Aus dem Institut für Sportgeschichte der Deutschen ... - Rudern.de
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<strong>Aus</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Sportgeschichte</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Sporthochschule Köln<br />
Prof. Dr. Manfred Lämmer<br />
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Sporthochschule Köln<br />
zur Erlangung <strong>de</strong>s aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen Gra<strong>de</strong>s<br />
Doktorin <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportwissenschaft<br />
genehmigte Dissertation<br />
vorgelegt<br />
von<br />
Anne Hutmacher<br />
aus<br />
Lingen/Ems<br />
Köln 2010
Erster Referent: Prof. Dr. Manfred Lämmer<br />
Zweiter Referent: Prof. Dr. Walter Schrö<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Promotionsausschusses: Prof. Dr. Ilse Hartmann-Tews<br />
Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> mündlichen Prüfung: 13. Januar 2011<br />
Hierdurch versichere ich an Ei<strong>de</strong>s statt: Ich habe diese Dissertationsarbeit<br />
selbstständig und nur unter Benutzung <strong><strong>de</strong>r</strong> angegebenen Quellen angefertigt;<br />
sie hat noch keiner an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Stelle zur Prüfung vorgelegen. Wörtlich<br />
übernommene Textstellen, auch Einzelsätze o<strong><strong>de</strong>r</strong> Teile davon, sind als Zitate<br />
kenntlich gemacht wor<strong>de</strong>n.<br />
Köln, 24. Juni 2010 _____________________<br />
Anne Hutmacher
Danksagung<br />
Ein Gefühl <strong><strong>de</strong>r</strong> tiefen Dankbarkeit verbin<strong>de</strong>t mich mit all <strong>de</strong>nen, die mich auf<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> langen Weg dieser Arbeit begleitet, unterstützt und geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t haben.<br />
Mein erster Dank gilt Prof. Dr. Lämmer, <strong><strong>de</strong>r</strong> mich während meiner gesamten<br />
Promotionszeit unterstützt und geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t sowie diese Arbeit angeregt und als<br />
Doktorvater begleitet hat. Dr. Gabi Langen und Robin Streppelhoff aus <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Sportgeschichte</strong> danke ich herzlich da<strong>für</strong>, dass ich mich je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit<br />
auf ihren Rat in inhaltlichen und strukturellen Fragen verlassen konnte.<br />
Ein großes Dankeschön geht auch an Carolina van Hamont und Anja<br />
Steiling, die konsequent und erbarmungslos Korrektur gelesen haben.<br />
Dem „Kölner Kreis“, Bianca Biallas und Axel Kupfer, Frie<strong><strong>de</strong>r</strong>ike Schelling und<br />
Sebastian Gruber, Birgit Schiller, Anke und Holger Dahl, Anne und Dirk Stei-<br />
nes, Familie Meisch, Britta und Bruce Warner, Rebekka und Arnaud Azam,<br />
Barbara und Michael Ahlbach, Ellen Bertke sowie Phillis und David Fermer,<br />
danke ich <strong>für</strong> unzählige Gespräche über meine Arbeit, <strong>de</strong>n Sinn <strong>de</strong>s Lebens<br />
und so manche Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Ihr bereichert mein Leben je<strong>de</strong>n Tag: ohne<br />
euch wäre es nicht annähernd so spannend und aufregend.<br />
Nicht genug danken kann ich Dr. Evelyn Mertin, ohne <strong><strong>de</strong>r</strong>en Motivation und<br />
Unterstützung ich heute noch am Steg liegen wür<strong>de</strong>, anstatt durch das Ziel<br />
zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Das gemeinsame Arbeiten und die daraus entstan<strong>de</strong>ne Freund-<br />
schaft haben mich tief geprägt.<br />
In großer Dankbarkeit bin ich schließlich meiner Familie verbun<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Geduld ich in <strong>de</strong>n letzten drei Jahren oft strapaziert habe. Ohne eure Liebe,<br />
eure Unterstützung und euer bedingungsloses Verständnis wäre es mir nicht<br />
möglich gewesen, diesen Weg zu gehen.<br />
Anne Hutmacher<br />
Köln, im Juni 2010
Inhaltsverzeichnis i<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Abkürzungsverzeichnis vi<br />
Glossar ix<br />
1 Einleitung 1<br />
1.1 Forschungsstand und forschungsleiten<strong>de</strong> Fragestellung 2<br />
1.1.1 Zum Forschungsstand 2<br />
1.1.2 Thematische Annäherung 4<br />
1.2 Aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit 6<br />
1.3 Untersuchungsmethodik und Quellen 10<br />
1.3.1 Methodische Vorgehensweise 10<br />
1.3.2 Quellen 11<br />
2 Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland<br />
2.1 Alltagsrealitäten in West<strong>de</strong>utschland 15<br />
2.2 Alltagsrealitäten in Ost<strong>de</strong>utschland 19<br />
2.3 Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Weg zur Gleichberechtigung – Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland heute<br />
3 Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 26<br />
3.1 Mythologische Überlieferungen 26<br />
3.2 Die Leibesübungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t 30<br />
3.3 Die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong> 31<br />
3.4 Die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik 34<br />
3.5 Mädchen- und Frauensport im Nationalozialismus 38<br />
3.6 Frauensport in Ost<strong>de</strong>utschland 40<br />
3.7 Frauensport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 45<br />
4 Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 50<br />
4.1 Die Anfänge <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in England 50<br />
4.2 Von <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports bis 1945 52<br />
i<br />
14<br />
22
Inhaltsverzeichnis ii<br />
4.3 Exkurs: Die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in<br />
Deutschland nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg<br />
4.4 Der Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland von<br />
1945 bis 1949<br />
4.5 Der Aufbau <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Ost<strong>de</strong>utschland 73<br />
4.6 „Kalter Krieg“ auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Regattabahn 82<br />
4.7 Schwerpunkte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit bis 1991 89<br />
4.7.1 Die Arbeit <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s 89<br />
4.7.2 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>entwicklung im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband 95<br />
4.7.3 Die Arbeit <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verban<strong>de</strong>s 96<br />
4.7.4 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>entwicklung im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband 101<br />
4.8 Die Vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong> 102<br />
4.9 Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband heute 111<br />
5 „Mit Rock und Riemen“: Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 114<br />
5.1 Erste Versuche 114<br />
5.1.1 Sommervergnügen in Stralau 115<br />
5.1.2 Deutsche Amazonenflotte 118<br />
5.1.3 „Lampion-Corso“ auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Alster 120<br />
5.2 Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten weiblichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportvereine 124<br />
5.2.1 Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club 124<br />
5.2.2 Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft 128<br />
5.2.3 Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub 130<br />
5.2.4 Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club 132<br />
5.2.5 Damenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen 136<br />
5.3 „Krebse fangen“ in <strong>de</strong>n ersten Jahren 140<br />
5.3.1 Die Frauenfrage im <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 141<br />
5.3.2 Die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekleidung <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen 146<br />
5.3.3 Bootsmaterial und Vermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik 151<br />
5.4 Deutscher Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband 161<br />
5.4.1 Konstituierung und Entwicklung 161<br />
5.4.2 „Auf Fahrt“ mit <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband 163<br />
5.4.3 „Unruhiges Fahrwasser“: Das Verhältnis zwischen Damen-<br />
und Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
62<br />
67<br />
167
Inhaltsverzeichnis iii<br />
5.4.4 Aufösung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s 175<br />
5.5 Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Nationalsozialismus 176<br />
5.6 „Schön o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schnell?“ – Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns vor<br />
1945<br />
5.6.1 Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 190<br />
5.6.2 Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 202<br />
5.6.3 Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 211<br />
5.6.4 Schlagzahlru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 214<br />
5.6.5 Gleichschlagru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 216<br />
5.7 Regatten und Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 216<br />
5.8 Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 224<br />
5.8.1 „Mädchen ins Boot“ – Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 224<br />
5.8.2 Organisation und Verbandswesen 230<br />
5.9 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n Universitäten bis 1945 234<br />
5.10 Exkurs: Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Aus</strong>land 236<br />
6 Frauen als „Schlagmänner?“ Mitarbeit im Verband 248<br />
6.1 Mitarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband 251<br />
6.1.1 Unterausschuß Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von 1949 bis 1972 251<br />
6.1.2 Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen von 1972 bis 1986 263<br />
6.1.3 Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan 270<br />
6.1.4 <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von 1990 bis heute 275<br />
6.2 Mitarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband 293<br />
6.3 Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen in bei<strong>de</strong>n<br />
Verbän<strong>de</strong>n<br />
7 „Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in<br />
bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten<br />
7.1 Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 298<br />
7.1.1 Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 299<br />
7.1.2 Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 310<br />
7.1.3 Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 327<br />
7.1.4 Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 335<br />
7.2 Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Demokratischen Republik 340<br />
7.2.1 Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 341<br />
181<br />
295<br />
298
Inhaltsverzeichnis iv<br />
7.2.2 DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften 352<br />
7.3 Gesamt<strong>de</strong>utsche Meisterschaften von 1954 bis 1957 358<br />
7.4 Internationale Meisterschaften 359<br />
7.4.1 Europameisterschaften 361<br />
7.4.2 Weltmeisterschaften 367<br />
7.4.3 Olympische Spiele 373<br />
7.4.4 Medaillenbilanz 376<br />
7.5 Exkurs: Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Verbän<strong>de</strong>n 380<br />
8 „Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland nach 1990<br />
8.1 Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 383<br />
8.2 Internationale Meisterschaften 391<br />
8.2.1 Europameisterschaften 391<br />
8.2.2 Weltmeisterschaften 392<br />
8.2.3 Olympische Spiele 394<br />
9 Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 399<br />
9.1 Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD 399<br />
9.2 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n Universitäten in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD 406<br />
9.3 Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR 410<br />
9.4 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n Universitäten in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR 411<br />
10 „Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine<br />
heute<br />
10.1 Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft 417<br />
10.2 Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub 419<br />
10.3 Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club 421<br />
10.4 Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club-Wannsee 425<br />
11 Schlussbetrachtung 428<br />
11.1 Frauen als „Schlagmänner“ – Mitarbeit im Verband 429<br />
11.2 „Achtung – Los!“ – Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns 435<br />
12 Literaturverzeichnis 442<br />
382<br />
414
Inhaltsverzeichnis v<br />
13 Anhang 485<br />
Lebenslauf<br />
Abstract
Abkürzungsverzeichnis vi<br />
Verwen<strong>de</strong>te Abkürzungen:<br />
AAC Allgemeiner Alster-Club<br />
AAR Arbeitsausschuß Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
ADH Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband<br />
ADS Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sport<br />
AF <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
AfF Abteilung <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
AGDS Arbeitsgemeinschaft Deutscher Stu<strong>de</strong>ntensport<br />
AHV Alt-Herren-Verband<br />
ARA [British] Amateur-Rowing-Association<br />
ATUS Arbeiter- Turn- und Sportbund<br />
AWB Allgemeine Wettfahrtbestimmungen<br />
BArch Bun<strong>de</strong>sarchiv<br />
BDM Bund Deutscher Mä<strong>de</strong>l<br />
BDSR Bund Deutscher Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong><br />
BF Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
BM Bestimmungen <strong>für</strong> das Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
BRD Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
BSG Betriebssportgemeinschaft<br />
CDU Christlich Demokratische Union<br />
DDR Deutsche Demokratische Republik<br />
DDRV Deutscher Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband<br />
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund<br />
DGM Deutsche Großbootmeisterschaften<br />
DHfK Deutsche Hochschule <strong>für</strong> Körperkultur<br />
DHfL Deutsche Hochschule <strong>für</strong> Leibesübungen<br />
DKM Deutsche Kleinbootmeisterschaften<br />
DMR Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
DOSB Deutscher Olympischer Sportbund<br />
DRA Deutscher Reichsausschuß <strong>für</strong> Leibesübungen<br />
DRJ Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>jugend<br />
DRL Deutscher Reichsbund <strong>für</strong> Leibesübungen<br />
DRM DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften<br />
DRV Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband
Abkürzungsverzeichnis vii<br />
DRSV Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband<br />
DSA Deutscher Sportausschuß<br />
DSB Deutscher Sportbund<br />
DSHS Deutsche Sporthochschule [Köln]<br />
DSM Deutsche Sprintmeisterschaften<br />
DT Deutsche Turnerschaft<br />
DTB Deutscher Turner-Bund<br />
DTSB Deutscher Turn- und Sportbund<br />
EM Europameisterschaften<br />
FDRC Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club<br />
FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund<br />
FDJ Freie Deutsche Jugend<br />
FISA Fé<strong><strong>de</strong>r</strong>ation Internationale <strong>de</strong>s Sociétés d’Aviron<br />
FRCW Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club-Wannsee<br />
GG Grundgesetz [<strong>de</strong>s DRV]<br />
HJ Hitlerjugend<br />
HAG Hochschulsportgemeinschaft<br />
HRC Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club<br />
IOC Internationales Olympisches Komitee<br />
JtfO Jugend trainiert <strong>für</strong> Olympia<br />
KJS Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Jugendsportschule<br />
KPD Kommunistische Partei Deutschlands<br />
LFRG Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft<br />
LRG Lübecker Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft<br />
LFRK Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub<br />
LRK Lübecker Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub<br />
LSRV Lan<strong>de</strong>sschülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
LRV Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
LSB Lan<strong>de</strong>ssportbund<br />
NOK Nationales Olympisches Komitee <strong>für</strong> Deutschland<br />
NOWM Nichtolympische Weltmeisterschaft<br />
NSRL Nationalsozialistischer Reichsbund <strong>für</strong> Leibes-<br />
übungen<br />
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Abkürzungsverzeichnis viii<br />
OS Olympische Spiele<br />
Rgm. Renngemeinschaft<br />
RG Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gesellschft<br />
RR Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
RTP Rahmentrainingsplan<br />
RV Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein<br />
SAPMO-BArch Stiftung Archiv <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien und Massenorganisationen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR im Bun<strong>de</strong>sarchiv<br />
SED Sozialistische Einheitspartei Deutschland<br />
SBZ Sowjetische Besatzungszone<br />
SC Sportclub<br />
SG Sportgemeinschaft<br />
SKKS Staatliches Komitee <strong>für</strong> Körperkultur und Sport<br />
SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland<br />
SPD Sozial<strong><strong>de</strong>m</strong>okratische Partei Deutschlands<br />
SRR Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege<br />
SRV Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein<br />
St. Steuer<br />
Stf. Steuerfrau<br />
Stm. Steuermann<br />
TZ Trainingszentrum<br />
UA Unterausschuss<br />
UAF Unterausschuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
VA Verbandsausschuss [im DRV]<br />
VEB Volkseigener Großbetrieb<br />
WARA Women’s Amateur Rowing Association<br />
WG Wettkampfgemeinschaft<br />
WM Weltmeisterschaften<br />
ZK Zentralkommission <strong>für</strong> Körperpflege und Arbeiter-<br />
sport
Glossar ix<br />
Aufsicht<br />
Querschnitt<br />
Skull<br />
Riemen
Einleitung 1<br />
1 Einleitung<br />
Das Jahr 2009 wur<strong>de</strong> vom <strong>Deutschen</strong> Olympischen Sportbund (DOSB) zum<br />
„Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Sport“ unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Motto „Frauen Gewinnen!“ erklärt. Der<br />
Weg dahin war lang: 90 Jahre zuvor konnten Frauen erstmals aktiv und pas-<br />
siv an Wahlen teilnehmen. Vor 60 Jahren wur<strong>de</strong> im Grundgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun-<br />
<strong>de</strong>srepublik Deutschland (BRD) in Artikel 3 Absatz 2 bestimmt: „Männer und<br />
Frauen sind gleichberechtigt“. Damit wur<strong>de</strong> die tatsächliche Gleichstellung<br />
zur staatlichen Aufgabe gemacht. Dies wirkte sich auf alle gesellschaftlichen<br />
Bereiche aus und umfasste auch <strong>de</strong>n Sport. Das „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Sport“<br />
ist eine Folge <strong>de</strong>s jahrzehntelangen Kampfes um Gleichberechtigung und<br />
Anerkennung. Das Motto „Frauen Gewinnen!“ suggeriert <strong>de</strong>nnoch, dass die-<br />
ser Prozess auch heute noch nicht abgeschlossen ist.<br />
Dieser lange Weg wird auch am Beispiel <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s<br />
(DRV) <strong>de</strong>utlich. Der DRV ist <strong><strong>de</strong>r</strong> älteste Fachverband im DOSB. Er ist die<br />
Interessenvertretung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports, seiner Vereine und Ver-<br />
bän<strong>de</strong> sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Das Selbstverständnis <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s ist im<br />
Amateursport begrün<strong>de</strong>t: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist eine <strong><strong>de</strong>r</strong> traditionsreichsten Sportarten in<br />
Deutschland und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Bewegung. Bereits 1836 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
erste Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein in Hamburg gegrün<strong>de</strong>t.<br />
Die ersten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>versuche von Frauen können auf das Jahr 1884 datiert<br />
wer<strong>de</strong>n, als die Herren <strong>de</strong>s Berliner Touren Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>clubs Unterricht <strong>für</strong> Frauen<br />
erteilten. Zehn Jahre später wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein, Die Deut-<br />
sche Amazonenflotte, gegrün<strong>de</strong>t. Immer häufiger taten sich Frauen am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts zusammen, um diesen Sport zu betreiben. Da ihnen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zugang zu <strong>de</strong>n Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen lange verwehrt blieb, waren sie ge-<br />
zwungen, eigene Gemeinschaften zu grün<strong>de</strong>n. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n galt lange als „gent-<br />
lemen“-Sport, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit Attributen wie Kraft, <strong>Aus</strong>dauer, Stärke und Männlichkeit<br />
assoziiert wur<strong>de</strong>. Der DRV hemmte durch seine Einstellung und das jahr-<br />
zehntelange Festhalten an tradierten Wertvorstellungen die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland erheblich. Medizinische und ästhetische<br />
Vorurteile sowie gesellschaftliche Vorbehalte erschwerten <strong>de</strong>n Zugang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauen zu dieser Sportart. So wur<strong>de</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utschen Verband erst<br />
1971 die formale Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechter in <strong>de</strong>n Statuten erreicht.
Einleitung 2<br />
Am Beispiel von Körperkultur und Sport lassen sich soziale, wirtschaftliche<br />
und politische Aspekte und Wandlungen in einem gesamtgesellschaftlichen<br />
Kontext darstellen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit soll die Geschichte <strong>de</strong>s Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns stehen. Im Laufe seiner Entwicklung war <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
mit vielen politischen Entwicklungen und Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen konfrontiert. Die<br />
staatliche Teilung nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg be<strong>de</strong>utete <strong>für</strong> die bei<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Verbän<strong>de</strong> eine Forcierung <strong>de</strong>s Leistungssports im Kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> Sys-<br />
teme. Daher soll mit dieser Arbeit auch ein Beitrag zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen Beziehungen geleistet wer<strong>de</strong>n. Der Blick auf die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauen im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport ver<strong>de</strong>utlicht die unterschiedliche Frauenpolitik im Be-<br />
reich <strong>de</strong>s Sports und fasst die sportlichen Ergebnisse bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> in<br />
einer vergleichen<strong>de</strong>n Leistungsbilanz zusammen. Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung ist<br />
nicht die Darstellung sportlicher Leistungen und Rekor<strong>de</strong>. Vielmehr soll durch<br />
eine politik- und sozialgeschichtliche Analyse die Frage <strong>de</strong>s Selbstverständ-<br />
nisses <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports und die Partizipation von Frauen vor 1945<br />
sowie die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im jeweiligen Verband nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg<br />
aufgegriffen wer<strong>de</strong>n. Einzelne Vorgänge wer<strong>de</strong>n ausführlicher dargestellt, um<br />
auf diese Weise die jeweilige Verbandspolitik in Bezug auf die „Frauenfrage“<br />
nachzuvollziehen und <strong>de</strong>n Überlegenheitsanspruch <strong>de</strong>s einen o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Systems darstellen zu können.<br />
1.1 Forschungsstand und forschungsleiten<strong>de</strong> Fragestellung<br />
1.1.1 Zum Forschungsstand<br />
Die Geschichte und die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im <strong>Deutschen</strong> Reich,<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD und in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Demokratischen Republik (DDR) hat bisher<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaft kaum Beachtung erfahren. Zwei Diplomarbeiten, die<br />
1950 1 respektive 1993 2 an <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Sporthochschule Köln (DSHS<br />
Köln) verfasst wur<strong>de</strong>n, gelten <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte einiger Teilbereiche <strong>de</strong>s Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports. Allerdings beschränken sich bei<strong>de</strong> Verfasser auf die Entwick-<br />
lung im <strong>Deutschen</strong> Reich und in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD, ohne eine weitergehen<strong>de</strong><br />
gesellschaftliche Einordnung vorzunehmen. Auch die Arbeit von Ellen Becker<br />
1<br />
L. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, Diplomarbeit<br />
DSHS Köln, Köln 1950.<br />
2<br />
C. VIEZENZ, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland von <strong>de</strong>n Anfängen bis zum Jahr 1991, Diplomarbeit DSHS Köln, Köln 1993.
Einleitung 3<br />
ist rein <strong>de</strong>skriptiv 3 . Die Festschrift 4 zum 100-jährigen Jubiläum <strong>de</strong>s DRV ent-<br />
hält einen kurzen Überblick zum Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von <strong>de</strong>n Anfängen am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts bis 1983. Schließlich soll <strong><strong>de</strong>r</strong> Vollständigkeit halber<br />
auch die Arbeit über das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Jula Ziegler aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahre 1928<br />
genannt wer<strong>de</strong>n 5 .<br />
Ein erhebliches Forschungs<strong>de</strong>fizit besteht hingegen hinsichtlich <strong>de</strong>s Frauen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Der Frauensport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR ist Gegenstand einer<br />
Untersuchung von Gertrud Pfister, die allerdings ihre Ergebnisse explizit im<br />
Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechterforschung diskutiert. 6 In diesem Zusammenhang<br />
wur<strong>de</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Kontext zur Mitarbeit von Frauen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ver-<br />
bandsebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verban<strong>de</strong>s<br />
(DRSV) angesprochen.<br />
Die Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im <strong>Deutschen</strong> Reich vor 1945 und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
west<strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sind gut dokumentiert. Es liegt nicht nur eine Viel-<br />
zahl von Monographien, Festschriften und Aufsatzsammlungen vor, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch Diplom- und Staatsexamensarbeiten, die verschie<strong>de</strong>nen Einzelfragen<br />
und Aspekten gelten. 7 Auch wenn diese allgemeinen Studien zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sport in <strong>de</strong>n meisten Fällen die „Frauenfrage“ selbst nicht fokussieren, ent-<br />
hielten sie doch eine Reihe interessanter Hinweise und Informationen <strong>für</strong> die<br />
vorliegen<strong>de</strong> Untersuchung.<br />
Spezielle Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Strukturen und Zusammenhänge von Sport und Politik<br />
im ehemaligen SED-Staat wur<strong>de</strong>n ebenfalls gründlich analysiert, was die 350<br />
Titel umfassen<strong>de</strong> Bibliografie Zum aktuellen Forschungsstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschich-<br />
te von Körperkultur und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR 8 von Peiffer und Fink belegt. O<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
3<br />
E. BECKER, Mit Rock und Riemen. Die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im <strong>Deutschen</strong><br />
Reich und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik, Greven 1992.<br />
4<br />
H. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband. Eine historisch-kritische Würdigung<br />
von Horst Ueberhorst mit 30 Trainerportaits und einem vierfarbigen Kunstteil,<br />
Min<strong>de</strong>n 1983.<br />
5<br />
J. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, Diplomarbeit DHfL Berlin, Berlin<br />
1928.<br />
6<br />
G. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, (= Bun<strong>de</strong>sinstitut <strong>für</strong> Sportwissenschaft, Wissenschaftliche<br />
Berichte und Materialien, Bd. 1/2002), Köln 2002.<br />
7<br />
J. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR von 1945 bis 1981, Dissertation Pädagogische Hochschule „Erich Weinert“ Mag<strong>de</strong>burg,<br />
Mag<strong>de</strong>burg 1988. H. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland<br />
nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg bis zu <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1976, Diplomarbeit<br />
DSHS Köln, Köln 1999. G. RECKENDORF, Entwicklungsgeschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in England<br />
und Deutschland: Parallelen, Gegensätze und Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nzen, Bochum 1991.<br />
8<br />
L. PEIFFER/M. FINK (Hrsg.), Zum aktuellen Forschungsstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte von Körperkultur<br />
und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Eine kommentierte Bibliografie, Köln 2003.
Einleitung 4<br />
die Werke von Teichler 9 , Buss und Becker 10 . Die <strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utsche Ge-<br />
schichte ist war ebenfalls Gegenstand von Untersuchungen. Exemplarisch ist<br />
Pabst 11 zu nennen, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport- und olympischen Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten beschäftigte. Gleiches gilt <strong>für</strong> Lämmer 12 , Blasius 13<br />
und Holzweißig 14 .<br />
Der allgemeine Frauensport und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in bei<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Staaten weisen jedoch <strong>de</strong>utliche Forschungs<strong>de</strong>fizite auf.<br />
1.1.2 Thematische Annäherung<br />
Anhand eines wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong>de</strong>n Phänomens lassen sich die Unterschie<strong>de</strong> im<br />
Männer- und Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufzeigen. Bereits 1882, ein Jahr vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün-<br />
dung <strong>de</strong>s DRV, wur<strong>de</strong> in Frankfurt am Main <strong><strong>de</strong>r</strong> erste nationale Titel im Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootsklasse Männer-Einer, vergeben. Der Sieger hieß Achilles<br />
Wild von <strong><strong>de</strong>r</strong> Frankfurter Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gesellschaft „Germania“ 1869. Belohnt wur<strong>de</strong><br />
er mit einem mit Diamanten und Smarag<strong>de</strong>n besetzten Meisterstern. 15 Wild<br />
gelang es, dreimal die Trophäe zu gewinnen, die damit in seinen Besitz<br />
überging. Der DRV stiftete 1887 einen neuen Preis in Form einer Meisterket-<br />
te mit Stern, die bis heute <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Meister im Einer verliehen wird. 16<br />
9 H. J. TEICHLER (Hrsg.), Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Eigensinn, Konflikte, Trends, Köln 2003 ebenso<br />
wie die Dokumentation H. J. TEICHLER (Hrsg.), Die Sportbeschlüsse <strong>de</strong>s Politbüros, Köln<br />
2002, die als stark erweiterte Ergänzung <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s G. SPITZER/H. J. TEICHLER/K.<br />
REINARTZ (Hrsg.), Schlüsseldokumente zum DDR-Sport, Aachen 1998, herangezogen<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
10 Für die Anfangszeit <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR siehe die Standardwerke W. BUSS/C. BECKER (Hrsg.), Aktionsfel<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>s DDR-Sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frühzeit 1945-1965 (= Bun<strong>de</strong>sinstitut <strong>für</strong> Sportwissenschaft<br />
– Wissenschaftliche Berichte und Materialien, Bd. 109), Köln 2001 und W. BUSS/C.<br />
BECKER (Hrsg.), Der Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ und frühen DDR. Genese – Strukturen – Bedingungen<br />
(= Schriftenreihe <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sinstituts <strong>für</strong> Sportwissenschaft, Bd. 109), Schorndorf<br />
2001. Einen guten Überblick bietet immer noch G. HOLZWEIßIG, Sport und Politik in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, Berlin 1998.<br />
11 U. PABST, Sport – Medium <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik? Der Neuaufbau <strong>de</strong>s Sports in Deutschland nach<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> 2. Weltkrieg und die inner<strong>de</strong>utschen Sportbeziehungen bis 1961, Berlin/München/Frankfurt<br />
a.M. 1980.<br />
12 M. LÄMMER (Hrsg.), Deutschland in <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Bewegung. Eine Zwischenbilanz,<br />
Frankfurt a.M. 1999.<br />
13 T. BLASIUS, Olympische Bewegung, Kalter Krieg und Deutschlandpolitik 1949-1972,<br />
Frankfurt a.M. u.a. 2001.<br />
14 G. HOLZWEIßIG, Diplomatie im Trainingsanzug. Sport als politisches Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
in <strong>de</strong>n inner<strong>de</strong>utschen und internationalen Beziehungen, München/Wien 1981.<br />
15 Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND/DEUTSCHES SPORT & OLYMPIA MUSEUM (Hrsg.), Der<br />
Glanz <strong>de</strong>s Sieges. Historische Regattapreise aus zwei Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten, (= Katalog zur<br />
<strong>Aus</strong>stellung im <strong>Deutschen</strong> Sport & Olympia Museum anlässlich <strong>de</strong>s 125-jährigen Jubiläums<br />
<strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s), [o.O.] 2008, S. 56.<br />
16 Vgl. ebenda. Bei dreimaligem Gewinn sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Stern endgültig an <strong>de</strong>n Sieger gehen.<br />
Heute wird sie als Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>preis <strong><strong>de</strong>m</strong> Sieger nur bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Meisterehrung umgehängt und<br />
geht nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Veranstaltung wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurück an <strong>de</strong>n DRV. Für seinen Besitz erhält <strong><strong>de</strong>r</strong>
Einleitung 5<br />
Die Bootsklasse Frauen-Einer ist seit 1939 Programmpunkt <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong><br />
Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns (DMR). Der Verband vergibt <strong>für</strong> die Siegerin dieses<br />
Rennens allerdings keine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>Aus</strong>zeichnung. Diesen Umstand als<br />
charakteristisch <strong>für</strong> die Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im DRV zu bezeichnen erscheint<br />
übertrieben, allerdings illustriert diese Ungleichbehandlung vieles.<br />
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen wur<strong>de</strong> an vielen Stellen<br />
bewusst gehemmt. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>utlich wur<strong>de</strong> dies durch das Verbot <strong>de</strong>s<br />
Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, das bis En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD bestand. Aber auch<br />
strenge Klei<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften, medizinische Vorurteile und das Festhalten an<br />
herkömmlichen Wertvorstellungen verzögerten die Entwicklung.<br />
Während die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR bereits in <strong>de</strong>n 50er Jahren systema-<br />
tisch auf internationale Einsätze vorbereitet wur<strong>de</strong>n, behan<strong>de</strong>lte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV das<br />
Frauenleistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n lange als Stiefkind. Bis zur „Wen<strong>de</strong>“ wur<strong>de</strong>n Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
athletinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen benachteiligt. Dies<br />
äußerte sich beispielsweise in <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialausstattung, in <strong><strong>de</strong>r</strong> medizinischen<br />
Versorgung und Betreuung sowie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bereitstellung von Trainern.<br />
Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n Anerkennung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im west<strong>de</strong>ut-<br />
schen Verband wur<strong>de</strong>n direkte Vergleiche im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport stellvertretend <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Systemkonflikt gewertet. Internationale Begegnungen, Meisterschaften<br />
und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kämpfe waren mit staatlichem Protokoll verbun<strong>de</strong>n. Die Entsen-<br />
dung ihrer Athleten zu internationalen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten war <strong>für</strong> die Sportfüh-<br />
rung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR eine prestigeträchtige Angelegenheit. Die Teilnahme<br />
ermöglichte einen direkten Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaftssysteme in Ost und<br />
West. Die Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR nutze die Erfolge, um <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Bevölkerung und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> internationalen Öffentlichkeit die Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Ge-<br />
sellschaftsordnung zu <strong><strong>de</strong>m</strong>onstrieren. Dies gelang in vielen Bereichen, zum<br />
Beispiel im Schwimmen, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtathletik und eben auch im Frauenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n: die Erfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Sportlerinnen sind bis heute unerreicht.<br />
Eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Herangehensweise bietet die Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einbindung von<br />
Frauen in die Verbandsarbeit. Die Mitarbeit von Frauen im Vorstand <strong>de</strong>s<br />
DRV begann in <strong>de</strong>n 30er Jahren <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Auflösung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s (DDRV) und setzte sich nach <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkriegs in verschie<strong>de</strong>nen Mo<strong>de</strong>llen fort. Dennoch ist<br />
Deutsche Meister ein Bild. Sein Name wird auf einer Plakette eingraviert, die in die Meisterkette<br />
eingelassen ist.
Einleitung 6<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DRV noch nie von einer Frau geführt wor<strong>de</strong>n. Aktuell (2010) gehören<br />
zwei Frauen <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorstand an, die vor zwei Jahren auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Köln<br />
gewählt wur<strong>de</strong>n. Insgesamt ist die Beteiligung von Frauen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbands-<br />
arbeit im Verhältnis zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gering. Die<br />
Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> sind vielschichtig, allerdings muss angemerkt wer<strong>de</strong>n, dass<br />
nicht nur Männer <strong>für</strong> die schleppen<strong>de</strong> Entwicklung in diesem Bereich verant-<br />
wortlich gemacht wer<strong>de</strong>n können. Als Beispiel <strong>für</strong> eine solche mangeln<strong>de</strong><br />
Interessensvertretung kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Antrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>schuss<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (AF) im DRV an <strong>de</strong>n Außeror<strong>de</strong>ntlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2009 gewer-<br />
tet wer<strong>de</strong>n. Sie versuchte, die Bestimmungen <strong>de</strong>s Grundgesetzes an die er-<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Bedingungen <strong>de</strong>s Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming Konzeptes <strong>de</strong>s DOSB<br />
anzupassen, scheiterte aber mit ihrem Vorhaben.<br />
1.2 Aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit<br />
Die thematische Annäherung hat bereits gezeigt, dass bei einer Betrachtung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland viele Facetten beachtet<br />
wer<strong>de</strong>n müssen, um ein Gesamtbild zeichnen zu können.<br />
Zunächst muss ein grundlegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Überblick über die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesellschaft gegeben wer<strong>de</strong>n. Das Kapitel „Ungleiche Schwestern – Frauen<br />
in West- und Ost<strong>de</strong>utschland“ greift die Unterschie<strong>de</strong> und die Gemeinsam-<br />
keiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensverhältnisse von Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland auf.<br />
Hierbei wer<strong>de</strong>n gesellschaftliche und kulturelle Wandlungsprozesse sowie<br />
politische und wirtschaftliche Entwicklungen dargestellt, die das Leben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauen in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten nach 1945 beeinflusst haben.<br />
Es folgt mit Kapitel 3 eine Einführung in die Geschichte <strong>de</strong>s Frauensports.<br />
Die Synopsis zeigt Beispiele <strong>für</strong> <strong>de</strong>n steten Kampf um Anerkennung und<br />
Selbstständigkeit. Grundsätzlich müssen Fragen <strong>de</strong>s Sports beziehungswei-<br />
se seiner Entstehung und Erscheinung im Bedingungsgefüge <strong><strong>de</strong>r</strong> vorherr-<br />
schen<strong>de</strong>n sozial-ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen<br />
betrachtet wer<strong>de</strong>n. Der historischen Einordnung schließt sich die Darstellung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Frauensports in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD und <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR an. Hierbei wer-<br />
<strong>de</strong>n nicht nur Unterschie<strong>de</strong> aufgezeigt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Parallelen herausgear-<br />
beitet.
Einleitung 7<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> in Kapitel zwei und drei gebil<strong>de</strong>ten Grundlage wird die erste Phase<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports thematisiert. Es gilt, das bürgerliche Image die-<br />
ser Sportart in Deutschland aufzuzeigen, das die Position <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesellschaft wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt. Nach einer allgemeinen Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfänge<br />
<strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Hamburg im 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t liegt ein Schwerpunkt auf <strong>de</strong>n<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s west- und ost<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports nach <strong><strong>de</strong>m</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Zweiten Weltkrieges. Vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Hintergrund <strong><strong>de</strong>r</strong> verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Bedingungen<br />
und neu formulierter Ziele und Organisationsstrukturen wer<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> Ent-<br />
wicklungslinien im Kontext sportpolitischer Beschlüsse und gesellschaftlicher<br />
Prozesse thematisiert. Den einzelnen Entwicklungslinien wird durch eine sy-<br />
noptische und periodisierte Darstellung Rechnung getragen. Diese wird dann<br />
im gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang erklärt. Die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Abschluss.<br />
Mit diesen einführen<strong>de</strong>n Hinweisen zum politischen und sportpolitischen<br />
Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung ist eine hinreichen<strong>de</strong> Verständnisgrundlage ge-<br />
schaffen, um nun die Geschichte und Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong>de</strong>tail-<br />
lierter zu betrachten. Kapitel 5 thematisiert das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Deutschen</strong><br />
Reich bis 1945. Exemplarisch wer<strong>de</strong>n Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine vorgestellt, die<br />
zum Teil bis heute noch existieren.<br />
Anfang bis Mitte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts begeisterten sich immer mehr Frauen<br />
<strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Trotz vieler Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse, wie die häufig fehlen<strong>de</strong> Unter-<br />
stützung und Anerkennung durch die Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er und <strong>de</strong>n DRV, gelang es<br />
einzelnen Gemeinschaften, ein unabhängiges Vereinsleben aufzubauen und<br />
entsprechend aufrechtzuerhalten. Hinzu kam die Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Beklei-<br />
dung. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> gesellschaftlichen Bestimmungen <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Zeit,<br />
war eine zweckmäßig angezogene Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit nicht <strong>de</strong>nkbar.<br />
Die so genannte „Frauenfrage“ im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport wur<strong>de</strong> lange kontrovers von<br />
<strong>de</strong>n Vorstandsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n diskutiert. Der DRV hatte keine Möglichkeit, sich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen anzunehmen, und so kam es 1919 zur Gründung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong><br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s, <strong><strong>de</strong>r</strong> bis zu seiner Auflösung und <strong><strong>de</strong>m</strong> Eintritt in<br />
<strong>de</strong>n DRV (1933) eigenständig die Geschicke <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
koordinierte. Das Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong> ist ebenfalls Gegenstand<br />
dieses Kapitels.
Einleitung 8<br />
Die Konstituierung <strong>de</strong>s DDRV beeinflusste auch die Entwicklung <strong>de</strong>s Leis-<br />
tungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns vor 1945. Unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel „Schön o<strong><strong>de</strong>r</strong> schnell?“ wer<strong>de</strong>n die<br />
Disziplinen Stil- und Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Schlagzahlrennen sowie Gleichschlag-<br />
rennen vorgestellt, um dann <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zum Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufzuzei-<br />
gen.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Macht durch die Nationalsozialisten wur<strong>de</strong> das Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Deutschen</strong> Reich verstärkt geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Charakter- und Kör-<br />
pereigenschaften, die vermeintlich einer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in zugeschrieben wur<strong>de</strong>n,<br />
entsprachen <strong><strong>de</strong>m</strong> propagierten I<strong>de</strong>albild einer <strong>de</strong>utschen Frau. So sind ver-<br />
mehrte Startmöglichkeiten auf Regatten <strong>für</strong> Frauen in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Disziplinen und Bootsgattungen <strong><strong>de</strong>r</strong> politisch i<strong>de</strong>ologischen Entwicklung zu-<br />
zuschreiben.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Integration <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in <strong>de</strong>n DRV konnte auch eine systematische<br />
Nachwuchsarbeit in <strong>de</strong>n Bereichen Schule und Universität in Angriff genom-<br />
men wer<strong>de</strong>n. Das <strong>de</strong>utsche Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sowie das Uni-<br />
versitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen weisen eine lange Tradition auf, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ebenfalls Rechnung getragen wird. Auch dieser Bereich erfuhr in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong>de</strong>s<br />
Nationalsozialismus eine kontinuierliche Weiterentwicklung, die sowohl unter<br />
inhaltlichen als auch unter organisatorischen Aspekten betrachtet wird.<br />
Das sechste Kapitel stellt die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Ver-<br />
bän<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Fokus. Im DRV existierte seit seiner Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gründung durch-<br />
gängig bis 1990 ein Frauenausschuss unter wechseln<strong>de</strong>n Bezeichnungen,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> die Interessenvertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> darstellt. Es galt, die<br />
zahlenmäßig unterlegenen Frauen auch im Vorstand zu vertreten. Einzelne<br />
Frauen arbeiten zwar im Verband mit, wur<strong>de</strong>n jedoch nicht Entscheidungs-<br />
träger. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im DRSV hatten formal alle Möglichkeiten, sich in die<br />
Verbandsarbeit einzubringen. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Regelungen, zum Beispiel die Er-<br />
füllung einer Frauenquote, gab es zwar nicht, <strong>de</strong>nnoch nutzten vergleichs-<br />
weise nur wenige Frauen im ost<strong>de</strong>utschen Verband die Chance zur<br />
Mitgestaltung.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg stan<strong>de</strong>n <strong>für</strong> viele Menschen zunächst an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Prioritäten im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund als <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Gera<strong>de</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sahen<br />
sich organisatorischen Schwierigkeiten gegenüber. Der allgemeine Mangel
Einleitung 9<br />
an geeignetem Bootsmaterial traf sie beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s. Dennoch etablierte sich in<br />
bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten alsbald ein geregelter Regattabetrieb.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD und in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zeigen<br />
sich große Unterschie<strong>de</strong>. Der DRV versuchte in <strong>de</strong>n 50er Jahren, das Stilru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu konservieren, und untersagte seinen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bis 1968 das Rie-<br />
menru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s hingegen entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV: Das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong><br />
bereits in <strong>de</strong>n 50er Jahren zu Gunsten <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns aufgegeben. Des<br />
Weiteren war die Trainingsplanung und -steuerung in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR bereits seit<br />
<strong>de</strong>n 50er Jahren „professionell“ aufgebaut. Dagegen erkannten die verant-<br />
wortlichen Leistungsdiagnostiker im DRV erst seit Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre die<br />
Möglichkeiten, die das Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit sich bringt. Nur langsam konnte<br />
eine mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne und gleichberechtigte Versorgung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athletinnen ge-<br />
währleistet wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Bootsklassen, die im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen<br />
Titelkämpfe angeboten wur<strong>de</strong>n, wird ebenfalls im siebten Kapitel untersucht.<br />
Die Unterschie<strong>de</strong> im Grad <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung lassen sich in <strong>de</strong>n 50er Jahren mit<br />
Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamt<strong>de</strong>utschen Meisterschaften ausmachen, bei<br />
<strong>de</strong>nen es <strong><strong>de</strong>m</strong> DRSV bis auf wenige <strong>Aus</strong>nahmen gelang, die Qualifikations-<br />
plätze <strong>für</strong> internationale Aufgaben <strong>für</strong> sich zu beanspruchen.<br />
Das folgen<strong>de</strong> Kapitel befasst sich mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland<br />
nach 1990. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Fusion <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong> waren beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die<br />
Frauen bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen<br />
sehr erfolgreich. Sie gewannen einen Großteil aller DRV-Medaillen seit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wen<strong>de</strong>. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s erfolgreich waren die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong>de</strong>n Skulldisziplinen.<br />
Ob dies auf Wirken <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> systematischen För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung noch<br />
zu DDR-Zeiten zurückzuführen ist, bleibt zu untersuchen.<br />
Kapitel neun stellt die Situation im Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in bei<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Staaten dar, das sich an unterschiedlichen Zielsetzungen orien-<br />
tierte. In <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR wur<strong>de</strong>n Schüler, die eine günstige körperliche Prognose<br />
aufwiesen, in Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Jugendsportschulen (KJS) zusammengefasst. Das<br />
System <strong><strong>de</strong>r</strong> KJS bedingte eine gezielte ru<strong><strong>de</strong>r</strong>spezifische <strong>Aus</strong>bildung. Der<br />
Vergleich <strong>de</strong>s Stu<strong>de</strong>ntinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zeigte ebenfalls Unterschie<strong>de</strong>, da in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR das aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an Betriebssportgemeinschaften (BSG) an-<br />
geschlossen war.
Einleitung 10<br />
Im zehnten Kapitel wer<strong>de</strong>n die vier <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine vorge-<br />
stellt, die aktuell (2010) in Deutschland bestehen, und ein Überblick über<br />
weibliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gemeinschaften gegeben, <strong><strong>de</strong>r</strong>en heutige Popularität sich in<br />
ihrer Geschichte begrün<strong>de</strong>t.<br />
1.3 Untersuchungsmethodik und Quellen<br />
1.3.1 Methodische Vorgehensweise<br />
Eine Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns stützt sich auf die<br />
<strong>Aus</strong>wertung von Primär- und Sekundärquellen. Sie wird mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> Text-<br />
hermeneutik vorgenommen. Hierzu wer<strong>de</strong>n Artikel, Berichte, Manuskripte<br />
und Korrespon<strong>de</strong>nzen auf ihren Erkenntnisgehalt <strong>für</strong> die Fragestellung unter-<br />
sucht. Die hermeneutische Interpretation erweist sich als geeignete Metho<strong>de</strong>,<br />
da diese das Ziel verfolgt, „<strong>de</strong>n historisch, autobiografisch, soziologisch o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
in an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Weise geprägten Text zu verstehen und <strong>de</strong>ssen Sinngehalt [...] zu<br />
<strong>de</strong>uten“ 17 . Die Hermeneutik ist eine „allgemeine Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Verstehens“ 18<br />
und wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutung und Interpretation von Texten o<strong><strong>de</strong>r</strong> sprachlichen Äu-<br />
ßerungen eingesetzt: „Texte interessieren nicht als Texte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n allein ih-<br />
res Inhaltes wegen.“ 19<br />
Als Bedingung <strong>de</strong>s Verstehens muss ein gewisses „Vorverständnis“ 20 <strong>für</strong> die<br />
Interpretation vorhan<strong>de</strong>n sein. Um dies zu gewährleisten, ist zunächst die<br />
Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten, <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeine Frauen-<br />
sport sowie eine Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports zu<br />
beachten. Erst dieser gezeichnete „Horizont“ 21 ermöglicht im darauf folgen-<br />
<strong>de</strong>n Schritt die Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns.<br />
Vereinzelt konnten Zusammenhänge nur mit Hilfe von Zeitzeugenberichten<br />
erschlossen wer<strong>de</strong>n. <strong>Aus</strong>sagen, die aus informellen Gesprächen stammen,<br />
17<br />
W. FRÜH, Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis, 5., überarbeitete Aufl., Konstanz 2001, S.<br />
65.<br />
18<br />
H. WAGNER, Verstehen<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommunikationswissenschaft, München 1999,<br />
S. 194.<br />
19<br />
E. MEINBERG, „Hermeneutische Methodik“, in: K.-H. BETTE/G. HOFFMANN/C. KRUSE/E.<br />
MEINBERG/J. THIELE (Hrsg.), Zwischen Verstehen und Beschreiben. Forschungsmethodologische<br />
Ansätze in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportwissenschaft (= Berichte und Materialien <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sinstituts<br />
<strong>für</strong> Sportwissenschaft 1/1993), Köln 1993, S. 44.<br />
20<br />
J. GRONDIN, Einführung in die philosophische Hermeneutik, Darmstadt 1991, S. 144.<br />
Grondin weist bei seiner Betrachtung von Gadamers Universalhermeneutik auf das Vorverständnis<br />
als „Bedingung <strong>de</strong>s Verstehens“ hin.<br />
21<br />
M. JUNG, Hermeneutik zur Einführung, Hamburg 2001, S. 114.
Einleitung 11<br />
wur<strong>de</strong>n ergänzend verwen<strong>de</strong>t. Insgesamt dienten diese zur besseren Ein-<br />
schätzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingungen und Abläufe. Im Umgang mit <strong>Aus</strong>sagen von<br />
Zeitzeugen ist zu beachten, dass auch diese subjektiver Beeinflussung unter-<br />
liegen. 22 Dennoch haben sich die <strong>Aus</strong>sagen von Zeitzeugen an ausgewähl-<br />
ten Stellen zur Rekonstruktion von Zusammenhängen als hilfreich erwiesen.<br />
1.3.2 Quellen<br />
Eine wichtige Grundlage bil<strong>de</strong>t die vorhan<strong>de</strong>ne Literatur zum allgemeinen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Frauensport. Die unterschiedlichen Kategorien und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Ein-<br />
schätzung sind bereits benannt wor<strong>de</strong>n. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>wertung <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialisti-<br />
schen Literatur muss <strong><strong>de</strong>r</strong> zeitgenössische i<strong>de</strong>ologische Zusammenhang<br />
berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. Von Interesse erschienen zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Recherche<br />
<strong>für</strong> diese Arbeit Dissertationen 23 und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e wissenschaftliche Arbeiten aus<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Allerdings erwiesen sich diese entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> als zu stark i<strong>de</strong>ologisch<br />
und propagandistisch gefärbt o<strong><strong>de</strong>r</strong> als überwiegend <strong>de</strong>skriptiv.<br />
Eine großen Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Quellen machen die Akten <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportorganisationen<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Instanzen aus. Neben Korrespon<strong>de</strong>nzen fin<strong>de</strong>n sich hier<br />
Protokolle, Berichte, Re<strong>de</strong>beiträge, Anträge, Vermerke, vorbereiten<strong>de</strong> Noti-<br />
zen und <strong>Aus</strong>arbeitungen <strong>für</strong> Gespräche, aus <strong>de</strong>nen sich Erkenntnisse zu <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen Beziehungen gewinnen lassen. Hierzu wur<strong>de</strong>n Akten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ost- und west<strong>de</strong>utschen Sportorganisationen im Bun<strong>de</strong>sarchiv in Berlin-<br />
Lichterfel<strong>de</strong> ausgewertet, wo die Bestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Nationalen Olympischen Ko-<br />
mitees <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR sowie <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Turn- und Sportbun<strong>de</strong>s (DTSB) mit<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> ihm angeschlossenen DRSV in <strong><strong>de</strong>r</strong> Stiftung Archiv <strong><strong>de</strong>r</strong> Parteien und<br />
Massenorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR im Bun<strong>de</strong>sarchiv (SAPMO BArch) lagern.<br />
Obwohl alle noch erhaltenen Akten <strong>de</strong>s DRSV und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge-<br />
sichtet wur<strong>de</strong>n, konnten nicht alle Forschungslücken geschlossen wer<strong>de</strong>n, da<br />
einzelne Blätter und häufig ganze Protokolle, Anweisungen und<br />
Kommuniques fehlen. Die vorhan<strong>de</strong>ne Aktenlage ermöglichte allerdings ei-<br />
nen Einblick in die i<strong>de</strong>ologische Unterweisung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athleten, trainings-<br />
methodische Diskussionen und die Erstellung und <strong>Aus</strong>wertung von Jahres-<br />
22 Zur komplexen Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> „oral history“ siehe zum Beispiel J. FRIED, Der Schleier<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004.<br />
23 Zum Beispiel die Dissertation von WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR.
Einleitung 12<br />
und Mehrjahresplänen. In diesen wur<strong>de</strong>n genaue Zielvorgaben fixiert, die<br />
sich auf die so genannten Rahmentrainingspläne (RTP) auswirkten. Einige<br />
sind ebenfalls erhalten und konnten <strong>für</strong> die Untersuchung ausgewertet wer-<br />
<strong>de</strong>n. Ferner wur<strong>de</strong>n die Bestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s DRV-Archivs in Hannover ausgewer-<br />
tet. Hier fan<strong>de</strong>n sich nicht nur viele Hinweise zur Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Informationen zum Verhältnis und<br />
zur Fusion <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Verbän<strong>de</strong>. Ferner waren die Oskar-Ruperti-<br />
Bibliothek an <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Sporthochschule Köln, verschie<strong>de</strong>ne Bestän<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Carl und Lieselott Diem-Archivs in Köln sowie die Bibliothek <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren<br />
<strong>Deutschen</strong> Hochschule <strong>für</strong> Körperkultur (DHfK) in Leipzig bei bestimmten<br />
Fragen und Aspekten hilfreich.<br />
Prinzipiell wur<strong>de</strong>n die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und kon-<br />
krete Daten und Ereignisse anhand <strong>de</strong>s Verbandsorgans <strong>de</strong>s DRV und <strong>de</strong>s<br />
DRSV sowie an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>fachzeitungen recherchiert. Hierzu erfolgte eine<br />
umfangreiche Sichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschriften Wassersport, Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> ost<strong>de</strong>utschen Magazine Der <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport und<br />
Skull und Riemen. Vereinzelt konnten frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>spezifische Artikel in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zeitschrift Deutsches Sportecho gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Unbestritten bieten diese Artikel die größte Sammlung an Daten, Fakten, In-<br />
formationen und Einschätzungen <strong>für</strong> die Entwicklung in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD und in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Einflussnahme in <strong>de</strong>n Bereichen Sport und<br />
Medien muss <strong><strong>de</strong>r</strong> Umgang mit <strong>de</strong>n ost<strong>de</strong>utschen Zeitschriften diesen Um-<br />
stand berücksichtigen.<br />
Als weitere Quellen dienten Festschriften und sonstige Publikationen von<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen aus Ost und West, die vor allem in die Entwicklungsgeschich-<br />
te und Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine eingeflossen sind. Erwähnens-<br />
wert sind auch die Son<strong><strong>de</strong>r</strong>hefte zum Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, die 1959 und 1969 anlässlich <strong><strong>de</strong>r</strong> 40-jährigen respektive 50-<br />
jährigen Verbandsarbeit von Frauen herausgegeben wur<strong>de</strong>n.<br />
Zur Orientierung wur<strong>de</strong>n Gespräche mit Zeitzeugen geführt. Es waren keine<br />
strukturierten Interviews, da die Arbeit vornehmlich auf <strong>de</strong>n Quellen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ar-<br />
chive und Zeitschriften basiert. Allerdings waren die Gespräche mit Britta<br />
Warner (27. Juli 2008 in Hamburg) und Elfrie<strong>de</strong> Schumann (28. Juli 2008 in<br />
Hamburg) zur Klärung diverser Sachverhalte wertvoll. Dies gilt auch <strong>für</strong> die
Einleitung 13<br />
telefonischen Gespräche mit Heida Benecke (21. Oktober 2008), Kerstin<br />
Förster (29. Oktober 2008), Claudia Hassmann (1. November 2008) und In-<br />
grid Stahl-Dieterle (27. November 2008) zur Einschätzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Situation be-<br />
züglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeit von Frauen im DRV.<br />
Die Kapitel 2 und 3 sind propä<strong>de</strong>utischer Natur und basieren hauptsächlich<br />
auf Sekundärliteratur. Ab Kapitel 4 konnten die im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Recherche in<br />
<strong>de</strong>n genannten Archiven gewonnen Informationen verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, die<br />
unterschiedlichen Strukturen im ost- und west<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport betra-<br />
fen. Die Protokolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Sitzungen <strong>de</strong>s Verbandsausschusses (VA) und über<br />
die Verhandlungen <strong>de</strong>s DRV mit <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
kommen hinzu.<br />
Kapitel 5-10 zur Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im <strong>Deutschen</strong> Reich, in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> BRD und in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR wur<strong>de</strong>n in erster Linie anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> untersuchten<br />
Quellen erarbeitet. Schwierig gestaltete sich hingegen die Quellenlage be-<br />
züglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeit von Frauen im DRSV. Da die Archive hier kaum weiter-<br />
halfen, musste auf die Darstellungen von Pfister und Zeitzeugen<br />
zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n.<br />
Abschließend noch ein Hinweis: <strong>Aus</strong> Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Lesefreundlichkeit wird im<br />
Folgen<strong>de</strong>n auf eine geschlechterdifferenzierte <strong>Aus</strong>drucksform in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel<br />
verzichtet. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> maskulinen Form wer<strong>de</strong>n Männer und Frauen angespro-<br />
chen.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 14<br />
2 Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland<br />
In <strong>de</strong>n Lebensverhältnissen von Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland zeigen<br />
sich Unterschie<strong>de</strong> und Gemeinsamkeiten. Es wer<strong>de</strong>n politische und wirt-<br />
schaftliche Entwicklungen sowie gesellschaftliche und kulturelle Wandlungs-<br />
prozesse angesprochen, die das Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Staaten nach 1945 geprägt haben. Dabei sind die diametralen Rahmenbe-<br />
dingungen <strong>für</strong> Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>gangspunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung. In <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong><br />
Demokratischen Republik erfasste und durchdrang die Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialisti-<br />
schen Einheitspartei Deutschlands (SED) alle Lebensbereiche und ließ we-<br />
nig Raum <strong>für</strong> individuelle Lebensgestaltung, wohingegen die freiheitlich-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong>okratische Grundordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland die Plurali-<br />
sierung von Lebensformen ermöglichte. In <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD machte <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer-<br />
mangel nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges die Mitarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in allen<br />
gesellschaftlichen Bereichen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. Die Beschäftigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR basierte auf <strong><strong>de</strong>m</strong> gängigen Frauenbild im Sozialismus sowie auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ineffizienz <strong>de</strong>s Wirtschaftssystems und <strong><strong>de</strong>m</strong> wachsen<strong>de</strong>n technologischen<br />
Rückstand.<br />
Unumstritten ist, dass Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland unterschiedliche<br />
Erwartungen hinsichtlich ihrer Lebensplanung und Lebensgestaltung hatten.<br />
Der hohen Erwerbsorientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR und ihrer nahezu<br />
vollständigen Integration in <strong><strong>de</strong>r</strong> Planwirtschaft stand <strong><strong>de</strong>r</strong> zunehmen<strong>de</strong> Rück-<br />
zug <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Erwerbsprozess in West<strong>de</strong>utschland gegenüber.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalsozialisten am 30. Januar 1933<br />
waren viele Errungenschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenbewegungen 24 seit <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten<br />
Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts zunichte gemacht wor<strong>de</strong>n. So erhielten sie zwar<br />
24 Frauenbewegungen haben zur Entwicklung und Demokratisierung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne wesentlich<br />
beigetragen. Sie bil<strong>de</strong>n sich in verschie<strong>de</strong>nen Klassen-, ethnischen und kulturellen<br />
Milieus heraus, wie die bürgerlichen und die proletarischen Frauenbewegungen, aber<br />
auch die antikolonialen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Frauenbewegungen haben<br />
sich von Anfang an international ausgetauscht und vernetzt, aber bis zum späten 20.<br />
Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t vor allem auf nationaler und lokaler Ebene orientiert. Die ersten Wellen betrafen<br />
<strong>de</strong>n Nationalstaat und die Durchsetzung von Gleichheit und Bürgerrechten in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Nation. Seit <strong>de</strong>n 70er Jahren haben sich globale Frauenöffentlichkeiten und<br />
Netzwerke herausgebil<strong>de</strong>t, die sich auf die Globalisierung in Kultur und Kommunikation<br />
sowie auf die UN-Deka<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau und in Europa auf die EU-Gen<strong><strong>de</strong>r</strong>politik stützen. Vgl.<br />
I. LENZ, „Frauenbewegungen: Zu <strong>de</strong>n Anliegen und Verlaufsformen von Frauenbewegungen<br />
als sozialen Bewegungen“, in: R. BECKER/B. KORTENDIEK (Hrsg.), Handbuch Frauen-<br />
und Geschlechterforschung. Theorie, Metho<strong>de</strong>n, Empirie, Wiesba<strong>de</strong>n 2004, S. 665.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 15<br />
erstmalig bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl zur Weimarer Nationalversammlung 1919 das Wahl-<br />
recht, allerdings wur<strong>de</strong> ihnen das passive Wahlrecht 25 1933 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> entzo-<br />
gen. Frauen wur<strong>de</strong>n nicht nur aus <strong><strong>de</strong>m</strong> politischen Leben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch aus<br />
<strong>de</strong>n Betrieben hinausgedrängt. Ihre Interessenverbän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n aufgelöst<br />
und somit blieb ihnen kaum etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es übrig, als ihre angeblich natürli-<br />
che Rolle als Hausfrau und Mutter auszufüllen. 26 Während <strong>de</strong>s Zweiten<br />
Weltkriegs und nach <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong> än<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich diese Situation. Den „Trüm-<br />
merfrauen“ wur<strong>de</strong> viel Verantwortung in traditionell von Männern dominierten<br />
Bereichen übertragen. Später mussten sie die ihnen anvertrauten Aufgaben<br />
oft wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abgeben.<br />
Die rechtliche <strong>Aus</strong>gangslage <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges<br />
war in bei<strong>de</strong>n Staaten gleich. Dennoch haben Frauen das gesellschaftliche<br />
und politische Leben auf unterschiedliche Weise in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staa-<br />
ten geprägt.<br />
2.1 Alltagsrealitäten in West<strong>de</strong>utschland<br />
In <strong>de</strong>n ersten Nachkriegsjahren oblag es vor allem <strong>de</strong>n Frauen, sich um die<br />
täglichen Dinge <strong>de</strong>s Lebens zu kümmern, <strong>de</strong>nn viele Männer waren gefallen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> noch in Gefangenschaft. Beschaffung von Nahrung und Kleidung,<br />
Trümmerbeseitigung und die Herstellung dringend benötigter Güter waren<br />
zum großen Teil Sache <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. Bis Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre leisteten viele<br />
neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>erziehung und -verpflegung Schwerstarbeit in allen Berei-<br />
chen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit wur<strong>de</strong>n die meisten Frauen aus <strong>de</strong>n<br />
traditionellen Männerberufen durch Heimkehrer, Flüchtlinge und Vertriebene<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> hinausgedrängt und waren dadurch gezwungen, in ihre alten Berufe<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> in die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Hausfrau und Mutter zurückzukehren. 27<br />
Auf diese Weise „normalisierten“ sich in <strong>de</strong>n 50er Jahren in dieser Hinsicht<br />
die Lebensverhältnisse, was vor allem auf <strong>de</strong>n Einfluss <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kir-<br />
25<br />
Das passive Wahlrecht (auch Wählbarkeit) ist das Recht, von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Wahlberechtigten<br />
gewählt zu wer<strong>de</strong>n.<br />
26<br />
Vgl. G. HELWIG/H. M. NICKEL, Frauen in Deutschland 1945-1992, Berlin 1993, S. 15. Ferner<br />
G. HELWIG, „Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im gesellschaftlichen Leben Deutschlands“, in: H.<br />
UEBERHORST (Hrsg.), Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen, Bd. 3/2, Leibesübungen und Sport<br />
in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Berlin/München/Frankfurt a.M.<br />
1982, S. 944.<br />
27<br />
Vgl. G. HELWIG, „Bun<strong>de</strong>srepublik – Fünfziger und Sechziger Jahre. Leitbil<strong><strong>de</strong>r</strong> und Alltagsrealität“,<br />
in: HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.), Ungleiche<br />
Schwestern? Frauen in Ost- und West<strong>de</strong>utschland, [o.O. o.J.], S. 43.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 16<br />
che und die ihr nahe stehen<strong>de</strong>n Parteien und <strong>Institut</strong>ionen zurückzuführen<br />
war, die nach <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>nahmesituation <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachkriegszeit einen moralischen<br />
Neubeginn einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. Durch die Rückbesinnung auf alte Tugen<strong>de</strong>n sollte<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> „selbstverständlichen Opferbereitschaft“ 28 <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehefrau und Mutter<br />
abgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Dieses Leitbild stand allerdings immer noch im Ge-<br />
gensatz zur <strong><strong>de</strong>m</strong>ographischen Realität. Krieg und Kriegsgefangenschaft hat-<br />
ten einen <strong>de</strong>utlichen Männermangel hinterlassen. Es galt, einen Mann „ab-<br />
„abzubekommen“, um nicht als Unverheiratete und damit „übrig“ zu bleiben.<br />
Das I<strong>de</strong>al sah eine modisch geklei<strong>de</strong>te, gepflegt und gut aussehen<strong>de</strong> Haus-<br />
frau und Mutter vor, die in einem technisch perfekt ausgestatteten Haushalt<br />
Mann und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> liebevoll umsorgte.<br />
Dieses Leitbild und die soziale Wirklichkeit von Frauen blieben in <strong>de</strong>n 50er<br />
Jahren wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlich. Auch wenn es mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne und progressive Ansätze<br />
gab, die vor allem aus <strong>de</strong>n Erfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in <strong>de</strong>n unmittelbaren<br />
Nachkriegsjahren resultierten, dominierte das konservative Frauenbild. Das<br />
Gleichstellungsgesetz von 1957/58 verbesserte zwar insgesamt die gesell-<br />
schaftliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau, allerdings blieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann grundsätzlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erhalter und Ernährer <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie, „während die Frau es als ihre vornehmste<br />
Aufgabe ansehen musste, das Herz <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie zu sein.“ 29 Die Erwerbstätig-<br />
keit verheirateter Frauen wur<strong>de</strong> weiterhin als <strong>Aus</strong>nahme behan<strong>de</strong>lt. Mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Inkrafttreten dieses Gesetzes konnte von wirklicher Gleichberechtigung keine<br />
Re<strong>de</strong> sein, da beispielsweise Frauen <strong>für</strong> die gleiche Arbeit einen geringeren<br />
Lohn erhielten und zu<strong><strong>de</strong>m</strong> weniger Lehrstellen <strong>für</strong> Mädchen als <strong>für</strong> Jungen<br />
zur Verfügung stan<strong>de</strong>n. Es gab weiterhin frauentypische Berufe wie <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Reinigungskraft, Kassiererin o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stenotypistin. Berufe wie Abgeordneter,<br />
Manager und Diplomat dagegen wur<strong>de</strong>n als typisch männlich angesehen. 30<br />
Die Neue Frauenbewegung formierte sich in Deutschland im Zusammen-<br />
hang <strong><strong>de</strong>r</strong> antiautoritären Stu<strong>de</strong>nten- und Jugendbewegung nach 1965. Ins-<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Zirkel von sozialistischen Stu<strong>de</strong>ntinnen begannen mit ersten<br />
Aktionen und Diskussionen. Sie hatten durch die „Bildungsrevolution“ und<br />
28 Ebenda.<br />
29 Ebenda.<br />
30 Vgl. R. WIGGERSHAUS, Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenbewegung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland und in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Demokratischen Republik nach 1945, Wuppertal<br />
1979, S. 25.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 17<br />
Stu<strong>de</strong>ntenbewegung einen gestiegenen Anspruch auf „gesellschaftliche Par-<br />
tizipation und individuelle Selbstbestimmung“. 31<br />
Eine erste Massenbewegung formierte sich 1971 in <strong><strong>de</strong>m</strong> Protest gegen <strong>de</strong>n<br />
§ 218. 32 In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren kam eine Initiative auf, die sich unter an<strong>de</strong>-<br />
rem gegen die Reduzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau zum „Lustobjekt“ wandte. Im Mittel-<br />
punkt stand die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung: „Schluß mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevormundung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau!“ 33 Die<br />
Anhänger dieser Bewegung richteten sich eigene männerfreie Zonen ein, so<br />
dass eine Subkultur entstand. Die Lebensform brachte, im Nachhinein be-<br />
trachtet, die Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Selbst-Gettoisierung mit sich, da es <strong>de</strong>n Frauen vor<br />
allem an Toleranz gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en gesellschaftlichen Gruppen mangelte.<br />
1972 entstand in West-Berlin das erste Frauenzentrum, 1974 wur<strong>de</strong> in Mün-<br />
chen unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel Frauenoffensive <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Frauenverlag gegrün<strong>de</strong>t. Nur<br />
ein Jahr später öffnete <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Frauenbuchla<strong>de</strong>n in München. 1976 fand an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freien Universität Berlin erstmalig eine Sommeruniversität <strong>für</strong> Frauen<br />
statt. Im selben Jahr erschien überregional die erste <strong>Aus</strong>gabe <strong><strong>de</strong>r</strong> feministi-<br />
schen Zeitschrift Courage. Die Zeitschrift Emma kam 1977 in <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l.<br />
Ein Meilenstein <strong>de</strong>s Feminismus war die Eröffnung <strong>de</strong>s ersten Frauenhauses<br />
<strong>für</strong> misshan<strong>de</strong>lte Frauen und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in West-Berlin (1977). Diese<br />
„Frauenpower“-Bewegung mit <strong><strong>de</strong>m</strong> äußerlichen Erkennungszeichen einer<br />
lilafarbenen Latzhose hatte großen Anteil an einer wachsen<strong>de</strong>n weiblichen<br />
Selbstbestimmung. 34 So wur<strong>de</strong>n Denkmuster in Frage gestellt und Themen<br />
öffentlich diskutiert, die zuvor nie in einer breiten Öffentlichkeit erörtert wor-<br />
<strong>de</strong>n waren. Hier sind vor allem sexuelle Selbstbestimmung und Gewalt ge-<br />
gen Frauen zu nennen.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Gesetz zur Reform <strong>de</strong>s Ehe- und Familienrechts vom 1. Juli 1977<br />
wur<strong>de</strong> die freie Entscheidung über die Aufgabenverteilung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehe festge-<br />
31<br />
I. LENZ, „Frauenbewegungen: Zu <strong>de</strong>n Anliegen und Verlaufsformen von Frauenbewegungen<br />
als sozialen Bewegungen“, S. 671.<br />
32<br />
Vgl. K. SCHULTZ, Der lange Atem <strong><strong>de</strong>r</strong> Provokation. Die Frauenbewegung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
und in Frankreich 1968-1976, Wiesba<strong>de</strong>n 2002, S. 134.<br />
33<br />
H. GIRMOND, „Schluß mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevormundung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau!“, in: HAUS DER GESCHICHTE DER<br />
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.), Ungleiche Schwestern? Frauen in Ost- und<br />
West<strong>de</strong>utschland, [o.O. o.J.], S. 66.<br />
34<br />
Vgl. G. HELWIG, „Bun<strong>de</strong>srepublik – Siebziger und Achtziger Jahre. Leitbil<strong><strong>de</strong>r</strong> und Alltagsrealität“,<br />
in: HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.), Ungleiche<br />
Schwestern? Frauen in Ost- und West<strong>de</strong>utschland, [o.O. o.J.], S. 73.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 18<br />
schrieben, was Gisela Helwig als eine unserer Demokratie angemessene<br />
Form eines Familienleitbilds wertet. 35<br />
Die Mitwirkung von Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik setzte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik nur<br />
zögerlich ein. Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Parlamentarische Rat 1948 seine Arbeit in <strong>de</strong>n drei<br />
westlichen Besatzungszonen aufnahm, waren unter <strong>de</strong>n 65 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur<br />
vier Frauen. 36 Eine von ihnen war Elisabeth Selbert, die die Ansicht vertrat,<br />
dass die Benachteilung von Frauen – insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie –<br />
unzeitgemäß sei. 37 Ihr ist <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel 3, Absatz 2 <strong>de</strong>s Grundgesetzes ent-<br />
haltene Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ 38 zu verdanken. An-<br />
fang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre waren 20% <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Christlich Demokratischen<br />
Union (CDU) und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozial<strong><strong>de</strong>m</strong>okratischen Partei Deutschlands (SPD)<br />
weiblich, und auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenanteil im Bun<strong>de</strong>stag stieg langsam an. Den-<br />
noch kam es parallel zum wirtschaftlichen Aufschwung zum Rückzug, res-<br />
pektive zur Zurückdrängung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik, was sich auf die<br />
Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Parteimitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auswirkte. Gleichzeitig vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
sich <strong><strong>de</strong>r</strong> gesellschaftliche Druck, Frauen <strong>für</strong> innerparteiliche Funktionen und<br />
<strong>für</strong> Parlamentswahlen zu nominieren. 39 1972 wur<strong>de</strong> im Bun<strong>de</strong>stag mit einer<br />
Frauenquote von 5,8% <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherige Tiefstand erreicht.<br />
Resümierend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
nach Emanzipation nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> gesellschaftlichen Entwicklung Schritt gehal-<br />
ten hat. Es mangelte nicht nur an <strong>de</strong>n geistigen Voraussetzungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch an <strong>de</strong>n praktischen Rahmenbedingungen. Politik und Wirtschaft waren<br />
bis in die 80er Jahre hinein männlich dominiert. Die Aufgabenteilung in Beruf<br />
und Familie funktionierte, so dass das herkömmliche Männerbild nie nach-<br />
haltig und ernsthaft in Frage gestellt wur<strong>de</strong>. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits lieferten die Kon-<br />
zepte <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenbewegung keine Lösungen <strong>für</strong> die Überwindung dieser<br />
Missstän<strong>de</strong>.<br />
35 Vgl. G. HELWIG, Frau und Familie. Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland – DDR, Köln 1987, S. 11.<br />
36 Diese waren: Helene Weber (CDU), Helene Wessel (Zentrum), Frie<strong><strong>de</strong>r</strong>ike Nadig und<br />
Elisabeth Selbert (bei<strong>de</strong> SPD). Vgl. G. HELWIG, „Bun<strong>de</strong>srepublik – Fünfziger und Sechziger<br />
Jahre“, S. 42.<br />
37 Vgl. ebenda.<br />
38 Ebenda.<br />
39 Vgl. ebenda, S. 45.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 19<br />
2.2 Alltagsrealitäten in Ost<strong>de</strong>utschland<br />
Die gesellschaftliche Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR war klar <strong>de</strong>finiert und zuge-<br />
wiesen. Bebel beschrieb in seinem Buch Die Frau und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialismus die<br />
Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> „neuen Gesellschaft“ als sozial und ökonomisch un-<br />
abhängig sowie als Welt, in <strong><strong>de</strong>r</strong> sie <strong><strong>de</strong>m</strong> „Mann als Freie, Gleiche gegen-<br />
über“ 40 steht.<br />
Die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau wur<strong>de</strong> schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfas-<br />
sung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR von 1994 gesetzlich festgeschrieben. Dennoch erwies sich die<br />
Durchsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichberechtigung als schwierig. 41 Durch die Befreiung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiterklasse schien die erste Hür<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> „Lösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenfrage“<br />
überwun<strong>de</strong>n 42 . Unbestritten ist, dass Frauen – respektive <strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeitskraft<br />
– von Anfang an in die Aufbauarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR einbezogen waren, wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
folgen<strong>de</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> SED-Frauenpolitik belegt:<br />
„Eine wirkliche Gleichberechtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau ist erst dann vorhan<strong>de</strong>n,<br />
wenn sie einen Beruf erlernt hat und imstan<strong>de</strong> ist, eine gesellschaftlich<br />
wirklich nützliche Arbeit zu leisten.“ 43<br />
Neben diesen i<strong>de</strong>ologischen Grün<strong>de</strong>n lagen <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Erwerbstätigkeit<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR in erster Linie wirtschaftliche Notwendigkeiten zu Grun<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>n<br />
50er Jahren hatten Frauen daher vermehrt die Möglichkeit, männertypische<br />
Berufe auszuüben. Diese Kampagne orientierte sich am sowjetischen Frau-<br />
enleitbild <strong><strong>de</strong>r</strong> Traktoristin, die jung und gut ausgebil<strong>de</strong>t war und optimistisch<br />
in die Zukunft schaut. 44<br />
Neben <strong><strong>de</strong>m</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau auf Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Talente<br />
wur<strong>de</strong> zunehmend auch die positive <strong>Aus</strong>wirkung ihrer beruflichen Integration<br />
auf die innerfamiliären Beziehungen und das Verhältnis zwischen Familie<br />
und Gesellschaft propagiert. Die schlechte Versorgungslage in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR ver-<br />
langte von <strong>de</strong>n Frauen in ihrer Doppelrolle als Berufstätige und Hausfrau<br />
und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> Mutter einen enormen Einsatz. En<strong>de</strong> 1957 waren bereits 65 Pro-<br />
40 HELWIG, „Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im gesellschaftlichen Leben Deutschlands“, S. 944.<br />
41 Vgl. zu <strong>de</strong>n Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenpolitik in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR die Chronik von U. HEL-<br />
WERTH/G. SCHWARZ, Von Muttis und Emanzen. Feministinnen in Ost- und West<strong>de</strong>utschland,<br />
Frankfurt a.M. 1995.<br />
42 Vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 26.<br />
43 V. DIDCZUNEIT, „Für <strong>de</strong>n Sieg <strong>de</strong>s Sozialismus – Ran an die Arbeit!“, in: HAUS DER GE-<br />
SCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.), Ungleiche Schwestern? Frauen in<br />
Ost- und West<strong>de</strong>utschland, [o.O. o.J.], S. 17.<br />
44 Vgl. ebenda.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 20<br />
zent aller Frauen und Mädchen im arbeitsfähigen Alter berufstätig o<strong><strong>de</strong>r</strong> be-<br />
fan<strong>de</strong>n sich in einer <strong>Aus</strong>bildung. Dennoch arbeitete die Mehrzahl immer noch<br />
in frauentypischen Berufen wie beispielsweise im Fernmel<strong>de</strong>wesen o<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Textilindustrie. 45 In <strong>de</strong>n 70er Jahren setzte sich allerdings die Erkenntnis<br />
durch, dass eine kontinuierliche Erwerbsarbeit möglichst vieler Frauen und<br />
eine steigen<strong>de</strong> Geburtenrate nicht ohne Abstriche zu verwirklichen waren, da<br />
„die Frau – bedingt durch die historische Entwicklung – nach wie vor in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Regel <strong>de</strong>n größten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> familiären Aufgaben trage“. 46 Zu dieser Zeit gal-<br />
ten <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend Haushaltsführung und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>erziehung immer noch<br />
als Domäne <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau.<br />
Festzuhalten bleibt, dass Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zwar als berufstätige Mütter<br />
gepriesen wur<strong>de</strong>n, im Alltag und Beruf aber als zweitrangig eingestuft wur-<br />
<strong>de</strong>n. Nickel weist ihnen <strong>de</strong>n Titel als „Mitgestalterinnen <strong>de</strong>s Sozialismus“ 47<br />
zu.<br />
Frauen blieben <strong><strong>de</strong>m</strong>zufolge sozial benachteiligt, und vor allem Männer hiel-<br />
ten bereitwillig an <strong>de</strong>n stereotypen Arbeitseinteilungen fest. Der Maßstab <strong>für</strong><br />
die Persönlichkeitsentwicklung war männlich geprägt und orientierte sich<br />
hauptsächlich an beruflichen Leistungen und Karrieren. Letztlich gilt, dass<br />
Frauen nicht nur das Recht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor allem auch die Pflicht zur Erwerbs-<br />
tätigkeit hatten. 48<br />
Langsam etablierte sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR ein neues Fraueni<strong>de</strong>al, was das Image<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „Aufbauhelferin“ aus <strong>de</strong>n 50er Jahren ablöste. Die Bemühungen <strong>de</strong>s<br />
Staates erfassten auch verheiratete Frauen, was mit einem Verschwin<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s „Hausfrauenmo<strong>de</strong>lls“ verbun<strong>de</strong>n war. Trappe bezeichnet dies als<br />
„Frauenarbeitspolitik“. 49 Zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre setzte mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Kommuni-<br />
qué <strong>de</strong>s Politbüros „Die Frau – <strong><strong>de</strong>r</strong> Frie<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialismus“ eine Kam-<br />
pagne zur Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ein, die unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em auf eine<br />
45 Vgl. DIDCZUNEIT, „Für <strong>de</strong>n Sieg <strong>de</strong>s Sozialismus – Ran an die Arbeit!“, S. 18.<br />
46 Vgl. HELWIG, „Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im gesellschaftlichen Leben Deutschlands“, S. 946.<br />
47 H. M. NICKEL, „DDR – Fünfziger und Sechziger Jahre. Leitbil<strong><strong>de</strong>r</strong> und Alltagsrealität“, in:<br />
HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.), Ungleiche Schwestern?<br />
Frauen in Ost- und West<strong>de</strong>utschland, [o.O. o.J.], S. 28.<br />
48 Vgl. ebenda.<br />
49 Vgl. H. TRAPPE, „Handlungsstrategien von Frauen unterschiedlicher Generationen zur<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Beeinflussung durch sozialpolitische<br />
Rahmenbedingungen“, in: ZENTRUM FÜR INTERDISZIPLINÄRE FRAUENFORSCHUNG DER<br />
HUBMOLDT-UNIVERSITÄT (Hrsg.), Unter Hammer und Sichel. Frauenbiographien vor <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Hintergrund ost<strong>de</strong>utscher Sozialisationserfahrungen, Pfaffenweiler 1995, S. 115-137.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 21<br />
Höherqualifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und ihren Einsatz in Führungspositionen ab-<br />
zielte. 50<br />
In <strong>de</strong>n 70er Jahren hatte sich das Frauenbild geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong><br />
waren vielschichtig: Zum einen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die Verhältnisse in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-<br />
Planwirtschaft die Mobilisierung aller Arbeitsreserven. So wur<strong>de</strong>n beispiels-<br />
weise Schüler und Stu<strong>de</strong>nten zur Feldarbeit abgestellt, um kostengünstig die<br />
Ernte einzubringen. Die Erwerbstätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Bevölkerung war aus<br />
ökonomischen Grün<strong>de</strong>n unverzichtbar. Trotz<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> die hohe Erwerbs-<br />
quote <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen als großer Erfolg und als Zeichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Emanzipation gewer-<br />
tet. 51 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> muss <strong><strong>de</strong>r</strong> hohe Prozentsatz männlicher Beschäftigter bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationalen Volksarmee, <strong><strong>de</strong>r</strong> Polizei sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatssicherheit und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Organe genannt wer<strong>de</strong>n. Wichtigste Ursache war allerdings das „<strong><strong>de</strong>m</strong>ogra-<br />
phische Loch“, das durch die vorherige Flucht von 3 Millionen Menschen in<br />
<strong>de</strong>n Westen entstan<strong>de</strong>n war. Es han<strong>de</strong>lte sich hierbei in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit um gut<br />
ausgebil<strong>de</strong>te, motivierte Arbeiter. 52<br />
Die „neue Frau“ trug ihr Kind auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Arm, bewältigte Fachbücher ebenso<br />
wie <strong>de</strong>n täglichen Einkauf und war trotz<strong><strong>de</strong>m</strong> attraktiv und modisch geklei-<br />
<strong>de</strong>t. 53 Dieses verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Frauenbild – von <strong><strong>de</strong>r</strong> „Heldin <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit“ zur berufs-<br />
tätigen, qualifizierten und gesellschaftlich aktiven Ehefrau und Mutter –<br />
basierte auf <strong>de</strong>n wachsen<strong>de</strong>n Erwartungen <strong><strong>de</strong>r</strong> SED-Führung bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Planwirtschaft.<br />
Um die eigenen hohen Maßstäbe zu realisieren, musste ein <strong>Aus</strong>bau <strong><strong>de</strong>r</strong> So-<br />
zialpolitik erfolgen. Ab 1972 erhielten Frauen die „Wunschkindpille“ kostenlos<br />
auf Rezept. Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> SED war es, mit dieser familienpolitischen Maßnahme<br />
die kontinuierliche Erwerbsarbeit möglichst vieler aufrecht zu erhalten. 54 Ob-<br />
wohl man immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> verkün<strong>de</strong>te, dass in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR die Gleichberechtigung<br />
verwirklicht sei, sah sich die Parteispitze zu weiteren sozialpolitischen Maß-<br />
nahmen veranlasst, die hauptsächlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Entlastung <strong><strong>de</strong>r</strong> arbeiten<strong>de</strong>n Frauen<br />
50 Vgl. ebenda.<br />
51 Vgl. A. HAMPELE, „‘Arbeite mit, plane mit, regiere mit’ – Zur politischen Partizipation von<br />
Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR“, in: G. HELWIG/H. M. NICKEL, Frauen in Deutschland 1945-1992, Berlin<br />
1993, S. 290.<br />
52 Vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 27.<br />
53 Vgl. A. MORK/P. RÖSGEN, „Sie stehen ihren Mann“, in: HAUS DER GESCHICHTE DER BUN-<br />
DESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.), Ungleiche Schwestern? Frauen in Ost- und West<strong>de</strong>utschland,<br />
[o.O. o.J.], S. 49.<br />
54 Vgl. NICKEL, „DDR – Siebziger und Achtziger Jahre. Leitbil<strong><strong>de</strong>r</strong> und Alltagsrealitäten“, S.<br />
54.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 22<br />
dienten. Derartige Initiativen zur besseren Vereinbarung von Beruf und Fami-<br />
lie richteten sich trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> familienrechtlichen Verantwortung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Elterntei-<br />
le hauptsächlich an die Frau. Inoffiziell wur<strong>de</strong> dies als „Muttipolitik“ 55<br />
bezeichnet.<br />
Der Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch in dieser emanzipatorisch geprägten Propaganda und <strong>de</strong>n<br />
tatsächlichen Verhältnissen zeigte sich sehr <strong>de</strong>utlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik. Der De-<br />
mokratische Frauenbund Deutschland mit seinen 1,4 Millionen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
trug bis zum En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zur Legitimation <strong><strong>de</strong>r</strong> SED-Gesetzgebung und<br />
Politik bei. 56 Das galt auch <strong>für</strong> die Frauenabteilung <strong>de</strong>s Zentralkomitees und<br />
die Frauenkommission <strong>de</strong>s Politbüros, die nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Interessenvertretung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwirklichung einer Frauenpolitik im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei<br />
dienten. 57<br />
Frauen waren auf politischer Ebene unterrepräsentiert, was sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat-<br />
sache manifestierte, dass stimmberechtigte Vollmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> im Politbüro stets<br />
ausschließlich männlich waren.<br />
Die Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR haben, ähnlich wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik, in <strong>de</strong>n Be-<br />
reichen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik nie die volle Gleichberechtigung<br />
erhalten. In dieser Hinsicht waren sie „gleiche Schwestern“.<br />
2.3 Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Weg zur Gleichberechtigung – Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland heute<br />
60 Jahre nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Verabschiedung <strong>de</strong>s Grundgesetzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland, das in Artikel 3 die Gleichberechtigung garantiert, ist diese<br />
noch nicht in allen Lebensbereichen verwirklicht. Theoretisch kann hierzu-<br />
lan<strong>de</strong> eine Frau je<strong>de</strong> berufliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> politische Position erreichen. Leicht wird<br />
vergessen, dass die heute als selbstverständlich angesehenen Rechte und<br />
Möglichkeiten über die letzten 100 Jahre hart erkämpft wur<strong>de</strong>n. Die noch<br />
immer bestehen<strong>de</strong>n Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse wirken im historischen Vergleich daher ba-<br />
nal. Alice Schwarzer merkte 2007 dazu an: „Erstmals in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte sei-<br />
55 Ebenda, S. 55.<br />
56 Vgl. ebenda, S. 57.<br />
57 Vgl. ebenda.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 23<br />
en die Frauen in Deutschland uneingeschränkt gleichberechtigt, je<strong>de</strong>nfalls<br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Papier.“ 58<br />
Zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Frauenbewegung stand zunächst das Recht auf<br />
Bildung im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund. Führen<strong>de</strong> Vertreterinnen dieses frühen Feminismus<br />
waren Helene Lange und Gertrud Bäumer. Diese setzten sich <strong>für</strong> gleiche<br />
Bildungschancen, <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Zugang zu bestimmten <strong>de</strong>n Männern vorbehalte-<br />
nen Berufen und <strong>für</strong> eine allgemeine Gleichberechtigung ein. Heute ist das<br />
Recht auf Bildung in Deutschland und in vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Staaten und Län-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n unabhängig vom Geschlecht <strong>de</strong>s Menschen anerkannt. Dabei kristalli-<br />
siert sich sogar zunehmend eine Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen heraus. Drei<br />
Jahrzehnte nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenbewegung <strong><strong>de</strong>r</strong> siebziger Jahre absolvieren viele<br />
Mädchen und Frauen ehrgeizig und anscheinend zielbewusst ihre <strong>Aus</strong>bil-<br />
dung und lassen dabei zumin<strong>de</strong>st zahlenmäßig Jungen und Männer hinter<br />
sich. Auch auf <strong><strong>de</strong>m</strong> höheren Bildungsweg setzt sich dieser Trend fort. Der<br />
Frauenanteil bei schulischen und aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen Abschlüssen wie Hoch-<br />
schulstudium und Abitur liegt bei über 50%, <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Promovierten und<br />
Habilitierten hat sich in <strong>de</strong>n letzten Jahren auf 39,5% in <strong><strong>de</strong>r</strong> Promotion bezie-<br />
hungsweise 23% in <strong><strong>de</strong>r</strong> Habilitation gesteigert. 14,3% <strong><strong>de</strong>r</strong> Professuren an<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Universitäten und Fachhochschulen sind mit Frauen be-<br />
setzt. 59 Trotz<strong><strong>de</strong>m</strong> gelten Frauen in ihrer Bildungsbeteiligung nicht mehr als<br />
benachteiligt. 60<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft sind Frauen immer noch stark unterrepräsentiert. Deutsch-<br />
land rangiert mit einem Anteil von elf Prozent Frauen in <strong>de</strong>n höchsten Ent-<br />
scheidungsgremien <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweils 50 größten börsennotierten Unternehmen im<br />
Mittelfeld knapp über <strong><strong>de</strong>m</strong> EU-Durchschnitt. 61<br />
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass viele Frauen nach wie vor in schlechter<br />
bezahlten Berufen arbeiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber <strong>für</strong> die gleiche Arbeit einen geringeren<br />
Lohn als Männer erhalten. Für Frauen ist es schwieriger als <strong>für</strong> Männer, Fa-<br />
58 A. SCHWARZER, [persönliche Äußerung], zitiert nach: B. SUPP/J. BONSTEIN/A. DÜRR/D.<br />
KRAHE/M. THEILE/C. VOIGT/K. WERNER, „Mein Kopf gehört mir“, in: Der Spiegel<br />
60(2007)24, S. 57.<br />
59 Vgl. A. MAJCHER/A. ZIMMER, „Hochschule und Wissenschaft: Karrierechancen und -<br />
hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>für</strong> Frauen“, in: R. BECKER/B. KORTENDIEK (Hrsg.), Handbuch Frauen- und<br />
Geschlechterforschung. Theorie, Metho<strong>de</strong>n, Empirie, Wiesba<strong>de</strong>n 2004, S. 590. Ferner<br />
SUPP/BONSTEIN/DÜRR/KRAHE/THEILE/VOIGT/WERNER, „Mein Kopf gehört mir“, S. 62.<br />
60 Vgl. S. METZ-GÖCKEL, „Eliten: Eine Frage von Herkunft, Geschlecht und Leistung“, in: R.<br />
BECKER/B. KORTENDIEK (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie,<br />
Metho<strong>de</strong>n, Empirie, Wiesba<strong>de</strong>n 2004, S. 608.<br />
61 Vgl. Supp/Bonstein/Dürr/Krahe/Theile/Voigt/Werner, „Mein Kopf gehört mir“, S. 62.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 24<br />
milie und Beruf zu vereinbaren. In unserer heutigen leistungsorientierten Ge-<br />
sellschaft hat die Frau allerdings zumin<strong>de</strong>st die gesetzliche und theoretische<br />
Möglichkeit, ihre eigene Karriere trotz familiärer Verpflichtungen voranzutrei-<br />
ben. Häufig gehen Frauen hierbei Kompromisse ein, in<strong><strong>de</strong>m</strong> sie die Arbeits-<br />
zeit beschränken o<strong><strong>de</strong>r</strong> sich Tätigkeiten suchen, die unter ihrem<br />
<strong>Aus</strong>bildungsniveau liegen. 62 Obwohl die Politik zur Gleichberechtigung in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesellschaft beitragen will, sind Frauen in Politik und Wirtschaft unterreprä-<br />
sentiert. Allerdings schafft die Politik Bedingungen, in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelne sein<br />
Leben im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft weitestgehend nach seinen Vorstellun-<br />
gen gestalten kann.<br />
Immerhin ist seit 1990 ein <strong>de</strong>utlicher Aufwärtstrend in <strong><strong>de</strong>r</strong> Besetzung von po-<br />
litischen Ämtern mit Frauen zu verzeichnen. Die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Frakti-<br />
onsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in Bun<strong>de</strong>stagsfraktionen hat in allen Parteien zugenommen,<br />
die Steigerungsraten sind jedoch sehr unterschiedlich. Diese Entwicklungen<br />
hingen und hängen auch heute noch davon ab, ob Frauen überhaupt und<br />
wenn ja, wie verbindlich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergabe von öffentlichen Ämtern unterstützt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Seit September 2005 ist Angela Merkel (CDU) Bun<strong>de</strong>skanzlerin <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>s-<br />
republik Deutschland. <strong>Aus</strong> feministischer Sicht ist dies sicherlich <strong><strong>de</strong>r</strong> vorläufi-<br />
ge Höhepunkt eines langen Weges, <strong><strong>de</strong>r</strong> 1961 mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereidigung von<br />
Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) als Bun<strong>de</strong>sministerin <strong>für</strong> Gesundheitswesen<br />
begann. Die Mitwirkung von Frauen hat sich heute nicht nur quantitativ, son-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch qualitativ ausgewirkt. Allerdings dominieren immer noch Männer<br />
politische Bereiche wie Wirtschaft und Militär. Vor allem in Führungspositio-<br />
nen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil weiblicher Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> immer noch gering. Die Grün<strong>de</strong> da<strong>für</strong><br />
sind vielschichtig. So antwortete Ursula Engelen-Kefer auf die Frage, warum<br />
sie nie als Chefin <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Gewerkschaftsbun<strong>de</strong>s (DGB) angetreten<br />
sei:<br />
„Bei ver.di wäre eine Vorsitzen<strong>de</strong> vielleicht <strong>de</strong>nkbar, [...] aber <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DGB wird immer noch dominiert von <strong>de</strong>n großen Industriegewerkschaften.<br />
Die IG Metall hat nicht einmal 30% weibliche<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Eine Frau, noch dazu Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ikerin, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze<br />
