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Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.

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<strong>nach</strong> Ansicht der Kommentatoren eine Gefahr für den<br />

öffentlichen Frieden nicht auszuschließen sei.<br />

In der Begründung zur Neufassung <strong>des</strong> §129 wurde<br />

festgestellt, dass sich der Staat mit dem Problem konfrontiert<br />

sehe, dass durch die »Vermassung« in der Gesellschaft<br />

die drohenden Gefahren für die staatliche<br />

Ordnung eher von Menschen als Teil eines Kollektivs,<br />

also von Organisationen, ausgehen werden. Als Argument<br />

für das neu geschaffene politische Strafrecht diente<br />

der Untergang der Weimarer Republik, deren Mittel<br />

zur Bekämpfung staatsgefährdender Vereinigungen<br />

nicht ausgereicht hätten. Das Ziel war somit, einen starken<br />

Staat zu schaffen, der die »Feinde der Demokratie«<br />

mit den Mitteln <strong>des</strong> Strafrechts verfolgen kann.<br />

Als Vorlage für die Neufassung diente neben dem<br />

bis dahin geltenden §129 ein Entwurf von 1936, mit<br />

dem bereits damals die UnterstützerInnen staatsfeindlicher<br />

Verbindungen verfolgt werden sollten. Nun<br />

musste einer/m Beschuldigten nicht mehr eine rechtswidrige<br />

Tat selbst zur Last gelegt werden, bereits eine<br />

vorgeworfene Unterstützung war ausreichend. Für eine<br />

Verurteilung als GründerIn war nicht einmal entscheidend,<br />

ob der/die Betroffene <strong>nach</strong> der Gründung Mitglied<br />

der Verbindung blieb.<br />

Neben der Neufassung <strong>des</strong> §129 brachte das Erste<br />

Strafrechtsänderungsgesetz weitere neue so genannte<br />

Organisationsdelikte in das Strafgesetzbuch ein. Neben<br />

dem völlig neuen Tatbestand der Verfassungsverräterischen<br />

Vereinigung sah es als strafverschärfend »verfassungsverräterische<br />

Absichten« vor. Als Abschnitt<br />

»Staatsgefährdung« wurde ein neuer Komplex in das<br />

Strafgesetzbuch eingefügt.<br />

In diesem Sinne als kriminelle Straftaten galten nun<br />

auch die »Verunglimpfung <strong>des</strong> <strong>Staates</strong> und seiner Symbole«<br />

und die »Verunglimpfung von Verfassungsorganen«.<br />

<strong>Der</strong> Begriff der »kriminellen Vereinigung« wurde geschaffen,<br />

um den Verdacht auf politische Verfolgung<br />

verkündung wurden Parteibüros geschlossen, Druckereien beschlagnahmt<br />

und 33 FunktionärInnen verhaftet. <strong>Die</strong> Zahlen<br />

der zwischen 1956 und 1968 aufgrund <strong>des</strong> Verbotes eingeleiteten<br />

Ermittlungsverfahren variiert zwischen 125.000 und<br />

200.000, also weit über die Mitglieder selbst hinaus. <strong>Die</strong> Verfolgung<br />

reichte weiter. Politische Betätigung am Arbeitsplatz<br />

oder ein anhängiges Ermittlungsverfahren waren ausreichende<br />

Kündigungsgründe. Zum Teil informierte der Verfassungsschutz<br />

bei Neueinstellungen die ArbeitgeberInnen über eine<br />

mögliche Verbindung zur KPD.<br />

Allein 7.000 bis 10.000 Menschen wurden wegen Zuwiderhandlungen<br />

gegen das Verbot verurteilt. <strong>Die</strong> Zahl der als<br />

Nachfolgeorganisationen verbotenen Vereinigungen liegt bei<br />

rund 200.<br />

nicht aufkommen zu lassen. Doch im Sitzungsbericht<br />

<strong>des</strong> deutschen Bun<strong>des</strong>tages ist zu lesen: »<strong>Der</strong> allseits anerkannte<br />

Hauptzweck <strong>des</strong> Gesetzes ist es, den gewaltlosen<br />

Umsturz zu erfassen, einschließlich der Betätigungen,<br />

die das Land dazu reif machen sollen.«<br />

<strong>Die</strong> neuen Organisationsdelikte wurden vor allem<br />

gegen kommunistische Gruppen angewandt. So betrafen<br />

beispielsweise über 90 Prozent der zu dieser Zeit vor<br />

der Staatsschutzkammer <strong>des</strong> Landgerichts Hamburg geführten<br />

Prozesse Vorwürfe im Zusammenhang mit<br />

kommunistischer Betätigung. Nur 7,5 Prozent der Verfahren<br />

richteten sich gegen neonazistische Umtriebe.<br />

Mit den Neuerungen ab 1951 wurden Tätigkeiten<br />

kriminalisiert, die zuvor und auch objektiv noch keine<br />

Gefährdung erkennen ließen, aber eben das war das Ziel,<br />

wie es in der Begründung zum Regierungsentwurf bereits<br />

1951 hieß: »<strong>Der</strong> moderne Staat bedarf neuer<br />

Schutzvorschriften, die seine Verteidigungslinie in den<br />

Bereich vorverlegen, in dem die Staatsfeinde unter der<br />

Maske der Gewaltlosigkeit die Macht erschleichen.«<br />

II. <strong>Die</strong> Wurzeln politischen Strafrechts<br />

Das politische Strafrecht in Deutschland begann seine<br />

Entwicklung bereits mit dem Allgemeinen Preußischen<br />

Landrecht (ALR) von 1794, wo mit dem Übergang<br />

vom absolutistischen zum bürgerlichen Staat auch der<br />

Übergang vom »Majestätsverbrechen« zum »Staatsverbrechen«<br />

niedergelegt ist: der Hochverrat und der Lan<strong>des</strong>verrat.<br />

<strong>Der</strong> heutige §129 geht zurück auf das preußische<br />

»Edikt wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen,<br />

welche der allgemeinen Sicherheit <strong>nach</strong>teilig<br />

werden können« von 1798. Mit dem Edikt wurden<br />

erstmals unerlaubte Verbindungen in den Rang eines<br />

Straftatbestan<strong>des</strong> erhoben. Zuvor hatten die Bestimmungen<br />

<strong>des</strong> Allgemeinen Preußischen Landrechts ge-<br />

Neben dem faschistischen Spanien war die BRD das einzige<br />

Land in Westeuropa, das KommunistInnen aus dem politischen<br />

Leben verbannte.<br />

Beispiel: Das FDJ-Verbot<br />

<strong>Die</strong> FDJ zählte 1950 etwa 30.000 Mitglieder in der BRD. Viele<br />

ihrer FunktionärInnen gehörten der KPD an. Neben dieser<br />

war sie eine der Organisationen, die gezielt gegen die Remilitarisierung<br />

kämpften. <strong>Die</strong>s hatte die Aufnahme auf die Liste<br />

der Vereinigungen zur Folge, deren Mitgliedschaft unvereinbar<br />

war mit einer Tätigkeit im öffentlichen <strong>Die</strong>nst (Adenauer-Erlass).<br />

<strong>Die</strong> FDJ bereitete die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung<br />

mit vor, die von der Bun<strong>des</strong>regierung im April 1951 als<br />

6 §129: Eine kurze Entstehungsgeschichte der Gesinnungsjustiz

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