern und heute<br />
Stark trotz widriger Umstände:<br />
Resilienz und Familientherapie<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
Seite 4<br />
Seite 12<br />
Seite 15<br />
Cybermobbing: Prävention und akute Hilfe<br />
bei Mobbing im Internet<br />
Heilkräfte der Natur – Fenchel<br />
Seite 19<br />
Seite 28<br />
Resilienzförderung durch kreative Therapien<br />
Resilienz - Das Immunsystem der Seele<br />
Unsere Kinder brauchen Natur –<br />
die Natur braucht unsere Kinder<br />
EU, Föderalismus und Pädagogik<br />
In Berlin entsteht größtes<br />
campus Naturalis Zentrum<br />
Seite 8<br />
Seite 14<br />
Seite 18<br />
Seite 23<br />
Seite 24<br />
campus Spiegel · Redaktion Berlin · Telefon: 030 / 24 63 98 95 · www.campusnaturalis.de · Berlin · Frankfurt am Main · Hamburg · München
Guten Tag, liebe Leserin, lieber Leser!<br />
Warum reagieren Menschen unterschiedlich auf gleiche oder ähnliche<br />
Situationen? In der Therapie stellt sich besonders oft die Frage nach<br />
verbindlichen Therapiekonzepten: zu Beginn – so die landläufige Idee –<br />
muss eine klare Diagnose gestellt werden, auf deren Basis dann ein Therapieplan<br />
erstellt werden kann. Das Ergebnis müsste dann doch eigentlich<br />
auf der Basis von Erfahrungen vorhersehbar sein. Die – gerade für<br />
Lernende oft zunächst herausfordernde - Antwort ist: Ist es nicht. Diagnosen<br />
– und psychopathologische Diagnosen im Besonderen – ziehen keine<br />
mathematische Behandlungsformel nach sich. Sie helfen in der Regel ein<br />
Leiden zu verstehen, Bezüge herzstellen, lassen auf Erfahrungen zurückgreifen,<br />
aber sie ersetzen nicht die stets prozessbegleitende und auf den<br />
individuellen Fall angepasste und bis zu einem gewissen Maß manchmal<br />
sogar ergebnisoffene Therapie. Krankheit ist nicht das Gegenteil von Gesundheit.<br />
Die Gesundheit des einen mag sich von der des anderen unterscheiden<br />
– misst sie sich doch an individuellen Voraussetzungen. Ein<br />
80jähriger Mensch kann kerngesund sein, er wird sich aber nicht fühlen<br />
können wie ein gesunder Jugendlicher. Die Resilienzforschung stellt sich<br />
der Fragestellung, warum Menschen so unterschiedlich auf Situationen<br />
reagieren. Nahm man zeitweise an, dies sei zwar individuell aber unveränderbar<br />
angeboren, weiß man heute, dass Resilienz gefördert werden<br />
kann. Diese Erkenntnis birgt Chancen für ein erweitertes Verständnis von<br />
Gesundheit und Prävention, dem wir uns in dieser Ausgabe des campus<br />
Spiegel intensiv widmen.<br />
Unser zweiter Schwerpunkt begleitet das erste campus Symposium Pädagogik<br />
und befasst sich mit den Herausforderungen an die Pädagogik<br />
des 21. Jahrhunderts. Jede Zeit hat ihre ganz eigenen Dynamiken. In den<br />
letzten Jahren haben sich einige Themen in unserer Gesellschaft als besonders<br />
fordernd erwiesen. Ihnen gilt es bereits im Rahmen vorschulischer<br />
Betreuung und schulischer Laufbahn Aufmerksamkeit zu zollen, da<br />
der kompetente Umgang mit ihnen zur Grundlage erfolgreichen Lernens<br />
und Lebens geworden ist. Wir greifen diese Themen daher jährlich in<br />
unserer neuen Symposienreihe auf, zu der wir internationale Redner aus<br />
Forschung und Praxis einladen.<br />
In diesem Jahr widmen wir uns besonders den Themen Integration/Inklusion,<br />
Kreativität und Gewaltprävention mit Schwerpunkt neue Medien. Wir<br />
laden Sie ein unsere Symposienreihe, die am 16.02.2012 in Hamburg Premiere<br />
feiert, zu besuchen. Restplätze können Sie an der campus Naturalis<br />
Akademie in Hamburg reservieren.<br />
Ich wünsche Ihnen eine bereichernde und inspirierende Lektüre,<br />
herzlichst Ihre<br />
Alexandra Müller-Benz<br />
Geschäftsführerin campus Naturalis Akademien<br />
campus Spiegel · Redaktion Berlin · Telefon: 030 / 24 63 98 95 · www.campusnaturalis.de · Berlin · Frankfurt am Main · Hamburg · München<br />
Alexandra Müller-Benz<br />
Geschäftsführerin der<br />
campus Naturalis Akademien<br />
Tage der offenen Tür<br />
Berlin<br />
So. 04.03.2012<br />
So. 23.09.2012<br />
Frankfurt<br />
So. 04.03.2012<br />
So. 30.09.2012<br />
Hamburg<br />
So. 18.03.2012<br />
So. 23.09.2012<br />
München<br />
So. 04.03.2012<br />
So. 07.10.2012<br />
jeweils:<br />
14:00 – 19:00 Uhr<br />
3
4<br />
Resilienz<br />
Resilienzforschung gestern und heute Doreen Wagner<br />
Summary: In diesem Artikel sollen die wesentlichen Entwicklungslinien<br />
der Resilienzforschung in einem kurzen Abriss vorgestellt<br />
werden, dabei wir der Schwerpunkt auf den deutschen Forschungsraum<br />
gelegt. Um dem Konzept der Resilienz selbst näher<br />
zu kommen, wird anschließend ein in der deutschen Forschungslandschaft<br />
aktuell gut etabliertes Modell der theoretischen Einbettung<br />
des Konstrukts skizziert und die wesentlichen empirisch<br />
belegten Resilienzfaktoren benannt. In einem letzen Abschnitt<br />
wird es darum gehen, kurz die neuen Herausforderungen für die<br />
Resilienzforschung vorzustellen.<br />
Wesentliche Entwicklungslinien der Resilienzforschung<br />
Thema der Resilienzforschung ist die umfassende Ergründung der<br />
psychischen Widerstandsfähigkeit (Resilienz), auf die ein Mensch<br />
zurückgreift, um Situationen positiv zu bewältigen, die als entwicklungsgefährdend<br />
eingeschätzt werden. Eine eigenständige<br />
Resilienzforschung entwickelte sich in den 70er Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts zunächst in Großbritannien und Nordamerika, zu<br />
nennen sind hier v.a. Rutter 1979 mit der „Isle of Wight Studie“<br />
und die Kauei Studie von Werner und Smith (1982/2001) (vgl Artikel<br />
Resilienz und Familientherapie). Ende der 80er Jahre etabliert<br />
sich die Erforschung der Resilienz auch in Deutschland als fester<br />
Bestandteil der Forschungslandschaft (vgl. Fröhlich-Gildhoff &<br />
Rönnau-Böse 2009, S.10ff).<br />
Das Salutogenese Modell<br />
Den Anstoß zur Entwicklung einer eigenständigen Resilienzforschung<br />
in Deutschland gab vor allem das Salutogenese-Modell<br />
von Aaron Antonovsky. Dieser beförderte einen Paradigmenwechsel<br />
in der Gesundheitspsychologie – weg von der Pathogenese<br />
(Krankheitsperspektive) hin zu einer Salutogenese (Gesundheitsperspektive)<br />
(vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse 2009, S.13).<br />
Aufgrund der Bedeutung des Konzepts für die moderne Resilienzforschung<br />
und der Ähnlichkeit der Konzepte, sollen die wesentlichen<br />
Annahmen der Salutogenese an dieser Stelle kurz skizziert<br />
werden. Der israrelische Medizinsoziologe Antonovsky untersuchte<br />
Anfang der 70er Jahre den Gesundheitszustand von Holocaust<br />
Überlebenden und stellte dabei fest, dass ein Drittel der Personen<br />
trotz der extremen Belastungen bei guter körperlicher und psychischer<br />
Gesundheit waren. Er identifizierte bei diesen Personen<br />
übergreifende generalisierte Widerstandsressourcen (GRR). Diese<br />
Widerstandsressourcen prägen eine bestimmte, objektivierte<br />
Sicht auf die Welt, die er als sense of coherence (SOC) bezeichnete.<br />
Das Gefühl der Kohärenz umfasst drei wesentliche Aspekte<br />
und trägt entscheidend dazu bei, dass eine Person schwierige<br />
Lebensphasen meistert: Erstens das Vertrauen in die grundsätzliche<br />
Verstehbarkeit der auftretenden Ereignisse, zweitens das<br />
Vertrauen darin, diese bewältigen zu können und drittens das<br />
Vertrauen darin, dass ein tieferer Sinn dahinter steh und sich die<br />
Anstrengung lohnt (vgl. Kaluza 2003, S.352). Er hebt auf Grundlage<br />
dieser Ergebnisse die Dichotomie zwischen den Zuständen<br />
„krank“ und „gesund“ auf und postuliert stattdessen ein Kontinuum,<br />
dessen Endpunkte Krankheit und Gesundheit sind (Health<br />
- Ease - Disease – Continuum) (vgl. Dlugosch 1994, S.101ff). Das<br />
Konzept der Salutogenese ist dem der Resilienzforschung sehr<br />
ähnlich, jedoch werden unterschiedliche Akzente gesetzt: In der<br />
Salutogenese geht es darum, Schutzfaktoren zur Erhaltung der<br />
Gesundheit zu identifizieren, in der Resilienzforschung geht es<br />
im Wesentlichen um den Prozess der positiven Anpassung und<br />
Bewältigung schwieriger Situationen – unter Rückgriff auf Schutz-<br />
bzw. Resilienzfaktoren (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse<br />
2009, S.13f).<br />
Resilienz als Kompetenz<br />
In der Gesundheitspsychologie wurde lange davon ausgegangen,<br />
dass Resilienz eine stabile Persönlichkeitseigenschaft ist. Es wurden<br />
zunächst Typenmodelle entwickelt, mit dem Ziel, einen konkreten<br />
Typus resilienter Personen zu finden. In den 70er Jahren<br />
des letzten Jahrhunderts ergaben Untersuchungen ein Resilienzkonzept,<br />
welches dynamisch und veränderbar ist. Resilienz ist<br />
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demnach keine angeborene Fähigkeit sondern eine Kompetenz,<br />
die sich in der Interaktion von Person und Umwelt entwickelt (vgl.<br />
Kormann 2007, S.38). Der Mensch wird als aktiver Gestalter seines<br />
eigenen Lebens und seiner Umwelt verstanden. Dies schließt ein,<br />
dass ein Mangel an resilienten Verhaltensweisen nicht allein ein<br />
persönliches Defizit ist, sondern mehrdimensionale Ursachen in<br />
Person und Umwelt hat. In der aktuellen Forschung ist nicht mehr<br />
von DER Resilienz die Rede, sondern von bereichsspezifischen<br />
Resilienzen, wie z.B. emotionale Resilienz (vgl. Fröhlich-Gildhoff<br />
& Rönnau-Böse 2009, S.11).<br />
Resilienzforschung im deutschsprachigen Raum<br />
Als erste deutsche Resilienzstudie, die es sich zur Aufgabe gemacht<br />
hat, die psychische Widerstandskraft unter dem Einfluss<br />
erheblicher Entwicklungsrisiken zu untersuchen, kann die „Bielefelder<br />
Invulnerabilitätsstudie“ von Lösel et al. (1990/2008) gelten.<br />
Diese ist wegbereitend für die deutsche Forschungsbewegung<br />
und soll daher im Folgenden exemplarisch vorgestellt werden. Es<br />
wurden insgesamt 146 Kinder und Jugendliche untersucht, die in<br />
Heimen aufgewachsen sind und einer Vielzahl von Entwicklungsrisiken<br />
ausgesetzt waren, z.B. Gewalt und Suchtproblematiken<br />
im Elternhaus, Armut (vgl. Kormann 2007, S.46). Diese wurden<br />
anhand von Fallkonferenzen, Erzieherberichten, Selbsteinschätzungen<br />
und einem Risikoindex untersucht und in zwei Gruppen<br />
unterteilt. Es kristallisierte sich somit eine Gruppe von 66 Jugendlichen<br />
im Alter von 14 bis 17 Jahren heraus, die sich trotz aller<br />
Widrigkeiten positiv entwickelten. Die Kontrollgruppe stellten 80<br />
Jugendliche, die unter den gleichen Bedingungen erhebliche Verhaltensprobleme<br />
zeigten. Die Untersuchung umspannte dabei folgende<br />
Themen: die biografische Belastungen, Problemverhalten,<br />
sowie personale (internale) und soziale Ressourcen, die mittels<br />
Interviews und Fragebögen erfasst wurden (vgl. Fröhlich-Gildhoff<br />
& Rönnau-Böse 2009, S.16f). Neben den objektiven Bedingungen<br />
wurde auch die subjektiv erlebte Belastungssituation erhoben.<br />
Die wichtigsten protektiven Faktoren, die in dieser Studie herausgestellt<br />
wurden, sind unter anderem: ein weniger impulsives<br />
Temperament der resilienten Jugendlichen, Verfügung über eine<br />
realistische Zukunftsperspektive, aktives Bewältigungsverhalten<br />
und Vertrauen in die eigenen Stärken. Zudem haben sie alle<br />
mindestens eine feste Bezugsperson – diese soziale Ressource<br />
scheint unerlässlich für die Entstehung von Resilienz (vgl. Kormann<br />
2007, S.46f). Die Ergebnisse der Studie decken sich zudem<br />
mit internationalen Forschungsergebnissen, z.B. aus der Kauai-<br />
Studie von Werner und Smith, die als Pionierstudie der Resilien-<br />
Rahmenmodell von Resilienz<br />
Stressor<br />
Umweltbedingungen<br />
Risikofaktoren<br />
Familie, Peers,<br />
Soziales Umfeld,<br />
gesellsch. Kontext<br />
Schutzfaktoren<br />
Transaktionale<br />
Prozesse zwischen<br />
Person und Umwelt<br />
Motivation/<br />
Glaube<br />
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zforschung gelten kann. Es scheint sich in der Forschung zu bestätigen,<br />
dass es einen über alle kulturellen Differenzen hinweg<br />
wirksamen Pool an Schutzfaktoren gibt (vgl. Fröhlich-Gildhoff &<br />
Rönnau-Böse 2009, S.15ff).<br />
Resilienzmodelle<br />
Sprechen wir in der Resilienzforschung über die Bedingungen der<br />
positiven Bewältigung von Risikolagen, so bewegen wir uns theoretisch<br />
im Bereich von Risiko- und Schutzfaktoren bzw. deren Zusammenspiel<br />
in spezifischen Situationen. Im Folgenden soll daher<br />
das Risiko- und Schutzfaktorenmodell skizziert werden, da dieses<br />
aktuell in der Forschung gut etabliert ist. Unter Risikofaktoren<br />
werden Phänomene verstanden, die eine potentiell entwicklungsgefährdende<br />
Wirkung entfalten können, beispielsweise Armut,<br />
schlechte Wohnverhältnisse, Komplikationen bei der Geburt etc.<br />
Dabei ist jedoch zu beachten, dass ein Risikofaktor nicht zwangsläufig<br />
eine hemmende Wirkung auf die gesunde Entwicklung hat.<br />
Vor allem die Häufung von Belastungen kann eine solche Wirkung<br />
entfalten, insbesondere in Phasen erhöhter Verletzlichkeit (Vulnerabilität),<br />
allen voran die Phasen des Übergangs im Lebensverlauf,<br />
wie der Schuleintritt, Übergang in den Beruf oder während<br />
der Bearbeitung typischer unumgänglicher Entwicklungsaufgaben<br />
(z.B. Pubertät). Der Mensch verfügt über eine Reihe förderlicher<br />
Ressourcen, wie z.B. ein stabiles Netzwerk, Vertrauen in die<br />
eigenen Fähigkeiten, deren Ausformung und Stärke individuell<br />
variiert. Diese können im Fall des Auftretens einer Risikolage als<br />
Schutzfaktoren fungieren, sie schwächen die Wirkung der negativen<br />
Ereignisse ab und befördern eine positive Entwicklung. Um<br />
tatsächlich von einem Schutzfaktor sprechen zu können, muss<br />
außerdem gewährleistet sein, dass dieser bereits zeitlich vor dem<br />
risikoerhöhenden Ereignis vorhanden ist (vgl. Fröhlich-Gildhoff &<br />
Rönnau-Böse 2009, S.20ff).<br />
Im Zuge der Resilienzforschung sind zahlreiche Modelle entstanden,<br />
die im wesentlichen drei Forschungsansätzen zugeordnet<br />
werden können: dem variablenbezogener Ansatz (Zusammenspiel<br />
von Risiko- und Schutzfaktoren), dem personenbezogener Ansatz<br />
(unterschiedliche Entwicklungsverläufe im Hinblick auf Schutz-<br />
und Risikofaktoren) und dem entwicklungspfadbezogenen Ansatz<br />
(resiliente Entwicklungsverläufe unter verstärkter Einbeziehung<br />
des zeitlichen Verlaufs, vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse,<br />
S.36). Kumpfer (1999) integrierte den personen- und den entwicklungspfadzentrierten<br />
Ansatz in ein Rahmenmodell der Resilienz,<br />
dieses wurde auch von Wustmann 2004 wieder aufgegriffen:<br />
Personale Ressourcen<br />
Resilienzfaktoren<br />
Kognitive<br />
Fähigkeiten<br />
soziale<br />
Kompetenzen<br />
Emotionale<br />
Stabilität<br />
Körperliche<br />
Gesundheits-<br />
Ressourcen<br />
Resilienzprozess und<br />
Anpassungsmechanismen<br />
Positives<br />
Enwicklungsergebnis<br />
Anpassung/<br />
Fehlanpassung<br />
Negatives<br />
Enwicklungsergebnis<br />
Quelle: Abbildung in: Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, S.38<br />
5
6<br />
Es lassen sich im obigen Modell die Einflussbereiche akuter<br />
Stressor, Umweltbedingungen, personale Merkmale sowie das<br />
Entwicklungsergebnis unterscheiden. Hinzu treten die beiden<br />
Transaktionsprozesse „Zusammenspiel von Person und Umwelt“<br />
und „Zusammenspiel von Person und Entwicklungsergebnis“. Die<br />
Stressoren treffen auf eine bestimmte Umwelt, welche eine spezifische<br />
Zusammensetzung von Risiko- und Schutzfaktoren beinhaltet.<br />
Die Person ist nun veranlasst, sich mit diesen neuen<br />
Stressoren in irgendeiner Weise auseinanderzusetzen. An dieser<br />
Stelle, während des Zusammenwirkens von Person und Umwelt,<br />
erlangen die Resilienzfaktoren Bedeutung. In Folge dieser Auseinandersetzung<br />
ergibt sich eine spezifische Anpassung an die<br />
veränderten Bedingungen, dabei kommt es entweder zur Bewältigung<br />
und somit zu einem positiven Entwicklungsergebnis oder<br />
zur Nichtbewältigung und somit zu einem negativen Resultat (vgl.<br />
Fröhlich-Gildhoff, Rönnau-Böse 2009, S.36f). Es ist davon auszugehen,<br />
dass sich die Schutz- und Risikofaktoren gegenseitig<br />
beeinflussen und in Wechselwirkung miteinander stehen.<br />
Damit einhergehend und durch Ergebnisse aus Entwicklungspsychologie<br />
und Entwicklungspathologie gestützt, ist der Einfluss<br />
der Umwelt, der Lebenssituation entscheidend – denn erst unter<br />
Berücksichtigung der konkreten Situation ist absehbar, was als<br />
Risiko- und was als Schutzfaktor gelten kann (vgl. Fröhlich-Gildhoff<br />
& Rönnau-Böse 2009, S.30ff). Die enge Fokussierung auf die<br />
Identifikation von Schutz- und Risikofaktoren in der menschlichen<br />
Entwicklung musste der Frage nach den dahinter liegenden Wirkmechanismen<br />
weichen, es geht heute darum, die Komplexität der<br />
wechselseitigen Beeinflussung der einzelnen Faktoren zu ergründen<br />
und der Differenzialität und Einzigartigkeit von Entwicklungsverläufen<br />
auf die Spur zu kommen. Nur so können auch exakter<br />
die Bedingungen benannt werden, die eine positive Entwicklung<br />
begünstigen (vgl. Kormann 2007, S.39). Erst durch diese differenzierte<br />
Betrachtung lässt sich eine Bilanz ziehen, und ein Entwicklungsverlauf<br />
prognostizieren – jedoch steht die Forschung hier<br />
vor einer Herausforderung: kein aktuell verfügbares Messinstrument<br />
vermag dies zu leisten, keines kann alle Faktoren erfassen<br />
(vgl. Petermann & Schmidt 2006, S.124).<br />
Resilienzfaktoren<br />
Nach einer umfangreichen Literaturrecherche fasst Wustmann<br />
2004 in ihrem Werk „Resilienz. Widerstandsfähigkeit von Kindern<br />
in Tageseinrichtungen fördern“ die wichtigsten und empirisch am<br />
besten nachgewiesenen Resilienzfaktoren zusammen. Die sechs<br />
bedeutendsten Resilienz- bzw. Schutzfaktoren werden im Folgenden<br />
kurz umrissen.<br />
Der Faktor Selbstwahrnehmung hat eine hohe protektive Wirkung,<br />
er ist zugleich einer der am besten abgesicherten Faktoren. Die<br />
Selbstwahrnehmung umfasst das Selbstkonzept, die Selbstwahrnehmung<br />
im engeren Sinn sowie die Selbstreflexivität. Das Selbstkonzept<br />
ist aus entwicklungspsychologischer Sicht im Wesentlichen<br />
die innere handlungsleitende Instanz einer Person, diese ist<br />
dynamisch und veränderlich, sie speist sich aus Erfahrungen mit<br />
der Außenwelt und bestimmt, wie wir der Außenwelt entgegen<br />
treten. In den Bereich der Selbstwahrnehmung fällt die Selbstbeobachtung<br />
und die Sensibilisierung für die eigenen (emotionalen,<br />
gedanklichen, körperlichen) Zustände. Bei der Selbstreflexivität<br />
geht es schließlich darum, auch die Befindlichkeiten anderer adäquat<br />
wahrnehmen zu können, sich zu diesen in Beziehung zu<br />
setzen und auch deren Wahrnehmung zu berücksichtigen.<br />
Neben der Selbstwahrnehmung konnte auch für die Selbstregulation<br />
in vielen Studien die protektive Wirksamkeit nachgewiesen<br />
werden. Sie umfasst die Steuerungsprozesse des Menschen, die<br />
eigenen inneren Zustände betreffend. Dies meint, dass Menschen<br />
in der Lage sind, Emotionen und Spannungszustände herzustellen,<br />
aufrechtzuerhalten, kontrollieren und die damit verbundenen<br />
Verhaltensweisen regulieren zu können. Eng mit den ersten<br />
beiden Faktoren in Verbindung steht die Selbstwirksamkeit als<br />
ein weiterer bedeutender Faktor der Resilienz. Der Mensch entwickelt,<br />
geprägt von den Erfahrungen die er macht, bestimmte<br />
Erwartungen, die Effekte seiner Handlungen betreffend. Je nachdem,<br />