62 Vgl. HELWIG/NICKEL, Frauen in Deutschland 1945-1992, S. 9.
Ungleiche Schwestern – Frauen in West- und Ost<strong>de</strong>utschland 25<br />
<strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Gewerkschaftsbun<strong>de</strong>s? Das ist selbst in einem<br />
Land mit Bun<strong>de</strong>skanzlerin absolut unmöglich.“ 63<br />
Die Rolle, die Frauen in Deutschland einnehmen, <strong>de</strong>finiert sich immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
neu, da diese <strong>de</strong>n temporären Einflüssen und Strömungen <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen<br />
Gesellschaft unterliegt. Die <strong>Aus</strong>gangslage ist heute günstig wie nie zuvor,<br />
allerdings wird es noch längere Zeit in Anspruch nehmen, um gängige<br />
Rollenklischées mit großer Breitenwirkung abzubauen. Der Weg in die<br />
Gleichberechtigung ist heute mehr als nur bereitet: Frauen schicken sich an,<br />
Männer in vielen Bereichen zu überholen.<br />
63 Vgl. S. GASCHKE, „Die Frauen und die Macht“, in: Die Zeit 60(2006)47, S. 34.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 26<br />
3 Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports<br />
Seit <strong><strong>de</strong>m</strong> 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat sich ein leistungs- und wettkampforientierter<br />
Sport 64 herausgebil<strong>de</strong>t und als universelle Bewegungskultur im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
weltweiten Globalisierungsprozesse durchgesetzt. 65 Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Sport zielt<br />
im Gegensatz zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Athletik in <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Antike auf <strong>de</strong>n Rekord, also<br />
auf ein exakt gemessenes Ergebnis, das in keiner Relation zu <strong>de</strong>n körperli-<br />
chen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Voraussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontrahenten steht.<br />
3.1 Mythologische Überlieferungen<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> vorherrschen<strong>de</strong>n gesellschaftlichen Bedingungen war <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport<br />
lange eine Domäne <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer. So hatten die Frauen im archaischen Grie-<br />
chenland eine klar <strong>de</strong>finierte Rolle inne, die sich auf Familie und Haus be-<br />
schränkte. Politisch waren sie machtlos, da sie keinen Sitz in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Volksversammlung hatten. 66 Durch diese Rollenzuteilung war es Frauen<br />
nicht möglich, am öffentlichen Leben teilzunehmen.<br />
Dennoch wird über körperliche Betätigung von Frauen, zum Beispiel im My-<br />
thos, berichtet, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen vermeintlich männliche Tugen<strong>de</strong>n wie Mut und<br />
Kraft aufwiesen. Exemplarisch sei die Sage von Atalante erwähnt, ein Sinn-<br />
bild <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>s Frauensports. 67<br />
Die einzigen Zeugnisse weiblicher „sportlicher Erziehung“ fin<strong>de</strong>n sich in<br />
Sparta:<br />
64 Auf die Entstehung und Entwicklung <strong>de</strong>s mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sports wird hier nicht weiter eingegangen.<br />
Einen Überblick gibt A. GUTTMANN, From Ritual to Record, New York 1978. Ferner<br />
M. KRÜGER, Einführung in die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung und <strong>de</strong>s Sports. Teil 1:<br />
Von <strong>de</strong>n Anfängen bis ins 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t (= Sport und Sportunterricht, Bd. 8), Schorndorf<br />
2004. Ebenso M. KRÜGER, Einführung in die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung und<br />
<strong>de</strong>s Sports. Teil 2: Leibeserziehung im 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Turnen <strong>für</strong>s Vaterland (= Sport<br />
und Sportunterricht, Bd. 9), Schorndorf 1993. Der Begriff Sport wird hier als übergeordneter<br />
Grundbegriff <strong>für</strong> menschliche Bewegungsübungen verstan<strong>de</strong>n. Eine terminologische<br />
Differenzierung in Leibesübungen, Turnen, Spiel und Gymnastik sowie ein Bezug zum<br />
weiblichen Geschlecht wird an dieser Stelle nicht vorgenommen. Zu dieser Problematik<br />
vgl. A. GUTTMANN, Women’s Sport, New York 1991. Ferner A. TSCHAP-BOCK, Frauensport<br />
und Gesellschaft. Der Frauensport in seinen historischen und gegenwärtigen Formen.<br />
Eine historische und empirische Untersuchung, Ahrensburg bei Hamburg 1983, S. 77-<br />
144. Ferner A. HOFFMANN, Frau und Leibesübungen im Wan<strong>de</strong>l <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit (= Beiträge zur<br />
Forschung <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung, Bd. 24), Schorndorf 1965, S. 7-64.<br />
65 Vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 11.<br />
66 Vgl. TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 40.<br />
67 Atalante ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Mythologie eine jungfräuliche Jägerin. Sie wur<strong>de</strong> von<br />
ihrem Vater ausgesetzt und von einer Bärin genährt. Atalante besiegte alle Freier im<br />
Wettlauf, bis sie von Hippomenes überlistet und besiegt wur<strong>de</strong>. Vgl. F.K. MATHYS, „Die<br />
Frauen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport“, in: Leibesübungen 23(1972)8, S. 6.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 27<br />
“Sparta, then, seems to have been the only place in ancient<br />
Greece where an ascertainable and notable attempt was ma<strong>de</strong> to<br />
introduce physical exercises for women. It seems certain that<br />
Spartan girls between the ages of 6 and 13 (like the boys but not<br />
with them!) received physical training that was <strong>de</strong>signed to foster<br />
toughness, discipline, renunciation, subordination and willingness<br />
to make sacrifices.” 68<br />
Die Spartanerinnen wur<strong>de</strong>n als gleichwertig angesehen, nahmen politischen<br />
Einfluss, verwalteten das Sippenvermögen, waren prozess- und ei<strong>de</strong>sfähig<br />
und unterstan<strong>de</strong>n keiner sie einschränken<strong>de</strong>n Sexualmoral. Die Mutterschaft<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Spartanerinnen wur<strong>de</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen Pflicht <strong>de</strong>s Kriegsdienstes<br />
gleichgesetzt. Das be<strong>de</strong>utet, dass die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> ab <strong><strong>de</strong>m</strong> siebten Lebensjahr un-<br />
ter <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfügungsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Polis stan<strong>de</strong>n. 69 Die Spartanerinnen betrieben<br />
die Übungen <strong>de</strong>s klassischen Pentathlon 70 sowie Schwimmen und Tanzen.<br />
Dazu zählte ebenfalls die so genannte „Bibasis“, eine Art kontinuierlicher<br />
Fersensprung. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sind Erzählungen von Läufen überliefert, die an-<br />
lässlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Heraia, einem Fest zu Ehren <strong><strong>de</strong>r</strong> Göttin Hera, durchgeführt wur-<br />
<strong>de</strong>n. 71<br />
Die Leibesübungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in Sparta sollten in erster Linie dazu führen,<br />
körperlich gesund zu sein, um kräftige und gesun<strong>de</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Welt zu brin-<br />
gen. Sie wur<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Staatenwelt als Vorbild angesehen und<br />
bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 72 Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> körperlichen Verfassung waren Ruhm und Tapfer-<br />
keit wichtige Charaktereigenschaften.<br />
Die Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> körperlichen Tätigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Germanen reduziert sich in<br />
vielen Werken auf draufgängerische und waffengewaltige Hel<strong>de</strong>n. 73 Häufig<br />
wur<strong>de</strong>n Bewegungsaktivitäten als Leibesübung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sport verstan<strong>de</strong>n. Der<br />
Alltag <strong><strong>de</strong>r</strong> germanischen Frau umfasste neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Feld- und Hauswirtschaft<br />
68 Lämmer betont allerdings, dass es sich um eine absolute <strong>Aus</strong>nahme han<strong>de</strong>lt. Antike<br />
Nachrichten müssen teilweise als mythologisch klassifiziert wer<strong>de</strong>n. M. LÄMMER, „Women<br />
and Sport in Ancient Greece. A Plea for a Critical and Objective Approach”, in: J.<br />
BORMS/M. HEBBELINCK/A. VENERANDO (Hrsg.), Women and Sport. An Historical, Biological,<br />
Physiological and Sportsmedical Approach (= Medicine and Sport, Bd. 14), Basel/München/New<br />
York 1981, S. 21.<br />
69 Die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>n in einem militärischen <strong>Aus</strong>bildungslager erzogen (sieben bis 19 Jahre).<br />
Die Ehe war institutionalisiert, <strong>de</strong>nnoch wur<strong>de</strong> Ehelosigkeit ab <strong><strong>de</strong>m</strong> 35. Lebensjahr<br />
missachtet.<br />
70 Das klassische Pentathlon bestand aus <strong>de</strong>n Disziplinen Diskuswurf, Weitsprung, Speer-<br />
wurf, Lauf und Ringen.<br />
71 Vgl. TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 50.<br />
72 Vgl. ebenda, S. 46.<br />
73 Vgl. B. WISCHMANN, Leibesübungen und Sport <strong><strong>de</strong>r</strong> Germanen, Hochheim am Main 1980,<br />
S. 14.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 28<br />
sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>erziehung auch <strong>de</strong>n Einsatz im Kriegsfall als moralische<br />
Verstärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrgemeinschaft in kritischen Situationen. Mädchen und<br />
Jungen wur<strong>de</strong>n nicht getrennt erzogen, und obwohl man nicht von systema-<br />
tischer körperlicher Erziehung sprechen kann, musste die Germanin die ent-<br />
sprechen<strong>de</strong>n körperlichen Voraussetzungen mitbringen, um im Einbaum zu<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Haus und Gut zu verteidigen und einen Speer o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stein schleu<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
zu können. 74 Neben <strong><strong>de</strong>m</strong> Tanzen und Kämpfen fin<strong>de</strong>n auch das Bergsteigen<br />
sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Eis- und Schneelauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Nordgermanen bei Saurbier und Weinhold<br />
Erwähnung. 75 Die nordgermanischen Frauen sollen es im Schneelauf, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> heutigen Skilauf ähnelte, zu beachtlichen Leistungen gebracht haben. 76<br />
Durch die Staatengründungen unter Königen und Herzogen kam es zu er-<br />
heblichen Verschiebungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> germanischen Welt. Bildung wur<strong>de</strong> als be-<br />
<strong>de</strong>utend angesehen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Einfluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, die zusammen mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
männlichem A<strong>de</strong>l politisch dominierte, weitete sich aus. Der Klerus verleug-<br />
nete die allgemeine Körperlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau und folgte streng <strong><strong>de</strong>m</strong> Diktat<br />
Tertullians, das implizierte, dass Leib und Seele eben nicht gleichberechtigt<br />
sind. 77<br />
Die Landbevölkerung betrieb weiterhin Wettkämpfe im Lauf, Wurf und<br />
Sprung. Vor allem aber <strong><strong>de</strong>r</strong> traditionelle Tanz wur<strong>de</strong> weiterhin gepflegt, bei<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Frauen und Männer sich gemeinsam auf Erntefesten, Hochzeiten und<br />
Volksfesten amüsierten. Diese gehüpften o<strong><strong>de</strong>r</strong> gesprungenen Tänze wur<strong>de</strong>n<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche als „körperliche Raserei“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Tanzwut“ strikt abgelehnt. 78<br />
Zeitliche Einflüsse wirkten sich auf die Entwicklung <strong>de</strong>s mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sports<br />
aus. Den Tänzen entgegengesetzt waren Florettfechten, Reiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> tennis-<br />
ähnliche Spiele, die nur von Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong> oberen Schicht betrieben wur<strong>de</strong>n. 79<br />
Die weibliche Landbevölkerung widmete sich dagegen Wettläufen, die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Volksbelustigung dienten und im Rahmen von Schützenfesten, Jahrmärkten<br />
und Volksfesten abgehalten wur<strong>de</strong>n. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Erwähnung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur<br />
74<br />
Vgl. A. BLUEMCKE, Die Körperschule <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Frau im Wan<strong>de</strong>l <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te,<br />
Dres<strong>de</strong>n 1928, S. 11.<br />
75<br />
Vgl. B. SAURBIER, Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen, 8., erweiterte Auflage, Frankfurt a.M.<br />
1965, S. 68. Ferner K. WEINHOLD, Die <strong>de</strong>utschen Frauen im Mittelalter, Bd. I und II, Amsterdam<br />
1968, S. 45.<br />
76<br />
Vgl. BLUEMCKE, Die Körperschule <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Frau, S. 14.<br />
77<br />
Vgl. ebenda, S. 16.<br />
78<br />
TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 67.<br />
79<br />
Vgl. G. PILZ, Wandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewalt im Sport: Eine entwicklungssoziologische Analyse<br />
unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung <strong>de</strong>s Frauensports, Ahrensburg bei Hamburg 1982, S.<br />
22.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 29<br />
fin<strong>de</strong>t noch das Ballspiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, das häufig in <strong>de</strong>n Tanz übertragen wur-<br />
<strong>de</strong>:<br />
„Das Ballspiel erfreute sich sowohl in bürgerlichen als auch in höfischen<br />
Kreisen einer großen Beliebtheit und wur<strong>de</strong> somit über alle<br />
Stän<strong>de</strong>- und Gesellschaftsklassen hinweg praktiziert.“ 80<br />
Die Zeit vom ausgehen<strong>de</strong>n Mittelalter um 1500 bis zur Neuzeit um 1800 war<br />
geprägt von großen gesellschaftlichen und politischen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen. Es<br />
war <strong><strong>de</strong>r</strong> Beginn einer neuen geistigen Einstellung. Anstelle <strong><strong>de</strong>r</strong> erstarrten<br />
scholastischen Wissenschaft legte man mehr Wert auf eine menschliche,<br />
humane Bildung nach antikem Vorbild. 81 Dieses ging aus von einem Dualis-<br />
mus von Körper und Geist, aus <strong><strong>de</strong>m</strong> eine harmonische Erziehung in körperli-<br />
cher und geistiger Hinsicht resultieren sollte. Die geistigen Strömungen <strong>de</strong>s<br />
Humanismus und <strong><strong>de</strong>r</strong> Renaissance ermöglichten <strong>de</strong>n a<strong>de</strong>ligen Frauen, sich<br />
vermehrt an sportlichen Aktivitäten wie beispielsweise <strong><strong>de</strong>m</strong> Ba<strong>de</strong>n, Fechten<br />
und Jagen zu beteiligen. 82 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> gab es Stimmen, die sich <strong>für</strong> weibliche<br />
Leibesübungen einsetzten. 83 Die gängige Vorstellung von <strong><strong>de</strong>r</strong> weibIichen<br />
Körperlichkeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Zeit war gekennzeichnet von Attributen wie<br />
Schwäche, Zartheit und Empfindsamkeit, allerdings immer mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Prämisse,<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Mann gesun<strong>de</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> zu schenken. So widmete sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Turn- und Re-<br />
formpädagoge J.C.F. GutsMuths En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzie-<br />
hung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen. Allerdings vertrat er die Ansicht, dass „Spaziergänge in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> freien Natur und muntere und bewegen<strong>de</strong> häusliche Verrichtungen und<br />
kleine Fußreisen“ 84 <strong>für</strong> Mädchen ausreichend seien. Diese reservierte <strong>Aus</strong>-<br />
gangsposition verschlechterte sich zusätzlich durch <strong>de</strong>n Einfluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche,<br />
die eine körperliche Betätigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau weiterhin strikt ablehnte. Demnach<br />
sollte die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau die <strong><strong>de</strong>r</strong> Hausfrau und Mutter sein und <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Natur vorgeschriebenen untergeordneten Position folgen.<br />
80<br />
D. STEINHEISSER, Frauen im Sport. Eine historische und gegenwartsbezogene Analyse<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Sportbeteiligung im Kontext zeitgeschichtlicher gesellschaftlicher Entwicklungen,<br />
Dissertation Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Darmstadt<br />
2004, S. 69.<br />
81<br />
Vgl. ebenda, S. 72.<br />
82<br />
Vgl. B. PHILIPPI‚ „Frau und Sport vom Altertum bis zur Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne“, in: Hochschulsport<br />
9(1982)9/10, S. 22-25.<br />
83<br />
Hier ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt und Philosoph John Locke zu nennen, <strong><strong>de</strong>r</strong> for<strong><strong>de</strong>r</strong>te, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> (Mädchen<br />
eingeschlossen) häufig an die frische Luft zu bringen.<br />
84<br />
J.C.F. GUTSMUTHS, Gymnastik <strong>für</strong> die Jugend, Frankfurt a.M. 1970, S. 470.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 30<br />
3.2 Die Leibesübungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau und <strong><strong>de</strong>r</strong> daraus resultieren<strong>de</strong> Lebensbereich „Haus“ führte<br />
zu einem erheblichen Bewegungsmangel, <strong><strong>de</strong>r</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um eine Vielzahl von<br />
„Frauenkrankheiten“ mit sich brachte. 85 Die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach Leibesübungen<br />
<strong>für</strong> Mädchen und Frauen war damit auch eine Folge sich mehren<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesundheitsschä<strong>de</strong>n (Rückgratverkrümmung, Kurzatmigkeit, Bleichsucht<br />
und Nervenschwäche), die durch überwiegend sitzen<strong>de</strong> Tätigkeiten im Haus<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Tragen eines einschnüren<strong>de</strong>n Korsetts ausgelöst wur<strong>de</strong>n.<br />
Als Wegbereiter <strong>für</strong> die Leibesübungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen sei hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweizer<br />
P.H. Clias genannt, <strong>de</strong>ssen Buch Kallisthenie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Übungen zur Schönheit<br />
und Kraft <strong>für</strong> Mädchen bereits 1829 erschien. Auch Adolf Ludwig Werner, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1834 das Werk Gymnastik <strong>für</strong> die weibliche Jugend o<strong><strong>de</strong>r</strong> weibliche Körper-<br />
bildung <strong>für</strong> Gesundheit, Kraft und Anmut veröffentlichte, trug zur Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Frauensports bei. F.L. Jahn „be<strong>für</strong>wortete <strong>für</strong> das weibliche Geschlecht<br />
zwar mäßige Leibesübungen, nicht aber sein Turnen“. 86 Lediglich J. Pesta-<br />
lozzi widmete sich in seinen Überlegungen bei<strong>de</strong>n Geschlechtern, dabei be-<br />
schränkte er sich allerdings auf die Armenerziehung. 87<br />
1842 wur<strong>de</strong>n in Preußen die Leibesübungen durch „Allerhöchste Cabinets-<br />
Ordre“ als notwendiger und unentbehrlicher Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> „männlichen Er-<br />
ziehung förmlich anerkannt.“ 88 F. Klumpp beschrieb <strong>de</strong>n Turnunterricht zwar<br />
hauptsächlich <strong>für</strong> die männliche Jugend, be<strong>für</strong>wortete aber aus medizini-<br />
schen und ästhetischen Grün<strong>de</strong>n Leibesübungen <strong>für</strong> Mädchen.<br />
Pfister und Langenfeld bezeichnen Adolf Spieß als „Turnvater“ 89 <strong><strong>de</strong>r</strong> Mäd-<br />
chen. 90 Er konzipierte seine Übungen grundsätzlich <strong>für</strong> bei<strong>de</strong> Geschlechter<br />
und distanzierte sich nur von Bewegungsabfolgen, „die nach seiner Ansicht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schicklichkeit und <strong>de</strong>n Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Erziehung nicht<br />
85<br />
Vgl. G. PFISTER/H. LANGENFELD, „Die Leibesübungen <strong>für</strong> das weibliche Geschlecht – ein<br />
Mittel zur Emanzipation <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau?“, in: H. UEBERHORST (Hrsg.), Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen,<br />
Bd. 3/1, Leibesübungen und Sport in Deutschland von <strong>de</strong>n Anfängen bis zum<br />
Ersten Weltkrieg, Berlin/München/Frankfurt a.M. 1980, S. 489.<br />
86<br />
Ebenda, S. 491.<br />
87<br />
Vgl. ebenda.<br />
88<br />
Ebenda, S. 492.<br />
89<br />
Ebenda.<br />
90<br />
Vgl. KRÜGER, Einführung in die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung und <strong>de</strong>s Sports, Bd. 1, S.<br />
98-104.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 31<br />
entsprachen.“ 91 Seine Werke waren bis zum Ersten Weltkrieg richtungswei-<br />
send <strong>für</strong> das Mädchenturnen. 92<br />
Allgemein wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>nnoch die „Vermännlichung“ <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechts<br />
be<strong>für</strong>chtet. 93 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> die Herausbildung von Eigenschaften wie<br />
Mut, <strong>Aus</strong>dauer, Aktivität o<strong><strong>de</strong>r</strong> Selbstständigkeit bei Mädchen und Frauen<br />
nicht be<strong>für</strong>wortet. Das Grätschen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Spreizen, respektive das Heben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Beine über <strong>de</strong>n Körperschwerpunkt wur<strong>de</strong> als sittliche Gefährdung angese-<br />
hen. An Reck und Barren durften Frauen nur Hang- und Stützübungen tur-<br />
nen, das Pferd als Turngerät war <strong>für</strong> Frauen verboten. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gut<br />
geeignet <strong>für</strong> das Mädchenturnen erschienen <strong>de</strong>n Lehrern Schwebestangen<br />
und Pfahl sowie Leitern und Schaukelringe. Als weitere Geräte stan<strong>de</strong>n Han-<br />
teln, Stäbe, Seile, Reifen, Handklapper, Keulen und Bälle zur Verfügung. 94<br />
3.3 Die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong><br />
Während die Frauen <strong>de</strong>s Bürgertums versuchten, in die bestehen<strong>de</strong>n Män-<br />
nersportarten, wie Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Radfahren, Tennis und Fechten einzudringen,<br />
traten die Turnerinnen trotz aller Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> und Vorbehalte immer mehr in<br />
<strong>de</strong>n Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund. Die schwedische Gymnastik 95 fand in Deutschland ver-<br />
stärkt Anwendung und Anerkennung. Auf Kreis- und Gauebene zeigten<br />
Frauen und Mädchen zu Beginn <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, dass auch sie – nicht<br />
zuletzt durch die nun erlaubte Turnkleidung – zu beachtlichten Leistungen<br />
fähig waren. „Schnürleiber, Stehkragenblusen mit ‘Schinkenärmeln’, fußlan-<br />
ge Röcke und Absatzstiefel wur<strong>de</strong>n durch ein praktisches kurzes Turnkleid,<br />
das keinen Staub aufwirbeln konnte, ersetzt.“ 96 Die verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Kleidung ließ<br />
91<br />
PFISTER/LANGENFELD, „Die Leibesübungen <strong>für</strong> das weibliche Geschlecht“, S. 492.<br />
92<br />
In seinen Werken Die Lehrer <strong><strong>de</strong>r</strong> Turnkunst und Turnbuch <strong>für</strong> Schulen empfahl Spieß vor<br />
allem Frei- und Ordnungsübungen. Er entwickelte auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> Rhythmisierung die<br />
sogenannten „Turnreigen“, die allerdings mehr das Erinnerungsvermögen als <strong>de</strong>n Körper<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten.<br />
93<br />
Vgl. ebenda, S. 494.<br />
94<br />
Vgl. ebenda, S. 496.<br />
95<br />
Die Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> schwedischen Gymnastik sahen eine Ablehnung <strong>de</strong>s Wettkampfsports<br />
vor, da hierin eine Überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Turner gesehen wur<strong>de</strong>. Der Turnunterricht wur<strong>de</strong><br />
bis in die 1950er Jahre fast ausschließlich in Schulen erteilt, es gab nur wenig Vereine.<br />
Oberstes Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> schwedischen Gymnastik war die Gesun<strong><strong>de</strong>r</strong>haltung. Zunächst wur<strong>de</strong>n<br />
nur Schüler unterrichtet, En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong> diese Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesertüchtigung<br />
auch <strong>für</strong> Mädchen angewandt. Die Übungen waren konstruiert. Nur langsam setzten<br />
sich Spielformen durch, die in die bestehen<strong>de</strong>n Systeme aufgenommen wur<strong>de</strong>n. Die<br />
schwedische Gymnastik <strong>für</strong> Mädchen orientierte sich an ästhetischen Aspekten wohingegen<br />
die Übungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Jungen auf Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrhaftigkeit abzielte.<br />
96<br />
TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 90.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 32<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e und komplexere Übungen zu. Bedingt durch diese verbesserten Um-<br />
stän<strong>de</strong> glich sich das Frauenturnen immer mehr <strong><strong>de</strong>m</strong> Männerturnen an und<br />
nahm damit auch Einfluss auf die Spielbewegung und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sportformen:<br />
„Vorangetrieben wur<strong>de</strong> die ‘Bewegung’ nach BRAUNGARDT von<br />
jungen Vorturnerinnen, die in <strong>de</strong>n Turnabteilungen von Jugend auf<br />
geturnt hatten. [...] Die Reigen verschwan<strong>de</strong>n. Kräftiges Turnen,<br />
Volksturnen und Spiele traten an ihre Stelle, auch Mehrkämpfe.<br />
[...] Der Stafettenlauf als Pen<strong>de</strong>lstaffel leitete <strong>de</strong>n Wettkampf ein.<br />
Tamburinball, Faustball, Grenzball und vor allem Korbball fan<strong>de</strong>n<br />
kampffrohe Gefolgschaft. Prächtige Turnfahrten schufen unvergängliche<br />
Erinnerungen.“ 97<br />
1905 wur<strong>de</strong> dieser Entwicklung Rechnung getragen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Turnunterricht<br />
an <strong>de</strong>n Mädchenvolksschulen in Städten und größeren Orten als Pflichtfach<br />
eingeführt. Inhaltlich erfolgte eine Einschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reigen, mittlerweile als<br />
„unnütze Tän<strong>de</strong>lei“ bezeichnet, zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewegungs- und Laufspiele. 98<br />
Dennoch sollte es bis 1913 dauern, bis <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Leitfa<strong>de</strong>n <strong>für</strong> das Mädchen-<br />
turnen, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>für</strong> alle Mädchenschulen und Lehrerinnenbildungsanstalten gültig<br />
war, herausgegeben wur<strong>de</strong>. 99 Dabei orientierten sich die Verfasser an Wer-<br />
ten und Zielen wie Gesundheit, Kraft, Charakterbildung, Frische <strong>de</strong>s Geistes,<br />
<strong>Aus</strong>dauer und Frohsinn. 100 Dieser Ansatz lässt sich auf <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s<br />
Frauenbil<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Zeit zurückführen. Die traditionellen „weiblichen“<br />
Charaktereigenschaften wie Anmut und Hilfsbereitschaft wur<strong>de</strong>n nun durch<br />
„die im Hinblick auf die gesellschaftlichen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen notwendigen Ver-<br />
haltensweisen wie Kraft, <strong>Aus</strong>dauer, Selbstständigkeit und Geistesgegen-<br />
wart“ 101 ergänzt.<br />
Die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage Deutschlands im Ersten Weltkrieg führte zu erheblichen poli-<br />
tischen, sozialen und wirtschaftlichen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen. Die Umbruchsituation<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> frühen 20er Jahre brachte es mit sich, dass die herkömmliche Frauenrol-<br />
le kritisiert und neu diskutiert wur<strong>de</strong>. 102 Eine Berufstätigkeit galt nicht mehr<br />
97<br />
L. SCHELLER, Schritte – Die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauen- und Mädchenturnens im nordwest<strong>de</strong>utschen<br />
Raum, Celle 1979, S. 17-18.<br />
98<br />
Vgl. PFISTER/LANGENFELD, „Die Leibesübungen <strong>für</strong> das weibliche Geschlecht“, S. 512.<br />
99<br />
Vgl. ebenda.<br />
100<br />
Vgl. ebenda.<br />
101<br />
Ebenda.<br />
102<br />
G. PFISTER/H. LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sport – Die Entwicklung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Mädchen seit <strong><strong>de</strong>m</strong> Ersten Weltkrieg“, in: H.<br />
UEBERHORST (Hrsg.), Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen, Bd. 3/2, Leibesübungen und Sport<br />
in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Berlin/München/Frankfurt a.M.<br />
1982, S. 977.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 33<br />
generell als unvereinbar mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau, und auch im Alltag erfolgte<br />
eine Art Befreiung:<br />
„Korsetts und lange Röcke gehörten <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit an, und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bubikopf, ja sogar die Hose, galten als modische Attribute <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Emanzipation.“ 103<br />
Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport 104 erfuhr nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Zäsur <strong>de</strong>s Ersten Weltkrieges einen uner-<br />
warteten Aufschwung. Wesp hielt dazu fest: „Nach <strong>de</strong>n schlimmen Kriegser-<br />
lebnissen bil<strong>de</strong>te er eine willkommene Ablenkung, brachte Spaß und Le-<br />
Lebensfreu<strong>de</strong> zurück.“ 105 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Orientierung an angelsächsischen<br />
Vorbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n hinsichtlich <strong>de</strong>s Aufbaus eines systematischen Trainingsbetriebs<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchsetzung <strong>de</strong>s Leistungs- und Rekordprinzips, das bereits im<br />
wilhelminischen Deutschland vom englischen Sport adaptiert wur<strong>de</strong>, erfolgte<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik eine regelrechte <strong>Institut</strong>ionalisierung <strong>de</strong>s Sports. 106<br />
Es war<br />
„eine Zeit <strong>de</strong>s Aufbruchs und <strong>de</strong>s Neubeginns, eine kurze Epoche<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Pluralisierung und <strong>Aus</strong>differenzierung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Experimente und<br />
Utopien, die nicht folgenlos <strong>für</strong> die Gesellschaft bleiben konnte<br />
und zu einer Auflockerung patriarchaler Strukturen führte.“ 107<br />
Parallel zur Popularisierung <strong>de</strong>s Sports drängten Frauen in dieser Zeit ver-<br />
mehrt in mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Sportarten wie Leichtathletik, Schwimmen sowie zahlrei-<br />
che Ballspiele ein. Durch die so genannte Gymnastikbewegung entstand<br />
eine<br />
„Frauendomäne, die sich als eine neue Körperbildungsform gegen<br />
<strong>de</strong>n männlich geprägten Leistungssport wandte und die <strong><strong>de</strong>m</strong> We-<br />
103 Ebenda.<br />
104 Im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> 20er Jahre entwickelten sich die Leibesübungen zu einem Massenphänomen.<br />
Bis 1930 hatten sich etwa 10 Millionen <strong><strong>de</strong>r</strong> 65 Millionen <strong>Deutschen</strong> einem Sport-<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Turnverein angeschlossen. Der bürgerliche Dachverband, <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Reichsausschuß<br />
<strong>für</strong> Leibesübungen (DRA) war mit rund sieben Millionen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> größte,<br />
davon waren 800.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> weiblich. Es folgte die Zentralkommission <strong>für</strong> Arbeitersport<br />
und Körperpflege (ZK) mit mehr als 1,2 Millionen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n. An <strong>de</strong>n Veranstaltungen<br />
<strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Gymnastik-Bun<strong>de</strong>s nahmen 90000 Personen – vorwiegend Frauen –<br />
teil. Die meisten Frauen waren in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Turnerschaft (DT) organisiert. 1927 kam<br />
es zur Gründung eines Frauenauschusses im DRA, <strong><strong>de</strong>r</strong> nur aus Frauen bestand und sich<br />
aus rund 100 Vertreterinnen aus Verbän<strong>de</strong>n, Behör<strong>de</strong>n sowie Berufs- und Hausfrauenorganisationen<br />
zusammensetzte.<br />
105 WESP, Frisch, Fromm, Fröhlich, Frau. Frauen und Sport zur Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik,<br />
Königstein/Taunus 1998, S. 26.<br />
106 Vgl. ebenda.<br />
107 Ebenda, S. 103.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 34<br />
sen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau, <strong>de</strong>n Eigentümlichkeiten <strong>de</strong>s weiblichen Organismus<br />
gerecht wer<strong>de</strong>n wollte“. 108<br />
Damals wur<strong>de</strong>, an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als heute, nicht jegliche Art von körperlicher Aktivität<br />
unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Begriff Sport zusammengefasst. Als Sport galten die auf Leistung<br />
und Wettkampf ausgerichteten Sportarten wie Handball, Fußball, Radfahren,<br />
Hockey, Skilaufen, Tennis, Leichtathletik, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Schwimmen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Eislau-<br />
fen. Unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Terminus Leibesübungen wur<strong>de</strong>n vornehmlich die Bereiche<br />
Turnen und Gymnastik zusammengefasst. 109<br />
In dieser Zeit war die Be<strong>de</strong>utung von körperlichen Aktivitäten, sofern diese in<br />
Maßen betrieben wur<strong>de</strong>n, allgemein anerkannt. Als Frauen aber an Wett-<br />
kämpfen teilnehmen wollten, löste dies hitzige Diskussionen über die physi-<br />
sche und psychische Eignung <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechts, über die<br />
ästhetische Wertung und über die moralischen Folgen aus. 110 Zu dieser Zeit<br />
wur<strong>de</strong>n Frauen nach wie vor nach ihrer Schönheit, Anmut und weiblichen<br />
Wür<strong>de</strong> beurteilt. Die Warnung vor <strong><strong>de</strong>r</strong> „Vermännlichung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau stieß auch<br />
bei einer Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Ärzte auf Zustimmung:<br />
„Durch zuviel Sport nach männlichem Muster wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenkörper<br />
direkt vermännlicht [...]. Die weiblichen Unterleibsorgane verwelken<br />
und das künstlich gezüchtete Mannweib ist fertig.“ 111<br />
3.4 Die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik<br />
Bis zum Ersten Weltkrieg nahmen Frauen vornehmlich auf lokaler Ebene an<br />
Wettkämpfen im Schwimmen, Eiskunstlauf, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtathletik o<strong><strong>de</strong>r</strong> in ver-<br />
schie<strong>de</strong>nen Ballspielen teil. Auf die Begeisterung vieler Frauen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Wett-<br />
kampfsport konnte jedoch von höherer Ebene nur bedingt Einfluss<br />
genommen wer<strong>de</strong>n, und so fand bereits 1920 das erste reine Frauensport-<br />
fest statt. Ab 1921 konnten Frauen das Deutsche Sportabzeichen ablegen,<br />
ab 1927 wur<strong>de</strong> selbiges <strong>für</strong> die weibliche Jugend eingeführt. An <strong>de</strong>n Deut-<br />
schen Kampfspielen 1922 in Berlin beteiligten sich 600 Turnerinnen. 112 Auch<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Spielbewegung suchten die Frauen immer mehr <strong>de</strong>n Wettkampf. Be-<br />
108 Ebenda, S. 27.<br />
109 Vgl. ebenda, S. 10.<br />
110 Vgl. G. PFISTER/H. LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sport“, S. 979.<br />
111 H. SELLHEIM, Vier neuzeitliche Frauenfragen. Gymnastik und Frauenkun<strong>de</strong>, Eheberatung,<br />
Beratung überhaupt, Wirtschaft und Fortpflanzung, Die Frau als Kamerad, Leipzig 1928,<br />
S. 24.<br />
112 Vgl. TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 107.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 35<br />
reits 1918 existierten Spielrun<strong>de</strong>n im Berliner Turngau, 1923 wur<strong>de</strong> erstmalig<br />
eine Deutsche Handballmeisterschaft <strong>für</strong> Frauen ausgetragen.<br />
Boxen und Ringen scheinen in <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Zeit die einzigen Männersport-<br />
arten geblieben zu sein. So gab es neben Auto- und Motorradrennfahrerin-<br />
nen, Gewichtheberinnen und Sportschützinnen, Jiu-Jitsu Kämpferinnen,<br />
Bergsteigerinnen weibliche Jockeys, Motor- und Segelfliegerinnen, und Fall-<br />
schirmspringerinnen. 113 Auch in <strong>de</strong>n als männlich etikettierten Sportarten wie<br />
Stabhochsprung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Hammerwerfen versuchten sich immer mehr Frauen.<br />
Die Teilnahme von Frauen an <strong>de</strong>n Olympischen Spielen be<strong>de</strong>utete einen<br />
weiteren Aufschwung <strong>für</strong> das Sport- und Wettkampfwesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. Pierre<br />
Baron <strong>de</strong> Coubertin hatte 1894 die ersten Olympischen Spiele <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuzeit in<br />
Athen (1896) unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Motto „höher, schneller, weiter“ ins Leben gerufen.<br />
Er selbst sprach sich gegen eine Teilnahme von Frauen aus, da er die Sport-<br />
ler als Ritter verstand, „[...] vor allem Waffenbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>, tapfere, energische<br />
Männer“. 114 Demzufolge konnte nach Coubertin <strong><strong>de</strong>r</strong> wirkliche olympische<br />
Held nur <strong><strong>de</strong>r</strong> erwachsene männliche Einzelkämpfer sein. 115 Frauen sollten<br />
die Sieger bekränzen. Bei <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1900 in Paris waren<br />
unter <strong>de</strong>n 1.600 Sportlern <strong>de</strong>nnoch 20 Teilnehmerinnen. Kluge listet Wett-<br />
kämpfe im Tennis auf. 116 Bei <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Olympischen Spielen in St.<br />
Louis 1904 wur<strong>de</strong> lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerb im Bogenschießen ergänzt. Nur<br />
langsam wur<strong>de</strong>n Sportarten, die mit <strong><strong>de</strong>m</strong> gängigen Frauenbild in Einklang zu<br />
bringen waren, ins Programm aufgenommen: Schwimmen 1912, Leichtathle-<br />
tik und Turnen 1928. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge blieb die Teilnehmerzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zu-<br />
nächst gering. 117 Frauen waren darüber hinaus bei <strong>de</strong>n vier Olympischen<br />
Spielen zwischen 1920 und 1932 nicht im Olympischen Dorf zugelassen.<br />
Auch dies zeigt die Problematik <strong>de</strong>s Frauensports, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Wett-<br />
kampfwesen.<br />
113<br />
Vgl. G. PFISTER, Fit und gesund mit Sport. Frauen in Bewegung, Berlin 1996, S. 73.<br />
114<br />
WESP, Frisch, Fromm, Fröhlich, Frau, S. 156.<br />
115<br />
Vgl. ebenda.<br />
116<br />
Vgl. V. KLUGE, Olympische Sommerspiele. Die Chronik I, Athen 1896-Berlin 1936, Berlin<br />
1997, S. 85.<br />
117<br />
Vgl. U. SIMRI, A Historical Analysis of the Role of Women on the Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>n Olympic Games,<br />
Netanya 1977, S. 42.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 36<br />
Zu dieser Zeit gewann <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationale Frauensportverband 118 , <strong><strong>de</strong>r</strong> 1921<br />
aus einer französischen Frauensportorganisation hervorgegangen war, an<br />
Einfluss. Dieser Verband trug so genannte „Frauenweltspiele“ aus, die eige-<br />
nen Regeln und Gesetzmäßigkeiten unterlagen. Sie fan<strong>de</strong>n 1922 in Monte<br />
Carlo, 1926 in Göteborg, 1930 in Prag und 1934 in London statt. 119 Neben<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>richtung von Wettkämpfen waren die Anerkennung und Dokumenta-<br />
tion <strong><strong>de</strong>r</strong> von Frauen aufgestellten Rekor<strong>de</strong>, die Zulassungen bestimmter Dis-<br />
ziplinen, die Normierung von Sportgeräten und die Festlegung von Strecken<br />
weitere Arbeitsschwerpunkte <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s.<br />
„Als sich die Frauenleichtathletik im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> dreißiger Jahre<br />
etabliert zu haben schien, hielt <strong><strong>de</strong>r</strong> [Internationale Frauensportverband]<br />
seine Arbeit <strong>für</strong> been<strong>de</strong>t und löste sich 1938 auf.“ 120<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Ersten Weltkrieg begannen Frauen in größerem Umfang als zuvor<br />
Sport zu treiben und sich körperlich zu betätigen. Ihnen stan<strong>de</strong>n mehr ge-<br />
sellschaftliche Bereiche offen. „Der Sport spiegelte die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft wi<strong><strong>de</strong>r</strong>, die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauensports stand charakteris-<br />
tisch <strong>für</strong> die sich wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau.“ 121 Offensichtlich wur<strong>de</strong>n die<br />
Sportlerinnen anerkannt, allerdings sahen sie sich massiven Vorwürfen und<br />
Vorurteilen ausgesetzt. So war die Meinung verbreitet, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampf-<br />
sport die Frauen unweiblich und unattraktiv mache und <strong><strong>de</strong>m</strong>nach die Ge-<br />
sundheit <strong>de</strong>s Nachwuchses gefähr<strong>de</strong>. Sinn und Zweck <strong>de</strong>s Frauensports<br />
sollte aber genau das Gegenteil sein, da nur gesun<strong>de</strong> Mütter gesun<strong>de</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zur Welt bringen könnten. 122 Es überrascht <strong>de</strong>shalb nicht, dass die Be<strong>de</strong>u-<br />
tung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in einzelnen Sportarten wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abnahm. Grün<strong>de</strong> da<strong>für</strong> könnten<br />
die Reglementierung, Normierung und zunehmen<strong>de</strong> Leistungsorientierung<br />
sowie die <strong>Institut</strong>ionalisierung <strong>de</strong>s Sports sein. „Was <strong>de</strong>n Weiblichkeitsvor-<br />
stellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit am wenigstens entsprach, geriet auf diese Weise allmäh-<br />
lich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Übung.“ 123<br />
118<br />
Der Verband fungierte unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel Fé<strong><strong>de</strong>r</strong>ation Sportive Féminine Internationale. Wesp<br />
spricht von einem Frauensportverband, während Pfister/Langenfeld die Bezeichnung<br />
Damensportverband verwen<strong>de</strong>n.<br />
119<br />
Vgl. WESP, Frisch, Fromm, Fröhlich, Frau, S. 157. Ferner vgl. PFISTER/LANGENFELD, „Vom<br />
Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sport“, S. 981.<br />
120<br />
WESP, Frisch, Fromm, Fröhlich, Frau, S. 158.<br />
121<br />
Ebenda, S. 13.<br />
122<br />
Vgl. ebenda, S. 158. Ferner vgl. PFISTER/LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />
Sport“, S. 982.<br />
123<br />
PFISTER/LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sport“, S. 983.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 37<br />
Die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitersportbewegung stellte sich an<strong><strong>de</strong>r</strong>s dar.<br />
Die klar <strong>de</strong>finierte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau ließ sich in <strong>de</strong>n<br />
Proletarierfamilien häufig nicht aufrechterhalten, <strong>de</strong>nn die Haushalte waren in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel auf <strong>de</strong>n Lohn <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen angewiesen. In dieser Lebensform konn-<br />
te das Weiblichkeitsi<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s zarten, hilflosen Geschöpfes nicht durchgesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Damit hatten die Frauen zwar einen vermeintlichen Freiraum, konn-<br />
ten diesen aber aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> hohen körperlichen und zeitlichen Belastung<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit nicht <strong>für</strong> sportliche Aktivitäten nutzen. 124 Sowohl im öffentlichen<br />
Leben als auch in <strong>de</strong>n meisten bürgerlichen Turn- und Sportorganisationen<br />
hatten Frauen zwar Pflichten, aber keine Rechte. Auch hier stellte die Arbei-<br />
ter-sportbewegung eine <strong>Aus</strong>nahme dar. Der bereits 1893 gegrün<strong>de</strong>te Arbei-<br />
ter-Turnerbund – 1919 umbenannt in Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATUS) –<br />
bekannte sich seit seiner Gründung zur politischen und rechtlichen Gleich-<br />
stellung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechter. 125 Im ATUS war <strong>de</strong>s Weiteren die adäquate<br />
Vertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> Turnerinnen bei so genannten Bun<strong>de</strong>stagen durch eine Quo-<br />
tenregelung gesichert. 126 Anzumerken bleibt, dass die Frau trotz aller Pro-<br />
gression auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitersportbewegung nicht sofortigen Zugang zu allen<br />
Sportarten erhielt. Typische Männersportarten wie Fußball und Boxen waren<br />
auch hier lange <strong>de</strong>n „Genossen“ vorbehalten, da „auch die Arbeiterin auf<br />
Anmut und Grazie in ihren Bewegungen zu achten hatte“. 127<br />
Insgesamt lassen sich also in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Zeit zwei Entwicklungslinien<br />
ausmachen: zum einen <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufschwung <strong>de</strong>s Frauensports allgemein und<br />
zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufschwung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gymnastik. Das gestiegene Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauen an Bewegung und Sport sowie ihr zunehmen<strong>de</strong>s Engagement ent-<br />
sprach <strong>de</strong>n gesellschaftlichen Ten<strong>de</strong>nzen dieser Zeit. 128<br />
124<br />
Vgl. G. PFISTER, „Die Frau im Arbeiter-Turn- und Sportbund“, in: D. BLECKING (Hrsg.),<br />
Arbeitersport in Deutschland 1893-1933, Dokumentation und Analysen, Köln 1983, S. 35.<br />
125<br />
Vgl. PFISTER, ebenda, S. 37.<br />
126<br />
Vgl. ebenda.<br />
127<br />
TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 103.<br />
128<br />
Vgl. G. PFISTER, „Weiblichkeitsmythen, Frauenrolle und Frauensport; Im gesellschaftlichen<br />
Wan<strong>de</strong>l vom <strong>Deutschen</strong> Bund zur Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland“, in: S. SCHENK<br />
(Hrsg.), Frauen Bewegung Sport, Hamburg 1986, S. 68.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 38<br />
3.5 Mädchen- und Frauensport im Nationalsozialismus<br />
Das Fraueni<strong>de</strong>al in <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalsozialistischen I<strong>de</strong>ologie lässt sich unter <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Terminus „Hüterin <strong>de</strong>s Lebens“ zusammenfassen. Pfister und Langenfeld<br />
bemerken hierzu:<br />
„I<strong>de</strong>en, die schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik in konservativen und<br />
völkisch-nationalen Kreisen viele Anhänger gefun<strong>de</strong>n hatten (Mutterschaft),<br />
wur<strong>de</strong>n durch neue – u.a. sozialdarwinistische – Aspekte<br />
ergänzt und fügten sich zu einem sehr vielschichtigen<br />
Frauenbild, das sich an <strong>de</strong>n im Dritten Reich zentralen Begriffen<br />
Rasse und Volk orientierte.“ 129<br />
Als oberstes Ziel wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>reichtum angesehen und in<br />
diesem Zusammenhang die Frau als „ewige Mutter <strong>de</strong>s Volkes“ 130 mystifi-<br />
ziert. Es galt, möglichst viele reinrassige Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> zu gebären und Nachkom-<br />
men von kranken und damit min<strong><strong>de</strong>r</strong>wertigen Frauen auszuschließen. Kern<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenpolitik war die Emanzipation <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau von <strong><strong>de</strong>r</strong> Emanzipation. Die-<br />
se, so die damalige Meinung, war <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>de</strong>utschen Geist fremd und eine Ent-<br />
artung <strong>de</strong>s weiblichen Wesens. Die Unterordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau wur<strong>de</strong> gemeinhin<br />
als Naturgesetzlichkeit dargestellt und wur<strong>de</strong>, was heute verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>lich er-<br />
scheinen mag, von <strong>de</strong>n meisten Frauen wohl akzeptiert. 131 Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong><br />
sind in <strong><strong>de</strong>r</strong> unsicheren sozialen und ökonomischen Lage auszumachen, da<br />
Frauen bei Scheidung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tod <strong>de</strong>s Hauptverdieners meistens nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lage gewesen wären, die eigene Familie zu ernähren. Der Konkurrenzkampf<br />
mit <strong>de</strong>n Männern erschien außer<strong><strong>de</strong>m</strong> so aussichtslos, dass viele sich in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rolle als Frau und Mutter gefielen. Dies trug sicherlich auch zur Durchset-<br />
zung <strong><strong>de</strong>r</strong> NS-I<strong>de</strong>ologie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft bei. 132<br />
Im Zuge dieser Entwicklung traten konkrete Diskriminierungen vor allem im<br />
Berufs- und Bildungswesen auf. Hohe Parteiämter gab es <strong>für</strong> Frauen nur in<br />
<strong>de</strong>n Frauenorganisationen wie <strong><strong>de</strong>m</strong> Bund Deutscher Mä<strong>de</strong>l (BDM) und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nachfolgeorganisation Nationalsozialistische Frauenschaft. Diese hatten je-<br />
doch so gut wie keinen Einfluss auf politische o<strong><strong>de</strong>r</strong> ökonomische Vorgänge.<br />
129<br />
PFISTER/LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sport“, S. 986.<br />
130<br />
Ebenda, S. 987.<br />
131<br />
Vgl. TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 115. Ferner vgl. M. CZECH, Frauen<br />
und Sport im nationalsozialistischen Deutschland. Eine Untersuchung zur weiblichen<br />
Sportrealität in einem patriarchalen Herrschaftssystem, Berlin 1994, S. 23.<br />
132<br />
Vgl. PFISTER/LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sport“, S. 987.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 39<br />
Die Funktionalisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> NS-I<strong>de</strong>ologie führte<br />
bei <strong>de</strong>n Männern und Jungen zu einer Erweiterung, bei <strong>de</strong>n Frauen und<br />
Mädchen zu einer Verengung ihrer Erfahrungsmöglichkeiten. Aktivitäten wie<br />
beispielsweise Schießen, Boxen und Reiten wur<strong>de</strong>n <strong>für</strong> die Männer unter<br />
großem finanziellem Aufwand intensiviert, immer mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Prämisse, die<br />
Wehrkraft zu erhöhen. Den Frauen und Mädchen hingegen wur<strong>de</strong>n Sportar-<br />
ten angeboten, von <strong>de</strong>nen man sich Anmut und Gesundheit versprach:<br />
Schwimmen, Leichtathletik und die „Deutsche Gymnastik“. 133<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichschaltung wur<strong>de</strong> 1934 <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Reichsbund <strong>für</strong><br />
Leibesübungen (DRL) – 1938 umbenannt in Nationalsozialistischer Reichs-<br />
bund <strong>für</strong> Leibesübungen – gegrün<strong>de</strong>t. Der Frauensport lag in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verantwor-<br />
tung <strong>de</strong>s Reichsfrauenausschusses, 134 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>für</strong> alle Frauen ab <strong><strong>de</strong>m</strong> 21.<br />
Lebensjahr zuständig war. Die Leitung dieses <strong>Aus</strong>schusses übernahm Henni<br />
Warninghoff, die Führerin <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Mädchen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Tur-<br />
nerschaft. Als Hauptarbeitsgebiete dieser Organisation wur<strong>de</strong>n zunächst die<br />
folgen<strong>de</strong>n Bereiche genannt, die sich auch später inhaltlich nicht wesentlich<br />
än<strong><strong>de</strong>r</strong>ten:<br />
„1. Gestaltung einer Leibesübung, die <strong>für</strong> die Entwicklung eines gesun<strong>de</strong>n<br />
Frauengeschlechtes Grundlage ist. Verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung aller Übertreibungen,<br />
die sich als schädlich <strong>für</strong> <strong>de</strong>n fraulichen Körper<br />
herausgestellt haben.<br />
2. Großzügige Werbung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Gedanken ‘Gesun<strong>de</strong> Frau durch Leibesübung’<br />
durch Werbewoche, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ausstellung, Film, Rundfunk,<br />
Presse.<br />
3. Fühlungnahme mit <strong>de</strong>n nationalsozialistischen Frauen- und Mädchenbün<strong>de</strong>n,<br />
um die Einheitlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen zu gewährleisten.<br />
4. Mitarbeit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbereitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Spiele, soweit Frauen<br />
da<strong>für</strong> in Frage kommen.“ 135<br />
Bedingt durch das Organisations- und Verwaltungsmonopol sollten und<br />
konnten alle Frauen und Mädchen erreicht wer<strong>de</strong>n. 136 Die Erziehung begann<br />
133 Vgl. ebenda, S. 989.<br />
134 Vgl. ebenda, S. 992.<br />
135 M. GÜSSOW, „Frauenausschuß <strong>für</strong> Leibesübungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen und Frauen“, in: Was-<br />
sersport 52(1934)7, S. 93.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 40<br />
im BDM und zog sich durch die gesamte Entwicklungsphase <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>. Ne-<br />
ben <strong><strong>de</strong>m</strong> obligatorischen Heimabend hatten sich die Mädchen auch einmal<br />
wöchentlich zu sportlicher Betätigung einzufin<strong>de</strong>n. Auf dieser Ebene wur<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Wettkampfsport weniger Be<strong>de</strong>utung eingeräumt. Es galt viel mehr, <strong>de</strong>n<br />
Gemeinschaftsgedanken bei <strong>de</strong>n Mädchen zu wecken, was sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> För-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Breitensports spiegelte. Sportliche Inhalte waren Laufschulung,<br />
Gymnastik/Körperschule, Leichtathletik und Spiele und je nach <strong>Aus</strong>stattung<br />
auch Turnen und Schwimmen. 137 In <strong>de</strong>n jeweiligen Altersklassen <strong>de</strong>s BDM<br />
gab es Leistungsprüfungen und -abzeichen, die von allen Mädchen abgelegt<br />
wer<strong>de</strong>n mussten. Ab 1936 wur<strong>de</strong>n zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Leistungssports<br />
Reichssportwettkämpfe in <strong>de</strong>n Disziplinen Schwimmen, Leichtathletik, Roll-<br />
schuhlauf, Tennis, Skilauf und Eislauf veranstaltet. 138<br />
Diese eigentlich progressive Einstellung im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Jugendbereich fand<br />
im Frauensport keine Fortsetzung. Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Eignung einzelner Sport-<br />
arten <strong>für</strong> Frauen wur<strong>de</strong>n Einschränkungen festgelegt. Resümierend kann<br />
festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass we<strong><strong>de</strong>r</strong> typisch männliche Sportarten betrieben<br />
wer<strong>de</strong>n sollten noch solche, die eine Übertreibung <strong>de</strong>s „Männlichen“ mit sich<br />
brachten. Toleriert waren Gymnastik, Tanz, Spiele und volkstümliche Übun-<br />
gen, Schwimmen, Wasserspringen, Eislauf, Pad<strong>de</strong>ln, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Segeln und<br />
Sportarten, die <strong><strong>de</strong>m</strong> „körperlich-seelischen Wesen“ und <strong><strong>de</strong>r</strong> Physiologie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frau angemessen waren. Dazu kamen <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Konstitution ange-<br />
passte und „richtig“ angewandte Ballspiele, zum Beispiel Tennis. Florettfech-<br />
ten blieb <strong>de</strong>n Frauen als einzige „Kampfsportart“ erlaubt. 139<br />
3.6 Frauensport in Ost<strong>de</strong>utschland<br />
Es ist unbestritten, dass Frauen am „Sportwun<strong><strong>de</strong>r</strong>“ DDR entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n An-<br />
teil hatten. Die „Diplomatinnen im Trainingsanzug“ gewannen beispielsweise<br />
in nur 56 Frauendisziplinen mehr Medaillen als die Männer in 157 Diszipli-<br />
nen. 140 Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtathletik und im Schwimmen erzielten die<br />
136<br />
Vgl. CZECH, Frauen und Sport im nationalsozialistischen Deutschland, S. 44.<br />
137<br />
Vgl. ebenda, S. 51. Ferner vgl. PFISTER/LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />
Sport“, S. 991.<br />
138<br />
Vgl. ebenda, S. 991.<br />
139<br />
Vgl. TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 117.<br />
140<br />
Die erzielten Erfolge wur<strong>de</strong>n in Punkte umgewan<strong>de</strong>lt und dann vom Politbüro ausgewertet<br />
und veröffentlicht. Vgl. H. J. TEICHLER, „Trainer und Training“, in: H. J. TEICHLER/K.<br />
REINARTZ, Das Leistungssportsystem <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR in <strong>de</strong>n 80er Jahren und im Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong>
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 41<br />
DDR-Sportlerinnen herausragen<strong>de</strong> Erfolge. Stellvertretend hier<strong>für</strong> sei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bereits 1985 von Marita Koch aufgestellte Weltrekord über 400m in 47,60<br />
Sekun<strong>de</strong>n genannt, <strong><strong>de</strong>r</strong> heute immer noch Bestand hat. Unerreicht ist eben-<br />
falls die Leistung von Kristin Otto, die bei <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1988 in<br />
Seoul sechs Goldmedaillen im Schwimmen erreichte. Der hohe Standard im<br />
Hochleistungssport wur<strong>de</strong> zum einen auf die Effektivität <strong>de</strong>s politischen Sys-<br />
tems zurückgeführt, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en auf die „Emanzipation <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau“ 141 im So-<br />
zialismus. Sportliche Aktivität, sei es im Leistungs-, Freizeit- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Breitensport, gehörte zur entwickelten sozialistischen Persönlichkeit, was<br />
Margitta Gummel 142 kommentierte:<br />
„Nach meiner Meinung gehört aktive sportliche Tätigkeit zur Sinnerfüllung<br />
<strong>de</strong>s Lebens <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in unserer Zeit. Diese Tätigkeit trägt<br />
dazu bei, Persönlichkeitsqualitäten herauszubil<strong>de</strong>n, die <strong>für</strong> die<br />
Emanzipation <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau unerlässlich sind. Sportliche Betätigung<br />
unterstützt und för<strong><strong>de</strong>r</strong>t bei je<strong><strong>de</strong>r</strong> Frau das Bewusstsein ihrer geachteten<br />
gesellschaftlichen Stellung in unserer Gesellschaft sowie<br />
ihres gesellschaftlichen Wertes.“ 143<br />
In einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beitrag konstatierte die gleiche Autorin:<br />
„Dabei kommt <strong>de</strong>n Leistungssportlerinnen zugute, dass unsere<br />
sozialistische Gesellschaft in immer stärkerem Umfang all jene<br />
Bedingungen und Voraussetzungen schafft, die es <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau generell<br />
ermöglichen, von ihren gleichen Rechten auch in vollem Umfang<br />
Gebrauch zu machen und ihre Aufgaben im Beruf, im<br />
gesellschaftlichen Leben, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie und im Sport zu erfüllen.“<br />
144<br />
Es waren <strong>de</strong>finitiv nicht nur die <strong>Aus</strong>wirkungen <strong>de</strong>s Sozialismus, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
vielmehr die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingspraktiken seit <strong>de</strong>n 50er Jahren, die<br />
<strong>de</strong>n DDR-Sport so erfolgreich machten. Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Abschied von traditionellen<br />
Weiblichkeitsi<strong>de</strong>alen wur<strong>de</strong>n vor allem in <strong>de</strong>n sozialistischen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />
Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen und Schwierigkeiten in Training und Wettkampf erhöht und<br />
das Trainingspensum bis an die Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungsfähigkeit gestei-<br />
Wen<strong>de</strong>, (= Schriftenreihe <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sinstituts <strong>für</strong> Sportwissenschaft, Bd. 96), Schorndorf<br />
1999, S. 299.<br />
141<br />
PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 13.<br />
142<br />
Dr. Margitta Gummel war 1968 Olympiasiegerin im Kugelstoßen, später Sportfunktionärin<br />
und Wissenschaftlerin.<br />
143<br />
Zitiert nach: PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 96.<br />
144<br />
M. GUMMEL, „Ursachen und Zusammenhänge <strong>für</strong> die erfolgreiche Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenleistungssports<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR“, in: Theorie und Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperkultur 30(1981)1, S. 35.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 42<br />
gert. 145 Eine weitere Maßnahme war die Verlagerung <strong>de</strong>s Leistungshöhe-<br />
punktes in das Kin<strong>de</strong>salter, was sich beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Sportarten mit hohen<br />
koordinativen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen wie beispielsweise <strong><strong>de</strong>m</strong> Turnen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rhythmi-<br />
schen Sportgymnastik, <strong><strong>de</strong>m</strong> Eiskunstlauf und Wasserspringen bezahlt mach-<br />
te. Höchstleistungen wur<strong>de</strong>n in diesen Bereichen bereits im Alter von 14<br />
Jahren erbracht. Gera<strong>de</strong> das führte beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n westlichen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu<br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong>n, da diese sich entschie<strong>de</strong>n gegen „Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>hochleistungs-<br />
sport“ 146 formierten. In diesem Zusammenhang muss auf die systematische<br />
Überprüfung von körperlichen Voraussetzungen eingegangen wer<strong>de</strong>n, da in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR die Körperbaumerkmale und Leistungskriterien <strong>für</strong> je<strong>de</strong> Sportart<br />
festgelegt wur<strong>de</strong>n.<br />
„So wur<strong>de</strong> beispielsweise anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Hypophysenfugen festgestellt,<br />
wie groß die untersuchten Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> wer<strong>de</strong>n, und wer nicht<br />
min<strong>de</strong>stens eine Prognose von 1.80 aufweisen kann, hat beispielsweise<br />
im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nichts zu suchen.“ 147<br />
Zusammenfassend kann <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Leistungssport festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass<br />
sich die <strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportlerinnen an genau festgelegten Effektivitätskriteri-<br />
en messen ließ. Der Sport hatte eine große politische Be<strong>de</strong>utung, da interna-<br />
tionale Erfolge die Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Gesellschaftsordnung<br />
gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Formen <strong><strong>de</strong>m</strong>onstrieren sollten. Die Dominanz <strong>de</strong>s Frau-<br />
enhochleistungssports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR basierte aber auch auf <strong>de</strong>n so genannten<br />
„unterstützen<strong>de</strong>n Maßnahmen“ 148 , da das Rekordprinzip <strong>de</strong>s mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />
Sports die optimale <strong>Aus</strong>nutzung aller Ressourcen und medizinischer Unter-<br />
stützungsmaßnahmen gera<strong>de</strong>zu herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te.<br />
Es muss auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach breitensportlichen Aktivitäten und in diesem<br />
Zusammenhang nach <strong>de</strong>n Möglichkeiten von Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zur sportli-<br />
chen Betätigung nachgegangen wer<strong>de</strong>n. Diese wur<strong>de</strong>n nicht nur von <strong><strong>de</strong>r</strong> Po-<br />
litik beeinflusst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch von <strong>de</strong>n konkreten Bedingungen und<br />
145<br />
Vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 96.<br />
146<br />
Ebenda, S. 97.<br />
147<br />
Ebenda, S. 98.<br />
148<br />
Der DDR-Frauensport war auch <strong>de</strong>shalb so erfolgreich, weil sich manche <strong><strong>de</strong>r</strong> „unterstützen<strong>de</strong>n<br />
Maßnahmen“ viel stärker auf <strong>de</strong>n weiblichen als auf <strong>de</strong>n männlichen Körper auswirkten.<br />
Allerdings wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg auch nicht um je<strong>de</strong>n Preis angestrebt. Politische<br />
Zuverlässigkeit und Systemkonformität waren Grundvoraussetzung. Zum Themenkomplex<br />
Doping in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR siehe G. SPITZER, Doping in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Ein historischer Überblick<br />
zu einer konspirativen Praxis, Köln 1998. Ferner vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 99.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 43<br />
Angeboten in diesem Bereich. Für <strong>de</strong>n Freizeit- und Erholungssport wur<strong>de</strong><br />
als Ziel die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit ausgegeben.<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sollten sich Körperkultur und Sport <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen anregend auf die<br />
Beziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehepartner auswirken und bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung sozialisti-<br />
scher Familienbeziehungen helfen. 149 Nicht zuletzt galt es, das Bedürfnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Frau nach einem gepflegten, ästhetisch wohl gebil<strong>de</strong>ten und trai-<br />
nierten Körper zu befriedigen.<br />
Pfister stellte fest, dass die Einstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zum Freizeitsport sehr<br />
positiv war. 78% <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen gaben 1965 in einer Umfrage an, dass „eine<br />
aktive körperliche Erholung durch Sport, Spiel und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ zu einer ge-<br />
sun<strong>de</strong>n Lebensführung gehöre. 150 Allerdings waren Frauen und Mädchen im<br />
organisierten Sport verhältnismäßig wenig engagiert. Die veröffentlichten<br />
Zahlen <strong>de</strong>s DTSB <strong>de</strong>ckten sich nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Realität. Der Verband legte in<br />
seinen Jahresplänen Zuwachsraten fest, die zwar immer erreicht wur<strong>de</strong>n,<br />
aber rückblickend <strong>de</strong>n Anschein erwecken, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolgsdruck eine Mit-<br />
glie<strong><strong>de</strong>r</strong>manipulation bedingte. 151 Dies belegen auch die von Pfister ausge-<br />
werteten Zahlen zur Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik im DTSB von 1958 bis 1988.<br />
Demnach lag <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil weiblicher Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> 1958 bei 22,5%, 1988 bei<br />
29,4%. Über diesen Zeitraum von 30 Jahren ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil weiblicher Mitglie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> im DTSB nie über die 30%-Marke gestiegen, die Zahlen erhöhten sich<br />
entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> nur sehr langsam o<strong><strong>de</strong>r</strong> stagnierten sogar.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n Sportarten Turnen, Basketball, Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>ball, Schwimmen,<br />
Tennis sowie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtathletik und im Schwimmen waren Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR organisiert. Die Sportarten Billard, Fußball, Gewichtheben und Ringen<br />
dagegen betrieben Frauen, wenn überhaupt, nur selten in Vereinen. 152 Hoch<br />
waren die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen beim Kegeln, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Angeln und Volleyball. 153<br />
149 Vgl. I. WONNEBERGER, Körperkultur und Sport <strong>für</strong> die Frau und ihre Familie. Eine Studie<br />
zum Freizeitverhalten und zu <strong>de</strong>n Freizeitwünschen <strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen und weiblichen Bevölkerung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR vom 16. bis 75. Lebensjahr und <strong><strong>de</strong>r</strong> Familien – unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung<br />
körperlich-kultureller Erholungsformen, Leipzig 1969, S. 20.<br />
150 Vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 146.<br />
151 In ihrem Buch berichten Huhn/Fuchs, dass sich die Funktionäre lediglich auf Erfolgsmeldungen<br />
spezialisierten und Missstän<strong>de</strong> nicht zur Kenntnis nahmen. Vgl. K. HUHN/R.<br />
FUCHS, Aufstieg und ‘Untergang’ <strong>de</strong>s Sportwun<strong><strong>de</strong>r</strong>s DDR, [o.O.] 1990, S. 117, 149.<br />
152 Vgl. ebenda, S. 151.<br />
153 Eine Interpretation <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Quellenmaterials ist nach Pfister schwierig, da häufig<br />
keine altersspezifischen Differenzierungen vorgenommen wur<strong>de</strong>n und die erwähnten<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen und -entwicklungen nicht ein<strong>de</strong>utig Frauen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen zugeordnet<br />
wer<strong>de</strong>n können. In <strong>de</strong>n 80er Jahren stellten Hennig/Kuhle in <strong>de</strong>n Sportarten Basketball,<br />
Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>ball, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Bergsteigen, Orientierungslauf, Leichtathletik, Tennis, Handball,
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 44<br />
Einen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Einblick in das Sportengagement <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Bevölkerung<br />
bieten die so genannten „Zeitbudgetuntersuchungen“, die zwischen 1974<br />
und 1990 regelmäßig durchgeführt wur<strong>de</strong>n. Die Daten belegen ein<strong>de</strong>utig,<br />
dass Frauen insgesamt in geringerem Maße sportlich aktiv waren als Män-<br />
ner. 154<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach <strong>de</strong>n Wunschsportarten überwogen bei <strong>de</strong>n Frauen vor<br />
allem alltagsnahe Bewegungsaktivitäten mit geringer Leistungsorientierung<br />
und hohem Erholungswert wie Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Schwimmen, Kegeln, Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>ball und<br />
Tischtennis. Frauen und Männer nannten gleichermaßen Gesundheit, Fit-<br />
ness und Entspannung als Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> ihr Sportengagement. 155 Dieser<br />
Wunsch nach sportlicher Betätigung abseits von <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungsorientierung<br />
wur<strong>de</strong> meistens von einer Sportgemeinschaft betreut, die einen Übungs-,<br />
aber auch Trainings- und Wettkampfbetrieb anbot.<br />
Bei Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportarten, in <strong>de</strong>nen Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR vorwiegend<br />
aktiv waren, lässt sich feststellen, dass alternative o<strong><strong>de</strong>r</strong> „neue“ Sportarten<br />
sowie Trend- und Funsportarten nicht vertreten waren. Dies waren Faktoren,<br />
die sportliche Betätigungen von Frauen erschwerten. Asiatische Kampfsport-<br />
arten, Bodybuilding und vor allem Aerobic galten als zu westlich und ließen<br />
sich nicht in das allgemeine Sportsystem einbin<strong>de</strong>n. Allerdings beeinflusste<br />
die westliche Fitness- und Aerobicwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre auch <strong>de</strong>n Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, und so galt es, Sportarten neu zu <strong>de</strong>finieren und diese systemkonform<br />
umzubenennen. <strong>Aus</strong> Aerobic wur<strong>de</strong> Popgymnastik, aus Yoga Yoganistik und<br />
aus Bodybuilding Kulturistik. Die Verantwortlichen betonten zwar immer wie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>, dass sich Popgymnastik vom westlichen Vorbild explizit unterschei<strong>de</strong>,<br />
allerdings war vor allem in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekleidungsfrage eine <strong>de</strong>utliche Anlehnung an<br />
eben dieses Vorbild unübersehbar. Gestrickte Pulswärmer, Stulpen und<br />
Stirnbän<strong><strong>de</strong>r</strong> gehörten zum Outfit <strong><strong>de</strong>r</strong> Popgymnastinnen. 156<br />
Pfer<strong>de</strong>sport und Volleyball einen Zuwachs fest. Bei diesen Sportarten, die einen größeren<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zuwachs erzielen konnten, ist dieser vermutlich überwiegend <strong>de</strong>n Mädchen<br />
zu verdanken, da es laut Hennig/Kuhle nicht gelungen sei, die Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in eine<br />
regelmäßige sportliche Betätigung einzubeziehen. Vgl. K. HENNIG/K. KUHL, „Entwicklungsten<strong>de</strong>nzen,<br />
Probleme und Aufgaben im Frauen- und Familiensport“, in: Theorie und<br />
Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperkultur 33(1984)1, S. 12. Ferner vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 151.<br />
154 Vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 156.<br />
155 Vgl. ebenda, S. 157.<br />
156 Vgl. ebenda, S. 159.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 45<br />
Zusammenfassend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass es <strong>de</strong>n Sport <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR wie überall auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt nicht gab. 157 Die Ziele <strong>de</strong>s Sports und<br />
vor allem die konkrete Umsetzung nahmen nicht nur Einfluss auf <strong>de</strong>n Leis-<br />
tungssport, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch auf <strong>de</strong>n Breiten- und Freizeitsport. Die Abkehr von<br />
<strong>de</strong>n traditionellen Weiblichkeitsi<strong>de</strong>alen und die systematische Talentsichtung,<br />
-auswahl und -för<strong><strong>de</strong>r</strong>ung gera<strong>de</strong> im Frauensport schien bis 1989 uneinhol-<br />
bar. Das Hauptaugenmerk lag immer auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Spitzen- und Hochleistungs-<br />
sport, wohingegen Frauen in <strong>de</strong>n meisten Bewegungsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Breitensport<br />
chronisch unterrepräsentiert waren. 158 Sie widmeten sich traditionell weiblich<br />
konnotierten Sportarten. Eine Abkehr von dieser Situation wur<strong>de</strong> auch nicht<br />
intendiert, da die beschränkten materiellen und finanziellen Ressourcen <strong>für</strong><br />
die olympischen Kernsportarten verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n. Natürlich gab es Frauen,<br />
die männerdominierte Aktivitäten betrieben, allerdings blieben sie immer in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit. So gaben Frauen in <strong>de</strong>n 80er Jahren in einer Umfrage Reiten<br />
und Popgymnastik als Traumsportarten an, welche damals wie heute welt-<br />
weit als klassische „Mädchensportarten“ galten und gelten.<br />
3.7 Frauensport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
Beim Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s Sports nach 1945 blieben die Frauen zunächst völlig<br />
im Hintergrund. So waren es ausschließlich Männer, die auf <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Inter-<br />
zonenkonferenz im Sport 1946 die neuen Richtlinien <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Frauensport<br />
bestimmten. Dabei wur<strong>de</strong> generell eine Verschmelzung sportlicher und gym-<br />
nastischer Übungsweisen propagiert. Der Fußball war die Sportart, die in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
direkten Nachkriegszeit sofort wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Massen mobilisieren konnte. Frauen<br />
waren allerdings nur passiv involviert: 1955 verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Fußball-<br />
bund sogar offiziell seinen Vereinen, Spielfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>für</strong> Frauenfußball zur Verfü-<br />
gung zu stellen. 159 Sportarten wie Leichtathletik und Handball dagegen<br />
stan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Frauen offen. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Interesse galt weiterhin <strong><strong>de</strong>r</strong> Gymnas-<br />
tik und <strong><strong>de</strong>m</strong> Turnen. Die örtlichen Vereine stan<strong>de</strong>n vor großen Nutzerbarrie-<br />
ren und Problemen, da zahlreiche Turnhallen und Übungssäle zerstört o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zweckentfrem<strong>de</strong>t waren.<br />
157 Vgl. ebenda, S. 248.<br />
158 Vgl. ebenda.<br />
159 Vgl. G. PFISTER, „Wie alles begann.... Frauen und Sport in <strong>de</strong>n ersten 20 Jahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik“,<br />
in: DEUTSCHER SPORTBUND (Hrsg.), Mitmachen. Mit<strong>de</strong>nken. Mitlenken! 50<br />
Jahre Frauen im <strong>Deutschen</strong> Sportbund, Frankfurt a.M. 2001, S. 5.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 46<br />
Anerkannte Wissenschaftler wie Möckelmann und Medau, die schon im Drit-<br />
ten Reich <strong>de</strong>n Frauensport beeinflussten, modifizierten nach 1945 ihre Theo-<br />
rien nur oberflächlich, so dass als Konsens festgehalten wer<strong>de</strong>n kann, dass<br />
Sport auf keinen Fall bis zur Erschöpfung betrieben wer<strong>de</strong>n durfte. Zu<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
wur<strong>de</strong> weiterhin davon ausgegangen, dass sich Frauen nur <strong>für</strong> geschmeidi-<br />
ge, harmonische und rhythmische Bewegungen eigneten. 160 Primäre Ziele<br />
waren nach wie vor Gesundheit, Schönheit und Anmut. Erste zaghafte Ver-<br />
suche, das Leistungsprinzip im Frauensport zu etablieren, führten zu Kontro-<br />
versen, da diese <strong>Aus</strong>richtung im klaren Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur gesellschaftlichen<br />
Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau stand. Leistungssport <strong>für</strong> Frauen wur<strong>de</strong> mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Hinweis auf<br />
die „natürliche“ Bestimmung und „Wesensart“ abgelehnt. Erschwerend ka-<br />
men ästhetische Vorurteile hinzu, die die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s „Mannweibs“ verurteilten.<br />
Viele Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Sportbun<strong>de</strong>s (DSB) teilten bis in die 60er<br />
Jahre diese Vorbehalte, wie folgen<strong>de</strong> <strong>Aus</strong>sage belegt:<br />
„Sehen wir uns doch die verkrampften, verzerrten und grimmigen<br />
Gesichter unserer Läuferinnen und Weitspringerinnen an! Es wird<br />
doch niemand behaupten können, daß das noch schön und ästhetisch<br />
sei.“ 161<br />
Diese Ansichten gerieten erst im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Liberalisierungsten<strong>de</strong>nzen zu<br />
Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre ins Wanken. Die Zeit davor war geprägt von einem<br />
stereotypen Rollenverständnis. Weibliches Sportengagement wur<strong>de</strong> auch<br />
von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Ärzte eingeschränkt. Dies beruhte meistens auf einseitigen,<br />
unbewiesenen und vermeintlich wissenschaftlichen Begründungen hinsicht-<br />
lich <strong><strong>de</strong>r</strong> Eignung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Nichteignung von Frauen <strong>für</strong> diverse Sportarten. Eine<br />
angeblich geringere Leistungsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen führte zu Be<strong>de</strong>nken ge-<br />
genüber <strong>Aus</strong>dauer- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Hochleistungssport. Nicht selten wur<strong>de</strong>n biologi-<br />
sche Unterschie<strong>de</strong> als Beleg <strong>für</strong> eine generelle physische und psychische<br />
Verschie<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechter beziehungsweise <strong>für</strong> die „Unterlegenheit“<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frau herangezogen. 162 Häufig warnten Ärzte vor <strong>de</strong>n „Folgen <strong><strong>de</strong>r</strong> Re-<br />
kordjagd“, die ein „disharmonisches Altern“ und eine „verlorene Mutterschaft“<br />
mit sich brächten. 163 Frauen waren gezwungen, „typisch weibliche“ Sportar-<br />
ten zu betreiben, die sich mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Bild und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesell-<br />
160 Vgl. PFISTER/LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sport“, S. 995.<br />
161 H. MÖCKELMANN, Leibeserziehung und jugendliche Entwicklung, Schorndorf 1964, S. 180.<br />
162 Vgl. STEINHEISSER, Frauen im Sport, S. 106.<br />
163 Vgl. PFISTER/LANGENFELD, „Vom Frauenturnen zum mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Sport“, S. 998.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 47<br />
schaft <strong>de</strong>ckten. Als <strong>für</strong> die soziale Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau und ihre Weiblichkeit schä-<br />
digend wur<strong>de</strong>n vor allem die Sportarten angesehen, die männliche Eigen-<br />
schaften wie Härte, Dominanz, Risiko und körperlichen Einsatz verlangten.<br />
Auch Bewegungen, die Körperverän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen wie einen breiten Rücken be-<br />
wirkten, wur<strong>de</strong>n bis in die späten 70er Jahre abgelehnt, 164 „<strong><strong>de</strong>r</strong> Kampf ge-<br />
bührt <strong><strong>de</strong>m</strong> Mann, <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur <strong>de</strong>s Weibes ist er wesensfremd“. 165 Keine<br />
Be<strong>de</strong>nken gab es gegenüber Tanz und Gymnastik, die sich seit <strong>de</strong>n 20er<br />
Jahren als typische Leibesübung <strong>für</strong> das weibliche Geschlecht herauskristal-<br />
lisiert hatten. Turnen dagegen hatte anfänglich einen schweren Stand, da die<br />
von allen Seiten geför<strong><strong>de</strong>r</strong>te Fraulichkeit als gefähr<strong>de</strong>t angesehen wur<strong>de</strong>.<br />
Zwar vertraten die verantwortlichen Frauen und Männer im <strong>Deutschen</strong> Tur-<br />
ner-Bund (DTB) die Ansicht, „daß die Frau in ihrer Art und mit ihren körperli-<br />
chen Voraussetzungen an <strong>de</strong>n Geräten mit Schneid und Mut turnen kann“ 166 ,<br />
aber „ohne <strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur vorgegebenen Rahmen <strong>de</strong>s weiblichen Bewe-<br />
gens zu verlassen“. 167 Problematisch wur<strong>de</strong> diese Einstellung allerdings bei<br />
internationalen Wettkämpfen. Diese Szene wur<strong>de</strong> nämlich geprägt von<br />
Sportlerinnen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetunion und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en sozialistischen Staaten, die<br />
akrobatische Elemente und Posen aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Ballett miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> kombinierten.<br />
Das <strong>Aus</strong>maß <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsintensität war ein weiterer Ablehnungsgrund. Da<br />
dieser Stil von <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenführung im DTB als zu wenig weiblich erachtet<br />
wur<strong>de</strong>, boykottierte <strong><strong>de</strong>r</strong> DTB von 1954 bis 1960 alle Wettkämpfe nach inter-<br />
nationalen Richtlinien, vor allem die Olympischen Spiele, was zu einem Kon-<br />
flikt mit <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR führte. 168<br />
In <strong>de</strong>n 60er Jahren wur<strong>de</strong>n die ersten repräsentativen Umfragen zum Sport-<br />
engagement <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sbürger durchgeführt. Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland waren in <strong>de</strong>n 50er und 60er Jahren überwiegend in <strong>de</strong>n als<br />
„klassisch weiblich“ etikettierten Sportarten aktiv und organisiert. Dabei blieb<br />
Turnen trotz aller Kritik die beliebteste Sportart bei Frauen. 1959 waren etwa<br />
80% <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> DSB angehören<strong>de</strong>n Frauen in <strong>de</strong>n Sportarten Turnen, Leicht-<br />
athletik, Schwimmen und Tennis aktiv. 169 So waren beispielsweise noch<br />
164 Vgl. TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 136.<br />
165 PFISTER, „Wie alles begann...“, S. 8.<br />
166 Ebenda, S. 9.<br />
167 Ebenda.<br />
168 Vgl. ebenda, S. 10.<br />
169 Vgl. ebenda.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 48<br />
1980 weibliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Sparten Rollsport/Eislauf in <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzahl.<br />
Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen war in Sportarten wie<br />
Schwimmen, Reiten und Tanzen zu diesem Zeitpunkt ungefähr ausgegli-<br />
chen. Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Emanzipation <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre drangen Frauen langsam in<br />
die Männerdomänen Fußball und Radrennsport ein, allerdings bevorzugten<br />
sie Aktivitäten in einem eher informellen Rahmen, wie er beim Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Ke-<br />
geln, Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>ball o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch Tanzen gegeben ist. In diesem Jahrzehnt wur<strong>de</strong>n<br />
viele – wenn auch nicht alle – Vorurteile gegenüber <strong><strong>de</strong>m</strong> so genannten<br />
„schwachen Geschlecht“ abgebaut, vor allem, da wissenschaftlich bewiesen<br />
wur<strong>de</strong>, dass Frauen sehr wohl zu <strong>Aus</strong>dauerleistungen fähig sind.<br />
Obwohl Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit nach und nach zu fast allen Sportarten zuge-<br />
lassen wur<strong>de</strong>n, dominierten weiterhin die so genannten „weichen Sportarten“<br />
wie Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Schwimmen, Radfahren, Gymnastik, Aerobic und Gesund-<br />
heits- und Fitnesssport. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass<br />
sich die Schulbildung als entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Kriterium <strong>für</strong> sportliches Engage-<br />
ment herausstellte. Je länger sie dauerte, umso mehr Sport trieben bei<strong>de</strong><br />
Geschlechter in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel auch im Erwachsenenalter. Dabei wer<strong>de</strong>n Sport-<br />
arten wie Aerobic/Fitness, Jogging, Skifahren, Leichtathletik, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Reiten<br />
und Tennis überwiegend von Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittel- und Oberschicht betrieben.<br />
Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong> unteren Einkommensklasse fahren nach wie vor kaum Ski o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gehen joggen. 170 Da es seit En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre mehr weibliche als männli-<br />
che Abiturienten gibt, ist es nicht verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, dass vor allem <strong><strong>de</strong>r</strong> Aerobic-<br />
und Fitnesssport immer beliebter wird. Gera<strong>de</strong> diese Bewegungsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> wer-<br />
<strong>de</strong>n häufig von Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ikerinnen besetzt. Des Weiteren versuchen sich im-<br />
mer mehr Frauen erfolgreich in <strong>de</strong>n bisher als „harte Sportarten“<br />
bezeichneten Bereichen, im Kampfsport und in Mannschaftssportarten wie<br />
beispielsweise Fußball. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltmeistertitel <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-<br />
Fußball-Nationalmannschaft sollte unbedingt erwähnt wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DFB-<br />
Bun<strong>de</strong>stag erst 1970 das Verbot <strong>de</strong>s Frauenfußballs von 1955 aufgehoben<br />
hat.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung 1989 gewann <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport – im Wesentlichen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freizeit- und Breitensport – von Mädchen und Frauen zunehmend an Be<strong>de</strong>u-<br />
tung. Der weibliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>anteil stieg seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s DSB 1950<br />
170 Vgl. M.-L. KLEIN, „Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik“, in: C. PEYTON/G. PFISTER<br />
(Hrsg.), Frauensport in Europa, Ahrensburg 1989, S. 17.
