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Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.

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»Es war mir wichtig, dass ich meine Identität bewahre«<br />

lich kaum, das hat sich dann geändert, <strong>nach</strong>dem die Sonderhaftbedingungen teilweise<br />

aufgehoben worden sind; <strong>nach</strong> fünf Monaten ergab sich dann Kontakt zu verschiedenen<br />

Menschen.<br />

Im Haftstatut wurde ein besonders gesicherter Haftraum gefordert. Da sie den in Lübeck<br />

im U-Hafttrakt nicht hatten, bin ich zunächst ständig verlegt worden, alle ein bis zwei Wochen<br />

bin ich in eine andere Zelle gelegt worden. Ich habe dann längere Beschwerden dazu<br />

geschrieben, so daß das dann <strong>nach</strong> drei Monaten eingestellt worden ist.<br />

In Bruchsal war ich im 3. Stock, so daß ich auch auf die Straße gucken konnte. Das Fenster<br />

war zwar enorm hoch, in ungefähr 2,50 m Höhe, aber wenn ich einen Stuhl nahm und<br />

einen Eimer draufstellte, konnte ich aus dem Fenster gucken. In Lübeck war das Fenster<br />

zwar in ganz normaler Fensterhöhe, es war aber im Erdgeschoß und in 4 m Entfernung<br />

war dann ein anderes Gebäude, ein Werkstattgebäude. Von daher konnte ich also nichts<br />

sehen.<br />

Kannst du was dazu sagen, wie du die Knastzeit hinter dich gebracht hast, wie du damit<br />

klar gekommen bist?<br />

Was hast Du im Knast von der Soliarbeit mitgekriegt?<br />

Mir war ziemlich schnell klar, daß das ein längerer Zeitraum wird, den ich im Knast bleiben<br />

werde. Ein halbes Jahr hatte ich da noch gar nicht im Kopf, es war nur klar, daß es<br />

nicht »morgen« ist. Daher habe ich ziemlich schnell angefangen, mich »einzurichten«.<br />

Was für mich wichtig war, war Informationen <strong>nach</strong> draußen zu vermitteln und Informationen<br />

von draußen zu bekommen. Das ist z.B. über den Briefverkehr gegangen. Dann war<br />

es mir total wichtig, daß ich im Knast was mache, daß ich meine Identität bewahre. Ich<br />

hab versucht, viel zu lesen und die Diskussionen, die geführt wurden, für mich zu diskutieren<br />

und auch aufzuschreiben. Ich war ja komplett abgeschirmt von jeglichen Diskussionen,<br />

die draußen stattfanden.<br />

Wichtig war für mich, daß ich wirklich im Kopf hatte, daß ich für meine Geschichte, für<br />

meine politische Einstellung, für meine Überzeugung in U-Haft bin, und das war auch gut<br />

und notwendig, um das zu verarbeiten und zu verkraften und, egal ob an den Vorwürfen<br />

nun was dran ist oder nicht, aber daß ich dazu stehe, zu realisieren, daß ich im Knast sitze,<br />

damit umgehen muß und das Beste draus machen muß und will.<br />

Ich hab dann noch versucht, im Knast selbst ein bißchen was zu machen, sei es, daß es im<br />

Knast Fascho-Literatur in der Bücherei gab, wo ich mal versucht habe, was gegen zu machen;<br />

ein ganzer Part war eben auch Beschwerden schreiben oder rumnerven oder Briefe<br />

schreiben. Gerade in der ersten Zeit war eben die Situation ganz neu, ich mußte alles lernen,<br />

was mußt du schreiben, was mußt du beantragen, wo muß ich’s beantragen … Das<br />

war in der Situation auch ganz gut. Dann hab ich Radio und Fernsehen gehabt, konnte<br />

mich damit auch teilweise beschäftigen, hab’ mich abgelenkt.<br />

Das wichtigste war für mich wirklich das Schreiben, Post von draußen zu bekommen und<br />

auch Sachen von mir aufzuschreiben. Wobei das natürlich auch so ein Hin- und Hergeeier<br />

war, was kannst du schreiben, was kannst du nicht schreiben, da ja alles mitgelesen wird,<br />

egal was du schreibst. Es wurde ein Drittel aller Briefe und Postkarten, die mir geschrieben<br />

wurden, angehalten. Von knapp 400 Briefen sind 150 angehalten worden. Teilweise<br />

sind sie komplett angehalten worden, teilweise sind sie zensiert worden, dann hast du ’nen<br />

Brief gekriegt, da war ein schwarzer Balken drin, oder es fehlte eine Seite. Es war auch so,<br />

daß vieles, was ich rausgeschrieben habe, angehalten wurde, weil es angeblich »verfahrensrelevant«<br />

sei. Das war schon ziemlich heftig und belastend, daß eine politische Diskussion<br />

und Auseinandersetzung über den 13. Juni überhaupt nicht möglich war. […]<br />

Also erstmal, was ich eigentlich schon am ersten Tag gewußt habe, war, daß draußen irgendwas<br />

stattfinden wird, ohne zu wissen was. Das war klar, weil ich aus meiner eigenen<br />

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