ob er sich viel zutraut oder wenig, geht er an eine Situation<br />
heran. Die Selbstwirksamkeitserwartungen bestimmen demnach<br />
das Handeln vor. Oftmals kommt es so auch zu einer Bestätigung<br />
der Erwartungen („selbsterfüllende Prophezeiung“). Merkmal re-<br />
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silienter Personen ist demzufolge eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung:<br />
Sie sind überzeugt, mittels der ihnen zur Verfügung<br />
stehenden Ressourcen die Situation bewältigen zu können. Eine<br />
hohe soziale Kompetenz lässt sich ebenfalls als wirksamer Resilienzfaktor<br />
identifizieren. Wesentliches Merkmal sozialer Kompetenz<br />
sind Empathie und emotionale Kompetenz, dies umfasst zum<br />
einen das angemessene Erfassen und Ausdrücken der eigenen<br />
Gefühle, sowie zum anderen die adäquate Einfühlung in andere<br />
Personen (vgl. Fröhlich-Gildhoff, Rönnau-Böse 2009, S.42ff).<br />
Es ist die „[…] Verfügbarkeit und angemessene Anwendung von<br />
Verhaltensweisen (motorischen, kognitiven, und emotionalen) zur<br />
Auseinandersetzung mit konkreten Lebenssituationen, die für<br />
das Individuum und oder seine Umwelt relevant sind“ (Fröhlich-<br />
Gildhoff, Rönnau-Böse 2009, S.49. Zitiert nach: Sommer (1977):<br />
Gemeindepsychologie. Therapie und Prävention in der sozialen<br />
Umwelt, S.75). Zu diesen vier Faktoren treten fünftens ein guter<br />
Umgang mit Stressphänomenen und sechstens eine gut ausgeprägte<br />
Problemlösekompetenz. Stress umfasst Ereignisse, die die<br />
Anpassungsfähigkeit einer Person oder eines Systems herausfordern.<br />
Nach Faltermaier (2005) können drei Stressfaktoren unterschieden<br />
werden, Entwicklungsaufgaben (z.B. Übergang Schule<br />
- Beruf), kritische Lebensereignisse (z.B. Scheidung) und alltägliche<br />
Belastung (z.B. Arbeit und Familie). Ob und wie stressig<br />
eine Situation empfunden wird, ist höchst subjektiv und wird von<br />
jeder Person anders bewertet – stets vor dem Hintergrund der eigenen<br />
Ressourcen und den gemachten Erfahrungen. Merkmal resilienter<br />
Personen ist demzufolge das Erkennen und Einschätzen<br />
einer Stresssituation in Hinblick auf deren Bewältigbarkeit. Desweiteren<br />
verfügen sie über Bewältigungsmechanismen und wissen,<br />
wo sie Hilfe bekommen können. Die Problemlösekompetenz<br />
wird immer dann benötigt, wenn schwierige, neue Sachverhalte<br />
auftauchen, die bewältigt werden müssen. Hierbei durchdringt<br />
der kompetente Mensch den Sachverhalt genau, greift auf sein<br />
vorhandenes Wissen zurück und entwickelt erfolgreiche Handlungsstrategien.<br />
Im Zuge der positiven Problemlösung entstehen<br />
so allgemeine kognitive, bereichsübergreifende Kompetenzen<br />
(vgl. Fröhlich-Gildhoff, Rönnau-Böse 2009, S.52f).<br />
Neue Herausforderungen für die Resilienzforschung und<br />
abschließende Bemerkungen<br />
Das Konzept der Resilienz wurde vor allem in der Pädagogik und<br />
der sozialen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, vornehmlich im<br />
Bereich der Prävention adaptiert und nutzbar gemacht. Es geht<br />
bei den Präventionsmaßnahmen im Bereich der Resilienzförderung<br />
um zwei wesentliche Ziele: Zum einen die Verminderung von<br />
Risikoeinflüssen und zum anderen die Stärkung der Schutzfaktoren<br />
(vgl. Kormann 2007, S. 51). Mit ihrer Schwerpunktsetzung auf<br />
individuelle Entwicklungsverläufe konnte die aktuelle Resilienzforschung<br />
den Fokus darauf lenken, dass viele Wege zum Ziel der<br />
Bewältigung schwieriger Lebenssituationen führen (Multifinalität).<br />
Verschiedene Mechanismen können also situationsspezifisch<br />
Linderung verschaffen – dies eröffnet neue und breite Wege für<br />
die Prävention und Intervention (vgl. Ungar 2011, S.169f).<br />
Neben den richtungsweisenden Errungenschaften der Resilienzforschung<br />
gibt es auch offene Herausforderungen, die sich im<br />
wissenschaftlichen Diskurs herausgestellt haben und derer sich<br />
die Erforschung und theoretische Weiterentwicklung des Konzepts<br />
stellen muss. Zwei wesentliche Punkte seien hier abschließend<br />
in aller Kürze aufgeführt. Erstens herrscht noch immer Unklarheit<br />
über die genaue Definition von Resilienz vor allem in<br />
Abgrenzung zu ähnlichen Konzepten, z.B. ressourcenorientierte<br />
Ansätze der sozialen Arbeit (vgl. Wieland 2011, S.183f). Offen<br />
ist zudem die Erforschung des konkreten Zusammenwirkens der<br />
Risiko- und Schutzfaktoren, dies ist eine Aufgabe, der sich die<br />
neuere Forschung bereits annimmt, es wird versucht, umfangreiche<br />
Konzepte zu entwickeln und für die empirische Überprüfung<br />
aufzuarbeiten. Zum zweiten handelt es sich bei der Resilienz um<br />
ein psychosoziales Phänomen, das zwangsläufig eine Bewertung<br />
nach sich zieht, diese kann jedoch äußerst unterschiedlich ausfallen:<br />
Was aus subjektiver Sicht Linderung verschafft und die<br />
Interessen des Handelnden wahrt, kann den Interessen anderer<br />
zuwiderlaufen, dies birgt Konfliktpotential. Wie soll ein solches<br />
Verhalten angemessen beurteilt werden, sichert es doch zum einen<br />
die Überzeugung der Kontrollierbarkeit des eigenen Lebens,<br />
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was ihm einen enormen ethischen Wert einbringt, wenn es gleichzeitig<br />
sozial unverträglich ist, von der Norm abweicht und anderen<br />
schadet (vgl. Wieland 2011, S.195)? Dahinter verbirgt sich<br />
auch die Frage, nach den gesetzten Normen selbst, denn mit den<br />
getroffenen Normalitätsannahmen werden regelmäßig beispielsweise<br />
geschlechtsspezifische oder kulturspezifische Annahmen<br />
verbunden, die wiederum einen Schweif normativer Setzungen<br />
mitbringen, darüber, was angemessen ist und was nicht, ohne<br />
selbst hinterfragt zu werden (vgl. Freyberg 2011, S.223). ■<br />
Literatur<br />
Dlugosch, Gabriele E. (1994): Modelle in der Gesundheitspsychologie.7.1 Das Modell<br />
der Salutogenese von Antonovsky. In: Schwenkmezger, Peter/ Schmidt, Lothar R.<br />
(Hrsg.): Lehrbuch der Gesundheitspsychologie. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag: F<br />
S.101 – 103.<br />
Freyberg, Thomas von (2011): Resilienz – mehr als ein problematisches Modewort? In:<br />
Zander, Margherita (Hrsg.): Handbuch Resilienzförderung. Wiesbaden: VS Verlag für<br />
Sozialwissenschaften, S.219 – 239.<br />
Fröhlich-Gildhoff, Klaus/ Rönnau-Böse, Maike (2009): Resilienz. München: Ernst Reinhardt<br />
Verlag.<br />
Kaluza, Gert (2003): Stress. In: Jerusalem, Matthias/ Weber, Hannelore<br />
(Hrsg.):Psychologische Gesundheitsförderung. Diagnostik und Prävention. Göttingen:<br />
Hogrefe Verlag für Psychologie, S.339 – 362.<br />
Kormann, Georg (2007): Resilienz – Was Kinder stärkt und in ihrer Entwicklung<br />
unterstützt. In: Plieninger M. u. Schumacher E. (Hrsg.): Auf den Anfang kommt es an<br />
– Bildung und Erziehung im Kindergarten und im Übergang zur Grundschule. Gmünder<br />
Hochschulreihe Nr. 27, S. 37 – 56.<br />
Petermann, Franz/ Schmidt, Martin H. (2006): Ressourcen – ein Grundbegriff der<br />
Entwicklungspsychologie und Entwicklungspathologie? In: Kindheit und Entwicklung 15<br />
(2). Göttingen: Hogrefe Verlag, S.118 – 127.<br />
Ungar, Michael(2011): Theorie in die Tat umsetzen. Fünf Prinzipien der Intervention. In:<br />
Zander, Margherita (Hrsg.): Handbuch Resilienzförderung. Wiesbaden: VS Verlag für<br />
Sozialwissenschaften, S.157 – 178.<br />
Wieland, Norbert (2011): Resilienz und Resilienzförderung – eine begriffliche Systematisierung.<br />
In: Zander, Margherita (Hrsg.): Handbuch Resilienzförderung. Wiesbaden: VS<br />
Verlag für Sozialwissenschaften, S.180 – 207.<br />
7
8<br />
Resilienz<br />
Resilienzförderung durch kreative Therapien Sabine Karczewski<br />
„Ich habe getanzt, wenn ich traurig war über den Tod eines anderen<br />
Menschen, der mir etwas bedeutete, oder wenn ich meine fast<br />
unerträgliche Freude beim Triumph eines anderen über den Tod<br />
zum Ausdruck gebracht habe. Ganz gleich, was geschah, ich habe<br />
es nie versäumt, zum Tanz zurückzukehren, um meinen Lebenswillen<br />
zu stärken. Das ist die wichtigste Lektion, die ich Menschen<br />
übermitteln kann: Tanzt und erneuert eure Lebenskraft.“<br />
(Halprin, S. 36, 2000)<br />
Resilienz ist keine angeborene Fähigkeit. Faktoren, welche die Widerstandskraft<br />
begünstigen, können gefördert werden und eine<br />
Ressource bilden. Der Körper ist die am einfachsten greifbare<br />
Ressource, um die Persönlichkeit zu stabilisieren. Pädagogische<br />
und therapeutische Verfahren, die das bewusste Erleben von<br />
Körperwahrnehmungen und Sinnesempfindungen in das Setting<br />
mit einbeziehen und die emotionale Verankerungsmöglichkeit im<br />
Körper durch kreativ-künstlerische Methoden nutzen, begünstigen<br />
die Integration von Körper, Gedanken und Gefühlen. Eine<br />
integrierte Persönlichkeit kann in Krisenzeiten flexibler reagieren,<br />
verfügt über unterschiedliche Strategien, Kompetenzen und mehr<br />
seelische Widerstandskraft. Im Folgenden werden zunächst allgemein<br />
die künstlerischen Therapieansätze vorgestellt. Einige bedeutsame<br />
Aspekte des Resilienzkonzeptes werden danach näher<br />
betrachtet: Kreativität, Lösungswege, Lebenskraft, Prävention,<br />
Nachreifung und „die Heilkraft der Freude“.<br />
Künstlerische Therapien heute<br />
Zu den künstlerischen Therapien zählen heute die Musiktherapie,<br />
Kunsttherapie (Malerei, Skulptur, Plastik), die Tanz- und<br />
Ausdruckstherapie, die Bewegungstherapien (z.B. konzentrative<br />
Bewegungstherapie, Heil-Eurythmie, integrative Bewegungstherapie),<br />
die Theater- und Dramatherapie, die Gestaltthera-<br />
pie, Sandspieltherapien und Puppenspieltherapien, Atem- und<br />
Leibtherapien (zum Beispiel Eutonie, Heilsingen, Sprechtherapie<br />
nach Schlaffhorst/Andersen und Ilse Middendorf), Poesie und<br />
Worttherapien (zum Beispiel Schreibtherapie).<br />
Grundsätzlich sind die Ziele individuell abzuklären, aber im Allgemeinen<br />
streben die kreativ-künstlerischen Therapien folgende<br />
Ziele an:<br />
• Linderung einer Krankheit und Ingangsetzung eines Heil-<br />
prozesses<br />
• Stärkung der Resilienz, der Ressourcen und Selbstheilungs-<br />
kräfte<br />
• Förderung der Selbst- und Fremdwahrnehmung<br />
• Erkennen, überwinden, vermindern oder akzeptieren von<br />
emotionalen, sozialen, kognitiven oder psychomotorischen<br />
Problemen<br />
• Erweiterung des Verhaltensrepertoires im Sinne der Nachrei-<br />
fung des Ichs;<br />
• Bearbeitung von emotionalen Erlebnisinhalten, innerpsychi-<br />
schen Konflikten und strukturellen Defiziten<br />
• Erwerb neuer Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung und<br />
der Handlungskompetenz; Stärkung der Eigenverantwortung<br />
• Befähigung zur Umsetzung individueller Bedürfnisse im Ein-<br />
klang mit sozialer Kompetenz verwirklichen zu können<br />
Kreativ-künstlerische Therapeuten gehen nicht nach einem fixen<br />
Schema vor, sondern stellen sich im Sinne der Klientenzentrierung<br />
individuell auf die Problematik und die Persönlichkeit des<br />
Klienten ein. Der Therapeut sollte daher ein hohes Maß an fachlich<br />
gestützter Flexibilität besitzen. Der Therapeut nutzt neben<br />
der Sprache, insbesondere das künstlerische „Medium“, um mit<br />
dem Klienten zu kommunizieren. Dieses Medium kann die Musik,<br />
der Tanz, das Malen oder das dramatische Rollenspiel sein. In der<br />
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kreativen Therapie wird das Medium eingesetzt, um Gefühle, Gedanken<br />
und Handlungsweisen auszudrücken und zu bearbeiten.<br />
Diese akzeptierende, beobachtende und wertfrei teilnehmende<br />
Grundhaltung kommt dem buddhistischen Ansatz und dem der<br />
positiven Psychotherapie sehr nahe. Diese Ansätze fordern, so<br />
Christiane Müller: „... das Ganze aus einer anderen Perspektive<br />
anzuschauen. Eine Haltung von Güte und Wohlwollen zu entwickeln.<br />
Fragen zu stellen, wie Ressourcen und Stärken entdeckt<br />
und eingesetzt werden können. Hierzu kann das Malen, wie jedes<br />
andere künstlerische Schaffen genutzt werden, und es hat etwas<br />
Tröstliches.“ (Müller, S.259, 2007)<br />
Abgestimmt auf das Störungsbild des Klienten und die Zielsetzung<br />
können die eingesetzten Methoden einen strukturierenden,<br />
lindernden, konfrontierenden und verarbeitenden Charakter haben.<br />
Improvisation und Gestaltung mit Hilfe des entsprechenden<br />
Mediums nehmen einen großen Raum in der Therapie ein.<br />
Übungsstrukturen geben hierbei dem Klienten Halt und Sicherheit<br />
und ermöglichen das gezielte Arbeiten an einzelnen Themen<br />
(z.B. Loslassen, Abgrenzung, Umgang mit Aggression, Durchleben<br />
eines Trauerprozesses). Der therapeutische Prozess und die<br />
therapeutische Beziehung innerhalb der künstlerischen Therapien<br />
seien in der Psychotherapieforschung inzwischen hinreichend beschrieben,<br />
so schreibt Petersen im Ärzteblatt im Jahr 2000. Eine<br />
Aufgabe der Zukunft sei es jedoch, die passenden spezifischen<br />
Kriterien für die Wissenschaftlichkeit der künstlerischen Therapie<br />
weiter zu entwickeln.<br />
Kreativität und die Erarbeitung von Lösungswegen<br />
Kreativität und Resilienz sind eng miteinander verbunden. Kreativität<br />
– als wesentlicher Teil unseres Menschseins – ist so grundlegend<br />
wie Laufen, Gehen, Sprechen, Fühlen und Denken. In jedem<br />
Menschen schlummert dieser Keim, der beim Kind durch eine reiche<br />
Vorstellungswelt erlebt wird. Der Übergang in die Phase, in<br />
der dem Kind eine objektivere Wahrnehmung möglich wird, „...<br />
ist mehr als nur Sache eines natürlichen oder angeborenen Reifungsprozesses;<br />
zusätzlich ist ein Mindestmaß an entwicklungsfördernden<br />
Voraussetzungen von Seiten der Umwelt erforderlich.<br />
Dies gehört zum Thema der Entwicklung des Menschen von der<br />
Abhängigkeit zur Unabhängigkeit.“(Winnicott, S. 170, 2010) Die<br />
Beschäftigung mit Teddybär und Kissenzipfel als Übergangsobjekt,<br />
sei der erste Schritt zur Entwicklung dessen, was man das<br />
Kreative nenne. So entstünden kulturelle, schöpferische, erfinderische<br />
Fähigkeiten des Menschen letztlich in einem engen Zusammenhang<br />
„mit jenem kleinen fetischartigem Gegenstand in der<br />
Kindheit“. (Winnicott, vgl. S.196, 2010) Es ist diese Kreativität,<br />
die später in extremen Belastungssituationen unabdingbar ist.<br />
Krisensituationen erfordern kreative Ideen und Lösungen. Die<br />
Fähigkeit, entspannt zu bleiben und neu zu vertrauen, ist dann<br />
ebenso gefragt, wie das Loslassen von fixierten Gedankenmustern<br />
und möglichen Opferhaltungen. Auch die Verarbeitung von<br />
unangenehmen Emotionen, die Wahrnehmung von Möglichkeiten,<br />
sowie die Entwicklung neuen Mutes und neuer Sinnausrichtung<br />
können mithilfe kreativer Grundfertigkeiten besser gelingen.<br />
Die kreativen Therapien können mit ihren Methoden den von einer<br />
Krise Betroffenen unterstützen, diese und andere Resilienz-<br />
Kompetenzen zu fördern. Die schöpferischen Anlagen des belasteten<br />
Klienten bekommen Raum und Zeit, Material, strukturelle<br />
und empathische Begleitung, um als Kräfte (wieder) spürbar zu<br />
werden, die lebenswerte ressourcenorientierte Wege sichtbar<br />
werden lassen. Musikalische, tänzerische oder bildnerisches Explorieren<br />
und Gestalten und imaginative Tätigkeit sind Ausdruck<br />
dieser kreativ-schöpferischen Quelle. Der gestalterische Prozess<br />
erleichtert den Zugang zu heilsamen inneren Bildern. Stabilisierende<br />
Übungsstrukturen und Imaginationen und stabilisierendes<br />
kreatives Gestalten mit Elementen der Achtsamkeitsarbeit werden<br />
als wertvolle Unterstützung zur Affekt- und Dissoziationskontrolle.<br />
Die Arbeit mit dem kreativen Medium Tanz, Musik, Gesang,<br />
Poesie oder bildnerische Gestaltung führt durch die Erfahrungen<br />
von Leid und erarbeitet durch die transformierende, heilsame<br />
Kraft von Symbolen adäquate innere Haltungen und überlebensnotwendige<br />
Strategien der Bewältigung. Der verletzte Anteil der<br />
Persönlichkeit darf sich über die Sprache der Kunst artikulieren<br />
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und kann neue oder alt bewährte Handlungsmöglichkeiten künstlerisch<br />
erproben. (Timmermann, 1994) Nicht zuletzt steht die<br />
Sinnfindung und möglicherweise eine geistige Neuausrichtung<br />
ebenso als herausfordernde Aufgabe an. Dazu Winnicott (S.84,<br />
2010): „Wir beobachten, dass Menschen entweder kreativ leben<br />
und das Leben für lebenswert halten, oder dass sie es nicht kreativ<br />
leben können und seinen Wert anzweifeln.“<br />
Künstlerischer Ausdruck als Bestärkung der Lebenskraft<br />
In der Resilienzförderung haben die Therapeuten die Aufgabe,<br />
Klienten aller Altersgruppen sicher durch eine ihnen unbekannte,<br />
möglicherweise beängstigende Landschaft zu geleiten oder sie<br />
auf eine Begegnung mit einer solchen vorzubereiten; auf dass sie<br />
die nötigen Kompetenzen und Widerstandskräfte zum Meistern<br />
kommender Herausforderungen oder möglicher Krisen erwirbt.<br />
Dazu ein Beispiel aus der Tanztherapie: Die amerikanische Tänzerin<br />
und Autorin Anna Halprin hat durch ihre eigene schmerzlich<br />
durchlebte Krebserkrankung leib-haftig erfahren, dass eine<br />
bewusste Beziehung zum Immunsystem seine Stärke positiv beeinflusst.<br />
Halprin hat die Wirkungsweise des Tanzes in der Tiefe<br />
erforscht und ihre tanztherapeutische Lehrmethoden dahingehend<br />
erweitert. Sie zitiert den Anthropologen Kurt Sachs: „Tanz<br />
ist die Mutter der Künste“ (Halprin S.33/34; 2000). Im Tanz seien<br />
alle anderen Künste enthalten. Alle Menschen seien Künstler und<br />
brauchten keine jahrelange Spezialausbildung, um Tanzkünstler<br />
zu werden. Anna Halprin‘s künstlerische Methoden schließen neben<br />
dem Tanz, die bildnerische Gestaltung, die Elemente, Visualisierungen,<br />
das Gebet, die Poesie und das Gespräch mit ein. Diese<br />
intermediale Arbeit ist Teil ihres Konzeptes, das sie den Life Art<br />
Prozess nennt. Der Film „Breath made visible“ (2010) macht dokumentarisch<br />
sichtbar, mit welchem Engagement und innerer Überzeugung<br />
sie den Tanz und die Künste als natürliche Kraft- und<br />
Lebensquelle für möglichst viele Menschen schon geöffnet hat.<br />
Sie schreibt in ihrem Buch „Tanz, Ausdruck und Heilung“: „Worte<br />
bezeichnen, was wir bereits wissen; ausdrucksvolle Bewegungen<br />
offenbaren das Unbekannte. Empfindungen, Gefühle, Emotionen<br />
und Bilder, die lange in unserem Körper verborgen waren, treten<br />
durch Bewegung zutage. Dabei können wir auch alte Muster, Gewohnheiten<br />
und destruktive Überzeugungssysteme verändern.“<br />
(Halprin, S.34, 2000)<br />
9
10<br />
Tanz als Präventivangebot und therapeutische Nachreifung<br />
Rudolf von Laban (1879-1958) erforschte die physiologischen und<br />
psychologischen Gesetze menschlicher Bewegung und legte das<br />
Fundament zu wissenschaftlicher Bewegungsbeobachtung und<br />
-analyse; zusammen mit der von ihm begründeten kinetographischen<br />
Tanz- und Bewegungsschrift (Labannotation), Arbeitsgrundlage<br />
für zahlreiche Tanzpädagogen, Tanztherapeuten und<br />
Fachleute weltweit. Laban beschrieb die Grundlagen und Wirkungsweise<br />
einer freien Tanztechnik in seinem Buch „Der Moderne<br />
Ausdruckstanz“ 2001. Die elementaren Antriebsaktionen<br />
befänden sich auch in jeder Form von seelischem oder intellektuellem<br />
Ausdruck und die Projektion eines Impulses könne Aufschluss<br />
über einen inneren Zustand geben. (Laban vgl. S. 69,<br />
2001) Er schreibt:„Manche Menschen haben vielleicht einige der<br />
