Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.
Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.
Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Vorweg<br />
<strong>Die</strong> seit 2007 andauernde Überakkumulationskrise<br />
<strong>des</strong> Kapitals beschäftigt seit dem vergangenen Jahr den<br />
gesamten Globus.Vor allem die Herrschenden dieser Welt<br />
<strong>des</strong> Kapitals sind schwer interessiert daran, dass die Verhältnisse<br />
trotz der globalen Folgen nicht zum Tanzen<br />
kommen, sondern dass ihre Opfer – in diesem Fall nicht<br />
weniger als die Menschheit – schön brav und artig bleiben<br />
und notfalls sterben.<br />
<strong>Die</strong>s wiederum hat alle Linken und speziell die <strong>Rote</strong><br />
<strong>Hilfe</strong> als Antirepressionsorganisation zu interessieren. Da<br />
die Welt so bleiben soll wie sie ist, hübsch in Oben, Unten,<br />
Arm und Reich eingeteilt, kommen die apokalyptischen<br />
Reiter <strong>Hunger</strong>, Krankheit, Krieg und Armut verstärkt<br />
zum Einsatz. All jene, die diese Verhältnisse nicht akzeptieren<br />
wollen, werden staatlicherseits zu »Terrorist_innen«<br />
erklärt. <strong>Die</strong>s trifft nicht nur linke Aktivist_innen,<br />
sondern auch jene, die aufgrund verschärfter Ausbeutungsverhältnisse<br />
zu neuen Überlebensstrategien greifen:<br />
Piraten in Somalia sind nicht <strong>des</strong>wegen solche, weil das<br />
Piratenleben so romantisch ist, sondern weil ihnen von<br />
den Reichen ihre Fische weg geklaut wurden, von denen<br />
sie vorher leben konnten. Wer dann Krieg führt (von der<br />
mühsam erkämpften Monopolstellung der NATO über<br />
95 % der Weltproduktion <strong>des</strong> Rohopiums in Afghanistan<br />
ganz zu schweigen), muss zusehen, dass es an der »Heimatfront«<br />
ruhig bleibt. Das bedeutet zunehmende Militarisierung<br />
auch der Innenpolitik.<br />
Seit dem 11. September 2001 hat die global herrschende<br />
Klasse einen wunderbaren Vorwand, dies ohne nennenswerten<br />
Widerstand durchzusetzen. Bei uns ist mittlerweile<br />
jede_r verdächtig. <strong>Die</strong> Datensammelwut<br />
schraubt sich in unermessliche Sphären empor, und es<br />
wird zunehmend als unverschämt begriffen, sich ihr zu<br />
widersetzen. <strong>Die</strong> nächste Volkszählung steht 2009 ins<br />
Haus – und keine_r geht hin? Das Strafrecht, eine Errungenschaft<br />
der bürgerlichen Revolution, wandelt sich rapide.<br />
Verdachtsstrafrecht statt Tatstrafrecht; Gesinnungsund<br />
TäterInnenstrafrecht werden vermehrt und pauschal<br />
gegen erwartete zukünftige Klassenauseinandersetzungen<br />
ins Feld geführt.<br />
<strong>Die</strong> Position der unkontrollierten Geheimdienste und<br />
<strong>des</strong> BKA wird in jeder Beziehung gestärkt und ausgebaut.<br />
Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten,<br />
das <strong>nach</strong> dem Naziterror aus gutem Grund eingeführt<br />
wurde, wird ohne nennenswerte Diskussion aufgehoben.<br />
Das neue BKA-Gesetz bildet in diesem Zusammenhang<br />
den aktuellen Höhepunkt. <strong>Der</strong> VS mischt sich zunehmend<br />
in politische Prozesse ein, beginnt, führt und verschleppt<br />
sie. Er schafft »Terrorist_innen«, die es in dieser<br />
Form nicht mehr gibt, und überbrückt so die Wartezeit,<br />
bis neue Klassenkämpfe auch wieder neue militante Kerne<br />
hervorbringen.<br />
Während das Kapital sich international organisiert,<br />
schafft es »Terrorlisten« und Gesetze wie den § 129b, die<br />
eine internationale Gegenwehr unmöglich machen sollen<br />
oder diese zumin<strong>des</strong>t unter Strafe stellen. Wie <strong>nach</strong> der<br />
Krise von 1973 aus dem besetzten Nordirland ein Experimentierfeld<br />
für militärische Aufstandsbekämpfung wurde,<br />
leistet sich die Eurozone heute im Baskenland ein Experimentierfeld<br />
der politischen Aufstandsbekämpfung<br />
mittels Folter und Ausnahmezustand.<br />
Festzuhalten bleibt, dass der Staat als Gesamtkonstrukt<br />
<strong>des</strong> Kapitals die bestehenden Verhältnisse in gesetzlichen<br />
Beton gießt und in seinem Bemühen, diese aufrecht<br />
zu erhalten, gesellschaftliche und individuelle Rechte<br />
permanent abzuschaffen bemüht ist. Im Zuge <strong>des</strong>sen<br />
werden auch bisher legale Möglichkeiten <strong>des</strong> Protests eingeschränkt<br />
bzw. abgeschafft, wie z. B. die aktuellen Verschärfungen<br />
<strong>des</strong> Versammlungsrechts.<br />
Wir vergessen auch nicht, dass die Genoss_innen aus<br />
der früheren Stadtguerilla jahrzehntelang in Geiselhaft<br />
gehalten wurden und Birgit Hogefeld immer noch im<br />
Knast sitzt. <strong>Die</strong> aktuellen Ausweitungen sowohl der Überwachungs-<br />
als auch der Verfolgungsgesetze, einhergehend<br />
mit einem massiv geführten neuen »Terror«-Diskurs von<br />
oben, sind für uns Anlass genug, diese Broschüre mit dem<br />
Schwerpunkt auf den so genannten »Terror«-Paragrafen<br />
129/a/b zu erstellen. Wir wünschen uns, damit einen kleinen<br />
Beitrag zu ihrer vollständigen Abschaffung zu leisten.<br />
Das Redaktionskollektiv, Göttingen, Januar 2009<br />
4 Vorweg