Historische Formen <strong>de</strong>s Frauensports 49<br />
von 10% auf 39% im Jahr 2000 an. 171 Diese Zuwachsrate kann zum einen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> progressiven medizinischen Einstellung gegenüber Sport im Allgemeinen<br />
und Leistungssport im Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en sowie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Liberalisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sexuali-<br />
tät in dieser Zeit begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Frauen war es fortan möglich, selbstbe-<br />
stimmt über ihren Körper zu entschei<strong>de</strong>n. 2008 sind zehn Millionen Frauen<br />
und Mädchen im DOSB organisiert, <strong><strong>de</strong>r</strong> über insgesamt 27 Millionen Mitglie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> verfügt. Immer noch stellen Frauen im Tanzen, Rollsport und Turnen die<br />
Mehrheit. 172 Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n 90er Jahren nahm die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, die<br />
Mannschaftssportarten betreiben, überdurchschnittlich zu. Vermehrt interes-<br />
sierten sie sich auch <strong>für</strong> Wasserball, Eishockey und Gewichtheben. 173 Heute<br />
sind Tanzen, Turnen, Tennis und Reiten die beliebtesten Sportarten von<br />
Mädchen und Frauen. Die von <strong>de</strong>n USA ausgehen<strong>de</strong> Fitness- und<br />
Aerobicwelle sprach Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre überwiegend Frauen an. Heute<br />
besuchen Männer und Frauen gleichermaßen Fitnessstudios und nehmen an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bewegungsangeboten gemeinsam teil.<br />
Frauen sind <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend in allen Sportarten aktiv. Zu <strong>de</strong>n klassischen<br />
Sportarten, die Frauen „seit jeher“ betreiben, sind olympische und nicht-<br />
olympische, sowie Trend- und Funsportarten wie Inline-Skating o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kitesurfing hinzugekommen. Auch <strong>für</strong> <strong>de</strong>n heutigen Frauensport gilt die For-<br />
mel „höher, schneller, weiter“. Längst ist festgestellt wor<strong>de</strong>n, dass Frauen<br />
sich <strong>für</strong> <strong>Aus</strong>dauerdisziplinen wie beispielsweise Ultra Triathlon gera<strong>de</strong> wegen<br />
ihrer Körperkonstitution theoretisch sogar besser eignen als Männer. Sport-<br />
vereine und Organisationen wer<strong>de</strong>n von Frauen geleitet und entschei<strong>de</strong>nd<br />
geprägt. Es gibt selbstverständlich Fußballerinnen und Läuferinnen, aber<br />
auch Eiskletterinnen und Drachenfliegerinnen.<br />
171 Vgl. PFISTER, „Wie alles begann...“, S. 11.<br />
172 Vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR FRAUEN UND JUGEND (Hrsg.), Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland, [o.O.] 1992, S. 116.<br />
173 Vgl. ebenda.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 50<br />
4 Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland<br />
4.1 Die Anfänge <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in England<br />
Der Ursprung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im Sinne einer Fortbewegung auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser<br />
reicht bis in frühe Epochen <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschheit zurück. Bereits in <strong>de</strong>n ersten<br />
Hochkulturen hatte es sich über <strong>de</strong>n gesamten Mittelmeerraum verbreitet<br />
und diente vorrangig kriegerischen und merkantilen Zwecken. 174 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war<br />
in erster Linie eine Notwendigkeit <strong>de</strong>s Alltags: Es diente <strong><strong>de</strong>m</strong> Transport von<br />
Baustoffen, <strong><strong>de</strong>m</strong> Han<strong>de</strong>l, <strong><strong>de</strong>r</strong> Jagd o<strong><strong>de</strong>r</strong> militärischen Aktionen, war aber<br />
auch Teil kultischer Handlungen, wie zum Beispiel die Bootsfahrten zu <strong>de</strong>n<br />
großen Tempeln und Pyrami<strong>de</strong>n in Ägypten. Im Mittelalter kam es in Europa<br />
erstmals zu Wettbewerben in stehend geru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Gon<strong>de</strong>ln. Von diesen Wett-<br />
fahrten, die in Italien stattfan<strong>de</strong>n, stammt die noch heute gebräuchliche Be-<br />
zeichnung „Regatta“ ab. 175<br />
Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport mit seiner ihm eigenen Struktur und seinen Wett-<br />
kampfformen ist allerdings erst im frühen 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t in England ent-<br />
stan<strong>de</strong>n 176 .<br />
Es wer<strong>de</strong>n zwei Ansätze unterschie<strong>de</strong>n. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> einen Seite steht die profes-<br />
sionelle Entwicklungslinie, die von <strong>de</strong>n watermen 177 ausgeht. Für diese war<br />
das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Themse Teil ihres Berufes. Es galt, bestimmte Zeitvor-<br />
gaben einzuhalten o<strong><strong>de</strong>r</strong> sogar zu übertreffen und am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrzeit als<br />
Sieger <strong>de</strong>s Wettru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns die <strong>Aus</strong>bildung abzuschließen. Letztendlich führten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> enorme Konkurrenzdruck und die Angewohnheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahrgäste, <strong>für</strong> einen<br />
schnellen Transport <strong>de</strong>n Fahrpreis zu erhöhen, zu Wettfahrten, bei <strong>de</strong>nen<br />
meist a<strong>de</strong>lige Bootsbesitzer nicht selten hohe Wetten abschlossen. 178 <strong>Aus</strong><br />
<strong>de</strong>n eher zufälligen Wettfahrten entwickelten sich im 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t nach<br />
und nach organisierte Veranstaltungen. Die Waterman’s Company – die<br />
Zunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Fährleute – achtete auf Regelungen bezüglich Alter, <strong>Aus</strong>bildung<br />
und Bootsmaterial. Dies wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um animierte das englische Wettpublikum zur<br />
174 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 10.<br />
175 Vgl. H. ALTROCK, „Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“, in: G.A.E. BOGENG, Geschichte <strong>de</strong>s<br />
Sports aller Völker und Zeiten, Bd. 2, Leipzig 1926, S. 444.<br />
176 Vgl. C. DODD, The Story of World Rowing, London 1991, S. 217.<br />
177 Als watermen wur<strong>de</strong>n die Fährleute und Wassertaxifahrer Londons bezeichnet. Der Terminus<br />
gentlemen umfasste die organisierten Amateurru<strong><strong>de</strong>r</strong>er.<br />
178 Vgl. RECKENDORF, Entwicklungsgeschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in England und Deutschland, S.<br />
33-38.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 51<br />
<strong>Aus</strong>schreibung von Preisen. Neben <strong>de</strong>n privaten Rennen entwickelten sich<br />
darüber hinaus die von <strong>de</strong>n Zünften als Leistungsanreiz ausgeschriebenen<br />
Wettfahrten. Zu diesen zählten jährliche Regatten und die so genannten<br />
water frolics: „fröhliche Wasserfeste mit sportlichen Anteilen“ 179 . Neben die-<br />
sen Wettfahrten fan<strong>de</strong>n auch die Söhne <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls und <strong>de</strong>s gehobenen Bür-<br />
gertums immer mehr Freu<strong>de</strong> an Bootsfahrten im Rahmen von Vergnügungs-<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Picknicktouren. Hieraus entwickelte sich das organisierte Amateurru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> gentlemen 180 , die zunächst nur um ihrer Ehre willen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. 181<br />
Hier liegen die Wurzeln <strong>de</strong>s mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports. 182 Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten aus-<br />
geschriebenen Regatten war das Doggett’s Coat and Badge Race, das bis<br />
heute ein fester Bestandteil <strong>de</strong>s britischen Sportkalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s ist. 183<br />
Eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> amateurhaften Entwicklungslinie ging von <strong>de</strong>n engli-<br />
schen Public Schools und <strong>de</strong>n Universitäten aus. 184 Das Eton College besaß<br />
schon vor 1800 drei Langboote, 1811 einen Zehner, je drei Achter und Sech-<br />
ser. Das erste Boot <strong>de</strong>s Westminster College 1813 war ebenfalls ein Sech-<br />
ser. Bereits 1811 fan<strong>de</strong>n Rennen zwischen <strong>de</strong>n <strong>Institut</strong>ionen statt. 185<br />
<strong>Aus</strong>gehend von <strong>de</strong>n Schulen etablierte sich das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch an <strong>de</strong>n Univer-<br />
sitäten, vor allem in Cambridge und Oxford. 186 Die Amateurru<strong><strong>de</strong>r</strong>er waren bei<br />
179<br />
Ebenda, S. 40.<br />
180<br />
Zur Regulierung und Organisation <strong>de</strong>s „gentlemen sports“ vgl. C. EISENBERG, „English<br />
Sports“ und Deutsche Bürger. Eine Gesellschaftsgeschichte 1800-1839, Pa<strong><strong>de</strong>r</strong>born 1999,<br />
S. 24.<br />
181<br />
Vgl. I. BÖSEMEYER, Sponsoring im Leistungssport <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Diplomarbeit<br />
DSHS Köln, Köln 2003, S. 5.<br />
182<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 10.<br />
183<br />
Zur Erinnerung an <strong>de</strong>n Übergang <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen Krone an <strong>de</strong>n Kur<strong>für</strong>sten von Hannover<br />
stiftete <strong><strong>de</strong>r</strong> englische Schauspieler Doggett 1715 im Rahmen einer Wettfahrt <strong>für</strong> gelernte<br />
junge Fährleute einen Preis, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus einem Rock (coat) und einem am Arm zu tragen<strong>de</strong>n<br />
silbernen Ehrenabzeichen (badge) zusammensetzte. Später kam ein Geldpreis<br />
hinzu. Vgl. ALTROCK, „Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“, S. 444. Ferner vgl. RECKENDORF,<br />
Entwicklungsgeschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in England und Deutschland, S. 40.<br />
184<br />
Der Terminus Public School bezeichnet eine englische, höhere Privatschule mit angeschlossenem<br />
Internat, die früher ausschließlich und heute überwiegend von Angehörigen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> wohlhaben<strong>de</strong>n Klasse besucht wur<strong>de</strong> respektive wird und damals vor allem <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung<br />
<strong>de</strong>s gesellschaftlich führen<strong>de</strong>n Nachwuchses diente. Diese Schulen blicken auf<br />
eine lange Tradition zurück und besitzen meist ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s Vermögen, das ihnen,<br />
zusammen mit <strong>de</strong>n hohen Schulgebühren, eine von staatlichen Zuschüssen unabhängige<br />
Gestaltung <strong>de</strong>s Schullebens ermöglicht. Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermittlung <strong>de</strong>s allgemeinen Bildungsgutes<br />
wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Persönlichkeitsentwicklung <strong>de</strong>s Schülers beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Be<strong>de</strong>utung beigemessen.<br />
Mittel hierzu sind die Selbstverwaltung <strong>de</strong>s Internatslebens, Sport und <strong>de</strong>n<br />
Gemeinschaftsgeist för<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Spiele (Rugby, Fußball und Hockey). Zu <strong>de</strong>n be<strong>de</strong>utendsten<br />
Public Schools gehören Eton, Harrow, Rugby, Westminster und Winchester.<br />
185<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 24.<br />
186<br />
Bereits 1829 wur<strong>de</strong> erstmalig das heute immer noch bestehen<strong>de</strong> boatsrace zwischen <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Universitäten in Henley ausgetragen. Seit 1939 fin<strong>de</strong>t es auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Strecke <strong>de</strong>s
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 52<br />
<strong>de</strong>n Gründungen <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>clubs und Bootsriegen an Schulen und<br />
Universitäten anfangs noch auf die Erfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong> professionellen<br />
watermen angewiesen: Sie fungierten als Trainer, Steuermänner, Bootsver-<br />
leiher und zeitweise sogar als Schlagmänner. So nahmen watermen als<br />
Steuer- und Schlagmann an <strong>de</strong>n ersten inoffiziellen Bootsrennen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ama-<br />
teure teil. Erst im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit wur<strong>de</strong> auf sie verzichtet, so dass sich nach<br />
einigen Jahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Amateurgedanke uneingeschränkt durchsetzte. 187<br />
Unumstritten ist, dass Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als ein finanziell aufwendiger Sport galt, <strong>de</strong>s-<br />
sen <strong>Aus</strong>übung zu<strong><strong>de</strong>m</strong> viel Zeit in Anspruch nahm. Viele Jahre war es daher<br />
nur College- und Universitätsstu<strong>de</strong>nten möglich, diesen Sport auszuüben.<br />
Vor allem die soziale Herkunft entschied über eine aktive Teilnahme am Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Bis zum Ersten Weltkrieg beschränkte sich das englische Spitzen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf die Universitäten Cambridge und Oxford sowie einige<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine im Großraum London. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Amateur-Rowing-<br />
Association (ARA) im April 1882 kam es zur strikten Trennung zwischen<br />
amateurs und professionals. Bereits acht Jahre später wur<strong>de</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Natio-<br />
nal Amateur Rowing Association eine Gegenorganisation ins Leben gerufen,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> vorwiegend die durch die Amateur-Definition ausgeschlos-<br />
senen berufstätigen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er waren. Erst 1956 schlossen sich bei<strong>de</strong> Verbän-<br />
<strong>de</strong> zusammen. Es entwickelte sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge ein mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner, vom<br />
Leistungsgedanken getragener Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, <strong><strong>de</strong>r</strong> schnelle Verbreitung in Eng-<br />
land fand.<br />
4.2 Von <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports bis 1945<br />
Zu Beginn <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport von jungen Englän-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach Deutschland getragen, die sich aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> guten Han<strong>de</strong>lsbezie-<br />
hungen in Hamburg nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelassen hatten. Bereits 1830 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> English<br />
Rowing Club – später unbenannt in Union Boat Club – in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hansestadt ins<br />
Leben gerufen. Animiert durch das Verhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> Englän<strong><strong>de</strong>r</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>-<br />
übung <strong>de</strong>s Sports und die vielen gesellschaftlichen und verwandtschaftlichen<br />
Beziehungen zwischen englischen Vereinsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n und ansässigen<br />
Kaufmannsfamilien führten 1836 zur Gründung <strong>de</strong>s ersten <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
ti<strong>de</strong>ways <strong><strong>de</strong>r</strong> Themse zwischen Putney und Mortlake statt. Die Streckenlänge beträgt<br />
4,25 Meilen, also 6,74 km.<br />
187 Vgl. ebenda, S. 15-17.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 53<br />
vereins: Der Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong> Club. 188 Die von ihm ausgerichteten Wettfahr-<br />
ten verschafften <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport wachsen<strong>de</strong> Aufmerksamkeit. Hamburg<br />
blieb allerdings über einen längeren Zeitraum die einzige Stadt in Deutsch-<br />
land, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport betrieben wer<strong>de</strong>n konnte. Es folgten weitere Vereins-<br />
gründungen, wie RC Mathil<strong>de</strong> Hamburg (1840), Germania Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club<br />
(1853) 189 , Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Favorite Hammonia (1854) und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club<br />
Allemannia (1866) 190 . Immer häufiger wur<strong>de</strong>n Wett- und Vergnügungsfahrten<br />
ausgetragen, <strong>für</strong> die es allerdings noch keine einheitlichen Regeln gab. Um<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> entgegenzuwirken, wur<strong>de</strong> 1844 mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Allgemeinen Alster-Club (AAC)<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> erste <strong>de</strong>utsche Regattaverein gegrün<strong>de</strong>t. Er war Zentralinstanz und unter<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>em verantwortlich <strong>für</strong> die Vereinheitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfbedingun-<br />
gen. 191 1868 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nord<strong>de</strong>utsche Regattaverein ins Leben gerufen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>n Volksfestcharakter <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Veranstaltungen ablehnte und stärker<br />
<strong>de</strong>n Leistungsgedanken propagierte. Auf jegliches Beiprogramm wie Enten-<br />
jagen und Fischerstechen wur<strong>de</strong> dabei bewusst verzichtet. Der Regattaver-<br />
ein führte auch entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen bei Wettkämpfen ein: Ab<br />
1875 durften die Mannschaften ausschließlich in Rennbooten antreten, drei<br />
Jahre später wur<strong>de</strong>n die Rennen nur noch auf einer 2.000m Strecke ohne<br />
Wen<strong>de</strong>punkt ausgetragen, wie es heute üblich ist. 192<br />
Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts begeisterten sich auch Menschen in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Städten <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, so dass es zwischen 1860 und 1880 zu weiteren<br />
Vereinsgründungen kam. Exemplarisch seien hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Frankfurter Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ver-<br />
ein (1865), die Frankfurter Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gesellschaft Germania (1869) und <strong><strong>de</strong>r</strong> Berli-<br />
ner-Regatta-Verein (1878) genannt. 193 Im Jahre 1882 existierten bereits 95<br />
Vereine 194 im <strong>Deutschen</strong> Reich, so dass auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch nach einem über-<br />
geordneten Verband entstand:<br />
188 Vgl. ebenda, S. 24.<br />
189 Der Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong> Club und Germania Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club fusionierten 1934 zum Der Ham-<br />
burger und Germania Ru<strong><strong>de</strong>r</strong> Club.<br />
190 Vgl. [ohne Verfasser], „80 Jahre“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 10(1921)6, S. [344].<br />
191 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 25.<br />
192 Vgl. ebenda, S. 25-26. Bis zu diesem Zeitpunkt variierte die Länge <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennstrecken<br />
zwischen 3.000m und 7.000m Länge.<br />
193 Vgl. ebenda, S. 28.<br />
194 Vgl. H. PAULI, „Gründung und zahlenmäßige Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s“,<br />
in: DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), 50 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, Berlin<br />
1933, S. 3.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 54<br />
„Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> zunehmen<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb in Deutschland und <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
sich daraus ergeben<strong>de</strong>n Wettkampfru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> es immer dringlicher,<br />
allgemeingültige und <strong>für</strong> alle <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine verbindliche<br />
Wettkampfregeln sowie eine Ordnung im Regattawesen<br />
einzuführen.“ 195<br />
Angesichts dieser Entwicklung kam es auf Einladung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frankfurter Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
gesellschaft Germania im August 1882 zum ersten <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in<br />
Frankfurt, auf <strong><strong>de</strong>m</strong> die Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> anwesen<strong>de</strong>n Vereine die Gründung einer<br />
Dachorganisation beschlossen. 196 Ebenfalls eingerichtet wur<strong>de</strong> ein Arbeits-<br />
kreis, <strong><strong>de</strong>r</strong> die <strong>Aus</strong>arbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinen Wettfahrtbestimmungen (AWB)<br />
koordinieren sollte.<br />
Am 18. März 1883 trafen sich die Vertreter von 34 Vereinen mit insgesamt<br />
1166 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Saal <strong>de</strong>s „Gürzenich“ in Köln zum zweiten <strong>de</strong>utschen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verabschiedung <strong>de</strong>s vorbereiteten Grundgesetzes 197 und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinen Wettfahrtbestimmungen wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
gegrün<strong>de</strong>t. Ihm gehörten – wie auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Turnerschaft – die<br />
österreichischen Vereine an. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine waren ausschließ-<br />
lich Angehörige <strong>de</strong>s Bürgertums, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Amateurparagraph <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinen<br />
Wettfahrtbestimmungen Arbeiter prinzipiell ausschloss:<br />
„Amateur ist je<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur aus Liebhaberei mit eigenen<br />
Mitteln betreibt o<strong><strong>de</strong>r</strong> betrieben hat und da<strong>für</strong> keinerlei Vermögensvorteile<br />
in <strong>Aus</strong>sicht hat o<strong><strong>de</strong>r</strong> hatte, we<strong><strong>de</strong>r</strong> als Arbeiter seinen<br />
Lebensunterhalt mit seiner Hän<strong>de</strong> Arbeit verdient, noch in irgen<strong>de</strong>iner<br />
Weise beim Bootsbau beschäftigt ist.“ 198<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Realität be<strong>de</strong>utete dies, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Oberschicht<br />
vorbehalten war, da Arbeiter bereits an <strong>de</strong>n Aufnahmekriterien scheiterten.<br />
Ein Argument, das <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Amateurparagraphen anführte, wa-<br />
ren angebliche Vorteile, die Arbeiter durch tägliche körperliche Tätigkeiten<br />
und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s durch <strong>de</strong>n Umgang mit <strong>de</strong>n Booten hätten.<br />
Gemeinhin wur<strong>de</strong> versucht, die Gebil<strong>de</strong>ten und Wohlhaben<strong>de</strong>n <strong>für</strong> die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei zu begeistern, um auf diese Weise ein gewisses gesellschaftliches<br />
195<br />
T. KÖRNER/P. SCHWANITZ, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ein Lehrbuch <strong>für</strong> Trainer, Übungsleiter und Aktive, 2.<br />
Aufl., Berlin (Ost) 1987, S. 12.<br />
196<br />
Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 4.<br />
197<br />
Die Satzung <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s wird bis heute als Grundgesetz bezeichnet.<br />
198<br />
UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 31. Ferner vgl. H. PAULI, „Der<br />
Amateurstandpunkt <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s“, in: DEUTSCHER RUDERVERBAND<br />
(Hrsg.), 50 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, Berlin 1933, S. 4.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 55<br />
Niveau zu bewahren. Zu diesem Zeitpunkt bestimmten vor allem bürgerliche<br />
Kräfte die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Die <strong>de</strong>utliche Leistungsorientierung 199<br />
und das Festhalten am Amateurprinzip führten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit zu <strong>Aus</strong>tritten<br />
und zur Gründung eigener Verbän<strong>de</strong>. So verließen die österreichischen<br />
Gründungsvereine 1891 <strong>de</strong>n DRV, da zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Hand-<br />
werksgesellen zählten, die sich nicht grundsätzlich von Fabrikarbeitern un-<br />
terschie<strong>de</strong>n. 200 1896 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nord<strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er-Bund gegrün<strong>de</strong>t,<br />
1905 <strong><strong>de</strong>r</strong> Süd<strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband und 1909 <strong><strong>de</strong>r</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
Groß-Berlin sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Freie Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund. 201 In diesen Organisationen schlos-<br />
sen sich all jene Vereine zusammen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> die Ama-<br />
teurbestimmungen ablehnten, sie nicht erfüllten o<strong><strong>de</strong>r</strong> lediglich das<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n betreiben wollten. 202<br />
Die Diskussion über <strong>de</strong>n Amateurparagraphen zog sich bis zum Ersten Welt-<br />
krieg hin. Der Krieg und die daraus resultieren<strong>de</strong>n wirtschaftlichen und ge-<br />
sellschaftlichen Folgen erzwangen eine Lockerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zulassungsregel. Die<br />
relevante Passage wur<strong>de</strong> aber lediglich durch die Formulierung „[...] wer<br />
nach seiner gesellschaftlichen Stellung und Art seiner Tätigkeit als Herrenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>er anzusehen ist [...]“ ersetzt. Im Zweifelsfall entschied ein <strong>Aus</strong>schuss<br />
darüber, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewerber <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen genügte. 203 Unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t blieb,<br />
dass durch diesen Paragraphen einige ausländische Mannschaften von<br />
<strong>de</strong>utschen Regatten ausgeschlossen waren. Die Haltung <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s war<br />
auch einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong>de</strong>, warum Deutschland erst 1912 <strong><strong>de</strong>r</strong> 1892 gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Fé<strong><strong>de</strong>r</strong>ation Internationale <strong>de</strong>s Sociétés d’Aviron (FISA) beitrat sowie <strong>für</strong> das<br />
Fernbleiben <strong>de</strong>utscher Mannschaften auf internationalen Regatten. 204<br />
199 <strong>Aus</strong> damaliger Sicht passte das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht in das Bild <strong>de</strong>s am Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und<br />
Leistungsvergleich orientierten Vereinsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ers. Bis 1908 untersagte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband <strong>de</strong>n<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern jegliche Unterstützung. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufnahme <strong>de</strong>s Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns be<strong>für</strong>chtete<br />
man eine „Proletarisierung“ <strong>de</strong>s Sports, was nicht mit <strong>de</strong>n Statuten und <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen<br />
Haltung <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s zu vereinbaren war.<br />
200 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 32.<br />
201 Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiterschicht, die aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> rigi<strong>de</strong>n Amateurbestimmungen nicht<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> DRV beitreten konnten, hatten sich bereits 1897 im Arbeiter-Wassersportverband<br />
zusammengeschlossen. Diese Organisation und <strong><strong>de</strong>r</strong> Freie Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund waren an <strong>de</strong>n Arbeiter-Turn-<br />
und Sportbund angeschlossen. Vgl. ebenda.<br />
202 Vgl. ebenda.<br />
203 In <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit gültigen Allgemeinen Wettkampf-Bestimmungen <strong>de</strong>s DRV ist dieser Paragraph<br />
zwar noch existent, allerdings an die Leistungssportentwicklung angepasst und<br />
durch eine zeitgemäße Formulierung ersetzt. Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Allgemeine<br />
Wettkampf-Bestimmungen, §36: „Amateureigenschaft/Werbung“, Hannover 2003, S.<br />
11. Vgl. ferner UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 33.<br />
204 Vgl. ebenda, S. 42.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 56<br />
Die gesellschaftlichen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen am Anfang <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, die<br />
auf <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>alen <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendbewegung und Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> Reformpädagogik<br />
basierten, hatten be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> <strong>Aus</strong>wirkungen auf die Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung.<br />
„Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n entsprach <strong><strong>de</strong>m</strong> Sehnen nach Gemeinschafts- und Naturer-<br />
lebnis.“ 205 Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n be<strong>de</strong>utete <strong>für</strong> seine damaligen Anhänger Schönheit<br />
und <strong>Aus</strong>druckskraft körperlicher Bewegung. Es richtete sich vor allem gegen<br />
die Leistungsorientierung in einer industriellen Welt. Der DRV wi<strong><strong>de</strong>r</strong>setzte<br />
sich lange dieser Entwicklung. Erst 1911 wur<strong>de</strong> eine bis dahin eingesetzte<br />
Kommission in <strong>de</strong>n Unterausschuss <strong>für</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n umgewan<strong>de</strong>lt. 206 Die<br />
Aufnahme von Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen in <strong>de</strong>n DRV erfolgte erst ab 1919. 207<br />
Parallel zu dieser Entwicklung zu Beginn <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts erfuhr auch<br />
das Jugend- und Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n einen Aufschwung. Allerdings liegen die An-<br />
fänge <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und rei-<br />
chen bis vor die Gründung <strong>de</strong>s DRV zurück. Um 1850 erfolgte <strong><strong>de</strong>r</strong> lose<br />
Zusammenschluss einer Bootsgemeinschaft <strong>de</strong>s Stettiner Marienstiftgymna-<br />
siums zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club Asträä. Deren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorbild<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> preußischen Matrosen und trugen einheitliche Kleidung aus roten Woll-<br />
hem<strong>de</strong>n und schwarz lackierten Mützen, die Zusammengehörigkeit ausdrü-<br />
cken sollte. In Süd<strong>de</strong>utschland entstand ein Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein sogar<br />
unabhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Institut</strong>ion Schule. Stu<strong>de</strong>nten grün<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>lber-<br />
ger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>klub, <strong><strong>de</strong>r</strong> im Wesentlichen einen Zusammenschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>er darstellte. Bereits 1880 entstan<strong>de</strong>n mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Rendsburger Primaner<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club und <strong><strong>de</strong>r</strong> Olavia in Ohlau die ersten Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in<br />
Deutschland. Weitere schulunabhängige Vereine waren beispielsweise die<br />
Bootsmannschaft an <strong><strong>de</strong>r</strong> Gelehrtenschule <strong>de</strong>s Johanneums in Hamburg<br />
(1887) und <strong><strong>de</strong>r</strong> Thomaner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein am Thomas-Gymnasium in Leipzig<br />
(1890). 208 Meistens waren die Schüler bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung eines Vereins auf<br />
sich allein gestellt: in einzelnen Fällen wur<strong>de</strong> auch von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulleitung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einzelnen Lehrern die Initiative ergriffen. Das Prinzip, die Selbstständigkeit<br />
und Unabhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule zu bewahren, ließ sich nicht immer durch-<br />
205 Ebenda, S. 43.<br />
206 Vgl. ebenda, S. 44.<br />
207 Vgl. H. PAULI, „Zweck und Aufgabe <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s“, in: DEUTSCHER<br />
RUDERVERBAND (Hrsg.), 50 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, Berlin, S. 7.<br />
208 Vgl. ebenda, S.11. Ferner E. BIENIEK, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und seine<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Schulsport, Diplomarbeit DSHS Köln, Köln 1972, S. 13-21.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 57<br />
setzen. Erst als die Schulen das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in ihren Unterrichtsplan aufgenom-<br />
men hatten, kam es zum entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Durchbruch. Denn vielerorts führ-<br />
ten die Schüler, angeregt durch das Vorbild <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>ntenverbindungen, ein<br />
reges und ausschweifen<strong>de</strong>s Kneipen- und Nachtleben. Dieses sollte durch<br />
<strong>de</strong>n positiven Einfluss <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports unterbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Viele <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er nahmen nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Abitur ein Studium auf. Umso<br />
erstaunlicher ist es, dass das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Universitäten keine<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weiterentwicklung dieser Sportart spielte. Die<br />
<strong>de</strong>utschen Stu<strong>de</strong>nten waren primär in Burschenschaften organisiert und dort<br />
waren aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ische Turnvereine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s populär. Dennoch wur<strong>de</strong>n En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts in verschie<strong>de</strong>nen Universitätsstädten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine<br />
gegrün<strong>de</strong>t, die sich 1904 im Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund zusammenschlos-<br />
sen.<br />
Starken Auftrieb erfuhr das Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch eine Kabinetts-<br />
or<strong><strong>de</strong>r</strong> Kaiser Wilhelms II. vom 27. Januar 1885. Das schulunabhängige Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> per Erlass in die Höhere Schule eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> stiftete<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kaiser <strong>de</strong>n höheren Lehranstalten einen Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>preis. In dieser Zeit<br />
nahm die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine zu. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> fusionierten in <strong>de</strong>n<br />
Jahren zwischen 1895 und 1897 häufig Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verei-<br />
ne, um gemeinsam Boote und Bootshäuser zu benutzen.<br />
Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts stand ein<strong>de</strong>utig das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Vor-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>grund. Allerdings gab es Lehrer, die Be<strong>de</strong>nken gegen das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
hegten. Sie sahen das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Belohnung <strong>für</strong> gute Leistungen im Diszip-<br />
lin erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Gerätturnen an. Die hier<strong>für</strong> ausgewählte Bezeichnung laute-<br />
te „Wasserturnen“ 209 . Ihnen ging es darum, Parallelen zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
Sportarten zu stärken, die im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht zu erreichen waren. Beson-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>s kritisch stand <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Oberlehrer Wagner gegen-<br />
über, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Sport 1884 am Königlichen Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in<br />
Berlin eingeführt hatte. Er vertrat die Meinung, dass Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur sport-<br />
lichen Zwecken dienen sollte, ein übertriebenes Training hielt er <strong>für</strong> gefähr-<br />
lich. Primär wollte er aber wohl die Schüler vor <strong><strong>de</strong>m</strong> schlechten Einfluss <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er schützen. Er war <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, dass durch die enge Bin-<br />
dung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports an die Schule auch ein Schulterschluss <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
209 Vgl. [ohne Verfasser], 70 Jahre Schüler-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 1899-1969, Max-Planck-Gymnasium –<br />
ehemals Bismarck-Realgymnasium, Dortmund 1969, S. 27.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 58<br />
mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Turnen erfolge. Dieser Meinung schlossen sich Eltern, Lehrer und<br />
Behör<strong>de</strong>n an, die in übermäßigem Training ebenfalls eine Gefahr sahen.<br />
Kaiser Wilhelm II. reagierte 1898 auf die zunehmen<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>nken mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
zweiten kaiserlichen Erlass, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich als richtungweisend <strong>für</strong> die Zukunft <strong>de</strong>s<br />
Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns erweisen sollte und <strong>de</strong>ssen Bestimmungen bis heute Gültig-<br />
keit haben. So bestand Wilhelm II. auf die strikte Trennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerru<strong>de</strong>-<br />
rer von <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwachsenen und auf die Betreuung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schüler durch einen fachlich ausgebil<strong>de</strong>ten Lehrer, <strong>de</strong>n Protektor 210 , so-<br />
wie einen Arzt. Der Kaiser be<strong>für</strong>wortete zwar die Durchführung von Wett-<br />
kämpfen <strong>für</strong> die zwei ältesten Schulklassen, machte jedoch<br />
Einschränkungen, in<strong><strong>de</strong>m</strong> er die Streckenlänge auf 1200m festlegte und die<br />
Benutzung von Rennbooten untersagte. Bis heute wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n Schüler-<br />
regatten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> Wettbewerbe im Gig- und<br />
Rennboot ausgetragen.<br />
Das Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erfuhr einen weiteren Aufschwung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufung <strong>de</strong>s<br />
ehemaligen Protektors <strong>de</strong>s Rendsburger Primaner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>clubs Hermann<br />
Wickenhagen ins Kultusministerium nach Berlin. Wickenhagens Ziele waren<br />
klar gesteckt. Er for<strong><strong>de</strong>r</strong>te die Beseitigung <strong>de</strong>s Missverhältnisses zwischen<br />
geistiger und körperlicher Bildung, die Bekämpfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verödung Jugendli-<br />
cher in <strong>de</strong>n Städten und setzte sich vehement <strong>für</strong> die Verbreitung <strong>de</strong>s Schü-<br />
lerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns ein. Nichtzuletzt sorgte die kaiserliche Marinepolitik in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>utschen Bevölkerung <strong>für</strong> ein gesteigertes Interesse an Wassersportarten<br />
wie Segeln, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Kanusport. Wickenhagens Einsatz lässt sich auch<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinsgründungen ablesen.<br />
„Der Aufstieg <strong>de</strong>s Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zwischen 1903 und 1912 ist in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache erkennbar, daß in diesem Jahrzehnt nahezu 300<br />
Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine- und abteilungen ins Leben gerufen wur<strong>de</strong>n.“<br />
211<br />
210 Ein Protektor ist ein von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule eingesetzter Betreuer, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich um die Belange <strong>de</strong>s<br />
Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong>de</strong>n Vereinen, Riegen und Schulen kümmert. Häufig gehört<br />
dieser zum Lehrpersonal <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen <strong>Institut</strong>ion.<br />
211 F. DRESCHER, 50 Jahre Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Festschrift <strong>de</strong>s Preußischen<br />
Protektorenverban<strong>de</strong>s. Jahrbuch 1930/1931, Kiel 1931, S. 25.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 59<br />
Das Werben Wickenhagens schloss auch die höheren Mädchenschulen mit<br />
ein. Bereits 1912 wur<strong>de</strong> in Kassel <strong><strong>de</strong>r</strong> Erste Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein 212<br />
gegrün<strong>de</strong>t.<br />
Während <strong>de</strong>s Ersten Weltkrieges wur<strong>de</strong> in Berlin <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
ins Leben gerufen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV keine Möglichkeit sah, sich <strong><strong>de</strong>r</strong> jugendlichen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er anzunehmen. Der neue Verband bezeichnete seinen Sport als „Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulentlassenen“. Er war die erste Vereinigung selbstständiger<br />
Jugendabteilungen im <strong>Deutschen</strong> Reich. In all diesen Jahren unterstützten<br />
vor allem Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine <strong>de</strong>n Nachwuchs. Diese Hilfeleistungen wur<strong>de</strong>n<br />
allerdings erst 1922 durch die amtliche Aufhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n kaiserlichen<br />
Erlasse legalisiert, <strong>de</strong>nen zufolge <strong>de</strong>n Schülern und Jugendlichen das Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit Erwachsenen verboten gewesen war. 1926 wur<strong>de</strong> die Aufnahme<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schüler- und Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n DRV beschlossen, was zuvor<br />
aufgrund <strong>de</strong>s immer noch gültigen Amateurparagraphen nicht möglich gewe-<br />
sen wäre. 213<br />
Zuvor wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Jugend- und Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Unterstützung bewusst ver-<br />
sagt. Erst die Gründung eigener Dachorganisationen, wie <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Jungru<strong><strong>de</strong>r</strong>erverband 1912 und <strong><strong>de</strong>m</strong> DDRV 1919, führte zu Umstrukturierun-<br />
gen innerhalb <strong>de</strong>s DRV und damit zur Einrichtung <strong>de</strong>s Unterausschusses <strong>für</strong><br />
Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 1926 sowie kurze Zeit später <strong><strong>de</strong>r</strong> Einrichtung <strong>de</strong>s Unteraus-<br />
schusses <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (UAF). Bis 1933 waren auch die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>de</strong>ut-<br />
schen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> im DRV organisiert. Er fungierte damit als<br />
Dachverband von 51 Regattavereinen und 507 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen mit mehr als<br />
10.0000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 214<br />
Die Zusammenfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportlichen Organisationen im DRV kann<br />
als erstes Anzeichen <strong>für</strong> die Zentralisierungsprozesse im Sport gewertet<br />
wer<strong>de</strong>n, die nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Regierungsantritt Adolf Hitlers im Januar 1933 einge-<br />
leitet wur<strong>de</strong>n. Das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalsozialisten war <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau eines totalitä-<br />
ren Führerstaates, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch <strong>de</strong>n Sport in all seinen Erscheinungsformen<br />
miteinbezog und eine konsequente i<strong>de</strong>ologische Einbettung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te. Das<br />
Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 leitete auch die Gleichschaltung<br />
212 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 5.8 zum Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
213 Vgl. A. HUTMACHER, <strong>Aus</strong>bildung im Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. <strong>Aus</strong>bildung im Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Entwicklung,<br />
Standortbestimmung und Perspektiven, Staatsexamensarbeit DSHS Köln, Köln<br />
2001, S. 17.<br />
214 Vgl. ebenda.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 60<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Sportverbän<strong>de</strong> ein. Zum „Reichssportkommissar“ wur<strong>de</strong> Hans<br />
von Tschammer und Osten ernannt, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Neu- beziehungsweise Um-<br />
gestaltung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sports beauftragt wur<strong>de</strong>. 215 Dies führte zunächst<br />
zur Gründung <strong>de</strong>s Reichsführerrings, <strong><strong>de</strong>m</strong> die Vertreter von 16 Fachämtern<br />
unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorsitz <strong>de</strong>s Reichssportführers angehörten. Es wur<strong>de</strong>n innerhalb<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Fachorganisationen jeweils 16 Gaue geschaffen, die <strong><strong>de</strong>r</strong> politi-<br />
schen Einteilung Deutschlands entsprachen und in Bezirke und Kreise unter-<br />
teilt waren. 216 Der Reichsführerring wur<strong>de</strong> im Januar 1934 in <strong>de</strong>n DRL<br />
eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong> nun die Dachorganisation von 21 Fachämtern darstellte. 217<br />
Die Bindung <strong>de</strong>s Sports an die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />
(NSDAP) erfolgte durch die Gründung <strong>de</strong>s Reichssportamtes, das als „Orga-<br />
nisations- und Machtzentrale“ 218 <strong>de</strong>s DRL die vollständige Gleichschaltung<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sports sicherte. Hierzu wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DRL im Dezember 1938 in<br />
<strong>de</strong>n Nationalsozialistischen Reichsbund <strong>für</strong> Leibesübungen (NSRL) überführt<br />
und somit direkt <strong><strong>de</strong>r</strong> NSDAP angeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Umstrukturierung<br />
und Gleichschaltung war im Frühjahr 1939 abgeschlossen, nach<strong><strong>de</strong>m</strong> von<br />
Tschammer und Osten als „Beauftragter <strong>für</strong> Leibesübungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> NSDAP in<br />
<strong>de</strong>n Stab <strong>de</strong>s Führerstellvertreters berufen wur<strong>de</strong>.“ 219<br />
Die nationalpatriotischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er i<strong>de</strong>ntifizierten sich offen mit <strong>de</strong>n Zielset-<br />
zungen <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Machthaber. Noch bevor die Umgestaltung <strong>de</strong>s Sports<br />
eingeleitet wur<strong>de</strong>, baten <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige Verbandsvorsitzen<strong>de</strong> Heinrich Pauli<br />
und Vorsitzen<strong>de</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Fachverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Reichssportführer von<br />
Tschammer und Osten, <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Reichsausschuss <strong>für</strong> Leibesübungen<br />
aufzulösen, <strong><strong>de</strong>r</strong> bis 1933 eine <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Dachorganisationen in Deutschland<br />
gewesen war. 220 Der DRV sah seine Interessen im neuen Verband gut ver-<br />
215<br />
Vgl. W. JOCH, „Sport und Leibeserziehung im Dritten Reich“, in: H. UEBERHORST (Hrsg.),<br />
Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen, Bd. 3/2, Leibesübungen und Sport in Deutschland vom<br />
Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Berlin/München/Frankfurt a.M. 1981, S. 721.<br />
216<br />
Vgl. ebenda.<br />
217<br />
Vgl. ebenda.<br />
218<br />
Ebenda.<br />
219<br />
Ebenda, S. 723.<br />
220<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 102. Im <strong>Deutschen</strong><br />
Reichsausschuß <strong>für</strong> Leibesübungen waren die parteipolitisch neutralen bzw. religiösen<br />
Sportorganisationen versammelt. Hierzu zählten die Deutsche Jugendkraft, Deutsche<br />
Turnerschaft, das Eichenkreuz sowie die Sportfachverbän<strong>de</strong>. Als zweiter Verband existierte<br />
bis 1933 die Zentralkommission <strong>für</strong> Arbeitersport und Körperpflege als Dachorganisation<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Arbeitersportverbän<strong>de</strong>. Hier war <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiter Turn- und<br />
Sportbund organisiert, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine marxistische Grundhaltung vertrat. Arbeiter, die aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestimmungen <strong>de</strong>s Amateurparagraphen <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV nicht beitreten konnten, hatten
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 61<br />
treten. Die Neuorganisation <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sports im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalso-<br />
zialisten wur<strong>de</strong> somit von <strong>de</strong>n DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern nicht nur unterstützt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
sogar vorangetrieben. 221<br />
100 Jahre nach seiner Entstehung wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in Deutschland als<br />
Teil eines i<strong>de</strong>ologischen Konzeptes schlichtweg instrumentalisiert und<br />
gleichgeschaltet. Die Jugendabteilungen wur<strong>de</strong>n in die Hitlerjugend (HJ) und<br />
<strong>de</strong>n BDM überführt und damit ganz in <strong>de</strong>n Dienst <strong>de</strong>s nationalsozialistischen<br />
Regimes gestellt. Das Training umfasste im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Wehrertüchtigung ne-<br />
ben <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Körperkräftigung auch Gelän<strong>de</strong>übungen, Kleinkaliber-<br />
schießen und i<strong>de</strong>ologische Schulungen 222 .<br />
Die Gleichschaltung be<strong>de</strong>utete <strong>für</strong> die Vereine <strong>de</strong>s DRV nicht gleichzeitig das<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, da die nationalsozialistische I<strong>de</strong>ologie Erziehungsziele<br />
wie Willensstärke, Entschlusskraft und Selbstbeherrschung propagierte und<br />
daher bestimmte Sportarten bevorzugt för<strong><strong>de</strong>r</strong>te. Letztlich kam das <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>sport zugute. Das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>n Nationalsozialisten<br />
ebenfalls aufgewertet. Es folgten massive Werbemaßnahmen <strong>für</strong> diese<br />
Sportart, die sich gut in das NS-Gesamtkonzept einbin<strong>de</strong>n ließ. Allerdings<br />
kam es beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Bereich <strong>de</strong>s Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu erheblichen<br />
Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen und Einschränkungen. Alle selbstverwalteten Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
vereine und -riegen sollten sich 1933 <strong><strong>de</strong>r</strong> HJ anschließen, da diese als einzi-<br />
ge Jugendorganisation bestehen durfte.<br />
Das Jahr 1935 markierte daher einen Einschnitt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s Schul-<br />
und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Der Nationalsozialistische Lehrerbund zwang <strong>de</strong>n<br />
Preußischen Protektorenverband zur Auflösung. Vorausgegangen waren<br />
immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Streitereien zwischen Protektoren und HJ-Führern um das<br />
Bootsmaterial. Damit verloren die Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er ihre Dachorganisation und<br />
ihre Protektoren. Der Preußische Protektorenverband hatte sich vor allem<br />
sich bereits 1897 im Arbeiter-Wassersportverband zusammengeschlossen, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch im<br />
ATUS organisiert war. Ab 1933 wur<strong>de</strong>n die Vereine <strong>de</strong>s ATUS mit einem Sportverbot belegt.<br />
Vgl. JOCH, „Sport und Leibeserziehung im Dritten Reich“, S. 723. Ferner E. STRYCH,<br />
Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung 1945-1950, (= Beiträge zur Lehre<br />
und Forschung <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung, Bd. 58), Schorndorf 1975, S. 13-14.<br />
221 Vgl. JOCH, „Sport und Leibeserziehung im Dritten Reich“, S. 721.<br />
222 Vgl. H. BERNETT, Der Weg <strong>de</strong>s Sports in die nationalsozialistische Diktatur, (= Beiträge<br />
zur Lehre und Forschung <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung, Bd. 87) Schorndorf 1983, S. 13. Die weltanschauliche,<br />
politische und rassenkundliche Schulung oblag <strong><strong>de</strong>m</strong> Dietwart, <strong><strong>de</strong>r</strong> die I<strong>de</strong>ologie<br />
in <strong>de</strong>n Vereinen zu verbreiten hatte. Vgl. D. TESFAMARIAM, Die Rolle <strong>de</strong>s Dietwesens<br />
im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuordnung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sports im Nationalsozialismus, Schriftliche<br />
Hausarbeit im Fach Sportwissenschaft, Deutsche Sporthochschule Köln, Köln 2005.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 62<br />
um die <strong>Aus</strong>bildung neuer Protektoren an <strong><strong>de</strong>r</strong> Preußischen Hochschule <strong>für</strong><br />
Leibesübungen in Spandau eingesetzt. Trotz all dieser Probleme bestan<strong>de</strong>n<br />
1937 immer noch 15 Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> und 367 selbstständige Schüler-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine. 223 Diese trotzten <strong>de</strong>n Schikanen <strong><strong>de</strong>r</strong> HJ noch bis 1938, bis das<br />
endgültige Verbot und die Auflösung aller Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine und -riegen<br />
befohlen wur<strong>de</strong>. Das Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s Reichser-<br />
ziehungsministeriums im Curriculum verankert. Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utlich an<br />
Be<strong>de</strong>utung gestiegenen Leibeserziehung an <strong>de</strong>n Schulen waren die erziehe-<br />
rischen und charakterbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Möglichkeiten <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports erkannt wor-<br />
<strong>de</strong>n. Dennoch konnten Jugendliche nur noch im Rahmen <strong>de</strong>s normalen<br />
Sportunterrichts ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Aus</strong>bruch <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 än<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
sich die Lage <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports schlagartig. Viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er aus al-<br />
len Schichten und Altersklassen wur<strong>de</strong>n einberufen o<strong><strong>de</strong>r</strong> mel<strong>de</strong>ten sich frei-<br />
willig zum Dienst an <strong><strong>de</strong>r</strong> Front. Dennoch gelang es in eingeschränktem<br />
Rahmen, Wettkämpfe und Regatten durchzuführen. Noch bis 1943 wur<strong>de</strong>n in<br />
Berlin Kriegsmeisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer ausgetragen, bei <strong>de</strong>nen sämtliche<br />
Rennbeschränkungen bis auf die Altersgrenze, wegfielen. Schließlich wur<strong>de</strong><br />
das Versehrten- und Verwun<strong>de</strong>tenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n eingeführt. Mit <strong>de</strong>n verheeren<strong>de</strong>n<br />
Luftangriffen <strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten kam auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in Deutschland gegen<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges zum Erliegen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> so genannten „Stun<strong>de</strong><br />
Null“ gab es wichtigeres, als sich um Sport zu kümmern.<br />
4.3 Exkurs: Die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in<br />
Deutschland nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> bedingungslosen Kapitulation <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Wehrmacht am 7./8.<br />
Mai 1945 hatte das Deutsche Reich aufgehört, politisch zu existieren. Sein<br />
Gebiet in <strong>de</strong>n Grenzen von 1937 wur<strong>de</strong> in vier Besatzungszonen, Berlin als<br />
Reichshauptstadt in drei westliche und einen östlichen Sektor, aufgeteilt. 224<br />
Das Saargebiet erhielt einen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>status und wur<strong>de</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> französischen<br />
223 Vgl. HUTMACHER, <strong>Aus</strong>bildung im Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, S. 18. Ferner vgl. DEUTSCHE RUDERJU-<br />
GEND (Hrsg.), Die Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>jugend – Gestern Heute Morgen, Hannover 1983, S.<br />
34.<br />
224 Es gab vier Besatzungszonen: Sowjetische Besatzungszone (SBZ), Britische Besatzungszone,<br />
Amerikanische Besatzungszone, Französische Besatzungszone und Saargebiet<br />
mit Son<strong><strong>de</strong>r</strong>status.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 63<br />
Zone herausgelöst. Der Alliierte Kontrollrat stellte das höchste Kontrollorgan<br />
und die oberste Rechtsinstanz dar:<br />
„Die Besatzungsmächte übernehmen die Funktionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Behör<strong>de</strong>n,<br />
lenken das öffentliche Leben und bemühen sich – zumin<strong>de</strong>st<br />
in <strong>de</strong>n Westzonen – <strong><strong>de</strong>m</strong>okratischen Geist nach Deutschland hineinzutragen.“<br />
225<br />
Obwohl die Alliierten bereits in einer zwei Jahre vor Kriegsen<strong>de</strong> geschlosse-<br />
nen Anti-Hitler-Koalition begonnen hatten, die Verwaltung und politische<br />
Neugestaltung Deutschlands zu planen, existierte zum Kriegsen<strong>de</strong> da<strong>für</strong> kein<br />
umfassen<strong>de</strong>s und einheitliches Konzept. Vom 17. Juli bis 2. August 1945<br />
trafen sich Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Siegermächte zur Erstellung eines Gesamtkonzep-<br />
tes, das im Potsdamer Abkommen zusammengefasst wur<strong>de</strong>. 226 Die Umset-<br />
zung dieser Beschlüsse erfolgte in <strong>de</strong>n einzelnen Zonen jedoch in<br />
unterschiedlicher Weise. So verstießen die bereits Mitte 1945 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjeti-<br />
schen Besatzungszone durchgeführte Bo<strong>de</strong>nreform und die Verstaatlichung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> größten Industriebetriebe gegen die Richtlinie, Deutschland wirtschaftlich<br />
als Einheit zu betrachten.<br />
„Auch <strong>de</strong>utete die Errichtung von elf kommunistisch geleiteten,<br />
zentralen Verwaltungen sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> erzwungene Zusammenschluss<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SPD mit <strong><strong>de</strong>r</strong> KPD zur ‘Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands’<br />
auf eine fortschreiten<strong>de</strong> Bolschewisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> sowjetischen<br />
Besatzungszone hin." 227<br />
Im Juni 1947 schlossen die USA und Großbritannien unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Protest <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sowjetunion und Frankreichs ihre Besatzungszonen zu einer „Bizone“ zu-<br />
sammen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verwaltung <strong><strong>de</strong>m</strong> Frankfurter Wirtschaftsrat oblag. Dieser war<br />
unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Besatzungsmächte mit regierungsähnli-<br />
chen Befugnissen ausgestattet wor<strong>de</strong>n.<br />
225 STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S. 15.<br />
226 Vgl. E. DEUERLEIN, Die Einheit Deutschlands. Ihre Erörterung und Behandlung auf <strong>de</strong>n<br />
Kriegs- und Nachkriegskonferenzen 1941-1949. Darstellung und Dokumentation, Frankfurt<br />
a.M./Berlin 1957, S. 246-255. Als relevante Ergebnisse im Kontext dieser Arbeit und<br />
<strong>für</strong> <strong>de</strong>n Sport im Allgemeinen gelten: 1. Die Regierungsgewalt blieb beim Alliierten Kontrollrat;<br />
Selbstverwaltung auf lokaler Ebene unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufsicht <strong>de</strong>s Kontrollrats wur<strong>de</strong> genehmigt<br />
und geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 2. Vollständige Entnazifizierung in allen Bereichen und<br />
Verurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsverbrecher. 3. Während die Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Zonen bei<br />
<strong>de</strong>n Besatzungsmächten lag, sollte Deutschland aus wirtschaftlicher Sicht als Einheit betrachtet<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Industrie unterlag <strong>de</strong>n Alliierten. 4. Deutschland wur<strong>de</strong><br />
verpflichtet, Reparationen an die Siegermächte zu zahlen.<br />
227 Vgl. ebenda, S. 249. Ferner R. SPREE, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, Mün-<br />
chen 2004.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 64<br />
Am 20. Juni 1948 wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n drei Westzonen eine Währungsreform<br />
durchgeführt, die als Beendigung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen alliierten Besatzungspo-<br />
litik angesehen wer<strong>de</strong>n kann. Das neue Zahlungsmittel, die Deutsche Mark,<br />
trug wesentlich zum Aufschwung West<strong>de</strong>utschlands bei. <strong>Aus</strong> wirtschaftlicher<br />
Sicht entschei<strong>de</strong>nd war aber nicht nur die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Währung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
vor allem die Hilfeleistungen aus <strong>de</strong>n USA im Rahmen <strong>de</strong>s im Juni 1947 ver-<br />
abschie<strong>de</strong>ten Marshall-Plans. 228 Allerdings wur<strong>de</strong>n die Berliner Westsektoren<br />
nicht wie von <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetunion gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t als Ost-Währungsgebiet anerkannt.<br />
Der Streit um die Währungsreform und die Absicht, eine west<strong>de</strong>utsche Re-<br />
gierung zu etablieren, beantwortete die Sowjetunion mit einer Blocka<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zufahrtswege. 229 Die Blocka<strong>de</strong> im Mai 1949 kann rückwirkend als <strong>Aus</strong>löser<br />
und Beginn <strong>de</strong>s „Kalten Krieges“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verabschiedung <strong>de</strong>s Grundgesetzes am 8. Mai 1949 durch <strong>de</strong>n Par-<br />
lamentarischen Rat wur<strong>de</strong> die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
am 23. Mai 1949 vollzogen. Am 7. Oktober 1949 verkün<strong>de</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche<br />
Volksrat in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ eine eigenständige Verfassung. Die Deutsche Demokra-<br />
tische Republik war gegrün<strong>de</strong>t und besiegelte die Teilung Deutschlands.<br />
Die allgemeine Situation im Nachkriegs<strong>de</strong>utschland war <strong>de</strong>solat. 230 Nach<br />
zwölf Jahren unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Schreckensherrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalsozialisten befand<br />
sich die Gesellschaft an einem Tiefpunkt. Millionen Deutsche waren verwit-<br />
wet, verwaist o<strong><strong>de</strong>r</strong> kriegsversehrt, 3,5 Millionen <strong>de</strong>utsche Soldaten waren im<br />
Krieg gefallen und mehr als 3 Millionen Zivilisten bei <strong>de</strong>n Bombenangriffen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten ums Leben gekommen. Die Zerstörung <strong><strong>de</strong>r</strong> Städte sowie die im<br />
Potsdamer Abkommen beschlossene Umsiedlung <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n ehemaligen<br />
Ostgebieten leben<strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> verursachte eine akute Wohnungsnot. Des<br />
Weiteren konnte die Ernährung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung nicht mehr sichergestellt<br />
228 Vgl. C. BUCHHEIM, „Marshall Plan and Currency Reform“, in: J. M. DIEFENDORF, u. A.<br />
(Hrsg.), American Policy and the Reconstruction of West Germany 1945-1955, Washington/London<br />
1993, S. 45-49. Die Zulieferungen aus Mitteln <strong>de</strong>s Marshall-Plans beliefen<br />
sich insgesamt auf 1,5 Milliar<strong>de</strong>n Dollar (1948-1951). Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Gel<strong><strong>de</strong>r</strong> verpflichteten<br />
sich die Staaten zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Die Sowjetunion lehnte<br />
das Hilfsprogramm ab, das Sachlieferungen, vor allem Lebensmittel, Rohstoffe und Kredite<br />
umfasste.<br />
229 Die Alliierten hielten jedoch mit einer Luftbrücke die Versorgung <strong><strong>de</strong>r</strong> West-Berliner Bevölkerung<br />
aufrecht. Diese Maßnahme dauerte elf Monate und führte faktisch zur Teilung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stadt, da die während <strong><strong>de</strong>r</strong> Blocka<strong>de</strong>zeit eingerichtete kommunistische Verwaltung im<br />
sowjetischen Sektor weiterhin bestehen blieb.<br />
230 Vgl. A. SCHILDT, Die Sozialgeschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland bis 1989/90,<br />
München 2007.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 65<br />
wer<strong>de</strong>n, so dass Lebensmittel rationiert wur<strong>de</strong>n. Zeitweilig mussten die<br />
<strong>Deutschen</strong> mit einem Drittel <strong>de</strong>s normalen Kalorienbedarfs auskommen, also<br />
mit 800 Kalorien pro Tag. Die zerstörten Industrieanlagen wur<strong>de</strong>n nur lang-<br />
sam ersetzt, Gas und Strom gab es nur stun<strong>de</strong>nweise. Erschwerend kam<br />
hinzu, dass die noch betriebsfähigen Industrieanlagen im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Reparati-<br />
onszahlungen <strong><strong>de</strong>m</strong>ontiert wur<strong>de</strong>n. Ungeachtet all dieser Probleme setzte ab<br />
1949 das so genannte „Wirtschaftswun<strong><strong>de</strong>r</strong>“ ein, das die Notlage in West-<br />
<strong>de</strong>utschland relativ schnell beseitigte. In <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR dagegen blieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebens-<br />
standard <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> massiven Reparationen und<br />
Demontagen durch die Sowjets sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen Verstaatlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrie-<br />
be weit hinter West<strong>de</strong>utschland zurück. 231<br />
Die vom Alliierten Kontrollrat in Deutschland erlassenen Gesetze, Direktiven<br />
und Verordnungen galten <strong>für</strong> alle Zonen und beeinflussten auch <strong>de</strong>n<br />
Sport 232 .<br />
„Ihre Handhabe divergiert in <strong>de</strong>n einzelnen Zonen jedoch stark. So<br />
wird <strong>de</strong>n Sportlern schnell klar, daß sie von <strong>de</strong>n Sowjets und<br />
Franzosen wenig Verständnis zu erwarten haben, während Englän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
und Amerikaner sich wesentlich toleranter zeigen.“ 233<br />
Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen wirkten sich zum einen för<strong><strong>de</strong>r</strong>nd,<br />
zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en hemmend auf die Entwicklung <strong>de</strong>s Sports aus. 234 Die Verord-<br />
nungen 8-13 235 vom 15. September 1945 gaben <strong>de</strong>n Rahmen vor, in <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
sportlichen Aktivitäten nachgegangen wer<strong>de</strong>n konnte. Wichtig war in diesem<br />
Zusammenhang, dass Artikel 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung 9 öffentliche Versammlun-<br />
gen zu sportlichen Zwecken beziehungsweise unpolitischen Zwecken ermög-<br />
lichte. Durch die Anweisung 17, die die <strong>Aus</strong>führungsbestimmungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
231<br />
Vgl. H. KAELBLE/J. KOCKA/H. ZWAHR, Sozialgeschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, Göttingen 1994, S. 152.<br />
232<br />
H. DICHTER, „‘Strict measures must be taken’: Wartime Planning and the Allied Control of<br />
Sport in Occupied Germany”, in: STADION 34(2008)2, S. 193.<br />
233<br />
STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S. 15.<br />
234<br />
G. WEIßPFENNING, „Der Neuaufbau <strong>de</strong>s Sports in West<strong>de</strong>utschland bis zur Gründung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Deutschen</strong> Sportbun<strong>de</strong>s“, in: H. UEBERHORST (Hrsg.), Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen, Bd.<br />
3/2, Leibesübungen und Sport in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart,<br />
Berlin/München/Frankfurt a.M. 1981, S. 760.<br />
235<br />
Vgl. STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S. 15. Die Verordnungen<br />
betreffen als<br />
Nr. 8 die Regelung öffentlicher <strong>Aus</strong>sprachen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er öffentlicher Tätigkeiten,<br />
Nr. 9 öffentliche unpolitische Versammlungen,<br />
Nr. 10 politische Versammlungen,<br />
Nr. 11 öffentliche Umzüge,<br />
Nr. 12 Bildung von politischen Parteien,<br />
Nr. 13 Militärische Uniformen und Abzeichen.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 66<br />
Verordnungen 8-13 enthielt, waren Gründungen von Sportvereinen ohne<br />
Genehmigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Besatzungsmächte erlaubt. 236 Allerdings war das Führen<br />
alter Vereinsnamen, die Nennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsdaten sowie Übungen mit<br />
militärischem Einschlag untersagt. Hierzu zählten beispielsweise Schießen<br />
und Fechten. Auch Para<strong>de</strong>n, Exerzierübungen sowie Manöver o<strong><strong>de</strong>r</strong> Spiele,<br />
die militärischen Zwecken dienten, wur<strong>de</strong>n verboten. 237<br />
Gleichzeitig lief <strong><strong>de</strong>r</strong> Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong> Entnazifizierung an. Die Direktive Nr. 24<br />
vom 12. Januar 1946 ordnete die Entfernung aller aktiven NSDAP-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
aus Ämtern an, die schon vor 1937 ein öffentliches o<strong><strong>de</strong>r</strong> halböffentliches Amt<br />
beklei<strong>de</strong>t hatten o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Partei beigetreten waren. 238 Ab 1946 war es <strong><strong>de</strong>m</strong>-<br />
nach nur noch politisch unbelasteten Personen möglich, die Leitung von<br />
Sportvereinen zu übernehmen, da auch eine Vorstandstätigkeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> NS-<br />
Zeit als „halböffentliches Amt“ 239 galt. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sah Gesetz Nr. 2 <strong>de</strong>s Pots-<br />
damer Abkommens die Auflösung aller NS-Organisationen vor. Alle Vereine,<br />
die von 1933 bis 1945 <strong><strong>de</strong>m</strong> NSRL angehört hatten, galten als ungesetzlich<br />
und waren aufzulösen. Da in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong>de</strong>s Hitler-Regimes häufig Parteifunkti-<br />
onäre die Vereinsgeschicke bestimmten, war eine erweiterte Reinigung <strong>de</strong>s<br />
Sports erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich.<br />
Die am 17. Dezember 1945 erlassene Direktive Nr. 23 240 <strong><strong>de</strong>m</strong>okratisierte und<br />
begrün<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n neuen <strong>de</strong>utschen Sport. Sie war das wichtigste Dokument<br />
<strong>für</strong> die Neugründung und Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine und be<strong>de</strong>utete das En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s bisherigen Sportbetriebs in Deutschland. 241 Der Alliierte Kontrollrat be-<br />
236 Vgl. ebenda, S. 15-16.<br />
237 Vgl. PABST, Sport – Medium <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik?, S. 50. Ferner STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S. 76.<br />
238 Vgl. JOCH, „Sport und Leibeserziehung im Dritten Reich“, S. 701-736.<br />
239 WEIßPFENNING, „Der Neuaufbau <strong>de</strong>s Sports in West<strong>de</strong>utschland bis zur Gründung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Deutschen</strong> Sportbun<strong>de</strong>s“, S. 762-764.<br />
240 Vgl. C. TIEDEMANN, „Zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Sport relevanten alliierten Rechtsvorschriften<br />
im besetzten Deutschland (1944-1950)“, in: L. PFEIFFER, Die erstrittene Einheit –<br />
Von <strong><strong>de</strong>r</strong> ADS zum DSB (1948-1950). Bericht <strong><strong>de</strong>r</strong> 2. Hoyaer Tagung zur Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
Nachkriegssports in Deutschland (= Schriftenreihe <strong>de</strong>s Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sächsischen <strong>Institut</strong>s <strong>für</strong><br />
<strong>Sportgeschichte</strong> Hoya e. V., Bd. 7), Du<strong><strong>de</strong>r</strong>stadt 1989, S. 69. Sportlichen Organisationen<br />
wur<strong>de</strong> unter folgen<strong>de</strong>n Bedingungen das Bestehen erlaubt: Sie mussten öffentlichen<br />
Charakter haben, allerdings durften sie das Niveau <strong>de</strong>s Kreises nicht überschreiten. Je<strong>de</strong><br />
neu gegrün<strong>de</strong>te Organisation bedurfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Genehmigung <strong><strong>de</strong>r</strong> alliierten Besatzungsbehör<strong>de</strong><br />
und unterstand ihrer Aufsicht. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> mussten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugen<strong><strong>de</strong>r</strong>ziehung Aspekte<br />
wie Gesundheit, Hygiene und Erholung thematisiert wer<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n vollständigen Wortlaut<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Direktive Nr. 23 vgl. STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung,<br />
S. 76-77. Ferner WEIßPFENNING, „Der Neuaufbau <strong>de</strong>s Sports in West<strong>de</strong>utschland<br />
bis zur Gründung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Sportbun<strong>de</strong>s“, S. 761-762.<br />
241 Vgl. ebenda, S. 761. Ferner DICHTER, „‘Strict Measures must be taken’: Wartime Planning<br />
and the Allied Control of Sport in Occupied Germany”, S. 194.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 67<br />
stimmte, dass sich alle bestehen<strong>de</strong>n sportlichen, militärischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> paramili-<br />
tärischen Organisationen bis zum 1. Januar 1946 aufzulösen hatten. Da Or-<br />
ganisationen nicht über das Kreisniveau hinausgehen durften, musste <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sport mühsam von <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgebaut wer<strong>de</strong>n.<br />
4.4 Der Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland von<br />
1945 bis 1949<br />
Durch die Erkenntnis, dass eine Erneuerung <strong>de</strong>s Sports nach <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalso-<br />
zialistischen Zeit nur durch eine Bün<strong>de</strong>lung aller Kräfte gelingen konnte,<br />
schlossen sich überall in Deutschland Sportler unabhängig von ihrer politi-<br />
schen o<strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologischen Haltung zusammen, um Verbän<strong>de</strong> und Vereine<br />
gemeinsam wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzubauen. Dabei orientierten sie sich am Vorbild <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
früheren Arbeitersportvereine, stellten jedoch aufgrund ihrer politischen Neut-<br />
ralität etwas völlig Neues dar. 242 Dabei orientierten sich an <strong>de</strong>n Strukturen<br />
von Parteien und Gewerkschaften und zeigten damit eine Reaktion auf<br />
„Weimarer Verhältnisse“.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Genehmigung <strong><strong>de</strong>r</strong> amerikanischen Sportoffiziere fand am 27./28. No-<br />
vember 1946 in Frankfurt eine erste Interzonenkonferenz im Sport statt. Ver-<br />
treter <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong> (LSB) und führen<strong>de</strong> Persönlichkeiten <strong>de</strong>s<br />
Sports trafen sich, um eine einheitliche Sportorganisation in ganz Deutsch-<br />
land zu grün<strong>de</strong>n. Insgesamt konnten sechs Leitsätze verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n,<br />
die allerdings unverbindlich waren und damit keinen großen Einfluss auf die<br />
weitere Aufbauarbeit nahmen. 243<br />
Als 1945 <strong><strong>de</strong>r</strong> Krieg zu En<strong>de</strong> ging, war Deutschlands Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport vernichtet.<br />
Was in jahrzehntelanger Aufbauarbeit geschaffen wor<strong>de</strong>n war, existierte<br />
nicht mehr. 244<br />
Die ersten offiziellen Zahlen aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr 1947 belegen, dass nur 220 Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine und 12 Regattavereine in <strong>de</strong>n drei Westzonen und West-Berlin<br />
242<br />
Vgl. PABST, Sport – Medium <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik?, S. 51-52.<br />
243<br />
Vgl. STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S. 84-85.<br />
Die sechs Leitsätze waren:<br />
- Die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s olympischen Gedankens durch <strong>de</strong>n Sport.<br />
- Das Bekenntnis <strong>de</strong>s Sports zur Demokratie.<br />
- Das Bekenntnis <strong>de</strong>s Sports zum Amateurismus.<br />
- Die Aufgabe <strong>de</strong>s Sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> schulischen <strong>Aus</strong>bildung.<br />
- Die Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend durch <strong>de</strong>n Sport.<br />
- Die Bestimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenrolle im Sport.<br />
244<br />
Vgl. O. RUPERTI/W. WÜLFING, Für Deutschland geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Min<strong>de</strong>n 1958, S. 124.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 68<br />
<strong>de</strong>n Krieg überstan<strong>de</strong>n hatten. Die geschätzte Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl zwischen<br />
34.000 und 40.000 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern entsprach ungefähr <strong><strong>de</strong>m</strong> Stand<br />
von 1907 245 . Die materielle Situation war ähnlich <strong>de</strong>solat, da mehr als die<br />
Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootshäuser und Boote im Krieg zerstört wor<strong>de</strong>n waren. Häufig<br />
wur<strong>de</strong>n die Sportgeräte auch von Notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n als Heizstoff zweckentfrem-<br />
<strong>de</strong>t 246 . Vieles war <strong><strong>de</strong>r</strong> Initiative Einzelner überlassen, die häufig in ihren Be-<br />
mühungen und Bestrebungen von <strong>de</strong>n Besatzungsmächten gehemmt<br />
wur<strong>de</strong>n. Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport hatte mit <strong><strong>de</strong>r</strong> im Jahr 1936 befohlenen Auflösung<br />
<strong>de</strong>s DRV seine Dachorganisation verloren. Noch schwerwiegen<strong><strong>de</strong>r</strong> war die in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Direktive Nr. 23 angeordnete Auflösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine bis zum 1. Januar<br />
1946, die sehr aufwendige Verfahren mit sich zog. Das erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Formu-<br />
lar <strong>für</strong> eine Neugründung enthielt insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Erklärung, dass alle Mit-<br />
glie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Vorstands politisch unbelastet waren. Da viele <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen<br />
Führungskräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine <strong><strong>de</strong>r</strong> NSDAP angehört o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit<br />
<strong>de</strong>n Nationalsozialisten kooperiert hatten, wur<strong>de</strong> ihnen zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>n ers-<br />
ten Jahren je<strong>de</strong> weitere Vereinsarbeit untersagt. 247 So entwickelte sich in <strong>de</strong>n<br />
Nachkriegsjahren nur zögerlich ein geregelter Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb. Material und<br />
Bootshäuser wur<strong>de</strong>n nach und nach instand gesetzt, immer mehr beschlag-<br />
nahmte Geräte wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Alliierten zurückgegeben. „Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anord-<br />
nung Nr. 104 vom 18. Juli 1946 genehmigte <strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierte Kontrollrat die<br />
Veranstaltung von Wettkämpfen.“ 248 Die erste Regatta <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachkriegszeit<br />
fand im Juni 1946 in Homberg am Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>rhein statt. Diese Veranstaltung<br />
zeigt, dass zahlreiche Vereine wie<strong><strong>de</strong>r</strong> einen geregelten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb aufge-<br />
nommen hatten und motivierte die Sportler zum Training, obwohl die Versor-<br />
gungslage <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung immer noch sehr angespannt war. 249<br />
Schwierigkeiten ergaben sich vor allem durch <strong>de</strong>n generellen Mangel an<br />
Rennbooten und fehlen<strong>de</strong>n Transportmöglichkeiten. Insgesamt konnte in <strong>de</strong>n<br />
ersten Nachkriegsjahren nur ein Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbe in Rennbooten ge-<br />
245 Die Zahlen wer<strong>de</strong>n unterschiedlich interpretiert. Ueberhorst geht von 33.514 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
aus, wobei beachtet wer<strong>de</strong>n muss, dass hier nur die Zahlen aus 193 Mitgliedsvereinen<br />
vorlagen. Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 126. Ferner [ohne<br />
Verfasser], „Zahlen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Marburger Tagung“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 1(1948)5, S. 1.<br />
246 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 126. Ferner F. HALLER,<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports, (= Klasings kleine Wassersport-Bücherei,<br />
Heft 1), Berlin/Bielefeld [o.J.], S. 1.<br />
247 Vgl. ebenda, S. 4-5. Ferner PABST, Sport – Medium <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik?, S. 56.<br />
248 Vgl. STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S. 77-80.<br />
249 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 126.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 69<br />
fahren wer<strong>de</strong>n. Aber auch hier wussten sich die Organisatoren zu helfen. Die<br />
Streckenlänge wur<strong>de</strong> je nach Bootstyp angepasst, so dass im Gigboot eine<br />
Strecke von 800 bis 1.000m geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong> und im Rennboot eine Distanz<br />
von 1.200 bis 1.500m. Häufig wur<strong>de</strong>n die Boote unter <strong>de</strong>n Vereinen ge-<br />
tauscht. 250 Trotz aller Schwierigkeiten war <strong><strong>de</strong>r</strong> Wille zum Aufbau unerschüt-<br />
terlich. 251<br />
Das Scheitern <strong><strong>de</strong>r</strong> Interzonenkonferenz im Sport und das positive Beispiel<br />
<strong>de</strong>s Organisationsmo<strong>de</strong>lls in Nordrhein-Westfalen 252 veranlasste die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlegung, ihren Sport nach <strong><strong>de</strong>m</strong> herkömmlichen Fachverbandsprin-<br />
zip zu reorganisieren. So erfolgte am 12. März 1947 die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ar-<br />
beitsgemeinschaft Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> US-Zone. Faktisch han<strong>de</strong>lte es sich bereits<br />
um <strong>de</strong>n Zusammenschluss aller Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>fachgruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong> in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> amerikanischen Besatzungszone. Zehn Tage später folgten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Britischen Zone diesem Beispiel durch Gründung <strong>de</strong>s Zonen-<br />
<strong>Aus</strong>schusses Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Daraus folgend grün<strong>de</strong>ten am 28. November 1947 29 Vertreter <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sports aus <strong>de</strong>n drei Westzonen <strong>de</strong>n Arbeitsaussschuß Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (AAR). Zum<br />
ersten Vorsitzen<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> Rolf Lingnau gewählt, Walter Wülfing zu seinem<br />
Stellvertreter. Es galt, die organisatorischen Rahmenbedingungen <strong>für</strong> eine<br />
später folgen<strong>de</strong> Fachverbandsgründung zu schaffen. Dazu wur<strong>de</strong>n, wie beim<br />
früheren DRV, Unterausschüsse <strong>für</strong> verschie<strong>de</strong>ne Fachgebiete gebil<strong>de</strong>t.<br />
Folglich existierten neben <strong><strong>de</strong>m</strong> Hauptausschuss ebenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong> Technische<br />
<strong>Aus</strong>schuss, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsausschuss und die <strong>Aus</strong>schüsse <strong>für</strong> Regattawesen,<br />
Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 253<br />
250 Vgl. HALLER, Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports, S. 4-5. Ferner UEBERHORST,<br />
Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 126.<br />
251 Vgl. G. VON OPEL, Wir ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch die Zeit. Ein Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>buch <strong>für</strong> alle Freun<strong>de</strong> dieses<br />
Sports und solche, die es wer<strong>de</strong>n wollen, Flörsheim/Main 1951, S. 74.<br />
252 Im süd<strong>de</strong>utschen Raum entwickelte sich schnell <strong><strong>de</strong>r</strong> politisch neutrale Einheitssport, was<br />
vor allem <strong><strong>de</strong>r</strong> Toleranz <strong><strong>de</strong>r</strong> amerikanischen Besatzungsoffiziere zugeschrieben wer<strong>de</strong>n<br />
muss. Die Vereine waren überregional in Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong>n organisiert. Auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Britischen<br />
Zone kam es zur Gründung von Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong>n. Die Sportvereine bil<strong>de</strong>ten<br />
zunächst Kreissportbün<strong>de</strong>, die dann die Interessen im Lan<strong>de</strong>ssportbund vertraten. In<br />
Nordrhein-Westfalen hingegen bil<strong>de</strong>ten sich ohne Erlaubnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Besatzungsmacht Lan<strong>de</strong>sfachverbän<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Sportarten. Der Lan<strong>de</strong>ssportbund Nordrhein-<br />
Westfalen wur<strong>de</strong> nach großen <strong>Aus</strong>einan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzungen am 6. Mai 1947 als Dachorganisation<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sfachverbän<strong>de</strong> gegrün<strong>de</strong>t, was ein ein<strong>de</strong>utiger Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur Organisationsstruktur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong> war. Vgl. PABST, Sport –Medium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Politik?, S. 55-59. Ferner STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung,<br />
S. 39-48.<br />
253 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 127.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 70<br />
Der AAR forcierte von Beginn an das einheitliche Regattawesen im Rahmen<br />
einer regulären Verbandsarbeit. Die Überarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettfahrtsregeln, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bestimmungen <strong>für</strong> das Jugend- und Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> bootstechni-<br />
schen Richtlinien schuf die Voraussetzung <strong>für</strong> sportlich faire Wettkämpfe bei<br />
<strong>de</strong>n 50 Regatten <strong>de</strong>s Jahres 1948. Mehr als bewährt hat sich in diesem Zu-<br />
sammenhang die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>passpflicht zur ausgeglichenen Wett-<br />
bewerbsgestaltung, in <strong><strong>de</strong>r</strong> die Leistungsklasse <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ers eingetragen<br />
ist. 254 Neben <strong>de</strong>n organisatorischen Problemen hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> AAR auch wirt-<br />
schaftliche Schwierigkeiten, da die Geschäftsstelle vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Währungsreform<br />
zeitweilig ohne finanzielle Mittel weiterarbeiten musste.<br />
Es bleibt festzuhalten, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> AAR trotz aller Schwierigkeiten seine Ziele<br />
konsequent verfolgte und „[...] in mühevoller Aufbauarbeit [...] als Treuhän-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports die feste Plattform zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>erstarkung<br />
[...]“ 255 baute. Dennoch sollte es noch bis zum 12. Dezember 1949 dauern,<br />
bis <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband neu gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte. Externe Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> die Ver-<br />
zögerung war beispielsweise das Ziel, auf nationaler Ebene eine Dachorga-<br />
nisation aufzubauen, die von <strong>de</strong>n Alliierten genehmigt und mitgetragen<br />
wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Intern scheiterte <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau einer nationalen und überfachli-<br />
chen Dachorganisation anfänglich an <strong>de</strong>n kontroversen Einstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheits- und Fachverbandsi<strong>de</strong>e. 256<br />
Am 17./18. April 1948 fand die Münchner Sportkonferenz statt, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> erst-<br />
mals die Delegierten <strong><strong>de</strong>r</strong> LSB <strong><strong>de</strong>r</strong> Amerikanischen und Britischen Zone mit<br />
<strong>de</strong>n Vertretern von elf Fach-Arbeitsgemeinschaften zusammentrafen. Beim<br />
Abschluss dieses Treffens konnte eine acht Punkte umfassen<strong>de</strong> Resolution<br />
verabschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n Weg zur Neustrukturierung eines <strong>de</strong>utschen<br />
Sport-Dachverban<strong>de</strong>s aufzeigte. Unter Punkt acht hieß es:<br />
„All diese Leitsätze rechtfertigen folgerichtig in je<strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Land Fachverbän<strong>de</strong> in einem Lan<strong>de</strong>ssportverband, weiterhin die<br />
254<br />
Je<strong>de</strong> Altersklasse wur<strong>de</strong> nach Leistungsgruppen differenziert. Die Leistungsgruppe wird<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> gewonnen Rennen ermittelt. Auf diese Weise wird verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t, dass<br />
leistungsstärkere Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er bei Rennen niedriger Klassen zugelassen wer<strong>de</strong>n. Die Passpflicht<br />
besteht <strong>für</strong> Frauen, Männer, Jugendliche und Schüler.<br />
255<br />
P. ELSCHNER, „Zum <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1949 in Wetzlar“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
2(1949)18/19, S. 1.<br />
256<br />
Bis 1947 hatte sich neben <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong>n eine zweite Sparte gebil<strong>de</strong>t, die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
I<strong>de</strong>e von sportfachlichen Arbeitsgemeinschaften entsprach und in ihrer Organisation <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Einheitsprinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong> wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprach. Der Arbeitsausschuss Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist ein<br />
gutes Beispiel <strong>für</strong> diese an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Organisationsform.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 71<br />
Zusammenarbeit dieser Fachverbän<strong>de</strong> sämtlicher Län<strong><strong>de</strong>r</strong> in fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistisch-<strong><strong>de</strong>m</strong>okratisch<br />
aufgebauten Fachverbän<strong>de</strong>n über <strong>de</strong>n<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n und eine ebenso aufgebaute überfachliche Dachorganisation.“<br />
257<br />
Die Leitsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Münchner Sportkonferenz wur<strong>de</strong>n vom Lan<strong>de</strong>ssportbund<br />
Nordrhein-Westfalen und seinem Vertreter Peco Bauwens 258 allerdings nicht<br />
akzeptiert. Daraufhin folgte ein Treffen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Sportfachausschüsse<br />
und Fach-Arbeitsgemeinschaften mit <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s Münchner <strong>Aus</strong>-<br />
schusses im Rahmen einer Interzonenkonferenz in Köln. Bauwens propa-<br />
gierte weiterhin die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s reinen Fachverban<strong>de</strong>s und lehnte eine<br />
übergeordnete Dachorganisation ab. Schließlich wur<strong>de</strong> die Bildung eines<br />
Arbeitsausschusses <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Sportfachausschüsse beschlossen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mit <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s Münchner <strong>Aus</strong>schusses einen Plan ausarbeiten soll-<br />
te. Parallel schlossen sich die Fachverbän<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />
Deutscher Sportfachverbän<strong>de</strong> unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung von Bauwens zusammen. 259<br />
Am 28. August 1948 trafen sich die Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schüsse in<br />
Schöneberg im Taunus und einigten sich auf ein 18-Punkte-Programm <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Aufbau einer <strong>de</strong>utschen Dachorganisation. Sie beschlossen, dass Fach-<br />
verbän<strong>de</strong> und LSB gemeinsam die Dachorganisation bil<strong>de</strong>n sollten. Das Prä-<br />
sidium sollte von einem Plenum gewählt wer<strong>de</strong>n, in <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>de</strong>n<br />
Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong>n je zwei und <strong>de</strong>n Fachverbän<strong>de</strong>n je eine Stimme zuge-<br />
sprochen wur<strong>de</strong>. <strong>Aus</strong> diesem Plenum setzte sich auch das Nationale Olym-<br />
pische Komitee <strong>für</strong> Deutschland (NOK) zusammen. 260<br />
Nach langen Diskussionen wur<strong>de</strong> am 23./24. Oktober 1948 in Bad Homburg<br />
die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sport (ADS) gegrün<strong>de</strong>t, die im Wesentli-<br />
chen <strong>de</strong>n Schöneberger Grundsätzen folgte. Damit war die Bildung einer<br />
ersten, zunächst vorläufigen, Dachorganisation in <strong>de</strong>n drei Westzonen ge-<br />
lungen. Die ADS stellte die Basis <strong>für</strong> die Gründung <strong>de</strong>s DSB dar. Bis zur<br />
Konstituierung sollten allerdings noch zwei weitere Jahre vergehen, da es<br />
immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu Unstimmigkeiten zwischen Bauwens und seinen Gegen-<br />
spielern kam. Ein weiterer Grund <strong>für</strong> die Verzögerung war die Ablehnung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gründung und Anerkennung eigenständiger Fachverbän<strong>de</strong>, im Speziellen <strong>für</strong><br />
257 STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S. 53.<br />
258 Dr. Peter Josef Bauwens wur<strong>de</strong> 1949 zum ersten Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegrün<strong>de</strong>ten<br />
<strong>Deutschen</strong> Fußball-Bun<strong>de</strong>s nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg gewählt.<br />
259 Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 44.<br />
260 Vgl. STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S. 85-86.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 72<br />
Turnen und Fechten durch die Alliierten, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s durch Russen und Fran-<br />
zosen. Dabei beriefen sie sich auf die Bestimmungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktive Nr. 23,<br />
die einen entmilitarisierten Sport vorsah. Daran scheiterte auch die Konstitu-<br />
ierung <strong>de</strong>s NOK, <strong>de</strong>ssen Träger die Fachverbän<strong>de</strong> respektive die Arbeits-<br />
ausschüsse gewesen wären. Die Gründung <strong>de</strong>s NOK musste daher auf <strong>de</strong>n<br />
24. September 1949 verschoben wer<strong>de</strong>n. 261 Bauwens stand weiterhin <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gründung eines <strong>de</strong>utschen Dachverban<strong>de</strong>s ablehnend gegenüber. Erst im<br />
Mai 1950 konnte die Kontroverse zwischen ihm als Repräsentanten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fachverbän<strong>de</strong> und <strong><strong>de</strong>m</strong> ADS-Präsidium in Frankfurt beigelegt wer<strong>de</strong>n. Mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verabschiedung <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung wur<strong>de</strong> am 10. Dezember 1950 in Hannover<br />
die Gründung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Sportbun<strong>de</strong>s vollzogen. Zum ersten Präsi<strong>de</strong>n-<br />
ten wur<strong>de</strong> Willi Daume gewählt. Walter Wülfing vertrat als Beisitzer die Inte-<br />
ressen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. 262<br />
Ein Jahr davor versammelten sich auf <strong><strong>de</strong>m</strong> ersten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag nach Kriegsen<strong>de</strong><br />
am 11. Dezember 1949 in Wetzlar etwa 100 Delegierte <strong><strong>de</strong>r</strong> 218 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>- und<br />
16 Regattavereine, um <strong>de</strong>n neuen <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband zu grün<strong>de</strong>n. 263<br />
Erster Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong> Walter Wülfing, sein Stellvertreter Georg von Opel<br />
und zum Schatzmeister Heinz Loosen 264 .<br />
261<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung am 14. August 1949 ergab sich die<br />
Möglichkeit zur Konstituierung <strong>de</strong>s NOK durch die „Bun<strong>de</strong>sfeier“ und wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend<br />
in das „Programm integriert“. Vgl. G. SPITZER, „Zwischen 1945 und 1952: Drei<br />
NOKs <strong>für</strong> Deutschland“, in: M. LÄMMER, (Hrsg.), Deutschland in <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Bewegung.<br />
Eine Zwischenbilanz, Frankfurt a.M. 1999, S. 181. Ferner PABST, Sport – Medium<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Politik?, S. 62-63.<br />
262<br />
Vgl. ebenda. Ferner STRYCH, Der west<strong>de</strong>utsche Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung, S.<br />
54-68.<br />
263<br />
Das neue Grundgesetz war in seiner <strong>Aus</strong>sage eng an die alten Statuten gelehnt. Der<br />
Amateurparagraph fand wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufnahme, allerdings in verän<strong><strong>de</strong>r</strong>tem Wortlaut. Danach<br />
war zu allen offenen Regatten <strong>de</strong>s DRV zugelassen, wer das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Amateur betrieb,<br />
und aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>übung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports keine Vermögensvorteile zog, zu ziehen<br />
beabsichtigt o<strong><strong>de</strong>r</strong> gezogen hat. Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in<br />
West<strong>de</strong>utschland, S. 40.<br />
264<br />
Die weiteren Unterausschüsse (UA) wur<strong>de</strong>n wie folgt besetzt: Lotte Clos (Vorsitzen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s UA Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n); Dr. Herbert Buhtz (Mitglied <strong>de</strong>s UA Regattawesen); Georg Haas<br />
(Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s UA Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n); Carl Schütte (Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Technischen <strong>Aus</strong>schusses);<br />
Balthasar Schlienbecker (Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s UA Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n); Wilhelm Reichert<br />
(Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s UA Regattawesen); Dr. Werner Heerwagen (Mitglied <strong>de</strong>s<br />
Rechtsausschusses/UA Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n); Oscar Cor<strong>de</strong>s (Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Rechtsauschusses).<br />
Vgl. [P. ELSCHNER], „Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1949 in Wetzlar“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
2(1949)20, S. 1.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 73<br />
Primäres Ziel <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s war <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau und die Fortsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kultur. Es galt, „[...] <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
altem Ansehen und zu alter Geltung zu bringen“. 265<br />
4.5 Der Aufbau <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Ost<strong>de</strong>utschland<br />
Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges war die <strong>de</strong>utsche Sportbewegung auch<br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetisch Besetzen Zone völlig zum Erliegen gekom-<br />
men und musste vollkommen neu aufgebaut wer<strong>de</strong>n. Während die Bestim-<br />
mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontrollratsdirektive Nr. 23 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Britischen und US-<br />
amerikanischen Zone relativ tolerant ausgelegt wur<strong>de</strong>n und somit schnell mit<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau begonnen wer<strong>de</strong>n konnte, gingen die Verantwortlichen in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Wege. Die sowjetischen Sportoffiziere achteten streng auf<br />
die Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichen Vorgaben, die die Auflösung aller bestehen-<br />
<strong>de</strong>n Sportvereine und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Überführung in kommunale Sportorganisationen<br />
zur Folge hatten. 266 In <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ waren alle bürgerlichen Vereine, die vor 1945<br />
im NSRL organisiert waren, noch vor Inkrafttreten <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktive Nr. 23 durch<br />
die Bestimmungen <strong>de</strong>s Gesetzes Nr. 2 von <strong><strong>de</strong>r</strong> sowjetischen Kommandantur<br />
aufgelöst und verboten wor<strong>de</strong>n. 267 Am 30. Oktober 1945 wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n<br />
Befehl Nr. 124 die Beschlagnahme <strong>de</strong>s gesamten Vereinseigentums ange-<br />
ordnet.<br />
265<br />
W. WÜLFING, „Nun wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 2(1949)20,<br />
S. 1.<br />
266<br />
Vgl. G. HOLZWEIßIG, „Sport als Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR in <strong>de</strong>n inner<strong>de</strong>utschen und internationalen<br />
Beziehungen“, in: H. UEBERHORST (Hrsg.), Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen, Bd. 3/2,<br />
Leibesübungen in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Berlin/München/Frankfurt<br />
a.M. 1981, S. 917. Ferner DICHTER, „‘Strict measures must be<br />
taken’: Wartime Planning and the Allied Control of Sport in Occupied Germany”, S. 199.<br />
Die Kontrollratsdirektive Nr. 23 ist von <strong><strong>de</strong>m</strong> sowjetischen General Sokolowski initiiert<br />
wor<strong>de</strong>n. Hieraus erklärt sich die Tatsache, dass die Umsetzung dieser Bestimmungen in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s strikt verfolgt wur<strong>de</strong>.<br />
267<br />
„Verwaltungsrechtliche Eckpositionen und politische Zielorientierungen waren durch <strong>de</strong>n<br />
SMAD-Befehl Nr. 2 vom 10. 6. 1945 und <strong>de</strong>n KPD-Aufruf vom 11. 6. 1945 vorgegeben.<br />
[...] Das Potsdamer Abkommen (2. 8. 1945), das Kontrollratsgesetz Nr. 2 (10. 10. 1945)<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Festlegung zur „Liquidierung aller faschistischen Organisationen und Einrichtungen“...<br />
und die Kontrollratsdirektive Nr. 23 (17. 12. 1945) über die „Beschränkung und<br />
Entmilitarisierung <strong>de</strong>s Sportwesens in Deutschland“ bil<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>n Rahmen <strong>für</strong> die schwere<br />
Arbeit <strong>de</strong>s Neuaufbaus. [...].“ N. HEISE, „Zum Neuaufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong>okratischen Sportbewegung<br />
in Mag<strong>de</strong>burg als Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> antifaschistisch-<strong><strong>de</strong>m</strong>okratischen Umwälzung 1945-<br />
1949“, in: [Mag<strong>de</strong>burger Blätter], Mag<strong>de</strong>burg 1984, S. 15, zitiert nach: WINKLER, Die geschichtliche<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 6-7.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 74<br />
„Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschlagnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinsvermögen und generell mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Beseitigung <strong><strong>de</strong>r</strong> kapitalistischen Wirtschaftsordnung wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bürgerliche Sport seiner materiellen Basis beraubt.“ 268<br />
Damit war die Möglichkeit einer Reorganisation <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Vereine<br />
ausgeschlossen. 269 Die Direktive diente <strong>de</strong>n kommunistischen Funktionären<br />
als erwünschtes Mittel <strong>für</strong> die Auflösung vieler Traditionen. 270 Ihre <strong>Aus</strong>legung<br />
war gleichzeitig <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Schritt zum zentralistisch geleiteten Staatssport. Es<br />
gab allerdings auch <strong>Aus</strong>nahmen, wie G. Wonneberger anmerkt:<br />
„Wohl aber entstan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>zentralisiert sehr unterschiedliche Organisationsformen<br />
– <strong>de</strong>n jeweiligen örtlichen personellen und materiellen<br />
Gegebenheiten entsprechend: Von <strong><strong>de</strong>r</strong> einfachen<br />
Weiterführung ehemaliger NSRL-Vereine (o<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelner Abteilungen)<br />
unter neuer Führung, über die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gründung von 1933<br />
verbotenen Arbeitersportvereinen, bis zur Bildung neuer Formen<br />
in Gestalt von selbständigen Sportgruppen, meist in Verbindung<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktivität antifaschistischer Jugendausschüsse.“ 271<br />
Stellenweise entstan<strong>de</strong>n dabei sehr früh auch überregionale informelle Ver-<br />
bindungen einzelner Sportarten, die allerdings aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktive Nr. 23<br />
nur auf Kreisebene aktiv wer<strong>de</strong>n konnten.<br />
Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im NSRL organisiert war, blieb das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n unter Anwen-<br />
dung <strong><strong>de</strong>r</strong> genannten Direktiven bis 1948 in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ offiziell verboten. Doch<br />
nicht nur aus diesem Grund war die Situation <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ<br />
noch schlechter als in <strong>de</strong>n westlichen Zonen. Kurz vor En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Krieges hat-<br />
te die Deutsche Wehrmacht nämlich befohlen, alle Sportboote zwischen<br />
O<strong><strong>de</strong>r</strong> und Elbe zu zerstören. Dieser Befehl erwies sich später als unsinnig<br />
und nutzlos, da das Vorrücken <strong><strong>de</strong>r</strong> Roten Armee in keinster Weise verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n konnte. 272 Nach Kriegsen<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>, genau wie im Westen auch in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ das Bootsmaterial gestohlen und zweckentfrem<strong>de</strong>t. „In <strong><strong>de</strong>r</strong> gesam-<br />
268<br />
PABST, Sport – Medium <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik?, S. 74.<br />
269<br />
Vgl. H. J. TEICHLER, „Die schwierigen Anfänge <strong>de</strong>s Sports unter <strong><strong>de</strong>m</strong> SED-Regime 1945-<br />
1957“, in: STADION 34(2008)2, S. 245. Die Richtlinien zum Aufbau einer einheitlichen<br />
Sportbewegung untersagten eine Namensgebung entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Traditionen.<br />
Bezeichnungen wie „Neptun“, „Werner Seelenbin<strong><strong>de</strong>r</strong>“ und „Einheit“ wur<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> SED<br />
empfohlen.<br />
270<br />
Vgl. DICHTER, „‘Strict measures must be taken’: Wartime Planning and the Allied Control<br />
of Sport in Occupied Germany”, S. 202.<br />
271<br />
G. WONNEBERGER, „Studie zur Struktur und Leitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportbewegung in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ/DDR<br />
(1945-1961)“, in: W. BUSS/C. BECKER (Hrsg.) Der Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ und frühen DDR. Genese<br />
– Strukturen – Bedingungen (= Schriftenreihe <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sinstituts <strong>für</strong> Sportwissenschaft<br />
Bd. 109), Schorndorf 2001, S. 194.<br />
272<br />
Vgl. A. FREYEISEN, „Diplomaten im Trainingsanzug. Die Geschichte <strong>de</strong>s DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports,<br />
Teil 1: Auferstan<strong>de</strong>n aus Ruinen“, in: ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 4(1998)2, S. 19.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 75<br />
ten sowjetischen Besatzungszone verblieben lediglich 875 Boote, von <strong>de</strong>nen<br />
nur 134 als Rennboote bezeichnet wer<strong>de</strong>n konnten“. 273 Die übrigen Boote<br />
wur<strong>de</strong>n als Reparationsleistungen eingezogen.<br />
Versuche zum Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports fan<strong>de</strong>n trotz <strong>de</strong>s allgemeinen<br />
Verbots schon zu Beginn <strong>de</strong>s Jahres 1946 statt. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Genehmigung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>utschen Selbstverwaltungsorgane sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetischen Militäradminist-<br />
ration in Deutschland (SMAD) wur<strong>de</strong>n auf Initiative ehemaliger Arbeitersport-<br />
ler Sportvereine auf kommunaler Ebene ins Leben gerufen. Exemplarisch<br />
seien hier die Wasserfahrer Prenzlauer Berg/Erkner genannt. 274 Da keine<br />
Boote vorhan<strong>de</strong>n waren, begnügte man sich vorläufig mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Training in<br />
einem Trockenru<strong><strong>de</strong>r</strong>apparat.<br />
Um einen kommunalen Wettkampfbetrieb zu organisieren, musste <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport<br />
neu strukturiert wer<strong>de</strong>n:<br />
„Auf örtlicher Ebene wur<strong>de</strong>n Sportorganisationen zugelassen, in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Trägerschaft sich die Freie Deutsche Jugend und <strong><strong>de</strong>r</strong> Freie<br />
Deutsche Gewerkschaftsbund teilten. Im Regelfall wur<strong>de</strong> die ‘Betriebssportgemeinschaft’,<br />
die an die Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren Sportvereine<br />
trat, die Grundorganisation <strong>de</strong>s Sports.“ 275<br />
Die bestehen<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppen wur<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> am 7. März 1946 gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Freien <strong>Deutschen</strong> Jugend (FDJ) angeschlossen. Am 22. September 1946<br />
fand unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahne <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ die erste regionale Nachkriegsregatta in Ber-<br />
lin-Grünau statt. 276 <strong>Aus</strong>geschrieben waren elf Rennen, es konnten aber nicht<br />
alle Mannschaften anreisen, da keine Genehmigung durch die SMAD erteilt<br />
273<br />
WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR,<br />
S. 3-7.<br />
274<br />
Trotz <strong>de</strong>s zunächst bestehen<strong>de</strong>n Verbots gab es in vielen Städten ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportliche Aktivitäten,<br />
vor allem in Berlin, Mag<strong>de</strong>burg, Greifswald, Torgau, Dres<strong>de</strong>n, Meißen, Weißenfels,<br />
Wurzen, Leipzig, Potsdam, Bran<strong>de</strong>nburg, Frankfurt/O<strong><strong>de</strong>r</strong> und Cottbus. Um <strong>de</strong>n Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau<br />
bemühten sich vor allem ältere Sportler, die froh waren, <strong>de</strong>n Krieg überstan<strong>de</strong>n zu<br />
haben und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrem Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport nachgehen wollten. Vgl. ebenda, S. 4-7.<br />
275<br />
FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG (Hrsg.) Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Demokratischen Republik,<br />
Bonn 1975, S. 9.<br />
276<br />
Winkler berichtet von einer Regatta in Greifswald am 4. August 1946, an <strong><strong>de</strong>r</strong> allerdings<br />
nur Sportler aus eben dieser Stadt teilnahmen, da an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Athleten aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> kommunalen<br />
Restriktionen nicht anreisen konnten. Insgesamt waren sieben Rennen ausgeschrieben,<br />
davon zwei <strong>für</strong> Frauen. Die Streckenlänge variierte zwischen 500m und<br />
1000m. „Als Abschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkämpfe fand aus Mangel an Booten eine kombinierte Staffel<br />
als Ergänzung statt, wobei je drei Sportler 50m Schwimmen, 500m Laufen und 500m<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Einer zu bewältigen hatten.“ WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports<br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 11.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 76<br />
wor<strong>de</strong>n war. 277 In <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Städten ging <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau nicht so zielstrebig<br />
und schnell voran wie in Berlin. Prinzipiell war es auch hier entschei<strong>de</strong>nd,<br />
gute Kontakte zu <strong>de</strong>n sowjetischen Kultur- und Sportoffizieren herzustellen<br />
und das zum Teil bei Privatleuten versteckte Bootsmaterial ausfindig und <strong>de</strong>n<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppen zugänglich zu machen. Die sichergestellten Boote wur<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>n neu gegrün<strong>de</strong>ten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ übergeben und bekamen ganz<br />
im Sinne <strong>de</strong>s Staatssports Namen, die <strong>de</strong>n Geist <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen antifaschistisch-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong>okratischen Sportbewegung zum <strong>Aus</strong>druck bringen sollten. 278 Vereine,<br />
die sich nicht <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ anschlossen, wur<strong>de</strong>n verboten. Sie<br />
galten als reaktionär, da sie mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Festhalten an Traditionen <strong>de</strong>n Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
aufbau im Sinne eines zentralistischen Staatssports konterkariert hätten.<br />
Die erste überregionale Regatta, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaften aus Greifswald,<br />
Bernburg, Merseburg, Weißenfels und Meißen antraten, fand am 26. Mai<br />
1947 im Rahmen <strong>de</strong>s 2. Parlaments <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Elbe statt. 279 Am 8. Juni<br />
folgte die Berliner Frühjahrsregatta in Berlin, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> weitere Regatten ange-<br />
kündigt wur<strong>de</strong>n, wie die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatta in Wannsee am 6. Juli 1947, die Große<br />
Grünauer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatta am 20. Juli 1947, die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta in Gatow am 3.<br />
August 1947 und die Herbstregatta in Grünau am 21. September 1947. Ver-<br />
anstalter dieser Wettkämpfe war <strong><strong>de</strong>r</strong> unter FDJ-Schirmherrschaft agieren<strong>de</strong><br />
Berliner-Regatta-<strong>Aus</strong>schuß. 280 Die gestiegenen Teilnehmerzahlen 281 waren<br />
richtungweisend <strong>für</strong> das erklärte Ziel, <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinheit zu-<br />
gänglich zu machen und ihm <strong>de</strong>n Charakter eines Volkssports zu geben. Das<br />
elitäre Denken <strong><strong>de</strong>r</strong> „Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine“ sollte endgültig <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />
angehören.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ mangelte es trotz aller Entbehrungen nicht an Begeisterung und<br />
Enthusiasmus <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Fehlen<strong>de</strong>s Bootsmaterial wur<strong>de</strong> auf ein-<br />
fallsreiche Weise kompensiert. In <strong><strong>de</strong>m</strong> Programmheft <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. Mecklenburgi-<br />
schen Nachkriegs-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Kanuregatta am 24. August 1947 in Schwerin<br />
wur<strong>de</strong> um Materialspen<strong>de</strong>n gebeten:<br />
277<br />
Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen variiert bei Winkler zwischen zehn und elf. Insgesamt waren nach<br />
Winkler 39 Boote, 196 Männer und 35 Frauen am Start. Vgl. ebenda, S. 19.<br />
278<br />
Vgl. ebenda, S. 15.<br />
279<br />
Vgl. G. BEYER, „Der an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Weg. Skizzen zur Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
von 1945-1990,“ in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)27, S. 665.<br />
280<br />
Vgl. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 19.<br />
281<br />
Vgl. ebenda. Für die Regatta am 20. Juli 1947 waren 16 Rennen mit 40 Booten ausgeschrieben.<br />
Es nahmen 246 Männer und 130 Frauen teil.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 77<br />
„Sportfreun<strong>de</strong>, för<strong><strong>de</strong>r</strong>t die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>belebung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in<br />
Schwerin! Spen<strong>de</strong>t Lacke, Holz und Kupfernägel, je<strong>de</strong> Menge wird<br />
angenommen [...].“ 282<br />
Neue Boote konnten <strong>de</strong>nnoch zunächst nicht angeschafft wer<strong>de</strong>n, da die<br />
Grundmaterialien wie Mahagoni o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ze<strong><strong>de</strong>r</strong>nholz und Messing <strong>für</strong> Dollen und<br />
<strong>Aus</strong>leger nicht erhältlich waren. Deshalb wur<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ die meisten<br />
Rennen in dieser Zeit in Gigs ausgetragen.<br />
In <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Nachkriegsjahren war die FDJ Hauptträger <strong>de</strong>s Sports<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> 11. Tagung <strong>de</strong>s Parteivorstan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> SED am 30. Juni<br />
1948 wur<strong>de</strong> auch über die Entwicklung von Körperkultur und Sport beraten.<br />
Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), die Volkseigenen Großbe-<br />
triebe (VEB) und die Kommunen wur<strong>de</strong>n aufgerufen, sich an <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen<br />
Sportbewegung zu beteiligen:<br />
„[...] in allen Dörfern, Städten und Großbetrieben sind Sportgemeinschaften<br />
ins Leben zu rufen, an <strong><strong>de</strong>r</strong>en Spitze die besten und<br />
bewährtesten antifaschistischen Sportler treten sollen. Hierbei soll<br />
gera<strong>de</strong> die Jugend tatkräftig vorangehen, <strong>de</strong>nn es gilt, eine <strong>de</strong>n<br />
wahrhaften Interessen unseres Volkes dienen<strong>de</strong> Sportbewegung<br />
aufzubauen.“ 283<br />
Zur Umsetzung dieses Beschlusses wur<strong>de</strong>n im August und September durch<br />
die FDJ, <strong>de</strong>n FDGB sowie die Sportämter Stadt-, Kreis- und Lan<strong>de</strong>ssport-<br />
ausschüsse gebil<strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong>en zentrale Leitung <strong><strong>de</strong>r</strong> am 1. Oktober 1948 ge-<br />
grün<strong>de</strong>te Deutsche Sportausschuß (DSA) übernahm. 284 Die FDJ-<br />
Ostzonenmeisterschaften im Frühjahr 1948 hatten <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendorganisation<br />
die Grenzen ihrer organisatorischen Leistungsfähigkeit und Beliebtheit bei<br />
<strong>de</strong>n Sportlern aufgezeigt. 285 Daher waren FDJ und FDGB gemeinsamer Trä-<br />
ger <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportgemeinschaften.<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> konstituieren<strong>de</strong>n Sitzung wur<strong>de</strong>n die Ziele und Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> ‘<strong><strong>de</strong>m</strong>o-<br />
kratischen’ Sportbewegung beschlossen:<br />
„Die <strong><strong>de</strong>m</strong>okratische Sportbewegung will <strong>de</strong>n körperlichen, geistigen<br />
und sittlichen Aufstieg <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Volkes för<strong><strong>de</strong>r</strong>n und an<br />
282 Ebenda, S. 20.<br />
283 [ohne Verfasser], „Aufruf <strong><strong>de</strong>r</strong> FDJ und <strong>de</strong>s FDGB vom 1. August 1948“, in: Deutsches<br />
Sportecho 2(1948)59, S. 1.<br />
284 Vgl. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 21-22.<br />
285 Vgl. TEICHLER, „Die schwierigen Anfänge <strong>de</strong>s Sports unter <strong><strong>de</strong>m</strong> SED-Regime 1945-<br />
1957“, S. 245.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 78<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung einer neuen Kultur mitarbeiten. [...] Sie dient <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Hebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Volksgesundheit und damit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungsfähigkeit,<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> jungen Generation.“ 286<br />
Je<strong>de</strong> einzelne Sportart wur<strong>de</strong> in Anlehnung an alte Arbeitersport-Traditionen<br />
in einer geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Sparte zusammengefasst. So entstand die erste über-<br />
regionale Organisation <strong>de</strong>s Sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ. Im Zuge <strong>de</strong>ssen stieg die An-<br />
zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbe <strong>de</strong>utlich an. Dies machte sich auch im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
bemerkbar. Die Vielzahl an Regatten machte es erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, eine neue Sat-<br />
zung zu schaffen. Anfang <strong>de</strong>s Jahres 1949 wur<strong>de</strong> vom DSA die Sportord-<br />
nung Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n herausgegeben, die in elf Abschnitte 287 unterteilt war, wobei<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfdurchführung die größte Aufmerksamkeit geschenkt wur<strong>de</strong>.<br />
Erster Höhepunkt dieser Bemühungen war die Ostzonen-Meisterschaft am<br />
17. Juli 1949 in Berlin-Grünau. Vorgesehen waren 19 Rennen, von <strong>de</strong>nen<br />
zwölf als Meisterschaftsrennen gewertet wer<strong>de</strong>n sollten. Unter großem Auf-<br />
wand konnten schließlich neun Rennen in Rennbooten ausgetragen wer-<br />
<strong>de</strong>n. 288 Um dieses zu ermöglichen, wur<strong>de</strong>n wie in West<strong>de</strong>utschland Boote<br />
ausgeliehen o<strong><strong>de</strong>r</strong> getauscht. Im Rahmen dieser Entwicklung konnten in je-<br />
nem Jahr noch weitere größere Regatten abgehalten wer<strong>de</strong>n, beispielsweise<br />
die Grünauer Frühjahrsregatta am 28./29. Mai, die Wannsee-Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Regatta am 12. Juni, die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Havel am 18./19. Juni, die<br />
Grünauer Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta am 26. Juni, die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta auf <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Tegeler See am 2./3. Juli, die Große Grünauer Regatta am 9./10. Juli und die<br />
Wannsee-Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta am 24. Juli. 289<br />
Das Jahr 1949 war richtungweisend <strong>für</strong> die Neuorganisation <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sports. Der DSA begann schon En<strong>de</strong> 1948 mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlagerung <strong>de</strong>s Sports<br />
von <strong>de</strong>n Kommunen in die Betriebe. Hieraus entstan<strong>de</strong>n die Betriebssport-<br />
gemeinschaften, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Aufgabe die sozialistische Gestaltung von Körperkul-<br />
tur und Sport war. Bis zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR am 7. Oktober 1949 waren<br />
286 Ebenda, S. 23.<br />
287 Die elf Abschnitte wur<strong>de</strong>n wie folgt bezeichnet: Veranstaltungen und Berichterstattungen;<br />
Teilnahmeberechtigungen an Wettkämpfen; Zusammensetzung <strong>de</strong>s Kampfgerichtes;<br />
Durchführung von Veranstaltungen; Klasseneinteilungen; Wettkampfru<strong><strong>de</strong>r</strong>n; Meisterschaften;<br />
Frauenwettbewerbe; Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n; kulturelle Erziehung; Erläuterung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bootstypen, Richtlinien <strong>für</strong> Bootsabmessungen. Vgl. DEUTSCHER SPORTAUSSCHUß (Hrsg.),<br />
Sportordnung Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Berlin (Ost) 1949, S. 1.<br />
288 Vgl. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 25-26.<br />
289 Vgl. ebenda, S. 27.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 79<br />
etwa 800 dieser Gemeinschaften entstan<strong>de</strong>n. 290 Dem Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ<br />
haftete noch lange ein „bürgerlicher Ruf“ an. Durch die Einrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> BSG<br />
gelang es allerdings, tiefer in die vermeintliche Domäne <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Eli-<br />
te einzudringen und <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong>für</strong> breitere Bevölkerungskreise zu öff-<br />
nen.<br />
Am 29./30. Juli 1950 wur<strong>de</strong>n die ersten offenen DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Meisterschaften<br />
in Berlin-Grünau abgehalten. Insgesamt kämpften 666 291 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er aus 36 Sportgemeinschaften um 16 zu vergebene Meistertitel. Im<br />
Zuge dieser Entwicklung grün<strong>de</strong>ten bewährte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportfunktionäre in Leip-<br />
zig die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR als nationalen Fachverband. 292 Ähnlich wie<br />
beim DRV wur<strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schüsse <strong>für</strong> die verschie<strong>de</strong>nen Fachbereiche formiert,<br />
die allerdings „Kommissionen“ genannt wur<strong>de</strong>n. 293 Diese Sektion hatte sich<br />
zur Aufgabe gemacht, „die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zu för-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n und dabei das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung zu verbreiten, um somit<br />
zur Volksgesundheit einen Beitrag zu leisten.“ 294 Am 29. März 1952 setzte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Sportausschuß das Präsidium <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein. Heinz<br />
Dose wur<strong>de</strong> zum ersten Vorsitzen<strong>de</strong>n bestimmt, sein Stellvertreter war Rolf<br />
Mrusek. 295<br />
Wichtige Impulse <strong>für</strong> die Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Minis-<br />
terialbeschluss „Über die weitere Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperkultur und <strong>de</strong>s<br />
Sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR“ 296 gesetzt. Dieser Beschluss betraf alle Teilgebiete <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Körperkultur und <strong>de</strong>s Sports. Die strategische Aufgabenstellung war folgen-<br />
290 Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 51.<br />