hier beschriebenen Bewegungsantriebe nie selbst körperlich oder<br />
geistig erfahren. Für sie wird es von Vorteil sein, ihr Verständnis<br />
und Erfassen von Bewegungen auf ein größeres Gebiet auszudehnen,<br />
um auf diese Weise auch menschliches Handeln besser<br />
begreifen und nachempfinden zu können, das von solchen<br />
Bewegungsimpulsen ausgelöst wird.“ (S.69) Laban erläutert, als<br />
Schwerpunkt der tänzerischen Ausdrucksschulung gehe es darum,<br />
das Kind zu lehren zu leben, sich zu bewegen und in den<br />
verschiedenen Medien auszudrücken, die sein Leben bestimmen.<br />
Als wichtigstes Medium beschreibt er den eigenen Bewegungs-<br />
fluss. Sei das Kind im „Fluss“, dann befinde es sich in völliger<br />
Harmonie mit allen Bewegungsfaktoren und könne „sich geistig,<br />
seelisch und körperlich mühelos im Leben zurechtfinden.“<br />
(Laban S.36, 2001) Bezogen auf die Förderung von Resilienz hat<br />
Laban hiermit eine konkret umsetzbare methodische Grundlage<br />
geschaffen, deren Einsatz präventiv pädagogisch eingesetzt bereits<br />
im Kindesalter sinnvoll erscheint. Auch für Heranwachsende<br />
und Erwachsene kann das Integrieren eines umfangreichen Ausdrucksrepertoires<br />
und das Herstellen des heute als „Flow“ (Bertolaso,<br />
vgl. S. 84 ff, 2009) bezeichneten Zustandes eine Quelle<br />
der Regeneration und Ich-stärkenden Zentrierung sein. Für therapeutische<br />
Zwecke wurden tiefenpsychologische Theorien von<br />
Anna Freud (1965), Winnicott (1965), Erickson (1950), Spitz (1959)<br />
und Mahler (1980) mit den Erkenntnissen von Stern (1965) und<br />
mit den wissenschaftlichen Beobachtungen von Judith Kestenberg<br />
(1910-1999) zusammengebracht. Irmgard Bartenieff, Warren<br />
Lamb und in neuerer Zeit Susan Loman, Antja Kennedy, Susanne<br />
Bender und Marianne Eberhard-Kächele vertieften, erweiterten<br />
und konkretisierten die bewegungsanalytischen Erkenntnisse für<br />
die Anwendung im tanztherapeutischen sowie im präventiven Bereich<br />
(siehe Koch/Bender, 2007). Grundlegende Annahme dieser<br />
tanztherapeutischen Methoden ist, dass die Entwicklung trotz<br />
widriger oder ungünstiger Umstände jederzeit für Nachreifungs-<br />
impulse offen ist. Die Tanztherapeutinnen haben phasenspezifische<br />
Interventionen zur Stabilisierung und Anregung (Sicherheit<br />
und Erregung) entwickelt, die ganz im Sinne der Resilienzförderung<br />
eingesetzt werden und wirken. „Nachreifungsprozesse in der<br />
von Vertrauen geprägten therapeutischen Beziehung sind insofern<br />
von eminenter Bedeutung, als sie dazu verhelfen, Urängste<br />
und die daraus resultierende Hilflosigkeit abzubauen.“(Klein, S.<br />
203, 1998 ff.) Petra Klein beschreibt, sie habe in ihrer Berufspraxis<br />
vielfach erlebt, dass adäquate stabilisierende therapeutische<br />
Arbeit, die Klienten in die Lage versetzt, „sich selber hilfreich an<br />
die Hand zu nehmen.“ So könne der erwachsene Anteil dem oft<br />
ohnmächtigen kindlichen Persönlichkeitsanteil zu Hilfe kommen.<br />
Möglicher Beitrag der künstlerischen Therapien zur Resilienzförderung<br />
bei traumatisierten Klienten<br />
Autor und Klinikleiter Dr. med. Wolfgang Wöller empfahl in seinem<br />
Vortrag 2007 in der Psychosomatischen Rheinklinik Bad Honnef:<br />
„Ressourcenorientierte Behandlungskonzeption bei komplexen<br />
Traumafolgestörungen“ interessante Ziele und Behandlungsansätze<br />
zur Aktivierung des Ressourcenpotentials und der Selbstheilungskräfte.<br />
In der folgenden Tabelle sind diese auf der linken<br />
Seite zu finden. In der rechten Spalte der Tabelle finden sich<br />
beispielhaft skizziert Vorschläge aus der kreativtherapeutischen<br />
Berufspraxis zur Verdeutlichung der Umsetzungsmöglichkeiten:<br />
Heilkraft der Freude?<br />
Wie der letzte Punkt der Tabelle andeutet,<br />
bstätigen zahlreiche erfahrene<br />
Therapeuten die Erfahrung, wie<br />
aufbauend, heilsam und stärkend die<br />
Erfahrung der lebensbejahenden Freude<br />
auf belastete Klienten wirkt. Der<br />
Neuropsychiater und Psychoanalytiker<br />
Boris Cyrulnik entdeckte die neuronale<br />
Nähe zwischen Glück und Unglück; die<br />
wahrscheinlich mit dem uralten Überlebensinstinkt<br />
zu tun habe. Sobald<br />
ein Unglück eingetreten sei, träume<br />
man vom Glück. Dieses Gegensatzpaar<br />
sei gekoppelt an die entgegengesetzten<br />
Impulse von Hinwendungs-<br />
und Fluchtreaktionen. (vgl.S.69) “Erst<br />
das Gegensatzpaar ermöglicht das<br />
Überleben.“(Cyrulnik, S.69, 2007)<br />
Schlussfolgernd sollte eine therapeutische<br />
Begleitung einen Gegenpol zu<br />
der sonstigen emotionalen Erfahrung<br />
beinhalten. Künstler müssten in der<br />
Lage sein, Freude zu vermitteln, betont<br />
Yolanda Bertolaso in ihrem Buch<br />
über „Resilienz in Pädagogik und<br />
künstlerischer Tanztherapie“(vgl. s.186): Hierbei spreche sie nicht<br />
von oberflächlichem Spaß; „Vielmehr kommt die Freude beim Erleben<br />
wahrer Kunst aus tieferen Quellen als aus der Freude an der<br />
Illusion.“ (Bertolaso, S.186, 2009) Auch die Ende der 60er Jahre<br />
von Peseschkian initiierte Fachrichtung der „Positiven Psychotherapie“<br />
widmet sich forschend den „Glücksfaktoren“. Frank schlägt<br />
ihren Patienten eine „Reise ins Land des Wohlbefindens“ vor<br />
(Frank, S.128 ff 2010). Wie die kreativen Therapien widmen sich<br />
auch andere psychotherapeutischen Fachrichtungen vermehrt<br />
den Kompetenzen, die Stress lösend sind, das Leben bejahen und<br />
lebenswert machen. Der Musiktherapeut Timmermann sieht als<br />
wesentlichen gesellschaftlich auszugleichenden Pol den Zerfall<br />
der alten ethischen und sozialen Ordnungen, die sich ökologisch<br />
sowie in den wachsenden Krankheitsbildern Krebs, Süchten und<br />
Essstörungen spiegelten: „Wer hörend und spielend zurückfindet<br />
zu einem elementaren Gefühl für das eigene Maß und eigene<br />
innere Ordnung, setzt der Entfremdung die Selbsterfahrung entgegen<br />
und schafft damit Voraussetzungen für konstruktives soziales<br />
und ökologisches Denken.“ (Timmermann, S.234, 1994) Die<br />
Tanztherapeutin Petra Klein (vgl. 204, 1998) sieht gar den Sinn<br />
des Lebens darin, das Leid zu überwinden, Freude und Leichtigkeit<br />
zu entdecken und mit anderen zu teilen; also das Leben zu<br />
zelebrieren, nicht nur zu ertragen.<br />
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Ressourcenorientiertes<br />
Behandlungskonzept<br />
Verstärkung der Ziele<br />
des Klienten<br />
Ziele des Klienten<br />
aktivieren<br />
Verstärkung von<br />
Kompetenzen<br />
Selbstwertschätzung<br />
des Klienten<br />
Eigene Fähigkeiten<br />
wertschätzen<br />
Bisherige Bewältigungsstrategien<br />
erfragen,<br />
Problemlöseorientierung<br />
stärken<br />
Positives „inneres<br />
Fotoalbum“<br />
Einen sicheren Ort<br />
imaginieren<br />
„Innere Helfer“ /<br />
Ratgeber imaginieren<br />
Kleine Veränderungen<br />
wahrnehmen<br />
Kreativtherapeutische Umsetzung<br />
zur Resilienzförderung<br />
Tänzerische/Musikalische/Künstlerische Impulse/Ideen des Klienten aufnehmen, Spiegeln, Wertschätzen,<br />
Hervorheben, Achten<br />
Klientenzentrierung, Ideen folgen, kreativen Prozess „Der Weg“ begleiten, Varia-tionen anbieten, Integration des<br />
anderen Pols (z.B. langsam/schnell, hell/dunkel)<br />
Strukturierte Improvisationen zu stärkenden Erfahrungen, (Emotionales Erleben einbeziehen), Festlegen einer<br />
künstlerischen Sequenz, Wiederholen; Es entsteht dein Tanz, Lied, Bild. Evtl. Präsentation, stärkende musikalische<br />
oder tänzerische Rituale erfinden. Erweiterung des Ausdrucks-Repertoires. Vermittlung von Selbsthilfemethoden.<br />
Verbale und kognitive Aufarbeitung kreativer Prozesse ermöglichen; Bewusstwerdung anregen<br />
Wertschätzen ohne Wertung und Erwartungen, Einbeziehung von unbewussten „Schatten-Handlungen“, Klienten<br />
spiegeln als positive Reflektion, Pausen zur Selbstwahrnehmung, Differenzierung der Wahrnehmung eigener<br />
Bedürfnisse, Klient „schenkt“ sich selbst Zeit, meditative (auch künstlerische) Ruhe-Übungen<br />
Einfache, gut zu bewältigende künstlerische Angebote machen (z.B. Arbeit mit<br />
Haltungen, einfach zu spielenden Instrumenten); Exploration, Künstlerisches<br />
Erforschen von eigenen Möglichkeiten, Wiederholung/ Intensivierung/ Gestaltung von individuellen Qualitäten<br />
Konfliktsituation in Bew./Musik nachempfinden und Möglichkeiten des Umgangs spielerisch ausprobieren/<br />
wieder- oder neu entdecken und durch Wiederholung üben<br />
Positive Biographiearbeit; Faktor: Zeit; Lieblings-Bewegungen/Musik/Bilder meines Lebens; Betonung aufbauender<br />
Zeiten/Momente, Symbolisch gestalten; auch Intermedial; Bewegungsgesten zu positiven Erinnerungen für den<br />
Alltag entwickeln<br />
Faktor: Raum; konkret und visualisieren; Empfinden/Wahrnehmung differenzieren üben, Eigene Grenzen wahrnehmen<br />
und ausdrücken/verteidigen; Bewegungen und Musik des Wohlbefindens, Ort imaginieren und malen;<br />
intermedial umsetzen und damit integrieren<br />
Medien wie Instrumente/Kuscheltiere oder Arbeit mit Rollentausch = Sinnlich erfahrbare Helfer und innere<br />
Ratgeber; kleine Tänze entwickeln zur Festigung des (Selbst-)Vertrauens<br />
Stimmungsbarometer einführen; immer zu Beginn und am Ende in Form einer<br />
symbolischen Bewegung/Ton/Farbsymbol zum aktuellen Befinden<br />
Visionen entwerfen Phantasiereisen in die gewünschte Zukunft, anschließend diese künstlerisch<br />
Umsetzen und Einzelelement möglichst realitätsnah erfahrbar machen;<br />
Bewegungsmetapher /Bild oder Musik entwerfen, die auch die Emotion des<br />
Erreichten symbolisch mit einschließt<br />
„Glücksbiographie“<br />
entwerfen lassen<br />
Therapie darf /sollte<br />
Spaß machen<br />
Während des künstlerischen Tuns, den Fokus halten auf das, was sich „Glück“ bringend oder einfach „gut“ und<br />
„stimmig“ anfühlt oder anfühlte.<br />
Spielerische Übungen einbringen, Humor darf sein, Selbstironie anregen, Schweres ablegen/Leichtigkeit<br />
ausprobieren, erinnern; Wünschen des Klienten folgen; Interaktives Anbieten; Unterstützung und Beistand erfahren.<br />
Lockerndes, Erfrischendes, Befreiendes Tun<br />
Fazit<br />
Insgesamt wird deutlich, wie vielschichtig und umfangreich die Möglichkeiten sind, mit kreativen Mitteln Resilienz nachhaltig zu<br />
fördern. Ich als Tanztherapeutin freue mich zu sehen, dass die Forschungsdisziplinen immer stärken ineinander greifen und sich zunehmend<br />
gegenseitig in ihren Grundhaltungen durch überlappende Erkenntnisse verstärken. Ich bin optimistisch, dass die kreativen<br />
Therapien zukünftig weiterhin wertvolle Beiträge einbringen werden. An dieser Stelle finde ich das Bild der Brücke als Symbol für<br />
Resilienz, die den geprüften Menschen hält und die Fachdisziplinen verbindet, sehr positiv und hoffnungsvoll zukunftsweisend. ■<br />
Literatur:<br />
Bertolaso, Yolanda: “Resilienz in Pädagogik und Künstlerischer Tanztherapie“; Pabst<br />
Science Publisher 2009<br />
Cyrulnik, Boris: „Mit Leib und Seele – Wie wir Krisen bewältigen“; Hoffmann und<br />
Campe 2007<br />
Diegelmann, Christa/Isermann, Margarete(Hrsg.): Ressourcenorientierte Psychotherapie:<br />
Psyche und Körper ermutigen; Kohlhammer 2010<br />
Frank, Renate: „Wohlbefinden fördern- Positive Therapie in der Praxis“, Klett Cotta<br />
2010<br />
Halprin, Anna: „Tanz, Ausdruck und Heilung“; Synthesis 2000<br />
Klein, Petra: „ Tanztherapie- Ein Weg zum Ganzheitlichen Sein“, Dieter Balsies Verlag<br />
1998<br />
Koch, Sabine; Bender, Susanne (Hrsg.): „ Movement Analysis- Bewegungsanalyse“;<br />
Logos Verlag Berlin 2007<br />
campus Spiegel · Redaktion Berlin · Telefon: 030 / 24 63 98 95 · www.campusnaturalis.de · Berlin · Frankfurt am Main · Hamburg · München<br />
© Sabine Karczewski, campus Naturalis, 2011<br />
Müller, Christiane: „Trauma und Therapie- Nährboden künstlerischen Schaffens“ in<br />
Trautmann-Voigt, Sabine/ Voigt, Bernd (Hrsg.): „Körper und Kunst in der Psychotraumatologie<br />
– Methodenintegrative Therapie“, Schattauer 2007<br />
Laban, Rudolf von: „Der moderne Ausdruckstanz“, Florian Noetzel GmbH 2001<br />
Petersen, Peter: Künstlerische Therapien: Wege zur psychosozialen Gesundheit Dtsch<br />
Arztebl 2000; 97(14): A-903 / B-779 / C-707 THEMEN DER ZEIT: Aufsätze http://www.<br />
aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=22439<br />
Siegel, Elaine.V.: „Tanztherapie…ein psychoanalytisches Konzept“ Stuttgart 1986<br />
Timmermann, Tonius: „Die Musik des Menschen“; Piper Verlag 1994<br />
Winnicott, D.W.: “Vom Spiel zur Kreativität“, 12. Auflage 2010<br />
Wöller, Wolfgang: „Trauma und Persönlichkeitsstörungen- Psychodynamisch integrative<br />
Therapie“, Schattauer 2006<br />
11
12<br />
Resilienz<br />
Stark trotz widriger Umstände: Resilienz und Familientherapie<br />
Von der Familientherapie zur Vielfalt<br />
systemischer Settings<br />
Die Wurzeln der systemischen Beratung und Therapie sind bereits<br />
in der frühen Geschichte der Psychotherapie zu finden.<br />
Während in den ersten Jahrzehnten des beginnenden 20. Jahrhunderts<br />
– geprägt durch die Psychoanalyse Sigmund Freuds –<br />
der Blick auf Einzelpersonen und deren Kindheit ausgerichtet<br />
war, rückte in den 50er Jahren verstärkt auch die Familie in den<br />
Mittelpunkt des Interesses. 1<br />
Annäherung aus verschiedenen Richtungen<br />
Auch eine wissenschaftliche Neugier an den innovativ anmutenden<br />
Ansätzen der nun als „Familientherapie" bezeichneten<br />
Therapiesitzungen war wachgerufen. So bildeten sich weitgehend<br />
unabhängig voneinander auf verschiedenen Erdteilen forschende<br />
multidisziplinäre Teams.<br />
Anfangs waren es insbesondere die Forschungsarbeiten zur<br />
Schizophrenie, die die Entwicklung familientherapeutischer<br />
Ideen vorantrieb. Zu den Forscherteams zählte z.B. die im kalifornischen<br />
Palo Alto tätige Gruppe des Mental Research Instituts<br />
(MRI) mit ihren prominent gewordenen Mitgliedern Virginia<br />
Satir, Paul Watzlawick, Gregory Bateson und Jay Haley;<br />
genauso die Mailänder Gruppe um Mara Selvini Palazzoli, Luigi<br />
Boscolo, Gianfranco Cecchin oder auch Salvador Minuchin mit<br />
seinem Team. Die von dem amerikanischen Psychiater Milton H.<br />
Erickson entwickelte Form einer indirekten oder „neuen“ Hypnose<br />
hat ebenso eine große Verbreitung gefunden und seine<br />
Arbeit nahm und nimmt bis heute auf die Entwicklung der systemische<br />
Beratung und Therapie maßgeblichen Einfluss.<br />
Als weitere wegweisende Größe hinsichtlich der Weiterentwicklung<br />
familientherapeutischer respektive systemischer Konzepte<br />
gilt die „Solution Focused Therapy“, eine lösungsorientierte<br />
oder lösungsfokussierte Kurztherapie, die von Steve de Shazer<br />
und Insoo Kim Berg ab 1982 in den USA entwickelt worden<br />
war. In Deutschland machte sich die "Heidelberger Schule" um<br />
den Arzt und Philosophen Helm Stierlin einen Namen. Gunther<br />
Schmidt, ein Mitglied der Heidelberger Gruppe, gilt heute als<br />
Pionier der systemisch- lösungsorientierten Beratungsansätze.<br />
Er hatte den Begriff „hypnosystemisch“ 1980 erstmals vorgeschlagen,<br />
um ein Modell zu charakterisieren, das versucht,<br />
systemisches Ansätze für Psychotherapie und Beratung mit<br />
Luitgard Janz<br />
den Modellen der aus seiner Sicht kompetenzaktivierenden<br />
Erickson‘schen Hypno- und Psychotherapie zu einem Integrationskonzept<br />
auszubauen. 2<br />
Theorie und Praxis<br />
systemischen Arbeitens<br />
Die genannten und eine weitere Anzahl von Personen und<br />
Teams entwickelten in jahrzehntelanger Forschung ihre auf die<br />
Arbeit mit Familien und Systemen spezialisierten theoretischen<br />
Modelle, (Frage-)Techniken, Interventionen und methodischen<br />
Tools; diese Entwicklung schreitet weiter fort und prägt bis<br />
heute den innovativen Charakter systemischer Arbeit in den<br />
unterschiedlichsten Feldern.<br />
Die praktische therapeutische Arbeit war und ist immer auch<br />
beeinflusst von aktuellen natur- und geisteswissenschaftlichen<br />
Strömungen verschiedenster Disziplinen. 3 Dazu zählt in etwa<br />
die allgemeine Systemtheorie, basierend auf dem Biologen und<br />
Systemtheoretiker Ludwig von Bertalanffy, die Katastrophentheorie<br />
als ein Zweig der Mathematik, der plötzliche Veränderungen<br />
beschreibt, die sich aus kleinen Impulsen ergeben,<br />
die Chaostheorie, die Kybernetik 1. und 2. Ordnung – letzteres<br />
die Wortschöpfung des Physikers Heinz von Foersters. Die<br />
in den 80er Jahren entstandene Formulierung des radikalen<br />
Konstruktivismus basiert auf der biologischen Epistemologie<br />
der Selbstreferenz lebender Systeme – der Autopoiese – der<br />
beiden chilenischen Biologen, Philosophen und Neurowissenschaftlern<br />
Humberto R. Maturana und Francisco J. Varela,<br />
nach der Menschen als lebende, autopoietische, operational<br />
geschlossene Systeme ihre Wirklichkeit durch ihren individuellen<br />
Wahrnehmungsprozess erst konstruieren. 4 Zuzurechnen<br />
sind ebenso die soziologische Systemtheorie des deutschen<br />
Soziologen und Gesellschaftstheoretikers Niklas Luhmann oder<br />
auch die Komplexitätstheorie, die mehr als einen theoretischen<br />
Rahmen umfasst und als hochgradig interdisziplinär betrachtet<br />
werden darf, auch weil sie nach differenzierten Antworten auf<br />
fundamentale Fragen von lebenden, anpassungsfähigen und<br />
veränderlichen Systemen sucht. Zwangsläufig wurde im Laufe<br />
der beschriebenen Entwicklung die schwerpunktmäßige Orientierung<br />
an der Familie als Behandlungseinheit mehr und mehr<br />
hinterfragt und die Familie wurde demzufolge als eines von<br />
vielen möglichen Systemen betrachtet, in der Menschen sich<br />
sozial organisieren und befinden.<br />
Zentrale Elemente heutiger systemischen Praxis beschreiben<br />
Reimers et. al in ihrem Lehrbuch und Standardwerk „Psychotherapie“<br />
wie folgt:<br />
• Orientierung an Anliegen und Auftrag der Klientel<br />
• Ressourcenorientierung<br />
• Allparteilichkeit/Neutralität, also das Bemühen, möglichst<br />
allen Beteiligten gleichermaßen Verständnis entgegen-<br />
zubringen (auch den Abwesenden)<br />
• Einsatz von manchmal verblüffenden humorvollen<br />
Interventionen. 5<br />
So rückte also in den letztvergangenen Jahrzehnten mehr und<br />
mehr die „systemische Sichtweise“ in den Vordergrund und die<br />
Aufmerksamkeit gilt heute dem Herkunftssystem genauso wie<br />
dem gesamten Lebenskontext, den allgemeinen Lebensbedingungen<br />
u.ä.m. Im unmittelbaren therapeutischen Procedere<br />
mit familialen Systemen verlor damit auch die Frage, ob die<br />
(gesamte) Familie anwesend sein müsse, mehr und mehr an<br />
Relevanz. Als wichtiger für das Verständnis und die Veränderung<br />
eines Problems erschien stattdessen ein Verständnis der<br />
Wechselwirkungen und der ganz persönlichen Lebensstrategien<br />
und -modelle der Klientel 6 und nicht zuletzt, wie diese ihre<br />
„Wirklichkeit“ konstruieren.<br />
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Resilienz und Familienresilienz<br />
Frühe Definitionen von Resilienz im psychosozialen und klinischen<br />
Bereich sprechen nach Holtz (2010) von „Widerstandsfähigkeit<br />
und Robustheit“. Seit diesen frühen Veröffentlichungen<br />
hat sich der Schwerpunkt in den entsprechenden Forschungsprogrammen<br />
von der Identifikation spezifischer Eigenschaften – der<br />
sogenannten protektiven Faktoren oder Schutzfaktoren – „hin zur<br />
Analyse grundlegender protektiver Prozesse, welche beschreiben<br />
und erklären sollen, wie Individuen es schaffen, trotz äußerst ungünstiger<br />
biologischer, psychosozialer oder materieller Bedingungen<br />
ihr Leben befriedigend zu gestalten“ 7 verschoben. Die Vorstellung<br />
geht also hin zu den ganz normalen Individuen, denen<br />
