Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.
Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.
Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
neralbun<strong>des</strong>anwalt bestimmt, also die höchste und zentrale<br />
Staatsanwaltschaft der Bun<strong>des</strong>republik Deutschland.<br />
Damit war dann gegen alle OLG-Urteile keine Berufung,<br />
sondern nur noch eine Revision zum BGH zulässig,<br />
der seinerseits dann Interpretation (s. o.) und Anwendung<br />
<strong>des</strong> §129a zentral steuern konnte. Ein sicherlich beabsichtigter<br />
Nebeneffekt war, dass die Generalbun<strong>des</strong>anwaltschaft<br />
ihre Erfahrung ständig ausbauen konnte, während<br />
ihr in jedem Verfahren neue junge und unerfahrene<br />
Verteidiger gegenüberstanden.<br />
Ein ganz wesentliches und immer wieder erklärtes<br />
Ziel war und ist aber auch, den Strafverfolgungsbehörden<br />
und hier vor allem der Polizei im vorliegenden Zusammenhang<br />
ein »Arsenal« an Eingriffsmöglichkeiten zur<br />
Verfügung zu stellen. <strong>Die</strong>s geschieht dadurch, dass in der<br />
StPO immer mehr und immer neue Ermächtigungsnormen<br />
geschaffen werden, die sich auf §129a StGB beziehen<br />
und immer zum Einsatz kommen dürfen, wenn wegen eines<br />
Verdachts <strong>nach</strong> §129a ermittelt wird. Dazu gehört<br />
beispielsweise die Einrichtung von polizeilichen Kontrollstellen<br />
zur Fahndung, §111 StPO, seit 1978 in Kraft.<br />
Schon vorher war die Überwachung von Telefongesprächen<br />
zunächst bei (anderen) schweren Straftaten erlaubt<br />
worden, §100 a StPO, dann aber natürlich auch bei §129a.<br />
<strong>Die</strong> Ausuferung polizeilicher Befugnisse lässt sich dabei<br />
sehr schön allein an der Vielzahl der neuen »100-er«-Paragrafen<br />
darstellen: <strong>Die</strong>se Kette beginnt mit §100a und<br />
reicht inzwischen bis zu §100i. Dort ist, ebenfalls abstellend<br />
u. a. auf den Zusammenhang mit einem Verfahren<br />
<strong>nach</strong> §129a, der Einsatz so genannter IMSI-Catcher geregelt,<br />
so dass man nebenbei feststellen kann, dass diese<br />
Kette ihr Wachstum unter anderem natürlich nicht nur<br />
dem technischen Fortschritt verdankt, sondern mit ihm<br />
auch immer mühelos Schritt hält – ohne Rücksicht auf<br />
anders lautende Vorgaben <strong>des</strong> Grundgesetzes. Zulässig<br />
sind u. a. die akustische Überwachung innerhalb und außerhalb<br />
der Wohnung, außerhalb zusätzlich die Observation,<br />
und die Erforschung von Telekommunikationsverbindungsdaten.<br />
Weil die »Serie terroristischer Gewalttaten« nicht abriss,<br />
wurde dann 1987 §129a selbst geändert und erweitert<br />
(Zitat aus der Gesetzesbegründung). Das betrifft zum<br />
einen das Strafmaß für Gründung und Mitgliedschaft,<br />
das einfach einmal verdoppelt wurde, von 6 Monaten bis<br />
zu 5 Jahren auf 1 Jahr bis zu 10 Jahren, womit diese »Taten«<br />
zugleich von Vergehen zu Verbrechen »befördert«<br />
wurden. Zum anderen wurde der Straftatenkatalog erweitert.<br />
Durch neue politische und soziale Schwerpunkte in<br />
den 1980er-Jahren – Friedensbewegung, Frauenbewegung,<br />
Anti-Atom- und Anti-Gentechnologie-Initiativen –<br />
gab es nun nicht mehr nur herkömmliche RAF-»Terroristen«,<br />
sondern andere und mehr Menschen mussten mit<br />
ihren Überzeugungen und Aktivitäten zu Terroristen<br />
»umgewidmet« werden. Ein erster Schritt dabei war, beispielhaft,<br />
dass mit einem neuen §305a StGB die Zerstörung<br />
wichtiger Arbeitsmittel gesondert unter Strafe gestellt<br />
wurde; dies zielt auf Sabotageaktionen im Energieversorgungsbereich,<br />
aber auch gegen Polizei- und Bun<strong>des</strong>wehrfahrzeuge.<br />
Im zweiten Schritt wurde dann §305a<br />
in den Katalog im §129a aufgenommen, das heißt, dass<br />
mehrere Menschen, die zusammen einen Strommasten<br />
umsägen oder auch nur Überlegungen anstellen, ob dies<br />
ein sinnvoller Sabotageakt sein könnte, zugleich eine terroristische<br />
Vereinigung sind.<br />
Damit kann dann auch hier das strafprozessuale »Arsenal«<br />
ausgeschöpft werden, das seinerseits zugleich um<br />
die so genannte Schleppnetzfahndung, §163d StPO, bereichert<br />
wurde, also die Möglichkeit, bei grenzpolizeilichen<br />
Kontrollen oder an Kontrollstellen (§111 StPO – s.<br />
o.) angefallene (Personen-)Daten zu speichern und auszuwerten.<br />
Einmal mehr wurde kritisiert, dass bestimmte Delikte,<br />
die nicht genuin »terroristisch« sind (was auch immer<br />
man sich darunter vorstellen mag), nur in den 129a-Katalog<br />
aufgenommen werden, um auch insoweit das beschriebene<br />
Arsenal in Stellung bringen zu können. §129a<br />
wurde daher auch als »strafprozessuales passepartout«<br />
bezeichnet (Cobler im Rechtsausschuss <strong>des</strong> BT). Gestützt<br />
wird diese Bewertung durch den Befund, dass die Anzahl<br />
der Ermittlungsverfahren sich sowohl in den 1980er-Jahren<br />
als auch in den 1990er-Jahren jeweils im vierstelligen<br />
Bereich bewegte, die Anzahl der Verurteilungen demgegenüber<br />
nur im zweistelligen Bereich.<br />
Es ist beinahe überflüssig, zum Schluss zu erwähnen,<br />
dass mit dieser Gesetzesflut fast ausschließlich die Linke<br />
im Lande zu ertränken versucht wurde und wird; so richteten<br />
sich (in den 1990er-Jahren) etwa 1.500 Verfahren<br />
<strong>nach</strong> §129a gegen Linke, aber nur 30 gegen Rechte.<br />
10 Entstehung und Anwendung <strong>des</strong> §129a