291 Zeitgleich zur Meisterschaft wur<strong>de</strong> auch die Bestenermittlung <strong>für</strong> Junioren durchgeführt,<br />
so dass davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n muss, dass die Teilnehmer dieser Veranstaltung<br />
zur Gesamtteilnehmerzahl hinzugerechnet wur<strong>de</strong>n. Vgl. WINKLER, Die geschichtliche<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 33.<br />
292 Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 51.<br />
293 Es gab Kommissionen <strong>für</strong> folgen<strong>de</strong> Zuständigkeitsbereiche: Veranstaltung, Regatten,<br />
Finanzen und Planung; Rechts-, Schieds- und Kampfrichterwesen; Training und Lehrgänge;<br />
Jugend- und Hochschulsport; Frauen- und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n; Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n; <strong>Aus</strong>gleichssport;<br />
Bootsbau- und Vermessung; Presse. Vgl. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 35-36.<br />
294 Ebenda, S. 37.<br />
295 Bereits 1950 war Kurt Kaczkowiak zum Generalsekretär ernannt wor<strong>de</strong>n. Präsi<strong>de</strong>nt und<br />
Vizepräsi<strong>de</strong>nt wur<strong>de</strong>n erst 1952 gewählt. Kaczkowiak verstarb bereits 1951, sein Nachfolger<br />
wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> aus Greifswald stammen<strong>de</strong> Trainer Franz Klattkowski. Dieser wird von<br />
Winkler als „republikflüchtig“ bezeichnet, ebenso wie Mrusek, <strong><strong>de</strong>r</strong> später im Unterausschuß<br />
Regattawesen <strong>de</strong>s DRV aufgeführt wird. Vgl. ebenda, S. 38. Ferner DEUTSCHER<br />
RUDERVERBAND (Hrsg.), Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport Almanach 1970. Jahrbuch und Adreßbuch <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Min<strong>de</strong>n 1971, S. 103.<br />
296 WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR,<br />
S. 44.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 80<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen formuliert: die Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- Jugend- sowie <strong>de</strong>s Mas-<br />
sensports, die Erziehung aller Sportler zur Liebe zur Heimat, die Optimierung<br />
<strong>de</strong>s Leistungssports und die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Sportabzeichens. 297 Diese<br />
Arbeitsrichtlinien und Handlungsorientierungen waren selbstverständlich<br />
auch <strong>für</strong> die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verbindlich.<br />
Im April 1957 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DSA in <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Turn- und Sportbund über-<br />
führt. Dieser Dachorganisation kamen weit reichen<strong>de</strong> politische und i<strong>de</strong>ologi-<br />
sche Aufgaben und Befugnisse zu. Im Gründungsstatut wur<strong>de</strong> die aktive<br />
Teilnahme am Sozialismus verankert und <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kampf gegen <strong>de</strong>n Mißbrauch<br />
<strong>de</strong>s Sports in West<strong>de</strong>utschland“ propagiert. 298 Insgesamt zeigte sich eine<br />
<strong>de</strong>utliche Verschärfung <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Aufgabenstellung <strong>de</strong>s DTSB:<br />
„Passagen, in <strong>de</strong>nen ‘Liebe und Treue zur Arbeiter- und Bauernmacht’,<br />
die Verteidigung ‘sozialistischer Errungenschaften’ sowie<br />
die Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> ‘zu sozialistischem Denken und Han<strong>de</strong>ln’<br />
als Ziele <strong>de</strong>s DTSB [genannt wur<strong>de</strong>n] waren im ursprünglichen<br />
Entwurf nicht enthalten und wur<strong>de</strong>n, nach<strong><strong>de</strong>m</strong> sie sich schon<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Anerkennung <strong>de</strong>s NOK durch das IOC als hin<strong><strong>de</strong>r</strong>lich herausstellten,<br />
in einer geglätteten Neufassung 1961 fallen gelassen.“<br />
299<br />
Am 12. April 1958 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR in<br />
<strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband umbenannt. Vorangegangen war <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Beschluss vom 9. November 1957, in <strong><strong>de</strong>m</strong> das erweiterte Präsidium <strong><strong>de</strong>r</strong> Sek-<br />
tion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Bildung <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s durch die Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Organe in <strong>de</strong>n<br />
Kreisen, Bezirken sowie <strong>de</strong>s Präsidiums beschlossen hatte.<br />
Für das Amt <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>nten gab es 19 Bewerber, darunter mit Ingeborg<br />
Schlicke, Hella Schulz und Johanna Sperling auch drei Frauen. Mit Annema-<br />
rie Westphal bewarb sich auch eine Frau um einen Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Revisions-<br />
kommission. Heinz Dose wur<strong>de</strong> als Präsi<strong>de</strong>nt gewählt und stand somit<br />
10.200 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor. 300 Unter <strong>de</strong>n 91 Delegierten <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Kreise wa-<br />
297 Vgl. ebenda.<br />
298 Vgl. M. KRÜGER, Einführung in die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung und <strong>de</strong>s Sports, Teil<br />
3: Leibesübungen im 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Sport <strong>für</strong> alle (= Sport und Sportunterricht, Bd. 10),<br />
Schorndorf 1993, S. 176.<br />
299 Beschluss <strong>de</strong>s Sekretariats <strong>de</strong>s Zentralkomitees <strong><strong>de</strong>r</strong> SED vom 6. April 1961, zitiert nach:<br />
TEICHLER, „Die schwierigen Anfänge <strong>de</strong>s Sports unter <strong><strong>de</strong>m</strong> SED-Regime 1945-1957“, S.<br />
255<br />
300 Vgl. STIFTUNG ARCHIV DER PARTEIEN UND MASSENORGANISATIONEN DER DDR IM BUNDESAR-<br />
CHIV (SAPMO-BARCH), DY 12/2967, Fiche 1, Bl. 15. Ferner vgl. WINKLER, Die geschichtliche<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 47-48. Als
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 81<br />
ren sechs Frauen vertreten. Es galt, <strong>de</strong>n Ministerialbeschluss umzusetzen,<br />
was unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em die systematische För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s talentierten Nach-<br />
wuchses, planmäßige Qualifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainer, Übungsleiter, Kampfrichter<br />
und Funktionäre sowie die Aufnahme von internationalen Sportbeziehungen<br />
und Mitarbeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA beinhaltete. Hierzu hieß es unter Punkt II. in <strong>de</strong>n<br />
Aufgaben <strong>de</strong>s DRSV:<br />
„Der DRSV setzt sich zum Ziel, <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung<br />
zu verbreiten und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Jugend <strong>für</strong> die <strong>Aus</strong>übung<br />
<strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports zu gewinnen. Er sieht seine vornehmste Aufgabe<br />
darin, <strong>de</strong>n Sportlern entsprechend <strong>de</strong>n Grundsätzen und Zielen<br />
<strong>de</strong>s DTSB hohe sportliche, moralische und sittliche Eigenschaften<br />
anzuerziehen.“ 301<br />
Der erste Präsi<strong>de</strong>nt schloss die Gründungssitzung <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Wunsch, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Organisation einer glücklichen<br />
und erfolgreichen Zukunft im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Körperkultur entgegen<br />
gehen möge. 302<br />
Gemäß sozialistischer Arbeitsweise, stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV einen Perspektivplan<br />
<strong>für</strong> die kommen<strong>de</strong>n Jahre auf. Dieser umfasste <strong>für</strong> das Jahr 1958 als ersten<br />
Punkt die Verstärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Indoktrination.<br />
„Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband erzieht seine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
hoher sozialistischer Moral, zur Treue und zu bewußten Kämpfern<br />
unseres Arbeiter- und Bauernstaates.“ 303<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> galt es, die Entwicklung <strong>de</strong>s Massensports voranzutreiben. Für<br />
das Jahr 1958 waren 1500 neue Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu gewinnen, wobei sich <strong><strong>de</strong>r</strong> pro-<br />
zentuale Anteil von weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n um 15% erhöhen sollte.<br />
Die Entstehungsgeschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> unabhängigen Dachor-<br />
ganisationen im Westen und Osten Deutschlands ver<strong>de</strong>utlicht die unter-<br />
schiedliche Grundausrichtung. Der Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in <strong>de</strong>n<br />
Westzonen basierte auf einer Reorganisation <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Strukturen in einem<br />
neuen, durchweg unpolitischen Selbstverständnis, wohingegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ ganz <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Zielsetzung untergeordnet war. Die DRV-<br />
Vizepräsi<strong>de</strong>nten wur<strong>de</strong>n Theodor Körner, Hans Lemberg und Gerhard Beyer gewählt.<br />
Bruno Bürger übernahm das Amt <strong>de</strong>s Generalsekretärs.<br />
301<br />
„Anlage zum Präsidiumsbeschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR Nr. 24 vom 9. November<br />
1957“, in: SAPMO-BARCH, DY 12/2967‚ Fiche 1, Bl. 44.<br />
302<br />
Vgl. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 52.<br />
303<br />
SAPMO-BARCH, DY 12/2967, Fiche 1, Bl. 74.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 82<br />
Vereine als Mitglied <strong>de</strong>s DSB verpflichteten sich zu parteipolitischer, konfes-<br />
sioneller und ethischer Neutralität unter Ablehnung jeglicher militärischer In-<br />
strumentalisierung <strong>de</strong>s Sports. 304 In <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ beziehungsweise DDR sah man<br />
die Neugründung auf alter Basis und im alten Geist als unheilvolle Tradition,<br />
die unbedingt vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n musste. 305 Der Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s Sports im<br />
Allgemeinen und <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en war in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ an die Par-<br />
teiorganisationen FDJ und FDGB gebun<strong>de</strong>n. Diese leiteten und gestalteten<br />
<strong>de</strong>n Neuaufbau ganz im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Weltanschauung. Beyer<br />
merkt an, dass in <strong>de</strong>n Anfangsjahren die spätere politische <strong>Aus</strong>richtung nicht<br />
erkennbar gewesen sei. Durch die Gründung <strong>de</strong>s DSA wur<strong>de</strong>n jedoch die<br />
i<strong>de</strong>ologisch-politischen Elemente verstärkt und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Überführung dieses<br />
<strong>Aus</strong>schusses in <strong>de</strong>n DTSB 306 konsolidiert.<br />
„Von <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen Maxime <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitersportler in <strong><strong>de</strong>r</strong> SED:<br />
Der Sport soll und darf nicht parteigebun<strong>de</strong>n sein, er muss sich<br />
frei und <strong><strong>de</strong>m</strong>okratisch entwickeln“ war nicht mehr die Re<strong>de</strong>.“ 307<br />
4.6 „Kalter Krieg“ auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Regattabahn<br />
Zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> fünfziger Jahre spitzte sich die Situation <strong>de</strong>s Sports zu, da die<br />
politischen Differenzen <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen Sportverkehr beeinflussten.<br />
Im Mai 1951 hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> DSB in seinen Stuttgarter Beschlüssen die Verbän<strong>de</strong><br />
aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, Sportveranstaltungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR nur dann zu besuchen, wenn<br />
dort auf propagandistische Aktivitäten verzichtet wür<strong>de</strong>. Dies stand im klaren<br />
Gegensatz zu <strong><strong>de</strong>m</strong> damaligen Sportverständnis in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR:<br />
„Wir treiben nicht Sport um <strong>de</strong>s Sportes willen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um unseren<br />
Körper gesund, wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsfähig und leistungsstark zu machen,<br />
und um unsere Menschen zu befähigen, unseren<br />
Fünfjahresplan vorfristig zu erfüllen, um die Aufbauerfolge unserer<br />
DDR gegen Sabotagemaßnahmen und Anschläge <strong><strong>de</strong>r</strong> USA-<br />
Imperialisten zu schützen. Unser Sport ist daher bewusst politisch.“<br />
308<br />
304 Vgl. [ohne Verfasser], „DSB Satzung 1950“, in: DEUTSCHER SPORTBUND (Hrsg.), Die<br />
Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>jahre <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Sportbun<strong>de</strong>s. Wege aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Not zur Einheit, Bd. 1, Schorndorf<br />
1990, S. 71.<br />
305 Vgl. ebenda, S. 21-22.<br />
306 Vgl. BEYER, „Der an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Weg“, S. 666. Ferner PABST, Sport – Medium <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik?,<br />
S. 207-209.<br />
307 TEICHLER, „Die schwierigen Anfänge <strong>de</strong>s Sports unter <strong><strong>de</strong>m</strong> SED-Regime 1945-1957“,<br />
S. 245.<br />
308 C. DIEM, Weltgeschichte <strong>de</strong>s Sports. Der mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Sport, Bd. 2, 2. Aufl., Stuttgart 1967,<br />
S. 1048.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 83<br />
So wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR immer häufiger <strong>für</strong> politische Propaganda<br />
eingesetzt „[...] um die Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Welt gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
kapitalistischen nachzuweisen“. 309 West-Berliner Sportler wur<strong>de</strong>n abge-<br />
schreckt, in<strong><strong>de</strong>m</strong> sie beispielsweise gezwungen wer<strong>de</strong>n sollten, Erklärungen<br />
gegen die Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland zu unterschreiben. 310 Der<br />
Sportverband Berlin stellte daraufhin <strong>de</strong>n Sportverkehr mit <strong>de</strong>n DDR-<br />
Verbän<strong>de</strong>n ein. „Der DSB solidarisierte sich in <strong>de</strong>n Oberweseler Beschlüssen<br />
vom 21. September 1952 mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Berliner Verband und verfügte ebenfalls<br />
einen sofortigen Abbruch <strong>de</strong>s inner<strong>de</strong>utschen Sportverkehrs.“ 311<br />
Walter Wülfing unterstützte zwar <strong>de</strong>n Beschluss <strong>de</strong>s DSB, allerdings ver-<br />
suchte er unter Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> vom DSB vorgegeben Richtlinien wei-<br />
terhin einen gesamt<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport aufrechtzuerhalten. 312<br />
Gemeinsam mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Präsi<strong>de</strong>nten <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, Heinz Dose,<br />
hatte sich Wülfing auf die <strong>Aus</strong>tragung von gesamt<strong>de</strong>utschen Meisterschaften<br />
einigen können. Diese wur<strong>de</strong>n von 1954 bis 1957 erfolgreich durchgeführt. In<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR verfolgten die Verantwortlichen jedoch mit <strong>de</strong>n gesamt<strong>de</strong>utschen<br />
Meisterschaften ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ziele. In einer Vorlage <strong>de</strong>s stellvertreten<strong>de</strong>n<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>n Weissig, mitverantwortlich <strong>für</strong> die Abteilung Wasserfahrsport im<br />
Staatlichen Komitee <strong>für</strong> Körperkultur und Sport (SKKS), heißt es:<br />
„Die Durchführung Deutscher Meisterschaften und die Erringung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Titel <strong>für</strong> die Deutsche Demokratische Republik ist ein Beitrag<br />
<strong>für</strong> die Einheit unseres Vaterlan<strong>de</strong>s und die Anerkennung unserer<br />
Republik.“ 313<br />
Es galt, die Überlegenheit <strong>de</strong>s Systems darzustellen. Nicht individuelle Erfol-<br />
ge, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Kollektiv zählten. Dabei war es egal, in welchen Bootsklas-<br />
sen und von wem die Titel gewonnen wur<strong>de</strong>n. Dennoch belegen die<br />
Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamt<strong>de</strong>utschen Meisterschaften anfänglich eine Dominanz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> west<strong>de</strong>utschen Sportler. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten <strong>Aus</strong>tragung in Hannover am<br />
309 DIEM, ebenda, S. 1050.<br />
310 Vgl. HOLZWEIßIG, „Sport als Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR“, S. 922. Dem Sportverband Berlin wur<strong>de</strong><br />
auf Rückfrage bestätigt, dass man erstens nicht auf politische Aktionen bei sportlichen<br />
Veranstaltungen verzichten wolle und zweitens, „daß West-Berlin auch auf sportlichem<br />
Gebiet verschwin<strong>de</strong>n“ müsse.<br />
311 Ebenda.<br />
312 Vgl. W. WÜLFING, „Sportverkehr Ost-West unterbrochen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 2(1952)31, S. U<br />
II. Ferner W. WÜLFING, „Gesamt<strong>de</strong>utscher Sportverkehr wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgenommen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
3(1953)1, S. 3-4.<br />
313 MICHAEL/WEISSIG, „Sekretariatsvorlage Nr. 45/7/54“, in: SAPMO-BARCH, DR 5/135, Bl. 1.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 84<br />
14./15. August 1954 wur<strong>de</strong>n alle Titel vom DRV gewonnen, was die DDR wie<br />
folgt kommentierte:<br />
„Diese erste Deutsche Meisterschaft im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ergab eine katastrophale<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage im Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> die DDR. Es ist nicht<br />
nur eine Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gewesen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein<br />
Schlag gegen unsere Arbeiter- und Bauernmacht, ein Schlag gegen<br />
die DDR und die progressiven Kräfte in West<strong>de</strong>utschland.“ 314<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> darauf folgen<strong>de</strong>n akribischen <strong>Aus</strong>wertung stellten die Verantwortlichen<br />
fest, dass die Trainingszeit von vier Wochen zu kurz gewesen war. Außer-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> kritisiert, dass sich die Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainer lediglich auf die<br />
technische Vorbereitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaften stützte und die politische Motiva-<br />
tion völlig in <strong>de</strong>n Hintergrund gerückt war. Dies hätte dazu geführt, dass sich<br />
ein Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportler <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologischen Vorbereitung mit Desinteresse ge-<br />
widmet habe. 315<br />
„Das krasseste Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n Erziehung war die Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Sportfreun<strong>de</strong> Raddatz, Niebann, Bassus, Gärtner,<br />
Filter und Weissig gegen die Anordnungen <strong>de</strong>s Trainerrates. Diese<br />
Sportfreun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lehrganges verwiesen und von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Meisterschaften ausgeschlossen.“ 316<br />
Diese Art <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen stalinistischen Kritik und Selbstkritik führte zur Ver-<br />
abschiedung eines Maßnahmenpaketes mit neun Punkten, das einerseits<br />
eine konstante und konsequente Umsetzung von Trainings- und Leistungs-<br />
kontrollen vorsah und an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits eine Überschätzung <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Leis-<br />
tungsstärke verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollte. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong>n die Mannschaften bereits<br />
zu diesem Zeitpunkt <strong>für</strong> die <strong>Deutschen</strong> Meisterschaften nominiert. Das Ziel<br />
war einzig und allein <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewinn von Titeln. 317 Wegen ihrer fachlich falschen<br />
Einschätzung und nicht ausreichend verantwortungsbewussten Haltung wur-<br />
<strong>de</strong>n außer<strong><strong>de</strong>m</strong> die betroffenen „Sportfreun<strong>de</strong>“ zur Verantwortung gezogen:<br />
Der Präsi<strong>de</strong>nt Heinz Dose und <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainerratvorsitzen<strong>de</strong> Bergemann erhiel-<br />
ten eine „ernsthafte Ermahnung“. 318<br />
314 Ebenda.<br />
315 Ebenda, Bl. 7.<br />
316 Ebenda, Bl. 5.<br />
317 Vgl. ebenda, Bl. 6.<br />
318 Vgl. ebenda, Bl. 7. Ursprünglich war <strong>für</strong> <strong>de</strong>n verantwortlichen Abteilungsleiter Michael ein<br />
Verweis vorgesehen, <strong><strong>de</strong>r</strong> allerdings an <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Stelle mit Bleistift durchgestrichen<br />
wur<strong>de</strong>. Eine weitere Recherche ergab keine Klarheit.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 85<br />
Trotz aller Maßnahmen und Planungen gelang es 1955 lediglich <strong><strong>de</strong>m</strong> zuvor<br />
noch ausgeschlossenen Klaus Filter vom SC Dynamo Berlin, <strong>de</strong>n Titel im<br />
Leichtgewichtseiner zu gewinnen. 1956 konnte die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n drei Meis-<br />
tertitel erreichen, 1957 war mit vier Titeln das erfolgreichste Jahr <strong>für</strong> die ost-<br />
<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. 319 Bei <strong>de</strong>n Verhandlungen <strong>für</strong> die kommen<strong>de</strong> Saison im<br />
Dezember 1957 erklärte <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Verbandspräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>n Verantwortlichen<br />
<strong>de</strong>s DRV, dass die DDR von nun an ost<strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften ab-<br />
halten wer<strong>de</strong>. Begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> dies folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen:<br />
„[...] die DDR sei ein starker selbständiger Staat und wer<strong>de</strong> seine<br />
Selbständigkeit nicht nur beibehalten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n noch verstärken.<br />
Die Folge davon sei <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschluß <strong>de</strong>s Turn- und Sportbun<strong>de</strong>s,<br />
[...], eigene Deutsche Meisterschaften <strong>für</strong> alle Sportarten durchzuführen."<br />
320<br />
Wülfing versuchte mehrfach erfolglos, <strong>de</strong>n Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s DTSB, Rudi Rei-<br />
chert, umzustimmen, um die gesamt<strong>de</strong>utschen Meisterschaften zu erhalten.<br />
Reichert berief sich in seiner Ablehnung klar auf die politische Funktion <strong>de</strong>s<br />
Sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Der Sportverkehr Ost-West solle dazu dienen, politischen<br />
Einfluss auf die Bevölkerung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zu nehmen. Die DDR habe als selbst-<br />
ständiger Staat einen Anspruch darauf, von <strong>de</strong>n internationalen Fachverbän-<br />
<strong>de</strong>n in voller Selbstständigkeit aufgenommen zu wer<strong>de</strong>n. Eine<br />
Aufrechterhaltung gemeinsamer Meisterschaften wür<strong>de</strong> diesem Ziel entge-<br />
genstehen. Eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung <strong>für</strong> die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sei aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kameradschaftlichkeit gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sektionen nicht möglich. Solange<br />
gegensätzliche politische Auffassungen in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten be-<br />
stün<strong>de</strong>n, sei auch eine Zusammenarbeit zwischen Sportverbän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun-<br />
<strong>de</strong>srepublik und <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR nicht möglich. 321<br />
Auf nationaler Ebene war die Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Ver-<br />
bän<strong>de</strong>n damit been<strong>de</strong>t. Auf internationaler Ebene waren <strong><strong>de</strong>r</strong> DTSB und die<br />
ihm unterstellte Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, ab 1958 Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband,<br />
allerdings zunächst aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschlüsse <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA zur Kooperation mit<br />
319 Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport Almanach 1993. Jahrbuch und Adressbuch<br />
<strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Min<strong>de</strong>n 1994, S. 141-152. Ferner WINKLER,<br />
Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 65-66.<br />
Vgl. auch FREYEISEN, „Diplomaten im Trainingsanzug“, S. 22.<br />
320 W. WÜLFING, „Ost-West immer schwieriger“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 75(1957)34, S. 617.<br />
321 Vgl. W. WÜLFING, „Endgültig: Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ohne Sektion“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
76(1958)5, S. 75. Ferner HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland,<br />
S. 56-57.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 86<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> DRV gezwungen. Der DRV hatte bereits 1951 erfolgreich <strong>de</strong>n Antrag<br />
auf Aufnahme als außeror<strong>de</strong>ntliches Mitglied in die FISA gestellt. Die dama-<br />
lige Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n konnte ihre Aufnahme als außeror<strong>de</strong>ntliches Mitglied<br />
erst 1955 realisieren. 322 Die Mitgliedschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war allerdings<br />
an die Auflage gebun<strong>de</strong>n, dass bei internationalen Meisterschaften nur eine<br />
gesamt<strong>de</strong>utsche Mannschaft startberechtigt war. Mit dieser Entscheidung<br />
folgte die FISA <strong>de</strong>n Beschlüssen <strong>de</strong>s Internationalen Olympischen Komitees<br />
(IOC), in <strong>de</strong>nen die Teilnahme einer gesamt<strong>de</strong>utschen Mannschaft an <strong>de</strong>n<br />
Olympischen Spielen festgelegt wur<strong>de</strong>. 323 Die gesamt<strong>de</strong>utschen Meister-<br />
schaften von 1955-1957 galten damit als Qualifikation <strong>für</strong> die internationalen<br />
Wettbewerbe. Neben diesen <strong>Aus</strong>scheidungsrennen gab es Probleme ganz<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Art. So fin<strong>de</strong>t sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Korrespon<strong>de</strong>nz 324 <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbandsprä-<br />
si<strong>de</strong>nten ein Brief von Wülfing an Dose zur „geflissentlichen“ Kenntnisnahme<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bitte um Rückgabe geliehener Kleidungsstücke. Laut Beleg seien<br />
zehn Trainingshosen und elf Pullover bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Europameisterschaft 1956 in<br />
Bled ausgeliehen wor<strong>de</strong>n. Es fehle jetzt noch ein vollständiger Anzug plus<br />
neun Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>hem<strong>de</strong>n, neun Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>hosen, ein Racetrikot Größe 6 sowie 6<br />
Racetrikots Größe 5. Ferner bedankt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> west<strong>de</strong>utsche Präsi<strong>de</strong>nt <strong>für</strong> die<br />
Überweisung <strong><strong>de</strong>r</strong> 20 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>hem<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenmannschaft. 325 Trotz diverser<br />
Verzögerungen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelung finanzieller Fragen von Seiten <strong>de</strong>s ost<strong>de</strong>ut-<br />
schen Verban<strong>de</strong>s war das Verhältnis zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n ein<br />
gutes, was auch Wülfing in seinem Brief an Dose zum <strong>Aus</strong>druck brachte:<br />
„Ich möchte noch einmal meiner Freu<strong>de</strong> darüber <strong>Aus</strong>druck geben,<br />
daß die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband so ka-<br />
322 Die DDR hatte bereits 1951 <strong>de</strong>n ersten Antrag auf Aufnahme als außeror<strong>de</strong>ntliches Mitglied<br />
in die FISA gestellt. Der genehmigte Antrag auf Aufnahme war insgesamt <strong><strong>de</strong>r</strong> fünfte,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR gestellt wur<strong>de</strong>. In <strong><strong>de</strong>m</strong> letzten Antrag wur<strong>de</strong> vor allem darauf<br />
hingewiesen, [...] „daß die DDR ein souveräner Staat ist, <strong><strong>de</strong>r</strong> 1954 zu mehr als zehn<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n diplomatische Beziehungen unterhält.“ Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> bekräftigte das Präsidium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR <strong>de</strong>n Standpunkt, dass „<strong><strong>de</strong>r</strong> DRV <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD nicht das Recht hat,<br />
<strong>de</strong>n DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport auf internationaler Ebene zu vertreten.“ WINKLER, Die geschichtliche<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 59. Die FISA konnte<br />
<strong>de</strong>n Antrag auf außeror<strong>de</strong>ntliche Mitgliedschaft nicht ein weiteres Mal negativ beschei<strong>de</strong>n,<br />
da das IOC auf seiner 50. Session im Juni 1955 in Paris das Nationale Olympische<br />
Komitee <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR anerkannt hatte.<br />
323 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 139.<br />
324 Vgl. W. WÜLFING, „Schriftwechsel mit <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband“, in: SAPMO-<br />
BARCH, DY 12/332, Fiche 1, Bl. 6.<br />
325 Vgl. ebenda.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 87<br />
meradschaftlich und reibungslos bei <strong>de</strong>n Europameisterschaften<br />
zusammengearbeitet haben.“ 326<br />
Wülfing versuchte außer<strong><strong>de</strong>m</strong> das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in bei<strong>de</strong>n Staaten zusam-<br />
menzuführen, da er davon ausging, dass es sehr viele junge Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er gab,<br />
die gern auf <strong>de</strong>n Gewässern <strong>de</strong>s an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Verban<strong>de</strong>s ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong>n. Der<br />
DRV hatte genau hier<strong>für</strong> lange Zeit einen stabilen, kurzen Doppelzweier <strong>für</strong><br />
Fahrten durch <strong>de</strong>n Spreewald in Lübbenau positioniert. 327 Offensichtlich<br />
scheiterte das Vorhaben an <strong>de</strong>n fehlen<strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>weisen, da es in <strong><strong>de</strong>r</strong> weiteren<br />
Korrespon<strong>de</strong>nz von Wülfing nicht mehr angesprochen wur<strong>de</strong>.<br />
Seit 1958 mussten <strong>Aus</strong>scheidungsrennen zwischen <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV und <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
DRSV durchgeführt wer<strong>de</strong>n, um die Vertreter in <strong>de</strong>n einzelnen Bootsklassen<br />
bei internationalen Wettbewerben zu ermitteln. Diese Rennen wur<strong>de</strong>n bis<br />
1964 abgehalten und galten <strong>für</strong> Europa- und Weltmeisterschaften sowie<br />
Olympische Spiele. Zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>n Anfangsjahren zeigte sich eine Überle-<br />
genheit <strong><strong>de</strong>r</strong> west<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. So gelang es <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV drei Mal, in al-<br />
len Bootsklassen <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer zu gewinnen.<br />
Jahr Qualifikation <strong>für</strong> DRV DRSV<br />
1958 EM 7 -<br />
1959 EM 6 328 -<br />
1960 OS 5 2<br />
1961 WM 7 -<br />
1962 EM 6 1<br />
1963 EM 7 -<br />
1964 EM 4 3<br />
1964 OS 5 2<br />
Tab. 1: <strong>Aus</strong>scheidungsrennen zwischen <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV und <strong><strong>de</strong>m</strong> DRSV in <strong>de</strong>n damaligen sieben<br />
olympischen Bootsklassen 329<br />
Die immer größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n politischen Differenzen zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
Staaten übertrugen sich auch auf die <strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen Sportbeziehungen.<br />
326 Ebenda, Bl. 18.<br />
327 Ebenda, Bl. 63.<br />
328 Die reduzierte Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen erklärt sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, dass im Vierer mit Steuermann<br />
<strong>de</strong>s DRV ein „Republikflüchtling“ saß, <strong><strong>de</strong>r</strong> bei Betreten <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s verhaftet<br />
wer<strong>de</strong>n sollte. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV einem <strong>Aus</strong>scheidungsrennen auf neutralem Bo<strong>de</strong>n nicht zustimmte,<br />
fiel diese Bootsklasse <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV zu.<br />
329 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 140.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 88<br />
Die Sportverbän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n beschuldigt, <strong>de</strong>n Sportverkehr zu Agenten- und<br />
Spionagezwecken zu missbrauchen. Häufig wur<strong>de</strong>n lange vorher vereinbarte<br />
Sportveranstaltungen von DDR-Seite kurzfristig abgesagt. Der DRSV ver-<br />
suchte, die vollwertige Mitgliedschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA zu erzwingen, um eine ei-<br />
gene Mannschaft zu internationalen Meisterschaften entsen<strong>de</strong>n zu<br />
können. 330<br />
Im März 1961 erreichte <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kalte Krieg“ zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Staaten auf sportpolitischer Ebene einen neuen Höhepunkt. Der Bun<strong>de</strong>sge-<br />
richtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland erklärte <strong>de</strong>n DTSB und alle ihm<br />
angeschlossenen Verbän<strong>de</strong> und Sektionen als verfassungsfeindliche Orga-<br />
nisationen. Auf politischer und damit zwangsläufig auch auf sportlicher Ebe-<br />
ne manifestierte sich die Abgrenzung von West<strong>de</strong>utschland durch <strong>de</strong>n Bau<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Mauer, <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nacht zum 13. August 1961 begann. Die<br />
west<strong>de</strong>utschen Sportverbän<strong>de</strong> DSB und NOK verfügten nur drei Tage später<br />
in <strong>de</strong>n Düsseldorfer Beschlüssen <strong>de</strong>n Abbruch <strong>de</strong>s inner<strong>de</strong>utschen Sportver-<br />
kehrs, 331 <strong><strong>de</strong>r</strong> damit praktisch zum Erliegen kam. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA-<br />
Bestimmungen waren DRV und DRSV jedoch weiterhin verpflichtet, die <strong>Aus</strong>-<br />
scheidungsrennen <strong>für</strong> die internationalen Regatten durchzuführen. Der<br />
DRSV verzichtete ab 1965 nicht nur auf die Teilnahme an <strong><strong>de</strong>r</strong> Qualifikation,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lehnte darüber hinaus jegliche Verhandlung ab. Die Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ost<strong>de</strong>utschen Funktionäre führte dazu, dass die <strong>de</strong>utsche Mannschaft <strong>für</strong> die<br />
Europameisterschaften 1965 in Duisburg nur aus DRV-Sportlern bestand. Im<br />
selben Jahr wur<strong>de</strong> von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA und <strong>de</strong>s IOC die Verpflichtung zu<br />
einer gesamt<strong>de</strong>utschen Mannschaft endgültig aufgehoben. Als Folge <strong>de</strong>ssen<br />
wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> achten Antrag <strong>de</strong>s DRSV über die Anerkennung als eigenständi-<br />
ges Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA stattgegeben. 332 Im September 1967 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV<br />
schließlich zum or<strong>de</strong>ntlichen FISA-Mitglied erhoben und besaß danach das<br />
Recht auf drei Kongressstimmen.<br />
330 Vgl. R. ZIEL, „Sie scheuten <strong>de</strong>n Wortbruch nicht“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 79(1961)24, S. 565. Ferner<br />
W. DAUME, „Zur Lage im gesamt<strong>de</strong>utschen Turn- und Sportverkehr“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
79(1961)27, S. 613.<br />
331 Vgl. HOLZWEIßIG, „Sport als Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR“, S. 924. Ferner H.-D. KREBS, „Von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einheit zur Gemeinsamkeit. Eine Annäherung an das Jahrzehnt 1989 bis 1998“, in: M.<br />
LÄMMER, (Hrsg.), Deutschland in <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Bewegung. Eine Zwischenbilanz,<br />
Frankfurt a.M. 1999, S. 327.<br />
332 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 140-141.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 89<br />
Betrachtet man die inner<strong>de</strong>utschen Sportbeziehungen zusammenfassend, so<br />
muss konstatiert wer<strong>de</strong>n, dass Sport und Politik nicht voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> zu tren-<br />
nen waren. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> offensiv und intensiv betriebenen För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Spitzen-<br />
sports verfolgte die Regierung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR die volle Anerkennung ihres Staates.<br />
Politische Agitation und Indoktrination stellten sich nicht nur als äußerst wir-<br />
kungsvoll in <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchsetzung politischer Ansprüche und Ziele heraus, son-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n wirkten sowohl systemstabilisierend nach innen als auch prestigebrin-<br />
gend nach außen.<br />
4.7 Schwerpunkte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit bis 1991<br />
Es ist unbestritten, dass die <strong>Aus</strong>richtung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Verbän<strong>de</strong> in Abhängigkeit zum jeweiligen politischen System stand. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
politischen Unterschie<strong>de</strong> gab es <strong>de</strong>nnoch Gemeinsamkeiten, wie die konse-<br />
quente, anfängliche <strong>Aus</strong>richtung auf <strong>de</strong>n Spitzen- und Leistungssport. <strong>Aus</strong><br />
politischer Sicht unterschie<strong>de</strong>n sich diese Motive jedoch erheblich, da <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR die Überlegenheit <strong>de</strong>s Sozialismus propagieren sollte.<br />
4.7.1 Die Arbeit <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s<br />
Den Verantwortlichen <strong>de</strong>s DRV war es ein Anliegen, <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport zu al-<br />
tem Ansehen und zu alter Geltung zu verhelfen. Da das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und die<br />
Regatten immer als „Krone <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“ bezeichnet wur<strong>de</strong>n, galt es,<br />
<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in Zukunft weiterhin großen Erfolgen entgegenzuführen. 333<br />
Ein wichtiger Schritt auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Weg zu diesem Ziel war <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewinn <strong><strong>de</strong>r</strong> Gold-<br />
medaille im Achter bei <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1960 in Rom. Die von Karl<br />
Adam trainierte Renngemeinschaft ATV Ditmarsia Kiel/Ratzeburger RC ge-<br />
wann das Rennen in <strong><strong>de</strong>r</strong> schnellsten jemals gefahrenen Zeit auf einer olym-<br />
pischen Regattastrecke in 5:57:18 Minuten.<br />
Walter Wülfing bezeichnete <strong>de</strong>n 3. September 1960 als einen „<strong>de</strong>nkwürdigen<br />
Tag in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“ 334 und Erich Maak hielt<br />
dazu fest:<br />
333 RUPERTI/WÜLFING, Für Deutschland geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t, S. 134.<br />
334 HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 78.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 90<br />
„‘Wir haben es geschafft!’ Das können wir mit Stolz auf unsere eigene<br />
Kraft sagen. Was haben wir geschafft? Wir haben auch <strong>de</strong>n<br />
Achter auf <strong>de</strong>n olympischen Spielen gewonnen. Auch gegen Amerika,<br />
das seit 1920 in allen olympischen Achter-Rennen siegte.<br />
Das war seit Jahrzehnten <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports<br />
[...]. Nicht nur <strong>de</strong>s flüchtigen Ruhmes wegen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n weil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sieg im olympischen Achter das höchste Ziel je<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>nation<br />
ist.“ 335<br />
Dieser Erfolg sei exemplarisch genannt, <strong>de</strong>nn in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit kam es zu<br />
weiteren Siegen bei Welt- und Europameisterschaften sowie bei Olympi-<br />
schen Spielen. Die Konzentration auf die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Eliteru<strong><strong>de</strong>r</strong>er führte in<br />
<strong>de</strong>n sechziger Jahren allerdings dazu, dass <strong>für</strong> die <strong>Aus</strong>bildung im Anfänger-<br />
bereich kaum Mittel vorhan<strong>de</strong>n waren. Nur langsam wur<strong>de</strong> damit begonnen,<br />
<strong>de</strong>n Nachwuchs in planmäßigen Schulungen zu sichten und Trainer <strong>für</strong> Ver-<br />
bands- und Vereinsarbeit auszubil<strong>de</strong>n. Dennoch hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV in dieser Zeit<br />
mit einem Rückgang <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl zu kämpfen. Die Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> wa-<br />
ren vielschichtig. Zum einen ging von <strong>de</strong>n ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportlichen Erfolgen nicht die<br />
gewünschte Werbewirkung aus und zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en war Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n Köpfen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendlichen „nicht lohnenswert“ 336 genug. Sobald dieses Problem er-<br />
kannt wor<strong>de</strong>n war, bemühten sich die Verbandsfunktionäre dieser Entwick-<br />
lung durch eine breit gefächerte <strong>Aus</strong>bildung in <strong>de</strong>n Vereinen<br />
entgegenzusteuern. Richtungweisend war dabei die Einführung <strong>de</strong>s Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Alarmiert durch die geringe Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachwuchsru<strong><strong>de</strong>r</strong>er setzte<br />
sich vor allem <strong><strong>de</strong>r</strong> RV Bochum in diesem Bereich ein. Der DRV stand sich<br />
dagegen selbst im Weg, da er das Min<strong>de</strong>stalter <strong>für</strong> eine Regattateilnahme<br />
auf 15 Jahre festgelegt hatte. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Bochum-Wittener Regatta wur<strong>de</strong>n Kin-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>-Einlagerennen <strong>für</strong> Jungen und Mädchen angeboten. Der DRV strich die<br />
<strong>Aus</strong>schreibung dieser Rennen im Rahmen von Jugendregatten allerdings<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Programm. 337<br />
Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1966 in Lübeck gab Walter Wülfing sein Amt an Claus<br />
Heß ab. Primäre Ziele <strong>de</strong>s neuen Vorsitzen<strong>de</strong>n waren die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> ju-<br />
gendlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. Heß vertrat die Meinung, dass das erreichte Leistungs-<br />
niveau Erfolge nur über eine breitensportliche <strong>Aus</strong>weitung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports<br />
335 E. MAAK, „Wir haben es geschafft“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 78(1960)29, S. 633.<br />
336 UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 144.<br />
337 Vgl. ebenda, S. 145.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 91<br />
bewahrt wer<strong>de</strong>n könne, da die bisherigen Erfolge nur „auf einer schmalen<br />
Basis und mit Hilfe revolutionärer Trainingsmetho<strong>de</strong>n entstan<strong>de</strong>n“ 338 seien.<br />
Bei dieser Initiative orientierte sich Heß an <strong><strong>de</strong>r</strong> Konzeption <strong>de</strong>s Zweiten We-<br />
ges. 339 Es wur<strong>de</strong> ein <strong>Aus</strong>schuss gebil<strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong> in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n<br />
Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong>n einen Rahmenlehrplan entwickelte, <strong><strong>de</strong>r</strong> in seinen<br />
Inhalten beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Kriterien dieser Kampagne berücksichtigte. Der dies-<br />
bezügliche Lehrplan wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit fester Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung<br />
von Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Sportwarten, Fach-Übungsleitern, Jugendleitern und Ju-<br />
gendru<strong><strong>de</strong>r</strong>warten sowie Frauenwarten. Auch die Lehrgänge <strong>für</strong> Schülerru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>warte, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>warte und Fahrtleiter, Steuerleute und Bootswarte<br />
waren unter diesen breitensportlichen Aspekten maßgeblicher Bestandteil<br />
<strong>de</strong>s neuen <strong>Aus</strong>bildungskonzeptes im DRV. Heß konnte allerdings auch die<br />
Probleme <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine nachvollziehen, die kaum Unterstützung durch <strong>de</strong>n<br />
Verband bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewältigung <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Aufgaben erhielten. Ihm war es<br />
wichtig, nicht nur die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen zu erhöhen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor allem die Ak-<br />
tivierung <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n – also <strong><strong>de</strong>r</strong> Breitensportler – voranzutreiben.<br />
„Unser Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein wird uns erst dann ‘mo<strong><strong>de</strong>r</strong>n’ und ‘attraktiv’ erscheinen,<br />
338 Mit „revolutionären Trainingsmetho<strong>de</strong>n“ sind hier die von Karl Adam entwickelten Mo<strong>de</strong>lle<br />
gemeint. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit Adams kann man vier verschie<strong>de</strong>ne Bereiche erkennen, die er entschei<strong>de</strong>nd<br />
geprägt hat: die Anfängerausbildung, die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik, die Trainingsmetho<strong>de</strong>n<br />
sowie bootsbautechnische Entwicklungen. Adam baute sein Mo<strong>de</strong>ll auf <strong>de</strong>n<br />
Erkenntnissen von Fairbairn und <strong>de</strong>n Lehrmetho<strong>de</strong>n von Borrmann/Feige auf. Seiner Methodik<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Anfängerschulung liegt die Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Kybernetik zugrun<strong>de</strong>, die sich auf <strong>de</strong>n<br />
Schlüsselsatz reduzieren lässt: „Ein zweckgerichteter Bewegungsablauf gehorcht keiner<br />
linearen Steuerung durch eine Bewegungsvorstellung (diese Hypothese steckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung<br />
Koordination), son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelung durch ein System von lernfähigen Regelkreisen.“<br />
K. ADAM, „Die Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Trainingsformen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
80(1962)3, S. 1-3. Ferner UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 146.<br />
339 Die Deutsche Olympische Gesellschaft hatte bereits 1960 in ihrem Gol<strong>de</strong>nen Plan die<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Übungsstättenbaus beschlossen, um über einen erweiterten Sportbetrieb<br />
<strong>de</strong>n Vereinen zu mehr Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu verhelfen. Der DRV war aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> genannten<br />
Probleme, wie <strong><strong>de</strong>m</strong> Fehlen ausgebil<strong>de</strong>ter Lehr- und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>warte, zunächst nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lage, diesen Ansatz ernsthaft zu verfolgen. Der Zweite Weg wur<strong>de</strong> vom DSB propagiert<br />
und sah eine gleichberechtigte För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Breitensports und <strong>de</strong>s Leistungssports vor.<br />
Hiermit sollte <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Gesellschaft Rechnung getragen wer<strong>de</strong>n.<br />
Der DSB gab die Empfehlung an seine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> heraus, neben <strong>de</strong>n bewährten<br />
Trainings- und Übungsformen <strong>de</strong>s Alltags einen Zweiten Weg aufzubauen, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Erholungs-,<br />
Spiel- und Sportbedürfnis breiterer Volksschichten entspräche. Vgl. P. MIKAT,<br />
„Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Sport im Dienste <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenbildung“, in: SPORTBEIRAT DES DSB (Hrsg.),<br />
Charta <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sports. Bun<strong>de</strong>stag 1966 in München, Frankfurt a.M. 1968, S. 26-<br />
27. Ferner W. BOKLER, „Breitensport“, in: SPORTBEIRAT DES DSB (Hrsg.), Charta <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />
Sports. Bun<strong>de</strong>stag 1966 in München, Frankfurt/Main 1968, S. 45. Vgl. auch F.<br />
LOTZ, „Zur Charta <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Sports“, in: SPORTBEIRAT DES DSB (Hrsg.), Charta <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>utschen Sports. Bun<strong>de</strong>stag 1966 in München, Frankfurt a.M. 1968, S. 8-12.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 92<br />
wenn wir über die 10-Prozent-Hür<strong>de</strong> sportlicher Betätigung hinausgekommen<br />
sind.“ 340<br />
Obwohl viele Vereine über eine befriedigen<strong>de</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl verfügten, be-<br />
stand das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> „passiven“ Mitgliedschaft. Dies be<strong>de</strong>utete, dass zwar<br />
die Mitgliedsbeiträge eingingen, die Personen sich aber nicht an <strong>de</strong>n sportli-<br />
chen Aktivitäten beteiligten. Damit bezog sich Heß auf die Tatsache, dass<br />
die Intensivierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Breitensportarbeit „[...] als Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei und<br />
als Beitrag zum allgemeinen Vereinsleben“ 341 verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müsse.<br />
Die Umsetzung <strong>de</strong>s Zweiten Weges beinhaltete vor allem die Erweiterung<br />
<strong>de</strong>s regulären Übungsbetriebes durch „ru<strong><strong>de</strong>r</strong>frem<strong>de</strong>“ Aktivitäten, 342 um <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach Gleichbewertung von Breitensport und Spitzensport mehr<br />
Gewicht zu verleihen. Hier waren zum Beispiel kleine Gymnastikübungen,<br />
lustige Ballspiele, Geschicklichkeitsübungen, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen und Radtouren,<br />
Raufball und Minihockey sowie Schwimmwettkämpfe und Wasserballspiele<br />
vorgesehen. Die Aufbauarbeit wur<strong>de</strong> im Februar 1973 durch die Konstituie-<br />
rung eines Arbeitskreises Breitensport abgeschlossen, <strong><strong>de</strong>r</strong> ein Jahr später in<br />
einen eigenständigen <strong>Aus</strong>schuss umgewan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>. Es galt, Aktionspla-<br />
nungen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Breitensports aufzustellen, Arbeitsmittel und Ma-<br />
terialien zu entwickeln, die geeignet waren, <strong>de</strong>n Breitensport im DRV zu<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nebensportarten voranzutreiben sowie die<br />
Trimmwettbewerbe durchzuführen und zu überwachen. 343 Infolge<strong>de</strong>ssen ge-<br />
lang es auch, <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong>für</strong> neue Zielgruppen zu erschließen. Erstmalig<br />
wur<strong>de</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch von behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Menschen und sozial Schwächeren<br />
ausgeübt. Medizinische, soziale und pädagogische Aspekte waren wesentli-<br />
che Bestandteile <strong><strong>de</strong>r</strong> breitensportlichen Orientierung im Rahmen <strong>de</strong>s Kon-<br />
zeptes Zweiter Weg.<br />
Seit <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>weltmeisterschaften 1966 in Bled/Jugoslawien sah sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DRV allerdings mit neuen Problemen im Leistungssport konfrontiert. Bislang<br />
zeigte sich eine Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> west<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er im direkten Vergleich<br />
340<br />
C. HEß, „Das Programm <strong>de</strong>s ersten Vorsitzen<strong>de</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 84(1966)7, S. 189.<br />
341<br />
Ebenda.<br />
342<br />
Folgen<strong>de</strong> ru<strong><strong>de</strong>r</strong>frem<strong>de</strong> Aktivitäten waren vorgesehen: kleine Gymnastik, lustige Ballspiele,<br />
Übungen mit Geräten, Körperschule, Waldlauf mit kleinen Zwischenspielen, Tischtennis-Wettkämpfe,<br />
Geschicklichkeitsübungen, Training <strong>für</strong> das Sportabzeichen, Leichtathletik,<br />
Kegeln, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen und Radtouren, Schwimm-Wettkämpfe und Wasserballspiele,<br />
Fußball-Tennis, Minihockey, Raufball, Volleyball und Circuittraining. Vgl. A.<br />
SCHÖNDORF, „Schritte auf <strong><strong>de</strong>m</strong> ‘Zweiten Weg’“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 85(1967)4, S. 59.<br />
343<br />
Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 93.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 93<br />
mit <strong>de</strong>n Athleten <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Bei dieser Weltmeisterschaft gewann <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV<br />
erstmals mehr Titel als <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV. Der DRV konnte eine Gold- und eine Bron-<br />
zemedaille gewinnen, <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV kam jedoch auf drei Gold- sowie zwei Bron-<br />
zemedaillen. Die Ursachen <strong>für</strong> diese Verschiebung waren vielfältig. Zum<br />
einen hatte Karl Adam seine erfolgreichen Trainingsmetho<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlich-<br />
keit vorgestellt und damit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Nationen die Möglichkeit eröffnet, Trai-<br />
ningsrückstän<strong>de</strong> aufzuarbeiten. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en erwies sich im Nachhinein <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Beschluss <strong>de</strong>s west<strong>de</strong>utschen Verban<strong>de</strong>s, ab 1969 keine Renngemeinschaf-<br />
ten mehr zur Teilnahme an <strong>Deutschen</strong> Meisterschaften zuzulassen, als „<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ganz große Fehler“ 344 . Entschei<strong>de</strong>nd jedoch war die Tatsache, dass es bis<br />
En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sechziger Jahre in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD kein differenziertes Programm zur ge-<br />
zielten Talentsuche gab. Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Maßnahmen nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltmeister-<br />
schaft in Bled war darum die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ie Ratzeburg 1965,<br />
die bis heute eine zentrale Einrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Talentsichtung und Spitzenför<strong>de</strong>-<br />
rung im <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport ist. Die Hauptaufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ie waren:<br />
Die <strong>Aus</strong>- und Fortbildung von Trainern, die Talentsuche und Koordination<br />
<strong>de</strong>s Trainings im gesamten Bun<strong>de</strong>sgebiet, die <strong>Aus</strong>richtung von Lehrgängen<br />
<strong>für</strong> Sportlehrer und Sportstu<strong>de</strong>nten, die Entwicklung neuer Metho<strong>de</strong>n im<br />
Training und Bootsbau, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sportarten und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Sportmedizin und die Entwicklung starker Mannschaften <strong>für</strong> internationa-<br />
le Aufgaben sowie die Intensivierung internationaler Kontakte. 345<br />
Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>- und Fortbildung von Trainern wur<strong>de</strong>n drei Arten von<br />
Lehrgängen angeboten: Trainerlehrgänge <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundstufe, Trainerlehrgänge<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbaustufe und Lehrgänge <strong>für</strong> Mannschaften und ihre Trainer mit<br />
Schwerpunkten in Trimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote, Erfolgskontrolle durch Filmaufnah-<br />
men und Durchführung von Testfahrten.<br />
Die Talentsuche und Koordination <strong>de</strong>s Trainings bezog sich auf die Durch-<br />
führung von Sichtungslehrgängen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinheitlichung von Technik und<br />
Training sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Talente in Renngemeinschaf-<br />
ten. 346 Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtigsten Entscheidungen im Hinblick auf die Talentsuche<br />
war die Herabsetzung <strong>de</strong>s Aufnahmealters in <strong>de</strong>n Vereinen. Konzentrierten<br />
344 Vgl. K. ADAM, „Der ganz große Fehler“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 89(1971)27, S. 609.<br />
345 Vgl. K. ADAM, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ie Ratzeburg“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 88(1970)4, S. 87.<br />
346 Vgl. P. VOIGT, Talentsuche und Spitzenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung – Darstellung unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung<br />
<strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im Vergleich zu <strong>de</strong>n politischen Systemen, Diplomarbeit<br />
DSHS Köln, Köln 1970, S. 45.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 94<br />
sich die bisherigen Umstrukturierungsprozesse auf die Verbesserung <strong>de</strong>s<br />
Spitzensports, so wur<strong>de</strong> durch die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>jugend<br />
(DRJ) im März 1968 auch dieser Bereich explizit geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t, da die Schülerru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in <strong>de</strong>n DRV eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>n.<br />
Weitere Schwerpunkte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit wur<strong>de</strong>n durch eine verbesserte<br />
Zusammenarbeit zwischen Schule und Verein gesetzt. Wesentliche Neue-<br />
rungen waren zum einen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>swettbewerb <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulen Jugend trai-<br />
niert <strong>für</strong> Olympia (JtfO) und die Einrichtung von Sportför<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppen an <strong>de</strong>n<br />
Schulen sowie überschulischen Leistungsgruppen. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gehört seit 1971<br />
zu <strong>de</strong>n Sportarten <strong>de</strong>s Schulwettbewerbs. Die Nähe zur Olympischen I<strong>de</strong>e<br />
und die Verbreitung <strong>de</strong>s Fairplay-Prinzips stellten seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung eine<br />
große Motivation <strong>für</strong> die Schüler dar, was sich in einer vermehrten Schul-<br />
und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Aktivität zeigte. Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> siebziger Jahre bot sich erst-<br />
malig die Gelegenheit zur intensiven Zusammenarbeit zwischen <strong><strong>de</strong>m</strong> Bund<br />
Deutscher Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> (BDSR) und <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV, die in einer intensi-<br />
vierten Talentsichtung auf <strong>de</strong>n Regatten ihren <strong>Aus</strong>druck fand. Diese Talente<br />
galt es im Rahmen einer Kooperation zwischen Schule und Verein zu för-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 347<br />
An <strong>de</strong>n Universitäten war eine Sportlehrerkurzausbildung vorgesehen, die<br />
Lehrer einerseits dazu befähigen sollte, das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Schüler an dieser<br />
Sportart zu wecken und an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits das Lehrpersonal methodisch-<br />
didaktisch <strong>für</strong> erste Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>versuche zu schulen.<br />
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt lag auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Bootsbau. Durch die Entwick-<br />
lung neuer Bootsbaumaterialien wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ie Ratzeburg eine<br />
wichtige Rolle zuteil. Ebenso wur<strong>de</strong>n neue Trainingsmetho<strong>de</strong>n getestet, die<br />
in Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizinischen Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ie Lübeck wissenschaft-<br />
lich ausgewertet wur<strong>de</strong>n. Geforscht wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Bereichen Höhentraining,<br />
Intervallmetho<strong>de</strong> und Tempoarbeit. 348<br />
Neben <strong><strong>de</strong>m</strong> Leistungs- und Breitensport etablierte sich mehr und mehr das<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im DRV. Bereits 1955 erschien erstmalig das Handbuch <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, das vom Unterausschuß Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n herausgegeben<br />
347 Vgl. J. SCHULTZ, „‘Jugend trainiert <strong>für</strong> Olympia’ – Aufgabe und Verpflichtung“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
95(1977)29, S. 685. Ferner vgl. [ohne Verfasser], „Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport Gespräch mit<br />
Dr. Claus Heß und Jürgen Bentlage. „‘Jugend trainiert <strong>für</strong> Olympia’“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
95(1977)29, S. 686.<br />
348 Vgl. ADAM, „Die Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Trainingsformen“, S. 1-10.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 95<br />
wur<strong>de</strong>. Dieses Buch enthielt eine <strong>de</strong>taillierte Beschreibung und kartographi-<br />
sche Darstellung <strong>de</strong>utscher und ausländischer Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gebiete, die eine<br />
unverzichtbare Hilfe zur Planung und Durchführung von Fahrten waren. Bis<br />
heute wur<strong>de</strong> das Handbuch mehrfach überarbeitet und ergänzt und gilt im-<br />
mer noch als Standardwerk. 349 Bereits ab 1950 hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
<strong>de</strong>s Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und zur Motivationssteigerung das „Fahrtenabzeichen“<br />
ausgeschrieben. Das regelmäßige Fahrten- und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollte ausge-<br />
zeichnet wer<strong>de</strong>n, wobei eine „Kilometerfresserei“ nicht beabsichtigt war. Die<br />
zu erru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Gesamtkilometerleistung in einem Kalen<strong><strong>de</strong>r</strong>jahr betrug zwi-<br />
schen 800 km <strong>für</strong> Jungru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und 1500 km <strong>für</strong> Männer bis 40 Jahre.<br />
Noch heute gehört dieses Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>abzeichen zu <strong>de</strong>n Leistungsaus-<br />
zeichnungen im DRV. 350<br />
4.7.2 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>entwicklung im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
Seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s DRV entwickelte sich die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine ungefähr<br />
proportional zur Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl. Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg kam es zu zahl-<br />
reichen Neugründungen von Vereinen. Allerdings muss hier berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n, dass dies aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Bestimmungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten auch unum-<br />
gänglich war, da das Führen vieler alter Traditionsnamen nicht mehr erlaubt<br />
war. 351 Die Stagnation <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen in <strong>de</strong>n 70er bis 90er Jahren ist<br />
auf viele Grün<strong>de</strong> zurückzuführen. Nie zuvor gab es bun<strong>de</strong>sweite Kampag-<br />
nen, die große Bevölkerungskreise ansprachen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Breitensport erfuhr eine<br />
bis dato nicht bekannte För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Vor allem aber kam hinzu, dass gera<strong>de</strong> in<br />
<strong>de</strong>n 80er Jahren Trendsportarten Einzug gehalten haben, die <strong>de</strong>n Zeitgeist<br />
und das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und Jugendlichen mehr ansprachen als die<br />
Vermittlung einer traditionellen Sportart wie das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Häufig können<br />
Übungsstätten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Material zur <strong>Aus</strong>übung einer Trendsportart wie Inline<br />
Skaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kitesport gemietet wer<strong>de</strong>n. Diese Möglichkeit besteht beim Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht.<br />
349 Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 179.<br />
350 Vgl. M. GANZER, „Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 88(1978)1, S. 12-13. Ferner vgl. G.<br />
WINSAUER, „Das Fahrtenabzeichen <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s“, in: DEUTSCHER RU-<br />
DERVERBAND (Hrsg.), Handbuch <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, 3. Aufl., Min<strong>de</strong>n 1964, S. 34.<br />
Ebenso vgl. E. MAAK, „50 Jahre Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
79(1961)9, S. 232-234.<br />
351 Zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation in Deutschland nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten<br />
Weltkrieg vgl. Kap. 4.3.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 96<br />
Das Betreiben <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports war und ist zeitintensiv. Darüber hinaus un-<br />
terliegt es materiellen Nutzerbarrieren, die in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sportarten leichter<br />
überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n können. Ein Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>boot ist im Vergleich zu einem Ball<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tennisschläger um ein Vielfaches teurer. In <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n Tabelle ist<br />
die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> im DRV dargestellt.<br />
Jahr Anzahl Vereine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1883 34 1.166<br />
1884 66 1.199<br />
1914 327 57.600<br />
1926 502 89.999<br />
1936 507 Ca. 100.000 352<br />
1948 220 33.514<br />
1955 307 59.493<br />
1964 356 66.941<br />
1973 381 70.868<br />
1981 379 69.746<br />
1988 386 66.848<br />
1990 388 67.881<br />
1991 388 68.181<br />
Tab. 2: Vereins- und Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik <strong>de</strong>s DRV von 1883 bis 1991 353<br />
4.7.3 Die Arbeit <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verban<strong>de</strong>s<br />
Seit Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre gab es eine <strong>de</strong>utliche Leistungssteigerung in fast<br />
allen Sportarten. Dies belegen die Erfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Sportler bei Olympischen<br />
Spielen und Welt- und Europameisterschaften. Die Frage, wie ein kleines<br />
Land so viele Medaillen erringen konnte, erscheint berechtigt. Die häufig zi-<br />
tierten „unterstützen<strong>de</strong>n Mittel“ reichen als alleinige Erklärung nicht aus. 354<br />
Die Erfolge basierten auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> gezielten und zentralistisch strukturierten<br />
Talentsuche und Spitzensportför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Die SED-Parteispitze hatte frühzei-<br />
352<br />
Laut <strong>Aus</strong>kunft <strong>de</strong>s DRV ist die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl von 100.000 großzügig aufgerun<strong>de</strong>t, genauere<br />
Daten liegen nicht vor.<br />
353<br />
Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik, Hannover 2007, Privatbesitz Hutmacher.<br />
Die Statistik ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit auf CD-Rom beigelegt.<br />
354<br />
Zum Themenkomplex Doping in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR siehe G SPITZER, Doping in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Ein historischer<br />
Überblick zu einer konspirativen Praxis, Köln 1998.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 97<br />
tig <strong>de</strong>n Nutzen <strong>de</strong>s Sports erkannt und nutzte diesen zur Unterstützung <strong>de</strong>s<br />
Systems und als Mittel im Ringen um internationale Anerkennung. „Der Spit-<br />
zensport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR wur<strong>de</strong> zum wertvollsten und auch international vorzeigba-<br />
ren Produkt <strong>de</strong>s DDR-Sozialismus.“ 355 Obwohl die Arbeit <strong>de</strong>s DRSV auch die<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Breiten- und Jugendsports beinhaltete, ist die <strong>de</strong>utliche <strong>Aus</strong>-<br />
richtung auf <strong>de</strong>n Spitzensport nicht zu übersehen. Winkler nennt in seiner<br />
Arbeit fünf Punkte, die die erfolgreiche Basis <strong>de</strong>s DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports aus-<br />
machten:<br />
„Die straffe kollektive Leitung und Kontrolle <strong>de</strong>s Leistungsbereiches,<br />
vor allem die zielstrebige Anwendung neuer Erkenntnisse im<br />
Trainingsprozess, die planmäßigen, schöpferischen Weiterentwicklungen<br />
<strong>de</strong>s Trainingssystems durch die Kooperation von Trainern<br />
und Wissenschaftlern, die hohe Leistungsbereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sportlerinnen und Sportler, die kontinuierliche Vorbereitung eines<br />
leistungsfähigen Nachwuchses im weiblichen und männlichen Bereich<br />
und die koordinierte Tätigkeit aller Funktionäre, Trainer, Wissenschaftler,<br />
Ärzte und Übungsleiter.“ 356<br />
Durch die Bildung von Sportclubs entstan<strong>de</strong>n zentrale Einrichtungen zur<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Spitzensportler. Diese waren an Betriebe gebun<strong>de</strong>n, die<br />
<strong>de</strong>n Sportlern so genannte „Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>stellen“ anboten. Obwohl diese einem Ar-<br />
beitsplatz gleichgestellt waren, wur<strong>de</strong>n die Sportler <strong>für</strong> Training und Wett-<br />
kämpfe freigestellt. Der DTSB übernahm hierbei die<br />
Lohnausgleichszahlungen. Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport wur<strong>de</strong> in acht dieser Sportclubs<br />
systematisch betrieben.<br />
Koordiniert wur<strong>de</strong> das Training in <strong>de</strong>n Forschungs- und Trainingszentren an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Hochschule <strong>für</strong> Körperkultur, die bereits 1950 in Leipzig ge-<br />
grün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Dieser Hochschule war auch das Forschungsinstitut <strong>für</strong> Kör-<br />
perkultur und Sport angeschlossen. Bei<strong>de</strong> Einrichtungen waren an <strong>de</strong>n<br />
Erfolgen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er maßgeblich beteiligt. Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung von<br />
Trainern und Sportlehrern optimierten sie vor allem die Prozesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Trai-<br />
ningsplanung und -steuerung. 357<br />
Über die BSG wur<strong>de</strong>n zwar Breitensportangebote gemacht, allerdings muss<br />
angemerkt wer<strong>de</strong>n, dass die finanziellen Mittel <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s stellenweise<br />
355<br />
KRÜGER, Einführung in die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung und <strong>de</strong>s Sports, Bd. 3, S. 18.<br />
356<br />
WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR,<br />
S. 127.<br />
357<br />
Vgl. VOIGT, Talentsuche und Spitzenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, S. 111-112. Ferner vgl. WINKLER, Die<br />
geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 42.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 98<br />
eine bessere För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Bereiche als <strong>de</strong>s Spitzensports am Anfang<br />
nicht zuließen. 358 Die Grundlage <strong>für</strong> die internationalen Erfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>er bil<strong>de</strong>te <strong>de</strong>nnoch die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Breiten- und Massensports. Die<br />
Erweiterung <strong>de</strong>s Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns als Form <strong>de</strong>s Freizeit- und Erholungssports<br />
war ebenfalls fest im Perspektivplan verankert und wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend<br />
umgesetzt. 359<br />
Winkler bewertete das erste Verbandstreffen <strong>de</strong>s DRSV in Bran<strong>de</strong>nburg<br />
1969 als Meilenstein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Dieses<br />
Treffen war <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Versuch, eine sportartspezifische Großveranstaltung<br />
durchzuführen. Im Mittelpunkt stand die <strong>Aus</strong>richtung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-<br />
Meisterschaften aller Altersklassen. Ergänzt wur<strong>de</strong> diese Regatta von Nach-<br />
wuchswettkämpfen, Staffelwettbewerben, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>-fahrten, Altersklassenren-<br />
nen, Volkssportwettbewerben in <strong>de</strong>n Sparten Fußball, Handball, Tischtennis<br />
und Kegeln sowie von kulturellen Zusatzveranstaltungen, wie einem<br />
Lampionkorso mit 30 Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>booten unter Einbeziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bran<strong>de</strong>n-<br />
burger Bevölkerung und einer abschließen<strong>de</strong>n Veranstaltung innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bezirks<strong>de</strong>legation mit eigenen Kulturbeiträgen. 360 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> gab es die Mög-<br />
lichkeit, die Lauf dich gesund Meile und das Sportabzeichen 361 abzulegen. 362<br />
Insgesamt nahmen 4000 Teilnehmer an <strong><strong>de</strong>r</strong> Veranstaltung teil, 2200 Leis-<br />
tungssportler, 1000 Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er und 800 ehemalige Aktive und Funktio-<br />
näre. Das entsprach 40% aller zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit organisierten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. 363 Die Stadt<br />
Berlin stellte mit 920 Aktiven das größte Kontingent.<br />
358<br />
Erschwerend kam die <strong>de</strong>solate materielle Situation nach Kriegsen<strong>de</strong> hinzu. Vgl. ebenda,<br />
S. 88.<br />
359<br />
Vgl. ebenda, S. 92.<br />
360<br />
Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/2984, Fiche 2, Bl. 109.<br />
361<br />
Das Sportabzeichen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR wur<strong>de</strong> 1950 erstmals eingeführt. Das erste Abzeichen Bereit<br />
zur Arbeit und zur Verteidigung <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns war <strong>für</strong> Erwachsene gedacht. Daneben<br />
gab es zusätzlich das Sportleistungsabzeichen <strong>für</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und Jugendliche. Von 1956 bis<br />
1964 wur<strong>de</strong> das Sportabzeichen Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat abgenommen,<br />
daneben existierte auch noch das Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holungsabzeichen, das zum mehrmaligen<br />
Erwerb <strong>de</strong>s Sportabzeichens anregen sollte. Ab 1965 wur<strong>de</strong> das Sportabzeichen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR angeboten. Dieses sollte in theoretischer, methodischer und organisatorischer<br />
Hinsicht als Grundprogramm <strong>für</strong> die körperliche Erziehung und Bildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung<br />
wirken. Inhaltlich war eine vielseitige und interessante Übungsgestaltung vorgesehen, die<br />
einen hohen sportlichen Wert besaß und sich durch einfachere Verfahrensweisen im<br />
Prüfwesen auszeichnete. Vgl. G. ERBACH u. A. (Herausgeberkollegium), Kleine Enzyklopädie<br />
Körperkultur und Sport, vierte, neubearbeitete Auflage, Leipzig 1972, S. 675.<br />
362<br />
Vgl. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 97.<br />
363<br />
Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/2972, Fiche 2, Bl. 108.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 99<br />
Auch die i<strong>de</strong>ologische Erziehung war fester Bestandteil jeglicher sportlichen<br />
Aktivität in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. So durfte auch zum ersten Verbandstreffen <strong>de</strong>s DRSV<br />
ein feierliches Gelöbnis nicht fehlen:<br />
„Wir, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verban<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR,<br />
wir, Angehörige unserer großen, sozialistischen Sportbewegung,<br />
wir, die wir im fairen Wettkampf unser Können gemessen haben,<br />
hingegeben <strong><strong>de</strong>m</strong> Spiel <strong>de</strong>s Willens, <strong><strong>de</strong>r</strong> Kraft und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewährung<br />
in echter Gemeinschaft und friedlichem Kampf um <strong>de</strong>n Lorbeer,<br />
wir Töchter und Söhne <strong>de</strong>s Staates <strong><strong>de</strong>r</strong> schaffen<strong>de</strong>n Menschen,<br />
erzogen in Freundschaft zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Völkern und Rassen, geloben,<br />
das beste tagtäglich zu geben <strong><strong>de</strong>m</strong> Ganzen als Sportler und<br />
Bürger <strong>de</strong>s Staates <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiter, Bauern und aller die eins sind im<br />
Wirken zum Wohl <strong>de</strong>s Ganzen, geloben zu lernen das Heute zu<br />
meistern mit Kühnheit, damit uns <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag und die locken<strong>de</strong> Zukunft<br />
gehören, geloben durch Schrittmachertaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaft<br />
Wege zu bahnen, zu nützen die Technik im Dienste <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
neuen Gesellschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen, die frei sich verbun<strong>de</strong>n im zielklaren<br />
Streben in unserer sozialistischen Menschengemeinschaft,<br />
die stets wir zu stärken, die stets wir zu schützen bereit sind. Dies<br />
unser Gelöbnis zur Ehre <strong>de</strong>s Sports und <strong><strong>de</strong>r</strong> Heimat!“ 364<br />
Der Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s DTSB Manfred Ewald beurteilte die Veranstaltung als<br />
„gelungene Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Synthese von Leistungssport und<br />
Freizeit- und Erholungssport im Sinne <strong>de</strong>s [...] Staatsratsbeschluß<br />
über die ’Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperkultur und <strong>de</strong>s Sports bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestaltung<br />
<strong>de</strong>s entwickelten gesellschaftlichen Systems <strong>de</strong>s Sozialismus<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR’[...]“. 365<br />
Die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Freizeit- und Breitensports war allerdings häufig durch<br />
Diskontinuität gekennzeichnet, da sich <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV zunächst auf <strong>de</strong>n Leis-<br />
tungssport konzentrierte, weil internationale Erfolge mehr Anerkennung ein-<br />
brachten. 366 Nicht selten wur<strong>de</strong>n die DDR-Sportler daher in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur<br />
auch als „Diplomaten im Trainingsanzug“ bezeichnet.<br />
Die Parteispitze versprach sich von <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen Großveranstaltungen große<br />
Werbewirksamkeit, um sportinteressierte Jugendliche zum aktiven Sport an-<br />
zuregen. Analysen zeigten, dass die Grundlage <strong>für</strong> eine erfolgreiche leis-<br />
tungssportliche Entwicklung einer Sportart immer <strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und<br />
Jugendsport bil<strong>de</strong>te. 367<br />
364 SAPMO-BARCH, DY 12/2972, Fiche 3, Bl. 192.<br />
365 WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR,<br />
S. 99.<br />
366 Vgl. ebenda.<br />
367 Vgl. ebenda.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 100<br />
Vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Verbandstreffen 1969 erfuhr die Verbreitung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Jugendbereich eine gewisse Stagnation. Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> waren<br />
zum einen fehlen<strong>de</strong>s Bootsmaterial und zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die Tatsache, dass in<br />
<strong>de</strong>n Jahren davor nur 3% aller Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> unter 14 Jahre alt waren. Die in<br />
diesem Themenkomplex diskutierten Fragestellungen waren beispielsweise<br />
„Wie wirkt sich das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf <strong>de</strong>n jugendlichen Organismus aus?“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Ab<br />
wann ist eine Spezialisierung auf Skullen, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n möglich be-<br />
ziehungsweise sinnvoll?“ Es wird <strong>de</strong>utlich, dass leistungssportliche Aspekte<br />
im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund stan<strong>de</strong>n. 368 Es galt, einen leistungsfähigen Nachwuchs her-<br />
auszufiltern. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb festgelegt, dass die Jugend-<br />
kommission <strong>de</strong>s DRSV ein geregeltes Wettkampfsystem ausarbeiten sollte,<br />
das Streckenlänge und Altersbegrenzung regulierte. Die gestiegenen Zahlen<br />
im Schüler- und Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n waren das Ergebnis systematischer Breiten-<br />
sportarbeit. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> positiven Entwicklung konnten jedoch bis En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
60er Jahre nicht genügend geeignete Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>sportler in die Sportclubs über-<br />
führt wer<strong>de</strong>n. 369 Darum wur<strong>de</strong> eine Art Zwischenstufe, nämlich das so ge-<br />
nannte Trainingszentrum (TZ), in <strong><strong>de</strong>r</strong> planmäßigen Leistungssportent-<br />
wicklung entwickelt. Für <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport konnten allein 1970 35 dieser neuen<br />
Strukturformen geschaffen wer<strong>de</strong>n, En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre gab es bereits 61<br />
dieser Trainingszentren. 370<br />
Das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Freizeit- und Erholungssport im DRSV wur<strong>de</strong> vor al-<br />
lem <strong>für</strong> die Berufstätigen als Möglichkeit regelmäßiger sportlicher Betätigung<br />
angeboten. Seit 1952 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fahrtenwettbewerb durchgeführt, bei <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
die Teilnehmer entsprechend ihrer Altersklasse eine vorgegebene Kilome-<br />
ternorm erfüllen mussten. Im Vergleich mit <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bereichen kann <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n keine positive Entwicklung bescheinigt wer<strong>de</strong>n. Die Teilneh-<br />
merzahlen waren eher rückläufig o<strong><strong>de</strong>r</strong> stagnierten und bis 1974 konnte trotz<br />
aller Bemühungen <strong><strong>de</strong>m</strong> nicht entgegengewirkt wer<strong>de</strong>n. 371 Als Ursachen wur-<br />
<strong>de</strong>n bis in die 80er Jahre die zu geringe Werbung <strong>für</strong> das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, das<br />
unzureichen<strong>de</strong> Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportfunktionäre, das Fehlen von Über-<br />
368 Vgl. ebenda, S. 101.<br />
369 Vgl. ebenda, S. 104.<br />
370 Vgl. ebenda, S. 106.<br />
371 Vgl. ebenda, S. 118.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 101<br />
nachtungsmöglichkeiten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Mangel an Räumlichkeiten <strong>für</strong> das gesellige<br />
Beisammensein ausgemacht. 372<br />
Dennoch entwickelte sich das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Gefüge <strong>de</strong>s DRSV zu einem<br />
integrierten Bestandteil, <strong><strong>de</strong>r</strong> neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachwuchsentwicklung und <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Leistungssport ein<br />
„wesentliches Kettenglied bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>strahlung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong>-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verban<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR innerhalb <strong>de</strong>s eigenen Lan<strong>de</strong>s<br />
und gleichzeitig im internationalen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportgeschehen wur<strong>de</strong>.“<br />
373<br />
4.7.4 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>entwicklung im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n Tabelle wer<strong>de</strong>n die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen <strong>de</strong>s DRSV dargestellt.<br />
Jahr Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1951 6.883<br />
1952 8936<br />
1953 11.230<br />
1954 11.946<br />
1955 10.881<br />
1956 11.409<br />
1957 11.026<br />
1958 10.193<br />
1959 10.314<br />
1960 10.303<br />
1965 9.711<br />
1969 10.345<br />
1973 12.766<br />
1977 14.025<br />
1978 14.325<br />
1990/1991 8.320 374<br />
Tab. 3: Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband 375<br />
372 Vgl. ebenda, S. 122.<br />
373 Ebenda.<br />
374 Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre 1990/1991 ergibt sich aus <strong>de</strong>n Angaben <strong>de</strong>s DRV nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>. Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik,<br />
Hannover 2007, Privatbesitz Hutmacher.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 102<br />
Die Mitgliedzahlen blieben zunächst weitgehend konstant. Die Werbemaß-<br />
nahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre brachten <strong>de</strong>n angestrebten Zuwachs. Bis zur Wie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung waren durchschnittlich 10.000 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er im DRSV organisiert.<br />
4.8 Vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong><br />
Nach öffentlichen Protesten von Bürgerrechtsgruppen gegen die Wahlfäl-<br />
schungen bei <strong>de</strong>n Kommunalwahlen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR am 7. Mai 1989 begann ei-<br />
ne friedliche Revolution, die die Öffnung <strong><strong>de</strong>r</strong> ungarischen Grenze nach<br />
Westen zur Folge hatte. Dies war seit <strong><strong>de</strong>m</strong> Bau <strong><strong>de</strong>r</strong> Mauer 1961 die erste<br />
Möglichkeit <strong>für</strong> DDR-Bürger, ohne Einverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Behör<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Wes-<br />
ten zu gelangen. 376 In Massen<strong><strong>de</strong>m</strong>onstrationen wur<strong>de</strong> die Opposition gegen<br />
die politische Führung immer größer, so dass es schließlich am 18. Oktober<br />
1989 zur Ablösung <strong>de</strong>s Generalsekretärs <strong><strong>de</strong>r</strong> SED, Erich Honecker, kam.<br />
Sechs Tage später wur<strong>de</strong> er als Staatsratsvorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> von Egon Krenz ab-<br />
gelöst. Der rapi<strong>de</strong> Machtverlust gipfelte am 8. November 1989 im Rücktritt<br />
<strong>de</strong>s gesamten Zentralkomitees <strong><strong>de</strong>r</strong> SED. 377 Nur einen Tag später befahl die<br />
DDR-Führung die Öffnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze.<br />
Die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach einem vereinigten Deutschland wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n<br />
Wochen immer lauter und so legte <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige Bun<strong>de</strong>skanzler, Helmut<br />
Kohl, <strong><strong>de</strong>m</strong> Bun<strong>de</strong>stag einen Zehnpunkteplan vor, „<strong><strong>de</strong>r</strong> über einzelne, zeitlich<br />
nicht bestimmte Stufen einer Vertragsgemeinschaft und konfö<strong><strong>de</strong>r</strong>ativer<br />
(staatenbundlicher) Strukturen auf die Einheit Deutschlands in einer bun<strong>de</strong>s-<br />
staatlichen Ordnung zielte.“ 378 Nach <strong>de</strong>n so genannten 2+4-Gesprächen 379<br />
wur<strong>de</strong> am 31. August 1990 <strong><strong>de</strong>r</strong> Einigungsvertrag unterzeichnet und die<br />
375<br />
Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen <strong>für</strong> die Jahre 1951-1955 und 1957-1960 sind entnommen aus:<br />
SAPMO-BArch, DY 12/3823, Fiche 1, Bl. 36/37. Ferner H. KOCH/A. KISSLING/D. WALES,<br />
GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DES OLYMPISCHEN GEDANKENS IN DER DEUTSCHEN DEMO-<br />
KRATISCHEN REPUBLIK [Hrsg.], „30. Jahrestag <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Blickpunkt Sport. Dokumentarische<br />
Betrachtung über <strong>de</strong>n erfolgreichen Weg <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Turn- und Sportbun<strong>de</strong>s,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Sportorganisationen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR“ (= aktuelle Schriftenreihe Nr. 7), Berlin<br />
1979, zitiert nach: G. WONNEBERGER, „Studie zur Struktur und Leitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportbewegung<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ/DDR (1945-1961)“, in: W. BUSS/C. BECKER (Hrsg.), Der Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ<br />
und frühen DDR. Genese – Strukturen – Bedingungen, S. 177.<br />
376<br />
Vgl. H. MÜLLER, Schlaglichter <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Geschichte, zweite, aktualisierte Auflage (=<br />
Schriftenreihe <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>szentrale <strong>für</strong> politische Bildung, Bd. 402), 2. akt. Aufl., Bonn<br />
2003, S. 432.<br />
377<br />
Vgl. ebenda, S. 433.<br />
378<br />
Ebenda, S. 433.<br />
379<br />
Die bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Außenminister berieten mit <strong>de</strong>n Außenminister <strong><strong>de</strong>r</strong> vier Sieger-<br />
mächte über die <strong>Deutschen</strong> Einheit.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 103<br />
Volkskammer beschloss <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zur Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland zum 3. Oktober 1990. 380<br />
Für <strong>de</strong>n Sport hatte dieser Prozess große Konsequenzen:<br />
„Wie Politik und Wirtschaft war auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport im geteilten<br />
Deutschland nicht auf diese Ereignisse vorbereitet, obwohl die<br />
Sportführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik gut informiert war über die DDR-<br />
Sportstrukturen. Die erzwungene politische Dynamik beschleunigte<br />
zwangsläufig auch <strong>de</strong>n ursprünglich langsamer angesetzten<br />
Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong> sportlichen Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung.“ 381<br />
Bereits am 17. November 1989 einigten sich <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige DSB-Vorsitzen<strong>de</strong><br />
Hans Hansen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s DTSB, Klaus Eichler, <strong>de</strong>n inner<strong>de</strong>ut-<br />
schen Sportverkehr „freizugeben“. 382 Auf zentraler und regionaler Ebene<br />
wur<strong>de</strong>n „Run<strong>de</strong> Tische <strong>de</strong>s Sports“ gebil<strong>de</strong>t, die bis zur Volkskammerwahl<br />
1990 richtungweisend <strong>für</strong> die Zukunft <strong>de</strong>s DDR-Sports sein sollten. 383<br />
Die wichtigsten Stationen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Weg zur <strong>de</strong>utschen Einheit im Sport wa-<br />
ren <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenschluss <strong>de</strong>s DSB und <strong>de</strong>s DTSB sowie die Vereinigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n NOK. Mitte Dezember 1989 herrschte eine bizarre Personalkons-<br />
tellation im DTSB, da altgediente Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Reihe an die<br />
Macht kamen und die Ära Ewald ein En<strong>de</strong> fand. 384 Anfang März 1990 fand in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ostberliner Dynamohalle <strong><strong>de</strong>r</strong> Außeror<strong>de</strong>ntliche Turn- und Sporttag statt.<br />
Die 1067 Delegierten repräsentierten weitgehend <strong>de</strong>n alten DTSB. Braun<br />
resümierte:<br />
„Doch hatten die ersten freien Wahlen im DTSB von Beginn an einen<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Geburtsfehler: Die Delegierten <strong>de</strong>s Turn- und<br />
Sporttages selbst waren nicht aus einem <strong><strong>de</strong>m</strong>okratischen Wahlverfahren<br />
hervorgegangen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach altbekannter zentralistischer<br />
Manier <strong>de</strong>legiert wor<strong>de</strong>n; <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl eines neuen DTSB-<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>n fehlte damit von vornherein eine überzeugen<strong>de</strong> Legitimation.“<br />
385<br />
380 Vgl. ebenda, S. 446.<br />
381 Vgl. KREBS, „Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit zur Gemeinsamkeit“, S. 327.<br />
382 Vgl. J. BRAUN, „Sport frei – Der Weg in die Sporteinheit“, in: J. BRAUN/H. J. TEICHLER<br />
(Hrsg.), Sportstadt Berlin im Kalten Krieg. Prestigekämpfe und Systemwettstreit, Berlin<br />
2006, S. 351.<br />
383 Vgl. ebenda, S. 356.<br />
384 Teichler merkt an, dass im Wen<strong>de</strong>prozess <strong>de</strong>s Sports anfänglich nicht die ‘revolutionären’,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die ‘restaurativen’ Kräfte dominierten. Vgl. H. J. TEICHLER, „Sportpolitik im<br />
Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong>“, in: H. J. TEICHLER/K. REINARTZ, Das Leistungssportsystem <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
in <strong>de</strong>n 80er Jahren und im Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong> (= Schriftenreihe <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sinstituts <strong>für</strong><br />
Sportwissenschaft, Bd. 96), Schorndorf 1999, S. 458.<br />
385 BRAUN, „Sport frei – Der Weg in die Sporteinheit“, S. 358.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 104<br />
Als einziger Kandidat <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Vorsitz stellte sich Martin Killian <strong>de</strong>n Delegier-<br />
ten zur Wahl. Der neue Vorsitzen<strong>de</strong> ließ ein Arbeitssekretariat einrichten, das<br />
sich vor allem mit <strong>de</strong>n finanziellen Unregelmäßigkeiten und <strong><strong>de</strong>r</strong> da<strong>für</strong> verant-<br />
wortlichen Person, Manfred Ewald, befasste. 386<br />
Bei<strong>de</strong> Seiten wollten <strong>de</strong>n Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung so schnell wie möglich<br />
abschließen, was Willi Daume im März 1990 wie folgt kommentierte:<br />
„Der Parallelität <strong><strong>de</strong>r</strong> atemberauben<strong>de</strong>n politischen Entwicklungen<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> sportpolitischen Entwicklung kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport nicht entkommen.“<br />
387<br />
In <strong>de</strong>n ersten Monaten <strong>de</strong>s Jahres 1990 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DTSB mit weiteren Prob-<br />
lemen konfrontiert. Gemeinsame Wettkämpfe wur<strong>de</strong>n durchgeführt und Ver-<br />
bän<strong>de</strong> gegrün<strong>de</strong>t, alles ohne Zustimmung <strong>de</strong>s DTSB. 388 Der<br />
Vereinigungsprozess im Sport schritt schnell voran, was Hansen kommen-<br />
tierte: „Wir wollen die Politik nicht überholen, aber wir betrachten <strong>de</strong>n Sport<br />
als völlig unabhängig“. 389 Überall grün<strong>de</strong>ten sich Vereinigungen und Sport-<br />
vereine. Regional schlossen sich die Sportarten in Lan<strong>de</strong>sfachverbän<strong>de</strong>n<br />
zusammen. 390 Sie bil<strong>de</strong>ten die Basis <strong>für</strong> die im September 1990 neu konstitu-<br />
ierten Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Dabei verliefen die Verhandlungen in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Sportarten höchst<br />
unterschiedlich. Kleinere Verbän<strong>de</strong>, wie beispielsweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Versehrtensport-<br />
Verband in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, hegten große Erwartungen an die Vereinigung, wohin-<br />
gegen die Leichtathleten um <strong>de</strong>n Erhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> vorhan<strong>de</strong>nen Privilegien bang-<br />
ten. 391<br />
Am 5. Dezember 1990 beschloss <strong><strong>de</strong>r</strong> DTSB seine Selbstauflösung. Zehn<br />
Tage später traten die fünf Lan<strong>de</strong>ssportbün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
DSB bei. Damit war die <strong>de</strong>utsche Einheit im Sport vollzogen. Erster Präsi-<br />
<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> fusionierten Dachorganisation war <strong><strong>de</strong>r</strong> alte DSB-Vorsitzen<strong>de</strong> Hans<br />
386 Bei <strong>de</strong>n finanziellen Unregelmäßigkeiten han<strong>de</strong>lte es sich um das Vorhan<strong>de</strong>nsein <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
geheimen Valutakasse <strong>de</strong>s DTSB und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>zahlung von „Forumchecks“ in Höhe von<br />
6.000 Mark an Olympiasieger. Ewald beharrte darauf, seinen Nachfolger als Präsi<strong>de</strong>nt<br />
<strong>de</strong>s NOK <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR über diese Tatbestän<strong>de</strong> informiert zu haben. Vgl. TEICHLER, „Sportpolitik<br />
im Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong>“, S. 461.<br />
387 KREBS, „Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit zur Gemeinsamkeit“, S. 327.<br />
388 Vgl. TEICHLER, „Sportpolitik im Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong>“, S. 470.<br />
389 Zitiert nach: BRAUN, „Sport frei – Der Weg in die Sporteinheit“, S. 360.<br />
390 Vgl. ebenda, S. 361.<br />
391 Vgl. ebenda, S. 362.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 105<br />
Hansen, <strong><strong>de</strong>r</strong> als Integrationsfigur mit Behutsamkeit und Fingerspitzengefühl<br />
<strong>de</strong>n schwierigen Prozess <strong>de</strong>s Zusammenwachsens leitete.<br />
Auf olympischer Ebene stimmte das NOK <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Auflösung<br />
und damit verbun<strong>de</strong>nen Vereinigung mit <strong><strong>de</strong>m</strong> NOK <strong>für</strong> Deutschland zum 31.<br />
Dezember 1990 zu, doch Willi Daume konnte <strong>de</strong>n Vollzug schon früher ver-<br />
kün<strong>de</strong>n:<br />
„Am 17. November 1990 um 15.19 hat das Nationale Olympische<br />
Komitee in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>für</strong> ganz Deutschland, verpflichtet<br />
<strong>de</strong>n olympischen Prinzipien, seine Arbeit aufgenommen.“ 392<br />
Die Vereinigung im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport zwischen DRV und DRSV beschrieb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ehemalige DRV-Vorsitzen<strong>de</strong> Henrik Lotz:<br />
„Wer einmal nasses Holz und Lack und all das riecht, <strong><strong>de</strong>r</strong> kommt<br />
vom Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht mehr los und das ist eine Eigenschaft, die sich<br />
nicht nach Ost und West aufteilt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das ist vorhan<strong>de</strong>n und<br />
<strong>de</strong>shalb ging vieles auch so glatt.“ 393<br />
Der langjährige DRV-Vorsitzen<strong>de</strong> Claus Heß äußerte sich 1989 ähnlich:<br />
„Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er haben dabei beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gute <strong>Aus</strong>gangspositionen: Die<br />
Beziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> DRV und DRSV wur<strong>de</strong>n selbst in<br />
Boykottzeiten 1980 und 1984 positiv entwickelt. [...] An Verständnis<br />
<strong>für</strong> die jeweils an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Situation hat es nie gemangelt. Die guten<br />
menschlichen Kontakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktiven, <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainer und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verbandsoffiziellen sind nie abgerissen.“ 394<br />
Das erste Treffen zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n fand am 9. Dezember<br />
1989 in Berlin statt. Lotz vermerkte in einem Schreiben an <strong>de</strong>n DRSV:<br />
„Es freut uns, daß wir im Einvernehmen mit <strong><strong>de</strong>m</strong> DRSV diesen<br />
unkomplizierten Weg zur Organisation <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im vereinten<br />
Deutschland gefun<strong>de</strong>n haben. Wir sind uns bewußt, erst am<br />
Anfang einer schwierigen Phase <strong>de</strong>s Aufbaus zu stehen.“ 395<br />
Auf dieser Veranstaltung wur<strong>de</strong>n grundsätzliche Fragen einer zukünftigen<br />
Zusammenarbeit diskutiert, schwerpunktmäßig aber die Themenbereiche<br />
392 KREBS, „Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit zur Gemeinsamkeit“, S. 330.<br />
393 H. LOTZ, [persönliche Äußerung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Konferenz zur] „Vereinigung im Sport“ am 21. 11.<br />
2005 in Potsdam, zitiert nach: BRAUN, „Sport frei – Der Weg in die Sporteinheit“, S. 361.<br />
394 C. HEß, „Aufbruch im inner<strong>de</strong>utschen Sportverkehr“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 107(1989)32, S. 762.<br />
395 H. LOTZ, Korrespon<strong>de</strong>nz an das DRSV-Präsidium am 5. 10. 1990, Privatbesitz Hutma-<br />
cher.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 106<br />
Wettkampfsport und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 396 Ebenfalls Beachtung fand <strong><strong>de</strong>r</strong> Brei-<br />
tensport. Im Bereich <strong>de</strong>s Leistungssports wur<strong>de</strong>n bereits auf diesem Treffen<br />
konkrete Regattateilnahmen sowie <strong>für</strong> das Jahr 1990 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>tausch <strong><strong>de</strong>r</strong> Re-<br />
gattakalen<strong><strong>de</strong>r</strong> vereinbart. In einer gemeinsamen Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachver-<br />
bän<strong>de</strong> sollten klärungsbedürftige Fragen hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen<br />
Wettkampfbestimmungen, <strong>de</strong>s Schiedsrichterwesens und <strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>tauschs<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfrichtlinien zeitnah besprochen wer<strong>de</strong>n, um möglichst zügig<br />
sportlich aktiv wer<strong>de</strong>n zu können. 397 Diese Absprachen betrafen 1989 ca.<br />
10.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>, davon zwei Drittel Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und Jugendliche bis 18 Jahre,<br />
die in 123 Sektionen organisiert waren. Laut Horst Ahlgrimm, Geschäftsfüh-<br />
rer <strong>de</strong>s DRSV, waren 60% <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootshäuser in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR in einem guten Zu-<br />
stand und 40% in einem schlechten bis sehr schlechten. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
beschrieb er in <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Korrespon<strong>de</strong>nz starke Ten<strong>de</strong>nzen, Boots-<br />
häuser zu verkaufen und daraus beispielsweise Gaststätten zu machen. 398<br />
Auf ihrem zweiten Treffen am 24. Februar 1990 in Potsdam verabschie<strong>de</strong>ten<br />
die Verbandsspitzen ein Kommuniqué, das die Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> erarbeiteten<br />
Maßnahmen in <strong>de</strong>n Bereichen Leistungssport, Regattawesen und Breiten-<br />
sport vorsah. Fixiert wur<strong>de</strong> außer<strong><strong>de</strong>m</strong> eine Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frühjahrsregatta Bran<strong>de</strong>nburg und an <strong><strong>de</strong>r</strong> Großen Grünauer Regatta<br />
ebenfalls in Bran<strong>de</strong>nburg. Daneben stand die Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> ost<strong>de</strong>utschen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er an <strong>de</strong>n internationalen Regatten in Mannheim, Essen, Köln und<br />
Ratzeburg. Des Weiteren war eine Beteiligung am Tag <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im<br />
April 1990 in Berlin (West) beabsichtigt, wo erstmals die bei<strong>de</strong>n Präsi<strong>de</strong>nten<br />
in einem Boot sitzen wür<strong>de</strong>n. 399 Im Regattawesen wur<strong>de</strong> vereinbart, Schieds-<br />
richterlizenzen gegenseitig anzuerkennen. Für die Altersklassen im Nach-<br />
wuchsbereich wur<strong>de</strong> <strong>für</strong> das Jahr 1990 an <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Einteilung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong> festgehalten: <strong>für</strong> 1991 wur<strong>de</strong> eine gemeinsame Regelung<br />
angestrebt. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Sparte Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n konnten direkt gemeinsame Veran-<br />
staltungen angeboten wer<strong>de</strong>n. Vereinbart wur<strong>de</strong> eine gegenseitige Teilnah-<br />
396<br />
Vgl. R. ZIEL, „DRV und DRSV – erste Schritte zu vermehrten Begegnungen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
107(1989)33, S. 781.<br />
397<br />
Vgl. ebenda.<br />
398<br />
Vgl. [ohne Verfasser], Notiz Besprechung Bittner/Ahlgrimm am 9. 7. 1990, (= Vorstandsinfo),<br />
Privatbesitz Hutmacher.<br />
399<br />
Dies ist durchaus wörtlich zu verstehen, da ein gemeinsames Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbandspräsi<strong>de</strong>nten<br />
angedacht war. Vgl. M. GENTSCH, „DRV und DRSV beschlossen sportliche<br />
Maßnahmen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)5, S. 120.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 107<br />
me am Anru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Ost in Berlin (Ost) am 7. April sowie am bereits erwähnten<br />
Tag <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports am 15. April in Berlin (West). Weiterhin sollten Vertreter<br />
<strong>de</strong>s DRSV am 49. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Düsseldorf teilnehmen, sowie Vertreter <strong>de</strong>s<br />
DRV am VIII. Verbandstag in Schwerin. 400<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> über <strong>de</strong>n Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s 1974 abgerissenen Sportler-<br />
<strong>de</strong>nkmals in Berlin-Grünau nachgedacht sowie über <strong>de</strong>n Bau einer Regatta-<br />
strecke im Raum Berlin <strong>für</strong> die Olympia-Bewerbung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Berlin <strong>für</strong> die<br />
Jahre 2000 und 2004. Wichtig erschien auch eine Regelung bei Vereins-<br />
wechseln zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Verbän<strong>de</strong>n. 401<br />
Zu weitergehen<strong>de</strong>n Fragestellungen wur<strong>de</strong>n abschließend sechs Kommissi-<br />
onen gegrün<strong>de</strong>t: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>reviere/Umwelt, Jugendfragen, Wissenschaft, Lehre,<br />
<strong>Aus</strong>bildung und Verbandsstrukturen, Wettkampfsport, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ Brei-<br />
tensport sowie Olympia Berlin 2000 und 2004. 402<br />
Der Tag <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports wur<strong>de</strong> zu einem ersten großen Erfolg, bei <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
mehr als 200 Boote mit 1000 Aktiven am Start waren. 403 Ziel äußerte dazu:<br />
„Es war <strong><strong>de</strong>r</strong> schönste Tag <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports seit Kriegsen<strong>de</strong>, es<br />
war ein Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ischen Einheit, <strong>de</strong>n Tausen<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Uferpromena<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Scharfen Lanke in Berlin-Schönau bei schönem<br />
Wetter erlebten. [...] Aber nicht nur das Geschehen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser<br />
[...] faszinierte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die kameradschaftliche Verbun<strong>de</strong>nheit<br />
aller Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. Freundschaften wur<strong>de</strong>n gepflegt, erneuert<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> geschlossen.“ 404<br />
Der DRSV beschloss auf <strong><strong>de</strong>m</strong> VIII. Verbandstag am 28. April 1990 seine Auf-<br />
lösung zum Jahresen<strong>de</strong>. Angenommen wur<strong>de</strong> diese von <strong>de</strong>n 93 Delegierten<br />
ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung. 405 Für die Übergangsphase musste<br />
<strong>de</strong>nnoch ein Präsi<strong>de</strong>nt gewählt wer<strong>de</strong>n. Der langjährige Präsi<strong>de</strong>nt Wilfried<br />
Hofmann erkannte die entstan<strong>de</strong>ne Kluft zwischen Leistungs- und Breiten-<br />
400<br />
Vgl. ebenda.<br />
401<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Vereinbarung <strong>für</strong> eine Zusammenarbeit zwischen DRV und<br />
DRSV“, [unveröffentlichtes Manuskript], Privatbesitz Hutmacher<br />
402<br />
Unterschie<strong>de</strong> gab es vor allem im Wettkampfwesen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV grundsätzlich nur Altersklassen<br />
und keine Leistungsklassen kannte. Bei <strong>de</strong>n Regatten <strong>de</strong>s DRSV wur<strong>de</strong>n<br />
keine Mel<strong>de</strong>gel<strong><strong>de</strong>r</strong> von Teilnehmern aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Verbandsgebiet <strong>de</strong>s DRV erhoben, was<br />
ebenfalls <strong>für</strong> Meldungen von DRSV-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf DRV-Regatten galt. Vgl. ebenda.<br />
Ferner vgl. K.-H. BECKER, „DRSV-Regatten 1990 – Offen <strong>für</strong> DRV-Mannschaften“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
108(1990)6, S. 200.<br />
403<br />
Vgl. R. ZIEL, „Wir sitzen endlich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> alle in einem Boot“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)9, S.<br />
253.<br />
404<br />
Ebenda.<br />
405<br />
Vgl. V. RUSSEK, „Neuorientierung und Kurs auf Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung von DRV und DRSV“,<br />
in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)11, S. 337.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 108<br />
sport und bekannte sich zur Verantwortung <strong>de</strong>s obersten Gremiums <strong>für</strong> diese<br />
Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungen. Er zog daraus die persönliche Konsequenz, nicht<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu kandidieren. Als neuer Präsi<strong>de</strong>nt wur<strong>de</strong> Alfred B. Neumann ge-<br />
wählt, <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits von 1964 bis 1974 dieses Amt innehatte. 406 Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bevorstehen<strong>de</strong>n Reformen mussten das Für und Wi<strong><strong>de</strong>r</strong> zu Vereinsgründun-<br />
gen sowie die Neustrukturierung auf Län<strong><strong>de</strong>r</strong>ebene im Gegensatz zu <strong><strong>de</strong>r</strong> bis-<br />
herigen Bezirkseinteilung diskutiert wer<strong>de</strong>n. Neumann vertrat die Ansicht,<br />
dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband bei<strong>de</strong> Organisationsformen, also Vereine und Betriebs-<br />
sportgemeinschaften, brauche. Einigkeit bestand in <strong><strong>de</strong>r</strong> For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach<br />
staatlicher Unterstützung, da durch die neue fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ale Ordnung auf regionaler<br />
Ebene finanzielle Hilfen zugesagt wur<strong>de</strong>n. Neumann betonte außer<strong><strong>de</strong>m</strong> die<br />
Achtung vor <strong>de</strong>n Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitzenathleten, „die jetzt nicht zu Buhmän-<br />
nern gemacht wer<strong>de</strong>n dürften.“ 407 Leistungssport sei wichtig und notwendig<br />
<strong>für</strong> eine starke Basis, bei<strong>de</strong>s wollte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV in <strong>de</strong>n künftigen gemeinsamen<br />
Verband einbringen, so Neumann.<br />
Bis zur Auflösung <strong>de</strong>s DRSV vollzog sich vielerorts bereits eine Art „informel-<br />
le“ Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung. Es trafen sich Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportfreun<strong>de</strong> aus Ost und West,<br />
um gemeinsame Bootspartien zu unternehmen. Exemplarisch sei hier die<br />
Begegnung zwischen Achim Hill und Jochen Meißner genannt, die in <strong>de</strong>n<br />
60er Jahren etliche Rennen gegeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> gefahren waren. <strong>Aus</strong> <strong>de</strong>n einsti-<br />
gen Gegnern wur<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>. 408 In Leipzig fand unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel „Wir ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsam“ eine Veranstaltung statt, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> offiziell das 100jährige<br />
Bestehen <strong>de</strong>s Universitätsbootshauses <strong><strong>de</strong>r</strong> DHfK gefeiert wur<strong>de</strong>. Eine gut<br />
besetzte Regatta und ein buntes Rahmenprogramm ließ „die Wogen unter<br />
<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>n aus Ost und West höher schlagen“. 409<br />
Mit <strong>de</strong>n Ergebnissen <strong><strong>de</strong>r</strong> vorausgegangenen Gespräche zwischen <strong>de</strong>n bei-<br />
<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n befasste sich die Verbandsspitze <strong>de</strong>s DRV auf einer Tagung<br />
in Frankfurt am Main am 25. August 1990. Dabei wur<strong>de</strong> festgestellt, dass<br />
sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Informationsaustausch und die Zusammenarbeit erfreulich entwi-<br />
406 Vgl. ebenda.<br />
407 Ebenda, S. 337.<br />
408 Vgl. K. NEUFERT, „<strong>Aus</strong> einstigen Gegnern wur<strong>de</strong>n Freun<strong>de</strong>“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)15,<br />
S. 428. Hill gewann die olympische Silbermedaille 1964 in Tokio, Jochen Meißner vier<br />
Jahre später in Mexiko-Stadt. Gegeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> hatten sie insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EM in Vichy<br />
1967 gekämpft, als Hill <strong>de</strong>n Titel gewann.<br />
409 R. ZIEL, „Wir ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsam“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)11, S. 337.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 109<br />
ckelt hatten. Es galt, weitere notwendige Schritte einzuleiten, die wie folgt<br />
formuliert wur<strong>de</strong>n:<br />
• „Der DRSV wird sich bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres auflösen.<br />
• Der DRV arbeitet auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage seiner bisherigen Satzung<br />
(Grundgesetz) weiter und er behält seinen Namen, seine Flagge so-<br />
wie seinen Sitz in Hannover.<br />
• Die Vereine und Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong>, die sich bereits gebil<strong>de</strong>t ha-<br />
ben o<strong><strong>de</strong>r</strong> bil<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, treten nach Auflösung <strong>de</strong>s DRSV <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV<br />
bei.<br />
• Die hierzu notwendigen Entscheidungen wird ein Außeror<strong>de</strong>ntlicher<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag treffen.“ 410<br />
Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Außeror<strong>de</strong>ntlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag am 1. Dezember 1990 in Essen be-<br />
grüßte <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige Vorsitzen<strong>de</strong> Henrik Lotz die Anwesen<strong>de</strong>n aus Ost und<br />
West mit <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Worten: „Es gibt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports keine entsprechen<strong>de</strong> Veranstaltung zu diesem Tag.“ 411 Es war<br />
kein „Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag“, da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV zu diesem Zeitpunkt noch<br />
existierte und <strong>de</strong>ssen Auflösung erst am 8. Dezember vollzogen wur<strong>de</strong>. 412<br />
Ziel stellte fest, dass, obwohl es we<strong><strong>de</strong>r</strong> einen symbolischen Handschlag noch<br />
eine Übergabe von Beitrittserklärungen gab, „allen klar war, daß man einer<br />
Geschichtsstun<strong>de</strong> <strong>de</strong>utscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>einheit beiwohnte.“ 413 Lotz berichtete al-<br />
lerdings 2005 von einem Handschlag, <strong><strong>de</strong>r</strong> alles besiegelte und von <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat-<br />
sache, dass dies überhaupt nur <strong>de</strong>shalb gelingen konnte, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport das<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Verständnis <strong>für</strong>einan<strong><strong>de</strong>r</strong> herstellte. 414 Rein formal han<strong>de</strong>lte es<br />
sich um die Schaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlagen zur Aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>ver-<br />
bän<strong>de</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> zum 1. Januar 1991 in <strong>de</strong>n<br />
DRV. 415 Die fünf neu gegrün<strong>de</strong>ten Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> Mecklenburg-<br />
Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bran<strong>de</strong>nburg traten<br />
einzeln <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV bei.<br />
410<br />
H. LOTZ, „Wir müssen uns um ein zügiges Zusammenwachsen bemühen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
108 (1990)24, S. 598.<br />
411<br />
R. ZIEL, „Gesetze zur <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>einheit beschlossen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)32,<br />
S. 797.<br />
412<br />
Vgl. ebenda.<br />
413<br />
Ebenda.<br />
414<br />
H. LOTZ [persönliche Äußerung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Konferenz zur] „Vereinigung im Sport“ am 21. 11.<br />
2005 in Potsdam, zitiert nach: BRAUN, „Sport frei – Der Weg in die Sporteinheit“, S. 361.<br />
415<br />
Vgl. ZIEL, „Gesetze zur <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>einheit beschlossen“ S. 797.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 110<br />
Am 1. Januar wur<strong>de</strong> das klare Bekenntnis zu <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis bereits umge-<br />
setzten Einheit offiziell und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport war wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereint.<br />
Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung heute schnell und unbürokratisch er-<br />
scheinen mag, gab es auch sportliche Probleme, an die sich die DDR-<br />
Olympiasiegerin Kathrin Boron erinnerte:<br />
Es gab<br />
„[...] zwei verschie<strong>de</strong>ne Techniken. Die Ost<strong>de</strong>utschen, die ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten<br />
so, rechts vor links; und die West<strong>de</strong>utschen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten links vor<br />
rechts. Wenn man dann zusammen im Boot saß, musste man sich<br />
ja irgendwie angleichen. Na ja, und dann wur<strong>de</strong> halt festgelegt, die<br />
Ost<strong>de</strong>utschen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n so wie die West<strong>de</strong>utschen irgendwann. Das<br />
fand ich damals nicht so gut“. 416<br />
Insgesamt gab es zwischen <strong>de</strong>n ost- und west<strong>de</strong>utschen Athleten einen un-<br />
komplizierten Prozess <strong>de</strong>s Aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong>zugehens. Man saß im wahrsten Sin-<br />
ne <strong>de</strong>s Wortes wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in einem Boot. Der west<strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er Carsten<br />
Finger erinnert sich an keinerlei Berührungsängste, <strong>de</strong>nn bereits vor <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Mauerfall habe er Kontakt zu <strong>de</strong>n DDR-Sportlern gehabt:<br />
„Die ost<strong>de</strong>utsche Mannschaft war eine Mannschaft wie je<strong>de</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
auch [...]. Also uns war das damals im Juniorenbereich nicht so<br />
bewusst diese Trennung. Wir haben sicherlich auch da schon öfters<br />
mal zusammen gesessen mit <strong>de</strong>n Sportlern, uns unterhalten,<br />
vielleicht auch weil die Englischkenntnisse damals noch nicht so<br />
berauschend waren, und man sich natürlich <strong>de</strong>n gesucht hat, mit<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> man sich austauschen konnte.“ 417<br />
Für die Trainer <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong> konnte Ralf Holtmeyer dieses allerdings<br />
nicht bestätigen:<br />
„Wir haben eigentlich kaum miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> gesprochen. Höchstens<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Strecke dann, wenn man <strong>de</strong>n Trainer mal so traf und keiner<br />
dabei war, dann hat man gegrüßt. Man sollte sich noch mal die<br />
Vorwen<strong>de</strong>zeit wirklich absolut <strong>de</strong>utlich machen. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> mittleren<br />
Ebene war die Kommunikation eigentlich gegen null.“ 418<br />
416 K. BORON [persönliche Äußerung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Konferenz zur] „Vereinigung im Sport“, am 21.<br />
11. 2005 in Potsdam, zitiert nach: BRAUN, „Sport frei – Der Weg in die Sporteinheit“, S.<br />
362.<br />
417 C. FINGER, [persönliche Äußerung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Konferenz] „Die Vereinigung im Sport<br />
1989/1990“, zitiert nach: M BARSUHN, [Tagesbericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Erinnerungskonferenz] „Die Vereinigung<br />
im Sport 1989/1990“, Universität Potsdam, Potsdam [o.J.], S. 15.<br />
418 R. HOLTMEYER, persönliche auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Konferenz Die Vereinigung im Sport 1989/1990“,<br />
zitiert nach: M. BARSUHN, [Tagesbericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Erinnerungskonferenz] „Die Vereinigung im<br />
Sport 1989/1990“, S. 15.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 111<br />
Bei <strong>de</strong>n Weltmeisterschaften 1990 in Tasmanien/<strong>Aus</strong>tralien gab es noch<br />
zwei <strong>de</strong>utsche Mannschaften. Die erste gemeinsame Nationalmannschaft<br />
trat 1991 in Wien bei <strong>de</strong>n Weltmeisterschaften an. 1992 folgte die erste Teil-<br />
nahme an <strong>de</strong>n Olympischen Spielen in Barcelona/Spanien. Der DRV war mit<br />
insgesamt vier Goldmedaillen, vier Silbermedaillen und zwei Bronzemedail-<br />
len erfolgreich. 419<br />
4.9 Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband heute<br />
Die <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitige Situation im <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n lässt sich folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen zu-<br />
sammenfassen: Der DRV als Zusammenschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verei-<br />
ne und -verbän<strong>de</strong> sowie Regattavereine und -verbän<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srepublik ist Mitglied im DOSB und <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA. 420 Mit seinen knapp<br />
80.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n gehört er zu <strong>de</strong>n kleineren Verbän<strong>de</strong>n in Deutschland, ist<br />
aber weltweit <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedsstärkste Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportverband. 421 Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernah-<br />
me <strong><strong>de</strong>r</strong> knapp 100 Vereine aus <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Jahr 1992 ist<br />
ein <strong>de</strong>utlicher Anstieg <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinszahlen zu erkennen.<br />
Jahr Vereine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1990 404 67.818<br />
1991 403 68.181<br />
1992 490 76.501<br />
1993 486 77.212<br />
1998 483 78.681<br />
1999 484 78.776<br />
2000 483 79.344<br />
2001 482 78.750<br />
2002 473 78.754<br />
2003 477 78.754<br />
2004 485 78.233<br />
419 Die Männer gewannen zwei Gold- und drei Silbermedaillen, die restlichen Medaillen wur<strong>de</strong>n<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenmannschaft erru<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Vgl. V. KLUGE, Olympische Sommerspiele, Die<br />
Chronik IV. Seoul 1988-Atlanta 1996, Berlin 2001, S. 500-510.<br />
420 Im Mai 2006 wur<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Sportbund und das Nationale Olympische Komitee <strong>für</strong><br />
Deutschland im <strong>Deutschen</strong> Olympischen Sportbund zusammengeführt. Davor war <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DRV Mitglied im <strong>Deutschen</strong> Sportbund und Mitglied im Nationalen Olympischen Komitee<br />
<strong>für</strong> Deutschland.<br />
421 Vgl. BÖSEMEYER, Sponsoring im Leistungssport <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, S. 14.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 112<br />
2005 486 78.378<br />
2006 486 78.339<br />
2007 481 78.380<br />
2008 480 79.260<br />
Tab. 4: Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s von 1992 bis 2008 422<br />
Interessant ist in diesem Kontext die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. 423 1949 konn-<br />
ten 7398 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen verzeichnet wer<strong>de</strong>n, 2007 stehen <strong>de</strong>n Männern 25.173<br />
Frauen gegenüber.<br />
Die Athleten <strong>de</strong>s DRV sind innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine in 24 Bootsklassen aktiv.<br />
Nahezu 10.000 ehrenamtliche Mitarbeiter sind in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Funkti-<br />
onsstellen sowie als Bootswarte, Trainer und Übungsleiter in <strong>de</strong>n Vereinen<br />
und Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong>n tätig.<br />
„Der DRV ist ein Verband <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine. Er ist die Interessenvertretung<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports, seiner Vereine und Verbän<strong>de</strong><br />
sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Er verfolgt langfristige sportliche und gesellschaftliche<br />
Ziele und <strong>de</strong>finiert <strong>de</strong>shalb ein Leitbild mit verbindlichen<br />
Grundsätzen und entsprechen<strong>de</strong>n Folgerungen <strong>für</strong> seine<br />
Arbeit:<br />
• „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist eine <strong><strong>de</strong>r</strong> traditionsreichsten Sportarten und ein konstituti-<br />
ver Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> olympischen Bewegung.<br />
• Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport ist frei, unabhängig und gemeinnützig. Er steht in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tradition <strong>de</strong>s Amateursports.<br />
• Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist ein fairer Sport.<br />
• Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist ein typischer Mannschaftsport.<br />
• Im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> erzieherischen und bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Aufgabe <strong>de</strong>s<br />
Sports hohe Be<strong>de</strong>utung zu.<br />
• Im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport wird gesellschafts- und sozialpolitische Verantwortung<br />
übernommen.<br />
• Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist ein i<strong>de</strong>aler Lifetime-Sport.<br />
• Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist ein Sport in freier Natur und befin<strong>de</strong>t sich mit ihr im Ein-<br />
klang.“ 424<br />
422 Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik, Privatbesitz Hutmacher.<br />
423 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 6.3 S. zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>sta-<br />
tistik im DRV.
