Download: CSpiegel_1_2012.pdf - Kompetenznetz Mittelstand
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Diese offene Herangehensweise ermöglicht ein angstfreies Lernen<br />
und bietet ausreichend Flexibilität um Gelerntes auf sich<br />
ständig ändernde Bedingungen im Internet anzupassen. Eine restriktive<br />
Medienerziehung und ein (vermeintlicher) Schutz von Kindern<br />
und Jugendliche durch unspezifische Nutzungsverbote und<br />
-einschränkungen sind dagegen kontraproduktive Vorgehensweisen,<br />
die dazu führen, dass viele Cyber-Opfer von Cybermobbing<br />
aus Angst vor einem Internet bzw. Handyverbot ihre negativen<br />
Erfahrungen vor Erwachsenen verheimlichen (Staude‐Müller, Bliesener<br />
& Nowak, 2009). Dies wiederum kann Cyber-Opfer weiter<br />
isolieren und die Folgen von Cybermobbing verstärken, sowie das<br />
Wahrnehmen von Cybermobbing, und somit auch die Unterstützung<br />
der Opfer unmöglich machen.<br />
Probleme ernst nehmen:<br />
Wenn es trotz Prävention doch einmal zu Cybermobbing kommt,<br />
brauchen die Cyber-Opfer Unterstützung durch Personen in ihrem<br />
Umfeld, denen sie vertrauen. Kinder und Jugendliche müssen mit<br />
ihren Problemen ernst genommen werden und mit Erwachsenen<br />
über diese reden können, ohne dass sie selbst dabei Konsequenzen<br />
zu fürchten haben. Nur in dieser Atmosphäre des Vertrauens<br />
wird Hilfe wiederholt in Anspruch genommen und auch wirksam<br />
sein. In akuten Fällen von Cybermobbing gibt keine einfache oder<br />
ideale Lösung! Daher sollten die nachfolgend vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen der jeweiligen Situation angepasst und deren Wirkungen<br />
auf die Schulklasse und auf die Situation des Cyber-Opfers<br />
einbezogen werden. Das Vorgehen sollte nicht nur mit den<br />
Betroffenen selbst, sondern auch – je nach Bedarf – mit Eltern,<br />
Lehrern, Schulleitung und gegebenenfalls professionellen Hilfsangeboten<br />
wie Schulpsychologischen Beratungsstellen abgestimmt<br />
werden. Bei leichteren Fällen von Cybermobbing sollte man unbedingt<br />
selbst aktiv werden. Wenn das Cybermobbing jedoch nicht<br />
aufhört, sollten auch Anwälte und Strafverfolgungsbehörden einbezogen<br />
werden. Es kann sich zum Beispiel um ernst zu nehmende<br />
Gewaltandrohungen, Nötigungen oder gar Erpressungen<br />
handeln, wie auch um Situationen, bei denen die Beseitigung<br />
von Spuren des Cybermobbings (z. B. Fotos) Probleme bereitet.<br />
Ein gutes Vorgehen ist folgende Vier-Stufen-Strategie (Porsch,<br />
Pieschl & Hohage 2011):<br />
Beruhigen – Sichern – Melden - Hilfe holen<br />
Als erstes gilt es sich und die Cybermobbing Situation zu beruhigen.<br />
In der Situation innehalten und nachdenken. Jedoch nie<br />
auf Schikane oder andere Attacken im Netz mit ähnlichem Verhalten<br />
antworten, da aggressives Verhalten in der Regel die Situation<br />
verschlimmert. Cybermobbing sollte immer dokumentiert<br />
werden. E-Mails oder SMS<br />
sollten nicht gelöscht,<br />
Screenshots von Beiträgen<br />
/ Bildern auf den Internetseiten<br />
angefertigt werden.<br />
Die gesicherten Informationen<br />
können eventuell<br />
genutzt werden um mit Tätern<br />
und ggf. deren Eltern<br />
sachbezogen zu sprechen<br />
oder auch als konkrete Beweise<br />
herangezogen werden.<br />
Dem Betreiber des<br />
Internetangebotes sollten<br />
Cybermobbing Inhalte, sowie<br />
gegebenenfalls der/die<br />
Täter (Profil, Nickname),<br />
zur Löschung gemeldet<br />
werden. Cyber-Opfer sollten<br />
darüber hinaus Freunden,<br />
Eltern oder anderen<br />
Vertrauenspersonen über<br />
ihre Erfahrungen berichten<br />
und sich bei ihnen Hilfe<br />
holen. Einerseits können<br />
Gleichaltrige emotionale<br />
Unterstützungen leisten<br />
und haben vielleicht Tipps<br />
für technische Lösungen wie beispielsweise Cybermobbing beim<br />
Anbieter gemeldet werden kann. Andererseits sollten in jedem<br />
Fall Erwachsene hinzugezogen werden, da diese besser beurteilen<br />
können, in welchen Situationen weitere professionelle Hilfe nötig<br />
ist. Professionelle Hilfe gibt es an ganz unterschiedlichen Stellen,<br />
beispielsweise bei Schulpsychologischen Beratungsstellen, Erziehungsberatungsstellen,<br />
Jugendämtern und Polizeidienststellen<br />
mit kompetenten Ansprechpartnern. Falls Betroffene im Elternhaus<br />
und in der Schule keine Ansprechpartner finden, können sie<br />
sich auch anonym und kostenfrei von Handy und Festnetz an eine<br />
bundesweite „Nummer gegen Kummer“ (0800 111 0333) wenden<br />
oder sich von Gleichaltrigen im Internet beraten lassen (www.<br />
juuuport.de). ■<br />
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