es gelingt, Überlebensstrategien – in anderen Veröffentlichungen<br />
auch Anpassungs- oder Coping-Strategien genannt – zu entwickeln<br />
und aus diesen Kämpfen gestärkt hervorzugehen, während<br />
im jeweiligen Prozess protektive und schädigende Lebensumstände<br />
zu ständig neuen Balanceakten, erlittenen Verletzungen und<br />
entwickelten Stärken führen. Nach diesem Verständnis wird Resilienz<br />
als ein Prozess und die Fähigkeit definiert, eine erfolgreiche<br />
Anpassung zu leisten – auch wenn Bedingungen vorhanden sind,<br />
die dies erschweren oder auch bedrohen. 8<br />
Kauai-Studie:<br />
Die wohl bekannteste, längste und meist zitierte Langzeitstudie<br />
zur Resilienz führte die amerikanischen Psychologin Emmy E.<br />
Werner durch. Wie Virginia Satir vielfach als „Mutter der Familientherapie“<br />
bezeichnet, wird Emmy E. Werner mancherorts als<br />
die „Mutter der Resilienz“ angeführt. In ihrer sogenannten Kauai-<br />
Studie wurde ab 1955 die Entwicklung von 698 Kindern einer<br />
sogenannten Risikopopulation beobachtet, die alle auf der Insel<br />
Kauai auf dem Hawaii Archipel geboren worden waren. Emmy E.<br />
Werner und ihr Team konnten belegen, dass ein Drittel der Kinder<br />
trotz widriger Umstände in ihrer Kindheit gut zurechtkam und<br />
keine psychischen Auffälligkeiten zeigten. Und einem weiteren<br />
Drittel ging es bei späteren Nachuntersuchungen im mittleren Lebensalter<br />
sozial und psychisch gut, obgleich sie in vorigen Zeiträumen<br />
deutliche Verhaltensschwierigkeiten gezeigt hatten. Als<br />
Faktoren einer solchen Resilienz werden hier eine aktive, in die<br />
Zukunft orientierte Haltung, gute Berufschancen, eine spirituelle<br />
Orientierung sowie gute Erfahrungen mit einer erwachsenen Vertrauensperson<br />
oder einem liebevollen Ehepartner beschrieben. 9<br />
Inzwischen gibt es eine Vielzahl weiterer Forschungen, deren Befunde<br />
die Untersuchungsergebnisse Emmy E. Werners vielfach<br />
bestätigen und neben personalen – und hier wird es für die Arbeit<br />
mit Familien besonders interessant – soziale Ressourcen zusammengefasst<br />
als resilienzfördernd ausweisen:<br />
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Derartige soziale Ressourcen sind (nach Holtz, 2010): 10<br />
• eine stabile emotionale Beziehung zu mindestens einem<br />
Elternteil oder einer anderen Bezugsperson (z.B. Großeltern,<br />
Freunde, Lehrer), die Vertrauen und Autonomie, aber auch<br />
Kompetenzen und eine realistische Selbsteinschätzungen<br />
fördern<br />
• ein offenes, wertschätzendes, unterstützendes Erziehungs-<br />
klima zu Hause und in den Bildungssituationen<br />
• Zusammenhalt, Stabilität und konstruktive Kommunikation<br />
in der Familie<br />
• Erfahrung von Sinn, Struktur und Bedeutungen in der<br />
eigenen Entwicklung, z.B. Religiosität<br />
Das Konzept der individuellen oder personalen Resilienz wurde<br />
also inzwischen auf die Familie als soziales System übertragen<br />
und Familienforscher wie Pattersen, Shapiro und Walsh 11 beschreiben<br />
sogenannte Schlüsselprozesse einer solchen Familienresilienz:<br />
• Organisationsprozesse (Flexibilität, Verbundenheit,<br />
soziale und materielle Ressourcen)<br />
• Kommunikationsprozesse (gute Kommunikation, offener,<br />
emotionaler Austausch, gemeinsames Problemlösen)<br />
• Geteilte Glaubenssysteme von Familien (Widrigkeiten Sinn<br />
geben, positive Zukunftssicht, Transzendenz und Spiritu-<br />
alität) 12<br />
Fazit:<br />
Betrachtet man die Ergebnisse der Resilienzforschung, so können<br />
diese durchaus eine weitere wertvolle theoretische Grundlage<br />
systemischer Beratung und Therapie darstellen. Unter genauer<br />
Betrachtung bestätigen oder ergänzen sie vielfach die interdisziplinären<br />
Forschungsergebnisse der Familientherapie und deren<br />
Weiterentwicklung. Ein fundiertes Wissen um personale Ressourcen,<br />
die es ermöglichen, dass ein Mensch<br />
– gleich welchen Alters – sich trotz widriger<br />
Umstände gut entwickeln kann, sollte<br />
in die therapeutische Praxis genauso<br />
einfließen wie entsprechende Kenntnisse<br />
über soziale Schutz- und familiale Resilienzfaktoren.<br />
Auch sollte die Kenntnis um<br />
die Wichtigkeit wenigstens einer stabilen<br />
emotionalen Beziehung in der therapeutischen<br />
Beziehungsgestaltung von Belang<br />
sein und ein Klima der Offenheit, Wertschätzung<br />
und Unterstützung im Rahmen<br />
des therapeutischen Kontaktes bietet<br />
sich geradezu an, eine exemplarische resilienzfördernde<br />
Wirkung entfalten. Die<br />
Vermittlung der Bedeutung konstruktiver<br />
Kommunikationsmodelle beinhaltet u.a.<br />
die Möglichkeit, in einem therapeutischen<br />
und gleichzeitig protektiven Prozess Resilienz<br />
zu stärken oder zur Entwicklung einer<br />
solchen beizutragen. Ein wichtiger Beitrag<br />
kann genauso sein, Klientinnen und<br />
Klienten dabei zu unterstützen, dass sie<br />
selbst sehr leidvollen Erfahrungen irgendwann<br />
einen Sinn geben können und sie<br />
nicht zuletzt in einer möglichst positiven,<br />
proaktiven Sicht auf ihr Leben und ihre Zukunft<br />
zu bestärken. ■<br />
Literatur:<br />
1 vgl. Fellner, R. L. (2000) Systemische Therapie in: psychotherapiepraxis.at<br />
2 Schmidt, G. (2008): Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung.<br />
Heidelberg: Carl-Auer, S. 7<br />
3 vgl. Fellner, R.L. (2000) ebd.<br />
4 vgl. Graf, H. (2011): Konstruktivistische Wende. logoconsult.at/fachartikel<br />
5 vgl. Reimer, C., Eckert, J., Hautziger M., Wilke E. (2007): Psychotherapie. Ein Lehrbuch<br />
für Ärzte und Psychologen, 3. Auflage Heidelberg: Springer, S. 290<br />
6 vgl. Fellner, R.L. (2000) ebd.<br />
7 zit. n. Holtz in: Short, D. u. Weinspach, C. (2010): Hoffnung und Resilienz.<br />
2. Auflage Heidelberg: Carl Auer, S.29 f<br />
8 ebd. S. 30<br />
9 Retzlaff, R. (2010) Familien-Stärken. Behinderung, Resilienz und systemische Therapie<br />
Stuttgart: Klett-Cotta, S. 94<br />
10 zit. n. Holtz ebd. S.31 f<br />
11 vgl. Retzlaff, R. (2010) S. 98<br />
12 Walsh zit. aus Retzlaff, R. (2010) S. 98<br />
13
14<br />
Resilienz - Das Immunsystem der Seele<br />
Resilienz leitet sich vom lateinischen Wort resilire (zurückspringen,<br />
abprallen) ab. Gemeint ist die „Fähigkeit von Menschen,<br />
Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und<br />
sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für<br />
Entwicklung zu nutzen.“ (Welter-Enderlin, 2006, S.12).<br />
Resilienz kann mit der Zeit und unter verschiedenen Umständen<br />
variieren. Faktoren wie Persönlichkeitsmerkmale (z.B.<br />
Temperament, soziale Fähigkeiten, Selbstwertgefühl etc.) und<br />
personale Ressourcen (Selbstwirksamkeitserleben, körperliche<br />
und seelische Widerstandkräfte, Reflektionsfähigkeit u.v.m.)<br />
korrelieren in einer wechselseitigen Dynamik mit potentiellen<br />
Stressoren bezüglich der Entwicklung von Resilienz. Auf Grund<br />
der Tatsache, dass Resilienz das Ergebnis eines Prozesses ist,<br />
sind Stressoren und Ressourcen nicht immer klar von einander<br />
abzugrenzen. Die Funktion der beiden Faktoren kann sich innerhalb<br />
eines Entwicklungsverlaufes auch ändern: Was heute<br />
als schützender Faktor fungiert, kann sich zu einem anderen<br />
Zeitpunkt als Risikofaktor erweisen.<br />
Wir reagieren also resilient „in Bezug“ auf Etwas, das auf irgendeine<br />
Weise ein Problem für uns darstellt. Dieses Interaktionsschema<br />
beinhaltet jeweils einen Protagonisten (Resilienz),<br />
der durch den Antagonisten (Stressor) bedroht, beeinträchtigt<br />
oder beschädigt wird. Als Resilienz erscheint in diesem Schema<br />
sowohl das Vermögen des Protagonisten, diesen Beeinträchtigungen<br />
stand zu halten als auch die Fähigkeit, bestimmte<br />
Aktivitäten in Gang setzen, um die eigene Resilienz zu stärken<br />
oder den Antagonisten zu schwächen. Hilfe (Ressourcen), welche<br />
der Protagonist für diesen Zweck in Anspruch nimmt oder<br />
angeboten bekommt, kann entweder die Stärkung der Resilienz<br />
des Protagonisten zum Ziel haben oder die Schwächung des<br />
Antagonisten.<br />
Pascale Schmidt<br />
Mit dem Resilienzkonzept liegt der Fokus nicht länger ausschließlich<br />
auf Anpassungs- und Bewältigungsproblemen – im<br />
Mittelpunkt stehen die Bewältigung von Risikosituationen und<br />
die Fähigkeiten, Ressourcen und Stärken des Menschen, ohne<br />
dabei Probleme zu ignorieren oder zu unterschätzen. Von Interesse<br />
ist, wie individuell mit Stressbewältigung umgegangen<br />
wird und Bewältigungskapazitäten aufgebaut bzw. gefördert<br />
werden können. Dabei geht es nicht um reine Lösungsorientierung<br />
- manchmal gibt es keine Lösung, i.e. die Fähigkeit, mit<br />
unbeantworteten Fragen zu leben ist gefragt.<br />
In der Präventionsarbeit spielt neben der Erforschung der Salutogenese<br />
die Entwicklung von Resilienz eine große Rolle. Dabei<br />
sind aktuell drei sich ergänzende Forschungsansätze relevant<br />
(Masten/Reed 2002):<br />
Im variablenbezogenen Ansatz steht das Zusammenspiel von<br />
Risiko- und Schutzfaktoren mit der Frage, wie die daraus abgeleiteten<br />
Erkenntnisse die Entwicklung von Kindern beeinflussen.<br />
Im personenzentrierten Ansatz werden diese Faktoren auf<br />
individueller Ebene bezüglich unterschiedlicher Entwicklungen<br />
erforscht, während sich der entwicklungspfadspezifische Ansatz<br />
die zeitliche Perspektive stärker einbezieht.<br />
Aus der Sicht von Beratung und Therapie steht die Integration<br />
des Resilienzbegriffes für einen Paradigmenwechsel von der<br />
Defizitorientierung zur Zirkularität von Ressourcen und Stressoren.<br />
■<br />
Empfehlenswerte Literatur:<br />
R. Welter-Enderlin/B. Hillenbrand (Hrsg.): Resilienz - Gedeihen<br />
trotz widriger Umstände, Heidelberg 2006.<br />
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Gesundheit und Beruf<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
Betriebe erkennen den Nutzen von aktiver Förderung<br />
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) – ein Schlagwort,<br />
das in unserer Gesellschaft immer häufiger fällt, dessen Bedeutung<br />
zuzunehmen scheint und das immer mehr Firmen nutzen.<br />
Einerseits, um den Erfolg des Unternehmens durch eine „gesunde<br />
Mannschaft“ zu steigern, andererseits, um damit auf sich als<br />
Unternehmen aufmerksam zu machen und gute Arbeitskräfte und<br />
Kunden zu gewinnen. Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff<br />
und auf welchem Stand befindet sich die Forschung? Inwiefern<br />
hat BGM in die Betriebe wirklich Einzug gehalten und warum?<br />
Wienemann (2002) definiert „Betriebliches Gesundheitsmanagement“<br />
als die „bewusste Steuerung und Integration aller betrieblichen<br />
Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Förderung der<br />
Gesundheit und des Wohlbefindens der Beschäftigten.“ BGM umfasst<br />
somit alle Maßnahmen und Angebote, die Unternehmen anbieten,<br />
um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu unterstützen: von<br />
der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung über die Rückenschule<br />
bis zur Kindertagesstätte für alleinerziehende Mütter.<br />
Gesundheit als Unternehmensziel?<br />
Für Unternehmer stellt die Gesundheit der Beschäftigten auf den<br />
ersten Blick jedoch kein primäres Unternehmensziel dar. Warum<br />
sollen Unternehmen Angebote zur Gesundheitsförderung<br />
anbieten? Um diese Frage umfassend klären zu können müssen<br />
Grundlagen definiert und Zusammenhänge erläutert werden: Was<br />
ist Gesundheit? In welchem Zusammenhang stehen Arbeit, Gesundheit<br />
und wirtschaftlicher Erfolg? Was genau versteht man<br />
unter BGM? Wozu und wem dient es? Unter Gesundheit, um dieser<br />
Frage zuerst die Aufmerksamkeit zu schenken, versteht die<br />
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Babette Strubbe<br />
Medizin nicht mehr die bloße Abwesenheit von Krankheit. Diese<br />
sehr einfache und unzureichende Definition wurde mittlerweile<br />
durch vielschichtige und ganzheitliche Konzepte ersetzt. So ist<br />
Gesundheit laut DGFP (2004) kein statischer Zustand, sondern<br />
beschreibt einen ausgewogenen Zustand körperlichen und seelischen<br />
Wohlbefindens. Zum Wesen der Gesundheit gehören nach<br />
Frischenschlager (1996) neben körperlichem und psychischem<br />
Wohlbefinden auch Leistungsfähigkeit und Erfüllung von Rollenerwartungen,<br />
Selbstverwirklichung und Sinnfindung. Badura et<br />
al. (1999) betrachten Gesundheit als Fähigkeit zur Problemlösung,<br />
Handlung und Gefühlsregulierung.<br />
Was heißt eigentlich „gesund“?<br />
Gesund ist also ein Mensch, der sich aktiv und zielorientiert in<br />
seinem Umfeld bewegen kann und sich kontinuierlich weiterentwickelt.<br />
Nach Bullinger und Braun (2006) ist Gesundheit abhängig<br />
von den Verhältnissen, unter denen Menschen leben und arbeiten,<br />
von den alltäglichen Verhaltensweisen, dem persönlichen<br />
Lebensstil und vom subjektiven Erleben und Verarbeiten der individuellen<br />
Lebensverhältnisse. Gesundheit kann somit durch ein<br />
positives körperliches, psychisches und soziales Befinden sowie<br />
ein unterstützendes Netzwerk sozialer Beziehungen hergestellt<br />
oder erhalten werden.<br />
Rachbauer und Welpe (2004) weisen darauf hin, dass nach betriebswirtschaftlichem<br />
Verständnis Gesundheit einen Teil des Humankapitals<br />
darstellt. Aus dieser Perspektive betrachtet, sind die<br />
Gesundheit und das Schicksal des Einzelnen für das Unternehmen<br />
zunächst irrelevant. Die Gesundheit der Arbeitnehmerschaft<br />
15
16<br />
jedoch ist bedeutsam für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.<br />
Steht für die Arbeitsmedizin und die Arbeits-, Betriebs-<br />
und Organisationspsychologie die Frage nach dem Zusammenhang<br />
zwischen den Arbeitsbedingungen und der Gesundheit des<br />
Arbeitnehmers im Vordergrund. So fokussieren die Betriebswissenschaft<br />
und Unternehmen die Frage, welcher Zusammenhang<br />
zwischen Gesundheit und betrieblichem Erfolg besteht.<br />
Wiederherstellung der Balance der Anforderungen<br />
Der Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Gesundheitszustand<br />
der Beschäftigten, liegt für viele Arbeitnehmer<br />
durch eigene Erfahrungen und Beobachtungen auf der Hand. Die<br />
Forschungsergebnisse unterstreichen die subjektiven Beobachtungen:<br />
Die meisten Menschen verbringen einen großen Teil ihres<br />
Lebens an ihrem Arbeitsplatz. Die dort herrschenden Arbeitsbedingungen<br />
spielen deshalb für die Gesundheit des Einzelnen wie<br />
der Belegschaft eines Unternehmens im Ganzen eine große Rolle.<br />
Die Krankenstände in den Unternehmen und die Belastung des<br />
„Gesundheitssystems“ durch immer mehr Patienten zeigen deutlich,<br />
dass Menschen am Arbeitsplatz krank werden. Dabei werden<br />
vor allem zwei Ursachenfelder identifiziert: physische Unterforderung<br />
durch zu wenig Bewegung und psychische Überforderung<br />
durch inneren Druck, der durch Höhe der Anforderungen, Tempo<br />
und fehlenden Ausgleich begründet ist (Kron, 2011). Auch ein<br />
OECD-Bericht unterstreicht diese Beobachtungen mit folgenden<br />
Zahlen:<br />
• 56 % der Beschäftigten arbeiten unter sehr stressigen<br />
Bedingungen,<br />
• 47 % erleben Arbeitsbedingungen, die zu körperlichem<br />
Verschleiß führen,<br />
• 42 % können sich nicht vorstellen, ihre Berufstätigkeit bis<br />
zum 60. Lebensjahr durchzuhalten (www.der-arbeitsmarkt.ch).<br />
Die regelmäßig erhobenen Zahlen zu den Folgekosten unzureichender<br />
Arbeitssicherheit und Gesundheit weisen darauf hin,<br />
dass der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens von der Ge-<br />
sundheit der Arbeitnehmer beeinflusst wird. Die Bundesanstalt<br />
für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin schätzt die jährlichen Kosten<br />
durch gesundheitsbedingte Produktionsausfälle auf über 38<br />
Milliarden Euro (www.baua.de/statistik). Einen ähnlichen Betrag<br />
kann man für die Kosten der Entgeltfortzahlung veranschlagen.<br />
Nimmt man die Statistik des Jahres 2005 zur Grundlage,<br />
so schätzten deutsche Unternehmen, dass durch krankheits- und<br />
unfallbedingte Fehlzeiten nach Ausfalltagen Kosten in Höhe von<br />
40 Milliarden Euro entstehen (vgl. Pohl-Eckerstorfer, 2005). Badura<br />
et al. (2005) ermittelten für das Jahr 2002 die Summe von<br />
insgesamt 223,6 Milliarden Euro für den Erhalt und die Wiederherstellung<br />
der Gesundheit in Deutschland.<br />
Weitere Vertiefung der integralen Sichtweise<br />
Zu bemerken ist, dass bisherige betriebswirtschaftliche Untersuchungen<br />
im Wesentlichen auf Schadenserhebungen und Daten<br />
über krankheitsbedingte Fehlzeiten beruhen. Wirtschaftliche Bewertungen<br />
des Einflusses von Gesundheit, bzw. Krankheit der<br />
Arbeitnehmer in Bezug auf die Unterstützung unternehmerischer<br />
Ziele, wie z. B. Produktivität, Qualität, Kreativität und Nachhaltigkeit<br />
von Produktion bzw. Dienstleistung, liegen bisher kaum vor.<br />
„Obwohl wir also annehmen können, dass durch betriebliche Prävention<br />
und Gesundheitsförderung rund ein Drittel aller Arbeitsunfähigkeitszeiten<br />
und damit der direkten und indirekten Kosten<br />
vermeidbar sind, sagt dies noch nichts über den möglichen wirtschaftlichen<br />
Nutzen aus“ (Thiehoff, 2004). Die bisher nur einseitig<br />
erhobene Datenlage mag eine Ursache dafür sein, dass gesundheitsbezogenen<br />
Themen, die über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz<br />
hinausgingen, in Unternehmen lange Zeit eine untergeordnete<br />
Rolle gespielt haben. Viele Unternehmensleitungen<br />
haben jedoch erkannt oder (auch durch gesetzliche Vorgaben)<br />
erkennen müssen, dass eine hinreichende Qualität des Arbeitsplatzes,<br />
eine notwendig Voraussetzung ist, damit Mitarbeiter ihre<br />
Leistungspotenziale im Sinne des Unternehmenszwecks einsetzen<br />
wollen und können. Daher finden sich mittlerweile in der<br />
betrieblichen Praxis – zumindest in großen Unternehmen - zuneh-<br />
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mend Ansätze einer aktiven, vom salutogenetischen Paradigma<br />
geprägten, betrieblichen Gesundheitsförderung, die im Rahmen<br />
eines BGM geplant, durchgeführt und evaluiert wird.<br />
Beteiligung ist Gesundheitsförderung<br />
Nach der Luxemburger Deklaration zur Betrieblichen Gesundheitsförderung<br />
(BGF) in der EUROPÄISCHEN UNION (1997) umfasst betriebliche<br />
Gesundheitsförderung alle gemeinsamen Maßnahmen<br />
von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung<br />
von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Dies<br />
kann durch eine Verknüpfung folgender Ansätze erreicht werden:<br />
• Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeits-<br />
bedingungen<br />
• Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung<br />
• Stärkung persönlicher Kompetenzen.<br />
Ziel der BGF ist somit die Herstellung und Aufrechterhaltung eines<br />
Gleichgewichts zwischen den an eine Person gestellten Anforderungen<br />
und ihren Leistungsvoraussetzungen. Das BGM hingegen<br />
umfasst die Planung, die Koordination und die Kontrolle von Maßnahmen<br />
der betrieblichen Gesundheitsförderung. Die Anforderungen<br />
an ein BGM lassen sich grundsätzlich in drei Problemfeldern<br />
strukturieren: die Planung und Steuerung, die Nachhaltigkeit und<br />
die Erfolgsbewertung. Die Planung und Steuerung bezieht sich<br />
auf die Frage der sinnvollen Maßnahmenkombinationen, die Erreichung<br />
der relevanten Zielgruppe. An dieser Stelle geht es um<br />
die Anfangsmotivation der Arbeitnehmer und die Auswahl der<br />
Kursinhalte und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung.<br />