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in Deutschland 113<br />
Im Laufe seiner Entwicklung hat sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport auf viele politische Ent-<br />
wicklungen und Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen einstellen müssen. Insofern betont <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV,<br />
dass nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zusammenwachsen von Ost und West die Geschichte <strong>de</strong>s<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR ein Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen Entwicklung <strong>de</strong>s vereinten<br />
DRV ist.<br />
424 [ohne Verfasser], „Leitbild <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s“, in: www.ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<strong>de</strong>, Zugriff<br />
am 16. 5. 2007.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 114<br />
5 „Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945<br />
Vom ‘Blumen-Corso bis nach Olympia’ war es ein langer und beschwerlicher<br />
Weg <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. 425 Zwar versuchten sich Frauen ebenso wie Männer<br />
im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, allerdings mussten sie dabei weitaus mehr gesellschaftliche Bar-<br />
rieren überwin<strong>de</strong>n. Es galt aber vor allem auch, Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n eigenen<br />
Reihen zu überbrücken.<br />
Die in Kapitel 3 thematisierte grundlegen<strong>de</strong> Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Lei-<br />
besübungen betraf die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em Maße. Vorurteile wie<br />
Vermännlichung, Gesundheitsgefährdung, nicht stan<strong>de</strong>sgemäße Betätigung<br />
und vor allem unsittliche Bewegungsformen stellten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vor gro-<br />
ße Probleme, die sie – wie aufgezeigt wird – erfolgreich gemeistert haben.<br />
Exemplarisch soll im Folgen<strong>de</strong>n die Entwicklung einzelner Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verei-<br />
ne dargestellt wer<strong>de</strong>n, die heute noch existieren.<br />
1909 entstand mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s Freien <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bun<strong>de</strong>s Berlin<br />
eine alternative Struktur, die sich als klasseneigene Organisation verstand<br />
und das Ziel hatte, bürgerliche Privilegien zu überwin<strong>de</strong>n. Die tragen<strong>de</strong> Säu-<br />
le dieses Verban<strong>de</strong>s „[war] das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>breitung ei-<br />
nes vaterländischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“ 426 , Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> nicht betrieben. Der<br />
weibliche Sport in <strong>de</strong>n Arbeiter-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen und seine politischen Ziele<br />
wer<strong>de</strong>n daher weitgehend nicht behan<strong>de</strong>lt, da sich das gegenwärtige Renn-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus <strong>de</strong>n bürgerlichen Vereinen entwickelt hat und weibliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
in sportlichen und vereinsinternen Aktivitäten prinzipiell gleichberechtigt 427<br />
waren.<br />
5.1 Erste Versuche<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s Wassersports fin<strong>de</strong>n Frauen schon in früheren Jahr-<br />
hun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Erwähnung. Seit 942 wur<strong>de</strong>n in Venedig am Tage <strong>de</strong>s heiligen<br />
Markus Regatten abgehalten, auf <strong>de</strong>nen die jungverheirateten Gondolieri mit<br />
ihren Bräuten in einer Prozession zur Kirche fuhren. Als dabei einmal See-<br />
425<br />
Vgl. E. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia. Streiflichter aus 92 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innenjahren“,<br />
in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 94(1976)21, S. 521-523; Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 94(1976)22, S. 552, U III; Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
94(1976)24, S. 590; Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 94(1976)26, S. U II – U III.<br />
426<br />
N. HEISE, „Berlin als Keimzelle <strong><strong>de</strong>r</strong> proletarischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportentwicklung“, in: Körpererziehung<br />
37(1987)11, S. 453.<br />
427<br />
Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen zur sportlichen Betätigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitersportbe-<br />
wegung in Kap. 3.4.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 115<br />
räuber die Regatta überfielen und die Mädchen raubten, gelang es, diese zu<br />
befreien. 428 So wur<strong>de</strong> es üblich, am 2. Februar eines je<strong>de</strong>n Jahres eine Re-<br />
gatta zu veranstalten, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> zwölf Venezianerinnen die Geraubten darstell-<br />
ten. Später wur<strong>de</strong>n diese durch Holzpuppen ersetzt, die in Barkenrennen<br />
mitgeführt wur<strong>de</strong>n.<br />
Bereits 1493 fand zu Ehren von Lodovico Sforza eine Frauenregatta statt.<br />
Diese wur<strong>de</strong> in ähnlicher Art mehrere Male von <strong>de</strong>n Venezianerinnen wie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>holt. 429 Allen Guttmann nennt zwei Grün<strong>de</strong>, <strong>für</strong> die große Beliebtheit die-<br />
ser Regatten:<br />
„Un<strong><strong>de</strong>r</strong>standably, the women’s regatta enjoyed special popularity.<br />
The participants were peasant women of the area – especially<br />
from Pellestrina – who had plenty of practice thanks to weekly<br />
boat trips to the market in Venice. [...] It is probably that the spectators<br />
were more attracted by the charming country costumes than<br />
by the performance.“ 430<br />
Wiggleworth berichtet außer<strong><strong>de</strong>m</strong> von Rennen <strong>für</strong> Fischerinnen im Rahmen<br />
einer Fischerregatta in Chester im Jahr 1733, die allerdings ebenfalls ledig-<br />
lich zur Unterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer durchgeführt wur<strong>de</strong>. 431 Bei diesen Teilneh-<br />
merinnen dürfte es sich nicht um „ladies“ gehan<strong>de</strong>lt haben, <strong>de</strong>nn in England<br />
wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport durch die gesellschaftliche Schichtzugehörigkeit bestimmt<br />
und <strong>de</strong>finiert.<br />
Berühmt wur<strong>de</strong>n die Triestiner Frauenregatten, von <strong>de</strong>nen die letzte 1871 mit<br />
sieben Booten stattfand. Der Preis <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Sieg betrug zehn Dukaten. 432<br />
5.1.1 Sommervergnügen in Stralau<br />
In Deutschland lässt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Beginn <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns auf das Jahr 1884<br />
datieren. Ein Jahr nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s DRV wur<strong>de</strong> vom Berliner Touren-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club in Stralau erstmals Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>unterricht <strong>für</strong> Frauen erteilt. 433 Paul<br />
Salbach berichtet, dass zu dieser Zeit Stralau Zentralpunkt <strong>de</strong>s Wassersport-<br />
Zentrums Berlins war. Be<strong>de</strong>nken o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stan<strong>de</strong>sdünkel gegen diese weibliche<br />
428<br />
Vgl. MATHYS, Die Frau im Sport, S. 43.<br />
429<br />
Vgl. ebenda.<br />
430<br />
GUTTMANN, Women’s Sports, S. 65-66.<br />
431<br />
N. WIGGLEWORTH, A Social History of English Rowing, S. 78.<br />
432<br />
Vgl. ebenda.<br />
433<br />
Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 521.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 116<br />
Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Ertüchtigung hegte offensichtlich kaum jemand, wie das folgen<strong>de</strong><br />
Zitat belegt:<br />
„Obgleich sich die Segler, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, Angler und eine große Zahl<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Stralauer Sommergäste aus allen Gesellschaftskreisen zusammensetzten,<br />
war doch <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkehr unter einan<strong><strong>de</strong>r</strong> ein sehr<br />
angenehmer, ja gera<strong>de</strong> zu ein familiärer, und da lag dann nichts<br />
näher, als daß die jungen Damen auch einmal mitgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n wollten und sich auch sportlich zu betätigen wünschten.“<br />
434<br />
Salbach ließ zu <strong>de</strong>n bereits vorhan<strong>de</strong>nen Privatru<strong><strong>de</strong>r</strong>jollen eine leichte<br />
Doppelskuller-Jolle bei Korff in Hamburg bauen, so dass <strong><strong>de</strong>r</strong> sportlichen Be-<br />
tätigung nichts mehr im Wege stand. Er selbst erteilte als erster <strong>de</strong>n Frauen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>unterricht. Diese waren allerdings nicht bereit, das schönste Sonntags-<br />
kleid und <strong>de</strong>n Hut mit <strong><strong>de</strong>r</strong> wallen<strong>de</strong>n Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> wegzulassen, <strong>de</strong>nn „das wäre<br />
nicht fein gewesen“. 435 Der Hut wur<strong>de</strong> bald durch einen sehr weichen weißen<br />
Filzhut ersetzt, <strong><strong>de</strong>r</strong> „gleich kleidsam <strong>für</strong> Männlein und Weiblein war“. 436 Die<br />
lang geschnürten Klei<strong><strong>de</strong>r</strong> und Röcke wur<strong>de</strong>n hochgebun<strong>de</strong>n. In Kombination<br />
mit einem passen<strong>de</strong>n Sportgerät machte dies einen durchaus sportlichen<br />
Eindruck, wie Salbach beschreibt. 437 Die Zuschauer wussten nicht viel mit<br />
diesem Anblick anzufangen und äußerten sich unsicher:<br />
„Nein, <strong>für</strong> Damen doch nicht passend, steuern ja, waren nicht selten,<br />
und halbwüchsige Vorlaute glaubten dann auch witzig sein<br />
sollen<strong>de</strong> Bemerkungen machen zu müssen, auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuermann<br />
kam nicht zu kurz mit einer Bemerkung: Na <strong><strong>de</strong>r</strong> läßt sich ja von<br />
Damen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n usw.“ 438<br />
Die Fortschritte im Bootsbau und die Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, sich<br />
leichtere und mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Boote mit Rollsitz anzuschaffen, be<strong>de</strong>utete das En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Stralau. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf festem Sitz wur<strong>de</strong> großzügig tole-<br />
riert, aber „[...] es erschien uns nicht angängig, daß eine Dame einen Gleit-<br />
sitz benutzen durfte“. 439<br />
Anfang 1886 wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Praktisches Wochenblatt <strong>für</strong> Hausfrau-<br />
en: Für’s Haus <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufruf einer Deutsch-Dänin veröffentlicht, die alle <strong>de</strong>ut-<br />
434<br />
SALBACH, „Der ‘<strong>Deutschen</strong> Amazonenflotte’ Glück und En<strong>de</strong>. Heitere Erinnerungen eines<br />
Achtzigjährigen an die Anfänge <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns“, in: Wassersport 54(1936)9, S. 146.<br />
435<br />
Ebenda.<br />
436<br />
Ebenda.<br />
437<br />
Vgl. ebenda, S. 143.<br />
438<br />
Ebenda.<br />
439<br />
Ebenda. Vgl. ALTROCK, „Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“, S. 463.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 117<br />
schen Frauen auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>te, ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu lernen und somit <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorbild <strong><strong>de</strong>r</strong> Eng-<br />
län<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Däninnen 440 zu folgen: 441<br />
„Warum sollen die <strong>de</strong>utschen Damen nicht ebenso gut ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
können wie ihre Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>? Die englische weibliche Jugend huldigt<br />
schon längst diesem gesun<strong>de</strong>n Sport. Die Däninnen sind allen europäischen<br />
Schwestern schon einen Schritt voraus, in<strong><strong>de</strong>m</strong> sie im<br />
Frühjahr in einer Provinzialstadt und vor wenigen Wochen einen<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club in Kopenhagen gegrün<strong>de</strong>t haben.“ 442<br />
Ob Frauen diesem Aufruf folgten, konnte nicht geklärt wer<strong>de</strong>n. Becker be-<br />
richtet allerdings von einem Verein, <strong><strong>de</strong>r</strong> 1887 in Berlin <strong>für</strong> die ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportliche<br />
Betätigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Damen warb. Ebenso wur<strong>de</strong>n dort sonntägliche Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>- und<br />
Werbefahrten veranstaltet. Moralische Be<strong>de</strong>nken schien auch hier niemand<br />
zu haben, <strong>de</strong>nn „die Benutzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleitsitze war nicht weiter hin<strong><strong>de</strong>r</strong>lich –<br />
man band die Röcke kurzerhand mit Riemen zusammen“. 443<br />
Der Berliner Touren-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club errichtete in <strong>de</strong>n Folgejahren ein neues<br />
Bootshaus in Treptow und im Rahmen <strong>de</strong>s Stiftungsfestes 1894 wur<strong>de</strong> <strong>für</strong><br />
die Damen eine Wettfahrt in Pad<strong>de</strong>lbooten ausgeschrieben. Salbach merkte<br />
an, dass diese Boote ähnlich wie die Kanus <strong><strong>de</strong>r</strong> Indianer und Kajaks <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grönlän<strong><strong>de</strong>r</strong> gebaut waren und sich beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s als Einru<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>für</strong> Damen eig-<br />
neten, weil das Steuern darin leichter war als das bei <strong>de</strong>n Einskullern ohne<br />
Steuermann. 444 Diese Art von Frauenrennen war damals neu und weckte<br />
das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuschauer. Folgleich waren bei <strong>de</strong>n Rennen die Stralauer<br />
Lokale bis auf <strong>de</strong>n letzten Platz belegt sowie die Wiesen- und Uferpromena-<br />
<strong>de</strong>n dicht besetzt.<br />
Die große Zuschauermenge erscheint aus heutiger Sicht nachvollziehbar,<br />
<strong>de</strong>nn nirgendwo hatte es zuvor die Gelegenheit gegeben, ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> und vor<br />
allem wettkämpfen<strong>de</strong> Frauen zu sehen. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die drei Teil-<br />
nehmerinnen bis zum Ziel im zügigen Tempo. Als Anerkennung ihrer Leis-<br />
tung erhielt die Siegerin einen Preis. 445<br />
440<br />
Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen zum Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Aus</strong>land in Kap. 5.10.<br />
441<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 21.<br />
442<br />
MATHYS, Die Frau im Sport, S. 47.<br />
443<br />
BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 22. Ferner vgl. E. ALTROCK, Probleme <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns,<br />
[o.O.] 1944, S. 3.<br />
444<br />
Vgl. SALBACH, „Der ‘<strong>Deutschen</strong> Amazonenflotte’ Glück und En<strong>de</strong>“, S. 144.<br />
445 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 118<br />
Das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen am Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport während dieser Zeit schien zumin-<br />
<strong>de</strong>st in Berlin und Umgebung geweckt wor<strong>de</strong>n zu sein, was schließlich zur<br />
Konstituierung <strong>de</strong>s ersten Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins führte.<br />
5.1.2 „Deutsche Amazonenflotte“<br />
Im August 1894 wur<strong>de</strong> die Gründung eines neuen Vereins bekannt gegeben.<br />
Mit tatkräftiger Unterstützung <strong>de</strong>s Buchhändlers We<strong>de</strong>kind konnte in Berlin<br />
die Deutsche Amazonenflotte (DAF) gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Hierzu hieß es in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
lokalen Presse:<br />
„Der Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>club DAF hat in Steins Festsälen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rosenthaler<br />
Straße seine constituieren<strong>de</strong> Versammlung abgehalten. Der<br />
Vorsitzen<strong>de</strong> wies mit Genugtuung auf die bisherigen Resultate<br />
hin, auf die ansehnliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl, die Anschaffung eines eigenen<br />
Sportbootes u.s.w. und überreichte dann <strong>de</strong>n ältesten Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
die weiße Amazonenschärpe. Schließlich wur<strong>de</strong><br />
beschlossen, im Lauf <strong>de</strong>s Winters mehrere Kränzchen und einen<br />
Ball abzuhalten.“ 446<br />
In <strong>de</strong>n örtlichen Zeitungen wur<strong>de</strong> das Geschehen rund um die DAF sehr kri-<br />
tisch beobachtet und kommentiert. In Berichten wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass sich die<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> durch eine kräftige und gesun<strong>de</strong> Konstitution ausgezeichneten.<br />
Zwar sei eine Flagge noch nie so ehrlos geweiht wor<strong>de</strong>n, aber da<strong>für</strong> hätten<br />
die Amazonen ein ganzes Glas in einem Zuge leeren können. 447<br />
Das <strong>Aus</strong>sehen und die gesellschaftliche Reputation schien <strong>de</strong>n Amazonen<br />
wichtiger als das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in seiner gesundheitlichen Be<strong>de</strong>utung. Die eigens<br />
kreierte Flagge, ein gol<strong>de</strong>nes Amazonenschild im blau-weißen Feld, sowie<br />
die Kleidung, bestehend aus einem blauen Kostüm mit weißem Matrosen-<br />
kragen und weißer Schärpe mit Vereinsabzeichen sowie Matrosenmütze war<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit zu tragen. 448<br />
Um auf sich aufmerksam zu machen, verfasste das „Kommando <strong><strong>de</strong>r</strong> Deut-<br />
schen Amazonenflotte“ ein Schreiben. In diesem baten die Frauen die umlie-<br />
gen<strong>de</strong>n Vereine zum einen um die freundliche Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen<br />
Flaggenabzeichen und gute Kameradschaft auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser und zum an<strong>de</strong>-<br />
ren darum, ihre Leistungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu kritisch zu beur-<br />
teilen, immer einge<strong>de</strong>nk <strong>de</strong>s Spruches „ut <strong>de</strong>sint vires, tamen est laudanda<br />
446<br />
Ebenda. Der erwähnte Vorsitzen<strong>de</strong> war <strong><strong>de</strong>r</strong> Buchhändler We<strong>de</strong>king.<br />
447<br />
Vgl. ebenda, S. 146.<br />
448<br />
Vgl. ebenda. Ferner SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 552.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 119<br />
voluntas“. 449 Diesem Brief wur<strong>de</strong> außer<strong><strong>de</strong>m</strong> eine Einladung zum ersten<br />
„Kränzchen“ beigelegt, was die gesellschaftliche Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Vereins be-<br />
legt.<br />
Schon nach kurzer Zeit konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein das erste Boot anschaffen. Die<br />
schlanke „Vierer-Wherry“ stellte die Damen allerdings in <strong><strong>de</strong>r</strong> Handhabung vor<br />
Probleme, da sie bislang nur in <strong>de</strong>n schwerfälligen Mietbooten gesessen hat-<br />
ten. Nichts<strong>de</strong>stotrotz wur<strong>de</strong> mit diesem Boot die offizielle Antrittsvisite bei<br />
<strong>de</strong>n größeren Vereinen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberspree abgehalten und ein Wettru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in<br />
Grünau gemeistert. Auch wenn die vielen mitgebrachten Taschen, Tücher<br />
und Körbe <strong>für</strong> mehr Aufsehen sorgten als die sportliche Leistung, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />
Amazonen doch eine gewisse Sportlichkeit beschie<strong>de</strong>n, da die Strecke vom<br />
Treffpunkt bis nach Grünau in <strong>de</strong>n schweren Kähnen doch anspruchsvoll<br />
war. Hierzu äußerte ein Zeitungsreporter: „Und wenn die Damen zielbewußt<br />
weiterübten und die schwere Klippe <strong>de</strong>s Auffälligen mie<strong>de</strong>n, dürfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Klub<br />
auch bald sportliche Anerkennung fin<strong>de</strong>n“. 450<br />
Trotz aller Bemühungen fehlte es <strong><strong>de</strong>m</strong> Verein an Zulauf von „anständigen,<br />
jungen Damen“. 451 Als Folge löste er sich nach <strong><strong>de</strong>m</strong> gut besuchten ersten<br />
„Kränzchen“ wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf. Die Zeit <strong>für</strong> einen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein war noch nicht<br />
gekommen. Laut Schumann fehlte <strong>de</strong>n Frauen eine echte sportliche Haltung,<br />
da sie <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer nur nachgeahmt hätten, aber nicht über<br />
Äußerlichkeiten hinausgekommen waren: „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur so zum Spaß war un-<br />
vorstellbar. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war Lebensernst und diente <strong><strong>de</strong>r</strong> Ertüchtigung <strong>de</strong>s jungen<br />
Mannes im körperlichen und geistigen Sinne.“ 452<br />
Ungefähr zur gleichen Zeit machte ein Verein unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Namen Spreeklub<br />
auf sich aufmerksam. Die DAF muss diesen Verein als Konkurrenz angese-<br />
hen haben, da sie in einer Zeitung mitteilen ließ, in keinerlei Verbindung zu<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> neu gegrün<strong>de</strong>ten Spreeklub zu stehen. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur<br />
keine weitere Erwähnung fin<strong>de</strong>t, liegt die Vermutung nahe, dass er kurz nach<br />
seiner Gründung wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgelöst wur<strong>de</strong>. 453<br />
449<br />
„Auch wenn die Kräfte fehlen, muss <strong><strong>de</strong>r</strong> Wille <strong>de</strong>nnoch gelobt wer<strong>de</strong>n.“ SALBACH, „Der<br />
‘<strong>Deutschen</strong> Amazonenflotte’ Glück und En<strong>de</strong>“, S. 146.<br />
450<br />
Ebenda, S. 144.<br />
451<br />
Ebenda, S. 146.<br />
452<br />
SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 522.<br />
453<br />
SALBACH, „Der ‘<strong>Deutschen</strong> Amazonenflotte’ Glück und En<strong>de</strong>“, S. 146.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 120<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>versuche <strong><strong>de</strong>r</strong> DAF kann festgehalten<br />
wer<strong>de</strong>n, dass die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> ihr Scheitern vielseitig waren. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> einen Sei-<br />
te fehlte es <strong>de</strong>n „Amazonen“ an Motivation, das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n primär aus gesund-<br />
heitlichen Grün<strong>de</strong>n zu betreiben. Sie nutzen die Strukturen eines solchen<br />
Vereins vielmehr, um gesellschaftliche Festivitäten zu initiieren. Becker ver-<br />
wies in ihrer Abhandlung auf die <strong>für</strong> sportliche Betätigung unpraktische Klei-<br />
dung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Die aufwendige und auffällige „Uniform“ sei zu warm<br />
gewesen und hätte nur wenig Spielraum gegeben. 454 Weiter führt sie an,<br />
„daß Schwitzen sich nicht schickte und außer<strong><strong>de</strong>m</strong> meist Umklei<strong>de</strong>-<br />
und Duschmöglichkeiten fehlten. Die Frauen waren <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend<br />
bedacht, nicht ins Schwitzen zu kommen und paßten ihre<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei diesem Wunsch an, in<strong><strong>de</strong>m</strong> sie mit ruhiger Schlagzahl und<br />
geringem Krafteinsatz ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten.“ 455<br />
Erschwerend kam die Geringschätzung seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer hinzu, sowie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Umstand, dass die Frauen meistens auf geliehene und schwerfällige Boote<br />
angewiesen waren.<br />
Das Gesamtbild einer nahezu verklei<strong>de</strong>t wirken<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in mit Schärpe und<br />
Hut, die langsam und ohne Kraftanstrengung über das Wasser „dümpelte“,<br />
passte nicht in das damalige Bild <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n karikierte es.<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n blieb ein reiner Männersport, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit Werten wie Körperlichkeit,<br />
Sport, Natur und Gemeinschaftssinn assoziiert wur<strong>de</strong>.<br />
5.1.3 „Lampion-Corso“ auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Alster<br />
Nicht nur <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport hat vieles in Hamburg begonnen. Auch<br />
die Frauen betätigten sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hansestadt um die Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong> ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>sportlich in vielfältiger Weise.<br />
Unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Namen Verein Hamburger Touren-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er hatte sich 1900 ein<br />
neuer Verein konstituiert. Dessen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> waren Männer und Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
lokalen Oberschicht, die das Ziel verfolgten, kleinere Bootstouren auf Alster,<br />
Bille und Elbe und eventuell an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gewässern zu unternehmen. „Ziel die-<br />
ser Gemeinschaft war es, <strong>de</strong>n Geist und Körper durch solche Fahrten zu<br />
stärken sowie die Geselligkeit zu pflegen.“ 456<br />
454<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 24.<br />
455<br />
Ebenda.<br />
456<br />
[ohne Verfasser],[ohne Titel], in: Wassersport 18(1900)19, S. 212.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 121<br />
Die Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine hatten sich verpflichtet, gewisse öffentliche<br />
Aufgaben zu übernehmen. Eine solche war die Durchführung eines Blumen-<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Lampion-Corso zu Ehren eines hohen Gastes <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt. 457 1898 rief <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Allgemeine Alster-Club <strong>de</strong>shalb zu einem „Blumen-Corso“ auf, bei <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
RC Allemannia von 1866 auch einen Damenzweier stellte. Nur zwei Jahre<br />
später hielt <strong><strong>de</strong>r</strong> AAC unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Protektorat Sr. Magnifizenz Herrn Bürger-<br />
meister Dr. Mönckeberg am 19. August einen „Blumen-Corso“ auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Alster<br />
ab. In diesem Schauru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war nicht nur „Damensteuerung“ erlaubt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
unter Punkt 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootseinteilung fin<strong>de</strong>t sich explizit <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis auf weibli-<br />
che Aktive: „Damenboote 4er, 2er, 1er mit Steuerung (Damensteuerung er-<br />
laubt).“ 458 Die Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen am „Blumen-Corso“ in Hamburg wird in<br />
<strong>de</strong>n Folgejahren immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport erwähnt, <strong>de</strong>s-<br />
sen Autoren das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit Wohlwollen kommentieren: „Viel Aufse-<br />
hen erregten auch in letzter Zeit die verschie<strong>de</strong>nen mit Damen besetzten<br />
Bootsgattungen, worin fleißige Übungen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n [...] Blumen-Corso stattfin-<br />
<strong>de</strong>n.“ 459 Beim Blumen-Corso 1904 ist die Besetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote schon weiter<br />
vorangeschritten. Hier fin<strong>de</strong>t sich unter Punkt 4, ‘Damenboote’, <strong><strong>de</strong>r</strong> Eintrag<br />
„nur von Damen zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu steuern“. 460<br />
Im selben Jahr veranstaltete <strong><strong>de</strong>r</strong> RC Allemannia von 1866 Hamburg eine<br />
interne Regatta auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Alster. Es fan<strong>de</strong>n insgesamt acht Rennen mit 106<br />
Teilnehmern (85 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und 21 Damen) statt 461 ,wobei die Damen nicht<br />
als Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> eines Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins geführt wur<strong>de</strong>n. Der Artikel belegt<br />
allerdings, dass die Damen auf dieser Regatta in verschie<strong>de</strong>nen Bootsklas-<br />
sen antraten. Diese waren „Boot Allemannia“ (Vierer), „Boot Allemannia“<br />
(Zehner) und „Boot Annemarie“ (Vierer). 462 Das am schönsten geru<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
Boot sollte einen Preis erhalten, doch war es <strong>de</strong>n Schiedsrichtern nicht mög-<br />
lich, irgendwelche Unterschie<strong>de</strong> beim Stil festzustellen. Dies war wohl darauf<br />
zurückzuführen, dass alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen seit Wochen von Herrn Storm trainiert<br />
wor<strong>de</strong>n waren und außer<strong><strong>de</strong>m</strong> einheitliche weiße Kostüme trugen. Schließlich<br />
457 SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 522.<br />
458 [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 18(1900)33, S. 404.<br />
459 [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 19(1901)37, S. 445-446.<br />
460 [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 12(1904)31, S. 468.<br />
461 Vgl. [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 22(1904)35, S. 523-524.<br />
462 Ebenda, S. 523.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 122<br />
wur<strong>de</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 19 Teilnehmerinnen eine kleine Erinnerung überreicht. 463<br />
Zusätzlich zu diesen Rennen gab es noch eine Wertung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kategorie Pri-<br />
vat- und Familienboote, in <strong><strong>de</strong>r</strong> eine Damensteuerung ausdrücklich erlaubt<br />
war. Frau B. Meyer und Fräulein Lütje wer<strong>de</strong>n als Steuerleute in <strong>de</strong>n Listen<br />
namentlich geführt. 464<br />
Auch beim „Blumen-Corso“ wur<strong>de</strong>n Preise ausgeschrieben und das Boot<br />
„Annemarie“ <strong>de</strong>s RC Allemannia von 1866, das ausschließlich mit Damen<br />
besetzt war, gewann <strong>de</strong>n vom Bürgermeister <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Hamburg gestifteten<br />
Ehrenpreis bestehend aus einem „prachtvollen“ Bowleglas mit Gläsern. Al-<br />
lerdings wur<strong>de</strong> dieser Preis nicht etwa <strong>für</strong> anspruchsvolles Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vergeben,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> die Verzierung <strong>de</strong>s Bootes, <strong>für</strong> die Herr J. Martensen aus Altona<br />
verantwortlich war. 465 Ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehrenpreis in Form eines Bowleglases explizit<br />
an Frauenmannschaften vergeben wur<strong>de</strong>, ist anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktenlage nicht<br />
nachvollziehbar.<br />
1906 und 1907 schrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> AAC gemeinsam mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Nord<strong>de</strong>utschen Regat-<br />
ta-Verein einen Wettbewerb zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Tourenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns aus. Die Ka-<br />
tegorien umfassten Männer, Jugendliche, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> und Damen. Es wur<strong>de</strong> ein<br />
Preis <strong>für</strong> diejenige ausgeschrieben, die die größte Kilometerzahl pro Jahr<br />
zurückgelegt hatte. 466 Gewonnen wur<strong>de</strong> dieser Preis 1906 von Frau W. v.<br />
Holten aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Verein Der Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club mit einer Gesamtleistung<br />
von 137,1 km. Der zweite Platz ging an Fräulein Lisbeth Mohr von Favorite<br />
Hammonia, die es auf 94 km brachte. 467 Schumann berichtete, dass Frau<br />
Blunk vom Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein <strong><strong>de</strong>r</strong> Siegespreis <strong>für</strong> das Tourenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
1905 zuerkannt wur<strong>de</strong>, während Frau W. v. Holten vom Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Club in diesem Jahr einen Extrapreis erhielt. 468 Im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre gewan-<br />
nen die Frauen immer mehr an <strong>Aus</strong>dauer. So legte 1908 Frau Korn vom Als-<br />
ter Canoe-Club bereits 263 km zurück. Auch in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren<br />
stieg die Höchstkilometerzahl: 1909 gewann Frau Stü<strong><strong>de</strong>m</strong>ann von Favorite<br />
Hammonia die Wertung mit 618,3 km, 1910 wur<strong>de</strong>n von ihr 914,6 km zu-<br />
463<br />
Vgl. ebenda, S. 524<br />
464<br />
Vgl. ebenda.<br />
465<br />
Vgl. ebenda.<br />
466<br />
Vgl. [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 25(1907)6, S. 64.<br />
467<br />
Vgl. ebenda, S. 65.<br />
468<br />
SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 522.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 123<br />
rückgelegt. Die Fachzeitschrift Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport widmete ihr 1912 sogar einen<br />
Leitartikel:<br />
„Frau Irma Stü<strong><strong>de</strong>m</strong>ann ist eine <strong><strong>de</strong>r</strong> eifrigsten Hamburgerinnenn,<br />
die <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport huldigen. Seit sieben Jahren betreibt sie ihn<br />
mit gleichem Interesse und gleicher Freu<strong>de</strong>. Sie hat mit ihrem<br />
Gemahl unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Flagge <strong>de</strong>s R.C. Favorite Hammonia verschie<strong>de</strong>ne<br />
größere Bootsreisen gemacht.“ 469<br />
Im Jahresbericht <strong>de</strong>s Germania Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Clubs von 1906 ist ein Rennen doku-<br />
mentiert: „Da das Fischerstechen nicht stattfand, wur<strong>de</strong> ein Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit<br />
Herrensteuerung in unseren Vergnügungsbooten eingelegt, das von Fräulein<br />
Dahlström und Fräulein Todtmann, gesteuert von Walther Droege, gewon-<br />
nen wur<strong>de</strong>.“ 470 Bei Favorite Hammonia wur<strong>de</strong> 1913 extra ein geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ter<br />
Steg <strong>für</strong> Damenboote angelegt.<br />
Auch außerhalb von Hamburg entwickelte sich das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Außerhalb<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Hansestadt fin<strong>de</strong>t sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis auf ein Anru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 471 in Berlin, dass<br />
eine gemeinschaftliche Fahrt mit Frauen, zwangloses Mittagessen und spä-<br />
ter Spaziergang nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Wal<strong>de</strong> vorsah. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückfahrt wur<strong>de</strong> zum<br />
gemeinsamen Aben<strong>de</strong>ssen und nachher zum Tanz gebeten. 472<br />
Beim Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansätze in Hamburg mit <strong>de</strong>n ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportlichen Bemühun-<br />
gen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Amazonenflotte fällt auf, dass die Hanseatinnen aus ei-<br />
ner primär sportlichen und nicht unbedingt gesellschaftlichen Motivation<br />
heraus ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. Auch wenn die Anfänge im „Blumen-Corso“ zu fin<strong>de</strong>n sind,<br />
haben sich Frauen schon früh an Rennen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hansestadt beteiligt. Die<br />
genannten Regatten und <strong>Aus</strong>zeichnungen, beispielsweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwerb eines<br />
Abzeichens im Tourenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, sind weitere Belege <strong>für</strong> erste ernsthafte Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>versuche. Dabei müssen auch diesen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gewisse gesellschaftli-<br />
che Ambitionen zugewiesen wer<strong>de</strong>n, da es vor allem Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberschicht<br />
waren, die durch ihre Ehemänner zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport gebracht wur<strong>de</strong>n.<br />
469<br />
H. BORRMANN, [ohne Titel], in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 1(1912)14, zitiert nach: HAMBURGER RUDE-<br />
RINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik. 75 Jahre Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von 1925 e. V.,<br />
Hamburg 2000, S. 1.<br />
470<br />
Ebenda.<br />
471<br />
Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>saison wird je<strong>de</strong>s Jahr offiziell mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Anru<strong><strong>de</strong>r</strong>n eröffnet und mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Abru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
been<strong>de</strong>t.<br />
472<br />
Vgl. [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 18(1900)15, S. 151.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 124<br />
5.2 Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten weiblichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportvereine<br />
5.2.1 Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club<br />
Die gesellschaftliche Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau um 1900 verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich langsam. Ge-<br />
lockerte Konventionen und die Zunahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufstätigkeit führten bei Frau-<br />
en zu einem gesteigerten Interesse an körperlicher Betätigung im Sinne von<br />
Erholung und Entspannung. Mediziner be<strong>für</strong>worteten gemäßigte körperliche<br />
Betätigung und <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Anatomie angepasste Leibesübungen. Be-<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>s Bewegung im Freien wur<strong>de</strong> empfohlen und propagiert, wodurch<br />
auch die Wassersportarten in das Blickfeld rückten.<br />
1901 fan<strong>de</strong>n sich in Berlin-Friedrichshagen vier Frauen zusammen, die über<br />
zwei eigene Boote verfügten und zum Zusammenschluss gewillt waren:<br />
„Es waren Fräulein Behr, Erdmann, Klaus und Noack, die kameradschaftlich<br />
geeint durch viele Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten, <strong>de</strong>n mutigen Entschluß<br />
zur ‘Vereinsgründung’ fassten.“ 473<br />
Am 10. März 1901 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club (FDRC)<br />
ins Leben gerufen. Dieser Tag wur<strong>de</strong> bewusst ausgewählt, da es <strong><strong>de</strong>r</strong> Ge-<br />
burtstag <strong><strong>de</strong>r</strong> Königin Luise war und<br />
„[...] weil diese <strong>für</strong> uns das Vorbild echter <strong>de</strong>utscher Fraulichkeit<br />
war – und diese wollten wir uns trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> schlechten Meinung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
fluß- und seenbeherrschen<strong>de</strong>n Männlichkeit erhalten.“ 474<br />
Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen schrieb zur 40. Jahresfeier über Beweggrün<strong>de</strong> und<br />
Probleme <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit:<br />
„Wir vier Kameradinnen hielten wacker zusammen und ertrugen<br />
geduldig und gemeinsam allen Spott ob unseres ‘männlichen Getues’.<br />
Der Ehre, einmal Deutschlands erster Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein zu<br />
sein, waren wir uns natürlich nicht bewußt, als uns <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehrgeiz<br />
packte, es <strong>de</strong>n Friedrichshagener Herren gleichzutun und einen<br />
Verein zu grün<strong>de</strong>n.“ 475<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Festschrift zu diesem Jubiläum hieß es dann auch:<br />
473 [S. F.], „Die ersten Vier von Friedrichshagen“, in: Wassersport 59(1941)14, S. 166. Das<br />
Boot „Ägir“ war ein stabiler Doppelzweier mit festen Sitzen. Der Doppeldreier<br />
„Rauthgundis“ gehörte <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Vereinsführerin Betty Behr. Vgl. SCHUMANN, „Lang<br />
ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 522.<br />
474 Ebenda.<br />
475 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 125<br />
„Diese vier Damen waren sich sicherlich damals nicht bewußt,<br />
daß sie so die Vorkämpferinnen einer heute nicht mehr wegzu<strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n<br />
Sportbewegung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Frauen wur<strong>de</strong>n und<br />
haben zunächst an eine reine Stätte ihres Vergnügens und ihrer<br />
persönlichen Erholung gedacht.“ 476<br />
Auch wenn sie sich nicht als Vorreiterinnen fühlten, so war ihnen doch wich-<br />
tig, eine eigene Flagge auf <strong>de</strong>n Gewässern Berlins zu präsentieren. Hierzu<br />
kehrten sie die Vereinsfahne <strong><strong>de</strong>r</strong> Friedrichshagener Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er um. So<br />
entstand ein Wappen mit dünnen weißen Diagonalstreifen auf dunkelblauem<br />
Grund, „weil diese Farbenwahl weniger – schmutzempfindlich (!) war“. 477<br />
Zunächst bestimmten ruhige Sonntagsfahrten und Feste das Vereinsleben.<br />
Das erste Winterfest wur<strong>de</strong> ein voller Erfolg, so dass ein <strong>de</strong>utlicher Gewinn<br />
erzielt wer<strong>de</strong>n konnte. 478 Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> folgen<strong>de</strong>n Sommerfest verfügte <strong><strong>de</strong>r</strong> Ver-<br />
ein über so viel Geld, dass ein neuer Einer bestellt wur<strong>de</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Namen<br />
„Es ist erreicht!“ erhielt. 479<br />
Die ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Damen machten Eindruck auf <strong>de</strong>n Gewässern, was vor allem<br />
auch darin begrün<strong>de</strong>t war, dass sie alle Probleme mit Einfallsreichsreichtum<br />
selbst zu lösen wussten. 480 So mussten sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit häufiger das<br />
Bootshaus wechseln. Dabei verlu<strong>de</strong>n sie die Stärkekisten, die als Umklei<strong>de</strong>-<br />
schränke dienten, in die Boote und transportierten sie von einem Boots-<br />
schuppen zum nächsten.<br />
Obwohl es in dieser Zeit viele Aufnahmeanträge gab, nahmen die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nur Damen <strong><strong>de</strong>r</strong> Friedrichshagener Gesellschaft auf. Erst drei Jahre nach<br />
Vereinsgründung durfte die erste Berlinerin eintreten. „Man wollte unter sich<br />
bleiben, wo<strong>für</strong> auch die Eintrittsgel<strong><strong>de</strong>r</strong> von drei Mark und die Monatsbeiträge<br />
von einer Mark sprachen.“ 481 1907 wur<strong>de</strong> die Beiträge sogar auf 20 Mark <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Beitritt und zwei Mark im Monat angehoben. Damit waren Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Unterschicht, die um 1900 durchschnittlich 11,36 Mark in <strong><strong>de</strong>r</strong> Woche verdien-<br />
476<br />
[ohne Verfasser], 40 Jahre Friedrichshagener Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Bund, [Berlin] 1941, S. 13.<br />
477<br />
[S. F.], „Die ersten Vier von Friedrichshagen“, S. 167.<br />
478<br />
Vgl. ebenda. Nur acht Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> empfingen damals Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>te von Besuchern zu <strong>de</strong>n<br />
Festen. Manchmal war <strong><strong>de</strong>r</strong> Andrang so groß, dass trotz aller Behelfsmittel die Stege nicht<br />
ausreichten.<br />
479<br />
Vgl. ebenda, S. 167. Ferner [ohne Verfasser], „Chronik“, in: www.frcw.<strong>de</strong>/chronik, Zugriff<br />
am 1. 10. 2007.<br />
480<br />
Vgl. ebenda, S. 167.<br />
481<br />
M. STOCKFISCH, 25 Jahre Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club, [o.O.] 1926, S. 27.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 126<br />
ten, prinzipiell ausgeschlossen. 482 Philipp berichtete sogar von 50 Mark Auf-<br />
nahmegebühr. 483 Nach einjähriger Kandidatenzeit entschied dann eine spe-<br />
zielle Versammlung über die endgültige Mitgliedschaft. Wer aufgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n wollte, brauchte außer<strong><strong>de</strong>m</strong> eine Fürsprecherin im Verein. 484<br />
Ein weiterer Grund <strong>für</strong> die geringe Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl mag in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache gele-<br />
gen haben, dass in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit nur ledige, respektive aktive Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
aufgenommen wur<strong>de</strong>n. Diejenige, die heiratete, musste aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Verein aus-<br />
schei<strong>de</strong>n. 485 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Festschrift 40 Jahre Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Club von 1941 fin<strong>de</strong>t sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis, dass erst ab 1910 die passive Mit-<br />
gliedschaft eingeführt wur<strong>de</strong>. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s bewährten Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> beim<br />
<strong>Aus</strong>schei<strong>de</strong>n aus <strong><strong>de</strong>m</strong> aktiven Vereinsleben die Ehrenmitgliedschaft verlie-<br />
hen. 486<br />
Geschickt aufgezogene Feste und <strong><strong>de</strong>r</strong> erwirtschaftete Gewinn ermöglichten<br />
1912 <strong>de</strong>n Kauf eines eigenen Bootshauses, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit einer Vergrößerung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bootsflotte einherging. Parallel dazu wur<strong>de</strong>n weitere Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgenom-<br />
men: Zählte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein 1908 lediglich 17 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>, so stieg die Zahl 1926<br />
auf 69 und 1931 auf 89 an. 487<br />
Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s FDRC beschränkten sich auf das Skullen. Sie waren be-<br />
geisterte Verfechterinnen <strong>de</strong>s Touren- und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und wagten be-<br />
reits in <strong>de</strong>n ersten Jahren längere Touren auch außerhalb <strong>de</strong>s Großraums<br />
Berlin. 488 Der erste Sieg auf einer Regatta datiert aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr 1921, als die<br />
Meisterschaft im Stil-Einer errungen wer<strong>de</strong>n konnte. 489 Der FDRC konzen-<br />
trierte sich auf das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, was vor allem darin begrün<strong>de</strong>t lag, dass das<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als <strong>Aus</strong>gleich zum beruflichen Alltag angesehen wur<strong>de</strong>. Ein Rennru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>training erschien vielen als zu anstrengend. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> waren die Frauen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Meinung, dass Renntraining nur von wenigen zu leisten sei, ein Verein<br />
482 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen zur Benachteiligung von Arbeiterinnen in Kap. 3.4. Ferner<br />
G. PFISTER/H. LANGENFELD, „Die Leibesübungen <strong>für</strong> das weibliche Geschlecht“, S. 505.<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 96.<br />
483 Vgl. W. PHILIPP, „Mit Plu<strong><strong>de</strong>r</strong>hosen, Matrosenblusen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kappen aufs Wasser“, in:<br />
[ohne Verfasser], Treptow-Köpenick 2002, ein Jahr- und Lesebuch, [o.O. O.J.], S. 120.<br />
484 Vgl. ebenda.<br />
485 Vgl. [ohne Verfasser], „Chronik“, Zugriff am 1. 10. 2007.<br />
486 SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 522.<br />
487 Vgl. [ohne Verfasser], 40 Jahre Friedrichshagener Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Bund, S. 3.<br />
488 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 27.<br />
489 Vgl. [S. F.] „ Die ersten Vier von Friedrichshagen“, S. 167.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 127<br />
sich aber <strong>de</strong>n Leibesübungen vieler widmen müsse. 490 Den Damen <strong>de</strong>s<br />
FDRC erschien es darüber hinaus angebrachter, ihr Augenmerk auf eine<br />
gute Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik zu legen und auch im Boot nicht die Grazie und Anmut zu<br />
verlieren, die zu jener Zeit als die beste Zier<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau galt. 491 Dennoch<br />
muss festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die sportliche Aktivität gekennzeichnet war<br />
durch eine sehr sorgfältige <strong>Aus</strong>bildung, die mit allem Ernst betrieben wur<strong>de</strong>.<br />
Sportmäßiges Schwimmen war verpflichtend <strong>für</strong> alle Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und im Winter<br />
verabre<strong>de</strong>ten sich die Frauen zum Eislaufen. 492<br />
Die ‘Ersten Vier von Friedrichshagen’ waren Vorkämpferinnen <strong>für</strong> einen<br />
gleichberechtigten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Auch wenn es an Spott nicht mangelte, wuss-<br />
ten die Frauen sich sowohl auf <strong>de</strong>n Gewässern Berlins als auch im gesell-<br />
schaftlichen Leben gegen die Männer zu behaupten. Darüber hinaus hat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verein auf die ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportliche Entwicklung in Deutschland großen Einfluss<br />
ausgeübt. So wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 1919 in Berlin gegrün<strong>de</strong>te Deutsche Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Verband von <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s FDRC unterstützt. 493<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> FDRC wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aktiviert, zumal das<br />
Bootshaus einigermaßen unbeschädigt geblieben war. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Be-<br />
stimmungen <strong>de</strong>s Gesetzes Nr. 2 <strong>de</strong>s Potsdamer Abkommens waren aller-<br />
dings alle Vereine aufzulösen. Auch das Führen <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Vereinsnamen<br />
wur<strong>de</strong> verboten. 494 Der FDRC än<strong><strong>de</strong>r</strong>te seinen Namen und nahm unter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bezeichnung Köpenick II o<strong><strong>de</strong>r</strong> Fraternitas erfolgreich an Regatten in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nachkriegszeit teil. 495<br />
Das alte Bootshaus in Grünau musste nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg aufgege-<br />
ben wer<strong>de</strong>n. Erschwerend kam hinzu, dass Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Westteil Ber-<br />
lins in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ostzone unerwünscht waren. Am 10. Mai 1950 wagte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein<br />
in einer Holzbaracke in Spandau <strong>de</strong>n Neuanfang und konstituierte sich unter<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> alten Namen Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club von 1901. 496 1977<br />
führten Nachwuchssorgen und ein überholungsbedürftiges Bootshaus zu<br />
490 Vgl. M. SCHNEIDER, [ohne Titel], in: Wassersport 49(1931)48, S. 900.<br />
491 Vgl. M. GLOBIG, „Die Frauenfrage im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“, in: Wassersport 29(1911)17, S. 235.<br />
492 SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 522.<br />
493 Die Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s FDRC (1917-1920), Margarete Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, war Mitbegrün<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong>de</strong>s<br />
<strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s. Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 29.<br />
494 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 4.3 zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />
Situation in Deutschland nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg.<br />
495 Vgl. [ohne Verfasser], „Chronik“, Zugriff am 1. 10. 2007.<br />
496 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 128<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> schweren Entschluss, <strong>de</strong>n FDRC aufzulösen. Die ca. 30 Vereinsmitglie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> schlossen sich <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club-Wannsee (FRCW) an. 497<br />
2001 erinnerte <strong><strong>de</strong>r</strong> FRCW als Nachfolgerin <strong>de</strong>s FDRC an die „Ersten Vier<br />
von Friedrichshagen“ und 100 Jahre Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland. 498<br />
5.2.2 Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft<br />
Sechs Jahre blieb <strong><strong>de</strong>r</strong> FDRC <strong><strong>de</strong>r</strong> einzige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein. Durch die Initia-<br />
tive von Fräulein Mieze Ritter und Dora Peckelhoff grün<strong>de</strong>ten am 19. Juni<br />
1907 acht Damen die Lübecker Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft, die 1933 per<br />
Anordnung in Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft (LFRG) unbenannt wur-<br />
<strong>de</strong>. 499 An ein eigenes Bootshaus war nicht zu <strong>de</strong>nken, so dass sich die Frau-<br />
en zunächst bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Lübecker Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft (LRG) einmieteten. Bis<br />
1911 wur<strong>de</strong> aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n finanziellen Mittel ausschließlich in<br />
LRG-Booten geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Als 1910 ein kleines Bootshaus neben das alte ge-<br />
setzt wur<strong>de</strong>, erhielten die Damen in diesem Domizil einen Umklei<strong><strong>de</strong>r</strong>aum mit<br />
Duschraum zur Miete – <strong>für</strong> die damalige Zeit keine Selbstverständlichkeit. 500<br />
Langsam entwickelte sich das Vereinsleben und nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Flaggenweihe<br />
1908 konnte 1912 das erste eigene Boot angeschafft wer<strong>de</strong>n. Da die <strong>Aus</strong>bil-<br />
dung <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> bislang Männer <strong><strong>de</strong>r</strong> LRG übernommen hatten,<br />
wur<strong>de</strong> ausschließlich in Riemenbooten geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t, so dass mit <strong><strong>de</strong>r</strong> „Undine“<br />
ebenfalls ein Riemenvierer angeschafft wur<strong>de</strong>. 501<br />
Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> guten Beziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Vereine war das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n streng<br />
voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> getrennt. Dies belegt <strong><strong>de</strong>r</strong> Eintrag aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Chronik von 1924, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
eine 14-tägige Bootssperre bei gemischtem Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vorsah. 502<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit unternahmen die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG ausge<strong>de</strong>hnte Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
fahrten, traten aber überregional nicht auf Regatten in Erscheinung. Erst<br />
497<br />
Vgl. ebenda. Ursprünglich sollten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppe Wannsee aufgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n. Dieser Plan wur<strong>de</strong> allerdings verworfen, so dass fünf Frauen am 8. Mai<br />
1947 <strong>de</strong>n Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club-Wannsee grün<strong>de</strong>ten. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit besaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein<br />
we<strong><strong>de</strong>r</strong> Boote noch finanzielle Mittel, so dass man auf Leihboote angewiesen war. 1948<br />
gab die Militärregierung die beschlagnahmten Bootshäuser zurück und <strong><strong>de</strong>r</strong> FRCW wur<strong>de</strong><br />
in einem völlig leer stehen<strong>de</strong>n Bootshaus am großen Wannsee untergebracht.<br />
498<br />
Vgl. ebenda.<br />
499<br />
Vgl. [ohne Verfasser], Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft 1907-2007, [o.O.] 2007, S.<br />
22.<br />
500<br />
Vgl. ebenda.<br />
501<br />
Vgl. ebenda, S. 23.<br />
502<br />
Vgl. [ohne Verfasser], 75 Jahre Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft, Lübeck 1982, S.<br />
30.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 129<br />
1927 trat <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein <strong><strong>de</strong>m</strong> DDRV bei. Im Jahr darauf konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Sieg im<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gefeiert wer<strong>de</strong>n, wo<strong>für</strong> zuvor erstmalig ein Trainer engagiert wor-<br />
<strong>de</strong>n war. 503 Nach vielen Be<strong>de</strong>nken beteiligte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein ab 1932 auch<br />
am Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Im Juni 1932 konnte passend zum Stiftungsfest <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
erste Sieg in Hamburg eingefahren wer<strong>de</strong>n, nach<strong><strong>de</strong>m</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein auf Skullen<br />
umgestellt hatte. 504 1937 wur<strong>de</strong> <strong>für</strong> Inge Oehlenschläger ein Skiff ange-<br />
schafft, womit sie viele Siege <strong>für</strong> die LFRG erringen konnte. Erwähnenswert<br />
ist auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewinn <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten <strong>Deutschen</strong> Meisterschaft 1939 durch Inge<br />
Oehlenschläger und Frie<strong>de</strong>l Schneegaß im Doppelzweier.<br />
Die LFRG pflegte immer die Beziehungen zu ihrem Nachbarverein LRG. Als<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein professionelle Trainer einstellte, waren diese auch <strong>für</strong><br />
die Rennmannschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG zuständig, was während <strong>de</strong>s Zweiten<br />
Weltkrieges noch zu 60 Siegen im Renn- und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n führte. 505<br />
Ebenfalls 1927 grün<strong>de</strong>te die LFRG die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege <strong><strong>de</strong>r</strong> Ernestinenschule; die<br />
damalige Vorsitzen<strong>de</strong> Käthe Hey<strong>de</strong>l und Protektor Abel übernahmen die Lei-<br />
tung. Der Verein unterstützte die Riege bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung <strong>de</strong>s Nachwuch-<br />
ses, beim Training und auf Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten. Bis die Riege eigene Boote<br />
anschaffen konnte, wur<strong>de</strong>n die Boote <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule zur Verfügung<br />
gestellt. Als die Riege im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichschaltung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Machtergrei-<br />
fung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalsozialisten aufgelöst wer<strong>de</strong>n musste, kaufte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein die<br />
Boote <strong><strong>de</strong>r</strong> Riege am Falkenplatz, die zwischenzeitlich begonnen hatten, das<br />
Bootshaus <strong>de</strong>s Vereines zu nutzen. Die Boote <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ernestinenschule wur<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG als Dank <strong>für</strong> geleistete Arbeit übereig-<br />
net. 506<br />
Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl stieg nur langsam, da Anwärterinnen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit<br />
erst nach Vollendung <strong>de</strong>s 16. Lebensjahres aufgenommen wur<strong>de</strong>n. Aber sie<br />
nahm stetig zu, so dass 1982 126 507 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und 2006 151 gezählt wur-<br />
<strong>de</strong>n. 508 2007 konnte das 100-jährige Vereinsjubiläum gefeiert wer<strong>de</strong>n.<br />
503<br />
Vgl. ebenda. Ferner vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 31.<br />
504<br />
Vgl. [ohne Verfasser], Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft 1907-2007, S. 25.<br />
505<br />
Vgl. ebenda, S. 26.<br />
506<br />
Vgl. ebenda.<br />
507<br />
Vgl. ebenda, S. 30.<br />
508<br />
Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik, Privatbesitz Hutmacher.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 130<br />
5.2.3 Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub<br />
Am 24. April 1919 beschlossen die Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>de</strong>s Lübecker Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klubs<br />
(LRK) eine Damenabteilung ins Leben zu rufen. Einige Ehefrauen gingen<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Sport regelmäßig nach, die Statuten <strong>de</strong>s Vereins erlaubten allerdings<br />
nicht die Aufnahme von Frauen als vollwertige Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Noch am selben<br />
Tag fand die Gründungsversammlung statt, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> 36 Damen ihren Beitritt<br />
erklärten. 509 Die erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Satzungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung wur<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n Willen<br />
vieler Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er durchgesetzt, was dazu führte, dass die Damenabteilung in<br />
<strong>de</strong>n ersten Jahren nicht mehr als 30 aktive und 20 passive Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> haben<br />
durfte. 510 1920 wur<strong>de</strong> sogar <strong><strong>de</strong>r</strong> Antrag gestellt, dass Aufnahmen neuer<br />
Frauen nur dann erfolgen dürften, wenn es sich um Ehefrauen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schwes-<br />
tern ausüben<strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> han<strong>de</strong>lte. Des Weiteren sollten Frauen<br />
nicht berechtigt sein, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung, an <strong>de</strong>n Morgensitzungen, an <strong>de</strong>n<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlungen und an <strong>de</strong>n Klubaben<strong>de</strong>n teilzunehmen. Außer-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> von einigen Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung gestellt, dass es Frauen<br />
nicht gestattet sein sollte, während <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingszeiten, abends nach 18 Uhr<br />
und sonntags von 10 bis 12 Uhr zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 511 Diese Anträge fan<strong>de</strong>n im Vor-<br />
stand nicht die erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Mehrheit, was dazu führte, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungs-<br />
vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s LRK, Hans A. Hanson, seine Ämter nie<strong><strong>de</strong>r</strong>legte. Diesen<br />
Entschluss nahm er jedoch später zurück.<br />
Die ersten zwei Jahre <strong>de</strong>s LFRK waren gekennzeichnet von Enttäuschungen<br />
und Entbehrungen. <strong>Aus</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Bootshaus waren die Frauen fast verdrängt<br />
wor<strong>de</strong>n und das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war durch <strong>de</strong>n Trainingsbetrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer stark<br />
eingeschränkt. In einem Artikel in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinszeitung vom Januar 1921 hieß<br />
es hierzu:<br />
„Unser Verkehrston war aus diesen Grün<strong>de</strong>n lange nicht so frisch<br />
und fröhlich, vor allem nicht so ungezwungen wie im Vorjahre. Wir<br />
kamen <strong>de</strong>shalb auch nicht mit Freu<strong>de</strong> ins Bootshaus. Die Kilometerzahlen<br />
unserer Fahrten beweisen es. [...] Aber lasst uns im Eifer<br />
<strong>de</strong>s Gefechtes nicht vergessen, daß wir nur zweimal im Monat<br />
bei <strong>de</strong>n abendlichen Zusammenkünften gedul<strong>de</strong>t sind. Wehe <strong><strong>de</strong>m</strong>,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> am verkehrten Abend erscheint.“ 512<br />
509 Vgl. [ohne Verfasser], 50 Jahre lübecker frauen-ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-klub, [o.O.] 1969, S. 8.<br />
510 Vgl. [ohne Verfasser], 70 Jahre LFRK – 1919-1989, [o.O.] 1989, S. 10.<br />
511 Ebenda.<br />
512 Ebenda, S. 11.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 131<br />
Aller Anfeindungen und Schwierigkeiten zum Trotz konnte bereits 1920 das<br />
erste eigene Boot <strong><strong>de</strong>r</strong> Damenabteilung, ein Riemenvierer, auf <strong>de</strong>n Namen<br />
„Schwartau“ getauft wer<strong>de</strong>n. Vier Jahre später entschlossen sich die Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen, <strong><strong>de</strong>m</strong> DDRV beizutreten. Ein erster Versuch in die Selbstständigkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Damenabteilung scheiterte jedoch. 513<br />
Das Jahr 1925 brachte neben <strong><strong>de</strong>m</strong> neuen Doppelzweier „Hohemeile“ auch<br />
erstmalig eine Trennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kassengeschäfte zwischen LRK und <strong><strong>de</strong>r</strong> Da-<br />
menabteilung.<br />
Im Frühjahr 1926 wur<strong>de</strong>n Konsequenzen gezogen. Die Zugehörigkeit zu ei-<br />
nem Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein hatte sich als schwierig herausgestellt, und so ent-<br />
stand aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Damenabteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> selbstständige Lübecker Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Klub, <strong><strong>de</strong>r</strong> 1936 in Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub (LFRK) umbenannt wur<strong>de</strong>.<br />
1927 entschloss sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein zur Gründung einer Jugendabteilung. Unter<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Namen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund Jung-Volk wur<strong>de</strong> so Schülerinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Höheren<br />
Schulen ab <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersekunda und jungen Mädchen bis 18 Jahre das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
ermöglicht. 514 Die Jugendabteilung bestand bis 1935 und musste dann auf-<br />
gelöst wer<strong>de</strong>n. 515 Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gingen in <strong>de</strong>n BDM über.<br />
Von 1927 bis 1936 konnten insgesamt 39 Siege, darunter 14 in unbe-<br />
schränkten Wettbewerben erru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. 516 Zunächst versuchten sich die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ausschließlich im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, erst nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg<br />
starteten die Sportlerinnen bei Rennen. 517<br />
Das Jahr 1933 führte zu neuerlichen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein gemeinsam<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG und <strong>de</strong>n Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus <strong><strong>de</strong>m</strong> DDRV austrat. Noch<br />
im selben Jahr wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRK in <strong>de</strong>n DRV aufgenommen.<br />
Nach einer letzten Regatta 1940 in Rendsburg beschränkte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
betrieb kriegsbedingt auf Kurzfahrten. Immerhin konnten <strong>für</strong> die Jahre 1941<br />
und 1942 noch 411 Fahrten mit 6820 km verzeichnet wer<strong>de</strong>n. 518 Bei <strong>de</strong>n<br />
Bombenangriffen auf Lübeck wur<strong>de</strong>n sämtliche Klubunterlagen vernichtet,<br />
lediglich das Bootshaus blieb verschont. Nach Kriegsen<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> es von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
britischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verboten. Erst ab<br />
513<br />
Vgl. [ohne Verfasser], 75 Jahre Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub, [ o.O.], 1994, S. 13.<br />
514<br />
Vgl. ebenda.<br />
515<br />
Vgl. ebenda, S. 15.<br />
516<br />
Vgl. [ohne Verfasser], 50 Jahre lübecker frauen-ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-klub, S. 11.<br />
517 Vgl. ebenda.<br />
518 Vgl. ebenda, S. 12.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 132<br />
1946 konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrieb, wenn auch stark eingeschränkt, wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgenom-<br />
men wer<strong>de</strong>n. 519<br />
5.2.4 Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von 1925<br />
Pally erwähnt, dass bereits im Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s FDRC <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeine<br />
Alster-Club in Hamburg eine Damenabteilung grün<strong>de</strong>te. 520 Dies wird von<br />
Schumann wi<strong><strong>de</strong>r</strong>legt, die Kopal zitiert: „1901 – Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n angeregt – je-<br />
doch ohne Erfolg.“ 521<br />
Am 3. Dezember 1925 fand ein erstes Treffen <strong>de</strong>s AAC mit ru<strong><strong>de</strong>r</strong>begeister-<br />
ten Frauen in <strong>de</strong>n Clubräumen <strong>de</strong>s RC Allemannia von 1866 statt. Am 15.<br />
Dezember wur<strong>de</strong> die vorgelegte Satzung genehmigt, zehn Damen und drei<br />
Schülerinnen grün<strong>de</strong>ten die Riege. 522 Erste Vorsitzen<strong>de</strong> war Martha Marcus,<br />
als Vertreterin <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend wur<strong>de</strong> Dr. Sophie Barrelet gewählt. Die Frauen<br />
waren allerdings nicht auf sich allein gestellt. Durch die Anbindung an <strong>de</strong>n<br />
AAC wur<strong>de</strong> festgelegt, dass jeweils ein männliches AAC-Vorstandsmitglied<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Riege angehören musste. Erster Vertreter war Paul<br />
Puhlmann vom RC Favorite Hammonia. Bis En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres zählte <strong><strong>de</strong>r</strong> Ver-<br />
ein bereits 50 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. 523<br />
Im Januar 1926 begann die <strong>Aus</strong>bildung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>maschine“ im Boots-<br />
haus Uhlenhorst. Puhlmann erteilte <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zwei Mal wöchentlich<br />
Unterricht. Geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n zwei gebrauchten Riemenvierern „Hansa“<br />
und „Lübeck“, die mit festen Sitzen und festen Dollen ausgestattet waren.<br />
Des Weiteren stellten <strong><strong>de</strong>r</strong> RC Favorite Hammonia und die RG Hansa Ham-<br />
burg ihre Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>becken <strong>für</strong> weitere Übungszwecke zur Verfügung. Bereits im<br />
Juni 1926 veranstaltete <strong><strong>de</strong>r</strong> AAC ein Prüfungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> die Frauen. Es mel-<br />
<strong>de</strong>ten sich neun Vierermannschaften, je<strong>de</strong> einzelne Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in bestand die Prü-<br />
fung.<br />
519 Vgl. [ohne Verfasser], 75 Jahre Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub, S. 15.<br />
520 Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 5.<br />
521 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur sowie im Staatsarchiv Hamburg fin<strong>de</strong>t sich kein Hinweis auf die Gründung<br />
dieser Riege. Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Elfrie<strong>de</strong> Schumann am 24. Juni 2008. Ferner HAM-<br />
BURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 1. Gustav Kopal war Redakteur <strong>de</strong>s Magazins<br />
Hamburger Wassersport.<br />
522 Vgl. ebenda, S. 5.<br />
523 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 133<br />
Insgesamt war es ein erfolgreiches erstes Vereinsjahr. Das Fahrtenbuch<br />
weist <strong>für</strong> die erste Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>saison über 400 Fahrten aus. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl er-<br />
höhte sich auf 66 Frauen und 33 Schülerinnen. 524<br />
Da <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV nur Rennen in Skullbooten ausschrieb, wur<strong>de</strong> 1927 <strong><strong>de</strong>r</strong> erste<br />
Gig-Doppelvierer bestellt. Das Boot wur<strong>de</strong> zu Ehren <strong>de</strong>s verstorbenen AAC-<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>n Alfred Hafels auf <strong>de</strong>ssen Namen getauft. Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> zweiten Stif-<br />
tungsfest konnte ein Gewinn von 450 Reichsmark erwirtschaftet wer<strong>de</strong>n, mit<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> drei Doppelzweier bestellt wer<strong>de</strong>n sollten. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres hatte<br />
sich die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl verdoppelt. Es waren 197 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> aktiv, darunter 60<br />
Jugendliche und 42 Stu<strong>de</strong>ntinnen. 525<br />
1928 bil<strong>de</strong>te die Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Riege <strong>de</strong>s AAC mit 241 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n die größ-<br />
te geschlossene Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innengruppe in Deutschland. 526 Ebenfalls in diesem<br />
Jahr konnten auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatta in Lübeck die ersten „<strong>Aus</strong>wärtssiege“ gefeiert<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Zuge dieser Entwicklung erfolgte am 5. Juni 1929 in vollem Einverneh-<br />
men mit <strong><strong>de</strong>m</strong> AAC die Gründung <strong>de</strong>s eigenständigen Vereins Hamburger<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club. Dieser wur<strong>de</strong> 1937 umbenannt in Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen-Club (HRC) 527 , das Wort „Dame“ entsprach nicht mehr <strong><strong>de</strong>m</strong> Zeitgeist.<br />
Der neue Verein setzte seine Mitgliedschaft im DDRV zunächst fort. 528 Laut<br />
Schumann war die Damen-Riege <strong>de</strong>s AAC bereits 1926 <strong><strong>de</strong>m</strong> DDRV beige-<br />
treten. Der AAC gehörte <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV an, damit hätte auch die ihm angeschlos-<br />
sene Damenabteilung Mitglied <strong>de</strong>s DRV sein müssen. Schumann geht davon<br />
aus, dass sich die Verantwortlichen bewusst <strong>für</strong> die Mitgliedschaft im DDRV<br />
entschie<strong>de</strong>n haben, da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n weniger för<strong><strong>de</strong>r</strong>te als <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDRV. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> Sophie Barrelet 1927 als Beisitzerin in <strong>de</strong>n Vor-<br />
stand <strong>de</strong>s DDRV gewählt. 1932 trat <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Verband aus, „da<br />
ein ge<strong>de</strong>ihliches Zusammenarbeiten nicht erreicht wer<strong>de</strong>n konnte“. 529<br />
524<br />
Vgl. ebenda, S. 7.<br />
525<br />
Vgl. ebenda.<br />
526<br />
HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), 75 Jahre Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von 1925<br />
e. V., Hamburg 2000, S. 30.<br />
527<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n wird die Bezeichnung Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club verwen<strong>de</strong>t.<br />
528<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Elfrie<strong>de</strong> Schumann am 24. Juni 2008. Vgl. HAMBURGER RUDERIN-<br />
NEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 5.<br />
529 Ebenda, S. 16.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 134<br />
Im selben Jahr stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC erstmals eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>lehrerin fest ein. Ursula<br />
Sauerlandt war „die erste hauptamtliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>lehrerin überhaupt“. 530 Den-<br />
noch konnten auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Jubiläumsregatta <strong>de</strong>s DDRV in Berlin und wenig später<br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatta in Lübeck keine Siege errungen wer<strong>de</strong>n. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl<br />
erreichte mit 309, davon 132 Jugendliche und 45 Stu<strong>de</strong>ntinnen, ihren vorläu-<br />
figen Höhepunkt.<br />
Zu wenige Boote, schlechte <strong>Aus</strong>stattung und unzureichen<strong>de</strong> Räumlichkeiten<br />
erschwerten ab 1930 <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb. Die hohe Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen ver-<br />
anlasste <strong>de</strong>n Verein, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Hamburger Schulbehör<strong>de</strong> die Gründung eines<br />
selbstständigen Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins anzuregen. Schumann erklärte,<br />
dass 138 Schülerinnen an <strong>de</strong>n neuen Verein überwiesen wur<strong>de</strong>n. Jula Zieg-<br />
ler wur<strong>de</strong> als Trainerin vom HRC eingestellt.<br />
Das Clubleben war in <strong>de</strong>n ersten Jahren wesentlich vom Sport bestimmt.<br />
Gesellige Veranstaltungen stan<strong>de</strong>n, mit <strong>Aus</strong>nahme <strong>de</strong>s Stiftungsfestes, im<br />
Hintergrund. 1931 bestand die Bootsflotte aus zwei Doppelvierern, vier Dop-<br />
pelzweiern sowie zwei Einern. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Überweisung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen war<br />
Ziegler nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, allen Wünschen gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Zu viele Frau-<br />
en wollten beim HRC <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport nachgehen.<br />
Erschwerend kam hinzu, dass in diesem Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Pachtvertrag mit <strong><strong>de</strong>m</strong> AAC<br />
über das Bootshaus nicht verlängert wur<strong>de</strong>. Ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Bootshaus in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Canalstraße war prinzipiell <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>boote ungeeignet, da die Materialien per<br />
Flaschenzug aus <strong>de</strong>n oberen Stockwerken herunter gelassen wer<strong>de</strong>n muss-<br />
ten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Uhlenhorster Kanal <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>manöver eigentlich nicht breit ge-<br />
nug war. Allerdings konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC in jenem Jahr ein neues Domizil an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
oberen Alster in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootswerft Hartje beziehen.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Umzug erschwerten neue Probleme das Vereinsleben. 1932<br />
musste <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>tritt von 100 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n verkraften. Der Monats-<br />
beitrag wur<strong>de</strong> zwar von fünf auf vier Reichsmark gesenkt, <strong>de</strong>nnoch war die<br />
finanzielle Belastung in <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Zeit <strong>für</strong> viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zu groß. 531<br />
Trotz dieser Schwierigkeiten blieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufnahme neuer Mit-<br />
glie<strong><strong>de</strong>r</strong> wählerisch. Die Gemeinschaft basierte auf festen Prinzipien. Wer<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> HRC beitreten wollte, musste zwei Bürgen nachweisen. Darüber hinaus<br />
hatte je<strong>de</strong>s Mitglied eine Probezeit zu absolvieren. War diese überstan<strong>de</strong>n,<br />
530 Ebenda, S. 10.<br />
531 Vgl. ebenda, S. 17.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 135<br />
musste die vorgeschriebene Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kleidung sofort beschafft und getragen<br />
wer<strong>de</strong>n. Selbstverständlich wur<strong>de</strong> nach <strong><strong>de</strong>r</strong> endgültigen Aufnahme auch die<br />
Aufnahmegebühr fällig. Die Vorstandsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s HRC achteten auf die<br />
Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Etikette. Bis 1937/38 siezten sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Als das „du“<br />
eingeführt wur<strong>de</strong>, gab es erhebliche Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> und sogar <strong>Aus</strong>trittsdrohun-<br />
gen. Erst 1939 wur<strong>de</strong>n Bürgen und Probezeit endgültig abgeschafft. 532<br />
1934 verlegte <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC sein Bootshaus erneut. Die neue Adresse lautete<br />
Lombardsbrücke, Hamburg. Die zentrale Lage ermöglichte ein Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor<br />
Dienstbeginn, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittagspause und nach Geschäftsschluss.<br />
Das Jahr 1936 ist <strong>für</strong> <strong>de</strong>n HRC <strong><strong>de</strong>r</strong> Beginn <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Der Verein hat-<br />
te bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootswerft Pirsch <strong>de</strong>n ersten frauengerechten Renndoppelvierer<br />
gekauft, <strong><strong>de</strong>r</strong> unter <strong>de</strong>n Vorgaben von Hugo Borrmann sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufsicht Jula<br />
Zieglers gebaut wor<strong>de</strong>n war. Adi Döpke taufte das Boot beim Anru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf<br />
<strong>de</strong>n Namen „Hamburger Deern“. 533 In dieser Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>saison konnte auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Regatta in Hamburg <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Sieg in einem Rennbootrennen errungen wer-<br />
<strong>de</strong>n.<br />
1939 musste <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein sein Bootshaus erneut verlegen. Die „Alsterlust“ an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lombardsbrücke wur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> Baupolizei als baufällig erklärt. Der HRC<br />
mietete sich erneut im Bootshaus <strong>de</strong>s AAC ein. Hier stan<strong>de</strong>n ausreichend<br />
Bootslagerplätze, ein Umklei<strong><strong>de</strong>r</strong>aum sowie ein Clubraum zur Verfügung.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Saison 1940 verließ Ziegler <strong>de</strong>n HRC und zog nach München.<br />
Über zehn Jahre hatte sie die Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen erfolgreich auf die Re-<br />
gatten vorbereitet. Erwähnenswert ist in diesem Jahr die Gesamtkilometer-<br />
zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s HRC von 26.500 km. Durchschnittlich kam je<strong>de</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in auf 182 km.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlagzahlrennen 1941 bil<strong>de</strong>te auch <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige<br />
Vorstand einen Vierer. Sophie Barrelet war zu diesem Zeitpunkt 48 Jahre alt,<br />
<strong>de</strong>nnoch gewann das Boot <strong>de</strong>s HRC auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Regatta im Juli 1941.<br />
Von 1942 an leitete Hanne Wurtmann das Training. Die Begeisterung war<br />
ungebrochen, <strong>für</strong> jenes Jahr konnten 13 Siege verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
532 Vgl. ebenda, S. 18.<br />
533 Die „Hamburger Deern“ war <strong><strong>de</strong>r</strong> erste „maßgeschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>te“ Renndoppelvierer <strong>für</strong> Frauen.<br />
Das Boot hat <strong>de</strong>n Zweiten Weltkrieg schadlos überstan<strong>de</strong>n. In diesem Boot wur<strong>de</strong>n von<br />
verschie<strong>de</strong>nen Mannschaften sechs Deutsche Meisterschaften errungen (1951-1953,<br />
1961, 1962 und 1965). Seit 1990 liegt die „Hamburger Deern“ im Museum <strong>für</strong> Hamburgische<br />
Geschichte.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 136<br />
schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage veranstaltete <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein<br />
eine einwöchige Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriegsmeisterschaft in Berlin erreich-<br />
ten Ellen Kranich und Charlotte Eißner einen dritten Platz im Doppelzweier.<br />
1943 gelang es, <strong>de</strong>n Renndoppelvierer „Hamburger Deern“ sowie das Skiff<br />
„Waterküken“ vor <strong>de</strong>n Luftangriffen zu retten.<br />
Während <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten zwei Kriegsjahre versuchten die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s HRC,<br />
<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb aufrechtzuerhalten. Bei <strong>de</strong>n letzten Kriegsmeisterschaften<br />
in Wien 1944 erreichten Ellen Kranich und Rose Renk in einem geliehenen,<br />
viel zu schmalen Boot einen dritten Platz.<br />
Am 5. Dezember 1945 ließen es sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nicht nehmen, <strong>de</strong>n 20.<br />
Stiftungstag <strong>de</strong>s HRC zu begehen. Bereits im Februar 1946 wur<strong>de</strong> die neue<br />
Satzung <strong>de</strong>s Vereins beim Amtsgericht eingereicht. Martha Marcus erklärte<br />
sich bereit, <strong>de</strong>n Vorsitz zu übernehmen. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Freigabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Alster am 1.<br />
Juni 1946 durch die Besatzungsmächte konnten die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s HRC das<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufnehmen. Alle ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Frauen in Hamburg teilten sich zu<br />
dieser Zeit eine behelfsmäßige Bleibe, die auf einem Teil <strong>de</strong>s heutigen HRC-<br />
Grundstücks am Isekai stand.<br />
5.2.5 Damenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen und weitere Vereinsgründungen<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit gab es außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichshauptstadt nur wenige ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Frauen. Man sagte „Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und legte Wert auf gesellschaftli-<br />
che Reputation“. 534<br />
Noch im Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s FDRC 1901 richteten <strong><strong>de</strong>r</strong> Märkische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
verein und <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein „Vorwärts“ Damenabteilungen ein. 535<br />
1904 ermöglichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Germania Leitmeritz <strong>de</strong>n Frau-<br />
en das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 536<br />
„In jenem Jahr wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erste ‘Damenvierer’ zu Wasser gebracht,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> allen kleinstädtischen Anfeindungen zum Trotz, durch<br />
ebenmäßige Körperhaltung und gleichmäßige Riemenführung<br />
selbst <strong>de</strong>n Gegnern <strong>de</strong>s Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns Anerkennung abzwang.“<br />
537<br />
534 F. BALDUS, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 20 Jahren“, in: Wassersport 51(1933)48, S. 947.<br />
535 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 92.<br />
536 Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 523.<br />
537 [ohne Verfasser],[ohne Titel], in: Wassersport 43(1925)5, S. 93.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 137<br />
Es wird außer<strong><strong>de</strong>m</strong> erwähnt, dass diese Abteilung sich sehr gut ent-wickelte.<br />
Eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in namens Elfrie<strong>de</strong> Glaube soll sogar einen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er in einem<br />
Achterrennen über 2.000m würdig vertreten haben. 538 Die aus Kriegsnot ent-<br />
stan<strong>de</strong>ne Damenabteilung <strong>de</strong>s RG „Wiking“ Leipzig wur<strong>de</strong> sogar zu einer<br />
Hochburg im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n respektive Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Damenabteilungen konnten prinzipiell nur in Vereinen gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, die<br />
nicht Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> im DRV waren, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband sich weigerte, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
vereine und Damenabteilungen in seine Organisation einzubin<strong>de</strong>n. Der 1909<br />
gegrün<strong>de</strong>te Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club „Frigga“ ist aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Damenabteilung <strong>de</strong>s<br />
Märkischen RV entstan<strong>de</strong>n, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV beitreten wollte und die<br />
Damenabteilung ihn daran hin<strong><strong>de</strong>r</strong>te.<br />
Bis 1918 entstan<strong>de</strong>n vor allem im Großraum Berlin weitere Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ver-<br />
eine und Damenabteilungen. Genannt seien hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Damen-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub in Potsdam (1909), <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund Berliner Lehrerinnen (1909),<br />
Berliner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club (1912) mit Berta Pally als Mitbegrün<strong><strong>de</strong>r</strong>in und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen-Sport-Verein in Berlin (1915). Des Weiteren sind zu nen-<br />
nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Hamburger Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund ebenfalls von 1909, <strong><strong>de</strong>r</strong> Casseler<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein und Em<strong><strong>de</strong>r</strong> Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein, bei<strong>de</strong> von 1913, Mäd-<br />
chen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Berlin von 1915, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund „Froh Volk“ in Berlin von<br />
1917, von <strong><strong>de</strong>m</strong> später durch <strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n Prof. Altrock starke Impulse<br />
ausgehen sollten, und schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Dresdner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club von<br />
1918. 539<br />
Damenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen erscheinen rückwirkend betrach-<br />
tet sehr progressiv. Es entsteht <strong><strong>de</strong>r</strong> Eindruck, dass sich die Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
bewusst gegenüber <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n öffneten, was allerdings nur <strong>für</strong> weni-<br />
ge Vereine tatsächlich zutraf. Häufig be<strong>für</strong>chteten die Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>de</strong>n Ver-<br />
fall „ihres“ Sports und dass ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Frauen ihn in Misskredit bringen<br />
könnten. Im Fachjournal Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport war zu lesen:<br />
„Und jenen Standpunkt, daß auch die Damen in ihrem Sport ganz<br />
aufgehen sollen, können wir in diesem Sinne nicht einnehmen;<br />
<strong>de</strong>nn Sport im Sinne von Höchstleistung und Wettkampf ist das<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Damen grundsätzlich nicht zu nennen. Immerhin bleibt<br />
die Tatsache bestehen, daß schon durch das Vorhan<strong>de</strong>nsein ei-<br />
538 Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 523.<br />
539 Eine Liste fin<strong>de</strong>t sich im Anhang. Vgl. L. CLOS, „50 Jahre Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
69(1951)6, S. III. Ferner vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 523.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 138<br />
ner Damenriege <strong><strong>de</strong>r</strong> sportliche Gedanke getrübt wird, daß er lei<strong>de</strong>t<br />
und daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport <strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n davon hat!“ 540<br />
Auch wenn die ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n „Damen und Herren“ aus <strong><strong>de</strong>m</strong> gleichen Milieu<br />
stammten, so waren ihre gesellschaftlichen Aufgaben und ihr geschlechts-<br />
spezifisches Rollenverständnis doch unterschiedlich. So hielt das Bildungs-<br />
und Besitzbürgertum bis zum Ersten Weltkrieg an <strong>de</strong>n konventionellen Nor-<br />
men und Leitbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n fest. 541 Dem Mann wur<strong>de</strong>n Durchsetzungskraft, feste<br />
Haltung, Wille und Disziplin zugeschrieben, die Frau verkörperte Anmut und<br />
Schönheit. Letztere sollte neben ihren Repräsentationspflichten auch „mit<br />
Liebe“ ihren häuslich-familiären Aufgaben nachkommen.<br />
Die bewusste Propagierung weiblicher Leibesübungen vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Ersten Welt-<br />
krieg führte dazu, dass <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport eine neue Be<strong>de</strong>utung zuge-<br />
teilt wur<strong>de</strong>. 542 Gleichzeitig sank die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Abmeldungen in <strong>de</strong>n<br />
Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen, da zum einen verheiratete Männer aktive Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
ihren Vereinen bleiben konnten und zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die Möglichkeit geboten<br />
war, <strong>de</strong>n Sport gemeinsam mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehefrau auszuüben.<br />
Allen Argumenten zum Trotz müssen heute vor allem wirtschaftliche Überle-<br />
gungen angeführt wer<strong>de</strong>n, die Frauen das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n während <strong>de</strong>s Ersten Welt-<br />
krieges in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen ermöglichten. Da viele Männer als Soldaten<br />
dienten o<strong><strong>de</strong>r</strong> gefallen waren, mussten die Vereine Frauen aufnehmen, um<br />
<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb überhaupt fortführen zu können. Entgegen kam ihnen die<br />
wachsen<strong>de</strong> Anzahl berufstätiger Frauen. Der Wunsch nach sportlichem <strong>Aus</strong>-<br />
gleich stand im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund, <strong><strong>de</strong>r</strong> von ihnen aufgrund ihres Lohnes auch ei-<br />
genständig finanziert wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Diese Entwicklung auf <strong><strong>de</strong>m</strong> langen Weg zur Gleichberechtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
im <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport nahm nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Ersten Weltkrieg ein schnelles<br />
En<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>n 20er Jahren schlossen viele Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine die Frauen<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aus, da die Soldaten zurückkehrten und die Vereine es sich nun wie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> finanziell leisten konnten, auf die Mitgliedschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zu verzich-<br />
ten. 543<br />
540 [HARALD], „Über Damenriegen und Jugendpflege, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 10(1929)17, S. 433.<br />
541 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 96.<br />
542 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führung in Kap. 3.3 und 3.4 zum Sport um die Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong> und<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik.<br />
543 Ebenda, S. 32.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 139<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s DDRV, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Dachverband koor-<br />
dinierte, ebbte die Diskussion bezüglich Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen<br />
langsam ab, allerdings entbrannte sie anfangs <strong><strong>de</strong>r</strong> 30er Jahre aufs neue, als<br />
die Nationalsozialisten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als unerlässlich im Sinne nationalsozialisti-<br />
scher Jugendpflege und Volksertüchtigung proklamierten. 544<br />
Dr. Margarete Güssow vom <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub Berlin kann aus<br />
heutiger Sicht als „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Gar<strong>de</strong>“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Sie vertrat<br />
vehement die Position, dass Männer und Frauen prinzipiell in getrennten Or-<br />
ganisationen ihren Sport ausüben sollten. Sie war <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, dass nicht die<br />
Geselligkeit zwischen Frauen und Männern Hauptaufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine mit<br />
angeschlossenen Damenabteilungen sei, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n diese sich primär um die<br />
Herausbildung eines harten und wehrhaften Geschlechts zu kümmern hat-<br />
ten. 545<br />
Sie stellte heraus, dass selbstständige Frauenvereine und nicht Damenabtei-<br />
lungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen zur Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Frauenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ns beigetragen hätten. Die Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> seien vielschichtig gewesen.<br />
Zum einen hätten die Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erst ablehnend und<br />
dann gleichgültig gegenüber gestan<strong>de</strong>n. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en sollten sich Frauen<br />
auch <strong>de</strong>shalb in eigenen Vereinen betätigen, weil die immer stärker wer<strong>de</strong>n-<br />
<strong>de</strong> Liebe <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zu allen ihrer Eigenart entsprechen<strong>de</strong>n Sportarten sich<br />
immer weiter entwickelt hätte. Denn<br />
„wäre das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine reine Leibesübung wür<strong>de</strong> ich die Frauenabteilungen<br />
in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen noch gelten lassen. Aber es<br />
ist eine altbekannte Tatsache, daß unser Sport mehr als je<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
an das Vorhan<strong>de</strong>nsein bestimmter seelischer Eigenschaften<br />
gebun<strong>de</strong>n ist. [...] Die Frauen sind die Seele eines Volkes, die<br />
Männer seine Kämpfer“. 546<br />
Viele „Stimmen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Provinz“ teilten diese Ansichten nicht. Im Gegenteil,<br />
sie genossen die Situation, „sich um nichts kümmern zu müssen und einfach<br />
ins gemachte Nest zu fallen“. 547 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> trügen Frauen ihrer Ansicht nach<br />
in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen einen Willen zur Gemeinschaft in sich. Dieser Willen<br />
544 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen zum Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Nationalsozialismus, Kap. 4.9.<br />
545 Vgl. M. GÜSSOW, „Selbständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine o<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen?“,<br />
in: Wassersport 52(1934)2, S. 17.<br />
546 Ebenda, S. 18.<br />
547 E. STREICHHAHN, „Nochmals: Frauenabteilungen in Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen“, in: Wasser-<br />
sport 52(1934)5, S. 66.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 140<br />
führe nicht nur zur Kameradschaft unter Kameradinnen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch zu<br />
<strong>de</strong>n Kamera<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Stammklubs und letztlich zur wahren „Volksgemein-<br />
schaft“.<br />
Güssow liege in ihrer Annahme falsch, so die Meinung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kritiker. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
sei es schließlich nicht zu erklären, dass Damenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
vereinen Zuwachs und viele reine Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine rückläufige Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
zahlen hätten.<br />
Auch wur<strong>de</strong> kritisch angemerkt, dass die Anfänge <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nur bei<br />
wenigen Vereinen lägen. Diese könnten aber mit <strong><strong>de</strong>m</strong> inneren Wan<strong>de</strong>l nicht<br />
Schritt halten, <strong>de</strong>n die Kriegs- und Nachkriegsjahre mit sich gebracht hät-<br />
ten. 548<br />
Die Bonner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er versuchten, diese Diskussion durch einen Kompromiss<br />
zu umgehen. Die Bonner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gesellschaft grün<strong>de</strong>te 1923 eine Damenab-<br />
teilung. Selbstverständlich wur<strong>de</strong> diese von <strong>de</strong>n Männern getrennt, <strong>de</strong>nn<br />
„Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlungen in bunter Reihe sind nicht sehr ersprießlich“. 549 In<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bonner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gesellschaft aber wur<strong>de</strong> die Damenabteilung zu einem be-<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>en „Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein“ erhoben, <strong><strong>de</strong>r</strong> dann körperschaftliches Mitglied<br />
<strong>de</strong>s Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins wur<strong>de</strong>. Dadurch verfügte die Damenabteilung zwar<br />
über eine Satzung, unterstand aber weiterhin <strong><strong>de</strong>m</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein.<br />
Güssow konnte sich mit einem <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen Kompromiss nicht anfreun<strong>de</strong>n und<br />
argumentierte, dass Frauen unbedingt eigene Bootshäuser und Selbstver-<br />
waltung bräuchten, „<strong>de</strong>nn nur hier fühlen wir uns wie kleine Könige“. 550 Das<br />
eigene Bootshaus biete <strong>für</strong> die jahrelang im Berufsleben stehen<strong>de</strong>n Groß-<br />
städterinnen eine Zufluchtsstätte, und <strong><strong>de</strong>r</strong> ungenierte Aufenthalt be<strong>de</strong>ute<br />
Frie<strong>de</strong>n, Entspannung und Erholung. All dieses wäre in <strong><strong>de</strong>r</strong> Damenabteilung<br />
nicht möglich. 551<br />
5.3 „Krebse fangen“ 552 in <strong>de</strong>n ersten Jahren<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfänge <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports kann<br />
festgestellt wer<strong>de</strong>n, dass neben einer gehörigen Portion Zuversicht auch Mut<br />
548<br />
Vgl. ebenda.<br />
549<br />
L. HEYDT, „Damenabteilungen“, in: Wassersport 47(1929)8, S. 120.<br />
550<br />
M. GÜSSOW, „Zur Lage im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 50(1932)47, S. 914.<br />
551<br />
Vgl. ebenda, S. 915.<br />
552<br />
Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Aus</strong>druck „einen Krebs fangen“ wird beim Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein technischer Fehler beim<br />
Durchzug <strong><strong>de</strong>r</strong> Skulls o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Riemens bezeichnet, <strong><strong>de</strong>r</strong> vor allem in Mannschaftsbooten<br />
zu größeren Problemen führt und im Skiff meistens mit Kentern en<strong>de</strong>t.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 141<br />
und <strong>Aus</strong>dauer erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich waren. Der DRV und die ihm angeschlossenen<br />
Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine stan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel ablehnend gegen-<br />
über; sie wollten „unter sich bleiben“. Lediglich wirtschaftliche Engpässe<br />
zwangen die traditionellen Vereine, vorübergehend Frauen aufzunehmen.<br />
Doch war die finanzielle Notlage einmal gemeistert, waren die Männer froh,<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> unter sich zu sein.<br />
