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Das gelobte Land der Moderne

ISBN 978-3-86859-603-8

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exemplarisch herausgearbeitet, dass Architekturmodelle in <strong>der</strong> Nachkriegsmo<strong>der</strong>ne – als<br />

produzierte und produktive Artefakte – aktiv in den Entwurfsvorgang einbezogen wurden.<br />

Unter Verweis auf den Architekturhistoriker Klaus Jan Philipp benennt Liptau das Modell<br />

als „materialisierte Theorie“ 455 . Auch einem Modellfoto kommt demnach ein „aktive[r] Status“<br />

456 zu, da es den Gegenstand steigert und verdichtet: Solche zweidimensionalen Bil<strong>der</strong><br />

sind nicht allein von historischer Bedeutung, son<strong>der</strong>n übernehmen ebenso eine nicht zu<br />

unterschätzende Rolle in räumlichen Denk- und Entscheidungsprozessen.<br />

Für Dalman steht raumbezogene Forschung – genauer gesagt Palästinaforschung als Teil<br />

<strong>der</strong> Theologie – fest auf dem „Boden <strong>der</strong> biblischen Geschichte“ 457 und ist damit mehrdimensional.<br />

„Wer nicht plastisch sehen, Wirkliches, nicht nur Gedachtes beschreiben, die<br />

Wirklichkeit, wenn nötig, kriechend und kletternd, untersuchen, technisch messen, aufzeichnen,<br />

photographieren, modellieren kann, wird dieser Wissenschaft nie Erhebliches<br />

leisten.” 458 Dalmans frühe Begeisterung für den Modellbau hat sich mit <strong>der</strong> ersten Reise<br />

in die Kulturlandschaft Palästina intensiviert. Rasch zieht er Dritte hinzu, plant die Vervielfältigung<br />

und Verbreitung im akademischen Umfeld. Noch in Leipzig veranlasst er z. B. ein<br />

Petra-Modell (den Opferplatz des zibb ‘atuf), „das 1902 in Leipzig von Cand. Zottmaier“ 459<br />

unter seiner Anleitung nach Fachliteratur gefertigt wird. Nach eigenen Petra-Besuchen<br />

veröffentlicht er zum selben Ort 1908 eine Beschreibung in Wort, Foto und Grafik.<br />

In seinem ausführlichen Bericht über das neue Greifswal<strong>der</strong> Institut vermeldet Dalman<br />

1926 im Palästinajahrbuch 460 auch ein Modell eben jenes Opferplatzes – gefertigt nach<br />

seinen Angaben. Ausdrücklich betont er, als würde durch die materielle auch eine räumliche<br />

Brücke geschlagen, dass dafür ein Kalkstein aus Palästina zum Einsatz komme. Dieses<br />

Artefakt liefert einen Mehrwert gegenüber <strong>der</strong> bisherigen Flachware, denn es veranschaulicht<br />

die für Dalmans Theoriebildung elementaren Dimensionen (wer steht wo und opfert<br />

was und wohin fließt das Blut). In einer weiteren Stufe wird vermutlich durch „Foto Kempe“<br />

eine Aufnahme angefertigt, als Dia in die Greifswal<strong>der</strong> Sammlung eingebunden und über<br />

Jahrzehnte für den Einsatz in <strong>der</strong> Lehre bereitgehalten. 461 Die historische Opferstätte ist so<br />

in ihrer fachlichen Essenz endgültig zeit- und ortsunabhängig erfahrbar.<br />

Bei seinem Greifswal<strong>der</strong> Petra-Modell springt Dalman mehrfach in Ebene und Maßstab: In<br />

Leipzig lässt er zweidimensionale Fachliteratur in ein dreidimensionales Modell überführen<br />

und nimmt das Wissen darum mit nach Petra, wo er es am 1:1-Original überprüft und zu<br />

Plan und Foto verdichtet. <strong>Das</strong> Ergebnis wird in seinem Auftrag für ein (1926 in Greifswald<br />

aufgestelltes) Modell nach außen gestülpt und davon eine zweidimensionale Aufnahme als<br />

Dia aufbereitet, die in <strong>der</strong> Projektion erneut an Größe gewinnt. Am Ende steht mehrfach<br />

korrigiertes, konzentriertes und nicht zuletzt ästhetisch dargebotenes Wissen in Bildform.<br />

Auch nach 1948 waren deutsche Reisende an Objektaufnahmen interessiert. Man klebte<br />

nicht nur Servietten, Trinkstrohhalme und Kofferanhänger ins Album, son<strong>der</strong>n fotografierte<br />

ebenso israelische Münzen und an<strong>der</strong>e Alltagsgegenstände des Gastlandes. Interessant<br />

waren vor allem Objekte, die das Unbekannte, Fremde, vielleicht Skurrile auf den Punkt<br />

brachten. Für die damals angehende Judaistin Martina Strehlen, die 1985/86 ein Jahr in<br />

3––Geschichte

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