Die Nachhaltigkeit des BGM zeigt sich daran, ob einmal begonnene<br />
Aktivitäten auch langfristig aufrechterhalten werden können.<br />
Ein häufiges Problem von Maßnahmen der BGF ist die kurzfristige<br />
Ausrichtung. Die langfristige Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen<br />
ist in vielen Fällen gering, da viele Vorsätze und Strategien<br />
darauf ausgerichtet sind, Leiden kurzfristig entgegen zu<br />
treten. Das Thema Nachhaltigkeit ist allerdings nicht nur auf der<br />
Seite des Arbeitnehmers interessant. Auch Betriebe stehen vor<br />
der Aufgabe, Gesundheitsförderung nicht kurzfristig zur Verbesserung<br />
des Images, sondern langfristig und dauerhaft zur Personalpflege<br />
einzusetzen<br />
Die Erfolgsbewertung von gesundheitsförderlichen Aktivitäten<br />
erfolgt nicht nur anhand standardisierter Verfahren der Arbeits-,<br />
Betriebs- und Organisationspsychologie im Rahmen des Qualitätsmanagements.<br />
Aussagekräftiger ist die Beobachtung der<br />
Kennzahlen in der Realität: wie groß ist der Einfluss der Maßnahmen<br />
des BGM auf die Krankheits- und Abwesenheitsrate der<br />
Mitarbeiter, wie wirken sich die Interventionen auf die Kosten<br />
für Lohnfortzahlungen und ähnliche Posten aus. Um diesen drei<br />
Punkten gerecht zu werden und ein BGM erfolgreich implementieren<br />
zu können, ist es hilfreich, sich klarzumachen, welche Vorteile<br />
sich durch ein erfolgreiches BGM für den Betrieb und die<br />
Beschäftigte ergeben, um alle Beteiligten von der Wichtigkeit der<br />
Einführung des BGM zu überzeugen. Kron (2011) nennt folgende<br />
Vorteile für Arbeitnehmer und Betriebe:<br />
• Sicherung der Leistungsfähigkeit aller Mitarbeiter<br />
• Erhaltung / Zunahme der eigenen Leistungsfähigkeit<br />
• Erhöhung der Motivation durch Stärkung der Identifikation mit<br />
dem Unternehmen<br />
• Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und Verbesserung des<br />
Betriebsklimas<br />
• Verbesserung des Gesundheitszustandes<br />
• Reduzierung der Arztbesuche und Senkung gesundheitlicher<br />
Risiken<br />
• Kostensenkung durch weniger Krankheits- und Produktions-<br />
ausfalle<br />
• Verbesserung der gesundheitlichen Bedingungen im<br />
Unternehmen<br />
• Steigerung der Produktivität und Qualität<br />
• Verringerung von Belastungen<br />
• Imageaufwertung des Unternehmens<br />
• Verbesserung der Lebensqualität<br />
• Mitverantwortung der Mitarbeiter<br />
• Mitgestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsablaufs<br />
• Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
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Nachhaltige Konzepte fehlen noch<br />
Abschließend und im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung<br />
lässt sich sagen, dass der gesellschaftliche Wandel, verknüpft<br />
mit höheren Anforderungen an Mobilität, Flexibilität und Belastbarkeit<br />
bis ins hohe Alter verdeutlicht, dass die Gesundheit und<br />
Motivation der Beschäftigten Grundvoraussetzungen für den<br />
Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens sind.<br />
Dementsprechend folgen immer mehr Unternehmen den Empfehlungen<br />
und bauen ein ganzheitliches Betriebsmanagement<br />
aufbauen. Dennoch ist festzuhalten, dass die heutige Praxis des<br />
betrieblichen Gesundheitsmanagements zumeist aus einzelnen<br />
ad-hoc-Maßnahmen besteht, deren Wirkung häufig versandet<br />
(Bödecker, 2005).<br />
Auch wenn BGM in vielen<br />
Großunternehmen<br />
schon institutionalisiert<br />
ist, haben bisher<br />
nur wenige mittlere<br />
und kleine Unternehmen<br />
ein wirksames<br />
und nachhaltiges BGM<br />
implementieren können.<br />
In jedem Fall stellt<br />
BGM eine spannende<br />
Herausforderung dar.<br />
Eine Herausforderung<br />
für die Forschung: objektive,<br />
valide und reliable<br />
Kriterien zu entwickeln,<br />
anhand derer<br />
der Erfolg des BGM<br />
sinnvoll und praxisnah<br />
erhoben werden kann.<br />
Eine Herausforderung<br />
für die Praxis: BGM<br />
erfolgreich und nachhaltig<br />
zu implementieren,<br />
damit sowohl<br />
die Unternehmen als<br />
auch die Arbeitskräfte<br />
vom Nutzen des BGM partizipieren können. Eine Herausforderung<br />
für die Lehre: Betriebswirte, Arbeitsmediziner, Trainer und Coaches<br />
ganzheitlich auszubilden, damit das BGM auf soliden Beinen<br />
steht und kompetent durchgeführt werden kann. ■<br />
Literatur:<br />
Badura, B.; Ritter, W.; Scherf, M.: Leitfaden für das betrieblich Gesundheitsmanagement.<br />
Hans-Böckler-Stiftung. Berlin: Edition Sigma 1999<br />
Badura, B.; Schellschmidt, H.; Vetter, C.: Fehlzeiten-Report 2005 – Zahlen. Daten,<br />
Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft. Berlin: Springer (2005)<br />
Bödecker, W.: Evidenzbasierung wird die Zukunft von Gesundheitsförderung<br />
bestimmen. In: BKK News Gesundheitsförderung Aktuell. 06 (2005). Essen: Eigenverlag<br />
2005. http://www.bkk.de/bkk/show.php3?id=492&nodeid=492<br />
Bullinger, H.-J.; Braun, M.: Prävention mit Zukunft. Sicherheitsingenieur. 37 (2006), 4,<br />
12-18<br />
Europäisches Netzwerk für betriebliche Gesundheitsforderung ENWHP: Luxemburger<br />
Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsforderung in der Europaischen Union.<br />
Luxemburg (1997)<br />
(DGFP) Deutsche Gesellschaft für Personalführung: Unternehmenserfolg durch<br />
Gesundheitsmanagement. Grundlagen – Handlungshilfen – Praxisbeispiele. Bielefeld:<br />
Bertelsmann (2004)<br />
Frischenschlager, O.: Vom Krankheits- zum Gesundheitsbegriff. In: Hutterer-Kirsch,<br />
Pfersmann, V., Farag, I. S. (Hrsg.): Psychotherapie, Lebensqualität und Prophylaxe.<br />
Beiträge zur Gesundheitsvorsorge in Gesellschaftspolitik, Arbeitswelt und beim Individuum.<br />
Wien 1996, 3-16<br />
Kron, Olaf : Betriebliches Gesundheitsmanagement. Unveröffentlichte Seminarunterlagen,<br />
2011<br />
Pohl-Eckerstorfer, I.: Gene und Gesundheit am Arbeitsplatz. 2005. Zugänglich unter:<br />
th.faz.net<br />
Rachbauer, S., Welpe, I.: Human Capital Management statt Human Resource Management.<br />
Notwendigkeit und Vorteile einer neuen Philosophie. In: Dürndorfer, M.,<br />
Friederichs, P. (Hrsg.): Human Capital Leadership – Strategien und Instrumente zur<br />
Weiterentwicklung der wichtigsten Ressource von Unternehmen, Hamburg 2004, S.<br />
139-161<br />
Thiehoff, R.: Wirtschaftlichkeit des betrieblichen Gesundheitsmanagements. In: Meifert,<br />
M.; Kesting, M. (Hrsg.): Gesundheitsmanagement im Unternehmen. Berlin:<br />
Springer 2004a, 57-77<br />
Wienemann, Elisabeth: Betriebliches Gesundheitsmanagement. In: „Gesunder<br />
Arbeiten in Niedersachsen“. 1. Kongress für betrieblichen Arbeits- und<br />
Gesundheitsschutz. Hannover 2002.<br />
17
18<br />
Pädagogik<br />
Unsere Kinder brauchen Natur –<br />
die Natur braucht unsere Kinder<br />
Wie Erlebnispädagogik und Ökologie die Zukunft nachhaltig verändern können<br />
Natur fördert gesunde Entwicklung<br />
Die Orientierung an der Natur und das Leben nach den Naturgesetzen<br />
sind für viele Naturvölker selbstverständlich – für unseren<br />
Alltag in vielen Bereichen eher unvorstellbar. Die Anforderungen,<br />
die unser Leben an uns stellt, machen es uns fast unmöglich,<br />
unseren Tagesablauf oder die Lebensplanung an den Vorgaben<br />
der Natur auszurichten. Diese Ausrichtung an der Natur scheint jedoch<br />
aus mindestens zwei Gründen für uns Menschen von großer<br />
Bedeutung zu sein: Zum einen hat man festgestellt, dass Menschen,<br />
denen der Bezug zur Natur und ihren Gesetzmäßigkeiten<br />
fehlt, sich als weniger eingebunden in ein großes Ganzes empfinden.<br />
Insbesondere Kinder leiden unter dieser Entfremdung. Es<br />
gibt immer mehr Stimmen und Belege, die darauf hinweisen, dass<br />
die mangelnde Verbundenheit der Kinder mit der Natur in ursächlichem<br />
Zusammenhang mit psychischen Störungen im Kindesalter<br />
steht.<br />
Emotionale Kompetenzentwicklung<br />
Ein Kind, das sich als wenig in die Natur eingebunden erlebt,<br />
versteht große Zusammenhänge zwar kognitiv, kann sie aber nur<br />
unzureichend emotional erleben und begreifen. Nach neuen Untersuchungen<br />
scheinen diese Kinder anfälliger für Depressionen,<br />
Lern- und Verhaltensstörungen wie auch Abhängigkeitssyndrome<br />
zu sein. Richard Louv spricht vom Phänomen der “Ökophobie“ in<br />
den Fällen, in denen Kinder keine Möglichkeit haben, ein gesundes<br />
Verhältnis zur Natur zu entwickeln. Sie machen keine eigenen<br />
positiven sinnlichen Erfahrungen mit und in der Natur, sondern<br />
erfahren ausschließlich über die Medien von Phänomenen wie<br />
dem Waldsterben und dem Ozonloch.<br />
Der zweite Aspekt, der für eine Ausrichtung an der Natur spricht,<br />
ist der aktive und nachhaltige Umweltschutz und die damit verbundene<br />
Erhaltung unseres Planeten: eine der bedeutenden Aufgaben<br />
unserer Gesellschaft. Menschen, die sich nicht als verbunden<br />
mit der Natur erleben und sich mit ihr nicht in Beziehung<br />
setzen können, können Umweltschutz vom Verstand her organisieren<br />
und betreiben – leben können sie ihn nicht. Das Phänomen<br />
der Entfremdung von der Natur kann also sowohl von der<br />
ökologischen, als auch von der pädagogischen Seite betrachtet<br />
werden, da es sich sowohl im Bereich der Ökologie, als auch<br />
in der Pädagogik auszuwirken scheint. Es ist daher folgerichtig,<br />
beide Themen miteinander zu verbinden, um der Erscheinung wirkungsvoll<br />
zu begegnen.<br />
Umwelt erlernen<br />
Es treffen an dieser Stelle zwei Fachrichtungen aufeinander, die<br />
auf den ersten Blick nicht in direktem Zusammenhang miteinander<br />
stehen. Die Ökologie als ursprünglich naturwissenschaftliche<br />
Fachrichtung, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen<br />
Mensch und Umwelt befasst, wird gekoppelt mit einem Teilgebiet<br />
der Pädagogik, der ursprünglich der Reformpädagogik zuzuordnen<br />
ist. Das im letzten Jahrhundert von Kurt Hahn entwickelte pädagogische<br />
Konzept der Erlebnispädagogik richtet den Fokus auf<br />
das Handeln. Der Lernende erweitert sein Wissen durch die aktive<br />
Auseinandersetzung mit der Umwelt. Durch den realen Umgang<br />
mit dem Unerwarteten, mit dem Unbequemen, mit Überraschendem,<br />
mit dem Leben, erfährt der Mensch sich und seine Grenzen.<br />
So werden Zusammenhänge nicht nur verstanden, sondern im<br />
wahrsten Sinne des Wortes begriffen und erlebt.<br />
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Verknüpft man die Erlebnispädagogik mit dem Thema Ökologie,<br />
so entsteht das Gebiet der Natur-, Wald- und Erlebnispädagogik.<br />
Es rücken sowohl die Selbsterfahrung in der Natur als auch biologische<br />
Themen in den Mittelpunkt. Der Spaß einer Wildwasserfahrt<br />
in einem reißenden Fluss wird verbunden mit einer Biologiestunde,<br />
die Flora und Fauna des Flussbettes zum Inhalt hat.<br />
Ziel der Natur-, Wald- und Erlebnispädagogik ist es, Menschen<br />
den Kontakt zur Natur zu ermöglichen. Die Natur als Gegenüber,<br />
als Lehrmeister, Ratgeber, Trost und Schatz zu erleben. Dabei<br />
gehören nicht nur Kinder, die in ihrer direkten Umgebung keine<br />
Möglichkeit haben, Natur zu erleben, zur Zielgruppe. Die bestehenden<br />
Angebote richten sich an Jeden, der Lust darauf hat, sich<br />
auf die Natur einzulassen.<br />
In unterschiedlichen Schulen, Projekten und Freizeitangeboten<br />
soll die Neugier und die Begeisterung für die Natur (wieder) geweckt<br />
werden. Im Fokus stehen dabei, die Schulung der Wahrnehmung,<br />
die Förderung der Achtsamkeit gegenüber der Natur<br />
und die Steigerung der inneren Balance.<br />
Die Sehnsucht nach dem Ursprung<br />
Mit dieser Zielsetzung unterscheidet sich die Natur-, Wald und<br />
Erlebnispädagogik elementar von kommerziell orientierten Freizeitangeboten,<br />
die dem reinen Vergnügen der Teilnehmer dienen<br />
und häufig eine weitere Zerstörung der letzten Urlandschaften<br />
nach sich ziehen. Die Natur-, Wald- und Erlebnispädagogik hat –<br />
auch wenn das Thema nicht immer unmittelbar im Zentrum der<br />
Projekte steht - den aktiven Umweltschutz als zentrale Aufgabe.<br />
Unsere Gesellschaft ist geprägt von einem Überangebot an Informationen,<br />
Anforderungen und Möglichkeiten. Die Angebote<br />
der Natur-, Wald- und Erlebnispädagogik werden der wachsenden<br />
Sehnsucht nach Einfachheit, Klarheit und Sicherheit gerecht.<br />
Denn es ist die Natur, die uns diese Aspekte lehren und geben<br />
kann: eine Einfachheit, die es uns ermöglicht, Bedeutsames von<br />
Überflüssigem zu unterscheiden; eine Klarheit, die es uns ermöglicht,<br />
unser Leben anhand von eindeutigen Naturgesetzen zu<br />
strukturieren und eine Sicherheit, die es uns ermöglicht, unser<br />
Leben in das große Ganze einzuordnen und einen tieferen Sinn<br />
zu erkennen.<br />
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Natur-, Wald- und Erlebnispädagogen arbeiten sehr unterschiedlich.<br />
In so genannten Natur- und Wildnisschulen werden Erwachsene<br />
zu Wildnistrainern ausgebildet und Mitarbeiter von Firmen<br />
geschult und weitergebildet. Kinder können in Camps Erfahrungen<br />
und Erlebnisse in der Natur sammeln. Häufig treffen sehr<br />
unterschiedliche Menschen aufeinander und bestehen gemeinsame<br />
Abenteuer: sie sammeln Beeren, Pilze, Kräuter, machen und<br />
hüten Feuer, bauen Staudämme oder üben sich in Speerwurf, Bogenschießen<br />
oder in Meditation. Die Natur wird als Rahmen und<br />
Halt erlebt, sie gibt klare und unveränderliche Regeln vor und<br />
bietet im Gegenzug unendliche Erfahrungs- und Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Im Bereich Land-Art werden Seminare und Wochenenden angeboten,<br />
bei denen die Kunst in der Natur und aus Naturmaterialien<br />
im Vordergrund steht. Die Teilnehmer dieser Projekte lernen<br />
Materialien, die die Natur bereithält, kreativ zu nutzen und in<br />
spontane Kunstwerke umzusetzen. Es entstehen vorübergehende<br />
Kunstwerke, die eine Konfrontation mit der Vergänglichkeit<br />
herausfordern und die Demut im Umgang mit der Natur lehren.<br />
Den eigenen Rhythmus zu finden und den Einfluss der Gezeiten<br />
und der Gestirne zu erfahren, den Wald und seine Schätze<br />
als Apotheke zu nutzen und so das Thema Naturheilkunde zu<br />
erleben oder beim Klettern den Respekt vor dem Berg und vor<br />
eigenen Stärken und Grenzen zu erkennen: all diese Themen können<br />
in der Natur-, Wald- und Erlebnispädagogik aufgegriffen und<br />
lebendig und kreativ vermittelt werden.<br />
Wenn die Natur-Wald-Und Erlebnispädagogik ihr Ziel erreicht und<br />
Menschen und Natur einander näher bringt, vielleicht sind Umweltschutz<br />
und der Erhalt der Erde auf einmal erreichbare Ziele,<br />
die mit viel Achtsamkeit und Bewusstsein gelingen können. ■<br />
Literatur<br />
Dreyer E. und Dreyer W. (2009): Der Kosmos-Waldführer: Ökologie, Gefährdung,<br />
Schutz. Franckh-Kosmos Verlag<br />
Louv, R. (2010): Last Child in the Woods - Saving our Children from Nature-Deficite-<br />
Disorder. Atlantic Books<br />
Roeper, M.: Kinder raus. Zurück zur Natur: artgerechtes Leben für den kleinen Homo<br />
sapiens. Südwest Verlag<br />
19
20<br />
Pädagogik<br />
Cybermobbing: Prävention und akute Hilfe<br />
bei Mobbing im Internet<br />
Dr. Torsten Porsch & Dr. Stephanie Pieschl<br />
Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Psychologie<br />
Was ist Cybermobbing?<br />
Im diesem Artikel wird das Phänomen Cybermobbing definiert<br />
und dessen Folgen für Opfer beispielhaft beschrieben. Es wird<br />
darauf eingegangen, was alles präventiv getan werden kann um<br />
Mobbing im Internet zu vermeiden. Dabei werden aber auch Verhaltensregeln<br />
aufgezeigt für den Fall das Cybermobbing bereits<br />
stattfindet. Dieser Artikel beschäftigt sich mit Cybermobbing bei<br />
Kindern und Jugendlichen auch wenn Cybermobbing durchaus<br />
auch im Erwachsenenalter vorkommen kann.<br />
Mit dem Einzug moderner Informations- und Kommunikationstechnologien,<br />
insbesondere der weit verbreiteten Nutzung von<br />
Handy und Internet, findet Mobbing als absichtliches und wiederholtes<br />
diffamieren oder schikanieren von Schwächeren auch in<br />
der digitalen Welt statt. Der wissenschaftliche Diskurs zur begrifflichen<br />
Eingrenzung dieses Phänomens ist noch nicht vollständig<br />
abgeschlossen. Wir verstehen unter Cybermobbing alle Formen<br />
von Schikane, Verunglimpfung, Betrug, Verrat und Ausgrenzung<br />
mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien, bei<br />
denen sich das Opfer hilflos oder ausgeliefert und (emotional)<br />
belastet fühlt (Pieschl & Porsch, im Druck).<br />
In diesem Kontext sind unter Schikane alle Formen von direkter<br />
Beleidigung oder Bedrohung zu verstehen, beispielsweise per<br />
SMS oder E-Mail. Unter Verunglimpfung versteht man die Verbreitung<br />
von Gerüchten, die dem Ansehen eines Cyber-Opfers schaden<br />
können, beispielsweise über soziale Netzwerke. Mit Betrug wird<br />
bezeichnet, dass sich ein Cyber-Täter als sein Cyber-Opfer ausgibt<br />
und sich so verhält, dass es dem Cyber-Opfer schadet, beispiels-<br />
weise im Chat. Verrat heißt, dass ein Cyber-Täter Geheimnisse<br />
des Cyber-Opfers gegen dessen Willen verbreitet, darunter fallen<br />
auch die Verbreitung von (peinlichen) Fotos und Videos. Unter<br />
Ausgrenzung versteht man den systematischen Ausschluss des<br />
Cyber-Opfers aus Online-Gruppen oder –Aktivitäten, beispielsweise<br />
aus Online-Spielen. Cybermobbing kann also vielfältige<br />
Formen annehmen, die auch zusammen auftreten können. Aus<br />
Sicht des Opfers sind solche Vorfälle dann als Cybermobbing zu<br />
verstehen, wenn sie das Opfer belasten. Anhand dieser Auflistung<br />
wird deutlich, dass Cybermobbing nicht zwangsläufig vom Opfer<br />
bemerkt werden muss, sondern hinter dem Rücken der Betroffenen<br />
stattfinden kann.<br />
Auch wenn es viele Gemeinsamkeiten von konventionellen Mobbing<br />
(z.B. in der Schule) und Cybermobbing gibt und häufig die<br />
gleichen Personen involviert sind, ist Cybermobbing eine eigenständige<br />
Form von Mobbing. Dies hat wiederum erhebliche Folgen<br />
für Prävention und Intervention. Die Unterschiede ergeben<br />
sich größtenteils aus der Nutzung moderner Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien bei Cybermobbing (Dooley, Pyzalski<br />
& Cross, 2009; Fawzi, 2009; Pieschl & Porsch, im Druck). Während<br />
konventionelles Mobbing überwiegend in der Schule oder<br />
auf dem Schulweg stattfindet, kann Cybermobbing überall dort<br />
allgegenwärtig sein, wo Kinder und Jugendliche Handys nutzen<br />
oder auf das Internet zugreifen. Fast alle Jugendlichen nutzen<br />
heutzutage Handy, Computer und im Durchschnitt über 2 Stunden<br />
täglich das Internet (Medienpädagogischer Forschungsverbund<br />
Südwest, 2011). Somit gibt es kaum mehr einen Schonraum vor<br />
Cybermobbing. Während konventionelles Mobbing jeweils nur von<br />
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einigen wenigen Personen beobachtet wird, kann Cybermobbing<br />
öffentlich an ein unüberschaubar großes Publikum verbreitet werden.<br />
Was einmal im Internet steht, kann nicht mehr kontrolliert<br />
werden – weder von Cyber-Opfern noch von Cyber-Tätern. Auch<br />
für den Cyber-Täter ergeben sich Besonderheiten des Cybermobbings.<br />
Im Cyberspace kann ein Cyber-Täter häufig anonym bleiben<br />
und bekommt die Reaktionen des Cyber-Opfers – beispielsweise<br />
Mimik, Gestik oder Körpersprache – kaum mit. Somit kann seine<br />
Hemmschwelle und seine Fähigkeit zur empathischen Einfühlung<br />
gesenkt sein. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass<br />
Kinder und Jugendliche einerseits und Erwachsene andererseits<br />