Die ablehnen<strong>de</strong> Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> traditionellen Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er sowie die gesell-<br />
schaftlichen Konventionen erschwerten und verlangsamten die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die <strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Kleidung, die eng an die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau gebun-<br />
<strong>de</strong>n war, machte <strong>de</strong>utlich, wie schwer es <strong>für</strong> sportinteressierte und ru<strong><strong>de</strong>r</strong>be-<br />
geisterte Frauen war, ihrem Hobby nachzugehen.<br />
Dazu kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Mangel an Bootsmaterial, ein Umstand, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Bemühungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen häufig im Keim erstickte. Nicht zuletzt müssen die Fortschritte in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik und -vermittlung genannt wer<strong>de</strong>n, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Rollsitz anfäng-<br />
lich als nicht geeignet und moralisch vertretbar angesehen wur<strong>de</strong>. Auch das<br />
verzögerte die Entwicklung erheblich.<br />
5.3.1 Die Frauenfrage im <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
Neben allen „Krebsen“ wur<strong>de</strong> vor allem intensiv über die Frage diskutiert, ob<br />
Frauen überhaupt ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n respektive sich sportlich betätigten sollten. 553<br />
In <strong>de</strong>n Fachzeitungen Wassersport und Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n 20er<br />
und 30er Jahren etliche Artikel zur Frauenfrage im <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
veröffentlicht. Neben <strong>de</strong>n durch nichts zur Umkehr zu bewegen<strong>de</strong>n Kritikern<br />
gab es auch Be<strong>für</strong>worter, die versuchten, Lösungen <strong>für</strong> die unbefriedigen<strong>de</strong><br />
Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> sich sportlich betätigen<strong>de</strong>n Frauen zu fin<strong>de</strong>n. 554 Allerdings wa-<br />
ren auch sie gezwungen, sich gegenüber ihren Vereinen und Traditionen<br />
loyal zu verhalten.<br />
Diejenigen, die akzeptierten, dass Frauen sich sportlich betätigten, attestier-<br />
ten ihnen gleichzeitig ein Desinteresse am Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, nämlich, „daß die<br />
553 Die Frage „Sollen Frauen Rennen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“ wird in Kap. 5.6 unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Aspekt <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns thematisiert. Zum Für und Wi<strong><strong>de</strong>r</strong> weiblicher Leibesübungen<br />
allgemein vgl. die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 3.3 bis Kap. 3.5.<br />
554 Die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland in <strong>de</strong>n 20er und 30er Jahren wur<strong>de</strong><br />
von Männern wie Paul Salbach, Ernst Gerson, Hugo Borrmann, Karl Feige, Hermann<br />
Altrock und Heinrich Pauli geprägt.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 142<br />
Frauen in überwiegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Majorität heute <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport feindlich, im bes-<br />
ten Falle gleichgültig gegen überstehen“. 555 Die Sportarten Turnen und<br />
Schwimmen zogen in dieser Zeit die meisten Frauen an, auch Golf und<br />
Lawn-Tennis waren bei <strong>de</strong>n Sportlerinnen beliebt. 556 Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport dage-<br />
gen war bis auf einige wenige Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Berlin und einzelne<br />
Damenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen in dieser Hinsicht als rückständig<br />
zu betrachten. „Der Grund liegt wohl in erster Linie in <strong><strong>de</strong>m</strong> Mangel an Ener-<br />
gie bei <strong>de</strong>n Frauen selber [...]“, 557 da die <strong>de</strong>utsche Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau die<br />
körperliche <strong>Aus</strong>bildung vollkommen vernachlässigte. Erschwerend kämen<br />
tief wurzeln<strong>de</strong> Vorurteile hinzu, die<br />
„[...] je<strong>de</strong>s Heraustreten <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Häuslichkeit verdammen,<br />
und so die Scheu <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau vor neuen Verhältnissen und<br />
Aufgaben, die ihr bereits angeboren durch unsere Erziehung gera<strong>de</strong>zu<br />
ausgebil<strong>de</strong>t wird, noch weiter vermehren und ihrer Beteiligung<br />
am Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein schweres Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis in <strong>de</strong>n Weg stellen“. 558<br />
Be<strong>für</strong>worter <strong>de</strong>s Frauensports for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten explizit die Öffnung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns,<br />
<strong>de</strong>nn neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong>de</strong>s körperlichen Wohlbefin<strong>de</strong>ns wur<strong>de</strong> diese<br />
Bewegungsform nicht zuletzt als charakterbil<strong>de</strong>nd angesehen:<br />
„Und wenn wir auf die im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport liegen<strong>de</strong> Charakterausbildung<br />
zu sprechen kommen, so bil<strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>dauer und Willenskraft,<br />
Schneid und Kameradschaftlichkeit, Disziplin und Arbeitsfreudigkeit<br />
<strong>für</strong> die Allgemeinheit Eigenschaften, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen<br />
Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau wenig geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n, so daß gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport die beste Ergänzung bil<strong>de</strong>n dürfte.“ 559<br />
In einem Artikel in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport hieß es, dass es keinen er-<br />
sichtlichen Grund gäbe, <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport nicht zu betreiben, <strong>de</strong>nn durch eine<br />
sorgfältige körperliche Erziehung sei die Züchtung von „Mannsweibern“ nicht<br />
zu be<strong>für</strong>chten. 560 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
„gibt es keinen Sport, <strong><strong>de</strong>r</strong> so wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport eine Gelegenheit<br />
zu so durchgreifen<strong><strong>de</strong>r</strong> dauern<strong><strong>de</strong>r</strong> körperlicher Betätigung in staubfreier<br />
Luft bietet und <strong><strong>de</strong>r</strong> die in ihren mannigfachen Berufen mehr<br />
555<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Die Frauenfrage im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“, in: Wassersport 29(1911)3, S.<br />
29.<br />
556<br />
Vgl. ebenda.<br />
557<br />
Ebenda.<br />
558<br />
Ebenda.<br />
559<br />
Vgl. ebenda, S. 30.<br />
560<br />
Vgl. R. RAUSCHER, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Volksgesundheit“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 5(1916)9, S. 68.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 143<br />
<strong>de</strong>nn je angestrengten Frauen in die freie Gottesnatur hinausführt“.<br />
561<br />
Ein Sportmediziner attestierte <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 1934 nicht nur einen gesun-<br />
<strong>de</strong>n Einfluss auf Körper und Geist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch eine Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ge-<br />
sichtsfarbe, Abhärtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Haut durch <strong>de</strong>n Wind, bessere<br />
Muskeldurchblutung und Durchlüftung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lungen und damit verbun<strong>de</strong>n eine<br />
schnellere Durchströmung <strong>de</strong>s Blutkreislaufes. Maßvolles Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n könne und<br />
wer<strong>de</strong> nie schädlich sein, allerdings solle die Frau sich auf das Skullen und<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n beschränken, da es sonst doch zur ihrer Vermännlichung<br />
kommen wür<strong>de</strong>. 562<br />
Doch nicht alle Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er teilten diese Ansichten und kommentierten die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bemühungen mit Spott. Nichts<strong>de</strong>stotrotz gab es auch viele Be<strong>für</strong>worter<br />
<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, die mit allen Mitteln versuchten, Frauen und Mädchen<br />
<strong>für</strong> diesen Sport zu gewinnen.<br />
Der Verfasser 563 eines Artikels in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport schrieb:<br />
„Über die Damen und ihre Leistung zu spötteln, sollten wir uns<br />
endlich abgewöhnen und statt <strong>de</strong>ssen ihre Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bestrebungen mit<br />
allen Kräften unterstützen.“ 564<br />
Dem hält die Schriftleitung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Clubs entgegen:<br />
„Wir gehen ja vorläufig noch garnicht [sic!] einmal so weit, Unterstützung<br />
von unseren männlichen Sportkollegen zu erwarten, aber<br />
eine ruhige Duldung und Achtung unserer Bestrebungen müssen<br />
und können wir verlangen. Statt <strong>de</strong>ssen begegnet man gera<strong>de</strong> bei<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern in <strong>de</strong>n meisten Fällen einer spöttischen Nichtachtung<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer scharfen vernichten<strong>de</strong>n Kritik unserer Bestrebungen.“<br />
565<br />
Diese Haltung wur<strong>de</strong> insgeheim von <strong>de</strong>n Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern bestätigt, nämlich<br />
„dass ihnen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser das gleiche Recht zukommt wie allen Kamera-<br />
561<br />
R. RAUSCHER, „Vom Berliner Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n während <strong>de</strong>s Krieges.“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
6(1917)44, S. 368.<br />
562<br />
Vgl. A. LESSING, „Der Frauen- und Sportarzt hat das Wort! Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau“, in:<br />
Wassersport 52(1934)39, S. 918.<br />
563<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwi<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Wassersport 29(1911)3 gehen die Autorinnen Plischka/Rötscher<br />
davon aus, dass es sich um einen Mann han<strong>de</strong>lt: „[...] wir müssen nach <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Art<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Abfassung annehmen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel von einem Mann herrührt [...]“. Vgl. E.<br />
PLISCHKA/A. RÖTSCHER, „Die Frauenfrage im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“, in: Wassersport 29(1911)11, S.<br />
138.<br />
564<br />
Ebenda.<br />
565 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 144<br />
<strong>de</strong>n, d. h. nicht in unanständiger Weise angeö<strong>de</strong>t zu wer<strong>de</strong>n“. 566 Abwerten-<br />
<strong>de</strong>s Benehmen wäre ein Verstoß gegen die Anstandsregeln gewesen, galten<br />
und sahen sich doch die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er als Kavaliere und Gentlemen.<br />
Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s FDRC, die sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport äußeren,<br />
konnten diese Be<strong>de</strong>nken nicht teilen, <strong>de</strong>nn wenn bemängelt wird, dass<br />
„[...] <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen eine Nichtachtung und spöttische Kritik ihrer<br />
Bestrebungen seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Herren Sportkollegen entgegengebracht<br />
wird, so können wir nur konstatieren, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> weitaus größte Teil<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er uns als Kamerad betrachtet und uns die Achtung entgegenbringt,<br />
die ein <strong>de</strong>utscher Mann einer Dame gegenüber zu<br />
erweisen hat“. 567<br />
Offensichtlich konnten sich viele Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er nicht mit <strong><strong>de</strong>m</strong> neuen Anblick<br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser anfreun<strong>de</strong>n. Viele vertraten die Meinung, dass Frauen<br />
selbst schuld seien, wenn sie von <strong>de</strong>n männlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern verspottet wer-<br />
<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. Schließlich wür<strong>de</strong> die schlechte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik dieses Verhalten<br />
herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Den Frauen selbst war von Anfang an klar, dass es Jahre dauern wür<strong>de</strong>, die<br />
Versäumnisse aufzuholen und die Nachteile zu kompensieren:<br />
„Es mag sein, daß die Leistung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport noch nicht<br />
allzu glänzend sind [sic!]. Aber daran trägt doch nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Umstand<br />
schuld, daß erst in <strong><strong>de</strong>r</strong> allerletzten Zeit überhaupt Frauen zur <strong>Aus</strong>übung<br />
<strong>de</strong>s Sports gelangt sind. Es fehlt da natürlich an geschulten<br />
Kräften.“ 568<br />
Hier wird ein zentraler Punkt angesprochen. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Koopera-<br />
tionsbereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Bezug auf Materialausleihe, Un-<br />
terricht und Lagerung dauerte es viel länger <strong>für</strong> selbstständige Frauenvereine<br />
sich zu etablieren. Boote, Skulls und Riemen waren teuer, und wenn ein<br />
Verein nicht über außeror<strong>de</strong>ntlich hohe finanzielle Mittel verfügte, konnten<br />
nötige Anschaffungen häufig jahrelang nicht getätigt wer<strong>de</strong>n. Das Beispiel<br />
<strong>de</strong>s FDRC beweist zwar das Gegenteil, aber hier darf nicht vergessen wer-<br />
<strong>de</strong>n, dass zum einen die Gründungsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> wohlhabend waren und zum<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die Geldmittel durch gesellschaftliche Aktivitäten erwirtschaftet wur-<br />
<strong>de</strong>n. Ebenfalls problematisch war es, geeignete Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>lehrer zu fin<strong>de</strong>n, da<br />
566<br />
W. SCHÄNKER, [ohne Titel], in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 1(1912)o.A., S. 212, zitiert nach: BECKER, Mit<br />
Rock und Riemen, S. 43.<br />
567<br />
M. GLOBIG, „Die Frauenfrage im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“, in: Wassersport 29(1911)17, S. 235.<br />
568<br />
Vgl. PLISCHKA/RÖTSCHER, „Die Frauenfrage im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“, S. 138.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 145<br />
auch diese <strong>de</strong>n gängigen Vorurteilen ausgesetzt waren. Als positives Ge-<br />
genbeispiel sei hier die LFRG genannt, die in <strong>de</strong>n Jahren nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung<br />
von <strong>de</strong>n Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Lübecker Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft unterrichtet und unterstützt<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Die <strong>Aus</strong>führungen machen <strong>de</strong>utlich, dass Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nicht zum zeitgenössi-<br />
schen Frauenbild <strong><strong>de</strong>r</strong> dienen<strong>de</strong>n Ehefrau passten. In dieses, <strong>de</strong>n freien Akti-<br />
onsraum doch sehr einschränken<strong>de</strong> Handlungsmuster ließ sich nur schwer<br />
die Vorstellung einer ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Frau integrieren. Die traditionellen Herrenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>er gewöhnten sich daher nur langsam an die forschen und selbstständi-<br />
gen Frauen auf <strong>de</strong>n Seen und Flüssen.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Diskrepanz zwischen körperlicher Betätigung und <strong><strong>de</strong>m</strong> Verlust<br />
von Weiblichkeitsattributen wur<strong>de</strong> immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> kontrovers diskutiert. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einen Seite sollten Frauen stark und kräftig sein, um gesun<strong>de</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n das<br />
Leben zu schenken, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits wur<strong>de</strong> von ihnen auch immer ein gewisses<br />
Maß an Grazie und Anmut verlangt. Gera<strong>de</strong> letzteres vermissten viele Her-<br />
renru<strong><strong>de</strong>r</strong>er an ihren weiblichen Sportkolleginnen:<br />
„Das Weib soll vor allen Dingen aber stets seine Anmut bewahren,<br />
sonst wird’s zur Vogelscheuche. Sie soll eleganten Schneid besitzen,<br />
sich aber nie zur Karikatur herabwürdigen. [...] wenn sie ihre<br />
Anmut und ihren natürlichen Charme bewahren, wird sie kein anständiger<br />
Kamerad anpöbeln. [...], sie bleiben schöner und bekommen<br />
leichter einen Mann.“ 569<br />
Die Frauen selber maßen diesen Behauptungen weniger Gewicht zu und<br />
verwiesen lediglich auf fehlen<strong>de</strong> Trainingsjahre, <strong>de</strong>nn<br />
„wenn die Frau erst, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann, durch jahrzehntelange Übung<br />
ihren Körper gestählt hat, wenn aus ihren Reihen erst Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>lehrerinnen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> schönsten Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Wortes hervorgegangen<br />
sein wer<strong>de</strong>n, dann wird die Frau auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser im Sportboot ein<br />
Bild <strong><strong>de</strong>r</strong> Anmut und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kraft geben, wie es schöner nicht gedacht<br />
wer<strong>de</strong>n kann. An Kraft fehlt es ihr nicht“. 570<br />
Ein häufig verwen<strong>de</strong>tes Argument zielte auf die Leistungsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau-<br />
en ab.<br />
569<br />
[ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 2(1913)o.A., S. 596, zitiert nach BECKER,<br />
Mit Rock und Riemen, S. 32.<br />
570<br />
PLISCHKA/A. RÖTSCHER, „Die Frauenfrage im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“, S. 138.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 146<br />
Daher<br />
„sollte [man] doch nicht vergessen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> weibliche Körper von<br />
schwächerer Konstitution ist als <strong><strong>de</strong>r</strong> männliche und gar nicht dazu<br />
prä<strong>de</strong>stiniert ist, es <strong>de</strong>n männlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern gleich zu tun“. 571<br />
Diesen Grundsätzen folgend legte <strong><strong>de</strong>r</strong> FDRC sein Hauptaugenmerk auf eine<br />
gute Technik. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sollte auch im Boot nicht Grazie und Anmut verlo-<br />
ren gehen, „die <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Frauen beste Zier<strong>de</strong> ist“. 572 Dennoch war das<br />
Bekenntnis zu einem gesundheitsorientierten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport ein<strong>de</strong>utig:<br />
„Wir Frauen sollen immer einge<strong>de</strong>nk bleiben, daß wir <strong>de</strong>n Sport zu<br />
unserer Erholung ausüben und nicht durch übermäßige Anstrengung<br />
<strong>de</strong>s Körpers, um <strong>de</strong>n Wettkampf mit <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern zu ringen,<br />
unsere Gesundheit opfern wollen.“ 573<br />
Medizinische Vorbehalte wur<strong>de</strong>n lange Zeit dazu benutzt, das gesellschaft-<br />
lich fixierte Rollenbild <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau zu untermauern. „Leistung äußerster Kraft,<br />
Aufbringung zäher Energie und Entschlossenheit machen <strong><strong>de</strong>m</strong> Mann alle<br />
Ehre“ 574 heißt es bei Ueberhorst. Nicht zuletzt darum konnten sich die Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen nur langsam aus <strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen zugewiesen Rolle lösen.<br />
5.3.2 Die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekleidung <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
Schon das äußere Erscheinungsbild <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Amazonenflotte, beste-<br />
hend aus einem blauen Kostüm mit weißem Matrosenkragen und weißer<br />
Schärpe mit Vereinsabzeichen und abgerun<strong>de</strong>t durch einen Matrosenhut,<br />
zeigt <strong>de</strong>utlich, dass die Bekleidung einen hemmen<strong>de</strong>n Faktor in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwick-<br />
lung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns darstellte. Bereits 1887 wur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>m</strong> Marine-<br />
Maler Hans Bohrdt ein Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kostüm entworfen, das sich aber, da<br />
eng anliegend und kurzärmelig, nicht durchsetzen konnte.<br />
Anfangs ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die Frauen im Korsett, im langen und hochgeschlossenen<br />
Kleid und mit Zwirnhandschuhen und Filzhut. 575 Eine erste Erleichterung<br />
wur<strong>de</strong> dadurch geschaffen, dass man die Röcke einfach hochband, um nicht<br />
im Rollsitz hängen zu bleiben. Die Handschuhe waren allerdings ein Muss,<br />
571<br />
GLOBIG, „Die Frauenfrage im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“, in: Wassersport 29(1911)17, S. 235.<br />
572<br />
Ebenda.<br />
573<br />
Ebenda.<br />
574<br />
UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 96.<br />
575<br />
Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 552, S. U III.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 147<br />
<strong>de</strong>nn sonnengebräunte Hän<strong>de</strong> galten als unfein, da mit ihnen körperliche<br />
Arbeit assoziiert wur<strong>de</strong>.<br />
Obwohl die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s FDRC nicht mehr in Sonntagsklei<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Kor-<br />
setts ins Boot stiegen, war ihre Bekleidung zwar fortschrittlicher, gesund und<br />
praktisch war aber auch diese nicht. Die erste Garnitur bestand aus Leinen-<br />
bluse, Cheviot-Reformbeinkleid o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tuchhose, die mit einem Tuchrock ver-<br />
vollständigt wur<strong>de</strong>. 576 Dazu wur<strong>de</strong> eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>mütze mit <strong>de</strong>n Initialen FDRC<br />
getragen. „Dieses war <strong><strong>de</strong>r</strong> Promena<strong>de</strong>anzug“. 577 Auch die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s<br />
FDRC waren mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Problem <strong>de</strong>s Verhakens im Rollsitz konfrontiert, was<br />
sie mit einer Cheviot-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schürze lösten, die über einen vor<strong><strong>de</strong>r</strong>en vierfa-<br />
chen Gummibandverschluss verfügte. So praktisch diese Bekleidung auch<br />
anfangs erscheinen mochte, barg sie doch Risiken, da beim Kentern die Be-<br />
wegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beine eingeschränkt war. Allerdings versprach <strong><strong>de</strong>r</strong> Hersteller,<br />
dass beim Fall ins Wasser ein Ruck am Gummiband <strong><strong>de</strong>r</strong> Schürze reichen<br />
wür<strong>de</strong>, um sich aus dieser Fesselung zu befreien.<br />
Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tracht <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG bestand in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit ebenfalls aus einem<br />
blauen Cheviot-Rock, dazu wur<strong>de</strong>n eine weiße Bluse und blaue Sportmütze<br />
getragen. Bis 1911 ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die Damen in dieser Kleidung, dann wur<strong>de</strong>n so<br />
genannte „Buschmannklei<strong><strong>de</strong>r</strong>“ Vorschrift, die Röcke und Blusen ablösten.<br />
Dabei wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> übermäßige Stoff unten mit einer Sicherheitsna<strong>de</strong>l zusam-<br />
mengesteckt, um nicht immer in <strong>de</strong>n Rollsitzen hängen zu bleiben. Erstaunli-<br />
cherweise, da sonst nicht üblich, verfügten diese Klei<strong><strong>de</strong>r</strong> über kurze Ärmel.<br />
Vervollständigt wur<strong>de</strong> diese Tracht durch lange schwarze Strümpfe. Die<br />
langjährige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG, Käthe Hey<strong>de</strong>l, klassifizierte die „Busch-<br />
mannklei<strong><strong>de</strong>r</strong>“ als „Nachthemd mit kurzen Ärmeln!, viereckigem <strong>Aus</strong>schnitt<br />
und Gürtel.“ 578 Allerdings blieb auch diese Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kleidung aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Län-<br />
ge meistens in <strong>de</strong>n Rollsitzen hängen und musste <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend mit<br />
Sicherheitsna<strong>de</strong>ln zusammengesteckt wer<strong>de</strong>n.<br />
Nur vor<strong><strong>de</strong>r</strong>gründig wur<strong>de</strong> über die Beinbekleidung diskutiert, welche die Be-<br />
wegungsfreiheit stark einschränkte. Ohne lange und meistens schwarze<br />
576 Vgl. ebenda. Cheviot war zu jener Zeit ein hochmodischer englischer Wollstoff von langer<br />
Dauerhaftigkeit und Strapazierfähigkeit und wur<strong>de</strong> meistens über drei Generationen vererbt.<br />
Es war ein Stoff, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich drehen und wen<strong>de</strong>n und immer noch einmal wie<strong><strong>de</strong>r</strong> verarbeiten<br />
ließ.<br />
577 M. STOCKFISCH, 25 Jahre Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club, S. 4.<br />
578 SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. U III. „Buschmann“ war im nord<strong>de</strong>utschen<br />
Raum ein feststehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>für</strong> Klei<strong><strong>de</strong>r</strong> dieser Art.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 148<br />
Strümpfe stieg keine Frau ins Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>boot. Ein Artikel von Herms in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit-<br />
schrift Wassersport brachte dieses Problem auf <strong>de</strong>n Punkt, <strong>de</strong>nn <strong>für</strong> die<br />
Frauen galt: „Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ohne Strümpfe ist nicht för<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, weil wir das Bein<br />
in seiner nackten Fleischheit sehen“. 579<br />
Selbst die als durchaus notwendig angesehene Durchlüftung <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Großstadt verstaubten Poren zählte nicht als Argument. Im Gegenteil, hygie-<br />
nische o<strong><strong>de</strong>r</strong> ästhetische Be<strong>de</strong>nken verschleierten die wahren Beweggrün<strong>de</strong>,<br />
welche sich ausschließlich auf starre moralische Normen stützten. 580 Am<br />
Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekleidung wird <strong>de</strong>utlich, dass die Frau nicht als ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Ka-<br />
meradin, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als beschauungswürdiges Objekt wahrgenommen wur<strong>de</strong>.<br />
Ueberhorst attestierte <strong>de</strong>n Männern eine gewisse „Reizempfindlichkeit“ 581 .<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Damenabteilung <strong>de</strong>s LRK 1919 war eine weiße Bluse<br />
mit langen Ärmeln, dazu ein langer rot-weiß gestreifter Schlips und ein langer<br />
dunkelblauer Rock, <strong><strong>de</strong>r</strong> im Rücken mit großer, silberner Rockna<strong>de</strong>l sowie an<br />
<strong>de</strong>n Seiten mit unsichtbar gesteckten Sicherheitsna<strong>de</strong>ln gehalten wur<strong>de</strong>, ob-<br />
ligatorisch <strong>für</strong> alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Rock und Bluse waren fest miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> ver-<br />
bun<strong>de</strong>n. Ergänzt wur<strong>de</strong> diese Bekleidungsvariante durch lange schwarze<br />
Strümpfe und schwarze Schuhe. 582 Die Lübeckerinnen führten auch ein „Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>kissen“ aus fester Pappe mit sich, damit sich die langen Röcke nicht in<br />
<strong>de</strong>n Rollschienen einklemmten. Ab 1925 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Rock durch eine weite<br />
Rockhose ersetzt, die durch eine weiße Überbluse mit kurzen Ärmeln aus<br />
dichtem Stoff ergänzt wur<strong>de</strong>. Die Oberbekleidung konnten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Ullstein Schnittmuster K 2591 selbst anfertigen. 583<br />
Ab 1927 wur<strong>de</strong> unter <strong><strong>de</strong>r</strong> unförmigen Rockhose eine schwarze kurze Hose<br />
getragen. Jenseits <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadtgrenze zogen die Frauen die Rockhose aus und<br />
„es wur<strong>de</strong> Licht, Luft und Sonne getankt“. 584 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit musterten die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen die Rockhose endgültig aus, bei offiziellen Fahrten mussten ein<br />
dunkelblauer Rock und eine dunkelblaue Strickjacke mitgenommen wer<strong>de</strong>n,<br />
später kamen dunkelblaue Trainingshosen mit Baskenmützen gegen Regen<br />
und Kälte hinzu. Für Veranstaltungen außerhalb <strong>de</strong>s Wassers traten die Mit-<br />
579<br />
O. HERMS, „Die ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Frau. Kein Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ohne Strümpfe <strong>für</strong> Frauen“, in: Wassersport<br />
42(1924)47, S. 970.<br />
580<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 96.<br />
581<br />
Ebenda, S. 97.<br />
582<br />
Vgl. [ohne Verfasser], 50 Jahre lübecker frauen-ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-klub, S. 18.<br />
583 Vgl. ebenda.<br />
584 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 149<br />
glie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRK mit einem weißen Leinenkleid und mit rotem Wildle<strong><strong>de</strong>r</strong>gür-<br />
tel auf, das später durch ein silbergraues Kleid und Jacken mit roten Knöpfen<br />
ersetzt wur<strong>de</strong>. 585 Sehr sportlich und locker wur<strong>de</strong> es ab 1937, als ein weißes<br />
Polohemd zur Gar<strong><strong>de</strong>r</strong>obe <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gehörte. Die schwarzen Hosen<br />
waren nun kürzer und „weiße Söckchen guckten aus <strong>de</strong>n Schuhen.“ 586 Im<br />
LFRK wur<strong>de</strong> darauf geachtet, dass die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen die Kleidungsvorschriften<br />
einhielten. Vorstand und Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlung mussten fortlaufend auf die<br />
Bestimmungen hinweisen: „manchmal musste zu wenig gerügt wer<strong>de</strong>n,<br />
manchmal aber zu viel entfernt wer<strong>de</strong>n. Ja, ja – : Auffallen wollen ist eine<br />
weibliche Tugend“. 587<br />
Der Casseler Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein ging in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekleidungsfrage neue Wege<br />
und beschloss, „statt langer Klei<strong><strong>de</strong>r</strong> lieber lange, gestrickte Strümpfe und<br />
Pumphosen zu tragen“ 588 . Dies sorgte <strong>für</strong> Unmut innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> städtischen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gemein<strong>de</strong> und es wur<strong>de</strong> strengstens darauf geachtet, dass nicht auch<br />
noch die Strümpfe heruntergerollt wur<strong>de</strong>n: „Bis zur neuen Mühle und Wehr<br />
wird mit Strümpfen geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t, darüber hinaus entschei<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> eigene Takt“. 589<br />
Dem voraus gegangen war ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Erscheinungsbild. Sie wollten im<br />
„Training weiße Blusen mit grünem Matrosenschlips, auf <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Kopf ein kleines weißes Käppchen, mit grüner Litze, lange, gestrickte<br />
schwarze Strümpfe und Pumphosen tragen“. 590<br />
1938 schien eine neue Zeit in Kassel angebrochen:<br />
„Heute klettern gut gewachsene, braun gebrannte Sportsmä<strong>de</strong>l in<br />
knappem schmuckem Dreß ins Boot, zäh, ausdauernd, ein Bild<br />
von sportlicher Kraft und Schönheit.“ 591<br />
Doch nicht nur <strong>für</strong> die weiblichen, auch <strong>für</strong> die männlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er gab es<br />
Vorschriften zu beachten, falls sie mit einer „Dame“ im Boot saßen. Noch<br />
1936 fin<strong>de</strong>t sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-, Bekleidungs- und Bootshausordnung <strong>de</strong>s LRK<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Eintrag: „Wird ein Boot von einer Dame gesteuert, so haben die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
585<br />
Vgl. ebenda.<br />
586<br />
Ebenda.<br />
587<br />
Ebenda, S. 19.<br />
588<br />
Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. U III.<br />
589<br />
L. CLOS, „Vom „Wasserrührkränzchen“ zum C.F.R.V.“, in: Wassersport 56(1938)21, S.<br />
454.<br />
590<br />
[ohne Verfasser], 75 Jahre Casseler Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein e. V., [o.O.] 1988, S. 16.<br />
591 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 150<br />
Leinenhosen zu tragen.“ 592 Sehr bezeichnend ist auch folgen<strong>de</strong> Vorschrift:<br />
„Soweit Damen im Bootshause anwesend o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu erwarten sind, darf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zugangsraum zur westlichen Veranda von Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>zeug nicht be-<br />
treten wer<strong>de</strong>n.“ 593<br />
Wie sehr die Bekleidung die gesellschaftliche Reputation beeinflusste, zeigt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Eintrag aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Chronik <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG von 1916, wo angemerkt wur<strong>de</strong>, dass<br />
„das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kleid bei Tagesfahrten in <strong>de</strong>n seltenen Fällen so zu halten [ist],<br />
daß man mit Anstand ans Land unter Menschen gehen kann“. 594 Vier Jahre<br />
später wird berichtet, dass „<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorhang fällt! – Neuer abknöpfbarer Rock“ 595<br />
eingeführt. Hinter dieser Beschreibung verbirgt sich eine Art Reithose, die<br />
über einen Rock geknüpft wur<strong>de</strong>. Anfänglich legten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>n Rock<br />
im Boot ab, später ließen sie ihn ganz weg. Sehr progressiv wur<strong>de</strong> es 1927,<br />
als die Lübeckerinnen sich ein zusammenhängen<strong>de</strong>s blaues Trikot zur Ver-<br />
einstracht auserkoren, welches durch Söckchen ergänzt wur<strong>de</strong>. Ein Jahr<br />
später hielt die kurze Hose Einzug in <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG.<br />
Es sollte allerdings bis zum En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 20er Jahre dauern, bis sich schließlich<br />
die Pumphose mitsamt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bluse durchsetzte. Unnötige Kopfbe<strong>de</strong>-<br />
ckungen gehörten von diesem Zeitpunkt an ebenso <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit an.<br />
Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen war es selbstver-<br />
ständlich und schließlich auch gesellschaftlich toleriert, in angemessener<br />
Bekleidung in Form von kurzen Hosen und Sporthem<strong>de</strong>n zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ab 1930<br />
schrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV ein schwarzes Beinkleid und weißes ärmelloses Trikot-<br />
hemd vor, um eine objektive Wertung auf <strong>de</strong>n Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatten zu gewähr-<br />
leisten. 596<br />
Obwohl die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen lange <strong>für</strong> eben diese sportliche Beklei-<br />
dung gekämpft hatte, gab es innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Reihen auch Ablehnung.<br />
In <strong>de</strong>n einzelnen Vereinen gab es interne Klei<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften, die streng be-<br />
folgt wer<strong>de</strong>n mussten. Auch hier galt es, die gesellschaftliche Stellung und<br />
Reputation zu wahren. Nicht stan<strong>de</strong>sgemäße Bekleidung war inakzeptabel.<br />
592<br />
[ohne Verfasser], 70 Jahre LFRK – 1919-1989, S. 11.<br />
593<br />
Ebenda, S. 12.<br />
594<br />
Vgl. [ohne Verfasser], 75 Jahre Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft, S. 30.<br />
595<br />
Ebenda.<br />
596<br />
Diese Bestimmung ist auf einen Antrag <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG zurückzuführen. Vgl. F. BALDUS, „Jahresversammlung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s“, in: Wassersport 48(1930)6,<br />
S. 93.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 151<br />
Um je<strong>de</strong>n Preis sollte vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, dass die „Damen“ aus besseren<br />
Kreisen als nicht stan<strong>de</strong>sgemäß angesehen wur<strong>de</strong>n.<br />
So wird von einem Verein berichtet, <strong><strong>de</strong>r</strong> die kurze Hose nur bis maximal zehn<br />
Zentimeter über <strong><strong>de</strong>m</strong> Knie erlaubt. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wird darum gebeten, die neu-<br />
zeitlichen ärmellosen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>hem<strong>de</strong>n nicht in <strong>de</strong>n Hosenbund zu stecken, da<br />
es unvorteilhaft wäre, die weiblichen Rundungen noch stärker zu betonen.<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite wer<strong>de</strong>n weiße Stirnbin<strong>de</strong>n empfohlen, die einfach, nett<br />
und verbindlich wirken. Es wird auch von einer Para<strong>de</strong>bluse berichtet, die bei<br />
festlichen Anlässen und Regatten getragen wird. Die blaue Trainingsjacke<br />
dagegen sollte unter keinen Umstän<strong>de</strong>n zur Para<strong>de</strong>fahrt o<strong><strong>de</strong>r</strong> am Steuer ge-<br />
tragen wer<strong>de</strong>n. 597<br />
Der <strong>de</strong>utlichste Hinweis richtet sich aber an zu füllige Steuerleute in kurzen<br />
Hosen, die doch bitte auch in <strong>de</strong>n Spiegel schauen mögen, „<strong>de</strong>nn mit sol-<br />
chen massigen Schenkeln sollte man sich nicht auf <strong>de</strong>n Präsentierteller set-<br />
zen, auch an einem heißen Tage nicht“. 598<br />
5.3.3 Bootsmaterial und Vermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik<br />
Der Aspekt Bootsmaterial steht grundsätzlich in enger Wechselbeziehung<br />
zur Technik. Erst durch die Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote, <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfindung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Aus</strong>legers und <strong>de</strong>s Rollsitzes sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwendung von Drehdollen konnten<br />
bessere und effizientere Techniken ermöglicht wer<strong>de</strong>n. Hierzu äußerte sich<br />
Reuß:<br />
„Der Bau von Sportru<strong><strong>de</strong>r</strong>booten begann zu Anfang <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts,<br />
als aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Mittel zum Zweck, [...], das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
zum Selbstzweck, zum Sport, wur<strong>de</strong>, geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t in erster Linie<br />
von <strong>de</strong>n englischen Universitäten, die diesen Sport begeistert aufgegriffen<br />
hatten.“ 599<br />
Die ersten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur beschriebenen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>boote waren breit, schwer<br />
und hochbordig. Dies diente nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Stabilität, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n war aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Länge <strong>de</strong>s Innenhebels auch unerlässlich. Erst durch die Erfindung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Aus</strong>legers gelang es, die Breite <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote zu vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 600<br />
597<br />
Vgl. G. HARTRECHT, „Eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in geht zur Regatta. Kleine Mo<strong>de</strong>plau<strong><strong>de</strong>r</strong>ei“, in: Wassersport<br />
(1933)48, S. 948.<br />
598<br />
Ebenda.<br />
599<br />
W. REUSS, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>, Boot und Bootshaus, Min<strong>de</strong>n 1964, S. 1.<br />
600<br />
Den ersten Versuch, ein Boot mit <strong>Aus</strong>legern zu bestücken, unternahm 1828 <strong><strong>de</strong>r</strong> englische<br />
Bootsbauer Ridley, <strong><strong>de</strong>r</strong> ein Skullboot mit ca. 20 cm langen hölzernen Gestellen ver-
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 152<br />
„Der <strong>Aus</strong>leger bezweckt eine günstigere Kraftübertragung auf die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>blätter und erlaubt insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e eine Verjüngung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bootsbreite im Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Verringerung <strong>de</strong>s Wasser- bzw. Reibungswi<strong><strong>de</strong>r</strong>stan<strong>de</strong>s.“<br />
601<br />
Ab 1851 wur<strong>de</strong> auch in Deutschland in <strong>Aus</strong>legerbooten geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t, die aus<br />
England importiert wur<strong>de</strong>n. 602<br />
Um die Boote noch leichter zu machen, gingen die Bootsbauer von <strong><strong>de</strong>r</strong> Klin-<br />
kerbauweise zum „Karweelbau“ über, welcher sich durch stumpf aneinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
verleimte Planken auszeichnet. Hierzu musste allerdings Holz von min<strong>de</strong>s-<br />
tens zehn Millimeter Stärke verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, was die Boote sehr schwer<br />
und damit <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Sportbootbereich unattraktiv machte. 1856 konstruierte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Englän<strong><strong>de</strong>r</strong> Taylor das erste Boot in „Schalenbauweise“: Durch die Erfindung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>legers, respektive Verringerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootsbreite, war es möglich, die<br />
Plankendicke auf drei bis vier Millimeter zu reduzieren und je<strong>de</strong> Bootshälfte<br />
aus einer einzigen Massivholzplatte herzustellen. Hierzu wur<strong>de</strong> das Holz von<br />
außen angefeuchtet und gleichzeitig von innen erwärmt, damit es zu einer<br />
Halbschale gebogen wer<strong>de</strong>n konnte. 603<br />
Neben einer Kastendolle waren die ersten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>boote mit festen Sitzen<br />
ausgestattet. Das führte dazu, dass die Beine nur Haltearbeit leisten konn-<br />
ten, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Antrieb allein aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Körperschwung und <strong><strong>de</strong>m</strong> Armzug resul-<br />
tierte. Durch eine weite Vor- und Rücklage sollte ein größtmöglicher Antrieb<br />
erzielt wer<strong>de</strong>n. Allerdings konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> schwingen<strong>de</strong> Hebel <strong>de</strong>s Oberkörpers<br />
nur durch die kerzengera<strong>de</strong> Haltung <strong>de</strong>s Oberkörpers optimal gestaltet wer-<br />
<strong>de</strong>n. 604 Kurzner vermutet, dass bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermittlung dieser Technik das Prin-<br />
sah. Zwei Jahre später fertigte er das erste Boot mit eisernen <strong>Aus</strong>legern an, das die erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche<br />
Festigkeit beim Durchzug im Wasser herstellte. Da Boote mit <strong>Aus</strong>legern<br />
schneller waren als solche ohne, setze sich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>leger in England allmählich durch.<br />
1848 schien <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchbruch geschafft, als erstmalig die Mannschaften aus Oxford und<br />
Cambridge in <strong>Aus</strong>legerbooten gegeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> antraten.<br />
601 M. NETTERSHEIM, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>boot und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>material im Wan<strong>de</strong>l <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit. Detaillierte Darstellung<br />
unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungsten<strong>de</strong>nzen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuerungen<br />
zwischen 1883 und 1920, Diplomarbeit DSHS Köln, Köln 1987, S. 85.<br />
602 Vgl. A. SCHUSTER, Geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports seit 1836 unter<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> sportlichen Technik und <strong>de</strong>s Bootsmaterials – eine<br />
fachgeschichtliche Untersuchung Diplomarbeit, DSHS Köln, Köln 1970, S. 10.<br />
603 Vgl. NETTERSHEIM, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>boot und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>material im Wan<strong>de</strong>l <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit, S. 25. Ferner vgl.<br />
HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 192.<br />
604 Vgl. W. SCHRÖDER, „Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>trainings“, in: K. ADAM/H. LENK/P. NOWACKI/M.<br />
RULLFS/W. SCHRÖDER (Hrsg.), Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>training, Bad Homburg 1977, S. 21.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 153<br />
zip „Vormachen – Nachmachen – Korrigieren“ 605 Anwendung fand. Dem<br />
Vorbild <strong><strong>de</strong>r</strong> Englän<strong><strong>de</strong>r</strong> folgend wur<strong>de</strong> auch in Deutschland zunächst „ortho-<br />
dox“ 606 geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Der entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Durchbruch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik ist auf die Erfindung und<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Rollsitzes zurückzuführen. Dieser war die Erkenntnis vo-<br />
rausgegangen, dass durch die Verlängerung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schlages ein effekti-<br />
ver Vortrieb erzielt wer<strong>de</strong>n konnte. So wur<strong>de</strong>n die Beine bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung eingesetzt, um die Kraft beim Durchzug zu erhöhen. Hierzu<br />
rutschten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er auf <strong>de</strong>n Duchten, <strong>de</strong>n Sitzbrettern, hin und her. Zur<br />
Erleichterung wur<strong>de</strong>n Le<strong><strong>de</strong>r</strong>hosen getragen, Felle umgeschnürt und die Sitze<br />
eingefettet. 607<br />
1857 erfand <strong><strong>de</strong>r</strong> Amerikaner Babcock <strong>de</strong>n Gleitsitz. Dieser auf zwei Schienen<br />
gelagerte und verschiebbare Sitz fand zunächst keine Verbreitung. Es dauer-<br />
te bis 1870, bis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleitsitz zum Patent angemel<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, was wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um<br />
zur allgemeinen Einführung <strong>de</strong>s Gleitsitzes in <strong>de</strong>n USA führte. 608<br />
Basierend auf <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Gleitsitzes stellte Dr. Erich Schiller 1883 <strong>de</strong>n von<br />
ihm entwickelten Rollsitz vor. Ihm gelang es, <strong>de</strong>n Reibungswi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong>de</strong>s<br />
Gleitsitzes durch Verlagerung <strong>de</strong>s Gewichtes auf vier Rollen zu vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
was nach diversen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen und Weiterentwicklungen einen hohen Zu-<br />
gewinn <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung be<strong>de</strong>utete. 609<br />
Der Rollsitz wur<strong>de</strong> in die bisherige Bewegung <strong>de</strong>s Beinstoßes integriert. Kör-<br />
perschwung, Bein- und Armarbeit sollten zeitgleich ausgeführt wer<strong>de</strong>n; in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Praxis „führte das aber zu einem Nacheinan<strong><strong>de</strong>r</strong>-Einsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> drei Kräfte, wo-<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschwung meist zu sehr ausge<strong>de</strong>hnt wur<strong>de</strong> [...]“. 610 Deutlich<br />
605 H. KURZNER, Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrweise im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung<br />
technischer Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung an <strong>de</strong>n Booten, Staatsexamensarbeit DSHS Köln, Köln<br />
1986, S. 20.<br />
606 Der aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion stammen<strong>de</strong>, griechische Begriff „orthodox“ lässt eine limitierte und<br />
rigi<strong>de</strong> Technikvorstellung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schlags vermuten.<br />
607 Vgl. SCHUSTER, Geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports, S. 11. Vgl.<br />
HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 192.<br />
608 1873 wur<strong>de</strong> dieser Gleitsitz erstmalig von <strong>de</strong>n Universitätsmannschaften Oxford und<br />
Cambridge verwen<strong>de</strong>t. In Deutschland wur<strong>de</strong> diese Erfindung zwei Jahre später populär.<br />
Vgl. HOFFMANN, ebenda, S. 192.<br />
609 Das hohe Gewicht <strong>de</strong>s Rollsitzes machte ihn zunächst uninteressant <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport.<br />
Dennoch erkannten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er die Vorzüge gegenüber <strong><strong>de</strong>m</strong> Gleitsitz und reduzierten<br />
das Anfangsgewicht von 1,2 kg stetig. Interessanterweise nennt Hänel in seinem<br />
Buch <strong>de</strong>n Bootsbauer Wilhelm Rettig als Erfin<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Rollsitzes. Vgl. H. HÄNEL, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n –<br />
vom Skull zum Riemen. Ein Lehrbuch <strong>für</strong> Lehren<strong>de</strong> und Lernen<strong>de</strong>, <strong>für</strong> <strong>Aus</strong>bil<strong><strong>de</strong>r</strong> und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er,<br />
Frankfurt a.M. 1963, S. 17.<br />
610 E. MAAK, „Zur Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 81(1963)19, S. 462.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 154<br />
lassen sich die Phasen Anschwung – Beinstoß – Rückschwung – Armzug<br />
unterschei<strong>de</strong>n, wobei, wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Festsitztechnik, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rücken gera<strong>de</strong> gehal-<br />
ten wur<strong>de</strong>. 611<br />
Das Prinzip, <strong>de</strong>n Rollsitz zur Verbesserung <strong>de</strong>s Antriebs zu nutzen, wur<strong>de</strong><br />
beim „orthodoxen“ Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag nicht angewandt. Dies hatte zur Folge, dass<br />
diese Technik doch langsamer als erwartet an Be<strong>de</strong>utung verlor.<br />
Die Unterweisung in <strong>de</strong>n Grundhaltungen und Teilbewegungen begann in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bock. Dieser stand an Land und ermöglichte <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
<strong>Aus</strong>bil<strong><strong>de</strong>r</strong> ein sofortiges Eingreifen bei Abweichungen von <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>albewe-<br />
gung. Hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfänger sich bewährt, durfte er im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kasten üben. Dies<br />
ist ein Wasserbassin, in welchem sich ein fest gemauerter Sockel mit auf-<br />
montiertem Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>werk befin<strong>de</strong>t. 612 Hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfänger diese Trainingsschrit-<br />
te erfolgreich gemeistert, durfte er im Regelfall in eine lagesichere Gig mit<br />
festen Sitzen aufs Wasser. Durch die Erfindung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>leger wur<strong>de</strong>n die<br />
Boote schmaler gebaut, was zu größeren Balance-Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen führte.<br />
Diese bootsbautechnische Entwicklung wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> „ortho-<br />
doxen“ Technik nicht berücksichtigt, so dass die eingesetzten Hilfsmittel <strong>de</strong>n<br />
Trainingsfortschritt eher behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ten.<br />
Ästhetische Bewegungsmotive stan<strong>de</strong>n im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermittlung<br />
dieser Methodik. Grundsätzlich galt, dass eine optimale Bootsgeschwindig-<br />
keit nur durch einheitliche Körper- und Wasserarbeit 613 erreicht wer<strong>de</strong>n konn-<br />
te. Als Maßstab galten hierbei die „Schwarzen Männer“ 614 , die als Lehrtafeln<br />
zur Veranschaulichung eben dieser Einheitlichkeit verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n.<br />
Vor allem die Frauen mussten zunächst am Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bock und im Kasten üben.<br />
Hatten sie es endlich ins Boot geschafft, mussten sie häufig mit sehr breiten<br />
und schwerfälligen Booten vorlieb nehmen. Ebenso wie ihre männlichen Kol-<br />
legen zogen auch die Frauen <strong>de</strong>n Rollsitz <strong><strong>de</strong>m</strong> Festsitz vor. Dies wur<strong>de</strong> al-<br />
lerdings von <strong>de</strong>n Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern nicht toleriert, <strong>de</strong>nn<br />
„wir müssen sagen, dass uns das graziöse schwungvolle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Englän<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong>de</strong>n breiten Themsebooten auf festen Sitzen<br />
nicht nur als die <strong>für</strong> Damen geeignetere Art <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns er-<br />
611<br />
Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 142.<br />
612<br />
Vgl. ebenda, S. 143.<br />
613<br />
Unter Wasserverarbeit versteht man das gemeinsame Setzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Riemen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Skulls,<br />
<strong>de</strong>n Durchzug und das <strong>Aus</strong>heben am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schlages.<br />
614<br />
SCHRÖDER, „Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>trainings“, S. 27.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 155<br />
scheint, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n uns auch entschie<strong>de</strong>n besser gefallen hat, als<br />
das Bild <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit, welches unsere Damen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Rollsitz<br />
bieten“. 615<br />
Diese Schematisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung, die eine Unterdrückung jegli-<br />
cher individueller <strong>Aus</strong>prägung mit sich brachte, veranlasste <strong>de</strong>n in England<br />
leben<strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>tralier Steve Fairbairn, eine neue Methodik zu entwickeln. Un-<br />
ter <strong><strong>de</strong>m</strong> Motto „I coach for win, and not for show!“ trainierte er von 1900 bis<br />
1930 erfolgreich englische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>mannschaften. 616 Fairbairns Metho<strong>de</strong> ba-<br />
sierte auf einer einheitlichen Wasserarbeit anstatt einheitlicher Körperarbeit,<br />
um auf diese Weise die maximale Geschwindigkeit <strong>für</strong> das Boot zu erzie-<br />
len. 617 „Training auf Körperhaltung heißt, fortlaufend anormale Körperbewe-<br />
gungen lehren“. 618 Er for<strong><strong>de</strong>r</strong>te eine ganzheitliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik, die eine<br />
ungezwungene und natürliche Körperbewegung beinhaltete. Der Beinschub,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>Aus</strong>lage und Endzug lediglich durch <strong>de</strong>n Körperschwung unterstützt<br />
wur<strong>de</strong>, war das Kernstück <strong><strong>de</strong>r</strong> Technik nach Fairbairn. Es gelang erstmals,<br />
<strong>de</strong>n Rollsitz effektiv zum Vortrieb <strong>de</strong>s Bootes zu nutzen. 619<br />
Damit ist belegt, dass die Vermittlung und <strong>Aus</strong>übung <strong><strong>de</strong>r</strong> orthodoxen Technik<br />
passen<strong><strong>de</strong>r</strong> erschien als die „natürliche“ Lehrweise nach Fairbairn. Der Körper<br />
war bei Fairbairn weniger geschlossen, was dazu führte, dass die <strong>Aus</strong>lage-<br />
stellung auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Rollsitz „womöglich mit weitgespreizten Knien als eine <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
weiblichen Anmut mehr als feindliche Körperstellung [empfun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>]“. 620<br />
Vor allem aber wur<strong>de</strong>n physiologische Argumente angeführt, warum Frauen<br />
nicht „natürlich“ ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollten und keinen Bedarf an leichteren Booten o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gar Rennbooten hatten. Durch <strong>de</strong>n Rollsitz wür<strong>de</strong> die Beinarbeit verlängert,<br />
die damit verbun<strong>de</strong>ne verlängerte Wasserarbeit sei <strong>für</strong> <strong>de</strong>n schwächeren<br />
weiblichen Körper nicht geeignet und diene damit nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesun<strong><strong>de</strong>r</strong>haltung<br />
und Kräftigung <strong>de</strong>s Körpers. Rauscher führte hierzu an:<br />
„Die Damen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Oberkörpermuskulatur im Vergleich zu <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s<br />
Mannes ziemlich schwach entwickelt ist, haben ganz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Grund, alle zwecklosen, schnell ermü<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, die Entwicklung und<br />
Kräftigung ihrer Oberkörpermuskulatur hintenhalten<strong>de</strong>n und aus-<br />
615<br />
R. RAUSCHER, [ohne Titel], in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 2(1913)o.A., S. 581, zitiert nach: BECKER,<br />
Mit Rock und Riemen, S. 37.<br />
616<br />
Vgl. ebenda, S. 24.<br />
617<br />
Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 144.<br />
618<br />
S. FAIRBAIRN, zitiert nach: KURZNER, Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrweise im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, S. 33.<br />
619<br />
Vgl. SCHRÖDER, „Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>trainings“, S. 25.<br />
620 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 156<br />
ser<strong><strong>de</strong>m</strong> die Anmut ihrer Körperhaltung gefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Bewegungen,<br />
wie es das Rollen auf beweglichem Sitz ist, zu vermei<strong>de</strong>n.“ 621<br />
Frauen sollten in breiten und hochbordigen Booten ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, die aufgrund ihres<br />
tiefen Schwerpunkts eine gewisse Lagesicherheit versprächen und damit die<br />
Ängste <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen minimieren könnten. Das Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n könne nur dann<br />
ein Volkssport wer<strong>de</strong>n, wenn sich nicht nur jüngere und unternehmungslusti-<br />
ge Frauen aufs Wasser wagten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Boote auch bei Laien ein Gefühl<br />
von Sicherheit auslösten. 622<br />
Der Berliner Arzt Dr. Martin Brustmann untersuchte das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n unter<br />
gesundheitlichen und „schönheitlichen“ Aspekten. Er kam zu <strong><strong>de</strong>m</strong> Ergebnis,<br />
dass das Vorrollen aus gesundheitlichen Grün<strong>de</strong>n unerlässlich sei, da durch<br />
diese Bewegung das flüssige Blut und sonstige Säfte aus <strong>de</strong>n Bauchorganen<br />
herausgedrückt wür<strong>de</strong>n, wie die Flüssigkeit aus einem voll gesogenen<br />
Schwamm. Da mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Frauen ihrer beruflichen Tätigkeit häufig im Sitzen<br />
nachgingen, sei dieser Bewegungsablauf ein <strong>Aus</strong>gleich, da starres Sitzen<br />
eine Stockung <strong><strong>de</strong>r</strong> Säfte in Leber, Nieren und <strong>de</strong>n Geschlechtsorganen so-<br />
wie eine Gasauftreibung <strong>de</strong>s Leibes infolge schlecht verdauter Nahrung mit<br />
sich brächte. 623 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wer<strong>de</strong> auf diese Weise zu starken o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
schwachen Menstruationsblutungen Vorschub geleistet. 624 Ein weiteres Ar-<br />
gument war auch noch, dass durch die Benutzung eines Rollsitzes die durch<br />
das Tragen hochhackiger Schuhe verkürzten Wa<strong>de</strong>nmuskeln in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlage<br />
stark ge<strong>de</strong>hnt wür<strong>de</strong>n. 625<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Kritikern die hin<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Kleidung angeführt, die<br />
ein Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in schmalen Booten mit Rollsitz und <strong>Aus</strong>legern ausschloss. Hier<br />
wur<strong>de</strong>n allerdings nicht moralische Be<strong>de</strong>nken geäußert, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eher die<br />
Problematik <strong>de</strong>s Ertrinkens, sobald die Boote vollschlagen o<strong><strong>de</strong>r</strong> kentern wür-<br />
<strong>de</strong>n. Die Gefahr, in einem Boot mit Rollsitz und <strong>Aus</strong>legern zu kentern, wur<strong>de</strong><br />
<strong>für</strong> Frauen viel höher eingeschätzt als <strong>für</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. Demnach gäbe es<br />
<strong>für</strong> die Damen nur ein Boot – eine breite Gig ohne Rollsitz und <strong>Aus</strong>leger.<br />
621<br />
R. RAUSCHER, [ohne Titel], S. 626, zitiert nach: BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 37.<br />
622<br />
Vgl. ebenda.<br />
623<br />
Vgl. M. BRUSTMANN, „Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Leibesübung und Sport“ in: Wassersport<br />
43(1925)8, S. 153-154.<br />
624 Vgl. ebenda.<br />
625 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 157<br />
Becker geht davon aus, dass die Frauen sich von diesen Be<strong>de</strong>nken nicht<br />
allzu sehr beeindrucken ließen. Die meisten Fotos aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit zei-<br />
gen <strong>Aus</strong>legerboote mit Rollsitzen. 626<br />
Einen großen Schritt nach vorne machte das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland<br />
durch das Wirken von Hugo Borrmann, <strong><strong>de</strong>r</strong> als wichtiger För<strong><strong>de</strong>r</strong>er viele Neu-<br />
erungen initiierte und begleitete. An <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Hochschule <strong>für</strong> Leibes-<br />
übungen in Berlin wur<strong>de</strong> unter seiner Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>führung erstmals eine<br />
ganzheitliche und natürliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung erprobt. 627 Er hatte diese Me-<br />
thodik, welche später durch seinen Schüler Karl Feige überarbeitet und in<br />
<strong>de</strong>ssen Büchern Riemen, Skull und Pad<strong>de</strong>l sowie Natürliches Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n thema-<br />
tisiert wur<strong>de</strong>, unabhängig von Fairbairn entwickelt. 628 Borrmann belegte au-<br />
ßer<strong><strong>de</strong>m</strong>, dass das natürliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nichts Neues <strong>für</strong> die Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei war,<br />
<strong>de</strong>nn<br />
„auf Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten wird seit ewigen Zeiten natürlich geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t, weil<br />
unnatürliches Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n Körper vorzeitig ermü<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Da<br />
man aber von einer Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt ‘recht viel’ und recht großen Genuß<br />
haben will, so vermei<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er rein instinktiv alle unnatürlichen<br />
Bewegungen – eben weil sie ermü<strong>de</strong>n – und <strong>de</strong>shalb<br />
erscheint das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Skullboot we<strong><strong>de</strong>r</strong> gequält<br />
noch gekünstelt, we<strong><strong>de</strong>r</strong> versteinert in <strong><strong>de</strong>r</strong> Haltung, noch<br />
übersteigert in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunstform, vielmehr, rund, weich, leicht und gefällig,<br />
kurz: natürlich und einfach“. 629<br />
Borrmann analysierte die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegungen und kam zu <strong><strong>de</strong>m</strong> Schluss, dass<br />
starre Bewegungen, die lediglich Kräfte beanspruchten ohne <strong><strong>de</strong>m</strong> Fortgang<br />
<strong>de</strong>s Bootes zu nutzen, unnatürlich und unökonomisch waren. Hierzu zählte<br />
er auch die Kopfhaltung. Demnach galt es nach Borrmann als unnatürlich,<br />
<strong>de</strong>n Kopf gegen die Fortsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirbelsäule zu halten o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihn in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rückenlage hochzuhalten, wie es beim Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>. Borrmann<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>te auch, dass wenn überhaupt Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n betrieben wer<strong>de</strong>n müsste,<br />
dieses nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gig sein dürfte, da es eine Kunst sei, im Rennboot langsam<br />
zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits gab er zu, dass eben diese Fähigkeit die Grundvo-<br />
626 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 37.<br />
627 Die Methodik <strong><strong>de</strong>r</strong> natürlichen und ganzheitlichen Lehrweise steht im Zusammenhang mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Reformpädagogik <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong>. Zurückbesinnung auf die Werte <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur<br />
und Natürlichkeit waren die zentralen Ziele dieser Bewegung, die sich in Vereinen wie<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>vogel institutionalisierte.<br />
628 Vgl. KURZNER, Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrweise im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, S. 33.<br />
629 H. BORRMANN, „Ketzerische Gedanken zur Entwicklung im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wasser-<br />
sport 54(1936)50, S. 1108.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 158<br />
raussetzung <strong>für</strong> Schnelligkeit sei, da diese nur durch Beherrschung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ba-<br />
lance im Rennboot zu erreichen sei.<br />
Der wesentliche Unterschied in Borrmanns Methodik bestand allerdings da-<br />
rin, dass die Anfänger direkt im Boot begannen. Sein Lehrplan sah keinen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bock und -kasten vor und das drillartige Einüben und Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen los-<br />
gelöster Bewegungsmuster lehnte er strikt ab. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Be<strong>de</strong>utung maßen<br />
Borrmann und auch Feige <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulung <strong>de</strong>s Bewegungsgefühls und <strong><strong>de</strong>r</strong> Ba-<br />
lance zu. Obwohl sie die Eignung <strong>de</strong>s Skiffs in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfängerschulung erkann-<br />
ten, begann auch bei ihnen zunächst <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterricht in <strong><strong>de</strong>r</strong> breiten Gig. 630<br />
Viele <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>wartinnen-Lehrgänge leitete Borrmann selbst. Seine Schüle-<br />
rinnen hatten so von Anfang Zugang zu allen Bootsgattungen. Dies ist auch<br />
darauf zurückzuführen, dass Borrmann beim Umbau alter Boote darauf ach-<br />
tete, dass diese an die weibliche Anatomie angepasst wur<strong>de</strong>n. So stellte er<br />
beispielsweise fest, dass eine zu hohe Dolle zum so genannten Wasserwer-<br />
fen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Durchzuges verleitete. Daher müsse, so Borrmann, die<br />
Dolle so stehen, dass die Hän<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> schmalsten Stelle <strong>de</strong>s Rumpfes zwi-<br />
schen Brust und Hüfte ziehen konnten. 631 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> empfahl er, Frauenboo-<br />
te grundsätzlich kielunten zu lagern, damit sie nicht gedreht wer<strong>de</strong>n müssen.<br />
Hermann Altrock 632 teilte Borrmanns Ansichten zur Vermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
technik und zur Öffnung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im Rennbootbereich nicht, aller-<br />
dings sah er das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sowieso auf das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
beschränkt: „Die <strong>Aus</strong>bildung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Frage kommen<strong>de</strong>n Muskelgruppen zu<br />
Höchstleistungen im Kampf muß unter allen Umstän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>m</strong> Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
630 Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 145.<br />
631 Vgl. H. BORRMANN, „Das zweckmäßige Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gerät“, in: Wassersport 53(1935)40, S. 942.<br />
632 Hermann Altrock wur<strong>de</strong> am 2. Januar 1887 geboren. Mit 17 Jahren schloss er sich <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Deutschland in Berlin-Stralau an. Er war ein großer Be<strong>für</strong>worter und För<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Vor seiner Tätigkeit <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DDRV hatte er <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund<br />
„Froh Volk“ mitgegrün<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>ssen Vorsitz er ebenfalls innehatte. Sein<br />
Engagement rührte aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung, dass Leibesübungen <strong>für</strong> Frauen wichtig sind.<br />
Seiner Meinung nach hatten sie nicht nur ein Recht auf körperliche Betätigung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
waren faktisch dazu verpflichtet, da ihre körperliche Aktivität <strong>für</strong> ihn im nationalen Interesse<br />
stand. Allerdings lehnte er einen wettkampfbetonten Sport und die damit seiner Meinung<br />
nach verbun<strong>de</strong>ne <strong>Aus</strong>bildung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Frage kommen<strong>de</strong>n Muskelgruppen strikt ab.<br />
Altrock wur<strong>de</strong> mit <strong>Aus</strong>nahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre 1920/1921 bis zur Auflösung <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s zum<br />
ersten Vorsitzen<strong>de</strong>n gewählt, obwohl die Satzung eine jährliche Neubesetzung vorsah.<br />
Warum nicht <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend rotiert wur<strong>de</strong>, konnte nicht geklärt wer<strong>de</strong>n. Zu dieser<br />
Überzeugung gelangt auch BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 47. Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Maßnahmen,<br />
die er ergriff, war die Einführung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns an <strong>de</strong>n Universitäten. Zur Bewältigung<br />
<strong>de</strong>s großen Andrangs baute er mit Per<strong>de</strong>ß <strong>de</strong>n ersten 16-sitzigen fahrbaren Ru<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
-kasten, („die Galeere“). Vgl. G. LEHMANN, „Chronik“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 77(1959)3, S. 43.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 159<br />
fern gehalten wer<strong>de</strong>n“. 633 Den bei Fairbairns Metho<strong>de</strong> gebogenen Rücken<br />
sah Altrock als Gefahr, <strong>de</strong>nn die aufrechte Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirbelsäule sei not-<br />
wendig, um einen schöneren Eindruck beim Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu erwecken. „Des<br />
Weibes Leibesübungen aber unterliegen in erster Linie <strong><strong>de</strong>r</strong> ästhetischen For-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ung“. 634 Obwohl Hermann Altrock als ein För<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
anzusehen ist, verrät seine Haltung zur Technikschulung seine konservative<br />
Grun<strong>de</strong>instellung. Durch die Reglementierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Betätigungs- und Vermitt-<br />
lungsformen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Orientierung an männlichen Maßstäben hemmte er die<br />
Entwicklung. Er wollte die Gründung selbstständiger Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine<br />
lenken, um ein gewisses Niveau aufrechtzuerhalten.<br />
Die Ärztin Margarete Güssow und langjährige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong><br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub Berlin kann als Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Stun<strong>de</strong> bezeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n. Obwohl sie aus heutiger Sicht als konservativ in Moral- und Wett-<br />
kampffragen bezeichnet wer<strong>de</strong>n muss, erkannte auch sie <strong>de</strong>n Vorteil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fairbairn-Methodik gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> „orthodoxen“ Lehr- und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>weise. Al-<br />
lerdings stellte sie klar, dass<br />
„die Fairbairn-Methodik keine große Umwälzung <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
mit sich gebracht habe, da wir dank <strong><strong>de</strong>r</strong> größeren Beweglichkeit<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> geringeren Kraft unseres Körpers, die mit einer<br />
sich in starren Formen bewegen<strong>de</strong>n Leibesübung auf die Dauer<br />
unvereinbar sind, gar nicht ‘orthodox’ geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t haben“. 635<br />
Güssow entwickelte ihre eigene Lehrmethodik. Ihre Schülerinnen begannen<br />
grundsätzlich an Land mit gymnastischen Schulungen und Entspannungs-<br />
übungen. So sollte die richtige Körperhaltung – senkrechter Aufbau <strong>de</strong>s Kör-<br />
pers, parallel stehen<strong>de</strong> Füße etc. – „trocken“ erlernt wer<strong>de</strong>n. Um die Arbeit<br />
mit <strong>de</strong>n Skulls zu simulieren, gab sie ihren Schülerinnen Tennisbälle, um die<br />
richtige Finger- und Handhaltung zu erreichen. Alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten zu-<br />
nächst in Booten mit festen Sitzen, da eine Anfängerschulung mit Rollsitzen<br />
zu komplex <strong>für</strong> Anfängerinnen sei und damit längere Zeit in Anspruch neh-<br />
men wür<strong>de</strong>. Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser wur<strong>de</strong>n die Skulls und Rollsitze zunächst fest-<br />
gebun<strong>de</strong>n. Nach weiteren zehn Minuten Gymnastik im Boot, konnte langsam<br />
633 [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Damen-Sport und Damen-Turnen 2(1919)o.A., S. 2,<br />
zitiert nach: BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 46.<br />
634 Ebenda, S. 47.<br />
635 M. GÜSSOW, „Anmerkungen wie man natürlich zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n lehrt“, in: Wassersport<br />
54(1936)21, S. 395.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 160<br />
die Gesamtbewegung eingeführt und je nach Entwicklungsstand von Rhyth-<br />
mus und Harmonie verfeinert wer<strong>de</strong>n. Diese Didaktik <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung<br />
nahm viel Zeit in Anspruch und war sehr theoretisch, entsprach aber <strong>de</strong>n<br />
Vorstellungen <strong>de</strong>s Vereins, <strong><strong>de</strong>m</strong> Güssow angehörte. Dieser war sehr wähle-<br />
risch in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>wahl seiner Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und lehnte jegliche Form von Wett-<br />
kampf ab.<br />
In <strong>de</strong>n Richtlinien zum <strong>Deutschen</strong> Mädchenturnen orientierten sich Erich<br />
Klinge und Sophie Dapper ein<strong>de</strong>utig an Borrmanns Vorstellungen. Das Rie-<br />
menru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Mädchen an <strong>de</strong>n Schulen und Frauen an <strong>de</strong>n Universitäten<br />
wur<strong>de</strong> rigoros abgelehnt und das Skullen als die einzig richtige Art zu Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
festgeschrieben. Die Begründung lautete wie folgt:<br />
„Es ist nicht nur eine unsymmetrische, also einseitige, kraftrauben<strong>de</strong><br />
und daher leicht ermü<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Arbeit, die die Schülerin hierbei<br />
vollziehen muß und bei <strong><strong>de</strong>r</strong> sie Gefahr läuft, durch schiefes<br />
Schwingen die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>skoliose zu bekommen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Umstellung<br />
vom Riemen zum Skullen fällt meist sehr schwer.“ 636<br />
Diese Auffassung basierte auf <strong>de</strong>n Beobachtungen Borrmanns, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Skul-<br />
len in <strong>de</strong>n Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund stellte. Die Verfasser <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinien empfahlen be-<br />
wusst die ganzheitliche Metho<strong>de</strong>, da sie die Vermittlung <strong>de</strong>s „alten Stils“<br />
ablehnten. Zur Leistungsüberprüfung sollten sich die Mädchen nach einer<br />
I<strong>de</strong>e von Feige im Geschicklichkeitsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n beweisen. 637<br />
Eingeengt durch die gesellschaftlichen Wert- und Moralvorstellungen wur<strong>de</strong><br />
die Entwicklung auch hier bewusst gehemmt. Geeignetes Bootsmaterial und<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> weiblichen Körper angepasste Lehrweisen in Verbindung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Benut-<br />
zung <strong>de</strong>s Rollsitzes und zweckmäßiger Kleidung blieben <strong>de</strong>n Frauen lange<br />
vorenthalten.<br />
Ein Beispiel illustriert die Misslage <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei: In <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Was-<br />
sersport aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahre 1916 wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nachgegangen, welches Boot<br />
am besten <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sei. Beantwortet wird diese mit offenen<br />
Dollengigs, so genannten Wherries. 638 Eigentlich aber kämen ihre Fähigkei-<br />
636 E. KLINGE/S. DAPPER, Deutsches Mädchenturnen, 9.-12. Schuljahr <strong>für</strong> Haupt-, Mittel-,<br />
Berufs- und Oberschulen, Hochschulen <strong>für</strong> Lehrerinnenbildung und Hochschulinstitute <strong>für</strong><br />
Leibesübungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitäten, Berlin 1941, S. 240.<br />
637 Vgl. ebenda, S.256.<br />
638 Wherries waren ursprünglich die Boote <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen Fährleute, die ursprünglich mit vier<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>plätzen gebaut wur<strong>de</strong>n. Bedingt durch die bootsbautechnische Weiterentwicklung<br />
und die Fokussierung auf leichtere Boote wur<strong>de</strong> die Produktion ab etwa 1900 eingestellt.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 161<br />
ten am besten als Bootsführerinnen zur Geltung, da sie meistens eine leich-<br />
tere Hand hätten, die sich zur Bedienung <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerleinen besser eigne als<br />
die <strong>de</strong>s Mannes. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> käme noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorzug <strong>de</strong>s geringeren Gewich-<br />
tes hinzu. 639<br />
5.4 Deutscher Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband<br />
Nach <strong>de</strong>n Gründungen <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine entstan<strong>de</strong>n überall in<br />
Deutschland weitere Vereine, wobei Berlin zunächst das Zentrum <strong>de</strong>s Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns blieb. Im Zuge dieser Entwicklung wuchs <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch nach einem<br />
überregionalen, strukturellen Zusammenschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine und<br />
einer organisatorischen Einbindung in <strong>de</strong>n DRV. 640<br />
5.4.1 Konstituierung und Entwicklung<br />
Im Januar 1919 trafen sich Vertreterinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ver-<br />
eine, um über die Zukunft <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu beraten. Einig<br />
waren sich die Anwesen<strong>de</strong>n, dass ein Zusammenschluss aller Vereine das<br />
Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n för<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong>. <strong>Aus</strong> diesem Grund wur<strong>de</strong> Hermann Altrock<br />
vom Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund „Froh Volk“ mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabe betraut, die organisatorischen<br />
Probleme eines Anschlusses an <strong>de</strong>n DRV zu klären. 641 Für diese Aufgabe<br />
wählten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bewusst einen Mann, da es galt, die konservativ ge-<br />
sinnten Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s DRV von <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweckmäßigkeit <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu<br />
überzeugen. Eine Frau in dieser Position hätte in jenem männerorientierten<br />
und patriarchalisch strukturierten Verband wenig bewegen können. 642<br />
Da sich <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV weigerte, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in seine Organisation einzu-<br />
bin<strong>de</strong>n, grün<strong>de</strong>ten sieben Vereine unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung von Hermann Altrock am<br />
19. Februar 1919 in Berlin <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband. 643 Grün-<br />
dungsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> waren FDRC, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund Berliner Lehrerinnen, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund<br />
„Froh Volk“, Berliner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club, Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gesellschaft „Undine“<br />
(Damenabteilung), Mädchen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Berlin, Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club 1910<br />
(Damenabteilung). Einige Wochen später traten <strong><strong>de</strong>m</strong> Verband noch die Ber-<br />
liner Turnerschaft, Mädchen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Riege <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Schöneberg und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
639<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Weibliche Steuerleute“, in: Wassersport 34(1916)21, S. 203.<br />
640<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 92.<br />
641<br />
Vgl. ebenda, S. 93.<br />
642<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 46.<br />
643 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 162<br />
Riege <strong><strong>de</strong>r</strong> Nord<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bei. 644 Lehmann nannte außer<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
noch die Berliner Turnerschaft als Gründungsmitglied. 645<br />
Buerstätte berichtet in ihrer Arbeit 646 , dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Hamburger Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ver-<br />
band 647 , <strong><strong>de</strong>m</strong> unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>en fünf Berliner Vereine angehörten, als Vorläufer<br />
<strong>de</strong>s DDRV angesehen wur<strong>de</strong>. Dieser entwickelte sich allerdings nicht über-<br />
mäßig und ging bald im DDRV auf.<br />
Im Festlied <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s klang <strong><strong>de</strong>r</strong> Stolz auf das Erreichte an. So hieß es<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Strophe:<br />
„Der Herr <strong><strong>de</strong>r</strong> Schöpfung mag es nicht, daß Mädchen wir und<br />
Frau’n uns Gottes schöne Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>welt im schnellen Boot beschau’n.<br />
Wir lachen laut und lassen keck die weißen Zähne sehn<br />
und wohlgemut vom blinken Heck stolz uns’re Fahne wehn.“ 648<br />
Hermann Altrock wur<strong>de</strong> 1919 zum ersten Vorsitzen<strong>de</strong>n gewählt, alle weiteren<br />
Vorstandsposten wur<strong>de</strong>n mit Frauen besetzt. 649 Zwei Jahre später wur<strong>de</strong><br />
Berta Pally als Erste Schriftführerin gewählt. Diese kann als eine <strong><strong>de</strong>r</strong> Gali-<br />
onsfiguren <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bezeichnet wer<strong>de</strong>n, da sie sich in<br />
<strong>de</strong>n Folgejahren unermüdlich um ihren Sport verdient machte. 650 Hermann<br />
Altrock selbst begrün<strong>de</strong>te sein Engagement damit, „daß das Jahr 1919 [...]<br />
nun <strong>für</strong> die gesamte <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei eine Neuorientierung be<strong>de</strong>utete“. 651<br />
Der DDRV musste ohne Hilfe <strong>de</strong>s DRV seine umfangreichen Zielsetzungen<br />
realisieren:<br />
644<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Wassersport“, in: Damen-Sport und Damen-Turnen 2(1919)5/6,<br />
S. 71.<br />
645<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 35.<br />
646<br />
Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 10.<br />
647<br />
Der Verband wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur auch unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung Hamburger Frauen-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund erwähnt.<br />
648<br />
PHILIPP, „Mit Plu<strong><strong>de</strong>r</strong>hosen, Matrosenblusen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kappen aufs Wasser“, S. 1201.<br />
649<br />
Diese waren Fräulein Schulz vom FDRC als zweite Vorsitzen<strong>de</strong>, Fräulein Röhn vom<br />
Bund Berliner Lehrerinnen als Schriftführerin und Fräulein Haas vom Berliner Damen-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club.<br />
650<br />
Berta Pally war 1912 Mitbegrün<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong>de</strong>s Berliner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Clubs. Sie zog das<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor, beteiligte sich aber auch bis 1924 an Regatten im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, bis sie<br />
selbst zur Regattaleitung gehörte. 1925 wur<strong>de</strong> ihr vom DDRV die erste Ehrenna<strong>de</strong>l <strong>für</strong> ihre<br />
werben<strong>de</strong> Tätigkeit in Anerkennung ihrer Leistung verliehen. 1933 übernahm sie <strong>de</strong>n<br />
Vorsitz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Bis heute nachwirken<strong>de</strong> Ergebnisse ihrer Arbeit<br />
sind beispielsweise die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Meisterschaften und die Teilnahme<br />
<strong>de</strong>utscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an internationalen Regatten. Vgl. G. LEHMANN, „Chronik“, S.<br />
43.<br />
651<br />
ALTROCK, „Geschichte <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“, S. 463.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 163<br />
„Laut Satzung verpflichtet <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV sich u. a. <strong>für</strong> die <strong>Aus</strong>breitung<br />
<strong>de</strong>s Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, die Heranziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Jugend, die<br />
Veranstaltung von Wettbewerben und die Erlangung von staatlichen<br />
und behördlichen Unterstützungen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
einzutreten.“ 652<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> unter Punkt 4 die Anknüpfung sportlicher und gesellschaft-<br />
licher Beziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsvereine aufgeführt. Des Weiteren verpflich-<br />
ten sich alle Vereine zur jährlichen Zahlung einer Kopfsteuer von drei Mark<br />
pro Mitglied. Sie konnten aber auch noch entsprechend ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl<br />
zur Deckung <strong><strong>de</strong>r</strong> Unkosten herangezogen wer<strong>de</strong>n. 653<br />
Laut Ueberhorst fand das erste offizielle Anru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s DDRV im April 1919<br />
statt. 654 Lehmann datierte das Anru<strong><strong>de</strong>r</strong>n dagegen auf <strong>de</strong>n 4. Mai 1919. 655<br />
Bei<strong>de</strong> beschreiben das Ereignis als gelungene Veranstaltung mit 50 Booten<br />
und 200 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Der Tag wur<strong>de</strong> mit Rennen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund<br />
Berliner Lehrerinnen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund „Froh Volk“ gestaltet. Daneben gab es<br />
Gruppenspiele, <strong><strong>de</strong>r</strong> geplante Wettbewerb im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n musste aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zu schwierigen Wasserverhältnisse ausfallen. 656<br />
Die stetig ansteigen<strong>de</strong> Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in dieser Dachorganisa-<br />
tion belegt, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Damen erfolgreich vertrat. Bis<br />
1930 traten <strong>de</strong>n sieben Gründungsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n 43 weitere Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verei-<br />
ne bei. Analog entstan<strong>de</strong>n viele Damenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verei-<br />
nen. 657<br />
5.4.2 „Auf Fahrt“ mit <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsgründung gelang es <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zunehmend besser,<br />
ihre persönlichen Interessen und Vorstellungen in <strong>de</strong>n Bereichen Regatta-<br />
wesen, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Skullen und Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, sowie Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch-<br />
zusetzen. 658 Das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> von vielen Verbandsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n als<br />
die wahre und vor allem angemessene Betätigungsform empfun<strong>de</strong>n. Den-<br />
652<br />
SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 521.<br />
653<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 35.<br />
654<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 93.<br />
655<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 35.<br />
656<br />
Vgl. ebenda. Welche Art von Rennen Lehmann erwähnt, gibt die Aktenlage nicht her.<br />
657<br />
Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 95.<br />
658<br />
Zwar stand zunächst das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund, allerdings wuchs langsam ein<br />
verstärktes Interesse am Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n respektive direktem Leistungsvergleich. Vgl. hierzu<br />
die <strong>Aus</strong>führungen zur Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Kap. 5.6.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 164<br />
noch wur<strong>de</strong> anfänglich primär das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t, in <strong><strong>de</strong>m</strong> immer häufi-<br />
ger Wettbewerbe durchgeführt wur<strong>de</strong>n. 659<br />
Darüber hinaus veranstaltete <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband regelmäßig Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten. Zu-<br />
nächst beschränkten sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen dabei auf die Gewässer von Berlin<br />
und Mecklenburg. Im Jubiläumsjahr 1929 wur<strong>de</strong> vom Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ausschuss eine<br />
elftägige Weserfahrt organisiert, die von 14 Verbandsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n gemeistert<br />
wur<strong>de</strong>. Neben <strong>de</strong>n Vereinen aus Königsberg und Hamburg nahmen noch<br />
vier Berliner Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine teil. 660 Die erru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Kilometer waren be-<br />
achtlich. So wird über einzelne Tagesetappen von 65 und sogar 71 km be-<br />
richtet. Trotz<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht übertrieben. War es zu heiß o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
waren die Damen „nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Stimmung“, wur<strong>de</strong> das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n unterbrochen<br />
und ein Ruhetag eingelegt, „<strong>de</strong>n je<strong>de</strong> nach ihrem Geschmack durch Schla-<br />
fen, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ba<strong>de</strong>n auszuwerten versuchte“ 661 . Neben <strong>de</strong>n langen<br />
Strecken war auch das Schleusen o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Transport <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote an schwieri-<br />
gen Wasserstellen <strong>für</strong> Frauen kein Problem. Die Aben<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n stets in<br />
„geselliger Run<strong>de</strong>“ verbracht. Dabei gab es nicht nur ein lustiges und ge-<br />
meinsames „Kochen und Brutzeln“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Singen, Lesen und Bei-<br />
sammensein. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s das erfolgreiche Schleusen wur<strong>de</strong> je<strong>de</strong>s Mal mit<br />
einem Lied gefeiert: „Es ist ja alles gut gegangen, hip hip hurra!“ 662 Neben<br />
diesen Vergnügungstouren gab es Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten, die als Wettbewerbe an-<br />
gesetzt wur<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>nen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s eifrige Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mit einem silbernen<br />
Anhänger mit Wimpel ausgezeichnet wur<strong>de</strong>n. 663<br />
Verbandswan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten sind bis heute fester Bestandteil im DRV. Darunter<br />
gibt es explizit ausgewiesene Frauen-Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten, die sich großer Be-<br />
liebtheit erfreuen.<br />
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt <strong>de</strong>s DDRV lag darin, <strong>de</strong>n Bekanntheitsgrad<br />
<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu erhöhen. Hierzu wur<strong>de</strong> in langwieriger Arbeitsdauer<br />
Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 30er Jahre ein Werbefilm produziert, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Titel „Auf Fahrt<br />
gehn!“ trug. 664 Ziel war es, <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in seiner ganzen Natürlichkeit<br />
659<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 36.<br />
660<br />
Vgl. CH. WENDT, „Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Rvb. auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Weser im Juli 1929“,<br />
in: Wassersport 48(1930)5, S. 75.<br />
661<br />
Ebenda.<br />
662<br />
Ebenda, S. 76.<br />
663<br />
Vgl. B. PALLY, „Vom <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband“, in: Wassersport 41(1923)36, S.<br />
702.<br />
664<br />
Vgl. F. BALDUS, „Auf Fahrt gehn!“, in: Wassersport 48(1930)49, S. 1147.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 165<br />
darzustellen. Der Film gab das „sonnige, lachen<strong>de</strong> Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>“ und [war] „von schönen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>artigen und wirksamen Heimatbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
umrahmt“. 665 In vielen Szenen kam das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum <strong>Aus</strong>druck, aller-<br />
dings wur<strong>de</strong> auch das rege Treiben auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Regattaplatz dargestellt. Vor<br />
allem aber porträtierte <strong><strong>de</strong>r</strong> Film das freundschaftliche Element innerhalb <strong>de</strong>s<br />
Verban<strong>de</strong>s, und so gab es viele Aufnahmen von Lagerfahrten, Bootshaus-<br />
weihen, Bootstaufen und <strong><strong>de</strong>r</strong>gleichen mehr. En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 30er Jahre gab <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband einen zweiten Film mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel „Sonntags bei Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ in<br />
Auftrag. Darin wur<strong>de</strong>n Mädchen und Frauen gezeigt, die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bislang nur<br />
vom Hörensagen kannten. Diese gehen sonntags früh in ein Bootshaus und<br />
sehen anschließend <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bei ihrer Morgenwäsche am Brunnen<br />
und beim folgen<strong>de</strong>n fröhlichen Kaffeetrinken zu. 666 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> zeigte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Film, wie Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen unterrichtet wer<strong>de</strong>n und Fortgeschrittene <strong>für</strong> die Wett-<br />
kämpfe im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, aber auch im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n trainieren. Insgesamt unter-<br />
schei<strong>de</strong>t sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Film nur wenig von seinem Vorgänger, allerdings wird in<br />
„Sonntags bei <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalsozialistischen I<strong>de</strong>olo-<br />
gie die Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Frau als Hüterin <strong>de</strong>s Lebens ausführlicher<br />
dargestellt. Daneben wur<strong>de</strong> aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Rechnung getragen. Allerdings sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Film dabei vor allem vermitteln,<br />
dass Leibesübungen – insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n – eine aktive Rolle <strong>für</strong> die<br />
Kulturaufgabe <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Volkes spielen, da diese zur Erhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ge-<br />
sundheit und zur Vollendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schönheit dienten. Alle <strong>de</strong>utschen Frauen,<br />
so die <strong>Aus</strong>sage <strong>de</strong>s Films, müssten dieser Aufgabe nachkommen. Der Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>sport war mit seinen bekannten Vorzügen da<strong>für</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gut geeignet.<br />
Einen wichtigen Erfolg konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband 1926 erzielen, als Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
trotz großen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stan<strong>de</strong>s und vorher gescheiterter Anträge in die Bedin-<br />
gungen <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Sportabzeichens aufgenommen wur<strong>de</strong>. Bereits im<br />
ersten Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Zulassung bestan<strong>de</strong>n zehn Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s die<br />
Prüfung im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und 25 weitere die Prüfung im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n „mit Erfolg“. 667<br />
1929 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>wart-Lehrgang <strong>für</strong> Frauen auf Initiative <strong>de</strong>s<br />
DDRV angeboten. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband im Vorfeld nicht <strong>de</strong>n DRV informiert hatte,<br />
665<br />
Ebenda.<br />
666<br />
Vgl. [W-n.], „Sonntags bei <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Ein neuer Werbefilm <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“,<br />
in: Wassersport 54(1936)51, S. 1133.<br />
667<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Jahreshauptversammlung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Verban<strong>de</strong>s“, in: Wassersport 48(1930)6, S. 93.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 166<br />
kam es allerdings bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong>de</strong>s Lehrgangs zu erheblichen Ver-<br />
zögerungen und Problemen, da viele Vereine sowohl Anfänger als auch<br />
Fortgeschrittene entsandten. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> gab es Differenzen zwischen <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
DDRV und <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Hochschule <strong>für</strong> Leibesübungen entsand-<br />
ten Lehrkraft. Als Folge dieser Probleme wur<strong>de</strong> die erste Fortbildung als völ-<br />
liger Misserfolg gewertet. 668 Der DDRV wählte die Inhalte <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n<br />
Lehrgänge daraufhin sorgfältig aus und passte sie <strong>de</strong>n weiblichen Bedürfnis-<br />
sen an. Das Angebot <strong>für</strong> die Teilnehmerinnen war groß. Speziell geschulte<br />
Fachkräfte gaben zum Beispiel eine ausführliche Einführung in die Boots-<br />
baukun<strong>de</strong>. Diese umfasste Informationen über die Bauart <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootstypen,<br />
die Bauart und das Bauholz <strong><strong>de</strong>r</strong> Riemen und Skulls, Abmessungen <strong><strong>de</strong>r</strong> In-<br />
nen- und Außenhebel, Beschaffenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>leger und Dollen, eine Einfüh-<br />
rung in die Richtlinien zur Bestellung und Abnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote sowie die<br />
Vermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> fachmännischen Bezeichnungen. Ergänzt wur<strong>de</strong>n diese<br />
Bootsbauseminare mit Vorträgen und Unterweisungen in <strong>de</strong>n Bereichen<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Jugend- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Erste Hilfe bei Sportverletzun-<br />
gen, Massage und Rettungsschwimmen. Im Anschluss an die praktischen<br />
Lehrstun<strong>de</strong>n in allen Bootsklassen wur<strong>de</strong>n praktische Prüfungen abgenom-<br />
men. Die Praxis umfasste eine vollständige Vermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfängermetho-<br />
dik. Neben Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>unterricht im Kasten wur<strong>de</strong>n die allgemeinen Übungen im<br />
Boot durch Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ergänzt. Zusätzlich gab es eine Ta-<br />
gesfahrt in die östlichen und westlichen Gewässer Berlins. Die Teilnahmege-<br />
bühr <strong>für</strong> die gesamte Veranstaltung betrug 42 Deutsche Mark, wobei nicht in<br />
Berlin wohnen<strong>de</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen einen Kilometerzuschuss und 2,50 Deutsche<br />
Mark Tagesgeld vom DDRV erhielten. Die alternative Übernachtung im<br />
Bootshaus kostete nur 80 Pfennig, <strong>für</strong> Frühstück und Mittagessen sorgte die<br />
Frau <strong>de</strong>s Hausmeisters im Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club. 669<br />
In <strong>de</strong>n Wintermonaten bot <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV <strong>für</strong> seine Berliner Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine<br />
alternative Trainingsmöglichkeiten an. Neben Turn- und Gymnastikaben<strong>de</strong>n<br />
sowie gesellschaftlichen Zusammenkünften versuchten die Organisatoren<br />
lange, ein Schwimmbad <strong>für</strong> verbandsinterne Aben<strong>de</strong> zu mieten. Da dies je-<br />
doch nicht gelang, wur<strong>de</strong> dieses Vorhaben schließlich ganz aufgegeben. 670<br />
668 Vgl. ebenda.<br />
669 B. PALLY, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>wart-Lehrgang <strong>für</strong> Frauen“, in: Wassersport 49(1931)29, S. 664.<br />
670 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 167<br />
Des Weiteren bemühte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband um eine bessere Kooperation <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vereine und veranstalte je<strong>de</strong>n Winter ein großes Fest.<br />
Erwähnenswert ist <strong><strong>de</strong>r</strong> so genannte Sonntagswettbewerb 671 , bei <strong><strong>de</strong>m</strong> an ins-<br />
