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Das gelobte Land der Moderne

ISBN 978-3-86859-603-8

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Die oben beschriebene Zeltszene ist durch zwei Fotografien aus jeweils unterschiedlichen<br />

Blickwinkeln belegt. Schwöbels Aufnahme 187 zeigt links im Zelt Dalman mit den Stipendiaten<br />

Otto Eberhard und Paul Volz, rechts die Textilwiege, vor dem Zelt eine Beduininnen-<br />

Gruppe. Eine weitere Frau beobachtet vom Zelt aus den Fotografierenden, hinter ihr sind<br />

die Pferde und Teile <strong>der</strong> deutschen Reisegruppe zu sehen. <strong>Das</strong> Gegenstück, die Fotografie<br />

von Zickermann, unterscheidet sich nur in einigen wenigen, aber wesentlichen Details.<br />

Wie<strong>der</strong> sitzen Dalman und Eberhard links im Zelt (und wohl halb verdeckt auch Volz), die<br />

Gruppe <strong>der</strong> zuschauenden Beduininnen vor dem Zelt ist kleiner (o<strong>der</strong> teils verdeckt), die<br />

deutsche Reisegesellschaft im Hintergrund nicht erkennbar. Neu ist im rechten Vor<strong>der</strong>grund<br />

Schwöbel, <strong>der</strong> dem Betrachter den Rücken zudreht. Er wird zum stellvertretenden<br />

Betrachter <strong>der</strong> Zelt-Szene. Vielleicht ist sogar (<strong>der</strong> Körperhaltung nach) <strong>der</strong> Moment des<br />

Fotografierens selbst eingefangen.<br />

Dalman bricht in seinem Album gezielt die Illusion, <strong>der</strong> Betrachter des Fotos sei Zaungast<br />

<strong>der</strong> idyllischen Zelt-Szene. Er wird augenfällig darauf hingewiesen, dass diese Situation<br />

wie<strong>der</strong>um beobachtet wurde. Die fotografische Praxis wird von den mittags dazustoßenden<br />

Beduinen nochmals hinterfragt. „Der photographische Apparat eines Kollegen”, so<br />

schil<strong>der</strong>t Eberhard, „erregt ihr lebhaftes Interesse, aber die Scheu vor dem unbekannten<br />

Ding ist größer als die Neugierde, seine innere Einrichtung kennen zu lernen. Sie wagen<br />

nicht, hineinzuschauen.” 188 Sobald <strong>der</strong> Fotografierende die Zuschauer ablichten wolle,<br />

würden sie ausreißen und dann wie<strong>der</strong> mit Süßigkeiten gnädig gestimmt. Zickermann hält<br />

die Szene als vorsichtige, lachende Annäherung bei<strong>der</strong> Parteien rund um Schwöbel und<br />

seine Kamera fest. Es folgt <strong>der</strong> Besuch <strong>der</strong> örtlichen, im Freien abgehaltenen Schule, auch<br />

dies wie<strong>der</strong> dokumentiert in einigen Stipendiaten-Fotografien. Die Reise führt weiter nach<br />

Irbīd im ‘Ağlūn. Die Gruppe besichtigt noch das ein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e, genießt den Panoramablick<br />

auf die Berge Hermon und Libanon, teilt sich in Kleingruppen auf, birgt und erwirbt<br />

Dinge, die teils wie<strong>der</strong> abhandenkommen, scheitert beim Versuch eines Weinkaufs und<br />

begibt sich schließlich, während die Schakale anschlagen, nüchtern zur Nachtruhe. Wenn<br />

Dalman die Ereignisse des 26. März 1905 in seinem Notizbuch 189 Revue passieren lässt,<br />

geht es kompakter zu: „26 Snntg über elhösn nach irbid”.<br />

Mindestens bei den großen Institutsexkursionen war das Fotografieren ein ständiger Begleiter.<br />

Es beför<strong>der</strong>te und behin<strong>der</strong>te die Begegnung mit An<strong>der</strong>en, diente als Erinnerung<br />

und wissenschaftliche Gedächtnisstütze für die deutschen Reisenden, war aber auch Teil<br />

ihrer privaten Kommunikation. Am 5. November 1905 etwa schrieb <strong>der</strong> Dalman-Mitarbeiter<br />

Eberhard Baumann 190 (1871–1956) aus Jerusalem nach Deutschland an seine Eltern: „Meine<br />

erste Sendung Photographien wird nun gerade bei Euch eingetroffen sein.“ 191 Demnach<br />

ließ er seine Negative bereits auf Reisen entwickeln und sandte eine Auswahl daraus<br />

nach Hause. Wie<strong>der</strong> zurückgekehrt, verwahrten viele <strong>der</strong> Stipendiaten ihre Abzüge.<br />

Dalman erhielt (gefragt o<strong>der</strong> ungefragt) einzelne Aufnahmen o<strong>der</strong> ganze Bildsätze <strong>der</strong> von<br />

ihm geleiteten Touren. Teils übernahm er sie in seine privaten Bestände, teils überführte<br />

er sie in die Greifswal<strong>der</strong> Sammlung. Für die Jahrgänge 1903 bis 1910 stellte er daraus vier<br />

Fotoalben zusammen, während sich die Lehrkurse 1911 bis 1914 – beschriftet und datiert<br />

1––Dalman als Fotomentor

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