unterschiedliche Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
nutzen. Dadurch gibt es im Internet fast keine Kontroll- und<br />
Aufsichtsmechanismen gegen Cybermobbing. Im Gegensatz dazu<br />
können Lehrer auf dem Schulhof teilweise bei konventionellem<br />
Mobbing eingreifen.<br />
Dass Cybermobbing unter Kinder und Jugendlichen weit verbreitet<br />
ist und mitunter erhebliche Folgen haben kann, zeigen nationale<br />
und internationale Studien. In einer repräsentativen Umfrage<br />
durch Forsa (Techniker Krankenkasse, 2011) haben wir 1000 Schüler<br />
aus Nordrhein-Westfalen im Alter von 14 bis 20 Jahren telefonisch<br />
zum Thema Cybermobbing befragen lassen. Einerseits<br />
zeigte sich, dass die befragten Schüler/innen häufig selbst von<br />
Cybermobbing betroffen sind. 36% waren bereits selbst mindestens<br />
einmal Cyber-Opfer, besonders häufig von Schikane (22%)<br />
und Verunglimpfung (15%). Dem gegenüber gaben 8% der Befragten<br />
zu, schon einmal Cyber-Täter gewesen zu sein und 21%<br />
könnten sich vorstellen, Cyber-Täter zu werden. Dies deckt sich<br />
mit anderen deutschen und internationalen Studien, aufgrund derer<br />
man schließen kann, dass zwischen 20-30% der Schüler/innen<br />
von Cybermobbing betroffen sind (Tokunaga, 2010). Die Folgen<br />
von Cybermobbing und dabei insbesondere die Belastungen der<br />
Opfer hängen im Wesentlichen von der Schwere der Vorfälle, aber<br />
auch deren Dauer ab (Pieschl & Porsch, im Druck).<br />
Für solche schweren Folgen gibt es auch empirische Belege.<br />
Gut 20 Prozent der Opfer von Cybermobbing fühlt sich ernsthaft<br />
durch Cybermobbing belastet (Finkelhor, Mitchell, & Wolak,<br />
2000). Beispielsweise berichteten in der Forsa Umfrage (Techniker<br />
Krankenkasse, 2011) einige Opfer von ernstzunehmenden<br />
psychosomatischen Folgen: Sie konnten schlecht schlafen (17%)<br />
und litten unter Kopf- (10%) und Bauchschmerzen (8%). Viele<br />
sind auch emotional betroffen. Von den Cyber-Opfern waren 70<br />
% wütend, 38 % verletzt, 24 % verzweifelt, 22 % hilflos und<br />
18 % hatten Angst. Vergleicht man Opfer von Cybermobbing mit<br />
anderen Schüler/innen die nicht Opfer geworden sind, so zeigen<br />
sich außerdem eine Reihe von negativen psychischen Folgen: Opfer<br />
von Cybermobbing besitzen weniger Selbstbewusstsein (Tokunaga,<br />
2010), zeigen mehr depressive Symptome, mehr soziale<br />
Ängste, mehr suizidale Gedanken, weisen generell mehr affektive<br />
Störungen auf und sie konsumieren häufiger Drogen (Gradinger/<br />
Strohmeier/Spiel 2009; Hinduja & Patchin, 2010; Klomek/Sourander/Gould<br />
2010; Tokunaga, 2010; Ybarra, 2004; Ybarra & Mitchell,<br />
2004). Cybermobbing hat in der Regel auch Folgen für die Täter,<br />
die Gefahr laufen durch das Betreiben von Cybermobbing selbst<br />
eher Opfer zu werden (Schultze-Krumbholz & Scheithauer, 2009)<br />
und mitunter juristisch belangt zu werden.<br />
Was kann gegen Cybermobbing getan werden?<br />
Es wirksamer Schutz gegen Gefahren im Internet muss beginnen,<br />
bevor Kinder und Jugendliche diesen Gefahren begegnen. Dies<br />
gilt ganz besonders für das Cybermobbing, das erhebliche Folgen<br />
haben kann (Fawzi, 2009). Dabei sind insbesondere Eltern aber<br />
auch das schulische Umfeld gefragt und alle weiteren Berufsgruppen,<br />
die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben (Sozialarbeiter,<br />
Betreuer in Vereinen, etc.).<br />
Die Ausbildung einer kritischen Medienkompetenz scheint ein wesentlicher<br />
Schlüssel zur Vermeidung von Cybermobbing und zur<br />
Eingrenzung dessen Folgen zu sein. Medienkompetenz kann nur<br />
dadurch erworben werden, dass Kinder und Jugendliche frühzeitig<br />
mit Handy und Internet umgehen lernen. Dabei kommt es vor<br />
allem darauf an, wie diese Medien genutzt werden! Es gilt nicht<br />
nur Handy – Apps und Chats technisch bedienen zu können, son-<br />
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dern kritisch die eigene Nutzung der Medien zu reflektieren. Dazu<br />
gehören beispielsweise die umsichtige Preisgabe von persönlichen<br />
Informationen, das Geheimhalten von Passwörtern, sowie<br />
der angemessene und altersgerechte Umgang mit Kommunikationspartnern<br />
im Internet. Eine stützende Begleitung des kritischen<br />
Umgangs mit Medien können auch Eltern oder Lehrer leisten, die<br />
selbst weniger technisches Wissen zur Bedienung und den Inhalten<br />
der Medien haben. Gerade wenn Kinder und Jugendliche in<br />
diesem Bereich als „Experten“ verstanden werden, akzeptieren<br />
sie von Erwachsenen einen kritischen Umgang aufgezeigt zu bekommen.<br />
Dazu gehört auch die Information über die Gefahren des<br />
Cybermobbings und mögliche Verhaltensweisen, wenn Mobbing<br />
im Internet bei anderen beobachtet oder selbst erlebt wird. Es<br />
ist für die Kinder und Jugendlichen notwendig, dass ihnen schon<br />
früh in der Mediensozialisation Strategien an die Hand gegeben<br />
werden, um Cybermobbing im Netz angemessen zu begegnen.<br />
Eine systematische und bereits evaluierte Präventionsmaßnahme,<br />
die einen Schwerpunkt auf die Vermittlung solch kritischer<br />
Medienkompetenz legt, ist das Trainingsprogramm „Surf-Fair“<br />
(Pieschl & Porsch, im Druck). Unterschiedliche Übungen betonen<br />
verschiedene Herausforderungen und Probleme, die in einem Impulsfilm<br />
angesprochen, aber nicht aufgelöst werden. Somit ermöglichen<br />
die Übungen eine Betrachtung von Cybermobbing aus<br />
Perspektiven mehrerer involvierter Personen. Beispielsweise gibt<br />
es Übungen, die auf das Verhalten der Opfer, Täter und Zuschauer<br />
von Cyber-Mobbing fokussieren. Dabei stehen in einem konstruktivistischen<br />
Grundkonzept die Ideen der Kinder und Jugendlichen<br />
selbst im Vordergrund. Es gibt in den meisten Fällen keine universell<br />
„richtige“ Lösung für Cybermobbing. Für unterschiedliche<br />
Situationen können unterschiedliche Lösungen angemessen sein.<br />
Darüber hinaus ermöglicht die sich schnell veränderte Medienlandschaft<br />
immer neue vor allem technische Lösungen. Die Kinder<br />
und Jugendlichen finden im Training mögliche Lösungen und üben<br />
dabei vor allem Medienkritik, also die Mediennutzung kritisch<br />
und ethisch reflektieren.<br />
21
22<br />
Diese offene Herangehensweise ermöglicht ein angstfreies Lernen<br />
und bietet ausreichend Flexibilität um Gelerntes auf sich<br />
ständig ändernde Bedingungen im Internet anzupassen. Eine restriktive<br />
Medienerziehung und ein (vermeintlicher) Schutz von Kindern<br />
und Jugendliche durch unspezifische Nutzungsverbote und<br />
-einschränkungen sind dagegen kontraproduktive Vorgehensweisen,<br />
die dazu führen, dass viele Cyber-Opfer von Cybermobbing<br />
aus Angst vor einem Internet bzw. Handyverbot ihre negativen<br />
Erfahrungen vor Erwachsenen verheimlichen (Staude‐Müller, Bliesener<br />
& Nowak, 2009). Dies wiederum kann Cyber-Opfer weiter<br />
isolieren und die Folgen von Cybermobbing verstärken, sowie das<br />
Wahrnehmen von Cybermobbing, und somit auch die Unterstützung<br />
der Opfer unmöglich machen.<br />
Probleme ernst nehmen:<br />
Wenn es trotz Prävention doch einmal zu Cybermobbing kommt,<br />
brauchen die Cyber-Opfer Unterstützung durch Personen in ihrem<br />
Umfeld, denen sie vertrauen. Kinder und Jugendliche müssen mit<br />
ihren Problemen ernst genommen werden und mit Erwachsenen<br />
über diese reden können, ohne dass sie selbst dabei Konsequenzen<br />
zu fürchten haben. Nur in dieser Atmosphäre des Vertrauens<br />
wird Hilfe wiederholt in Anspruch genommen und auch wirksam<br />
sein. In akuten Fällen von Cybermobbing gibt keine einfache oder<br />
ideale Lösung! Daher sollten die nachfolgend vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen der jeweiligen Situation angepasst und deren Wirkungen<br />
auf die Schulklasse und auf die Situation des Cyber-Opfers<br />
einbezogen werden. Das Vorgehen sollte nicht nur mit den<br />
Betroffenen selbst, sondern auch – je nach Bedarf – mit Eltern,<br />
Lehrern, Schulleitung und gegebenenfalls professionellen Hilfsangeboten<br />
wie Schulpsychologischen Beratungsstellen abgestimmt<br />
werden. Bei leichteren Fällen von Cybermobbing sollte man unbedingt<br />
selbst aktiv werden. Wenn das Cybermobbing jedoch nicht<br />
aufhört, sollten auch Anwälte und Strafverfolgungsbehörden einbezogen<br />
werden. Es kann sich zum Beispiel um ernst zu nehmende<br />
Gewaltandrohungen, Nötigungen oder gar Erpressungen<br />
handeln, wie auch um Situationen, bei denen die Beseitigung<br />
von Spuren des Cybermobbings (z. B. Fotos) Probleme bereitet.<br />
Ein gutes Vorgehen ist folgende Vier-Stufen-Strategie (Porsch,<br />
Pieschl & Hohage 2011):<br />
Beruhigen – Sichern – Melden - Hilfe holen<br />
Als erstes gilt es sich und die Cybermobbing Situation zu beruhigen.<br />
In der Situation innehalten und nachdenken. Jedoch nie<br />
auf Schikane oder andere Attacken im Netz mit ähnlichem Verhalten<br />
antworten, da aggressives Verhalten in der Regel die Situation<br />
verschlimmert. Cybermobbing sollte immer dokumentiert<br />
werden. E-Mails oder SMS<br />
sollten nicht gelöscht,<br />
Screenshots von Beiträgen<br />
/ Bildern auf den Internetseiten<br />
angefertigt werden.<br />
Die gesicherten Informationen<br />
können eventuell<br />
genutzt werden um mit Tätern<br />
und ggf. deren Eltern<br />
sachbezogen zu sprechen<br />
oder auch als konkrete Beweise<br />
herangezogen werden.<br />
Dem Betreiber des<br />
Internetangebotes sollten<br />
Cybermobbing Inhalte, sowie<br />
gegebenenfalls der/die<br />
Täter (Profil, Nickname),<br />
zur Löschung gemeldet<br />
werden. Cyber-Opfer sollten<br />
darüber hinaus Freunden,<br />
Eltern oder anderen<br />
Vertrauenspersonen über<br />
ihre Erfahrungen berichten<br />
und sich bei ihnen Hilfe<br />
holen. Einerseits können<br />
Gleichaltrige emotionale<br />
Unterstützungen leisten<br />
und haben vielleicht Tipps<br />
für technische Lösungen wie beispielsweise Cybermobbing beim<br />
Anbieter gemeldet werden kann. Andererseits sollten in jedem<br />
Fall Erwachsene hinzugezogen werden, da diese besser beurteilen<br />
können, in welchen Situationen weitere professionelle Hilfe nötig<br />
ist. Professionelle Hilfe gibt es an ganz unterschiedlichen Stellen,<br />
beispielsweise bei Schulpsychologischen Beratungsstellen, Erziehungsberatungsstellen,<br />
Jugendämtern und Polizeidienststellen<br />
mit kompetenten Ansprechpartnern. Falls Betroffene im Elternhaus<br />
und in der Schule keine Ansprechpartner finden, können sie<br />
sich auch anonym und kostenfrei von Handy und Festnetz an eine<br />
bundesweite „Nummer gegen Kummer“ (0800 111 0333) wenden<br />
oder sich von Gleichaltrigen im Internet beraten lassen (www.<br />
juuuport.de). ■<br />
Literatur:<br />
Dooley, J. J./Pyzalski, J./Cross, D. (2009): Cyberbullying versus face-to-face bullying. A<br />
theoretical and conceptual review. In: Journal of Psychology 217, H. 4, S. 182–188.<br />
Fawzi, N. (2009): Cyber-Mobbing: Ursachen und Auswirkungen von Mobbing im Internet.<br />
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Finkelhor, D./Mitchell, K. J./Wolak, J. (2000): Online Victimization: A Report on the<br />
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Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2011): JIM-Studie 2011. Jugend,<br />
Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in<br />
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Pieschl, S./Porsch, T. (im Druck): Schluss mit Cybermobbing! Das Trainings- und Präventionsprogramm<br />
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Porsch, T./Pieschl, S./ Hohage, C. (2011): Cybermobbing. In: Techniker Krankenkasse,<br />
Landesvertretung NRW (Hrsg.). Gewalt gegen Kinder. Ein Leitfaden für Früherkennung,<br />
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Schultze-Krumbholz, A./Scheithauer, H. (2009): Social-behavioral correlates of cyberbullying<br />
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Staude-Müller, F./Bliesener, T./Nowak, N. (2009): Cyberbullying und Opfererfahrungen<br />
von Kindern und Jugendlichen im Web 2.0. In: Kinder- und Jugendschutz in Wissenschaft<br />
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Techniker Krankenkasse (2011): Meinungspuls Gesundheit. Forsa-Kurzerhebung „Cyberbullying“.<br />
Tokunaga, R. S. (2010): Following you home from school: A critical review and synthesis<br />
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S. 277–287.<br />
Ybarra, M. L. (2004): Linkages between depressive symptomatology and internet<br />
harassment among young regular internet users. Cyberpsychology & Behavior 7, H. 2,<br />
S. 247– 257.<br />
Ybarra, M./Mitchell, K. (2004): Online aggressor/ targets, aggressors, and target: A<br />
comparison of associated youth characteristics. In: The Journal of Child Psychology<br />
and Psychiatry 45, H. 7, S. 1308–1316.<br />
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Pädagogik<br />
EU, Föderalismus und Pädagogik<br />
Bildungsentwicklung in Deutschland und Europa<br />
Das Deutsche Bildungssystem im Vergleich<br />
Am 13. September 2011 hat die OECD Ihren jährlichen Bericht „Bildung<br />
auf einen Blick“ vorgestellt und veröffentlicht. In dieser Studie<br />
wurde erneut bestätigt, dass das Bildungssystem in Deutschland<br />
im internationalen Vergleich nach wie vor hinterher hinkt.<br />
Besonders schlecht ist es um die schulische Bildung bestellt. Hier<br />
sind die Investitionen des Staates, gemessen am Bruttoinlandsprodukt<br />
sogar gesunken. So kommt Deutschland im internationalen<br />
Vergleich der 36 OECD Staaten nur auf Platz 30. Während im<br />
OECD Mittel je Schüler 7200 US $ im Jahr bereitgestellt werden,<br />
investiert Deutschland umgerechnet nur 5900 US $ je Schüler.<br />
Somit bewegen wir uns in diesem Bereich mit der Tschechischen<br />
Republik sowie der Slowakei auf den letzten Plätzen. Bereits Im<br />
Dezember 2001 haben wir mit der ersten PISA Studie erfahren,<br />
dass wir uns nicht ausruhen können, sondern im internationalen<br />
Vergleich nur Mittelmaß sind. Doch warum ist das zehn Jahre<br />
später immer noch so? Warum sinken die Investitionen, obwohl<br />
Deutschland weiß, wie es um das deutsche Bildungssystem steht?<br />
Die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen sind in<br />
Deutschland nach wie vor stark vom sozialen Status der Eltern<br />
abhängig. In keinem anderen Vergleichsland ist das in diesem<br />
Maße der Fall. Das Bildungssystem scheint nicht in der Lage,<br />
soziale Ungleichheit zu kompensieren. „Obwohl überwiegend in<br />
Deutschland geboren und aufgewachsen, sind Kinder und Jugendliche<br />
mit Migrationshintergrund im Schnitt im Bildungssystem<br />
wesentlich weniger konkurrenzfähig als Kinder ohne Migrationshintergrund.<br />
Die starke Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der<br />
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Sandra Tigges<br />
sozialen Herkunft trifft diese Kinder in besonderem Maße.“<br />
Doch das sind nur zwei der erschreckenden Nachrichten. Laut<br />
OECD Bericht ist der Anteil an Hochqualifizierten kaum gewachsen.<br />
Vor 50 Jahren erwarb in Deutschland knapp jeder fünfte<br />
junge Erwachsene einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss beziehungsweise<br />
einen Meisterbrief. Heute ist es nur noch jeder<br />
vierte. Vor einem halben Jahrhundert lag Deutschland damit im<br />
Mittelfeld. Heute belegen wir damit einen der untersten Plätze.<br />
Dieses ist mit dem Demographischen Wandel sowie einhergehend<br />
mit dem Fachkräftemangel ein großes Problem. Das Bundeskabinett<br />
hat bereits reagiert und seit dem 07.12.2011 den Entwurf<br />
eines Gesetzes „zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie<br />
der Europäischen Union“ beschlossen. Doch wieso schafft es<br />
Deutschland nicht das Bildungssystem so in den Griff zu bekommen,<br />
dass wir mehr Hochqualifizierte aus- und weiterbilden?<br />
Weiterhin hat die OECD in ihrer Studie rausgefunden, dass zwischen<br />
einer positiven Einstellung zur Gesellschaft und Ausbildung<br />
sowie zur allgemeinen Zufriedenheit ein Zusammenhang<br />
besteht. Nur die Hälfte aller Menschen ohne Sekundarausbildung<br />
in Deutschland gab an zufrieden zu sein. Mit Sekundarabschluss<br />
sind es bereits 61 %. Unter den Hochqualifizierten steigt der Anteil<br />
bereits auf 77 %. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen<br />
dem Bildungssystem in Deutschland und der Zufriedenheit<br />
der Bevölkerung. Auch wenn der Trend in allen OECD-Ländern dahin<br />
geht, dass höher gebildete Menschen mit ihrem Leben glücklicher<br />
und zufriedener sind, so ist die Gesellschaft in Deutschland<br />
besonders stark gespalten.<br />
23
24<br />
Bildung prägt gesellschaftliches Verhalten<br />
Anteil 25- bis 64-Jähriger (in %), nach Abschluß<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Dänemark<br />
Deutschland<br />
OECD<br />
Österreich<br />
Schweiz<br />
Tschechien<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Dänemark<br />
Deutschland<br />
Hinzu kommt in diesem Zusammenhang der Punkt Arbeitslosigkeit.<br />
In der Personengruppe mit tertiärem Abschluss ist die Arbeitslosigkeit<br />
in Deutschland so niedrig wie in keiner anderen<br />
Bevölkerungsgruppe. Somit sind 86 % der Absolventen tertiärer<br />
Bildungsgänge beschäftigt und nur 3,4 % erwerbslos. In der Bevölkerungsgruppe<br />
ohne Abschluss im Sekundarbereich II sind 55<br />
% beschäftigt und 16,7 % erwerbslos. Das zeigt deutlich, dass<br />
die Zukunftsaussichten im Bereich der tertiär ausgebildeten wesentlich<br />
höher sind als in anderen Bevölkerungsgruppen. Ähnlich<br />
massive Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen gibt<br />
es unter den OECD-Ländern nur noch in der Tschechischen Republik,<br />
in der Slowakei und in Slowenien.<br />
Doch wie können wir dieser Entwicklung entgegen wirken? Wie<br />
schaffen wir es die Kluft zwischen den Bevölkerungsgruppen zu<br />
minimieren? Wie können wir die Deutsche Gesellschaft in diesem<br />
Zusammenhang glücklicher und zufriedener machen? Wie können<br />
wir erreichen, dass jedem deutschem Mitbürger die beste Bildung<br />
zur Verfügung steht?<br />
Um in diesen Bereichen wirklich voran zukommen muss laut<br />
Andreas Schleicher, Special Advisor on Education Policy to the<br />
OECD's Secretary-General and Head of the Indicators and Analysis<br />
Division (Directorate for Education), in den Schulen ein Arbeitsumfeld<br />
geschaffen werden, dass die „besten Köpfe motiviert in<br />
den Lehrerberuf reinzugehen.“ Lehrer müssen mehr unterstützt<br />
werden, indem sie lernen mehr zu individualisieren und „mit der<br />
Verschiedenheit der Schüler konstruktiver umzugehen.“ Hierzu<br />
zählt für Andreas Schleicher eine Arbeitsorganisation, die mehr<br />
Raum für Kreativität der Lehrer und Schüler schafft. Freiräume<br />
um ein anderes Umfeld zu schaffen, indem gelernt werden kann.<br />
Bildungsziele müssen klar definiert und formuliert sein.<br />
Ein weiteres Thema, Chancengleichheit ist ebenso wichtig für<br />
Schleicher: „Selbst wenn sich dort in Deutschland viel verbessert<br />
hat in den letzten zehn Jahren, gerade bei den Leistungen der<br />
Schüler mit Migrationshintergrund, bleibt da sehr viel zu tun und<br />
ich glaube auch da wird Deutschland langfristig um eine Umorganisation<br />
des Schulwesens nicht herumkommen.“ Darüber hinaus<br />
sind gemeinsame deutsche Bildungsstandards seines Erachtens<br />
ein sehr wichtiges Thema, das jetzt mit Leben gefüllt werden<br />
muss.<br />
OECD<br />
Österreich<br />
Schweiz<br />
Tschechien<br />
Dänemark<br />
Deutschland<br />
OECD<br />
Österreich<br />
