Das gelobte Land der Moderne
ISBN 978-3-86859-603-8
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Mehrfach findet sich dieses Motiv im Nachlass des damaligen Stipendiaten Albrecht Alt.<br />
Ein weiterer Abzug gehört im Jerusalemer DEI zum Nachlass eines Mit-Stipendiaten 206 von<br />
1908 (möglicherweise von Ernst Rothermund), <strong>der</strong> auch zwei Fotoalben <strong>der</strong> damaligen Reise<br />
umfasst. Hinzu kommt das handschriftliche Manuskript eines Vortrags für eine „Lichtbil<strong>der</strong>vorführung“<br />
mit dem Titel „Wie man nach Palaestina und in Palaestina reist“: Er wolle<br />
den Zuhörer nicht nur in ein aus biblischen Geschichten vertrautes <strong>Land</strong> führen, son<strong>der</strong>n<br />
vielmehr die Eindrücke heutiger Besucher schil<strong>der</strong>n. Damit „die einzelnen Bil<strong>der</strong>, die uns<br />
nachher <strong>der</strong> Apparat auf die Leinwand zaubert nicht bloße Einzelbil<strong>der</strong> bleiben, damit wir<br />
aus ihnen uns ein wirkliches Gesammtbild zusammenstellen können“ 207 . Ob er sich dabei<br />
auf Orts- und <strong>Land</strong>schaftsansichten beschränkte, o<strong>der</strong> auch persönlichere Motive seiner<br />
Reise – wie eben jene Gasthofszene – einbezog, bleibt offen.<br />
In seltenen Fällen entstehen während <strong>der</strong> Institutsexkursionen auch Fotografien aus <strong>der</strong><br />
Bewegung heraus. Ein solches Motiv findet sich im oben beschriebenen Stipendiatenalbum<br />
vom 1908: Über zwei aufmerksam aufgerichtete Pferdeohren hinweg blickt man auf<br />
die Stadt Tiberias. Im bereits zitierten Vortragsmanuskript widmet <strong>der</strong> Autor eine längere<br />
Passage dem beeindruckenden Erlebnis des Reitens, denn man sei „sehr häufig im Sattel“<br />
unterwegs gewesen. So zückt einer <strong>der</strong> Stipendiaten (möglicherweise Lorenz Bertheau 208 )<br />
mehrfach die Kamera auf dem Pferd, zeigte dessen Kopf o<strong>der</strong> den Sattelknauf im Bildvor<strong>der</strong>grund.<br />
Damit wird <strong>der</strong> Betrachter intensiv eingebunden – fast meint man, selbst im<br />
Sattel zu sitzen.<br />
Über den Kopf des Reittiers hinweg eröffnet sich die Hügellandschaft um den See<br />
Gennesaret. Hier gibt die dunklere Zone im Vor<strong>der</strong>grund mittig den Blick frei auf einen<br />
helleren Bereich, in den sich die weißen Häuserkuben von Tiberias schmiegen – nochmals<br />
hinterfangen vom fließenden Übergang des Sees in das gegenüberliegende Ufer und<br />
zuletzt in den Himmel. Da sich die Hügelkette im Mittelgrund leicht nach rechts absenkt,<br />
versucht <strong>der</strong> Betrachter unwillkürlich, im imaginären Sattel auszubalancieren und damit<br />
das Bild wie<strong>der</strong> zurechtzurücken. Ab 1908 blickt Dalman in seinem Jahresbericht im<br />
Palästinajahrbuch selbst auf die Stationen <strong>der</strong> Institutsreisen zurück. Hier schil<strong>der</strong>t er nicht<br />
ohne Stolz genau jenen Panorama-Moment, den er seinen Stipendiaten während <strong>der</strong><br />
Zeltreise Anfang April 1908 beschert: „Um so schöner war <strong>der</strong> erste Blick auf den See von<br />
Tiberias, als wir auf dem alten Wege von saffūrie nach Tiberias […] an den letzten Absturz<br />
des Gebirges gelangten und dort aus gewaltiger Höhe auf ihn herabschauten.“ 209<br />
Nicht nur mit den biblischen Geschichten verbundene Stätten wie Tiberias, auch Beson<strong>der</strong>heiten<br />
<strong>der</strong> Natur schienen den Stipendiaten bildwürdig. Auf einem zweitägigen Institutsausflug<br />
in den Südwesten von Jerusalem dokumentierte <strong>der</strong> Stipendiat Heinrich Seeger 210<br />
(1888–1945), damals Pfarrvikar in Wildbad, am 21. März 1914 Kiefern bei Bēt Mahsīr:<br />
eine stilisierte, auf wenige Grauwerte reduzierte, als zarter Schattenriss komponierte Fotografie.<br />
Auch Dalman war dieser Ort in seinem Jahresbericht einige ungewohnt leidenschaftliche<br />
Zeilen wert: „Der Kiefernhain bei bēt mahsīr und <strong>der</strong> mit Girlanden glänzendgrüner<br />
Stechwinden (Smilax aspera) behangene Eichenhain von chirbet ekbāla zeigten<br />
auf dem Heimwege, welchen Baumwuchses Palästina fähig ist, wenn <strong>der</strong> Mensch ihn nur<br />
1––Dalman als Fotomentor