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Der Hunger des Staates nach Feinden. Die ... - Rote Hilfe e.V.

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Presseerklärung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>vorstands vom 24.9. 2007<br />

30 Jahre »Deutscher Herbst«<br />

Weg mit Paragraph 129a!<br />

Auf dem Höhepunkt der staatlichen Repression, die<br />

sich in den 1970er Jahren gegen die gesamte radikale Linke<br />

richtete und die vor genau 30 Jahren im »Deutschen<br />

Herbst« gipfelte, wurde 1976 ein Gesetz verabschiedet, der<br />

dem innerstaatlichen Kampf gegen die Linke völlig neue<br />

Dimensionen verlieh: <strong>Der</strong> Paragraph 129a, der die »Bildung<br />

und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung«<br />

ahndete, sah keinerlei individuellen Tat<strong>nach</strong>weis<br />

mehr vor. Wer – tatsächlich oder angeblich – einer Gruppe<br />

angehörte, die <strong>nach</strong> der Definition der Repressionsorgane<br />

als »terroristisch« eingestuft wurde, verlor im Zuge<br />

der Ermittlungen wesentliche Grundrechte.<br />

Mit dem Vorwand einer 129a-Ermittlung ließen sich<br />

nahezu jede Überwachungs- und Bespitzelungsmaßnahme<br />

begründen, Verteidigerrechte und prozessuale Standards<br />

außer Kraft setzen und Haftbedingungen exerzieren,<br />

die international zu Recht als weiße Folter bezeichnet<br />

wurden. Es ging nicht allein um die staatliche Zerschlagung<br />

der bewaffnet kämpfenden Gruppen, die zum<br />

Staatsfeind Nummer Eins aufgebaut wurden, sondern um<br />

die Verunmöglichung einer offenen Diskussion um notwendige<br />

politische Strategien innerhalb der Linken. Wer<br />

nicht von vornherein eine eindeutige Distanzierung signalisierte<br />

oder sich in devoten Ergebenheitsadressen an den<br />

Staat erging, wurde als RAF-SympathisantIn gebrandmarkt<br />

und mittels <strong>des</strong> neu gewonnenen Anti-Terror-Paragraphen<br />

kaltgestellt. Persönliche Kontakte konnten durch<br />

dieses Repressionsinstrument ebenso zum Straftatbestand<br />

werden wie politische Diskussionen oder das Publizieren<br />

missliebiger Texte.<br />

War der §129a zunächst noch als außergewöhnliche<br />

Abwehrmaßnahme im Kampf gegen die Stadtguerilla begründet<br />

worden, wurde er sehr bald zum festen Bestandteil<br />

der staatlichen Repression gegen die gesamte Linke.<br />

<strong>Der</strong> Fall Ingrid Strobl führte der Öffentlichkeit vor Augen,<br />

dass bereits die Beschäftigung mit »anschlagsrelevanten<br />

Themen«, also letztlich jede radikale kritische Auseinandersetzung<br />

mit den herrschenden Verhältnissen, zu langen<br />

Haftstrafen führen konnte.<br />

Im Kampf gegen die PKK dienten <strong>nach</strong> der Verhaftung<br />

Abdullah Öcalans banale Autobahnblockaden kurdischer<br />

Linker zur Konstruktion einer terroristischen Vereinigung.<br />

Seit der Einführung <strong>des</strong> §129b ist nicht einmal mehr<br />

irgendeine politische Aktivität innerhalb der BRD mehr<br />

nötig, um eine Organisation als »terroristisch« zu verfolgen.<br />

Auch der bewaffnete Kampf gegen Unterdrückung in<br />

Staaten, die die BRD im weitesten Sinne als Verbündete<br />

betrachtet, kann nun zum Vorwand der Kriminalisierung<br />

verwendet werden.<br />

<strong>Die</strong> Kriminalisierung antifaschistischer Gruppen wie<br />

der Autonomen Antifa [M] oder der Antifa Passau, die in<br />

den 1990er Jahren <strong>nach</strong> §129(a) verfolgt wurden, stellte<br />

selbst eine vollkommen offen und im legalen Rahmen<br />

handelnde außerparlamentarische Opposition unter Terrorismusverdacht.<br />

Zu Verurteilungen kommt es trotz der<br />

diffusen Vorwürfe, die zur Behauptung einer Zugehörigkeit<br />

zu einer inkriminierten Gruppe führen können, nur<br />

in den seltensten Fällen. Vielmehr dient der §129a in<br />

Wirklichkeit der Durchleuchtung linker Strukturen und<br />

ist damit ein klassischer Ermittlungsparagraph, der den<br />

Repressionsorganen nahezu je<strong>des</strong> noch so fragwürdige<br />

Bespitzelungsinstrument an die Hand gibt, ohne dass sich<br />

ein konkreter Tatverdacht jemals erhärtet.<br />

Heute, fast zehn Jahre <strong>nach</strong>dem die RAF ihre Auflösung<br />

bekannt gegeben hat, erlebt der §129a im Zuge einer<br />

gezielt geschürten Antiterrorhysterie eine neue Blüte. Dabei<br />

wird er weniger gegen islamistische Organisationen,<br />

die zur Begründung immer neuer Gesetzesverschärfungen<br />

dienen, eingesetzt, sondern weiterhin hauptsächlich gegen<br />

die außerparlamentarische Linke. Dabei wird einfache<br />

Sachbeschädigung als Vorwand benutzt, um eine ganze<br />

politische Szene mit Prozessen und langjährigen Haftstrafen<br />

unter menschenverachtenden Bedingungen zu bedrohen.<br />

<strong>Die</strong> Hausdurchsuchungen im Umfeld <strong>des</strong> G8-Gipfels<br />

zeigen ebenso wie die jüngsten Verhaftungen, die sich gegen<br />

angebliche Mitglieder der »militanten gruppe« richteten,<br />

dass der Antiterrorparagraph weiterhin in erster Linie<br />

die Ausforschung, Einschüchterung und letztlich Zerschlagung<br />

linker Organisierungsversuche zum Ziel hat.<br />

<strong>Die</strong> Ermittlungen <strong>nach</strong> §129a sind ausschließlich politische<br />

Repressionsmaßnahmen, die mit klassischer Strafverfolgung<br />

ebenso wenig zu tun haben wie die möglicherweise<br />

folgenden Prozesse, in denen auf sämtliche rechtsstaatlichen<br />

Standards verzichtet wird, als faire Verfahren<br />

bezeichnet werden können. Folglich können wir als linke<br />

Solidaritätsorganisation uns nicht darauf beschränken,<br />

den einzelnen absurden Tatvorwürfen mit entlastendem<br />

Material zu begegnen. Politische Prozesse verlangen eine<br />

politische Antwort, die in diesem Fall nur heißen kann:<br />

Weg mit den Paragraphen 129, 129a und 129b!<br />

Für die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen!<br />

Mathias Krause für den Bun<strong>des</strong>vorstand der <strong>Rote</strong>n <strong>Hilfe</strong><br />

8 30 Jahre »Deutscher Herbst« Weg mit Paragraph 129a!

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