Wahlbeteiligung Zufriedenheit Ehrenamtliche Tätigkeit<br />
Schweiz<br />
Tschechien<br />
Wie viel Zentralisierung braucht das Deutsche<br />
Bildungssystem?<br />
Sechzehn Bundesländer, sechzehn verschiedene Bildungssysteme,<br />
tausende verschiedene Lehrpläne - das ist die Realität des<br />
deutschen Bildungssystems heute. Hinzu kommen unzählige unterschiedliche<br />
Schulformen und Hochschulgesetze. In dem einen<br />
Land werden Studiengebühren erhoben, im anderen nicht. Jedes<br />
Bundesland legt seine Schulformen und Lehrerausbildungen selber<br />
fest. Wie soll man da noch durchsteigen, wenn ein Lehrer aus<br />
Hamburg nicht in München unterrichten darf, weil sein Studium<br />
anderen Studieninhalten unterlag? Wenn für einen Schüler der<br />
Umzug von Berlin nach Baden-Württemberg zur Bildungs- Katastrophe<br />
wird? Willkommen, im deutschen Bildungs- Föderalismus.<br />
Dr. Ludwig Spaenle, Bayrischer Staatsminister für Unterricht und<br />
Kultur fordert, dass Mobilität und Bildung nicht miteinander kollidieren<br />
darf. Familien dürfen nicht darunter leiden, wenn sie umziehen.<br />
„Kinder müssen ihren Weg erfolgreich fortsetzen können.<br />
Deshalb brauchen wir die Vergleichbarkeit von Abschlussprüfungen,<br />
insbesondere beim Abitur.“<br />
Es darf nicht sein, dass ein Abitur in München mehr Wert ist als<br />
ein Abitur in Hamburg oder Bremen. An Hochschulen gilt in vielen<br />
Fächern noch der Numerus Clausus über den die begehrten Studienplätze<br />
vergeben werden. „Wir wissen (…), es besteht bis zu<br />
zwei Schuljahren Unterschied an Wissen für die gleiche Schulnote<br />
in verschiedenen Bundesländern.“ So Prof. Dr. Ludger Wößmann,<br />
Bereichsleiter Humankapital und Innovation am ifo Institut für<br />
Wirtschaftsforschung. „Hochschulen sind gezwungen Abiturnoten<br />
aus verschiedenen Bundesländern als vergleichbar anzusehen.“<br />
Herr Wößmann ist einer der Befürworter eines deutschen<br />
Kernabiturs. Der vbw Präsident Prof. Randolf Rodenstock geht<br />
noch einen Schritt weiter und fordert über ein vergleichbares Abitur<br />
zwischen den Bundesländern hinaus, „deutsches Abitur als<br />
Marke“, das deutlich über dem Niveau liegt. Kernabitur, Abitur als<br />
Marke, reicht das aus? Wir müssen erst innerhalb Deutschlands<br />
eine Einheit bilden, jedem Bundesbürger gute Bildung ermöglichen,<br />
Chancengleichheit gewähren. Alle Bundesländer müssen<br />
sich an einen Tisch setzen und eine gemeinsame Bildungspolitik<br />
und Bildungsstandards erarbeiten. Bayern und Niedersachsen<br />
sind diesbezüglich bereits im Gespräch. Im Anschluss daran, können<br />
wir auf Europäischer Ebene mit ins Boot steigen und aus dem<br />
Vergleichskeller der OECD Studie emporsteigen.<br />
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50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Ausbildung unterhalb<br />
Quelle: OECD.org
Europäische Bildungsabkommen<br />
In der Kopenhagener Erklärung, die im November 2002 durch die<br />
Bildungsministerinnen und Bildungsminister von 31 europäischen<br />
Ländern sowie durch Sozialpartner und die Europäische Kommission<br />
gebilligt wurde, geht es um die europäische Zusammenarbeit<br />
bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Hier wurden folgende<br />
Themenfelder definiert:<br />
• Stärkung der europäischen Dimension der beruflichen Bildung,<br />
• Verbesserung der Transparenz in Bezug auf nationale Systeme<br />
einerseits und berufsqualifizierende Abschlüsse andererseits,<br />
• Erarbeitung gemeinsamer Instrumente zur Qualitätssicherung<br />
in der Berufsbildung,<br />
• Entwicklung von Grundsätzen zur Validierung von informell<br />
und non-formal erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen<br />
sowie<br />
• eine verstärkte internationale Zusammenarbeit in einzelnen<br />
Wirtschaftssektoren.<br />
Haben die Bildungsminister, die diese Erklärung unterzeichnet<br />
haben vorher mit allen Bildungssenatoren gesprochen um sich ein<br />
Bild von der deutschen Bildungslandschaft zu machen. Haben Sie<br />
vorher analysiert, wie sie diese Ziele in einem Land erreichen können,<br />
indem jedes Bundesland eine eigene Politik verfolgt? Wie<br />
sollen diese Zeile erreicht werden?Es wird sich innerhalb der Europäischen<br />
Union regelmäßig getroffen, um auf europäischer Ebene<br />
an einem gemeinsamen Wirtschaftswachstum zu arbeiten. In der<br />
sogenannten Lissabon Strategie, die im März 2000 verabschiedet<br />
wurde geht es darum die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten<br />
und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum<br />
der Welt zu entwickeln. Dafür spielt Bildung natürlich eine essentielle<br />
Rolle, denn ohne Bildung gibt es auch keine Hochqualifizierten.<br />
Dieses Ziel sollte bis 2010 erreicht sein.<br />
Die sogenannte Lissabon-Strategie, die bis 2010 angelegt war, hat<br />
einen Nachfolger gefunden: Die „Strategie Europa 2020“. Diese<br />
steht für „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“.<br />
Im Bereich Bildung geht es darum, dass der Anteil der 18- bis 24<br />
Jährigen ohne Abschluss im Sekundarbereich II, die sich nicht<br />
in weiteren Aus- und Weiterbildungen befindet unter 10 % gesenkt<br />
werden soll. Um mindestens 40 % erhöht werden, soll der<br />
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Anteil der 30- bis 34- Jährigen mit tertiärem oder vergleichbaren<br />
Abschluss. Darüber hinaus wurde als Ziel in dieser Strategie<br />
festgelegt, dass der Anteil der Schulabbrecher auf unter 10 %<br />
abgesenkt werden soll. Mindestens 40 % der jüngeren Generation<br />
sollen einen Hochschulabschluss haben. 75 % der Bevölkerung<br />
im Alter von 20 bis 64 Jahren sollen in Arbeit stehen. Dieses soll<br />
z.B. durch vermehrte Einbeziehung der Frauen und älteren Arbeitnehmer<br />
sowie die bessere Eingliederung von Migranten geschehen.<br />
Doch beißt sich die Katze hier nicht in den Schwanz? Denn<br />
ohne eine einheitliche Bildungspolitik mit Reformen, die das<br />
Schulsystem deutschlandweit angleicht, die Lehrerausbildungen<br />
verbessert und Chancengleichheit herstellt, egal aus welcher sozialen<br />
Schicht oder Herkunftsland man kommt, können diese europäischen<br />
Ziele in Deutschland vorerst nicht erreicht werden. ■<br />
Literaturverzeichnis:<br />
Aktionsrat Bildung 2011: TV-Beitrag zur Bildungsentwicklung auf Schulebene: Einführung<br />
Kernabitur, Sicherung nationaler Standard http://www.vbw-bayern.de/agv/vbw-<br />
Bildung-Bildung_ganzheitlich_gestalten-Publikationen-Jahresgutachten_des_Aktionsrats_Bildung_Bildungsreform_200020102020--14852,ArticleID__18104.htm<br />
Zugriff am 16.12.2011<br />
Bundesregierung 2011. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2011/12/2011-<br />
12-07-blaue-karte-kommt.html Zugriff am 22.12.2011<br />
EU Bildungspolitik. http://www.eu-bildungspolitik.de/berufliche_bildung_24.html Zugriff<br />
am 22.12.2012<br />
Europa 2020. http://www.eu-bildungspolitik.de/strategie_europa_2020_215.html Zugriff<br />
am 22.12.2012<br />
Lissabon Strategie http://www.eu2007.de/de/Policy_Areas/European_Council/Lissabon.<br />
html<br />
Zugriff am 22.12.2012<br />
OECD, Bildung auf einen Blick 2011: OECD-Indikatoren<br />
o.V. 6. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland. http://<br />
www.bundesregierung.de/Content/DE/Publikation/IB/Anlagen/ausl_C3_A4nderbericht-<br />
6-teil-II,property=publicationFile.pdf Zugriff am 22.12.2012<br />
Schleicher, Andreas (Special Advisor on Education Policy to the OECD's Secretary-General<br />
and Head of the Indicators and Analysis Division, zuständig für die internationale<br />
Bildungsstudie beim OECD): NDR Info Podcast, Interview vom 12.11.2011. http://www.<br />
ndr.de/info/podcast2984.html Zugriff am 22.12.2011<br />
Stanat, Artelt, Baumert, Klieme, Neubrand, Prenzel, Schiefele, Schneider, Schümer,<br />
Tillmann, Weiß: PISA 2000: Die Studie im Überblick, Grundlagen, Methoden und Ergebnisse.<br />
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Berlin 2002. http://www.mpib-berlin.<br />
mpg.de/Pisa/PISA_im_Ueberblick.pdf Zugriff am 22.12.2011<br />
Weishaupt, Prof. Dr. Horst (DIPF Bildungsforschung und Bildungsinformation): NDR<br />
Interview vom 13.11.2011.<br />
http://www.dipf.de/de/audiodateien/aktuelles/ndr-interview-weishaupt-oecd-bericht-13.9.2011/view<br />
Zugriff am 16.12.2011<br />
25
26<br />
Rezensionen<br />
András Wienands<br />
Einführung in die körperorientierte<br />
systemische Therapie<br />
Pascale Schmidt<br />
Welcher Praktiker<br />
kennt es nicht: Das<br />
Gefühl, es muss<br />
doch mehr als Sprache<br />
geben... Wie<br />
gut, dass wir auch<br />
über einen Körper<br />
verfügen. Und wie<br />
schön, dass es jetzt<br />
eine Einführung für<br />
körperorientiertes<br />
Arbeiten im systemischen<br />
Feld gibt!<br />
Der Berliner Diplom-<br />
Psychologe András<br />
Wienands legt nach<br />
seinem Erstling<br />
„Choreographien der<br />
Seele“ ein einführendes<br />
Kompendium<br />
zur Integration des<br />
Körpers ins systemische<br />
Arbeiten vor. Erfahrungen sind Grundlagen des Lernens<br />
– diese durch moderne Neurobiologie bestätigte - Hypothese<br />
greift Wienands auf und nutzt sie zur systemischen Arbeit mit<br />
dem Körper. Physiologische Prozesse wie Atmung, Bewegung<br />
und Energie können nach Wienands in Verbindung mit Emotionen<br />
zu einem neuen Weg der systemischen Praxis führen.<br />
Wie, das zeigt dieser stringente, theoretisch gut verständliche<br />
Einführungsband auf praktisch bereichernde Weise.<br />
In den ersten beiden Abschnitten des Bandes erfolgt eine kurze<br />
und mit vielen Beispielen illustrierte Einführung in die zentralen<br />
systemischen und körpertherapeutischen Methoden. Fundiert<br />
und eingängig werden die unterschiedlichen Ansätze und<br />
Interventionen in einem kompakten Überblick beschrieben. In<br />
der Folge werden die vorgestellten Interventionen anhand eines<br />
längeren Fallbeispiels ausführlicher dargestellt.<br />
Eindrucksvoll ist die Verknüpfung der systemischen Grundhaltung<br />
mit den energetischen Prinzipien der Körpertherapie.<br />
Energie in Form von Bewegung, Stimme und Ausdruck zu nutzen,<br />
um das therapeutische Geschehen auch in seinen emotionalen<br />
Qualitäten lebendiger zu gestalten, kann so als große<br />
Bereicherung genutzt werden. Mit dem Körper lassen sich auf<br />
einer motorischen Ebene Möglichkeiten nutzen, die auf der psychischen<br />
oder/und seelischen nicht bzw. noch nicht zugänglich<br />
sind. Der Körper wird zum Wegbereiter von Lösungsmustern,<br />
d.h. lösender Reaktionsweisen – er bahnt sich gewissermaßen<br />
(neuronal) alternative Lösungen. Gerade weil es sich dabei<br />
nicht um kognitive Lösungen handelt, sondern um Lösungsbewegungen,<br />
d.h. emotional-motorische Lösungen, die als neue<br />
Erfahrungen ein nachhaltiges Lernen ermöglichen, bietet dieser<br />
Ansatz lebendige Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
So archaisch-einfach es in seiner Handhabung anmuten mag,<br />
so erlebnisintensiv und beeindruckend sind die Ergebnisse –<br />
und dieses Buch lässt den Leser auf plastische Weise an dieser<br />
Expedition in das Körperunbewusste teilhaben. ■<br />
András Wienands, Einführung in die körperorientierte systemische Therapie<br />
Carl-Auer-Verlag, Heidelberg 2010,<br />
127 Seiten, ISBN-13: 978-3896706041, 12,95 Euro ‐<br />
Ludger M. Hermanns (Hg.)<br />
Spaltungen in der Geschichte<br />
der Psychoanalyse<br />
Christin Schneider<br />
Der vorliegende Text, herausgegeben von Ludger M. Hermanns<br />
und neu aufgelegt 2011, dokumentiert zusammenfassend die<br />
Beiträge der 5. Tagung der internationalen Vereinigung für Geschichte<br />
der Psychoanalyse 1994 in Berlin.<br />
Der Tagungsband mit dem Titel Spaltungen in der Geschichte<br />
der Psychoanalyse - so auch der Tagungstitel - enthält die Beiträge<br />
von teilnehmenden FachreferentInnen zum Thema Spaltung<br />
in der Psychoanalyse, vereint verschiedene Blickwinkel<br />
auf das Thema.<br />
Von den Spaltungen der großen Vertreter wie zum Beispiel C.G.<br />
Jung von seinem Lehrer Sigmund Freud, über regionale und internationale<br />
Unterschiede werden auch strukturelle Spaltungen<br />
in der Geschichte der Psychoanalyse besprochen.<br />
Die Lektüre eignet sich hervorragend für Leser, die sich in die<br />
Geschichte der Psychoanalyse einarbeiten oder vertiefen sowie<br />
an aktuellen Themen und Geschehen im Bereich der Psychoanalyse<br />
Interessierte. Spaltungen in der Geschichte der Psychoanalyse<br />
waren und sind auch noch - fast 20 Jahre nach der<br />
Tagung in Berlin - ein aktuelles sowie anregendes Thema das<br />
zur Reflektion und Integration der verschiedenen Strömungen<br />
beitragen kann!<br />
Mit Beiträgen von Mauricio Abadi, Hermann Beland, Werner<br />
Bohleber, Thierry Bokanowski, Janine Chasseguet-Smirgel, Pier<br />
Claudio Devescovi, Friedrich-Wilhelm Eickhoff, Mario Erdheim,<br />
Lilli Gast, Bèla Grunberger, André Haynal, Klaus Heinrich, Ludger<br />
M. Herrmanns, Robert D. Hinshelwood, Regine Lockot, Peter<br />
Looewenberg, Alain de Mijolla, Sophie de Mijolla-Mellor,<br />
Malcolm Pines, Jacques Schotte, Nelli L. Thompson und Gerhard<br />
Wittenberger. ■<br />
Ludger M. Hermanns (Hg.):<br />
Spaltungen in der Geschichte der Psychoanalyse,<br />
Psychosozial-Verlag(Gießen), 2011, 298 Seiten, ISBN 978-3-8379-2138-0, D: 29,90 ‐<br />
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Rezensionen<br />
Monika Wieber<br />
Domino und die Angst<br />
Die Sozialpädagogin und<br />
systemische Familientherapeutin<br />
legt mit den beiden<br />
Titeln „Warum bist<br />
du so wütend Löwe“ und<br />
„Domino und die Angst“<br />
praktische Arbeitshilfen<br />
für mit Kindern arbeitende<br />
Therapeuten vor, das<br />
sich als therapeutisches<br />
Bilderbuch versteht. In<br />
großen von der Autorin gestalteten<br />
Aquarellen wird<br />
die Geschichte von dem<br />
Hund Domino erzählt, der<br />
andere Tiere zu ihren Gefühlen<br />
wie Wut oder Angst<br />
befragt. Die Tiere berichten<br />
in einfach formulierten<br />
und leicht verständlichen<br />
Texten, wie sie sich in unterschiedlichen Situationen verhalten.<br />
So können die jungen Betrachter sich klar machen, dass unterschiedliche<br />
Tiere sehr unterschiedlich mit dem doch eigentlich<br />
gleichen Gefühl umgehen – während sich das eine Tier versteckt,<br />
wenn es Angst hat, reagiert das andere Tier aggressiv<br />
oder sogar vermeintlich gelassen, weil es sich seiner Stärke<br />
bewusst ist.<br />
Das Buch kann so als Arbeitshilfe in therapeutischen Settings<br />
dienen und bietet Kindern die Möglichkeit sich so wie es für sie<br />
stimmig ist mit Gefühlen auseinanderzusetzen. Im Anhang der<br />
Bücher stellt die Autorin Anregungen für die praktische Arbeit<br />
vor.<br />
Die Bücher wenden sich an Praktiker und können so die theoretische<br />
Auseinandersetzung ergänzen. Es eignet sich neben<br />
therapeutischen Settings auch für die pädagogische Arbeit mit<br />
Kindern von ca. 4 bis 7 Jahren. ■<br />
Monika Wieber<br />
Domino und die Angst<br />
Iskopress, 47 Seiten, ISBN-13: 978-3894033491, 19.50 ‐<br />
Warum bist du so wütend Löwe?<br />
Iskopress, 47 Seiten, ISBN-13: 978-3894033439, 19.50 Euro‐<br />
Harald Walach<br />
Weg mit den Pillen<br />
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Selbstheilung oder warum wir für unsere Gesundheit<br />
Verantwortung übernehmen müssen - Eine Streitschrift<br />
gegen die pharmazeutische Industrie -<br />
Harald Walach, einer<br />
der führenden Köpfe<br />
in der Komplementärmedizin,<br />
hilft Patienten,<br />
Verantwortung<br />
für ihren Körper zu<br />
übernehmen. In seinem<br />
aktuellen Buch,<br />
„Weg mit den Pillen“<br />
zeigt er Alternativwege<br />
auf, die den Patienten<br />
aus der Rolle<br />
des passiven Empfängers<br />
medizinischer<br />
Interventionen befreien.<br />
Er kritisiert das<br />
Gesundheitssystem,<br />
in dem Krankheit oft<br />
als technische Panne<br />
und Heilung als mechanische<br />
Reparatur<br />
verstanden wird. Dies<br />
rührt daher, dass die<br />
Entwicklung neuer<br />
Medikamente mit der<br />
Heilung von Krankheiten<br />
gleichgesetzt wird. Darüber hinaus trägt die Pharmabranche<br />
das Ihrige dazu bei, diese Vorstellungswelt zu bestärken.<br />
Experten warnen jedoch vor Kostenexplosionen. Höchste Zeit<br />
also, sich von bequemen Denkmustern zu verabschieden.<br />
Ein aufrüttelndes Buch und ein engagiertes Plädoyer für die<br />
Kraft der Selbstheilung sowie eine entschiedene Kampfansage<br />
an die Dominanz der pharmazeutischen Industrie.<br />
Harald Walach ist klinischer Psychologe, Philosoph und Wissenschaftshistoriker.<br />
Er lehrte einige Jahre als Dozent an der<br />
Universität Freiburg, wo er eine Forschungsgruppe für Komplementärmedizin-<br />
und Naturheilkundeforschung maßgeblich mit<br />
aufbaute.<br />
2010 wurde er an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/<br />
Oder zum Professor für Forschungsmethodik komplementärer<br />
Medizin und Heilkunde ernannt.<br />
Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die<br />
Wirkung von Spiritualität und Achtsamkeitsmeditationen auf<br />
die Gesundheit sowie die Entstehung des Placebo-Effekts.<br />
Neben zahlreichen Fachpublikationen ist „Weg mit den Pillen!“<br />
sein erstes populärwissenschaftliches Buch. ■<br />
Harald Walach<br />
Weg mit den Pillen<br />
Selbstheilung oder warum wir für unsere Gesundheit<br />
Verantwortung übernehmen müssen – Eine Streitschrift<br />
Irisiana Verlag, 224 Seiten, ISBN: 978-3-424-15080-3, ‐ 17,99 Euro [D]<br />
27
28<br />
Heilkräfte der Natur – Unsere Heilpflanzen<br />
Fenchel<br />
Fenchel (Foeniculum vulgare)<br />
ist eine seit Jahrhunderten bekannte und<br />
weit verbreitete Arznei-, Gewürz- und<br />
Gemüsepflanze. Neben Kamille und Pfefferminze<br />
gehört Fenchel zu den meistgebrauchten<br />
Magenheilpflanzen. Ursprünglich<br />
aus dem Mittelmeerraum stammend,<br />
benötigt er zum Wachsen warme und<br />
sonnige Standorte sowie nährstoffreichen<br />
und lehmigen Boden. Fenchel ist eine<br />
zweijährige, krautige Pflanze die zu der<br />
Familie der Doldenblütler gehört und eine<br />
Wuchshöhe von bis zu zwei Metern erreichen<br />
kann. Die Pflanzenstängel, die sich<br />
in den oberen Teilen stark verzweigen,<br />
haben eine bläulich-grüne Farbe die einen<br />
typischen würzigen Geruch abgeben.<br />
Oben an den Pflanzenstängeln treiben<br />
kleine Blattbüschel und Blütenstängel,<br />
an denen in großen Dolden die Blüten<br />
sitzen. Die Blütezeit der gelblichen Doldenblüte<br />
liegt zwischen Juli und Oktober.<br />
Die Samen, die aus den Blüten wachsen,<br />
reifen im September. Sie samenähnlichen<br />
Früchte sowie die Wurzel können als Gewürz<br />
verwendet und in der Heilkunde eingesetzt<br />
werden. Des Weiteren kann die<br />
fleischige Knolle als bekömmliches Gemüse<br />
gegessen werden.<br />
Anwendungsgebiete<br />
In seiner Eigenschaft als Heilpflanze wird<br />
Fenchel vor allem aufgrund seiner krampflösenden,<br />
blähungstreibenden sowie magenstärkenden<br />
Wirkung geschätzt. Daher<br />
findet er seinen Hauptanwendungsbereich<br />
bei Magen-Darm-Beschwerden.<br />
Des Weiteren wird ihm eine antiseptische<br />
sowie schleimlösende Wirkung zugesprochen<br />
und er kann deswegen auch zur<br />
Behandlung der oberen Atemwege eingesetzt<br />
werden. Fenchel fördert außerdem<br />
die Milchbildung bei stillenden Müttern.<br />
Die wichtigsten Hauptinhaltsstoffe der<br />
Fenchelfrüchte sind die ätherischen Öle,<br />
die zu etwa 70-80% aus Anethol und zu<br />
15% aus Fenchon bestehen.<br />
Zubereitung<br />
Fenchel wird besonders gerne als Teezubereitung,<br />