gesamt 25 Sonntagen 20 Tagestouren von über 30 km Länge geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer-<br />
<strong>de</strong>n mussten. Ebenfalls großer Beliebtheit erfreuten sich die Veranstaltungen<br />
im Dauerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Hier kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die Damen gut mit <strong>de</strong>n<br />
Herren mithalten konnten und sich vor allem durch eine exzellente Wasser-<br />
arbeit und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik auszeichneten. Bei einer Veranstaltung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Elbe<br />
bei Dres<strong>de</strong>n benötigte <strong><strong>de</strong>r</strong> schnellste Damenvierer 1:18 h <strong>für</strong> eine Strecke<br />
von 20 km. Die Herrenboote erreichten das Ziel nicht wesentlich schneller,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Durchschnitt lag bei 1:11 h. 672<br />
Je<strong>de</strong> Saison wur<strong>de</strong> mit einem großen Abru<strong><strong>de</strong>r</strong>n abgeschlossen. Dabei war<br />
fast je<strong>de</strong>s Jahr das Dauerstilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Höhepunkt aller jährlichen Veranstal-<br />
tungen. Die teilnehmen<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen empfan<strong>de</strong>n das Dauerstilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als<br />
schwieriger als die Grünauer Regatta, „da <strong><strong>de</strong>r</strong> Körper das Training <strong>de</strong>s<br />
Sommers hinter sich hat“. 673 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang<br />
die Länge <strong><strong>de</strong>r</strong> Strecke: Es galt, 6,5 km zurückzulegen. 674<br />
5.4.3 „Unruhiges Fahrwasser“ – Das Verhältnis zwischen Damen- und<br />
Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
Der DRV ignorierte lange Zeit das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. So wur<strong>de</strong>n die ersten Ver-<br />
eine we<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum 1908 noch in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> zehn Jahre später erschienen erwähnt. 1919 kam es zum ersten offiziel-<br />
len Kontakt, als <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV während <strong>de</strong>s 21. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages in Berlin vergeblich<br />
die Aufnahme in <strong>de</strong>n DRV beantragte. Die ablehnen<strong>de</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
DRV wur<strong>de</strong> folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen zum <strong>Aus</strong>druck gebracht:<br />
„Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband übernimmt keine Verpflichtung, die<br />
Angelegenheiten <strong>de</strong>s Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Die Aufnahme<br />
von selbständigen Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen sowie von Verbän<strong>de</strong>n<br />
solcher Vereine wird abgelehnt.“ 675<br />
671<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 56.<br />
672<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Die Damen beim Dauerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 43(1925)43, S.<br />
1187.<br />
673<br />
Ebenda.<br />
674<br />
Vgl. B. PALLY, „Vom <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband“, in: Wassersport 41(1923)36, S.<br />
702.<br />
675<br />
[ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 51(1933)4, S. 55.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 168<br />
Fortan entwickelten sich die bei<strong>de</strong>n Organisationen unabhängig voneinan-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV die Frauenabteilungen in <strong>de</strong>n Vereinen tolerierte, aller-<br />
dings keine Vollmitgliedschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zuließ. Dies führte dazu, dass<br />
die weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> an die Gesetze und Bestimmungen <strong>de</strong>s Herrenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s gebun<strong>de</strong>n waren. Das hatte zur Folge, dass sie nicht auf Ver-<br />
bandsregatten starten konnten, da Frauenrennen nicht ausgeschrieben<br />
wur<strong>de</strong>n. Den weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine blieb die Teil-<br />
nahme an Regatten also verwehrt, da sie auch auf DDRV-Regatten nicht<br />
starten durften. 676<br />
Hierzu fand sich im DRV-Grundgesetz dieser Eintrag:<br />
7:[1]: ...“Verbandsvereine sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> dürfen in<br />
Deutschland nur an solchen offenen Rennen teilnehmen, die von<br />
Verbandsvereinen veranstalten wer<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>utschen Nicht-<br />
Verbandsvereinen dürfen sie in Deutschland nur dann Wettfahrten<br />
abhalten, wenn da<strong>für</strong> we<strong><strong>de</strong>r</strong> Preise noch Ehrenzeichen ausgesetzt<br />
sind. [...] [2]: Regelmäßig wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong>de</strong>, frei vereinbarte Rennen<br />
mit <strong>de</strong>utschen Nicht-Verbandsvereinen sind verboten.“ 677<br />
Die Entwicklung <strong>de</strong>s allgemeinen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns wur<strong>de</strong> durch diese Spaltung<br />
erneut stark gehemmt, da es in bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n differieren<strong>de</strong> Meinungen<br />
bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Technikvermittlung und <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Organisation gab.<br />
Im Frühjahr 1926 fasste <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreterinnentag <strong>de</strong>n Beschluss, eine Arbeits-<br />
gemeinschaft mit <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV zu grün<strong>de</strong>n, um auf diese Weise die <strong>Aus</strong><strong>de</strong>h-<br />
nung <strong>de</strong>s gesamten Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und letztlich die Aufnahme in <strong>de</strong>n<br />
Verband zu erzielen.<br />
„Der Vertreterinnentag heißt die Anstrebung einer Arbeitsgemeinschaft<br />
mit <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband <strong>für</strong> gut und beauftragt<br />
die Verbandsleitung die Verhandlungen in diesem Sinne weiterzuführen.“<br />
678<br />
Vorangegangen war die Aufnahme <strong>de</strong>s DDRV in <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Reichs-<br />
ausschuß <strong>für</strong> Leibesübungen im Jahr 1925. An dieser Stelle konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV<br />
die wachsen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung und Popularität <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nicht mehr<br />
länger ignorieren, wollte er seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Der dama-<br />
676<br />
DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), 50 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 55.<br />
677<br />
DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), „Verbandsgesetze 1925“, zitiert nach: BECKER, Mit<br />
Rock und Riemen, S. 59.<br />
678<br />
[ohne Verfasser], „Vom <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband. <strong>Aus</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Geschäftsbericht“,<br />
in: Wassersport 44(1926)8, S. 114.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 169<br />
lige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s DRV, Oskar Ruperti, hatte bereits seine Unterstützung<br />
signalisiert und auch bei seinen Verbandskollegen um Zustimmung gewor-<br />
ben. Zum Kölner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag wur<strong>de</strong> schließlich folgen<strong>de</strong>n Anträgen zuge-<br />
stimmt:<br />
„Antrag <strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>schusses zu 4 GG:<br />
Absatz 2 enthält folgen<strong>de</strong> Fassung: Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong>, Schüler-<br />
und Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> sowie Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> sind<br />
<strong>de</strong>n Regattavereinen gleichgestellt.<br />
Absatz 3 enthält folgen<strong>de</strong> Fassung: Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine, Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine<br />
und Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine können nicht Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s<br />
D.R.Vb. sein.“ 679<br />
Schließlich wur<strong>de</strong> am 26. März 1927 <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV in <strong>de</strong>n DRV aufgenommen,<br />
allerdings erhielt er nur <strong>de</strong>n Status eines Regattavereins. Die Vollmitglied-<br />
schaft erhielt <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV erst sechs Jahre später. Die Begründung lässt ver-<br />
muten, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV das Steuer nicht aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand geben wollte:<br />
„Sie fin<strong>de</strong>n bei dieser Gelegenheit auch noch das Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
aufgeführt. Ein Antrag irgen<strong>de</strong>ines Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, in<br />
<strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband aufgenommen zu wer<strong>de</strong>n, liegt<br />
nicht vor, ebenso keine praktische Notwendigkeit, darüber zu entschei<strong>de</strong>n.<br />
Wir haben geglaubt, diesen Punkt mit aufnehmen zu<br />
sollen. Der <strong>Aus</strong>schuß <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s steht auf<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Standpunkt, daß eine Verbindung <strong>de</strong>s Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns mit<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n seine ungeheuren Gefahren mit sich bringt<br />
[...].“ 680<br />
Um die Kooperation und Kommunikation zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n zu<br />
verbessern, wur<strong>de</strong> im März 1928 <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterausschuß <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge-<br />
grün<strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>m</strong> einschließlich <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n vier Männer und vier Frauen<br />
angehörten. Zu <strong><strong>de</strong>m</strong> Gremium zählten Hermann Altrock, Berta Pally und<br />
Frau Keller als Vertreter <strong>de</strong>s DDRV sowie Emil Driebusch, Hugo Polinski,<br />
Frau Ahlhelm und Frau Bail vom DRV. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Bestimmungen mussten<br />
alle <strong>Aus</strong>schüsse von einem Mann geleitet wer<strong>de</strong>n, so dass zunächst Herr<br />
679<br />
[ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 44(1926)32, S. 1156, zitiert nach: BECKER,<br />
Mit Rock und Riemen, S. 60.<br />
680<br />
DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), 50 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 56.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 170<br />
Scholz, später Ernst Gerson die Funktion <strong>de</strong>s Gremiumsleiters übernah-<br />
men. 681<br />
Der UAF orientierte sich im Wesentlichen an <strong>de</strong>n festgelegten Zielen <strong>de</strong>s<br />
DDRV und arbeitete primär an <strong><strong>de</strong>r</strong> Anpassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinen Wettfahrtbe-<br />
stimmungen an die neu geschaffenen Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ergab sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, dass mehr Re-<br />
gatten ausgeschrieben wer<strong>de</strong>n konnten, da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV <strong>de</strong>n Regattavereinen<br />
empfahl, entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> reine Frauenregatten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenwettbewerbe im An-<br />
schluss an Herrenrennen zu veranstalten. Für die Frauen ergaben sich da-<br />
durch ganz neue und vielfältige Startmöglichkeiten, vor allem aber<br />
erleichterte diese Empfehlung die Organisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbe und Regat-<br />
ten ganz erheblich. 682 Da <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV weiterhin auch eigene Verbandsregatten<br />
durchführte, ergab sich <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ein immer umfangreicherer,<br />
<strong>de</strong>utschlandweiter Regattakalen<strong><strong>de</strong>r</strong> und damit zwangsläufig auch mehr<br />
Trainingsanreiz. 683<br />
Anfänglich profitierte davon nur das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n fiel <strong>de</strong>n<br />
DRV-Gesetzen zum Opfer, da Verbandsvereine nur gegen an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ver-<br />
bandsvereine ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durften. „Die Vereine <strong>de</strong>s DDRV aber waren nur über<br />
<strong>de</strong>n im Rang eines Regattaverban<strong>de</strong>s stehen<strong>de</strong>n DDRV <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV ange-<br />
schlossen und konnten laut Gesetz auch nicht Einzelmitglied wer<strong>de</strong>n.“ 684<br />
Diese Tatsache führte zu einer klaren Benachteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ver-<br />
eine, da laut DRV-Grundgesetz je<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein <strong>für</strong> je 50 Ehrenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
und Aktive und <strong>für</strong> je 200 unterstützen<strong>de</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Stimme besaß. Re-<br />
gattavereine wur<strong>de</strong>n pauschal mit zwei Stimmen bedacht. Der eigenständige<br />
Gestaltungsspielraum <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen war minimal, zumal auch die Be-<br />
schlüsse <strong>de</strong>s UAF <strong><strong>de</strong>r</strong> Zustimmung <strong>de</strong>s Verbandsausschusses bedurften.<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelgroße Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein verfügte über mehr Einfluss bei <strong>de</strong>n<br />
681 Vgl. [ohne Verfasser], „Kurzer Bericht über die Hauptversammlung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s<br />
am 28. Januar 1928 im soz.-pol. Saal <strong>de</strong>s Reichswirtschaftsrats“,<br />
in: Wassersport 46(1928)6, S. 87.<br />
682 Am schnellsten reagierte <strong><strong>de</strong>r</strong> Lübecker Regatta-Verein, <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits 1928 die erste Frauen-Regatta<br />
im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n abhielt. Ein Jahr später folgte <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeine Alster-Club in<br />
Hamburg.<br />
683 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 62.<br />
684 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 171<br />
Abstimmungen. Dies führte dazu, dass die Stimmenmehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer zu<br />
einer Bedrohung <strong><strong>de</strong>r</strong> Selbstständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen wur<strong>de</strong>. 685<br />
Die nächsten Jahre waren gekennzeichnet von einer erbitterten Kontroverse,<br />
die sich einerseits um die Frage drehte, ob die Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei sich selbst<br />
überlassen wer<strong>de</strong>n konnte, und zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, welche Art von Wettbewerb<br />
<strong>de</strong>n Frauen zuzumuten sei. 686<br />
Unbestritten ist, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV die Arbeit <strong>de</strong>s DDRV zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland anerkannte. Allerdings war <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV nach<br />
Ernennung <strong>de</strong>s DDRV als Regattaverein sehr daran gelegen, die weiteren<br />
Geschicke <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns mitzugestalten beziehungsweise mitzube-<br />
stimmen. Hierzu fin<strong>de</strong>t sich 1930 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong><br />
Eintrag:<br />
„Es darf betont wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband<br />
mit seinen jetzt fast 50 Vereinen nicht so unfruchtbar gearbeitet<br />
hat, wie es mancher hinzustellen <strong>für</strong> nötig hält, und daß es wohl<br />
nicht das schlechteste wäre, die Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei <strong>de</strong>n Frauen selbst zu überlassen. [...] so än<strong><strong>de</strong>r</strong>t das<br />
nichts an <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband<br />
<strong>de</strong>n Grundstock zur Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei geschaffen hat [...].“ 687<br />
Die Arbeitsweise und -möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen wur<strong>de</strong>n stark vom Verband<br />
eingegrenzt, da dieser sowohl <strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n als auch die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> stell-<br />
te beziehungsweise einsetzte. Es muss festgestellt wer<strong>de</strong>n, dass die Frauen<br />
durch diese Politik nicht einmal in ihrem eigenen <strong>Aus</strong>schuss – <strong><strong>de</strong>m</strong> UAF –<br />
die Mehrheit hatten. Für <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Karlsruhe wur<strong>de</strong>n seitens <strong>de</strong>s DRV<br />
Anträge zur Vorlage vorbereitet, die das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Verbandsziel<br />
erklären und <strong>de</strong>n Frauenvereinigungen auf diese Weise <strong>de</strong>n Beitritt zum<br />
DRV ermöglichen sollten. Diese Absichten fan<strong>de</strong>n nicht die Zustimmung <strong>de</strong>s<br />
DDRV, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lösten große Empörung und Protest aus. Ganz klar erkann-<br />
ten die Frauen in dieser Situation, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV aus finanziellen und nicht<br />
aus i<strong>de</strong>ologischen Motiven die Vereine <strong>de</strong>s DDRV an sich bin<strong>de</strong>n wollte.<br />
Hermann Altrock unterbreitete daher einen Gegenvorschlag, <strong><strong>de</strong>r</strong> vorsah, alle<br />
Damenabteilungen <strong>de</strong>s DRV <strong><strong>de</strong>m</strong> DDRV zuzuführen. Nur auf diese Art und<br />
Weise könnte die von allen Seiten gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te selbstständige Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
685 Vgl. ebenda.<br />
686 Vgl. hierzu die Anmerkungen in Kap. 5.6 zur Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns.<br />
687 F. BALDUS, „Tagung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s“, in: Wassersport<br />
48(1930)44, S. 1015.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 172<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n. 688 Ferner for<strong><strong>de</strong>r</strong>te er, dass alle von<br />
<strong>de</strong>n Frauen geleisteten Beiträge <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zugeführt wer<strong>de</strong>n müss-<br />
ten, unter Abzug einer Verwaltungsgebühr, die an die Geschäftstelle <strong>de</strong>s<br />
DRV fallen solle. Umso wichtiger erscheint allerdings die Tatsache, dass<br />
Hermann Altrock, <strong><strong>de</strong>r</strong> fast durchgängig <strong>de</strong>n Vorsitz <strong>de</strong>s DDRV inne hatte,<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>te, dass eine Frau die Geschicke <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s leiten sollte:<br />
„Als Vertreterinnen im großen <strong>Aus</strong>schuß <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s<br />
hätte folgerichtig eine Dame zu fungieren. Es ist dabei<br />
selbstverständlich, daß sie nur an Sitzungen dieses <strong>Aus</strong>schusses<br />
teilnehmen wird, die entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeine, die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei angehen<strong>de</strong><br />
Fragen betreffen, o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber Berührungspunkte erledigt, die die<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtheit <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s<br />
hat.“ 689<br />
Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Karlsruhe 1930 wur<strong>de</strong>n Altrocks Vorschläge angenom-<br />
men. Der DDRV sah sich dadurch einer neuen Problematik gegenüber. Seit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s 1919 beschränkten sich die Mitgliedschaft und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Großteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktivitäten auf <strong>de</strong>n Berliner Raum. Für „Vereine aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Provinz“ ergab sich durch einen Beitritt zum DRV daher ein klarer Vorteil, da<br />
sich ihnen in <strong><strong>de</strong>r</strong> näheren Umgebung mehr Möglichkeiten erschlossen. Eine<br />
Doppelmitgliedschaft in bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n musste allerdings ausgeschlos-<br />
sen wer<strong>de</strong>n, da die finanzielle Belastung <strong>für</strong> die Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine zu groß<br />
gewesen wäre.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachzeitung Wassersport entbrannte zu diesem Thema eine hitzige<br />
Diskussion. Die „kleineren Vereine aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Provinz“ fühlten sich von <strong>de</strong>n ih-<br />
rer Meinung nach überheblich agieren<strong>de</strong>n Berliner Vereinen gegängelt und<br />
bevormun<strong>de</strong>t und sprachen sich <strong>de</strong>utlich <strong>für</strong> einen DRV-Beitritt aus.<br />
Die 175 Frauenabteilungen im DRV verfügten 1932 über 4.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> stan<strong>de</strong>n 50 DDRV-Vereine mit ca. 8.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n gegenüber. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zeitschrift Wassersport wur<strong>de</strong> immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> kritisch angemerkt, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verband sich nicht um die „Provinzvereine“ kümmern wür<strong>de</strong>. Natürlich könn-<br />
ten Vereine aus Städten wie Dres<strong>de</strong>n, Leipzig, Lübeck, Kassel, Hamburg,<br />
Königsberg und Karlsruhe nach Berlin zu <strong>de</strong>n Verbandsregatten fahren. Das<br />
sei <strong>de</strong>n kleineren Vereinen nicht möglich. Die Grün<strong>de</strong>, die angeführt wur<strong>de</strong>n,<br />
688 Vgl. H. ALTROCK, „Das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1930“, in: Wasser-<br />
sport 48(1931)41, S. 1017.<br />
689 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 173<br />
waren vielseitig. Zum einen konnten diese Vereine die hohen Reise- und<br />
Transportkosten nicht aufbringen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en fühlten sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Provinz vom Verband nicht ernst genommen. Letzteres hing vor al-<br />
lem mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorwurf <strong>de</strong>s „Provinzru<strong><strong>de</strong>r</strong>stils“ 690 zusammen, <strong><strong>de</strong>r</strong> zu weit von<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> patentierten „Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stil“ 691 abweichen wür<strong>de</strong>.<br />
Innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Reihen gab es heftige Kritik an <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit <strong>de</strong>s DDRV.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Konzentration auf das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> hinterfragt, nach<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
festgestellt wor<strong>de</strong>n war, dass viele jungen Mädchen prinzipiell am Rennru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n interessiert waren und nur <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV sich dieser Entwicklung verschlie-<br />
ßen wür<strong>de</strong>. Als einer <strong><strong>de</strong>r</strong> wenigen Vereine widmete sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege<br />
„Walküre“ <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Hochschule <strong>für</strong> Leibesübungen in Berlin unter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Führung von Hugo Borrmann fast ausschließlich <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Von vie-<br />
len Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wur<strong>de</strong> außer<strong><strong>de</strong>m</strong> bestätigt, dass sie kein Problem damit hät-<br />
ten, von <strong>de</strong>n Männern das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Rennboot zu erlernen. Auch hier war<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> hemmen<strong>de</strong> Faktor <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV, da mit Margarete Güssow eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in<br />
die Verhandlungen mit <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV führte, die das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gegenüber<br />
allen er<strong>de</strong>nklichen Wettkampfformen favorisierte und Rennen <strong>für</strong> Frauen<br />
schlichtweg ablehnte. Sehr überzeugend erscheint aus heutiger Sicht das<br />
Argument, dass die meisten Frauen kein Problem damit hätten, Männer um<br />
Hilfe zu bitten. Das Verhältnis zwischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern war au-<br />
ßerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptstadt offensichtlich ein gesun<strong>de</strong>s. „Wir wollen nicht nach<br />
Berlin“, war die einhellige Meinung, <strong>de</strong>nn die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Provinz wür<strong>de</strong>n am besten vor Ort als Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in einem Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
verein wahrgenommen. 692 Es ginge auch nicht darum, ein Frauenkloster<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Männerkaserne zu sein, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr eine Familie. Schließlich<br />
wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Damen in Berlin süffisant empfohlen, man möge doch einen Ber-<br />
liner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein grün<strong>de</strong>n, mit einem Mann als Vorsitzen<strong>de</strong>n. 693<br />
Der DDRV wur<strong>de</strong> aufgrund dieser Art von Kritik aktiv und beschloss einen<br />
ständigen Wechsel <strong>de</strong>s Tagungsortes, um die Vorrangstellung Berlins zu<br />
vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> entschie<strong>de</strong>n, zukünftig auch Regatten außer-<br />
halb Berlins finanziell zu unterstützen. Auf <strong>de</strong>n Vorwurf, <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband wür<strong>de</strong><br />
690 E. GROßMANN, „Zur Lage im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Eine Stimme aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Provinz“, in: Wasser-<br />
sport 50(1932)45, S. 886.<br />
691 Ebenda.<br />
692 Vgl. ebenda.<br />
693 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 174<br />
sich <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verschließen, reagierten die Verantwortlichen diploma-<br />
tisch. Der Verband halte das Skullen <strong>für</strong> Frauen zwar <strong>für</strong> die bessere Tech-<br />
nik, das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wer<strong>de</strong> zukünftig aber nicht mehr kritisiert. 694 Die<br />
Haltung ist vor allem <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache zuzuschreiben, dass zu wenige Rennboo-<br />
te zur Verfügung stan<strong>de</strong>n und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Rennboote <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Skullbereich<br />
beziehungsweise <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport fehlten.<br />
Die Gespräche kamen zwischen 1931 und 1932 fast zum Erliegen, da <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verbandsausschuss auf eine Art Verzögerungstaktik setzte, um die Be-<br />
schlüsse <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages abzuwarten. Dieses war möglich, da sich die DRV-<br />
Verantwortlichen uneinig waren, ob die Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe „als offene<br />
Wettfahrt im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> A.W.B.“ 695 anzusehen seien. Sollte dies nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall<br />
sein, dürften Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong> bei Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben<br />
nicht mehr gegeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> antreten, was <strong>für</strong> viele Vereine ein herber Rück-<br />
schlag gewesen wäre. Bestätigt fühlte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV in dieser Angelegenheit<br />
durch <strong>de</strong>n Aufnahmeantrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege „Walküre”, die nicht auf Rennen<br />
gegen an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Vereine verzichten wollte.<br />
In dieser verfahrenen Situation bot <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV <strong>de</strong>n en bloc- Über-<br />
tritt aller Vereine an, um weiterhin Gesprächsbereitschaft zu signalisieren.<br />
Dies war allerdings an die Bedingung gebun<strong>de</strong>n, dass alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in<br />
einem Verband zusammengeführt wur<strong>de</strong>n, was vom DRV als Überorganisa-<br />
tion abgelehnt wur<strong>de</strong>. „Statt<strong>de</strong>ssen schlug er <strong>de</strong>n Frauenvereinen <strong>de</strong>n DRV-<br />
Beitritt vor, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Regattaprobleme been<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.“ 696 Des Weiteren wür-<br />
<strong>de</strong>n die Beiträge zu großen Teilen an <strong>de</strong>n UAF weitergeleitet, in <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauen<br />
die Mehrheit haben könnten und außer<strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>de</strong>n Vorsitz aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Kreis <strong>de</strong>s<br />
Verbandsausschusses selbst wählen dürften. Als Perspektive wur<strong>de</strong> angebo-<br />
ten, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV einer eventuellen Verbandsgründung aller Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
nicht im Wege stehen wür<strong>de</strong>. 697<br />
Daraufhin beschloss <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV am 10. Dezember 1932 die en bloc-<br />
Aufnahme in <strong>de</strong>n DRV zu beantragen, die im September 1933 umgesetzt<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
694<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 64.<br />
695<br />
Vgl. ebenda, S. 65.<br />
696<br />
Ebenda, S. 66.<br />
697<br />
Vgl. E. GERSON, „Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband und Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport<br />
50(1932)40, S. 809.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 175<br />
5.4.4 Auflösung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s<br />
1930 wur<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Karlsruhe entschie<strong>de</strong>n, dass je<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Mitglied <strong>de</strong>s DRV wer<strong>de</strong>n konnte. 698 In § 2 <strong>de</strong>s DRV-<br />
Grundgesetzes wur<strong>de</strong> die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns als weiteres Ziel<br />
festgelegt. Die Verhandlungen <strong>für</strong> einen Beitritt waren <strong>de</strong>shalb geprägt von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Angst, die einmal erreichte Selbstständigkeit zu verlieren und zogen sich<br />
bis zur Abstimmung En<strong>de</strong> 1932 hin. 699<br />
Um die Selbstständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine zu bewahren, wur<strong>de</strong>n 1933<br />
vier Anträge an <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Hamburg gestellt. Diese waren:<br />
1. „Der UA <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird von <strong>de</strong>n auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag<br />
anwesen<strong>de</strong>n Frauen selbst gewählt.<br />
2. Den Vorsitz im UA muss eine Frau führen.<br />
3. Diese Frau wird Mitglied im Gesamtauschuss.<br />
4. Die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im UA beträgt min<strong>de</strong>stens drei<br />
Viertel.“ 700<br />
Erstmals hielt mit Dr. Margarete Güssow eine Frau eine Re<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1933 in Hamburg. Sie setzte mit einem Antrag durch, dass ein 14.<br />
<strong>Aus</strong>schusssitz <strong>für</strong> eine Frau im Verband geschaffen wur<strong>de</strong>. Einstimmig wur-<br />
<strong>de</strong> Berta Pally in diese Funktion gewählt. Gerson als Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s UAF<br />
und Verbandspräsi<strong>de</strong>nt Dr. Pauli hatten <strong>de</strong>n Frauen zuvor geraten, die an<strong>de</strong>-<br />
ren drei Anträge zurückzuziehen, da ansonsten eine Ablehnung durch <strong>de</strong>n<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag mit Sicherheit zu erwarten sei.<br />
Die finanzielle Seite gestaltete sich weiterhin schwierig, da es sich lediglich<br />
um „50 v. H. <strong><strong>de</strong>r</strong> Beiträge, die <strong><strong>de</strong>m</strong> D.Rvb. durch <strong>de</strong>n Eintritt <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher nur<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> D.D.Rvb. angeschlossenen Vereine“ 701 han<strong>de</strong>lte. Durch die bereits er-<br />
wähnten Doppelmitgliedschaften fielen lediglich noch 3.000 <strong><strong>de</strong>r</strong> 7.000 Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen unter diese Regelung. Dennoch war die Hoffnung auf eine weitere<br />
698 Vgl. [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 51(1933)4, S. 55.<br />
699 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 95. Schumann datiert das<br />
Datum <strong>de</strong>s Beitritts allerdings in das Frühjahr 1933. Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg<br />
nach Olympia“, S. 557.<br />
700 [ohne Verfasser], „Hauptversammlung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Rvb. Die Vereine treten<br />
geschlossen <strong><strong>de</strong>m</strong> D. Rvb. bei“, in: Wassersport 50(1932)50, S. 948.<br />
701 BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 68.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 176<br />
Verbreitung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns stärker ausgebil<strong>de</strong>t als die Unzufrie<strong>de</strong>nheit<br />
über die finanzielle Situation.<br />
Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Vertreterinnentag am 30. September 1933 löste sich <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV,<br />
nach<strong><strong>de</strong>m</strong> sein Vorstand <strong>de</strong>n UAF übernommen hatte, endgültig auf. Die<br />
neuen NS-Strukturen begünstigten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, da viele <strong>de</strong>utschnational<br />
eingestellt waren.<br />
5.5 Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Nationalsozialismus<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong>de</strong>s Nationalsozialismus kann <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein Auf-<br />
schwung verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Dies trifft vor allem <strong>für</strong> die Erweiterung <strong>de</strong>s<br />
Regattakalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s zu. Grün<strong>de</strong> sind die nationalsozialistische Frauensporti<strong>de</strong>-<br />
ologie und die damit verbun<strong>de</strong>ne Konzentrierung auf <strong>de</strong>n Wettbewerbsge-<br />
danken sowie die Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen <strong>Aus</strong>schüsse, die die Interessen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im DRV erfolgreich vertreten konnten. 702<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologisch begrün<strong>de</strong>ten Reduzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau auf ihre natürliche<br />
Rolle als Mutter und als Erhalterin <strong><strong>de</strong>r</strong> arischen Rasse verlor sie viele Rechte<br />
und Bewegungsfreiräume, die sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weimarer Republik gera<strong>de</strong> erst er-<br />
worben hatte. Lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport, ein wichtiger Eckpfeiler <strong><strong>de</strong>r</strong> NS-<br />
Weltanschauung, bot <strong>für</strong> Frauen ohne Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> gewisse Freiräume.<br />
Die NS-Chefi<strong>de</strong>ologen propagierten ein neues Frauenbild, in<strong><strong>de</strong>m</strong> die Ge-<br />
sundheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau oberste Priorität hatte, immer im Hinblick auf <strong>de</strong>n Erhalt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> arischen Herrenrasse. Das Wort „Dame“ in all seinen Facetten hatte<br />
ausgedient, da es vom Lateinischen abstammt. Wann immer es möglich war,<br />
wur<strong>de</strong>n Wörter nicht-<strong>de</strong>utschen Ursprungs durch eben solche ersetzt. So<br />
wur<strong>de</strong> beispielsweise aus <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>klub Berlin <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund<br />
Deutscher Frauen Potsdam und aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Lübecker Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Gesellschaft die Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft. Im Zuge dieser Ent-<br />
wicklung wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF 1936 in Abteilung <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (AfF) umbe-<br />
nannt. 703 Berta Pally als Vorsitzen<strong>de</strong> dieser Abteilung for<strong><strong>de</strong>r</strong>te sogar noch<br />
mehr als eine reine Namensän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung:<br />
702 An dieser Stelle wird aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Komplexität <strong>de</strong>s Themas auf eine weitere Darstellung<br />
<strong>de</strong>s Wettbewerbgedankens bewusst verzichtet. Dieser Aspekt wird in Kap. 5.6 „Schön<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> schnell?“ – Die Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns vor 1945 explizit aufgegriffen.<br />
703 Die weiteren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF waren langjährige Wegbegleiterinnen und bekannte Namen<br />
<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns: Sophie Barrelet, Lotte Clos, Lotte Karich und Charlotte Ahlhelm.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 177<br />
„Darum, meine Sportkameradinnen, haben Sie <strong>de</strong>n Mut, sich auch<br />
rein äußerlich im Namen ihrer Sportvereinigung zu <strong><strong>de</strong>m</strong> neuen<br />
Frauengeschlecht zu bekennen, das an<strong><strong>de</strong>r</strong>s ins Leben blickt als<br />
unsere Mütter. Auch unser Führer und Kanzler ruft uns zu: „Deutsche<br />
Männer und <strong>de</strong>utsche Frauen!“ 704<br />
Das Wort „Dame“ schien in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit beliebter gewesen zu sein als<br />
das Wort „Frau“. 1930 führten von 42 Verbandsvereinen 26 das Wort „Dame“<br />
im Vereinsnamen und nur sechs das Wort „Frau“. 705 Anfänglich än<strong><strong>de</strong>r</strong>ten<br />
viele Vereine freiwillig ihren Namen, ab 1938 wur<strong>de</strong> die Bezeichnung „Frau“<br />
per Erlass <strong>de</strong>s DRL angeordnet.<br />
Arbeitsschwerpunkte <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF lagen vor allem in <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Wettru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung von Lehrpersonal. Es galt aber auch, die Ver-<br />
antwortlichen in <strong>de</strong>n Vereinen i<strong>de</strong>ologisch zu schulen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport<br />
beziehungsweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasseni<strong>de</strong>ologie vor allem<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Entfaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> physischen Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> arischen Rasse sowie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwicklung kämpferischer Eigenschaften wie Disziplin, Mut, Willensstärke<br />
und Durchsetzungsvermögen dienen sollte. 706<br />
Mit <strong>de</strong>n vermehrten Wettkampfmöglichkeiten stieg die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl in <strong>de</strong>n<br />
Vereinen:<br />
„1934 zählte man 10.000 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, 1938 waren es 13.380 und<br />
im Jahre 1939 stellten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bereits <strong>de</strong>n vierten Teil aller<br />
Aktiven im <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Sie ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten zu jener Zeit in 41<br />
selbstständigen Frauen-Vereinen und 475 Abteilungen. Die vier<br />
Friedrichshagener Damen aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr 1901 hatten genau 40<br />
Jahre später 16.000 weibliche Nachkommen neben 40.000 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern.“<br />
707<br />
1944 schied die langjährige Vorsitzen<strong>de</strong> Berta Pally aus gesundheitlichen<br />
Grün<strong>de</strong>n freiwillig aus ihrem Amt. Ihre Nachfolgerin wur<strong>de</strong> Prof. Sophie<br />
Barrelet, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in und Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Clubs:<br />
„An Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> auf ihren Wunsch aus ihrem Amt geschie<strong>de</strong>nen<br />
Reichsfachwartin Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Berta Pally, habe ich auf Vorschlag <strong>de</strong>s<br />
Reichsfachamtsleiters Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Frau Prof. Dr. Sophie Barrelet (24)<br />
Hamburg 20, Woldsenweg 9/III zur K.-Reichsfachwartin Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
704 B. PALLY, „Wie lange noch „Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“, in: Wassersport 53(1932)24, S. 490.<br />
705 Vgl. [H., R.], „Frau und Dame“, in: Wassersport 48(1930)27, S. 699.<br />
706 Vgl. VIEZENZ, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 48.<br />
707 SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 590. Lehmann geht in ihrer Chronik von<br />
lediglich 7200 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Jahr 1939 aus. Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 41.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 178<br />
berufen. Der Reichfachwartin Berta Pally danke ich auf diesem<br />
Wege <strong>für</strong> ihre in vielen Jahren geleistete wertvolle Mitarbeit.“ 708<br />
Sophie Barrelet vertrat ab 1944 die Interessen von 20.000 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. 709<br />
Unlösbar miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> verbun<strong>de</strong>n war die Verbindung von sportlicher Betäti-<br />
gung und weltanschaulicher Erziehung. So berichtete eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong>de</strong>s Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>bun<strong>de</strong>s Deutscher Frauen Potsdam in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport von<br />
einem Heimabend, <strong><strong>de</strong>r</strong> von allen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu besuchen war und dokumen-<br />
tierte die Unterweisung in Rassenkun<strong>de</strong> durch einen „Dietwart“. Beliebte und<br />
ganz selbstverständlich gewor<strong>de</strong>ne Ergänzungen in allen Vereinen waren<br />
Gymnastik, Waldlauf, gemeinsame Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, Singen, Handarbeit und<br />
Skilauf, sobald die Schneeverhältnisse dies zuließen, um <strong>de</strong>n Gemein-<br />
schaftssinn zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 710 Blieben die Vereinsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> über Nacht zusam-<br />
men, so ging es morgens noch zur gemeinsamen <strong>Aus</strong>fahrt auf das<br />
Wasser. 711<br />
Es galt die Losung „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“:<br />
„Hat doch je<strong>de</strong>s Mitglied nicht nur Rechte in seinem Verein, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch Pflichten. Zu diesen Pflichten gehört die planmäßige<br />
<strong>Aus</strong>übung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports, die wir ‘Pflichtru<strong><strong>de</strong>r</strong>n’ nennen wollen.“<br />
712<br />
Wenn die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gesundheitlich nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage waren, dieser Pflicht<br />
nachzukommen, so wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel ein freiwilliger Arbeitsdienst am<br />
Bootshaus o<strong><strong>de</strong>r</strong> Bootsgerät o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>für</strong> die Gemeinschaft verlangt. Des Weite-<br />
ren galt das Pflichtru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Qualitätssicherung, da aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> höheren<br />
beruflichen Belastung beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Kriegszeiten weniger Zeit <strong>für</strong> Wettkämpfe<br />
und Training blieb.<br />
Bereits 1939/1940 führten die Verantwortlichen <strong>de</strong>s NSRL <strong>de</strong>n Kriegswinter-<br />
Wettbewerb zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Vereinslebens ein. Für Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Trai-<br />
ningsfahrten, Kameradschaftsaben<strong>de</strong>, Arbeitsdienste sowie Verwaltungs-<br />
und Instandhaltungsarbeiten konnten nach einem festgelegten System Punk-<br />
708<br />
A. BREITMEYER, „Berufung“, in: Wassersport 62(1944)5/6, o.A. Ferner persönliche <strong>Aus</strong>kunft<br />
Elfrie<strong>de</strong> Schumann am 24. 7. 2008.<br />
709<br />
Vgl. [S. F.], „Nach Berta Pally nun Sophie Barrelet“, in: Wassersport 62(1944)3, S. 55.<br />
710<br />
Vgl. B. PALLY, „Die Heimatfront <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen steht!“, in: Wassersport 57(1939)40, S.<br />
1002.<br />
711<br />
Vgl. M. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Winter“, in: Wassersport 53(1935)4, S. 55.<br />
712<br />
C. STILLER, „Führertum und Pflichtru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein“, in: Wassersport<br />
52(1934)14, S. 227.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 179<br />
te erzielt wer<strong>de</strong>n, die entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzel- o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch Vereinswertung gutge-<br />
schrieben wur<strong>de</strong>n. Die Vereine, die pro Mitglied zehn Punkte erzielen konn-<br />
ten, erhielten eine Ehrung. 713<br />
„Bei dieser Punktejagd stan<strong>de</strong>n die Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Reihe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erfolgreichen und die Frauenabteilung ist es, die – zumal jetzt im<br />
Kriege – <strong>de</strong>n Sportbetrieb aufrechterhält.“ 714<br />
Auch wenn die kriegsbedingten Verhältnisse <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb im Allgemei-<br />
nen und das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch die stärkere Einbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in die<br />
Kriegswirtschaft im Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en erschwerten, wur<strong>de</strong>n viele zusätzliche Aktivi-<br />
täten angeboten.<br />
Bereits seit Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 30er Jahre florierte das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Als durchschla-<br />
gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF muss die <strong>Aus</strong>schreibung und Durchführung <strong>de</strong>s<br />
Reichssiegerwettbewerbes 1937 gewertet wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> 1939 zum ersten<br />
Frauen-Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n führte. Im Breitensport bemühten sich die Ver-<br />
eine um die Verbreitung <strong>de</strong>s Reichssportabzeichens, das als <strong>Aus</strong>zeichnung<br />
<strong>für</strong> eine vielseitige, körperliche Leistungsfähigkeit vergeben wur<strong>de</strong>. 715 Dane-<br />
ben wur<strong>de</strong> auch das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit erheblichen Zuschüssen geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
So gab es ebenfalls geschlossene Fahrten <strong>de</strong>s BDM und Frauenwan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahr-<br />
ten, die von Lucie Wietholz mehrfach organisiert wur<strong>de</strong>n. 1941 fand diese<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt beispielsweise in Berlin statt, wobei auf <strong><strong>de</strong>r</strong> damals beliebten<br />
Insel Wer<strong><strong>de</strong>r</strong> Quartier bezogen wur<strong>de</strong>. Von hier aus wur<strong>de</strong>n die westlichen<br />
Gewässer Berlins im großen Bogen befahren. 716<br />
In allen Schulformen kam <strong><strong>de</strong>m</strong> Sportunterricht im Nationalsozialismus eine<br />
be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle zu, was die Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> wöchentlichen Stun<strong>de</strong>nzahl <strong>de</strong>s<br />
Faches belegt. In Bezug auf das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann festgestellt wer<strong>de</strong>n, dass die-<br />
ser Sport auch an die höheren Mädchenschulen gelangte und entsprechend<br />
wur<strong>de</strong>, falls es die äußeren Gegebenheiten zuließen, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>unterricht erteilt.<br />
In <strong>de</strong>n 1941 erschienen Richtlinien zum <strong>Deutschen</strong> Mädchenturnen von<br />
Erich Klinge und Sophie Dapper wird das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen an <strong>de</strong>n Schu-<br />
713<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 92.<br />
714<br />
Ebenda.<br />
715<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Der Arbeitsplan <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>für</strong> 1942“, in: Wassersport<br />
60(1942)8, S. 118.<br />
716<br />
Vgl. K. HENNING, „Arbeitstagung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Wassersport 59(1941)18, S. 212.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 180<br />
len und Frauen an Universitäten explizit begrüßt. Dabei wird es allerdings auf<br />
das Skullen als die einzig wahre Bewegungsform reduziert. 717<br />
Obwohl die AfF sehr angestrengt versuchte, das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n weiter zu för-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n und zu verbreiten, scheiterten viele I<strong>de</strong>en und Versuche auch in dieser<br />
Zeit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Einstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. Becker berichtete, dass in <strong>de</strong>n<br />
Vereinen die aktiven Frauen das Gefühl nicht unterdrücken konnten, dass<br />
das Präsidium nur an ihren Mitgliedsbeiträgen interessiert war, und auf <strong>de</strong>n<br />
Regatten äußerten sie vermehrt <strong>de</strong>n Verdacht, dass sie nur als „Regattafüll-<br />
sel“ betrachtet wür<strong>de</strong>n. Kritik wur<strong>de</strong> neben einem mangelhaften und ober-<br />
flächlichen Vereinstraining geübt, sowie an <strong><strong>de</strong>r</strong> unzureichen<strong>de</strong>n<br />
Bereitstellung von geeignetem Bootsmaterial. 718<br />
Für die Zeit <strong>de</strong>s Nationalsozialismus gilt insgesamt, dass trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Ein-<br />
schränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau auf ihre Mutterrolle <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutsch-<br />
land eine Kontinuität und sogar eine Weiterentwicklung im Bereich <strong>de</strong>s<br />
Wettkampfwesens nachgewiesen wer<strong>de</strong>n kann. Auch wenn <strong>de</strong>n weiblichen<br />
Leibesübungen zu dieser Zeit als primäres Ziel die Gesun<strong><strong>de</strong>r</strong>haltung im Hin-<br />
blick auf <strong>de</strong>n Erhalt und die Verbreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> arischen Rasse zugeschrieben<br />
wer<strong>de</strong>n muss, so sollte die „<strong>de</strong>utsche Frau“ nicht nur anmutig, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
ebenso zäh und willensstark sein und „eiserne Energien“ besitzen. 719<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichschaltung aller Vereine bis En<strong>de</strong> 1934, die ohnehin das En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s DDRV be<strong>de</strong>utet hätte, wur<strong>de</strong> alle Entscheidungsgewalt in die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
damaligen DRV-Präsi<strong>de</strong>nten Heinrich Pauli gelegt. Dieser erkannte früh das<br />
Entwicklungspotenzial <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und för<strong><strong>de</strong>r</strong>te es <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend.<br />
Dank seiner Befugnisse konnte Pauli <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen viele Aktivitäten und<br />
Mitbestimmungsrechte ermöglichen, die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong>de</strong>s konservativen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages mit Sicherheit abgelehnt wor<strong>de</strong>n wären. 720 Eine <strong><strong>de</strong>r</strong> erfüllten<br />
For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen war beispielsweise, dass Frauenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
vereinen von Frauen geleitet wer<strong>de</strong>n sollten. 1938 wur<strong>de</strong> außer<strong><strong>de</strong>m</strong> ange-<br />
ordnet, dass je<strong><strong>de</strong>r</strong> DRL-Verein mit weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n über 21 Jahre eine<br />
Frauenwartin berufen musste, welche auch in <strong>de</strong>n Vereinsführerstab einzu-<br />
bin<strong>de</strong>n war. 721<br />
717 Vgl. KLINGE/DAPPER, Deutsches Mädchenturnen, S. 239.<br />
718 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 96.<br />
719 Vgl. TSCHAP-BOCK, Frauensport und Gesellschaft, S. 117.<br />
720 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 97.<br />
721 Vgl. ebenda, S. 82.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 181<br />
Nicht vergessen wer<strong>de</strong>n darf, dass auch das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n instrumentalisiert<br />
wur<strong>de</strong>, um die Überlegenheit <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Volkes beziehungsweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
arischen Rasse zu propagieren. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und vor allem Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n waren<br />
eine i<strong>de</strong>ale Agitationsmöglichkeit zur Darstellung von Kraft, Freu<strong>de</strong> und Stär-<br />
ke, gepaart mit einem gewissen Naturerlebnis. Erleichternd kam hinzu, dass<br />
die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er grundsätzlich <strong>de</strong>utschnational eingestellt war.<br />
Selbstbestimmung dagegen fand so gut wie nicht statt, auch wenn durch die<br />
Arbeit und Propaganda <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF weiterhin <strong><strong>de</strong>r</strong> Schein <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbestimmung er-<br />
weckt wur<strong>de</strong>. Zugegebenermaßen konnten die Startmöglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau-<br />
en auf Regatten verbessert wer<strong>de</strong>n, da dieser Bereich mehr Anerkennung<br />
und sogar För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erfuhr. Unbestritten aber ist, dass auch diese Maß-<br />
nahme lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>richtung und Stärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalsozialistischen<br />
I<strong>de</strong>ologie diente, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampf <strong><strong>de</strong>m</strong> Erziehungsi<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s Führers ent-<br />
sprach. Die Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalsozialistischen Weltanschauung war schließ-<br />
lich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rassenkampf, wobei die arische Rasse als Herrenrasse bezeichnet<br />
wur<strong>de</strong>. Frauen mussten kämpfen, beziehungsweise kämpfen lernen, um ih-<br />
ren Söhnen ein gutes Beispiel sein zu können.<br />
5.6 „Schön o<strong><strong>de</strong>r</strong> schnell?“ – Die Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
vor 1945<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> immer größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Zahl an Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wuchs auch das Be-<br />
dürfnis nach geeigneten Vergleichsmöglichkeiten im Wettkampfbereich. Die<br />
For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s nationalsozialistischen Regimes nach Frauen, die sich auch<br />
in physischer Hinsicht beweisen sollten und konnten, um auf diese Weise<br />
ihren Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein gutes Beispiel zu sein, unterstützte das Anliegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau-<br />
en, möglichst vielen die Teilnahme an Wettkämpfen im Renn- und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
zu ermöglichen.<br />
Der erste Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s UAF, Ernst Gerson, hatte sich bereits vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Machtergreifung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalsozialisten erfreut über die Regattabeteiligung<br />
von Frauen geäußert. Obwohl bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Jubiläumsregatta anlässlich <strong>de</strong>s zehn-<br />
jährigen Verbandsjubiläums <strong>de</strong>s DDRV das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n noch stark dominierte<br />
und nur wenige Rennen ausgefahren wur<strong>de</strong>n, zog er 1929 ein durchweg po-<br />
sitives Fazit:
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 182<br />
„Die wenigen Rennen, die ausgefochten wur<strong>de</strong>n, zeigten nichts<br />
Unschönes o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unweibliches. Das Rennen im Gig-Doppelvierer<br />
war ein herrlicher Kampf zwischen Rostock und Leipzig, die abwechselnd<br />
führten und selbst im schärfsten Endkampf die gute<br />
Form bewahrten.“ 722<br />
Gerson ging sogar noch weiter, in<strong><strong>de</strong>m</strong> er klar Stellung <strong>für</strong> das weibliche<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bezog, obwohl die führen<strong>de</strong>n Köpfe <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Über-<br />
einstimmung mit <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Aus</strong>schuss <strong>de</strong>s DRV ihre Hauptaufgabe im Stil- und<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Skullbooten sahen. Er empfahl allen Männern, die in Ta-<br />
geszeitungen und im Fachjournal Wassersport gegen Frauenrennen wetter-<br />
ten, mehr Zurückhaltung auf diesem Gebiet:<br />
„Zahlreiche Aufsätze von Männern [sind] erschienen, die anknüpfend<br />
an die Satzungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, geharnischte Worte enthielten und die Frauen<br />
zu belehren suchten, daß solche Sportausübung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n weiblichen<br />
Körper ungeeignet sei. Ich meine, die Männer sollten etwas<br />
vorsichtig sein, wenn sie <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau auf <strong><strong>de</strong>r</strong>en eigenstem Gebiet<br />
Vorschriften machen und Lehren geben wollen. [...] Die Frauen<br />
kennen ihren Körper selbst am besten und haben am wenigsten<br />
ein Interesse daran, <strong>de</strong>n Sport in einer Weise auszuüben, die <strong>de</strong>n<br />
Mann abstößt.“ 723<br />
Mit dieser Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterstützung und Zustimmung Gersons sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> allge-<br />
mein positiven Grun<strong>de</strong>instellung von Seiten <strong>de</strong>s DRV hätte die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s weiblichen Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns eigentlich zügiger vorangehen müssen. Den-<br />
noch vergingen zehn Jahre seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s DDRV, bevor das Renn-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n offiziell zum DDRV-Verbandsziel erklärt und in <strong>de</strong>n Statuten verankert<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Obwohl das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht explizit vom DDRV be<strong>für</strong>wortet und <strong><strong>de</strong>m</strong>ent-<br />
sprechend auch wenig geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>, kam es bereits 1919 auf einer Ver-<br />
bandsregatta zu <strong>de</strong>n ersten Rennen. Die Streckenlänge betrug anfänglich<br />
800m, 1920 wur<strong>de</strong> sie auf 1.000m verlängert. 724<br />
Die <strong>Aus</strong>tragung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen ist insofern erstaunlich, da die Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong>, die<br />
es innerhalb <strong>de</strong>s DDRV zu überwin<strong>de</strong>n galt, letztendlich zu einer langwäh-<br />
ren<strong>de</strong>n Kontroverse führten. Die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachzeitschrift Wassersport nachvoll-<br />
ziehbare Diskussion darüber, ob Frauen überhaupt Rennen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollten<br />
722<br />
E. GERSON, „Vom Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 47(1929)32, S. 882.<br />
723<br />
Ebenda.<br />
724<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 97.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 183<br />
und falls ja, in welchen Booten und über welche Strecken, spaltete die weib-<br />
liche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft. Zum einen gab es die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die auf gar keinen Fall<br />
auf <strong>de</strong>n direkten Kampf Boot an Boot verzichten wollten, da regelmäßiges<br />
Training im Rennboot und <strong><strong>de</strong>r</strong> direkte Vergleich mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mannschaften<br />
ihre primäre Motivation waren. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en gab es Frauen, die <strong>de</strong>n Sport<br />
als <strong>Aus</strong>gleich zum beruflichen Alltag sahen und überhaupt kein Interesse an<br />
einer Regattateilnahme bekun<strong>de</strong>ten. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war ihnen Mittel zum Zweck,<br />
um sich sportlich in einem abgegrenzten, gesellschaftlichen Umfeld zu betä-<br />
tigen. Daher wur<strong>de</strong> schwerpunktmäßig das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n betrieben.<br />
Eine dritte Gruppe favorisierte die Disziplin Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Hier gewann die<br />
Mannschaft, die am einheitlichsten und schönsten ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n konnte. Die Dis-<br />
krepanz zwischen diesen Betätigungsformen versuchte man mit einer Art<br />
Mischform zu überbrücken, die Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n genannt wur<strong>de</strong>. Diese Ren-<br />
nen wur<strong>de</strong>n noch durch Schlagzahlrennen ergänzt, in <strong>de</strong>nen eine bestimmte<br />
Strecke in einer bestimmten Schlagzahl geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n musste.<br />
Als weitere Disziplin wur<strong>de</strong>n Rennen im Dauerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausgeschrieben, wel-<br />
che häufig mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Erwerb <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Turn- und Sportabzeichens kom-<br />
biniert wer<strong>de</strong>n konnten. 725 Thiesen schlug eine ähnliche Kombination aus<br />
diesen Möglichkeiten vor, allerdings zielten seine Vorstellungen allesamt auf<br />
weniger körperlichen Einsatz ab. Seine Renni<strong>de</strong>en umfassten Kurzstrecken-<br />
rennen, Stilzeitrennen, also reine, durch eine feste Schlagzahl je Minute be-<br />
grenzte Zeitrennen und Kurzrennen ähnlicher Art, welche die<br />
Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>s weiblichen Körpers nicht überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. 726<br />
Mit <strong>de</strong>n ersten Rennen kam die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach einer Klasseneinteilung auf,<br />
die eine Chancengleichheit <strong>für</strong> alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gewährleisten sollte. Die Ein-<br />
teilung in Jungmann, Junior und Senior war angelehnt an die Allgemeinen<br />
Wettfahrtbestimmungen <strong>de</strong>s DRV. Diese hatte Gültigkeit <strong>für</strong> Rennen und Stil-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe:<br />
„Jungmann ist, wer vor <strong><strong>de</strong>m</strong> ersten Januar <strong>de</strong>s Jahres, in <strong><strong>de</strong>m</strong> die<br />
Wettfahrt stattfin<strong>de</strong>t, im In- und <strong>Aus</strong>lan<strong>de</strong> noch keine zwei offenen<br />
Rennen gewonnen hat.<br />
725<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Die Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“, in:<br />
Wassersport 52(1934)2, S. 28.<br />
726<br />
P. THIESSEN, „Einige Erfahrungen in beschränkten Frauen-Rennen“, in: Wassersport<br />
50(1932)49, S. 939.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 184<br />
Junior ist, wer vor <strong><strong>de</strong>m</strong> ersten Januar <strong>de</strong>s Jahres, in <strong><strong>de</strong>m</strong> die Wettfahrt<br />
stattfin<strong>de</strong>t, im In- und <strong>Aus</strong>lan<strong>de</strong> noch keine vier offenen Rennen<br />
gewonnen hat. Dabei zählen auf die Jungmannklasse<br />
beschränkte Rennen nicht mit.<br />
Senior ist, wer<br />
a) im In- und <strong>Aus</strong>lan<strong>de</strong> vier offene Rennen gewonnen hat. Dabei<br />
zählen auf die Jungmannklasse beschränkte Rennen nicht mit;<br />
b) in einem unbeschränkten Rennen einer Hauptregatta gesiegt<br />
hat und<br />
c) beim <strong>Deutschen</strong> Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gestartet ist.“ 727<br />
Der uneingeschränkten Teilnahmemöglichkeit an <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Rennen<br />
in <strong>de</strong>n unterschiedlichen Bootsgattungen ging allerdings eine weitere Grund-<br />
satzdiskussion voraus, in <strong><strong>de</strong>r</strong> die Eignung <strong>de</strong>s weiblichen Körpers <strong>für</strong> Wett-<br />
bewerbe erneut hinterfragt wur<strong>de</strong>. Inhaltlich ähnelte diese Debatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage,<br />
ob Frauen überhaupt ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n beziehungsweise sich körperlich betätigen soll-<br />
ten, die vorher in <strong>de</strong>n Fachzeitschriften Wassersport und Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
geführt wor<strong>de</strong>n war. Dabei mel<strong>de</strong>ten sich nicht nur Ärzte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch akti-<br />
ve Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er zu Wort. Hauptargumente <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegner <strong>de</strong>s Frau-<br />
enrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns waren hier neben <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweifel an <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Konstitution<br />
und Leistungsfähigkeit auch moralische Be<strong>de</strong>nken gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Verausga-<br />
bung und Zurschaustellung sich sportlich betätigen<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen.<br />
Viele <strong><strong>de</strong>r</strong> älteren Vertreterinnen, wie Margarete Güssow, sahen keine Not-<br />
wendigkeit in Rennen und wollten <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport auf das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
beschränkt wissen. Güssow vertrat in dieser Kontroverse die These, dass<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> berufstätigen Frau zur Erholung dienen sollte, und sei<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend nur durch Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und mit Abstrichen durch Stilru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu erreichen. Für Güssow und ihre Mitstreiterinnen war nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> singu-<br />
läre Sieg, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die durchgängige und ganzjährige körperliche Betätigung<br />
entschei<strong>de</strong>nd. Sie waren überzeugt, dass „die durch ungesun<strong>de</strong> Berufe her-<br />
vorgerufenen Gesundheitsstörungen durch einen vernünftigen Sport beho-<br />
ben, aber durch Rekordleistungen verstärkt“ 728 wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. Güssow<br />
727 ARBEITSAUSSCHUß RUDERN (Hrsg.), Allgemeine Wettfahrtbestimmungen (= §50, Artikel II),<br />
[o.O. o.J.], S. 21, zitiert nach: BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
in Deutschland, S. 19.<br />
728 M. GÜSSOW, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 46(1928)7, S. 108.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 185<br />
lehnte das reine Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n konsequent ab. Güssows Begründung er-<br />
schließt sich wie folgt:<br />
„Er [Hugo Borrmann] scheint hierbei zu vergessen, daß Frauen-<br />
Regatten nicht zwischen Hochschülerinnen, also Berufssportlerinnen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zwischen berufstätigen Mädchen – <strong>de</strong>nn aus solchen<br />
setzen sich die Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>klubs fast ausschließlich<br />
zusammen – ausgefahren wer<strong>de</strong>n. Daß die Berufssportlerin sich<br />
<strong>für</strong> ein Renntraining eignet und es wünscht, wird wohl niemand<br />
bestreiten, daß auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mit großer Begeisterung<br />
‘bolzen’, erlebe ich je<strong>de</strong>n Sommer in meinem Klub.“ 729<br />
Das „Bolzen“ dürfte sich auf einzelne Trainingsausfahrten beschränkt haben,<br />
<strong>de</strong>nn ein systematisches Renntraining war nicht Bestandteil von Güssows<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>philosophie. Die meisten ihrer Mädchen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kameradinnen wa-<br />
ren kaufmännisch tätig und nach acht Stun<strong>de</strong>n „gesundheitsschädigen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeit“ in einem Büro empfand Güssow die Trainingsbelastung als zu hoch.<br />
Erschwerend kämen ihrer Meinung nach die langen Anfahrzeiten hinzu, die<br />
<strong>de</strong>n angestrebten Erholungswert <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zunichte machen wür<strong>de</strong>n. Das<br />
Streben nach Wettkampf blieb <strong>für</strong> Güssow immer zweitrangig, da ihrer Mei-<br />
nung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampf um die Existenz im Berufsleben die Frau voll und ganz<br />
beanspruchte. Daher konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampf <strong>für</strong> die berufstätigen Frauen<br />
nicht die richtige Form <strong>de</strong>s Sports sein. 730<br />
Güssow argumentierte gegen das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> berufstätigen Frauen aus<br />
einer Position heraus, die sich auf die traditionelle Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau beschränk-<br />
te und durch wirtschaftliche und körperliche Be<strong>de</strong>nken erweitert wur<strong>de</strong>. Sie<br />
warf <strong>de</strong>n rennbegeisterten Frauen vor, nicht nachzu<strong>de</strong>nken: „Es ist wie mit<br />
<strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>torheiten, die mitgemacht wer<strong>de</strong>n, aber schädlich sind“. 731<br />
Sie richtete ihr ganzes Han<strong>de</strong>ln und Wirken darauf aus, dass<br />
„Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Ergänzungsbetrieb erreichen, daß sämtliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
frische, vollwertige Menschen wer<strong>de</strong>n, die ihren Platz im Leben<br />
ausfüllen und bis ins Alter wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsfähig bleiben [...] und<br />
ihren Beitrag leisten, um vielen das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu ermöglichen“. 732<br />
Sie sah im Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sowie in Ferien- und Etappenfahrten die einzig<br />
wahre Form <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Diese längeren Fahrten erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten nach Güssow<br />
729 Ebenda.<br />
730 M. GÜSSOW, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 47(1929)11, S. 166.<br />
731 Ebenda, S. 168.<br />
732 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 186<br />
<strong>Aus</strong>dauer und Selbstüberwindung, außer<strong><strong>de</strong>m</strong> unterstütze diese Art <strong>de</strong>s Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ns die mutige und selbstbewusste Persönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. „Wan-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nimmt nicht nur Kraft wie das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n es gibt vor<br />
allem Kraft. Dem echten <strong>Deutschen</strong> ist das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n angeboren.“ 733<br />
Diese Annahme teilte Jula Ziegler, selbst begeisterte Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>in, nicht. Sie<br />
stellte fest, dass zwar bewiesen sei, dass Sport <strong>für</strong> die Frau gesundheitsför-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>nd ist, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber niemand beweisen könne, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampf<br />
<strong>für</strong> die Frau gesundheitsschädigend ist. 734 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat mehrten sich die Stim-<br />
men, nach <strong>de</strong>nen die Belastungsfähigkeit <strong>de</strong>s weiblichen Körpers lange un-<br />
terschätzt wor<strong>de</strong>n sei.<br />
So for<strong><strong>de</strong>r</strong>te Frie<strong>de</strong>l Haack <strong>für</strong> Frauen das Recht ein, selbst zu entschei<strong>de</strong>n,<br />
ob ihr Körper <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s harten Trainings gewachsen sei. Sie<br />
entgegnete Kritikern, dass an <strong>de</strong>n Regatten zwar mehr schlecht als gut aus-<br />
gebil<strong>de</strong>te Mannschaften teilnähmen, dieser Umstand allerdings <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache<br />
geschul<strong>de</strong>t sei, dass Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Damenabteilung in einem Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
verein schlechter ausgebil<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>n, geeignetes Bootsmaterial fehle und<br />
außer<strong><strong>de</strong>m</strong> das <strong>Aus</strong>bildungspersonal nicht qualifiziert sei. 735 Sie bestand auf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>schreibung von Rennbootwettbewerben anstatt von Rennen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gig und einer Streckenlänge von 1.000m. Erst dann wür<strong>de</strong>n bei Regatten<br />
nur gute Damenmannschaften auftreten, da nur technisch gut ausgebil<strong>de</strong>te<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen die Rennboote fahren könnten. 736<br />
Die damalige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins „Freiweg“ Frankfurt,<br />
Helli Knoll, unterstützte Ziegler und Haack in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport und<br />
erklärte, dass auch Frauen <strong>de</strong>n Wettkampf bewusst suchen wür<strong>de</strong>n:<br />
„Wenn ich heute zu <strong>de</strong>n Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sagen wür<strong>de</strong>, daß sie<br />
keine Rennen mehr fahren dürfen, dann wür<strong>de</strong>n sie das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
aufstecken und einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sport ausüben. Denn wer im Sport<br />
aufgeht, <strong>de</strong>n gelüstet es nach Wettkampf. Das ist auf allen Gebieten<br />
<strong>de</strong>s Sportes dasselbe, und überall gibt es Wettkämpfe <strong>für</strong><br />
Frauen. Warum sollen Frauen ausgerechnet im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
doch <strong>de</strong>n fairsten Kampfsport darstellt, keine Höchstleistungen<br />
anstreben?“ 737<br />
733<br />
Ebenda.<br />
734<br />
J. ZIEGLER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 49(1931)36, S. 745.<br />
735<br />
Vgl. F. HAACK, „Sollen Frauen Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport betreiben?“, in: Wassersport 52(1934)40,<br />
S. 934.<br />
736<br />
Vgl. ebenda, S. 935.<br />
737<br />
H. KNOLL, „Sollen Frauen rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“, in: Wassersport 49(1931)38, S. 883.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 187<br />
Die Verfechterinnen <strong>de</strong>s Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns argumentierten dagegen, dass<br />
schwache Frauen ohne Ästhetik es <strong>de</strong>n Männern gleichtun wollten, „auch<br />
wenn alle Grazie bei <strong><strong>de</strong>m</strong> Anblick verhüllten Antlitzes entweichen“. 738<br />
Amüsanterweise empfahl ein Autor <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitung Wassersport daher <strong>de</strong>n<br />
Frauen, in <strong>de</strong>n Spiegel zu schauen und sich an <strong>de</strong>n Haaren zu zupfen, um<br />
auf diese Art und Weise <strong>de</strong>n ästhetischen Eindruck zu sichern. 739<br />
Erschwerend <strong>für</strong> die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns kam hinzu, dass die<br />
Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verantwortlichen im DDRV und später in <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF als Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aktiv waren und <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n teilweise ab-<br />
lehnend gegenüber stan<strong>de</strong>n. Hier wur<strong>de</strong> die Meinung vertreten, dass „das<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n Frauen Tür und Tor öffnen wür<strong>de</strong>, um alle Hemmnisse aus-<br />
zuräumen“. 740<br />
Der nicht zu unterschätzen<strong>de</strong> Einfluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Kritikerinnen führte dazu, dass die<br />
Entwicklung im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>bereich nur zäh voranschritt, was sich <strong>de</strong>utlich in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbsaktivität zeigte. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Meldungen stieg nur lang-<br />
sam, was vor allem daran lag, dass die Rennen vorübergehend in Gigs aus-<br />
geschrieben wur<strong>de</strong>n, was <strong>für</strong> die Frauen wenig attraktiv war. Eben dieser<br />
Anblick – Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in schwerfälligen Booten – gab <strong>de</strong>n Kritikern neuen<br />
Auftrieb, was von Baldus wie folgt kommentiert wur<strong>de</strong>:<br />
„Schon frühere Kurzstreckenwettkämpfe <strong><strong>de</strong>r</strong> Damen haben gezeigt,<br />
daß bei <strong><strong>de</strong>r</strong> keineswegs augenfälligen Hetze we<strong><strong>de</strong>r</strong> Kraft<br />
noch Schönheit zum <strong>Aus</strong>druck kamen, und daß daher nach Ansicht<br />
Fachkundiger von ernstem Sport nicht gesprochen wer<strong>de</strong>n<br />
kann. [...] Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Start im Rennboot wird die Werbekraft <strong>für</strong> das<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n kaum eine Steigerung erfahren.“ 741<br />
Borrmann, großer Verfechter von Frauenrennen, sah keine Gefahr in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Aus</strong>tragung von Rennen und for<strong><strong>de</strong>r</strong>te <strong>für</strong> Frauen das Rennboot in allen Wett-<br />
bewerben, da dieses <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Anatomie besser angepasst sei. 742 Die-<br />
ser Meinung folgte prinzipiell auch Wiegels, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich Ziegler anschloss und<br />
feststellte, dass Rennbootru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Regatten keine automatische Schädi-<br />
gung be<strong>de</strong>uten, so lange es vernünftig betrieben wür<strong>de</strong> und die Strecken<br />
738<br />
L. GRUENBERG, „Die Stimme <strong><strong>de</strong>r</strong> Vernunft“, in: Wassersport 49(1931)28, S. 608.<br />
739<br />
Vgl. ebenda.<br />
740<br />
F. BALDUS, „Sollen die Frauen Rennen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“, in: Wassersport 47(1929)6, S. 137.<br />
741<br />
Ebenda.<br />
742<br />
Vgl. H. BORRMANN, „Betrachtungen über das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 46(1928)4,<br />
S. 54.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 188<br />
nicht zu lang seien. Des Weiteren sollten sich alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen unter ärztli-<br />
cher Aufsicht befin<strong>de</strong>n. 743<br />
Es kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass obwohl die ersten Formen <strong>de</strong>s Wettru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bereits 1929 in die Statuten <strong>de</strong>s DDRV aufgenommen und bereits zu<br />
Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsgeschichte Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 20er Jahre vereinzelt Rennen<br />
ausgefahren wur<strong>de</strong>n, sich die Entwicklung <strong>de</strong>s weiblichen Regattaengage-<br />
ments erheblich verzögerte. Der DDRV för<strong><strong>de</strong>r</strong>te in keiner Weise Wettkämpfe<br />
im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und beschränkte sich darauf, ausgewählte Startmöglichkeiten<br />
im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu schaffen. Der Verband distanzierte sich von zu großen kör-<br />
perlichen Anstrengungen und versäumte nie, <strong>de</strong>n höheren Stellenwert <strong>de</strong>s<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu betonen. 744<br />
Dennoch kann ein <strong>de</strong>utlicher Aufwärtstrend in <strong>de</strong>n Wettbewerben ab 1933<br />
verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Die nicht parallel zu <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen steigen<strong>de</strong><br />
Zahl an Regattastartern liegt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache begrün<strong>de</strong>t, dass vor allem Wi-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n eigenen Reihen überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n mussten. Das dauerte<br />
umso länger, da einflussreiche Vertreterinnen wie beispielsweise Güssow<br />
bewusst ihre Position ausnutzten, um das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gegenüber <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
klassischen Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit seinen Unterformen Stil- und Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
zu propagieren. Die folgen<strong>de</strong> Abbildung stellt diese Entwicklung dar:<br />
743 Vgl. W. WIEGELS, „Einige Anregungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport<br />
56(1938)35, S. 929.<br />
744 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 73.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 189<br />
Abb. 1: Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Veranstaltungen und Wettbewerbe <strong>für</strong> Frauen 1933 bis 1939<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Abbildung 745 wird <strong>de</strong>utlich, dass die Anzahl Start-<br />
möglichkeiten zunächst anstieg. 1933 fan<strong>de</strong>n insgesamt 39 Veranstaltungen<br />
statt, bei <strong>de</strong>nen 118 Wettbewerbe in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Bootsklassen aus-<br />
geschrieben waren. Die meisten Regattastarts wur<strong>de</strong>n 1938 angeboten. Ein<br />
Jahr später sank die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Veranstaltungen auf 66, <strong>de</strong>nnoch wur<strong>de</strong>n noch<br />
186 Wettbewerbe durchgeführt.<br />
Im Zuge dieser Entwicklung konnten 1937 10.528 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen verzeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n, nur ein Jahr später waren es 13.630, 1941 bereits über 16.000<br />
Frauen. 746<br />
„Diese Entwicklung machte sich auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regattabeteiligung<br />
bemerkbar. 1933 starteten ca. 1400 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, 1934 waren es<br />
fast 2000, und 1937 wur<strong>de</strong> mit 2655 Teilnehmerinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Höhepunkt<br />
erreicht.“ 747<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> erfolgreichen Einglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s DDRV in <strong>de</strong>n DRV war auch eine<br />
Überarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n er-<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>lich gewor<strong>de</strong>n. Das ging mit Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik einher.<br />
Erarbeitet wur<strong>de</strong>n die Bestimmungen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage Bruno Fertigs und<br />
745 Vgl. ebenda, S. 83.<br />
746 Vgl. ebenda.<br />
747 Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 48.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 190<br />
Dr. Köhlers von Seiten <strong>de</strong>s DRV, sowie Fräulein Ahlhelm, Pally und Dr.<br />
Barrelet vom DDRV. Sie umfassten die Bereiche Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Stilschnellru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Dauerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 748<br />
5.6.1 Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Ein Hauptanliegen <strong>de</strong>s DDRV war die Verbreitung <strong>de</strong>s allgemeinen Frauen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Hierzu waren Regattaveranstaltungen unerlässlich, da diese zum<br />
einen <strong>de</strong>n Sport einem breiten Publikum näher bringen sollten und zum an-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en die Vereinheitlichung und Verbesserung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stils vorantrieben.<br />
Letzteres sollte vor allem durch Wettbewerbe im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erreicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Primär aber ist die Entstehung und Entwicklung <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns ein Zuge-<br />
ständnis an die Kritik <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, die in dieser Form <strong>de</strong>s Wettkampfes<br />
die Betätigungsform sahen, die <strong><strong>de</strong>m</strong> weiblichen Körper und <strong>de</strong>ssen Leis-<br />
tungsfähigkeit optimal entsprach. Die Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermännlichung schien da-<br />
durch gebannt und nicht zuletzt wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Ästhetikempfin<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer<br />
Rechnung getragen: „Das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist ein Zugeständnis an die weibliche<br />
Note im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“ 749<br />
Trotz<strong><strong>de</strong>m</strong> sind die Anfänge <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nicht im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verwurzelt.<br />
Bereits 1914 hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Jungru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband <strong>für</strong> seine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wettbwerbe im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausgeschrieben. Körper- und Wasserarbeit wur<strong>de</strong>n<br />
mit je fünf Punkten als Höchstleistung bewertet. 750<br />
Das erste Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Damen fand am 21. September 1919 vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Res-<br />
taurant Hirschgarten in Berlin statt. 751 Es wur<strong>de</strong>n drei Rennen im gesteuerten<br />
Einer, Doppelzweier und Doppelvierer ausgeschrieben. Da Mehrfachstarts<br />
erlaubt waren, gingen insgesamt 29 Boote an <strong>de</strong>n Start. Der DDRV hatte<br />
hier<strong>für</strong> eine eigene Wettkampfordnung verabschie<strong>de</strong>t:<br />
„Der Kampf wird nur in Skullbooten ausgetragen.<br />
Maßgebend <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Sieg ist <strong><strong>de</strong>r</strong> ästhetische Gesamteindruck einer<br />
Mannschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus ausgeglichener und sauberer Arbeit<br />
ergibt.<br />
748 Vgl. [ohne Verfasser], „Die Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 27.<br />
749 HOFFMANN, Frau und Leibesübungen im Wan<strong>de</strong>l <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit, S. 54.<br />
750 BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 18.<br />
751 Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 35.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 191<br />
Fehler in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit wer<strong>de</strong>n mit Strafpunkten belegt und<br />
zwar wird mit je einem Punkt gestraft:<br />
Schlechter, ungenauer Einsatz ohne merkbaren Anriß.<br />
Krummer Rücken bei Rückschwung und schiefes Schwingen.<br />
Ungleichmäßiges Schwingen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft.<br />
Zu tiefer Durchzug (es wird aus <strong>de</strong>n Armen und nicht aus <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Nacken geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t).<br />
Der Kopf wird nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlängerung gehalten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sinkt<br />
am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Rückschwunges mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Kinn zur Brust.<br />
Der Rollsitz wird falsch gebraucht.<br />
Die Arme wer<strong>de</strong>n nicht an <strong>de</strong>n Rippen entlang zurückgeführt,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Ellbogen seitlich gebogen.<br />
Das Blatt wird vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Herausnehmen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Durchzuges<br />
unter Wasser gedreht.<br />
Die Hän<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n nicht schnell von <strong><strong>de</strong>r</strong> Brust fort und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
die <strong>Aus</strong>gangslage gebracht (<strong><strong>de</strong>r</strong> Oberkörper bleibt zu lange hinten<br />
liegen).<br />
Schnelles Vorrollen mit zu weit geöffneten Knien.<br />
Sieger ist das Boot, das die wenigsten Strafpunkte aufweist; sollten<br />
mehrere Boote als Sieger hervorgehen, so entschei<strong>de</strong>t das<br />
Los.<br />
Die Kampfstrecke muss wenigstens 300m betragen und in ihrer<br />
ganzen Länge von <strong>de</strong>n Richtern eingesehen wer<strong>de</strong>n können. Sie<br />
muß hin und zurück durchmessen wer<strong>de</strong>n. Das Zeichen zum Abfahren<br />
wird durch einen Richter <strong><strong>de</strong>m</strong> Steuermann gewinkt.“ 752<br />
Die Diskussion um die richtige Bewertung im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist so alt wie das Stil-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n selbst. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> möglichen Fehler lässt vermuten, dass diese<br />
oft zu Unzufrie<strong>de</strong>nheit nicht nur innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gemein<strong>de</strong>,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch bei <strong>de</strong>n Schieds- wie Punktrichtern führte. Die Bestimmungen<br />
waren <strong>für</strong> bei<strong>de</strong> Seiten schwierig, <strong>de</strong>nn es zählte nicht wie ökonomisch, son-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie exakt geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>. Grundsätzlich mussten Schiedsrichter mit<br />
<strong>de</strong>n Bestimmungen und Fragestellungen <strong>de</strong>s Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bekannt sein.<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sollten sie über eine gute Beobachtungsgabe, eine sichere Ur-<br />
752 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 192<br />
teilsfähigkeit und ein gutes Gedächtnis verfügen. 753 Ihre Entscheidungen wa-<br />
ren nicht anfechtbar. Im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Objektivität, war es ihnen nicht erlaubt,<br />
Boote <strong>de</strong>s eigenen Vereins zu bewerten. Ernannt wur<strong>de</strong>n die Kampfrichter<br />
von <strong>de</strong>n Verantwortlichen <strong>de</strong>s DDRV. Um weitere Objektivität zu gewähren,<br />
wur<strong>de</strong>n die Boote nicht gekennzeichnet. Die Schiedsrichter durften außer-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> nicht in das Programm schauen, um die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zuzu-<br />
ordnen.<br />
Einige Formulierungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfordnung suggerierten technische<br />
Fehler, die gar keine waren, so dass ab 1921 die Scheer’sche Tafel aus <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Juniorenbereich übernommen wur<strong>de</strong>. In dieser Variante wur<strong>de</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>be-<br />
wegung in Riemenführung, Körperarbeit und Rollbahn unterteilt und mit No-<br />
ten von Null <strong>für</strong> ungenügend bis Fünf <strong>für</strong> vollen<strong>de</strong>t bewertet. Diese wur<strong>de</strong>n<br />
mit <strong>de</strong>n einzelnen Fähigkeiten zugeordneten Wertzahlen multipliziert. Insge-<br />
samt ergaben sich auf diese Weise bis zu 100 Punkte. 754 Dieses System er-<br />
scheint auf <strong>de</strong>n ersten Blick einfacher in <strong><strong>de</strong>r</strong> Handhabung, allerdings wur<strong>de</strong><br />
die Bewertung durch weitere Klassifizierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung er-<br />
schwert. Die Riemenführung war unterteilt in Einsatz, Durchzug, Schlusszug<br />
und Luftarbeit. Der Bewertungsbereich „Körperarbeit“ umfasste die Aspekte<br />
Wasserfassen und Anzug, Durchzug und Schlusszug, Hän<strong>de</strong> weg und Vor-<br />
beuge. Bezüglich <strong>de</strong>s Kriteriums Rollbahn waren die Wertungsrichter ange-<br />
halten, auf Beinarbeit und Vorrollen zu achten. Bei mehr als sieben<br />
starten<strong>de</strong>n Booten musste eine Vorentscheidung ausgeru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n, da es<br />
ansonsten zu einer Überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampfrichter gekommen wäre. 755<br />
Betrachtet man die Wettkampfordnung und schließt daraus auf die Bewe-<br />
gungsbeschreibung, so muss festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass sich das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
anfänglich ein<strong>de</strong>utig am orthodoxen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag orientierte. Borrmann als<br />
Gegner <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns kritisierte immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> scharf die steife und unnatür-<br />
liche Arbeit im Boot, die in <strong>de</strong>n Vorgaben gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t war. Charakteristisch wa-<br />
ren ein gera<strong><strong>de</strong>r</strong> Rücken, im Endzug lange und gestreckte Arme, das Ganze<br />
mit möglichst viel Rückschwung und Kopfhaltung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlängerung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wirbelsäule. Geschwindigkeit war beim klassischen Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht relevant.<br />
753<br />
Vgl. O. KÖHLER, „Wertungskontrolle bei Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben,“ in: Wassersport 50<br />
(1932)19, S. 299.<br />
754<br />
Vgl. hierzu die Scheer’schen Tafeln zur Bewertung von Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>leistungen im Anhang.<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 52.<br />
755<br />
Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 24.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 193<br />
Erst als sich nach und nach <strong><strong>de</strong>r</strong> natürliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stil durchsetzte, revidierte er<br />
seine Meinung zum Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Die von ihm trainierte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege „Walküre“<br />
erreichte bei Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben fast durchgängig nur letzte Plätze, da sie<br />
einen sehr natürlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stil pflegte. Als Fehler wur<strong>de</strong> hauptsächlich die<br />
gekrümmte Oberkörperhaltung mit vorgebeugtem Kopf beim Schlusszug<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert. 756<br />
Umso beachtlicher ist in Anbetracht <strong><strong>de</strong>r</strong> gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung die<br />
Leistung, die von <strong>de</strong>n Frauen im Rahmen <strong>de</strong>s ersten Dauerstilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns 1919<br />
erbracht wur<strong>de</strong>, da die Bahn eine Länge von zwölf Kilometern hatte. Am Ziel<br />
fand zusätzlich noch eine Schleifenfahrt statt, die mitbewertet wur<strong>de</strong>. 757<br />
Die Entwicklungen und Verbesserungen im Bootsbau und die Hinwendung<br />
zum natürlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stil erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten auch eine Anpassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Richtlinien. 1924 wur<strong>de</strong>n die Scheer’schen Tafeln durch die Kriterien Körper-<br />
arbeit, Zusammenarbeit, Wasserarbeit und Rhythmus ergänzt. Diese wur<strong>de</strong>n<br />
als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s wichtig empfun<strong>de</strong>n. Die Bewertung sah Punkte von Null bis<br />
Vier <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n Bereich vor. 758<br />
Das Bedürfnis nach einer ganzheitlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung ist aus heutiger<br />
Sicht nachvollziehbar. Ursprünglich sollte das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Vereinheitli-<br />
chung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stils und die Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Technik för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Je mehr<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Stil vereinheitlicht wur<strong>de</strong>, umso stärker wuchs <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Mannschaften im Wettkampf zu überbieten. Dies führte zu einer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewe-<br />
gung, die mit ihrem Ansinnen alles richtig machen zu wollen, vollkommen<br />
unnatürlich wirkte. Die gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te gera<strong>de</strong> Rückenhaltung wur<strong>de</strong> beispielswei-<br />
se von <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen überkorrigiert, was zu einer extrem steifen Rücken-<br />
haltung führte.<br />
Dies mün<strong>de</strong>te in einer erneuten Diskussion bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage, was <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verband überhaupt mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erreichen wollte. Fritz Ulmer beant-<br />
wortete die Fragestellung in einem Artikel:<br />
„Was wollen wir <strong>de</strong>nn bei <strong>de</strong>n Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Wettbewerben erreichen?<br />
Bei <strong>de</strong>n Jugendlichen bei<strong><strong>de</strong>r</strong>lei Geschlechts eine Überprüfung ihrer<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik, ein Vergleichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen<br />
Fertigkeitsstufen (Neulinge, Anfänger, Fortgeschrittene) und<br />
756 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 72.<br />
757 Vgl. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, S. 4. Vgl. ferner<br />
BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 18.<br />
758 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 52.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 194<br />
Vereine, För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Könnens schließlich durch Hinweis auf<br />
etwa bestehen<strong>de</strong> technische Fehler, wie sie durch ‘ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ische Inzucht’,<br />
bei Vereinen, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung ganz auf sich gestellt<br />
sind, erfahrungsgemäß nicht selten vorkommen.“ 759<br />
Ulmer vertrat die Position, dass die Veranstaltungen im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf breiter<br />
Basis propagiert wer<strong>de</strong>n müssten, um die Durchschnittsleistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verei-<br />
ne zu heben. Er for<strong><strong>de</strong>r</strong>te eine Abkehr von <strong><strong>de</strong>r</strong> Punktewertung, da diese eine<br />
Abstimmung auf die Vorführung von Spitzenleistungen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te. Er sah<br />
aber sah <strong>de</strong>n Zweck darin, die ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportlichen Fähigkeiten und technischen<br />
Fertigkeiten einwandfrei darzustellen. 760 Darum wur<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wett-<br />
bewerben <strong>de</strong>s Allgemeinen Alster-Clubs in Hamburg seit 1931 nicht mehr<br />
nach Punkten bewertet, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit <strong>de</strong>n Prädikaten: „ausgezeichnet“, „gut“,<br />
„genügend“ und „nichtgenügend“. 761 Eine Punktewertung, wie sie bislang<br />
betrieben wor<strong>de</strong>n war, eignete sich nach Ulmer nur in Sportarten wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Leichtathletik, da die erbrachten Leistungen objektiv und zahlenmäßig mess-<br />
bar waren. Das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n hingegen basiere auf Zufall und Gefühl. Ulmer<br />
lehnte die von Bruno Fertig gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te Nachprüfung, die eine Zusatzbewer-<br />
tung bei Punktegleichheit vorsah, konsequent ab, da sie seiner Meinung<br />
nach das Problem in <strong><strong>de</strong>r</strong> Feststellung <strong>de</strong>s Siegerbootes nur verzögerte, nicht<br />
aber zufrie<strong>de</strong>nstellend löste. 762<br />
Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportlichen Entwicklung respektive <strong><strong>de</strong>r</strong> Anglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />
DDRV an <strong>de</strong>n DRV wur<strong>de</strong>n 1934 neue Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong><br />
das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verabschie<strong>de</strong>t. Diese waren beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>für</strong> das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
von großer Be<strong>de</strong>utung, da die Beurteilung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nur noch nach <strong>de</strong>n<br />
Gesichtspunkten Körperarbeit und Blattführung erfolgte:<br />
„Die Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rhythmus wer<strong>de</strong>n<br />
jeweils bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperarbeit und Blattführung mitbewertet, so daß<br />
die bisher übliche Überbewertung o<strong><strong>de</strong>r</strong> ‘Verlegenheitsbewertung’<br />
in Fortfall kommt.“ 763<br />
Anstatt wie bisher zu verfahren, wur<strong>de</strong> nun bei <strong>de</strong>n Wettkämpfen weniger auf<br />
die Fehler als auf konkrete Bewegungsabläufe geachtet. Darum gab es unter<br />
759<br />
F. ULMER, „Bewertung beim Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 49(1931)52, S. 1064.<br />
760<br />
Vgl. ebenda.<br />
761<br />
Vgl. ebenda.<br />
762<br />
Vgl. ebenda.<br />
763<br />
[ohne Verfasser], „Die Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 27.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 195<br />
§ 6 <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinien und Bestimmungen Anweisungen <strong>für</strong> korrektes Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Die <strong>Aus</strong>führungen waren absichtlich kurz gehalten um<br />
„[...] mit diesen <strong>de</strong>n Schiedsrichtern, <strong>de</strong>n Teilnehmern und vor allem<br />
<strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine greifbare Anleitung <strong>de</strong>ssen zu geben, worauf<br />
bei <strong>de</strong>n Wettbewerben beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s Wert zu legen ist. Diese<br />
Richtlinien wür<strong>de</strong>n zu einer besseren Übereinstimmung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schiedsrichter führen und im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit eine Einheitstechnik<br />
zustan<strong>de</strong> kommen lassen“. 764<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> festgelegt, dass eine zweimalige Vorbeifahrt erfolgen und<br />
die Wertungsstrecke min<strong>de</strong>stens 1.000m betragen sollte.<br />
Nicht verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong> die Bewertung durch Punkte, allerdings wur<strong>de</strong>n die<br />
Anzahl und das Additionsverfahren modifiziert. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> min<strong>de</strong>stens drei<br />
Schiedsrichter vergab Punkte <strong>für</strong> Körperarbeit und Blattführung von je null<br />
bis zehn. Dabei wur<strong>de</strong> eine vollen<strong>de</strong>te Leistung mit zehn und eine ungenü-<br />
gen<strong>de</strong> Leistung mit null Punkten bewertet. 765 Eine Leistung war nach <strong>de</strong>n<br />
neuen Regeln anfechtbar, wenn nicht drei Schiedsrichter zu <strong><strong>de</strong>m</strong> selben Er-<br />
