Das gelobte Land der Moderne
ISBN 978-3-86859-603-8
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Bildmitte im Korbstuhl sitzend, wendet er sich dem Betrachter zu. Ort <strong>der</strong> Fotografie ist die<br />
Westseite, <strong>der</strong> Empfangsbereich in <strong>der</strong> großen Halle im Obergeschoss des Jerusalemer<br />
Palästina-Instituts. In und über <strong>der</strong> rechten Sitzgruppe verleihen die bereits beschriebenen<br />
deutsch-schwedischen Herrscherporträts und ein mit dem Reichsadler geschmücktes<br />
Rückenkissen <strong>der</strong> Szene zudem eine offizielle Note. Derselbe Raum kann auf einer weiteren<br />
Fotografie 120 eine an<strong>der</strong>e Botschaft transportieren – allein schon durch eine kleine<br />
schwedische Flagge auf dem Flügel, immerhin war Dalman zu dieser Zeit schwedischer,<br />
dänischer und norwegischer Konsul. 121<br />
Es sollten während seiner Aufenthalte in <strong>der</strong> Kulturlandschaft Palästina weitere Dalman-<br />
Porträts 122 folgen, die im fachlich-beruflichen Umfeld jeweils einen o<strong>der</strong> mehrere <strong>der</strong> bereits<br />
herausgearbeiteten Bildtypen bedienen: Gelehrter, Forscher, Amtsträger. Hatte er<br />
sich zuvor in wenigen Jahren vom Schnauz- zum Vollbart, vom Maultier zum Pferd hochfotografiert,<br />
wurde aus dem Direktor und Multi-Konsul nach 1914 langsam wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> forschende<br />
Fußgänger. Während seiner beiden letzten Reisen in die Region (1921/25) zeigen<br />
ihn (professionelle) Aufnahmen als Wissenschaftler im freien Feld. 123 Referenzpunkt und<br />
Identitätskern aller auf Öffentlichkeit hin gedachten Dalman-Porträtfotografien nach 1899<br />
ist und bleibt die Kulturlandschaft Palästina.<br />
Dalman als Fotograf<br />
Auf Exkursionsfotos seiner Jerusalemer Direktorenzeit ist Dalman meist in Aktion zu sehen:<br />
Er steht o<strong>der</strong> reitet vor o<strong>der</strong> über <strong>der</strong> Stipendiatengruppe, betrachtet, holt Auskünfte ein,<br />
nimmt Maß, macht Notizen und erklärt die Welt. Es ist keine Aufnahme bekannt, die ihn<br />
mit <strong>der</strong> Kamera in <strong>der</strong> Hand zeigt. Gleichwohl hat er jedes Mal fotografiert, wenn er das<br />
biblische <strong>Land</strong> betrat. Nicht immer lassen sich ihm die Abzüge zuordnen, da er bei <strong>der</strong><br />
Beschriftung nur sporadisch auf die Urheberangabe achtete. 124 Die ersten erhaltenen Aufnahmen,<br />
<strong>der</strong>en Verfasserschaft Dalman sicher nachzuweisen ist, stammen von seiner Reise<br />
zwischen März 1899 und Juni 1900. Damals verbrachte er sieben Monate beim schottischen<br />
Judenmissionar Rev. W. Melville Christie in Aleppo. Es folgte ein Monat in Balāt bei<br />
<strong>der</strong> Familie des christlichen Scheichs Fāris Subhīje, eine mehrwöchige Rundtour bis nach<br />
Hebron sowie ein Abstecher nach Ägypten. Formell gesehen galt Dalmans erste Reise <strong>der</strong><br />
Juden mission, so auch <strong>der</strong> Tenor seines ausführlichen Berichts, <strong>der</strong> 1900 in <strong>der</strong> Zeitschrift<br />
„Saat auf Hoffnung“ erschien. An<strong>der</strong>e Eigenschil<strong>der</strong>ungen, Tagebücher und Fotografien<br />
hingegen zeichnen das Bild eines tätigen Forschers. Noch vom Greifswal<strong>der</strong> Schreibtisch<br />
aus setzte er diese Selbstinszenierung fort – Reisen im Dienst <strong>der</strong> „ethnologische[n]<br />
Arbeit”: „Jede Wan<strong>der</strong>ung und je<strong>der</strong> Ritt galt nebenher diesem Zweck.” 125<br />
Im Dörfchen El-Hösn im Gebirge ‘Ağlūn fertigte Dalman verschiedene Porträts von Einzelpersonen<br />
und Gruppen. Wie<strong>der</strong>holt taucht eine Lehrerfamilie 126 auf, mal gemeinsam,<br />
mal mit ihren weiblichen, mal mit ihren männlichen Mitglie<strong>der</strong>n. Auf einem dieser Motive<br />
ordnet Dalman den Mann und den Jungen, vermutlich Vater und Sohn, zu einer Dreieckskomposition<br />
frontal vor <strong>der</strong> Kamera. Der Vater trägt einen dunklen Anzug mit heller Weste,<br />
dunklem Halstuch und Uhrenkette. Der Sohn ist – wenn auch in helleren Farben und etwas<br />
1––Dalman als Fotograf