oft auch in Kombination mit<br />
Kümmel, Anis oder Koriander bei Magenbeschwerden<br />
eingesetzt. Für die Zubereitung<br />
eines Fenchel-Tees werden 1-2<br />
Teelöffel der frisch angestoßenen Fenchelfrüchte<br />
mit einer Tasse kochendem<br />
Wasser übergossen und 10 Minuten ziehen<br />
gelassen.<br />
Alice Piel<br />
Nebenwirkungen<br />
In seltenen Fällen kann es zu allergischen<br />
Reaktionen auf Fenchel kommen, die zu<br />
Beschwerden in den Atemwegen und auf<br />
der Haut führen können. Reines Fenchelöl<br />
sollte in der Schwangerschaft sowie bei<br />
Säuglingen und Kleinkindern nicht angewendet<br />
werden. Bei Säuglingen und<br />
Kleinkindern kann reines Fenchelöl Erregungszustände<br />
und akute Atemnot hervorrufen.<br />
Grundsätzlich gilt:<br />
Unsere Pflanzenmonographien ersetzen<br />
keine heilkundliche Behandlung. Befragen<br />
Sie daher vor der Anwendung stets<br />
Ihren Arzt, Apotheker oder Helpraktiker. ■<br />
Literatur:<br />
Rippe, O./Madejsky, M.: Die Kräuterkunde des Paracelsus.<br />
Therapie mit Heilpflanzen nach abendländischer<br />
Tradition. AT Verlag, Baden und München 2006.<br />
http://www.natur-lexikon.com/Texte/MZ/002/00199-<br />
Fenchel/MZ00199-Fenchel.html (13.12.2011)<br />
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Einrichtungsportrait<br />
campus Naturalis eröffnet größtes Zentrum in Berlin<br />
„Lange haben wir gesucht – nun ist es endlich soweit.“ sagt freudestrahlend<br />
Geschäftsführerin Alexandra Müller-Benz. „Wir mussten<br />
im letzten Jahr schon häufig Gruppen auslagern, weil wir mit<br />
unseren Räumen an die Kapazitätsgrenze gestoßen waren. Es war<br />
daher klar, dass wir uns vergrößern können und wollen.“ Seit<br />
2006 schon sind die campus naturalis Akademien im beschaulichen<br />
Nikolaiviertel direkt an der Spree angesiedelt, nachdem<br />
sie vorher einige Jahre in Potsdam am Heiligen See gearbeitet<br />
hatten. „Der Spree bleiben wir treu.“ so Alexandra Müller-Benz<br />
„Wir haben wenige Kilometer spreeaufwärts vom jetzigen Standort<br />
entfernt den idealen Standort gefunden.“<br />
Eröffnung im Juli 2012<br />
Die neuen Räume des campus Naturalis eröffnen im Juli 2012<br />
ihre Pforten zentral gelegen im Friedrichshain, der neue Standort<br />
ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln perfekt zu erreichen. Auf der<br />
über 1.000 m‐ großen Seminarfläche finden Teilnehmende großartige<br />
Arbeitsbedingungen vor. Die loftig-hohen Räume, die nach<br />
neusten ökologischen Standards gebaut werden, bieten mit ihren<br />
riesigen Fensterflächen ansprechende helle Räume mit spannenden<br />
architektonischen Details.<br />
Bis Ende Juni haben die Berliner campus Mitglieder noch Zeit<br />
sich von den jetzigen ebenfalls sehr schönen Räumen zu verabschieden:<br />
der Weiterbildungsalltag geht dort natürlich wie bisher<br />
weiter. Das insgesamt über 4.500 m‐ große Gebäude wird im mediterranen<br />
Stil genau auf den Bedarf der neuen Bewohner zugeschnitten.<br />
Es entsteht auf einer der letzten urbanen Freiflächen<br />
und schließt damit eine der wenigen Baulücken in Friedrichshain.<br />
Bereits in der Planungsphase wurde zum einen größter Wert auf<br />
den Dialog des neuen Gebäudes mit der Bestandsbebauung sowie<br />
ökologische Aspekte gelegt, so dass auch in der Realisierung<br />
stets der Nachhaltigkeitsgedanke im Vordergrund steht. Noch<br />
wird an dem neuen Gebäude auf Hochtouren gearbeitet, damit im<br />
Juli auch alles für die campus Naturalis Akademien und die anderen<br />
neuen Bewohner bereit steht. In dem neu erbauten Gebäude<br />
wird neben den campus Naturalis Akademien ein zertifiziertes<br />
Biohotel einziehen, in dem Teilnehmende vergünstigt wohnen<br />
und im angegliederten Restaurant essen können.<br />
Die neuen Nachbarn der campus Naturalis Akademien<br />
Das neue Bio-Hotel empfängt seine Gäste vom kreativen Geist<br />
der pulsierenden Weltstadt Berlin inspiriert: modern – kreativ –<br />
global – lebendig. Das Hotel bietet 60 Zimmer, die mit natürlichen<br />
Materialien modern und individuell eingerichtet sind, verschiedene<br />
Kategorien vom gut ausgestatteten Standardzimmer bis hin<br />
zum großzügigen Appartement sowie einen urbanen Wellness-<br />
campus Spiegel · Redaktion Berlin · Telefon: 030 / 24 63 98 95 · www.campusnaturalis.de · Berlin · Frankfurt am Main · Hamburg · München<br />
und Spabereich hoch oben über den Dächern Berlins. Im angegliederten<br />
Bio-Restauarent genießen Gäste delikate, sinnlich-aufregende<br />
Speisen aus der vegetarischen Bioküche.<br />
Hier begegnen sich Ethik und Ästhetik:<br />
„Wir glauben an die Individualität eines jeden Menschen, gleichzeitig<br />
sind wir fest davon überzeugt, dass der respektvolle und<br />
ressourcenorientierte Umgang miteinander und mit unserer Umwelt<br />
den Schlüssel für eine gute Zukunft bedeutet. Wertschätzung<br />
und Nachhaltigkeit sind die Basis für den Umgang mit unseren<br />
Gästen und im Team. Gleichzeitig wissen wir, dass Offenheit und<br />
neue inspirierende Eindrücke wichtige Elemente unseres Lebens<br />
sind. Eine außergewöhnliche und ästhetische Umgebung bietet<br />
einen gelungenen Rahmen<br />
hierfür. Wir heißen<br />
Sie daher willkommen in<br />
einem Team, das jederzeit<br />
respektvoll und werteorientiert<br />
miteinander und<br />
mit Gästen umgeht - und<br />
in einer Umgebung des<br />
individuellen und organischen<br />
Designs gepaart mit<br />
sinnlichen und ethischen<br />
Genüssen.“ so das Team<br />
des neuen Biohotels.<br />
Als weiteres Bonbon für alle Berlin-Liebhaber: Bis April 2012 bietet<br />
das neue Hotel ein begrenztes Kontingent Zimmer zum Pre-<br />
Opening Spezialpreis an. Buchbar ab 15.02.2012. ■<br />
Weitere Infos finden Sie unter:<br />
www.campusnaturalis.de/partner_biohotel.php<br />
Begleiten Sie uns beim Umzug: Schnappschüsse und Neuigkeiten<br />
zu unseren neuen Räumen finden Sie unter:<br />
http://de-de.facebook.com/campusNaturalis .<br />
Unter allen Fans verlosen wir im Juni 2012 einen Berlinstädtetrip<br />
mit Seminar! Werden Sie unser Fan auf facebook und bleiben Sie<br />
informiert!<br />
campus Naturalis<br />
Akademien für Ganzheitliche Gesundheitsbildung GmbH<br />
Zentrale und Zentrum Berlin:<br />
fon: 030 - 24 63 98 95<br />
fax: 030 - 24 63 98 97<br />
bis 30.06.2012<br />
Spreeufer 5, 10178 Berlin<br />
Ab 01.07.2012<br />
Holteistraße 22, 10245 Berlin<br />
29
30<br />
Kurz notiert<br />
Pädagogik<br />
Symposium<br />
Hamburg 2012<br />
Nur noch wenige Restplätze<br />
1. Pädagogisches<br />
campus<br />
Symposium<br />
Am 16. Februar 2012 findet das erste „pädagogische<br />
campus Symposium“ in Hamburg<br />
statt. Zahlreiche Fachvorträge und<br />
Workshops renommierter Redner aus ganz<br />
Europa bieten dem Fachpublikum aktuelle<br />
Themen wie professionelle Hilfe bei Mobbing,<br />
interkulturelle Arbeit, Stärkung von<br />
Kindern und Jugendlichen vor Übergriffen.<br />
Netzwerken Sie in Vorträgen und Workshops<br />
mit renommierten Vertreter/innen<br />
aus Forschung, Praxis und Politik zu den<br />
Themen „Pädagogik für das 21. Jahrhundert“<br />
und „Interkulturelle Kompetenz in<br />
der Pädagogik“.<br />
Wir laden alle Lehrer/innen, Erzieher/innen,<br />
Sozialpädagog/innen, Vertreter/innen aus<br />
Politik und Verwaltung sowie alle interessierten<br />
Menschen, die sich mit dem Thema<br />
Pädagogik befassen zu informativen Fachvorträgen,<br />
zahlreichen Workshops sowie<br />
zu einer abschließenden Podiumsdiskussion<br />
unter der Leitung von Funkhaus Europa<br />
Moderator Niko Aslanidis herzlich ein.<br />
Termin: Donnerstag, den 16.02.2012<br />
Uhrzeit: 09.00 – 18.00 Uhr<br />
Ort: Stiftung Bürgerhaus Wilhelmsburg,<br />
Mengestraße 20, 21107 Hamburg<br />
Teilnahmegebühr:<br />
35,- Euro / ermäßigt 30,- Euro<br />
Sichern Sie sich Ihren Restplatz unter:<br />
www.campusnaturalis.de/Symposium/<br />
symposium_programm.pdf ■<br />
ICD-10-GM:<br />
Neufassung 2012<br />
Der ICD-10-GM ist die einheitliche Grundlage<br />
für die Verschlüsselung von Diagnosen<br />
im ambulanten wie stationären<br />
Bereich. Der aktuelle ICD-10-GM<br />
findet sich auf der Homepage des Deutschen<br />
Instituts für Medizinische Dokumentation<br />
und Information (DIMDI)<br />
als Online-Version zum <strong>Download</strong>.<br />
Hier finden Sie auch weitere wichtige Informationen und Änderungen:<br />
www.dimdi.de/dynamic/de/klassi/downloadcenter/icd-10-gm/version2012/ ■<br />
Nachhaltige Wirksamkeit der Psycho-<br />
therapie wissenschaftlich nachgewiesen<br />
Psychotherapie ist nachhaltig wirksam.<br />
Mehr als 60 Prozent der Patienten, die<br />
sich bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten<br />
behandeln lassen, geht es danach<br />
wesentlich besser. Die Wirkung der<br />
psychotherapeutischen Behandlung ist<br />
langfristig messbar: Selbst ein Jahr nach<br />
Abschluss der Behandlung nehmen die<br />
seelische Belastungen, die zu einer Psychotherapie<br />
führten, noch weiter ab. Das<br />
sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen<br />
Langzeitstudie, deren Ergebnisse jetzt<br />
vorliegen. Von 2005 bis 2009 nahmen<br />
knapp 400 Psychotherapeuten sowie 1.708<br />
Patienten an dem von der Techniker Krankenkasse<br />
(TK) finanzierten Modellprojekt<br />
„Qualitätsmonitoring in der Psychotherapie“<br />
teil. Patienten wie Psychotherapeuten<br />
bewerteten die Erfolge der Psychotherapie<br />
während, am Ende und ein Jahr nach<br />
der Behandlung. Danach nehmen durch<br />
Psychotherapie die Symptombelastung<br />
entscheidend ab und die gesundheitsbezogene<br />
Lebensqualität wesentlich zu. Die<br />
zentrale Aussage: Psychotherapie wirkt<br />
nachhaltig. Die erreichten Verbesserungen<br />
bestehen auch ein Jahr nach Beendigung<br />
der Psychotherapie fort oder bauen sich<br />
sogar weiter aus. Die Studie belegt außerdem,<br />
dass ein ausreichendes psychotherapeutisches<br />
Behandlungsangebot wirtschaftlich<br />
ist. Eine Psychotherapie kostete<br />
durchschnittlich 3.200 Euro. Da die Pati-<br />
enten wieder arbeitsfähig wurden oder<br />
ihre Arbeitsproduktivität nicht mehr eingeschränkt<br />
war, wurden gesamtgesellschaftliche<br />
Kosten in Höhe von durchschnittlich<br />
10.425 Euro eingespart. Die Kosten-Nutzen-Relation<br />
von Psychotherapie beziffert<br />
die Techniker Krankenkasse auf 3,26, d.<br />
h. jeder Euro, der in eine Psychotherapie<br />
investiert wird, führt innerhalb eines Jahres<br />
zu einer Einsparung von ca. zwei bis<br />
vier Euro. Das Modellprojekt wurde von<br />
der Techniker Krankenkasse finanziert und<br />
von Wissenschaftlern der Universitäten<br />
Mannheim und Trier ausgewertet. Psychische<br />
Erkrankungen haben in den letzten<br />
Jahrzehnten sehr zugenommen und sind<br />
als Volkskrankheiten immer stärker in den<br />
Blick der Öffentlichkeit gerückt. Sowohl<br />
bevölkerungsrepräsentative epidemiologische<br />
Studien als auch die Routinedaten<br />
der Krankenkassen zeigen, dass nahezu<br />
jeder dritte Bundesbürger innerhalb eines<br />
Jahres von einer psychischen Erkrankung<br />
betroffen ist. Depressionen, Angst- und<br />
Belastungsstörungen haben immer größeren<br />
Anteil an Krankschreibungen und sind<br />
die Hauptursachen für Frühverrentungen<br />
in Deutschland mit einem Anteil von 44<br />
Prozent bei Frauen und 32 Prozent bei<br />
Männern. Die ambulante Psychotherapie<br />
hat sich dabei zu einer tragenden Säule<br />
der Versorgung von Menschen mit psychischen<br />
Störungen entwickelt. ■<br />
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Innovatives Modellprojekt im Frankfurter<br />
Naturkundemuseum Senckenberg<br />
Das im Rahmen eines Museumsbesuches<br />
nicht nur Wissen vermittelt werden kann<br />
und bisher unbekannte Dinge erfahrbar<br />
und erlebbar werden, sondern gleichzeitig<br />
auch die gesellschaftliche und kulturelle<br />
Teilhabe und der interkulturelle Austausch<br />
gefördert werden können, zeigt ein gemeinnütziges<br />
und innovatives Projekt im<br />
Frankfurter Naturkundemuseum Senckenberg.<br />
Mit dem, seit dem 1. Oktober 2010<br />
bestehenden Modellprojekt, „Gemeinsam<br />
Natur erleben – interkultureller Austausch<br />
im SENCKENBERG“ soll Menschen mit unterschiedlichem<br />
kulturellem Hintergrund<br />
der Zugang zu Naturthemen und Museen<br />
erleichtert werden. Das Projekt richtet sich<br />
dabei vordergründig an drei Personenkreise.<br />
1. Frauen, die Integrations-, Alphabeti-<br />
sierungs- und Orientierungskurse<br />
besuchen<br />
2. Kinder mit und ohne Migrationshinter-<br />
grund<br />
3. Grundschullehrerinnen, Pädagogische<br />
Fachkräfte in Kindertagesstätten<br />
und Elternbegleiterinnen.<br />
Tage der offenen Tür im Frühjahr 2012<br />
Die campus Naturalis Akademien öffnen ihre Tore. Informieren Sie sich über startende<br />
Ausbildungen, lernen Sie Teilnehmende und Dozenten kennen und erleben Sie bei den<br />
Workshops Ganzheitliche Gesundheitsbildung zum Anfassen. Lassen Sie sich anstecken<br />
von der kreativen Atmosphäre und freundlichen und offenen Stimmung, die am campus<br />
Naturalis herrscht. Wir laden Sie ein, an unseren Workshops teilzunehmen und sich über<br />
einzelne Studiengänge zu informieren. Vor Ort erhalten Sie Gelegenheit, viele Fachbereiche<br />
kennenzulernen und in Aktionen und kleinen Übungen zu erfahren, dass Bildung<br />
und Lernen viel Spaß machen kann. Bitte informeiren Sie sich über die genauen Abläufe<br />
und das genaue Tagesprogramm unter: www.campusnaturalis.de/campus_news.php ■<br />
Für die jeweiligen Zielgruppen wurden eigene<br />
Seminare und Veranstaltungsreihen<br />
entwickelt, in denen sie sich auf interessante<br />
und ansprechende Weise mit naturwissenschaftlichen<br />
Themen auseinandersetzen<br />
können. Das gemeinsame Erleben<br />
und Erfahren der Natur, der Austausch<br />
über globale Naturereignisse und Probleme<br />
bringt die Teilnehmenden einander<br />
nicht nur näher und lässt nationale und<br />
kulturelle Unterschiede unwichtig werden,<br />
sondern hilft auch beim Abbau sprachlicher<br />
Schwierigkeiten und dem Erwerb<br />
naturwissenschaftlicher Kenntnisse und<br />
einem Verständnis für deren Zusammenhänge.<br />
Das Frankfurter Naturkundemuseum, als<br />
öffentliche Bildungseinrichtung in dem<br />
sich Exponate aus aller Welt befinden,<br />
eignet sich besonders gut für ein derartiges<br />
Vorhaben und bietet viel Raum für<br />
Austausch, Begegnung und die Förderung<br />
der gesellschaftlichen und kulturellen<br />
Teilhabe. Dieses museumspädagogische<br />
Modellprojekt ist bislang einzigartig in<br />
Deutschland und wurde aus diesem Grund<br />
im November 2011 mit dem Integrationspreis<br />
ausgezeichnet. Das Projekt wird vorerst<br />
drei Jahre bestehen und soll sich in<br />
dieser Zeit etablieren und zu einem festen<br />
Bestandteil des museumspädagogischen<br />
Konzeptes des Frankfurter Senckenberg<br />
Museums werden. Um dies gewährleisten<br />
zu können, müssen allerdings noch weitere<br />
Partner gewonnen werden, um eine<br />
dauerhafte Finanzierung und so den Bestand<br />
des Projektes, auch über die Erprobungsphase<br />
hinaus, sicher zu stellen. ■<br />
„Yoldaş“: Neue Kooperation<br />
am campus Hamburg<br />
Die Bürgerstiftung Hamburg mit dem Projekt Yoldaş<br />
ist neuer Kooperationspartner von campus Naturalis.<br />
„Yoldaş“ ist türkisch und bedeutet „Weggefährte“;<br />
als solche begleiten ehrenamtliche Deutsch-Muttersprachler<br />
je ein sechs- bis zehnjähriges Kind mit<br />
türkischem Hintergrund im Alltag. Im Vordergrund<br />
der Treffen, die alle ein bis zwei Wochen über mindestens<br />
ein Jahr stattfinden, steht der Aufbau einer<br />
vertrauensvollen Beziehung. Ziel ist es dabei, die<br />
Kinder in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu unterstützen,<br />
Bildungsimpulse zu setzen, ihre Deutsch-<br />
Sprachkompetenz zu stärken sowie Mentor und Mentee<br />
einen Blick über den „kulturellen Tellerrand“ zu<br />
ermöglichen ■.<br />
campus Spiegel · Redaktion Berlin · Telefon: 030 / 24 63 98 95 · www.campusnaturalis.de · Berlin · Frankfurt am Main · Hamburg · München<br />
Tage der offenen Tür<br />
Berlin:<br />
So. 04.03.2012, So. 23.09.2012<br />
Frankfurt:<br />
So. 04.03.2012, So. 30.09.2012<br />
Hamburg:<br />
So. 18.03.2012, So. 23.09.2012<br />
München:<br />
So. 04.03.2012, So. 07.10.2012<br />
jeweils 14:00 – 19:00 Uhr<br />
Zentrum Berlin:<br />
Spreeufer 5 - Kurfürstenhöfe · 10178 Berlin<br />
fon: 030 – 24 63 98 95<br />
fax: 030 – 24 63 98 97<br />
berlin@campusnaturalis.de<br />
Zentrum München:<br />
Lindwurmstraße 97 · 80337 München<br />
fon: 089 – 54 32 43 60<br />
fax: 089 – 59 04 37 24<br />
muenchen@campusnaturalis.de<br />
Zentrum Frankfurt am Main:<br />
Waldschmidtstr. 39 · 60316 Frankfurt<br />
fon: 069 – 40 56 42 31<br />
fax: 069 – 40 56 42 32<br />
frankfurt@campusnaturalis.de<br />
Zentrum Hamburg:<br />
Bahrenfelder Chaussee 49, Haus B<br />
22761 Hamburg<br />
fon: 040 – 88 15 98 96<br />
fax: 040 – 88 15 98 97<br />
hamburg@campusnaturalis.de<br />
Impressum:<br />
campus Naturalis<br />
Akademien für Ganzheitliche Gesundheitsbildung GmbH<br />
Spreeufer 5 · 10178 Berlin<br />
fon: 030 - 24 63 98 95 · fax: 030 - 24 63 98 97<br />
www.campusnaturalis.de · info@campusnaturalis.de<br />
Herausgeber: campus Naturalis GmbH<br />
CvD: Alexandra Müller-Benz<br />
Autoren: Nils Altner, Alexandra Müller-Benz, Sylvia Glatzer,<br />
Lisa Horle, Kathrin Nowak, M.A., Alice Piel, Christin<br />
Schneider, Maja Stepniak-Royo, Babette Strubbe, Lena<br />
Thaler, Sandra Tigges<br />
Bilder: campus Naturalis GmbH, Sabine Moeller, Fotolia.com:<br />
Miredi, Elisabeth Rawald, Mickael IRLES, vision<br />
images, Lupico, drubig-photo, Comugnero Silvana, Fotofreundin,<br />
nyul, Woodapple, fotodesign-jegg.de, contrastwerkstatt,<br />
etfoto, pirotehnik, Franco Deriu, Shmel,<br />
klickerminth, Christian Malsch, darko64, Elvira Schäfer<br />
Layout: Lieselotte Wertenbruch<br />
mail@mediaservice-berlin.com<br />
Erscheinungsweise: 2 x jährlich<br />
Bezug: Abo<br />
Druckauflage: 50.000 Stck.<br />
ISSN 1869-0092<br />
31
Fordern Sie unser<br />
Studienprogramm an!<br />
campus<br />
Naturalis<br />
Akademien für Ganzheitliche Gesundheitsbildung<br />
Ausbildungen und Seminare<br />
Anerkannter Weiterbildungsträger<br />
www.campusnaturalis.de<br />
Infotel. Berlin: 030- 24 63 98 95<br />
Infotel. Frankfurt: 069- 40 56 40 93<br />
Anerkannte<br />
Weiterbildungen<br />
mit Zukunft<br />
Heilkunde und Prävention<br />
Heilpraktiker/in<br />
Phytotherapie<br />
Ayurveda Gesundheits- und Ernährungsberater/in<br />
Ayurveda Therapeut/in<br />
Wellness- und Entspannungstherapeut/in<br />
Aromatherapeut/in<br />
Shiatsu und Qi Gong Praktiker/in<br />
Personal Health Coach<br />
Ganzheitliche/r Bewegungstherapeut/in<br />
Yoga-Übungsleiter/in<br />
Gesundheits- und Massagetherapeut/in<br />
Pädagogik, Psychotherapie, Beratung<br />
Heilpraktiker/in Psychotherapie<br />
Psychologische/r Berater/in<br />
Business Health Coach<br />
Mentaltrainer/in und Coach<br />
Natur- Wald- und Erlebnispädagoge/in<br />
Mediator/in<br />
Kreative Verfahren:<br />
Kunsttherapeut/in<br />
Musiktherapeut/in<br />
Tanztherapeut/in<br />
Theater- und Dramatherapie<br />
Systemische Verfahren:<br />
Systemische/r Einzel-, Paar- und<br />
Familientherapeut/in<br />
Systemische/r Kinder- und Jugendtherapeut/in<br />
Systemische/r Gerontotherapeut/in<br />
Systemische/r Körpertherapeut/in<br />
Postgradual:<br />
Integrale/r Traumatherapeut/in<br />
Berater/in für interkulturelle Kompetenz<br />
Burnout Berater/in<br />
Infotel. München: 089 - 54 32 43 60<br />
Infotel. Hamburg: 040 - 88 15 98 96<br />
(bundesweit zum Ortstarif aus dem Festnetz der deutschen Telekom)