07.07.2020 Aufrufe

Zdirekt! 02-2020

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Z direkt! <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>0<br />

GASTBEITRAG 51<br />

Branchenzuschlags tarifvertrag gibt, greift nach neun<br />

Monaten die Pflicht zur vollen Gleichbehandlung beim<br />

Entgelt.<br />

Die Wohnsituation von Arbeitnehmern, die nur vorübergehend<br />

in Deutschland sind, ist ein komplexes Thema. Es<br />

ist eher bei Werkverträgen relevant. Ich will hier nicht die<br />

Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetzes abhandeln,<br />

das auch unabhängig davon greift, wer Arbeitgeber ist.<br />

Was ich in der Praxis vermisse, ist die Anwendung der<br />

speziellen Instrumente gegen Ausbeutung, die wir schon<br />

lange haben: Ganz gewöhnlicher Mietwucher ist gemäß<br />

§ 291 StGB strafbar. Mir ist kein Fall bekannt, in dem<br />

dieser Straftatbestand, der kernige Strafen bereithält, gegenüber<br />

einem Vermieter von weit überteuerten Massenunterkünften<br />

in unserer Region angewandt wurde. Dabei<br />

würden die Schreckensgeschichten, die erzählt werden,<br />

sicher darunterfallen. Denn bei 50 Prozent über der ortsüblichen<br />

Miete geht man von einem „auffälligen Missverhältnis“<br />

aus. Wer mit einem verlotterten Einfamilienhaus<br />

im Emsland, das mit 600 Euro mehr als „gut“ vermietet<br />

wäre, 3.000 Euro monatlich für 150 qm von ausländischen<br />

Arbeitnehmern abkassiert, könnte durchaus mit einer Freiheitsstrafe<br />

auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden.<br />

Das würde viele nachdenklich machen …<br />

Eine Stufe darunter greift § 5 Wirtschaftsstrafgesetz<br />

1954. Es lohnt sich, den Tatbestand zu lesen:<br />

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig<br />

für die Vermietung von Räumen zum Wohnen<br />

oder damit verbundene Nebenleistungen unangemessen<br />

hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt<br />

oder annimmt.<br />

(2) Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der<br />

Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren<br />

Räumen die üblichen<br />

Entgelte um mehr als<br />

20 vom Hundert übersteigen,<br />

die in der Gemeinde oder in<br />

vergleichbaren Gemeinden für<br />

die Vermietung von Räumen<br />

vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung,<br />

Beschaffenheit und<br />

Lage oder damit verbundene<br />

Nebenleistungen in den letzten<br />

sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten<br />

abgesehen, geändert worden sind. Nicht<br />

unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung<br />

der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich<br />

sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach<br />

Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen<br />

Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters<br />

stehen.<br />

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis<br />

zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.<br />

Das ist geltendes Recht. Man muss es nur anwenden.<br />

Sieht man das alles zusammen, dann wäre ein Verbot der<br />

Zeitarbeit für die Fleischbranche ineffizient. Das geltende<br />

Recht muss schlicht angewendet werden. Mehr Schutz<br />

brächte ein Verbot der Zeitarbeit nicht. Der Eingriff in die<br />

Berufsfreiheit, den ein solches Verbot darstellt, wäre folglich<br />

verfassungswidrig. Europarechtlich gilt das gleiche.<br />

Legale Zeitarbeit, die nach der Richtlinie gestaltet ist, kann<br />

nicht verboten werden.<br />

Ergebnis: Es ist ein lobenswerter Plan, den Arbeitnehmern<br />

in der Fleischbranche zu besseren Arbeits- und Wohnbedingungen<br />

zu verhelfen. Das kann man aber sehr viel<br />

effizienter tun. Das sektorale Verbot der Arbeitnehmerüberlassung<br />

wäre ein Bärendienst.<br />

Prof. Dr. Peter Schüren ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht<br />

an der Westfälische-Wilhelms-Universität Münster. Im Rahmen seiner Professur für Bürgerliches Recht<br />

und Arbeitsrecht forscht Prof. Schüren mit den Schwerpunkten Fremdfirmenpersonaleinsatz<br />

(u. a. Scheinselbständigkeit, legale und illegale Arbeitnehmerüberlassung) und bedarfsorientierte<br />

Arbeitszeitformen.<br />

www.jura.uni-muenster.de/de/apps/personenliste/prof-dr-peter-schueren/

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!