gebnis kamen.<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Unzufrie<strong>de</strong>nheit unter <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr individuel-<br />
len Handhabung beziehungsweise Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schiedsrichter wur<strong>de</strong> ein<br />
Rangsystem entwickelt, um die Großzügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampfrichter und <strong>de</strong>n da-<br />
mit verbun<strong>de</strong>nen Einfluss auf das Ergebnis zu entkräften. Es wur<strong>de</strong> nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Punktevergabe eine Rangreihe gebil<strong>de</strong>t, in <strong><strong>de</strong>r</strong> das Boot mit <strong><strong>de</strong>r</strong> höchsten<br />
Punktzahl <strong>de</strong>n ersten Rangplatz erhielt, die folgen<strong>de</strong> Mannschaft <strong><strong>de</strong>m</strong>ent-<br />
sprechend <strong>de</strong>n nächsten und so weiter. Bei Punktegleichheit wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rangplatz gemittelt. Für <strong>de</strong>n ersten Platz <strong>de</strong>s Wettbewerbs wur<strong>de</strong>n die<br />
Rangplätze aller Schiedsrichter addiert und das Boot mit <strong><strong>de</strong>r</strong> niedrigsten<br />
Endrangziffer gewann. 766<br />
1937 wur<strong>de</strong>n richtungweisen<strong>de</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen vorgenommen, die zum einen<br />
verstärkt Technikmerkmale <strong>de</strong>s orthodoxen Stils bestraften und zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
eine vermehrte Gewichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Blattarbeit zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperarbeit mit<br />
764 Ebenda.<br />
765 Vgl. ebenda. Die weiteren Stufen erschließen sich wie folgt: sehr gute Leistung = 8-9<br />
Punkte, gute Leistung = 6-7 Punkte; mittelmäßige Leistung = 4-5 Punkte und mangelhafte<br />
Leistung = 1-3 Punkte.<br />
766 Vgl. hierzu das Beispiel einer Rangliste im Anhang. Vgl. [ohne Verfasser], „Die Richtlinien<br />
und Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 28.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 196<br />
sich brachten. Der Trainer <strong><strong>de</strong>r</strong> RG „Wiking“ Leipzig Richard Löbel kommen-<br />
tierte dies wie folgt:<br />
„[...] ergiebige Wasserarbeit und Fluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewegung sind das<br />
<strong>Aus</strong>chlaggeben<strong>de</strong>! Sind diese zu vermissen, so nützt die schönste<br />
Körperhaltung nichts! An<strong><strong>de</strong>r</strong>seits wäre es aber bestimmt abwegig,<br />
die Körperarbeit etwa nun als neben sächlich vernachlässigen zu<br />
wollen. [...] Es muss im ganzen gelingen, im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag Kraft<br />
und Schönheit zum <strong>Aus</strong>druck zu bringen.“ 767<br />
Löbel for<strong><strong>de</strong>r</strong>te ferner, die Schiedsrichter nicht zu einer Zweiteilung in Wasser-<br />
und Körperarbeit zu nötigen. Der Gesamteindruck <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft sollte mit<br />
einer einzigen Wertung beurteilt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn „Körperarbeit an sich und al-<br />
lein dürfte überhaupt nicht gewertet wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn die schönste Figur kann<br />
mit grundfalschem Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verbun<strong>de</strong>n sein!“ 768 Köhler hingegen bestand<br />
1932 darauf, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamteindruck durchaus mitbewertet wer<strong>de</strong>n müsse<br />
und empfahl daher:<br />
„Äußerlichkeiten können <strong>de</strong>n Gesamteindruck einer Mannschaft<br />
verbessern o<strong><strong>de</strong>r</strong> verschlechtern. Eine körperlich gleichmäßige<br />
Mannschaft wird harmonischer wirken als ein Durcheinan<strong><strong>de</strong>r</strong> von<br />
Sitzriesen und Zwergen o<strong><strong>de</strong>r</strong> von Schwer- und Leichtgewichten.<br />
Selbst stark verschie<strong>de</strong>ne Frisuren – wallen<strong>de</strong> Locken, kurzer Tituskopf<br />
– können die Gesamtharmonie merklich stören.“ 769<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> müsse zu erkennen sein, dass neben <strong><strong>de</strong>r</strong> selbstverständlichen<br />
Schönheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortgang <strong>de</strong>s Bootes durch <strong>de</strong>n richtigen Ge-<br />
brauch <strong><strong>de</strong>r</strong> Kräfte ausgelöst wer<strong>de</strong>, da die Blattarbeit das Gesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kör-<br />
perbewegung diktiere. 770<br />
Löbel mel<strong>de</strong>te sich im Herbst 1937 nochmals zur Wort und stellte die<br />
Zweckmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Richtlinien nach <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Saison zur Diskussi-<br />
on. Er kam zu <strong><strong>de</strong>m</strong> Schluss, dass allgemein verstan<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n war,<br />
„daß Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Vorwärtskommen da ist. Nirgends sah man<br />
mehr das mü<strong>de</strong> Dahinschleichen von im Boot Haltungsgymnastik<br />
vorführen<strong>de</strong>n Mädchen. Die Richtlinien sprechen ja auch gera<strong>de</strong><br />
in dieser Hinsicht eine sehr <strong>de</strong>utliche Sprache, wenn sie von ‘lebendigem<br />
Zug’, von ‘kraftvollem Beinstoß’, vom ‘Blatt durchs<br />
767 R. LÖBEL, „Das Frauen-Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf neuem Wege. Die natürliche Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik in <strong>de</strong>n<br />
neuen Richtlinien“, in: Wassersport 55(1937)10, S. 174.<br />
768 Ebenda.<br />
769 KÖHLER, „Wertungskontrolle bei Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben“, S. 299.<br />
770 Vgl. LÖBEL, „Das Frauen-Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf neuem Wege. Die natürliche Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik in<br />
<strong>de</strong>n neuen Richtlinien“, S. 174.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 197<br />
Wasser treiben’, von <strong><strong>de</strong>r</strong> ‘Kupplung aller Triebkräfte’ zur Steigerung<br />
<strong>de</strong>s Durchzugs re<strong>de</strong>n.“ 771<br />
Schwierig gestalte sich, so Löbel weiter, trotz aller Fortschritte das Schieds-<br />
richterproblem. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Umstel-<br />
lung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns auf die natürliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>weise in <strong>de</strong>n neuen<br />
Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zwar theoretisch berücksichtigt wer<strong>de</strong>,<br />
die praktische Anwendung aber noch nicht überall stattgefun<strong>de</strong>n habe. Um<br />
diesen Missstand zu beheben, wur<strong>de</strong>n alle Interessierten vom Verband nach<br />
Berlin eingela<strong>de</strong>n, um die theoretische und praktische Arbeit <strong>de</strong>s Schieds-<br />
richters kennen zu lernen. 772 Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s angesprochen wur<strong>de</strong>n Frauen, da<br />
sie in <strong>de</strong>n letzten Jahren Eigenschaften entfaltet und Kräfte entwickelt hätten,<br />
die sie befähigten, führend und selbst gestaltend ihre eigenen sportlichen<br />
Interessen und Vereinsbelange zu vertreten. Daher sei es selbstverständlich,<br />
dass auch das Schiedsrichterproblem von Frauen gelöst wer<strong>de</strong>n müsste. 773<br />
Das Ergebnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung in Berlin im November 1937 wur<strong>de</strong> von allen Betei-<br />
ligten positiv empfun<strong>de</strong>n. Als Grundkonsens war vereinbart wor<strong>de</strong>n, dass nur<br />
eine einheitliche Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong> das Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Grund- und Vorbedingung <strong>für</strong> die Erhaltung und Weiterentwicklung<br />
<strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns sei. Die Teilnehmer beschlossen, dass Rhythmus und Zu-<br />
sammenarbeit in das Urteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Schiedsrichter mit einzubeziehen seien. Der<br />
praktische Teil war geprägt durch Vorführungen verschie<strong>de</strong>ner Mannschaf-<br />
ten aus Berlin und Leipzig im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>becken und auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser in Doppel-<br />
zweiern. 774 Lotte Clos, die in Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kreisen angesehen und anerkannt war,<br />
äußerte sich hoffnungsvoll, dass diese Veranstaltung auch in West- und<br />
Süd<strong>de</strong>utschland abgehalten wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, um die Vereinheitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Technik weiter voran zu treiben. 775<br />
Im Jahr <strong>de</strong>s ersten DMR 1939 wur<strong>de</strong>n die Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong><br />
das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, die bislang <strong>de</strong>n Status eines Son<strong><strong>de</strong>r</strong>gesetzes hatten, in<br />
die Allgemeinen Wettfahrtbestimmungen <strong>de</strong>s DRV aufgenommen. Dem vo-<br />
771 R. LÖBEL, „Sind wir 1937 im Frauenstilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vorangekommen? Ein Jahr praktische Erprobung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Richtlinien“, in: Wassersport 55(1937)44, S. 1094.<br />
772 REUSS, Wilhelm, „Und nun – das Schiedsrichterproblem! Die Abteilung <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
greift ein. Schiedsrichterlehrgang am 14. Nov. in Berlin-Grünau“, in: Wassersport<br />
55(1937)44, S. 1095.<br />
773 Vgl. ebenda.<br />
774 Vgl. L. CLOS, „Stilrichterfrauen sprachen sich aus in Grünau!“, in: Wassersport<br />
55(1937)47, S. 1153.<br />
775 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 198<br />
rangegangen war eine nochmalige Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> Punktezahl auf 20, wobei<br />
das Rangsystem erhalten blieb.<br />
Trotz dieser gelungenen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen verlor das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n immer mehr an<br />
Be<strong>de</strong>utung. Mögliche Grün<strong>de</strong> sind zum einen in <strong><strong>de</strong>r</strong> vermehrten Anerken-<br />
nung <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu suchen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en in <strong><strong>de</strong>r</strong> späten Einführung<br />
<strong>de</strong>s Rennbootes in Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben. Schließlich begannen viele <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennboote. Die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Leichtgewichtsklasse im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n för<strong><strong>de</strong>r</strong>te diese Entwicklung, da viele<br />
leichtere Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen darin ihre Chance erkannten und <strong>de</strong>n Sport nicht<br />
mehr als reinen Zeitvertreib sahen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als richtigen Leistungssport. Ein<br />
weiterer Vorteil war, dass sie sich im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht mehr <strong><strong>de</strong>m</strong> subjektiven<br />
Diktat <strong><strong>de</strong>r</strong> Punktrichter beugen mussten. 776<br />
Becker erwähnt zu<strong><strong>de</strong>m</strong>, dass Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n keine Anerkennung als Meister-<br />
schaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n fand, da <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemalige Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>er und damalige Fachamts-<br />
leiter Pauli sich offensichtlich nicht durchringen konnte, einen Wettbewerb<br />
mit einem Meistertitel zu krönen, <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht auf Schnelligkeit basierte.<br />
Lehmann 777 fasste die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatten <strong>de</strong>s DDRV im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
von 1919 bis 1929 zusammen:<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929<br />
Abb. 2: Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatten im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s DDRV von 1919 bis 1929<br />
Die erstmalig 1919 ausgeschriebenen Rennen wur<strong>de</strong>n im Gig-Einer mit<br />
Steuermann, im Gig-Doppelzweier mit Steuermann und im Gig-Doppelvierer<br />
776 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 91.<br />
777 Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 48.<br />
Wettbewerbe<br />
gestartete Boote
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 199<br />
mit Steuermann ausgefahren. Der eigentliche Höhepunkt war bereits 1924<br />
erreicht, als 64 Boote in zehn Rennen auf Verbandsregatten <strong>de</strong>s DDRV an<br />
<strong>de</strong>n Start gingen. Danach waren die Mel<strong>de</strong>zahlen rückläufig. Die höhere<br />
Starterzahl 1929 kann mit <strong><strong>de</strong>r</strong> zehnjährigen Jubiläumsregatta <strong>de</strong>s DDRV in<br />
Berlin erklärt wer<strong>de</strong>n, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> viele Vereine nicht, wie sonst üblich, die hohen<br />
Transport- und Reisekosten scheuten.<br />
Trotz aller Bemühungen von Seiten bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> markierte das Jahr<br />
1937 <strong>de</strong>n Wen<strong>de</strong>punkt im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Erstmalig wur<strong>de</strong>n in diesem Jahr mehr<br />
Wettbewerbe im Rennboot als im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausgeschrieben. 1936 starteten<br />
noch 365 Boote in 124 Wettbewerben im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Dem gegenüber stan<strong>de</strong>n<br />
45 Veranstaltungen, an <strong>de</strong>nen 100 Boote teilnahmen. Ernst Altrock 778 fasste<br />
diese Entwicklung statistisch zusammen, zur besseren Gegenüberstellung<br />
wer<strong>de</strong>n die Wettbewerbe im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit aufgeführt:<br />
Abb. 3: Wettbewerbe und gestartete Boote im Renn- und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von 1933 bis 1939<br />
Obwohl die Mel<strong>de</strong>zahlen zurückgingen, blieb das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
Regattakalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s. 1941 analysierte Bruno Fertig, selbst großer Anhänger<br />
dieser Wettkampfform, die Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>probleme <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. Er vertrat die The-<br />
se, dass es, solange ein offensichtliches Bedürfnis befriedigt wer<strong>de</strong>, die<br />
Pflicht bleibe, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Vervollkommnung <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu arbeiten und be-<br />
stehen<strong>de</strong> Mängel zu beseitigen o<strong><strong>de</strong>r</strong> diese so klein wie möglich zu halten. 779<br />
778 Vgl. ALTROCK, Probleme <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 54.<br />
779 Vgl. B. FERTIG, „Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>probleme <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Wassersport 59(1941)39, S. 475-476.<br />
Ferner B. FERTIG, „Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>probleme <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Wassersport 59(1941)40, S. 492-<br />
493.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 200<br />
Durch die Hinwendung zum natürlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stil sei das Stilproblem prak-<br />
tisch gelöst, ein Zustand, <strong>de</strong>n Fertig <strong>de</strong>n Schiedsrichtern nicht zu bescheini-<br />
gen vermochte. Er vertrat zu<strong><strong>de</strong>m</strong> die Meinung, dass technische Defizite nicht<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n Fähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelnen lägen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n an fehlen<strong>de</strong>n<br />
Übungsmöglichkeiten. Da die Reisespesen auswärtiger und erfahrener<br />
Kampfrichter häufig das Budget <strong>de</strong>s Veranstalters überstiegen, for<strong><strong>de</strong>r</strong>te er<br />
mehr Wettkampfgelegenheiten mit entsprechend abgestuften Beschränkun-<br />
gen:<br />
„Hoffentlich bescheren uns die Erfahrungen mit <strong>de</strong>n mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
weniger zwanglosen, vielfach mit beschränkten finanziellen und<br />
technischen Mitteln durchgeführten Kriegsregatten auch <strong>für</strong> die<br />
Nachkriegszeit überall die Einsicht, daß es möglich, nein, daß es<br />
sogar nötig ist, neben <strong>de</strong>n gewohnten reichsoffenen Regatten alle<br />
paar Wochen ohne <strong>de</strong>n Aufwand <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Regatten örtliche<br />
Wettkämpfe durchzuführen, die <strong>de</strong>n Wettkämpfern häufigere<br />
Startmöglichkeiten und <strong>de</strong>n Punkt- und Schiedsrichtern vermehrte<br />
Einsatzmöglichkeiten bieten.“ 780<br />
Dem Rangreihen-System bescheinigte er, dass es alle Fehlurteile, soweit<br />
dies bei subjektiver Bewertung überhaupt möglich sei, ausschließe, da die<br />
Rangfolge und nicht die absolute Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong> Punkte die wesentliche Grundla-<br />
ge <strong>für</strong> die Gesamtwertung sei. 781 Fertig konstatierte, dass die Punktewertung<br />
überhaupt nur eine technische Erleichterung und Gedächtnisstütze <strong>für</strong> die<br />
Aufstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rangreihe darstelle. Bei kleinen Fehlern könnte daher auf<br />
Punkte ganz verzichtet wer<strong>de</strong>n. 782 Nichts<strong>de</strong>stotrotz räumte er ein, dass bei<br />
weniger geübten Kampfrichtern <strong><strong>de</strong>r</strong> Verzicht auf die primäre Punktewertung<br />
zur Ermittlung <strong>de</strong>s Endresultats nicht empfehlenswert sei, da die Gefahr be-<br />
stehe, dass gelungene Einzelelemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung überbewertet<br />
wür<strong>de</strong>n. Das sei wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um kontraproduktiv bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung <strong>de</strong>s Gesamt-<br />
eindrucks.<br />
Fertig mahnte, <strong>de</strong>n Abstand <strong><strong>de</strong>r</strong> vorbeifahren<strong>de</strong>n Boote so klein zu halten,<br />
dass das erste Boot noch im Blickfeld <strong>de</strong>s Schiedsrichters sei, wenn das<br />
zweite querab ru<strong><strong>de</strong>r</strong>e und das dritte auch schon zu beobachten sei. Wün-<br />
schenswert wäre auch, dass zwei gleichwertigen Mannschaften, <strong>de</strong>nen das<br />
780 Ebenda, S. 475.<br />
781 Vgl. ebenda.<br />
782 Vgl. ebenda, S. 492.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 201<br />
Los weit auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong> liegen<strong>de</strong> Startplätze beschert habe, die Möglichkeit<br />
gegeben wür<strong>de</strong>, nochmals in einem Stichkampf antreten zu können. 783<br />
Im März 1941 mel<strong>de</strong>te sich eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in zu Wort, die eine öffentliche Stilru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>wertung for<strong><strong>de</strong>r</strong>te, da das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zweifellos das Sorgenkind <strong>de</strong>s Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns sei. Sie begrün<strong>de</strong>te dies mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, dass das Publikum<br />
je<strong>de</strong>n Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerb auf Regatten mit Desinteresse verfolge und sich<br />
meistens sogar abwen<strong>de</strong>, da die Ergebnisse nur auf Papier festgehalten<br />
wur<strong>de</strong>n und damit <strong>für</strong> die Zuschauer nicht nachvollziehbar waren. 784 Sie<br />
schlug vor, Tafeln aus Holz anfertigen zu lassen, die dann nach Durchfahrt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Boote direkt und offen hochgehoben wer<strong>de</strong>n sollten. Davon versprach<br />
sie sich eine Belebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatta und ein gesteigertes Interesse an <strong>de</strong>n<br />
Darbietungen <strong><strong>de</strong>r</strong> starten<strong>de</strong>n Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen.<br />
Daraufhin stellte Fertig fest, dass nichts gegen diese Metho<strong>de</strong> spreche, falls<br />
man davon eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Publikumswirkung erhoffe. Allerdings gab er zu<br />
be<strong>de</strong>nken, dass die Handhabung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Wertung auch Grenzen<br />
aufzeige, da die Kampfrichter bei einer Wettkampfstrecke von 1.000m zu<br />
weit voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> getrennt stehen wür<strong>de</strong>n, so dass die Zuschauer kaum von<br />
ihrem Standpunkt aus alle Punktrichter gleichzeitig beobachten könnten. 785<br />
Die Nachteile <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Wertung überwogen, so dass diese nach eini-<br />
gen Testläufen nicht eingeführt wur<strong>de</strong>.<br />
1942 wur<strong>de</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als <strong>Aus</strong>gleichsdisziplin in die Bedingungen <strong>de</strong>s<br />
Reichssportabzeichens aufgenommen. Die Prüfung musste nach wie vor von<br />
min<strong>de</strong>stens drei Schiedsrichtern abgenommen wer<strong>de</strong>n, allerdings war die<br />
Abnahme nicht zwangsläufig an eine Regatta gebun<strong>de</strong>n. Hieraus ergab sich<br />
ein Vorteil <strong>für</strong> alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sowie eine gleichzeitige Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis<br />
<strong>für</strong> das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
selbst überholte, da es auf lange Sicht nicht zeitgemäß war. Ursprünglich<br />
eingeführt, um die Vereinheitlichung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stils und die Verbreitung <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, wur<strong>de</strong> es seit <strong>de</strong>n 30er Jahren nur noch von we-<br />
nigen betrieben. Die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zog die „objektive“ Form <strong>de</strong>s<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns vor, die an keine subjektiven Bewertungsmaßstäbe gebun<strong>de</strong>n<br />
783 Vgl. ebenda.<br />
784 Vgl. E. GRETSCHEL, „Öffentliche Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wertung!“, in: Wassersport 59(1941)11, S. 131.<br />
785 Vgl. FERTIG, „Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>probleme <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, S. 492.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 202<br />
war. Bereits 1944 prognostizierte Ernst Altrock <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, dass es als<br />
Wettkampfform früher o<strong><strong>de</strong>r</strong> später einmal aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verschwin-<br />
<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung zum Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Opfer fallen wür<strong>de</strong>. 786 Das<br />
sollte allerdings noch bis 1971 dauern.<br />
5.6.2 Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Die verbesserten Möglichkeiten zur körperlichen Betätigung führten zu einem<br />
gesteigerten Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen am Wettkampfsport. Dies machte Neue-<br />
rungen im Regattawesen nötig. Die AfF achtete darauf, dass einerseits reine<br />
Frauenregatten veranstaltet wur<strong>de</strong>n und an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits ehemals gemischte<br />
Regatten auf Frauen begrenzt wur<strong>de</strong>n. 787<br />
Die Be<strong>für</strong>worter <strong>de</strong>s weiblichen Wettkampfsports bekannten sich ein<strong>de</strong>utig<br />
zur Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik nach Fairbairn und lehnten ein Stil- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
prinzipiell ab. Diese Einstellung entsprach Fairbairns Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>philosophie<br />
„Don’t sacrifice work to appearance“. 788 Borrmann bekräftigte seine Haltung,<br />
in<strong><strong>de</strong>m</strong> er das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als „Puppenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ bezeichnete, da dieser Stil we<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> natürlichen Bewegungsvorstellung entspreche noch über einen längeren<br />
Zeitraum hinweg durchgehalten wer<strong>de</strong>n könne. 789<br />
Borrmann bemühte sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt, das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen auf <strong>de</strong>n rich-<br />
tigen Weg zu bringen. Er konnte sein Vorgehen vor allem aus methodischer<br />
Sicht verständlich machen, da das Rennbootru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch die Hochschule<br />
geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong> und weil es „<strong><strong>de</strong>r</strong> Verfeinerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit dien[e]“ 790 und nicht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfbetätigung.<br />
Sein Werben <strong>für</strong> das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und das Training im Rennboot basierte auf<br />
<strong>de</strong>n durchweg positiven Erfahrungen, die er im Männerbereich gemacht hat-<br />
te. Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n for<strong><strong>de</strong>r</strong>te seiner Meinung nach eine unnatürliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewe-<br />
gung heraus, die nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Natürlichkeit <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schlages entsprach. Die<br />
Männer könnten dies längst im Rennboot praktizieren, weil<br />
786<br />
Vgl. ALTROCK, Probleme <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 46.<br />
787<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 83.<br />
788<br />
„Opfere nicht <strong>de</strong>ine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit zugunsten von äußerer Erscheinung.“ H. BORRMANN,<br />
„Ketzerische Gedanken zur Entwicklung im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 54(1936)50.<br />
S. 1110.<br />
789<br />
M. GÜSSOW, „Anmerkungen wie man natürlich zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n lehrt“, in: Wassersport<br />
54(1936)21, S. 395.<br />
790<br />
H. BORRMANN, „Zehn Jahre Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb an <strong><strong>de</strong>r</strong> DHfL“, in: Wassersport 48(1930)4, S.<br />
1001.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 203<br />
„die Haltungsbewegungen beim Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n so stark überspannt<br />
wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur als so gelenke, bewegliche graziöse<br />
Frauenrumpf wie Loths Weib zur Salzsäure erstarrt. Dauerspannung,<br />
Dauerversteifung stehen heute im Zeichen<br />
rhythmischer Gymnastik <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. [...] Also: kehrt zurück zur<br />
Natur!“ 791<br />
Borrmann attestierte <strong>de</strong>n Frauen ein „Gefühl <strong>für</strong> Anpassung an das, was<br />
Wasser, Wind, Wellen, Boot und Rollsitz diktieren“. 792 Diem äußerte sich<br />
ähnlich:<br />
„Die Revolution, die <strong>de</strong>n orthodoxen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stil bei Frauen und<br />
auch bei <strong>de</strong>n Männern verdrängte, hatte zur Folge, daß man <strong>de</strong>n<br />
Frauen Wettkampf gestattete und dabei <strong><strong>de</strong>m</strong> weiblichen Geschlecht<br />
endlich <strong>de</strong>n Wettkampf einräumte, womit man hätte anfangen<br />
sollen. Wenn man <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Wettkampf <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen das<br />
Gesamtmaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Anstrengungen mit Recht vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n wollte,<br />
dann muß man mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Gewicht <strong>de</strong>s Bootes anfangen. Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
im Rennboot ist sehr viel mehr als das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gig<br />
statt einer Anstrengung Balancierkunst und so mag man mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verkürzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Strecke und <strong><strong>de</strong>r</strong> Benutzung <strong>de</strong>s Rennbootes das<br />
Maß an Anstrengung erreicht haben, das <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau nicht schädlich<br />
ist.“ 793<br />
Erstaunlicherweise wur<strong>de</strong> die Frage, ob Frauen skullen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Riemen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
sollten, weniger kontrovers diskutiert. Borrmann be<strong>für</strong>wortete das Skullen,<br />
<strong>de</strong>nn<br />
„die Sehnsucht nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Skullboot ist doch nicht unnatürlich.<br />
Man lasse also diejenigen skullen, die im Interesse ihrer Gesundheit,<br />
ihrer körperlichen Entwickelung [sic!] o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihres körperlichen<br />
Zustan<strong>de</strong>s ein Recht auf skullen haben: die Jugendlichen, die<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>er a. D., die Beleibten und die Frauen.“ 794<br />
Das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> allgemein als körperlich anstrengen<strong><strong>de</strong>r</strong> und tech-<br />
nisch anspruchsvoller angesehen. Es war eine männliche Domäne, die of-<br />
fensichtlich auch zur Abgrenzung <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zum Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
diente. Das Verbot <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong>für</strong> Frauen wur<strong>de</strong> vor allem von tradi-<br />
tionellen Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern forciert, die in diesem Bereich unter sich bleiben<br />
wollten. Die Anatomie <strong>de</strong>s weiblichen Körpers erlaubt prinzipiell bei<strong>de</strong> Betäti-<br />
gungsformen, allerdings waren die Riemenboote <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Zeit sehr<br />
791<br />
H. BORRMANN, „Betrachtungen über das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 46(1928)4, S.<br />
54.<br />
792<br />
Ebenda, S. 55.<br />
793<br />
[ohne Verfasser], „Dr. Diem über Frauen-Rennen“, in: Wassersport 58(1940)31, S. 389.<br />
794<br />
H. BORRMANN „Betrachtungen über das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 55.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 204<br />
breit und schwerfällig, so dass die schlankeren Skullboote ein besseres Erle-<br />
ben von Geschwindigkeit und Bootsbeherrschung mit sich brachten. Den-<br />
noch verfielen die Kritiker <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme, dass das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> längeren Innenhebel die Gesundheit, im speziellen die Brust, gefähr<strong>de</strong>.<br />
„Auch die Gefahr <strong>de</strong>s Schiefwer<strong>de</strong>ns durch die einseitige Belastung sei bei<br />
weniger knochen- und muskelstarken Frauenkörpern beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s groß“. 795<br />
Erschwert wur<strong>de</strong> diese Diskussion durch die Tatsache, dass in vielen Verei-<br />
nen aufgrund <strong>de</strong>s Mangels an Skullbooten die meisten Frauen mit Riemen-<br />
booten vorlieb nehmen mussten. Durch die Konzentration auf Rennen im<br />
Skullbereich fühlten sich viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen benachteiligt und for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten eine<br />
<strong>Aus</strong>schreibung von Riemenrennen. 1931 legte <strong><strong>de</strong>r</strong> DDRV in seinen Bestim-<br />
mungen fest, dass Skullboote zwar geeigneter seien, Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aber<br />
nicht generell abgelehnt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. 1942 wur<strong>de</strong> mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Verbot, Frauen-<br />
rennen in Riemenbooten auszuschreiben, die Diskussion been<strong>de</strong>t.<br />
Nach <strong>de</strong>n ersten erfolgreichen Regatten verschwand die Kritik an wettkämp-<br />
fen<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zwar nicht ganz, aber zumin<strong>de</strong>st konnten sich die Frauen<br />
frei entschei<strong>de</strong>n, ob sie Rennen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n betreiben wollten und hatten<br />
mehr Startoptionen als in vorangegangen Jahren.<br />
Die ersten Rennen wur<strong>de</strong>n 1921 im Einer (Klinkerskiff) und im Gig-<br />
Doppelvierer mit Steuermann ausgeschrieben. Bis 1924 blieb es bei diesen<br />
bei<strong>de</strong>n Bootsklassen. Der Gig-Doppelvierer mit Steuermann wur<strong>de</strong> 1925 zu-<br />
gunsten <strong>de</strong>s Junior-Gig-Doppelvierers mit Steuermann aufgegeben, um An-<br />
fängern eine Siegeschance zu gewähren.<br />
795 BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 39.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 205<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929<br />
Abb. 4: Entwicklung <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns von 1921 bis 1929 über 1.000m<br />
1926 wur<strong>de</strong>n Rennen in fast allen Bootsklassen 796 ausgeschrieben: Einer<br />
(Klinkerskiff), Gig-Doppelzweier mit Steuermann, Gig-Doppelvierer mit Steu-<br />
ermann und erstmalig auch Gig-Doppelvierer mit Steuermann als Schlag-<br />
zahlrennen 797 über 500m. Das Schlagzahlrennen fand nur in diesem Jahr<br />
statt, erst in <strong>de</strong>n 30er Jahren kam es wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen Wettbewerben.<br />
1928 wur<strong>de</strong>n nur auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatta in Potsdam Rennen im Einer und im Gig-<br />
Doppelzweier angeboten, die aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Mel<strong>de</strong>zahl allerdings<br />
ausfielen. 1929 wur<strong>de</strong> das erste Rennen im Renneiner ausgefahren, das<br />
Klinkerskiff wur<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> aufgegeben. Allerdings mel<strong>de</strong>ten nur drei Boote<br />
eines Vereins, so dass auch dieses Rennen nicht gestartet wur<strong>de</strong>. 798<br />
Im Bereich Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n hatten die Frauen nur langsam vermehrte Startoptio-<br />
nen. Erst in <strong>de</strong>n 30er Jahren konnten größere Teilnehmerfel<strong><strong>de</strong>r</strong> verzeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n. 1930 starteten lediglich neun Boote in Rennen. Dem gegenüber<br />
stan<strong>de</strong>n immer noch 200 Boote im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Durch die Anerkennung <strong>de</strong>s<br />
Wettkampfwesens und die vermehrten Startmöglichkeiten stieg die Anzahl<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Boote in Rennen in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n neun Jahren stetig. 1935 starteten<br />
bereits 132 Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>mannschaften bei 330 im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Nur drei Jahre<br />
796 Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 49.<br />
797 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 5.6.4 zum Schlagzahlru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
798 Vgl. ebenda.<br />
Wettbewerbe/Bootsklasse<br />
gestartete Boote
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 206<br />
später konnten mit 272 gestarteten Rennbooten erstmals mehr Teilnehmer in<br />
Rennen als im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit 218 verzeichnet wer<strong>de</strong>n. 799<br />
1935 sah sich die AfF aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrungen veranlasst, eine Trainings-<br />
ordnung <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen herauszugeben. Das Niveau auf <strong>de</strong>n meisten Regat-<br />
ten war laut DRV „ansprechend“. Der Verband wollte verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, dass das<br />
so mühsam erarbeitete Ansehen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit und in <strong>de</strong>n eigenen<br />
Reihen durch Sportlerinnen mit schlechter Technik und mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Konditi-<br />
on konterkariert wur<strong>de</strong>. Berta Pally führte als Vorsitzen<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF noch wei-<br />
tere Grün<strong>de</strong> an:<br />
„Die trainieren<strong>de</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in muß wissen, daß sie mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Training<br />
Pflichten übernimmt, die sie zu erfüllen hat, um zu verhüten, daß<br />
sie nicht nur sich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die ganze Mannschaft gefähr<strong>de</strong>t.<br />
Mehr <strong>de</strong>nn je steht heute <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauensport im Dienste <strong>de</strong>s Volksganzen<br />
[...]. Gera<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport steht als Mannschaftssport<br />
erzieherisch an erster Stelle, und ein gewissenhaftes durchgeführtes<br />
Training för<strong><strong>de</strong>r</strong>t Entschlußfreudigkeit, Willenskraft, Lebensfreu<strong>de</strong>,<br />
Gemeinschaftssinn und Kameradschaft [...].“ 800<br />
Die zum Training bereiten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen verpflichteten sich erstmalig gegen-<br />
über <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinsführung durch Unterschrift und Handschlag, <strong>de</strong>n Vorschrif-<br />
ten <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsordnung und <strong>de</strong>n Anweisungen <strong>de</strong>s Trainers und <strong>de</strong>s<br />
Sportausschusses gewissenhaft nachzukommen.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsordnung von 1935 heißt es:<br />
„Die Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsfahrten wird vom Trainer unter Berücksichtigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Berufspflichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen festgesetzt und ist<br />
pünktlich einzuhalten [...].<br />
Den Anordnungen <strong>de</strong>s Trainers ist wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruchslos nachzukommen.<br />
Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen haben sich während <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingszeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Überwachung<br />
durch einen Sportarzt zu unterziehen. Bei gesundheitlichen<br />
Störungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unpäßlichkeit ist in erster Linie <strong><strong>de</strong>m</strong> Trainer<br />
hiervon Mitteilung zu machen.<br />
Je<strong>de</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in hat <strong>de</strong>n ihr zugeteilten Platz im Boot sowie ihre<br />
Skulls sorgfältig instand zu halten und je<strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n sofort zu<br />
mel<strong>de</strong>n.<br />
799 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 84.<br />
800 B. PALLY, „Trainings-Ordnung jetzt auch <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Wassersport 53(1935)11, S.<br />
175.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 207<br />
Auf eine geregelte Lebensweise ist streng zu achten. Um sich im<br />
Training die nötige Frische zu bewahren, ist es unbedingt nötig,<br />
<strong>für</strong> ausreichen<strong>de</strong>n Schlaf bei min<strong>de</strong>stens acht Stun<strong>de</strong>n Nachtruhe<br />
zu sorgen. Der Genuß von Alkohol und Nikotin ist streng verboten.<br />
Während <strong>de</strong>s Trainings sind nur Übungsfahrten unter Aufsicht <strong>de</strong>s<br />
Trainers gestattet. Unbeaufsichtigte Tagesfahrten sind auf je<strong>de</strong>n<br />
Fall zu unterlassen.<br />
Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen haben sich eines kameradschaftlichen Verkehrs<br />
untereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> zu befleißigen und sich zu bemühen, etwa entstehen<strong>de</strong><br />
Verstimmungen alsbald zu beseitigen.<br />
Die Entlassung aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Training und die Entbindung von allen<br />
übernommen Pflichten kann nur durch die Vereinsführung ausgesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Wünscht eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in vorzeitig aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Training entlassen zu<br />
wer<strong>de</strong>n, so hat sie <strong><strong>de</strong>m</strong> Trainer bzw. <strong><strong>de</strong>m</strong> Sportausschuß hiervon<br />
Meldung zu machen. Lehnt dieser <strong>de</strong>n Antrag wegen ungenügen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Begründung ab, so ist das Training mit vollem Eifer fortzusetzen.<br />
[...]<br />
Nichtbefolgung <strong><strong>de</strong>r</strong> gegebenen Vorschriften kann sofortige Entlassung<br />
aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Training und <strong>Aus</strong>schluß aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Verein nach sich<br />
ziehen.“ 801<br />
Wie straff das Training durchorganisiert war, kommentierte Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>in Inge<br />
Oehlenschläger: „Täglich, außer Montags, wur<strong>de</strong> trainiert, aber vorläufig zu<br />
unserem Kummer nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gig.“ 802 Zusammen mit ihrer Partnerin Frie<strong>de</strong>l<br />
Schneegaß begann das gemeinsame Training im Januar und Februar im<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>becken. Sonntags wur<strong>de</strong>n größere Fahrten unternommen, samstags<br />
individuell im Skiff trainiert. Nach langer Übungsphase durften die bei<strong>de</strong>n<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ins Rennboot wechseln. Schließlich begann ihre Wettkampfkar-<br />
riere bei einer Regatta in Kassel. 1939 wur<strong>de</strong>n sie Deutsche Meisterinnen im<br />
Doppelzweier. Ohlenschläger erwähnt auch die Anstrengungen, die das<br />
Training mit sich brachte:<br />
„Man kann es nicht beschreiben, aber es ist so schön, daß es je<strong>de</strong><br />
Mühe und Arbeit und je<strong>de</strong> Entbehrung, die man durch das Training<br />
auf sich nimmt, wie<strong><strong>de</strong>r</strong> wettmacht. Denn leicht ist so ein Trai-<br />
801 Ebenda.<br />
802 I. OEHLENSCHLÄGER, „Training, Kampf und Sieg im Rennboot. Der Weg zur ersten Frauenmeisterschaft<br />
im Doppelzweier“, in: Wassersport 58(1940)6, S. 67.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 208<br />
ning nicht. Es verlangt ganzen Einsatz und Zurückstellung jeglicher<br />
persönlicher Interessen.“ 803<br />
Oehlenschläger nutzte ihre prominente Position, um Werbung <strong>für</strong> das Frau-<br />
enrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu machen und wies zugleich alle Argumente zurück, die es<br />
als gesundheitsschädigend einstuften. Sie stellt klar, dass sie in ihrer fünfjäh-<br />
rigen Trainingszeit unter <strong>de</strong>n oben angegebenen Bedingungen nicht eine<br />
Kameradin hatte, die während <strong>de</strong>s Trainings aus gesundheitlichen Grün<strong>de</strong>n<br />
aufhören musste:<br />
„Im Gegenteil, die Sportärztin, die uns vor, während und nach <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Training untersuchte, war je<strong>de</strong>s Mal nach been<strong>de</strong>tem Training<br />
sehr zufrie<strong>de</strong>n mit uns und je<strong>de</strong>s Mal von neuem erstaunt über<br />
unsere Frische und unsere gesun<strong>de</strong> und kräftige Körperverfassung.“<br />
804<br />
Oehlenschläger versuchte auch das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n weiter zu propagieren, in<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
sie es als Vorbedingung <strong>für</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n klassifizierte. Nur eine Mannschaft,<br />
die wirklich gut ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te, konnte ihrer Meinung nach ins Rennboot steigen.<br />
„Aber Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist schöner und befriedigen<strong><strong>de</strong>r</strong> und alle Kameradinnen,<br />
die je ein Renntraining mitgemacht haben, wer<strong>de</strong>n mir<br />
begeistert zustimmen, wenn ich sage ‘Es lebe die<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei!’“ 805<br />
Diese Ansicht teilten viele Frauen. Eine Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>in aus Berlin erläuterte<br />
diese Faszination und Motivation:<br />
„Die eine dachte sofort an die Regatten und die ‘Töpfe’, eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
freute sich auf das schnittige Rennboot und die letzten bei<strong>de</strong>n<br />
fühlten auch erst nichts weiter als diesen Stolz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Aus</strong>erwählten’. [...] Dann kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag, an <strong><strong>de</strong>m</strong> wir zum erstenmal<br />
die Rennskulls in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n halten durften. Hintereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> mit<br />
einer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sorgfalt brachten wir sie zum Steg. Und es fiel<br />
uns, während wir so hintereinan<strong><strong>de</strong>r</strong> gingen, auf, wie verhältnismäßig<br />
groß und ‘sportlich’ wir aussahen, und wir fühlten uns damals<br />
schon äußerlich etwas verbun<strong>de</strong>n.“ 806<br />
Für viele Frauen war das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n etwas Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es, was aus heutiger<br />
Sicht als Anerkennung von Leistung interpretiert wer<strong>de</strong>n kann. Schließlich<br />
mussten sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>n Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsgruppe und im Renn-<br />
803<br />
Ebenda, S. 68.<br />
804<br />
I. OEHLENSCHLÄGER, „Ein Wort <strong>für</strong> das Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 55(1937)7, S.<br />
243.<br />
805<br />
Ebenda, S. 244.<br />
806<br />
U. BALTHASAR, „Wir Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Wassersport 59(1941)43, S. 524.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 209<br />
boot in Jahren endloser „Kilometerbolzerei“ in <strong>de</strong>n Gigbooten erarbeiten.<br />
Dieses Gefühl, zunächst oft durch Angst geprägt, entwickelte sich häufig<br />
aber zu purer Freu<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewegung und Geschwindigkeit:<br />
„Hm, das war also Rennbootru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Kein Pappenstiel. Keine Vergnügungsfahrten.<br />
Keine plätschern<strong>de</strong>n Erzählungen über die neuesten<br />
Klubereignisse im Boot. Das war etwas ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>es. Da<br />
hieß es sich zusammenzunehmen! Da hieß es nicht bolzen – feste,<br />
gib ihm – son<strong><strong>de</strong>r</strong>n es verlangte eine durch <strong>de</strong>n Verstand bis<br />
aufs letzte bedachte Verausgabung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kraft. Da hieß es Stärke<br />
<strong>de</strong>s Körpers, Stärke <strong>de</strong>s Willens, <strong><strong>de</strong>r</strong> Konzentration. Und wie<br />
schön, als das Boot die ersten sauberen Schläge fühlte und lautlos<br />
und fe<strong><strong>de</strong>r</strong>leicht dahinschoß!“ 807<br />
Als allgemein die Tatsache akzeptiert wur<strong>de</strong>, dass die <strong>für</strong> das Boot gelten<strong>de</strong>n<br />
physikalischen Grundgesetze zwischen Männern und Frauen keinen Unter-<br />
schied machten, waren die Frauen gezwungen, sich einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Problem<br />
zuzuwen<strong>de</strong>n: Schwere Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen hatten im Rennen, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s bei Ge-<br />
genwind, gegenüber leichten Athletinnen offenbar einen nicht unerheblichen<br />
Vorteil. Ein Blick in die mit Gewichtsangaben versehenen Meisterschaftsre-<br />
gatten bestätigt dies. So liefen zum Beispiel die Renndoppelvierer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Re-<br />
gel in <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihe ihrer Gewichte durch das Ziel. 808 Deshalb, so einige Kritiker,<br />
müsste bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen nicht mehr das Los entschei<strong>de</strong>n, son-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Gewicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft. Die Mehrarbeit, die dadurch <strong>für</strong> <strong>de</strong>n aus-<br />
richten<strong>de</strong>n Regattaverein entstehe, sei in <strong>de</strong>n Augen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kritiker unerheblich.<br />
Darüber hinaus wür<strong>de</strong>n dadurch alle starten<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gleiche Sieges-<br />
aussichten haben. 809 Insgesamt wur<strong>de</strong> die Einführung einer Leichtgewichts-<br />
klasse durch die AfF als äußerst fortschrittlich und begrüßenswert bewertet:<br />
„Denn nun haben die schlankeren Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen – ich erinnere<br />
an die kleine, aber gute Skullerin Lucie Ebel aus Worms – die<br />
Gewißheit, daß ihr ru<strong><strong>de</strong>r</strong>isches Können nicht nur durch die größere<br />
Masse schwerer Amazonen einfach ausgeschaltet wer<strong>de</strong>n<br />
kann.“ 810<br />
Nach sorgsamer Überprüfung wur<strong>de</strong> 1940 die Gewichtsobergrenze auf 60 kg<br />
festgelegt. Die Gewichtsklasse wur<strong>de</strong> zunächst nur <strong>für</strong> Einer und Doppel-<br />
807<br />
Ebenda.<br />
808<br />
Vgl. [S. W.], „Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen führen die Leichtgewichtsklasse ein!“, in: Wassersport<br />
58(1940)32, S. 400.<br />
809<br />
Vgl. E. GÖRITZ, „Gedanken zum Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 58(1940)27, S. 326.<br />
810<br />
[S. W.], „Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen führen die Leichtgewichtsklasse ein!“, S. 400.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 210<br />
zweier angewandt. Die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtgewichtsklasse im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frau war ein weiterer Schritt auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Weg, die rennsportliche Basis <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu vergrößern. Allerdings kam es aufgrund <strong>de</strong>s Zweiten Welt-<br />
kriegs 1941 zu wenigen Regatten, so dass diese Maßnahme zunächst nicht<br />
<strong>de</strong>n erwünschten Erfolg erzielen konnte. 811<br />
Eine große Unterstützung erfuhren die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in ihren Bemühungen um<br />
das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch die allseits anerkannte Ärztin Dr. Alice Profé, die das<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Artikeln in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport als zu eckig und zu steif<br />
charakterisierte und daher als völlig sinnlos darstellte. Ihrer Meinung nach<br />
stellten <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampf und das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n keine größeren Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
an <strong>de</strong>n weiblichen Körper als an <strong>de</strong>n männlichen. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> betonte sie,<br />
dass bei vernünftigem Training keinerlei Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Überanstrengung beste-<br />
he. 812<br />
Frauen wie Güssow sprachen sich primär aus gesundheitlichen Grün<strong>de</strong>n<br />
gegen das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits gab es Argumente, die auf die<br />
schlechte wirtschaftliche Lage zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 30er Jahre in Deutschland zu-<br />
rückzuführen waren, da Frauen aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelbelastung in Beruf und<br />
Alltag nicht durch das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zusätzlich belastet wer<strong>de</strong>n sollten. Darü-<br />
ber hinaus, so einige Kritiker, sei es zu teuer, was zunächst zu <strong>Aus</strong>tritten,<br />
später zum Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gang <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns führen könne. 813<br />
Be<strong>für</strong>worter <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns dagegen verwiesen auf das Selbstbestim-<br />
mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen:<br />
„Die Ästhetikargumente ließen sie nicht gelten, <strong>de</strong>nn über Geschmack<br />
ließe sich nicht streiten und die technische Vollendung<br />
ist eine Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit und <strong>Aus</strong>bildung, und steht in keiner Beziehung<br />
zu unserer Eigenschaft als Frau.“ 814<br />
Dennoch dauerte es länger als erwartet, das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n einerseits gesell-<br />
schaftlich und an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits in <strong>de</strong>n eigenen Reihen zu etablieren. Erst die Fu-<br />
sion <strong>de</strong>s DDRV mit <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV ermöglichte vielen Frauen das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da<br />
die finanziellen Konditionen günstiger waren. Die progressivere Einstellung<br />
gegenüber wettkämpfen<strong>de</strong>n Frauen tat ihr übriges.<br />
811<br />
Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 5.7 zu <strong>de</strong>n Regatten und Meisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen.<br />
812<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Vom Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong>-Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s“, in:<br />
Wassersport 47(1929)8, S. 121.<br />
813<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 74.<br />
814 Ebenda, S. 84
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 211<br />
5.6.3 Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Damen- und Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband in <strong>de</strong>n 30er Jahren viel <strong>für</strong> das<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n taten, hatte diese Wettbewerbssparte weiter mit steigen<strong><strong>de</strong>r</strong> Nicht-<br />
beachtung durch Zuschauer und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er sowie zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong> Unzufrie<strong>de</strong>n-<br />
heit <strong><strong>de</strong>r</strong> beteiligten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zu kämpfen. Hierauf reagierte die AfF in<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
sie 1933 die Mischform <strong>de</strong>s Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns einführte. Der DRV versprach<br />
sich eine größere Popularität:<br />
„Wir haben durch die Einführung <strong>de</strong>s Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns einen<br />
Weg gesucht, um <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n einen Schuß Kampfgeist, sichtbaren<br />
Kampfgeist, einzuimpfen. Kämpferischer Geist ist zwar<br />
auch beim gewöhnlichen Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vorhan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong> Mannschaft<br />
versucht, als Beste abzuschnei<strong>de</strong>n und feilt Wochen um<br />
Wochen an <strong><strong>de</strong>m</strong> Stil ihrer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, bis er sitzt und wettkampfbereit<br />
ist. Beschränkt sich nun das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n allein auf <strong>de</strong>n einen<br />
Punkt, hochvollen<strong>de</strong>tes Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu zeigen, so kommen beim Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
noch die drei Punkte: Start, Schnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Endspurt<br />
hinzu.“ 815<br />
Die Modalitäten <strong>für</strong> das Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong>n auch in <strong>de</strong>n Richtlinien und<br />
Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verankert. Das sehnlich erwünschte<br />
Kampfmoment wur<strong>de</strong> allerdings vom Verband restriktiv gehandhabt, <strong>de</strong>nn<br />
unter § 2, Absatz II. <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr 1933 fin<strong>de</strong>t sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Eintrag, dass Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Form und<br />
Schnelligkeit verbin<strong>de</strong>n soll, wobei auf die Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptwert zu legen<br />
ist. 816 Die Rennstrecke wur<strong>de</strong> auf 1.000m bei stehen<strong><strong>de</strong>m</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> schwach flie-<br />
ßen<strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser festgesetzt. Neu war, dass alle Boote gleichzeitig starteten<br />
und die Schiedsrichter diese begleiteten; die Bewertung erfolgte nach fol-<br />
gen<strong><strong>de</strong>m</strong> System:<br />
„Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Schiedsrichter bewertet das Starten mit 1-5 Punkten, die<br />
Strecke mit 1-10 Punkten, <strong>de</strong>n Endkampf mit 1-5 Punkten. Die<br />
erste durch das Ziel gehen<strong>de</strong> Mannschaft erhält außer<strong><strong>de</strong>m</strong> 3<br />
Punkte von je<strong><strong>de</strong>m</strong> Schiedsrichter, die zweite Mannschaft 1 Punkt<br />
von je<strong><strong>de</strong>m</strong> Schiedsrichter.“ 817<br />
Die Endbewertung basierte auf <strong><strong>de</strong>m</strong> allgemeinen Eindruck, <strong>de</strong>n je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schiedsrichter von <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Mannschaft hatte. Mann-<br />
815<br />
[ohne Verfasser], „Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, ein Erziehungsfaktor“, in: Wassersport 52(1934)24,<br />
S. 583.<br />
816<br />
Vgl. [ohne Verfasser] „Die Richtlinien und Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 28.<br />
817 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 212<br />
schaften, die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schiedsrichter als zu erschöpft eingestuft<br />
wur<strong>de</strong>n, hatten keine Siegeschance. Diese Maßnahme sollte gewährleisten,<br />
dass das Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich weiterhin am Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und nicht am Renn-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n orientierte. Die Punktevergabe war die gleiche wie beim herkömmli-<br />
chen Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, so dass maximal 100 Punkte erzielt wer<strong>de</strong>n konnten.<br />
Das erste durchgeführte Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Berlin 1933 wur<strong>de</strong> als großer<br />
Erfolg bezeichnet. Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> besseren Übereinstimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schiedsrichter<br />
schienen auch die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mehr Freu<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Art dieses Wettbewerbs<br />
zu haben und das Publikum bekam spannen<strong>de</strong> Kämpfe zu sehen. 818 Aller-<br />
dings wur<strong>de</strong>n bereits bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Veranstaltung auch die Nachteile dieser<br />
Wettkampfform sichtbar: Erstens die Überbewertung <strong>de</strong>s sportlichen Aspek-<br />
tes mit drei Punkten <strong>für</strong> das erste Boot im Ziel und zweitens <strong><strong>de</strong>r</strong> fehlen<strong>de</strong><br />
Anreiz <strong>für</strong> das übrige Feld zum Schnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei Überlegenheit eines Boo-<br />
tes. 819 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> kritisiert, dass nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Start, aber nicht die darauf<br />
folgen<strong>de</strong> Phase bewertet wur<strong>de</strong>. In <strong><strong>de</strong>r</strong> entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Phase <strong>de</strong>s Rennens<br />
vernachlässigten viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen das Streben nach einem korrekten Stil, da<br />
sie Punktabzüge in Kauf nahmen, um die Siegpunkte zu erreichen. 820 Beim<br />
Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollte aber eigentlich immer die Ästhetik und nicht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kampf im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund stehen. Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n stellte die Schiedsrichter<br />
ferner erneut vor große Probleme, da gera<strong>de</strong> die drei extra bewerteten Be-<br />
reiche einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Stil erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten, <strong><strong>de</strong>r</strong> prinzipiell eher <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
zuzuschreiben war.<br />
Obwohl das Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n ersten drei Jahren einen gleichmäßigen<br />
Aufschwung erfuhr, wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sinn dieser Rennen zu Beginn je<strong><strong>de</strong>r</strong> Regatta-<br />
saison diskutiert. Clos sprach sich <strong>für</strong> diese Disziplin aus und behauptete<br />
Anfang 1937, dass dort, wo Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n Richtlinien entsprechend ausge-<br />
übt wur<strong>de</strong>, es alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen begeistert hätte. 821 Sie for<strong><strong>de</strong>r</strong>te <strong>de</strong>shalb, das<br />
Stilrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n beizubehalten, da „<strong><strong>de</strong>r</strong> Lauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit die Zweifler eines Besse-<br />
ren belehrt und die Erkenntnis vertieft [hat], daß im Sport nichts ungesun<strong>de</strong>s<br />
ist, was mit Maß und Ziel betrieben wird“. 822 Das Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n för<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
818<br />
Vgl. O. KÖHLER, „Stil-Schnell-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“, in: Wassersport 51(1933)29, S. 632.<br />
819<br />
Vgl. ebenda.<br />
820<br />
Vgl. ebenda.<br />
821<br />
Vgl. L. CLOS, „Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Rennen auch 1937“, in: Wassersport 55(1937)7, S.<br />
123.<br />
822 Ebenda, S. 122.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 213<br />
laut Clos <strong>de</strong>n „flotten“, flüssigen Stil, an <strong><strong>de</strong>m</strong> alle ihre Freu<strong>de</strong> hätten und wo<br />
es außer<strong><strong>de</strong>m</strong> gelänge, bei einer Rennstrecke von 800m durch Start und<br />
Endkampf diese beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s lebendig zu gestalten, da diese Aspekte <strong>de</strong>n Be-<br />
dürfnissen <strong>de</strong>s gesun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports entsprächen: Kraft,<br />
<strong>Aus</strong>dauer und Eleganz. 823<br />
Dennoch war <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentliche Höhepunkt <strong>de</strong>s Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bereits 1935<br />
erreicht. Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Europameisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer in Berlin konn-<br />
ten die Frauen ihr Können im Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in vier Doppelachtern <strong>de</strong>-<br />
monstrieren. Pally bedauerte sehr, dass es sich dabei nicht um einen<br />
Wettbewerb han<strong>de</strong>lte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur um eine Huldigungsfahrt zu Ehren <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
anwesen<strong>de</strong>n Kamera<strong>de</strong>n. 824 Vier Doppelachter nebeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> sind aus heu-<br />
tiger Perspektive ein sehr ungewöhnliches, wohl aber auch sehr beeindru-<br />
cken<strong>de</strong>s Bild. Daher kann vermutet wer<strong>de</strong>n, dass die Vorbeifahrt die<br />
Zuschauer positiv überrascht hat. Dies wird von Pally bestätigt, die von be-<br />
geisterten Zurufen <strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen Kamera<strong>de</strong>n spricht. Der Lautsprecher<br />
begleitete die Boote beim Start und Näherkommen mit Worten wie „Schöne<br />
ausgeglichene Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit unserer weiblichen Kamera<strong>de</strong>n!“ 825 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Nach-<br />
lese wur<strong>de</strong> dies bewertet:<br />
„Alle Boote zeigten eine gute, einheitliche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit und verstärkten<br />
noch im Endkampf <strong>de</strong>n ästhetischen Gesamteindruck,<br />
<strong>de</strong>n die Propagandafahrt <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vor unseren<br />
ausländischen Gästen und <strong>de</strong>n übrigen Zuschauern hervorgerufen<br />
hatte.“ 826<br />
Das Einlagerennen brachte <strong>de</strong>n Frauen soviel Anerkennung wie selten zu-<br />
vor. Ein männlicher Autor attestierte <strong>de</strong>n Frauen sogar eine mehr als gelun-<br />
gene sportliche Darbietung:<br />
„Wenn man an all die Geduld <strong>de</strong>nkt, an die Anstrengungen und<br />
die Zähigkeit, die aufgebracht wur<strong>de</strong>n, um eine solche Darbietung<br />
voller Schönheit, Takt und Rhythmus und solcher Technik zu bringen,<br />
so ist man erschlagen. Wahrhaftig, die vier Klinker-Achter<br />
823 Vgl. ebenda.<br />
824 Vgl. B. PALLY, „Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Doppelachtern bei <strong>de</strong>n Europa-Meisterschaften“, in:<br />
Wassersport 53(1935)26, S. 583.<br />
825 Ebenda.<br />
826 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 214<br />
waren außeror<strong>de</strong>ntlich gut in Fahrt. Und, mein Gott, was <strong>für</strong> schöne<br />
Frauen waren diese Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen!“ 827<br />
Allerdings ließ sich diese Begeisterung nicht lange aufrechterhalten und die<br />
Kritik am Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nahm weiter zu. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s bemängelt wur<strong>de</strong> von<br />
<strong>de</strong>n Be<strong>für</strong>wortern <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns die Tatsache, dass aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> differie-<br />
ren<strong>de</strong>n Punktevergabe <strong>für</strong> Geschwindigkeit und Stil das erste Boot nicht<br />
prinzipiell siege, so dass lieber direkt ein richtiges Rennen gefahren wer<strong>de</strong>n<br />
sollte. 828 Immer mehr Rennen mussten zu<strong><strong>de</strong>m</strong> wegen einer zu geringen Be-<br />
teiligung abgesagt wer<strong>de</strong>n. Das veranlasste <strong>de</strong>n DRV, das Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
we<strong><strong>de</strong>r</strong> zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n noch zu verbieten. In <strong>de</strong>n Richtlinien und Bestimmungen<br />
aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr 1939 wur<strong>de</strong> <strong>für</strong> die Frauenwettbewerbe festgelegt:<br />
„Das Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann natürlich auch beibehalten wer<strong>de</strong>n,<br />
da, wo es <strong>de</strong>n Vereinen an Rennmannschaften in Gig- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rennbooten fehlt. Wir wollen es nicht verbieten, aber auch nicht<br />
mehr för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Schließlich wird es aber noch eine Zeitlang Vereine<br />
geben, die <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n größeren Wert beimessen als <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
ausgesprochenen Rennen und beim Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Start und<br />
Spurt als Vorbereitung <strong>für</strong> späteren Kampfsport pflegen könnten.“<br />
829<br />
Das klassische Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n hingegen durfte auf keiner Regatta fehlen, da es<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> einzige zugelassene Wettbewerb <strong>für</strong> Jugendliche war und außer<strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>de</strong>n<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innnen – die nicht <strong>für</strong> das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n geeignet waren – ausreichend<br />
Startmöglichkeiten auf Regatten bot.<br />
Die passive und abwarten<strong>de</strong> Haltung <strong>de</strong>s DRV und <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF sowie die gerin-<br />
gen Mel<strong>de</strong>zahlen und die insgesamt ablehnen<strong>de</strong> Einstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
führte 1940 schließlich zur endgültigen Aufgabe <strong>de</strong>s Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. 830<br />
5.6.4 Schlagzahlru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Bei Schlagzahlrennen galt es, eine vorgegebene und damit beschränkte<br />
Schlagzahl einzuhalten. Diese Wettbewerbsform wur<strong>de</strong> erstmalig 1926 831<br />
angeboten und erfreute sich beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s während <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges<br />
827<br />
F. BALDUS, „Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im ausländischen Urteil“, in: Wassersport 53(1935)48,<br />
S. 933.<br />
828<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 95.<br />
829<br />
L. KARICH, „Richtlinien <strong>für</strong> die Frauenwettbewerbe 1939“, in: Wassersport 57(1939)17, S.<br />
370.<br />
830<br />
Vgl. ALTROCK, Probleme <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 38.<br />
831<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 49.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 215<br />
großer Beliebtheit. Das ursprüngliche Ziel bei ihrer Einführung war die Schaf-<br />
fung von weiteren Startmöglichkeiten <strong>für</strong> sowohl Männer als auch Frauen.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Mittel<strong>de</strong>utschland bemühten sich die Vereine ernsthaft, diese<br />
Rennen durchzuführen. 832 Nach Lehmann waren diese Rennen <strong>de</strong>shalb so<br />
beliebt, weil man glaubte, Frauen und Mädchen ohne systematisches Trai-<br />
ning <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Wettkampf begeistern zu können. Hier<strong>für</strong> wur<strong>de</strong>n die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen in drei Klassen eingeteilt: Erstens Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bis zum vollen<strong>de</strong>ten 25.<br />
Lebensjahr, zweitens Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bis zum vollen<strong>de</strong>ten 32. Lebensjahr und<br />
drittens Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen über 32 Jahre. 833 Diese Klassifizierung bestätigt, dass es<br />
gleichgültig war, ob die Mannschaft aus jüngeren o<strong><strong>de</strong>r</strong> älteren Sportlerinnen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> aus Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bestand. Je<strong>de</strong> Mannschaft<br />
hatte die <strong>Aus</strong>sicht auf Erfolg, und das umso mehr, als Schlagzahlrennen<br />
nicht <strong>für</strong> die Klassenzugehörigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> AWB zähl-<br />
ten. Rennmannschaften <strong>de</strong>s Jahres waren von diesen Rennen prinzipiell<br />
ausgeschlossen. Dies be<strong>de</strong>utete gleichzeitig eine Erleichterung <strong>für</strong> die aus-<br />
richten<strong>de</strong>n Vereine.<br />
Während <strong>de</strong>s Krieges setzten sich Schlagzahlrennen immer mehr durch. So<br />
fan<strong>de</strong>n 1941 von April bis Oktober 163 Schlagzahlrennen in 65 Städten statt,<br />
an <strong>de</strong>nen sich insgesamt 525 Boote beteiligten. 834 Im Verlauf <strong>de</strong>s Krieges<br />
wur<strong>de</strong>n dieser Wettbewerb immer mehr zum Privileg <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. Die ersten<br />
rein weiblichen Schlagzahlregatten wur<strong>de</strong>n 1941 in Mag<strong>de</strong>burg, Dres<strong>de</strong>n und<br />
Kiel ausgefahren. Seit 1940 musste je<strong>de</strong>s Regattaprogramm ein Schlagzahl-<br />
rennen enthalten. 835<br />
Obwohl sich diese Rennen zeitweise größter Beliebtheit erfreuten, scheiter-<br />
ten sie an immer stärker auftreten<strong>de</strong>n Differenzen über das Zählen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schläge. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> störten oft äußerliche Bedingungen wie Wind <strong>de</strong>n Renn-<br />
verlauf, was mit Zugabe von Schlägen auszugleichen versucht wur<strong>de</strong>. Trotz<br />
aller Vorteile, die Schlagzahlrennen mit sich brachten, wie das Gefühl <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Lauf <strong>de</strong>s Bootes, <strong>für</strong> die Schlagzahlhöhe, <strong>für</strong> gute und ökonomische Arbeit<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Integration von jungen und alten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern sowie von Anfängern<br />
konnte sich diese Wettkampfdisziplin längerfristig nicht durchsetzen. Die<br />
832<br />
Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 30.<br />
833<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 42.<br />
834<br />
Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 30.<br />
835<br />
Vgl. [ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 59(1941)44, S. 537.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 216<br />
Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> lagen auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatta. Vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennen<br />
wur<strong>de</strong> eine Probefahrt gemacht, um die Schlagzahl festzulegen. Wenn die<br />
Schlagzahl nicht richtig bemessen war, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Witterungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen auftra-<br />
ten, kam es vor, dass kein Boot die Ziellinie erreichte, da die festgelegte An-<br />
zahl an Schlägen bereits erfüllt war und das Boot aufgeben musste.<br />
Derartige Vorkommnisse wirkten <strong>de</strong>primierend und beschämend auf die Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, weil das Publikum trotz aller Versuche <strong>de</strong>s Regattasprechers, <strong>de</strong>n<br />
Sinn <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache zu erklären, nur das Komische daran sah. 836 Nach 1945<br />
wur<strong>de</strong>n in Deutschland keine Schlagzahlrennen mehr durchgeführt. 837<br />
5.6.5 Gleichschlagru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Das Gleichschlagru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war wie das Schlagzahlru<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine Erscheinungs-<br />
form in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, die sich nach 1945 nicht mehr<br />
durchsetzen konnte. Diese Disziplin war eingeführt wor<strong>de</strong>n, um mehr Start-<br />
möglichkeiten <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er zu schaffen, die an einem konti-<br />
nuierlichen Training im Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht interessiert waren. Primär war<br />
es <strong>für</strong> festliche Anlässe gedacht, wie beispielsweise <strong>für</strong> eine <strong>Aus</strong>fahrt, als<br />
Auftakt o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>klang einer Regatta. Beim Gleichschlagru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bewegten<br />
sich so viele Boote wie möglich in vorher festgelegter Reihenfolge und Staf-<br />
felung zu einem bestimmten Rhythmus. 838 Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s beliebt <strong>für</strong> das Gleich-<br />
schlagru<strong><strong>de</strong>r</strong>n waren die Fri<strong><strong>de</strong>r</strong>izianischen Märsche als Begleitmusik. Die<br />
Zuschauer waren stets begeistert und jubelten <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die in ein-<br />
heitlicher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kleidung ein schönes Bild abgaben, begeistert zu. Bereits vor<br />
Kriegsen<strong>de</strong> war das Gleichschlagru<strong><strong>de</strong>r</strong>n jedoch nicht mehr aufrechtzuerhal-<br />
ten.<br />
5.7 Regatten und Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Im März 2008 wur<strong>de</strong> im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Feierlichkeiten zum 125-jährigen Jubi-<br />
läum <strong>de</strong>s DRV im <strong>Deutschen</strong> Sport und Olympia Museum in Köln die <strong>Aus</strong>-<br />
stellung „Der Glanz <strong>de</strong>s Sieges“ eröffnet. Gezeigt wur<strong>de</strong>n historische<br />
Regattatrophäen aus zwei Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten, die mehr als 150 Jahre <strong>de</strong>utsche<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>geschichte wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelten. Der älteste Pokal datierte aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr<br />
836 S. BARRELET, „Schlagzahlrennen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 74(1956)8, S. 202.<br />
837 Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 31.<br />
838 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 217<br />
1844 und war als Ehrenpreis <strong>für</strong> die Bootsklasse „Sechser mit Steuermann“<br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hamburger Regatta verliehen wor<strong>de</strong>n. Gewonnen wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Pokal<br />
vom Club Mathil<strong>de</strong>. Der Hamburger und Germania Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club besitzt ihn<br />
heute. 839<br />
Unter <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>stellungsstücken befand sich auch die so genannte „Porzellan-<br />
Amazone“ <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s, eine von <strong><strong>de</strong>r</strong> Porzellan-<br />
Manufaktur Hutschenreuther hergestellte Figur. Dies ist <strong><strong>de</strong>r</strong> einzige erhaltene<br />
und bekannte Preis <strong>de</strong>s DDRV. Die Trophäe war ein Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungspreis<br />
<strong>de</strong>s DDRV und wur<strong>de</strong> <strong>für</strong> die Bootsklasse „Jungmann-Doppelvierer mit Steu-<br />
ermann“ im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vergeben. 840 Erstmalig wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Preis 1925 ausge-<br />
schrieben und war drei Mal in Reihenfolge zu gewinnen. Heute befin<strong>de</strong>t er<br />
sich im Besitz <strong>de</strong>s Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von 1925, die Plakette weist<br />
diesen Verein als Sieger <strong>de</strong>s Jahres 1930 aus.<br />
Das erste Frauen-Rennen wur<strong>de</strong> 1919 vom DDRV im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 841 ausge-<br />
schrieben. Vor <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Aus</strong>sichtsturm in Hirschgarten (Berlin) traten bei strö-<br />
men<strong><strong>de</strong>m</strong> Regen 28 Boote im Einer, Doppelzweier und Doppelvierer an. Die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bun<strong>de</strong>s „Froh Volk“ siegten im Gig-Einer und Gig-<br />
Doppelzweier, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gig-Doppelvierer mit Steuermann wur<strong>de</strong> vom Berliner<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club gewonnen. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s hervorgehoben wur<strong>de</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
arbeit <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bun<strong>de</strong>s „Froh Volk“, <strong>de</strong>ssen Zusammenarbeit und Wasser-<br />
arbeit „vorzüglich“ waren. 842<br />
Das erste Wettru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 843 über 1.000m fand 1921 im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbands-<br />
regatta <strong>de</strong>s DDRV statt. Im Gig-Doppelzweier und -vierer musste diese Stre-<br />
cke bewältigt wer<strong>de</strong>n. Nur zwei Jahre später wur<strong>de</strong> die Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaft<br />
im Gig-Einer mit Steuermann durchgeführt, wo<strong>für</strong> zehn Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mit ihren<br />
„Steuerfrauen“ 844 gemel<strong>de</strong>t hatten. 1924 wur<strong>de</strong>n die Bestimmungen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Stileiner hochgesetzt, um ein ansprechen<strong>de</strong>s Niveau zu bewahren. Um <strong>de</strong>n<br />
Meistertitel <strong>de</strong>s DDRV zu erlangen, waren durchschnittlich elf Punkte von<br />
839<br />
DEUTSCHER RUDERVERBAND/DEUTSCHES SPORT & OLYMPIA MUSEUM (Hrsg.), Der Glanz<br />
<strong>de</strong>s Sieges, S. 5.<br />
840<br />
Vgl. ebenda, S. 41.<br />
841<br />
Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 5.6.1 zur Thematik Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
842<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Deutscher Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband“, in: Wassersport 8(1919)39,<br />
S. 406.<br />
843<br />
Vgl. hierzu die Anmerkungen in Kap. 5.6.2 zum Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
844<br />
LEHMANN, „Chronik“, S. 36.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 218<br />
je<strong><strong>de</strong>m</strong> Schiedsrichter erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. 845 Die Regatta wur<strong>de</strong> als Erfolg gewertet<br />
und entsprechend in <strong><strong>de</strong>r</strong> Presse gewürdigt. Die Organisation verlief wie ge-<br />
plant, die Darbietungen waren angemessen und die technischen Leistungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Damen beim Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong>n von Beobachtern als gut eingestuft. Al-<br />
lerdings ließ die Besucheranzahl zu wünschen übrig. Das war umso bedau-<br />
erlicher, da ein finanzieller Erfolg <strong><strong>de</strong>m</strong> aufstreben<strong>de</strong>n Verband wohl zu<br />
gönnen gewesen wäre. 846<br />
Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 20er Jahre beschränkte sich die Wettbewerbsaktivität <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
zunächst auf <strong>de</strong>n Berliner Raum und die lokalen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine. Dennoch<br />
wur<strong>de</strong>n auf Regatten häufig Rennen <strong>für</strong> auswärtige Vereine angeboten, zum<br />
Beispiel aus Danzig, Königsberg und Dres<strong>de</strong>n. Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Werbetätigkeiten<br />
von Seiten <strong>de</strong>s DDRV <strong>für</strong> das allgemeine Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und<br />
<strong>de</strong>n daraus resultieren<strong>de</strong>n vermehrten Verbandsbeitritten nahm auch die<br />
Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatten <strong>für</strong> Frauen zu. Der vorläufige Höhepunkt wur<strong>de</strong> 1926<br />
erreicht, als Frauen erstmalig an <strong><strong>de</strong>r</strong> Kampfspielregatta in Köln im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
in Gig-Doppelvierern teilnahmen. Die Presse äußert sich positiv zu diesem<br />
Auftritt:<br />
„Das Damenstilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, das <strong>für</strong> Köln eine ganz neue ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportliche<br />
Veranstaltung darstellt, fand bei <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>fachleuten und<br />
Laien starken Beifall. Es dürfte vielleicht auch am Rhein <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung<br />
von Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n geebnet haben.“ 847<br />
Zum zehnjährigen Bestehen <strong>de</strong>s DDRV wur<strong>de</strong> eine große Jubiläumsregatta<br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Langen See bei Grünau ausgerichtet. Diese war offen <strong>für</strong> die Verei-<br />
ne <strong>de</strong>s DDRV, die Bahnlänge <strong>für</strong> das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n betrug 500m stromabwärts<br />
mit Wen<strong>de</strong>punkt und dann 500m stromaufwärts. Die eigentlichen Rennen<br />
wur<strong>de</strong>n über eine Distanz von 1.000m stromab ausgefahren. Insgesamt fan-<br />
<strong>de</strong>n zehn Rennen in Gig- und Rennbooten statt. Nur zwei Rennen fielen auf-<br />
grund <strong>de</strong>s geringen Mel<strong>de</strong>ergebnisses aus, darunter auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Senior Gig-<br />
Doppelvierer und <strong><strong>de</strong>r</strong> Renneiner, in <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennen drei Boote <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege<br />
„Walküre“ gemel<strong>de</strong>t hatten. An <strong><strong>de</strong>r</strong> parallel ausgeschriebenen Meisterschaft<br />
im Stileiner nahmen fünf Boote teil. Die meisten Boote (14) starteten im Cä-<br />
sar-Struck-Gedächnis-Gig-Doppel-Vierer, <strong><strong>de</strong>r</strong> offen war <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die<br />
845<br />
Vgl. H. ALTROCK/B. PALLY, „<strong>Aus</strong>schreibung zum 6. Stil- und Wettru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport<br />
42(1924)26, S. 550.<br />
846<br />
Vgl. F. BALDUS, „Regattaberichte“, in: Wassersport 42(1924)34, S. 803.<br />
847 Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 36.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 219<br />
nach <strong><strong>de</strong>m</strong> 1. Januar eines Jahres in einen Verbandsverein eingetreten sind.<br />
Dieser Preis war <strong><strong>de</strong>r</strong> Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungspreis <strong>de</strong>s FDRC und wur<strong>de</strong> zu Ehren<br />
<strong>de</strong>s Trainers Cäsar Struck vergeben, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich trotz aller Vorurteile seiner<br />
männlichen Kollegen <strong><strong>de</strong>m</strong> Verein als Trainer <strong>für</strong> Frauen zur Verfügung ge-<br />
stellt hatte. 848<br />
Es sollte bis in die 30er Jahre dauern, bis sich das Rennboot sowohl im Stil-,<br />
als auch im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gegen die Gig durchsetzte. Der Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Renn-<br />
bootrennen kann auf 1930 datiert wer<strong>de</strong>n, als auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsregatta <strong>de</strong>s<br />
DDRV erstmals <strong><strong>de</strong>r</strong> Renneiner ausgeschrieben wur<strong>de</strong>. Die Richtlinien und<br />
Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s Jahres 1934 brachten eine Verein-<br />
heitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennstrecken. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> empfohlen, die Wettbewerbe<br />
in Rennbooten auszufahren. Die Streckenlängen waren wie folgt festgelegt:<br />
Einer 600m, Doppelzweier 800m und Doppelvierer 1.000m. Schumann merk-<br />
te an, dass damit hohe Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Regattaveranstalter gestellt<br />
wur<strong>de</strong>n, 849 da zum einen nicht genügend Rennbootmaterial vorhan<strong>de</strong>n und<br />
zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong><strong>de</strong>r</strong> erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Umbau <strong><strong>de</strong>r</strong> Regattastrecke aufwendig war,<br />
was zu Leerlauf im Programm führte.<br />
Grünau kann als Mittelpunkt <strong>de</strong>s gesamten <strong>de</strong>utschen Regattawesens bis<br />
1945 angesehen wer<strong>de</strong>n. Dennoch fan<strong>de</strong>n auch immer mehr eigenständige<br />
Frauenregatten statt, wie 1931 in Angerburg, Breslau, Frankfurt/Main, Gie-<br />
ßen, Neusalz, Meseritz, Hamburg, Rostock, Kitzingen, Bernburg, Leipzig,<br />
Köln, Koblenz, Lübeck, Hameln, Osnabrück und Riesa. 850 Hinzu kamen<br />
Einlagerennen auf Herrenregatten <strong>de</strong>s DRV. Zentrale Wettbewerbe mit sehr<br />
großem Mel<strong>de</strong>ergebnis fan<strong>de</strong>n in Berlin, Kassel, Leipzig und Lübeck statt.<br />
Auf diesen Regatten erfreute sich das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n immer noch größter Beliebt-<br />
heit. Noch 1937 traten in Kassel in elf klassischen Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben<br />
min<strong>de</strong>stens fünf, einmal sogar zehn Boote an. 851<br />
Erstmalig wur<strong>de</strong>n 1932 Meisterschaften im Einer, Doppelzweier und Doppel-<br />
vierer im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausgeschrieben. Im Doppelvierer gewannen die Mann-<br />
848 Vgl. ebenda, S. 37.<br />
849 Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 590.<br />
850 LEHMANN, „Chronik“, S. 38.<br />
851 Vgl. [ohne Verfasser], „Lehrreiche Kasseler Frauen-Regatta“, in: Wassersport<br />
55(1937)25, S. 591.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 220<br />
schaften <strong>de</strong>s Dresdner Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins und RC Nordstern Tegel punkt-<br />
gleich <strong>de</strong>n Titel, was ein Novum darstellte. 852<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch nach <strong>Deutschen</strong> Meisterschaften immer lau-<br />
ter. Pally als Leiterin <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF setzte sich vehement <strong>für</strong> eine übergeordnete<br />
Meisterschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen ein. Sie dachte 1936 allerdings noch weiter:<br />
„Die Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an Meisterschaften, zu <strong>de</strong>nen<br />
man die Frauen in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Staaten längst zugelassen hat, wird<br />
auch <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in ein erstrebenswertes Ziel sein. Und<br />
hinter diesem steht ein größeres Ziel: die Teilnahme auch <strong>de</strong>utscher<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1940 in Tokio!“ 853<br />
Ein erster Schritt dahin wur<strong>de</strong> 1937 getan, als im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong><br />
Meisterschaften in Leipzig ein Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Gig-Doppelzweier mit Steuer-<br />
mann und ein Rennen im Renn-Doppelvierer mit Steuermann über 1.000m<br />
ausgeschrieben wur<strong>de</strong>n. Die Gewinnerinnen durften sich mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel<br />
Reichssieger schmücken. Begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> diese Einführung folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>ma-<br />
ßen:<br />
„Damit wird ein weiterer Antrieb <strong>für</strong> die vermehrte Einführung dieses<br />
bisher schon bevorzugten Frauenmannschafts-Rennboots<br />
gegeben, von <strong><strong>de</strong>m</strong> zur Zeit schon etwa 25 Boote in Deutschland<br />
im Gebrauch sind. [...] wobei es eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s glückliche Lösung<br />
sein dürfte, daß die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zwei Bootsgattungen benutzen,<br />
die im Programm <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er nicht enthalten sind.“ 854<br />
Die Mannschaft RG „Wiking“ Leipzig siegte im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. Frauen-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Hannover gewann <strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Reichssiegers im 1.000m Ren-<br />
nen. 855 1938 wur<strong>de</strong>n diese Wettbewerbe im gleichen Modus beim DMR in<br />
Heilbronn ausgetragen. 856 Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus Hannover verteidigten ihren<br />
Titel, die neuen Reichssieger im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n kamen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückertschule<br />
Berlin, wobei dieser Wettkampf 1938 erstmalig im Rennboot ausgetragen<br />
wur<strong>de</strong>. 857 Viele <strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er hätten es lieber gesehen, wenn die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ihre Meisterschaften auf einer eigenen Veranstaltung ausgetra-<br />
gen hätten, <strong>de</strong>nn die Frauen erhielten fast immer mehr Aufmerksamkeit als<br />
852<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 38.<br />
853<br />
Vgl. ebenda, S. 39.<br />
854<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Nun auch Meisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen!“, in: Wassersport<br />
55(1937)12, S. 206.<br />
855<br />
Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 590.<br />
856<br />
Vgl. [S. W.], „<strong>Aus</strong>schreibung zum 27. <strong>Deutschen</strong> Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Kanalhafen<br />
in Heilbronn“, in: Wassersport 56(1938)29, S. 759.<br />
857<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 40.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 221<br />
die Männer. Dies lag unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em daran, dass sie durchgängig ein tech-<br />
nisch und konditionell anspruchsvolles Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zeigten. Im 1.000m Rennen<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die Hannoveranerinnen technisch versierter und waren ihren Geg-<br />
nern überlegen. Lediglich eine Mannschaft aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz konnte anfäng-<br />
lich mithalten, alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en vier Boote waren eine Klasse langsamer. 858<br />
1939 hatten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen die Möglichkeit auf 29 Regatten zu starten, da-<br />
von sechs selbstständige Frauenregatten. Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> 9. Leipziger Frau-<br />
en-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta wur<strong>de</strong> schließlich das 1. Frauen-Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im<br />
Einer, Doppelzweier und Doppelvierer mit Steuermann durchgeführt. Zusätz-<br />
lich wur<strong>de</strong> ein Wettbewerb im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Doppelvierer mit Steuermann im<br />
Gigboot ausgeschrieben. Der Gewinner dieses Wettbewerbes erhielt aller-<br />
dings <strong>de</strong>n Titel Reichssieger, währen die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en als Deutsche Meisterinnen<br />
gewürdigt wur<strong>de</strong>n. 859 Im Vorfeld dieser Regatta zog Pally ein positives Re-<br />
sümee <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Entwicklung im Regattabereich und stellte gleichzeitig<br />
fest, dass es an <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit sei, ein DMR <strong>für</strong> Frauen einzuführen und zwar in<br />
mehr als nur in einer Bootsgattung:<br />
„Wie wichtig es war, auch <strong>de</strong>n Einer und <strong>de</strong>n Doppelzweier in die<br />
<strong>Aus</strong>schreibung <strong>für</strong> die Meisterschaften mit aufzunehmen, da diese<br />
bei<strong>de</strong>n Bootsarten nicht nur billiger zu beschaffen sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
wir auch später hierin [sic!] mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu konkurrieren<br />
haben wer<strong>de</strong>n, beweist die beachtliche Teilnahme und die bisher<br />
hierin [sic!] erzielten Ergebnisse. Wir haben in Grünau, Kassel<br />
und Her<strong>de</strong>cke Mannschaften ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sehen, die vollauf berechtigt<br />
sind, um die Meisterehre in Leipzig zu kämpfen. Wir sahen auch in<br />
Bremen, Halle und Bernburg verschie<strong>de</strong>ne Renndoppelvierer, die<br />
zu <strong>de</strong>n größten Hoffnungen berechtigen.“ 860<br />
Das Mel<strong>de</strong>ergebnis war beachtlich, nicht ein Rennen fiel aus. Für das Meis-<br />
terschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n hatten im Einer Köln, Hannover und Lübeck gemel<strong>de</strong>t, im<br />
Doppelzweier vier Boote aus Köln, Hannover, Berlin und Lübeck. Im Doppel-<br />
vierer waren sogar sechs Boote aus Berlin, Hamburg, Stettin, Hannover und<br />
Schwerin am Start. 861<br />
858<br />
[S. W.], „Regattaberichte“, in: Wassersport 56(1938)32, S. 842.<br />
859<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „<strong>Aus</strong>schreibung zum 1. Frauen-Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und zur 9.<br />
Leipziger Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta am 16. Juli 1939“, in: Wassersport 56(1938)29, S. 759.<br />
860<br />
B. PALLY, „Vor <strong><strong>de</strong>m</strong> ersten <strong>Deutschen</strong> Frauen-Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport<br />
57(1939)26, S. 654.<br />
861<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Meldungen zum 1. Frauen-Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und zur 9. Leipziger<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatta am 16. Juli 1939“, in: Wassersport 57(1939)27, S. 713-714.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 222<br />
Die Organisation lag in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n von Lotte Karich, die sich als Leiterin <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauenabteilung in <strong><strong>de</strong>r</strong> RG „Wiking“ Leipzig und als Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> AfF stets <strong>für</strong><br />
die Belange <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns eingesetzt hatte.<br />
Das erste Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen war ein voller Erfolg, was von<br />
Präsi<strong>de</strong>nt Pauli wohlwollend kommentiert wur<strong>de</strong>:<br />
„Fahren Sie fort auf diesem Wege. [...] Wir sind stolz auf diesen<br />
schönen Zweig am starken Eichenbaum <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports,<br />
und ich gebe <strong><strong>de</strong>m</strong> Wunsch <strong>Aus</strong>druck, daß die treue Kameradschaft<br />
und Zusammenarbeit immer weiter besteht, immer<br />
aufwärts führt und das <strong>de</strong>utsche Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n heute und in Zukunft<br />
führend sein wird.“ 862<br />
Zum ersten Mal erhielten Frauen 1939 in Leipzig die bis heute übliche Sie-<br />
gesauszeichnung, das Eichenblatt. 863 Der Kommentar <strong>de</strong>s Regattasprechers<br />
je<strong>de</strong>s Rennens wur<strong>de</strong> zusätzlich auf Schallplatte <strong>de</strong>n Teilnehmerinnen als<br />
Erinnerung überreicht.<br />
Der Einer wur<strong>de</strong> überraschen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise von Marianne Mahlberg aus Köln<br />
gewonnen, die erst 1937 mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport begonnen hatte. Sie blieb 1939<br />
im Einer ungeschlagen. 864 Im Doppelzweier setzten sich die bekannten<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen Frie<strong>de</strong>l Schneegass und Inge Oehlenschläger von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
LFRG aus Lübeck durch, im Doppelvierer dominierte die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kamerad-<br />
schaft Schwerin 1871. 865<br />
Im darauf folgen<strong>de</strong>n Jahr wur<strong>de</strong>n die Meisterschaften in Berlin ausgetragen.<br />
Hier erwiesen sich die Hannoveranerinnen als echte Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>für</strong> die<br />
Konkurrenz. Sofie Müller vom 1. Frauen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Hannover gewann so-<br />
wohl <strong>de</strong>n Einer als auch im Doppelvierer, in <strong><strong>de</strong>m</strong> auch ihre Schwester Gusta<br />
saß. Diesen Erfolg konnten die Schwestern 1941 in Berlin mit <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen Gretschel und Lohsträter wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen. Sofie Müller gewann 1942 noch-<br />
mals <strong>de</strong>n Einer. Der Titel im Doppelzweier ging ebenfalls 1940 und 1941 an<br />
862<br />
L. CLOS „Das waren wirkliche Meisterschaftskämpfe!“, in: Wassersport 57(1939)29, S.<br />
764.<br />
863<br />
Vgl. ebenda, S. 765.<br />
864<br />
Vgl. M. MAHLBERG, „Ein kleines Porträt: Marianne Mahlberg – Köln“, in: Wassersport<br />
57(1939)33, S. 887-888.<br />
865<br />
Eine vollständige Auflistung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Meisterinnen und Zweit- und Drittplazierten in<br />
allen Bootsgattungen fin<strong>de</strong>t sich unter W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
(DMR) <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Männer von 1882 bis heute (Plätze 1-3)“, in: http://www.rrkonline.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-alle.htm,<br />
Zugriff am 25. 4. 2008. Hierbei han<strong>de</strong>lt<br />
es sich um eine Auflistung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sieger und Medaillengewinner in tabellarischer Form.<br />
Ferner vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 55. Dieser Verein existierte vormals unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Namen<br />
RC Obotrit.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 223<br />
die selbe Mannschaft, namentlich Charlotte Schmidt und Hil<strong>de</strong>gard<br />
Mahnkopf von <strong><strong>de</strong>r</strong> BSG Rvg. Allianz Berlin. Erwähnenswert ist auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel<br />
im Einer 1941 von Frie<strong>de</strong>l Haack von <strong><strong>de</strong>r</strong> Postsport-Gemeinschaft Frankfurt,<br />
die als bekannte und altbewährte Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>in einzustufen ist.<br />
Der <strong>Aus</strong>bruch <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges machte viele Bemühungen zunichte.<br />
Die verantwortlichen Behör<strong>de</strong>n einigten sich ab 1940 darauf, die Meister-<br />
schaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen aus organisatorischen Grün<strong>de</strong>n nicht mehr separat<br />
durchzuführen. Trotz <strong>de</strong>s Krieges war das Mel<strong>de</strong>ergebnis überwältigend.<br />
1941 starteten beispielsweise zwölf Boote im Doppelvierer, so dass zwei<br />
Vorrennen ausgefahren wer<strong>de</strong>n mussten. 1942 wur<strong>de</strong>n aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> schwie-<br />
rigen Umstän<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong> vermehrt Gigrennen propagiert, um <strong>de</strong>n Regattabe-<br />
trieb trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Reisebeschränkungen aufrecht zu erhalten. Anträge, die<br />
Rennstrecken zu verlängern, wur<strong>de</strong>n zunächst vertagt und bis Kriegsen<strong>de</strong><br />
nur teilweise umgesetzt. 866 Die Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen im Einer, Doppel-<br />
zweier und Doppelvierer 1941 auf 800m sorgte <strong>für</strong> Unmut unter <strong>de</strong>n Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen. Käte Henning brachte die Kritik auf <strong>de</strong>n Punkt:<br />
„Wenn dies <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Einer und Zweier völlig ausreicht, so wären <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Vierer – auch jetzt im Krieg – doch 1000 Meter angebracht.<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist nun mal Dauerleistung, und so manche Mannschaft hat<br />
erst auf <strong><strong>de</strong>r</strong> 1000m-Strecke Gelegenheit, <strong>de</strong>n toten Punkt zu<br />
überwin<strong>de</strong>n.“ 867<br />
1943 wur<strong>de</strong> die Strecke im Doppelvierer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf 1.000m verlängert, Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Einer und Doppelzweier traten nach wie vor über 800m an. 868<br />
Im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong>n die Rennen im Doppelvierer mit Steuermann nur bis<br />
1942 ausgefahren. In diesen Wettkämpfen dominierten die Mannschaften<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> RG „Wiking“ Leipzig, die 1939 und 1941 gewannen. Die Bootbesetzung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rückertschule Berlin holte <strong>de</strong>n Titel 1940 und 1942. 869 Nach 1938 wur<strong>de</strong><br />
das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur noch 1942 im Rennboot ausgetragen, 1940 und 1941<br />
wur<strong>de</strong>n Gigs eingesetzt. Zwischen 1943 und 1948 wur<strong>de</strong>n keine Titel im Stil-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vergeben.<br />
866<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 55.<br />
867<br />
K. HENNING, „Kurzer Rückblick auf die Frauen-Meisterschaften“, in: Wassersport<br />
59(1941)35, S. 427.<br />
868<br />
Vgl. [G. H.], „ Frauen-Meisterschaften“, in: Wassersport 61(1943)3, S. 52.<br />
869<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (DMR); Doppelvierer mit Steuerfrau,<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n – Frauen – Plätze 1-3“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-f-vm-stil.htm,<br />
Zugriff am 25. 4. 2008.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 224<br />
Bis einschließlich 1944 wur<strong>de</strong>n Kriegsmeisterschaften abgehalten. 1945 und<br />
1946 war es aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>solaten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mög-<br />
lich, nationale Meisterschaften abzuhalten. Erst 1947 richtete <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV wie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DMR aus.<br />
Resümierend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass das DMR von <strong>de</strong>n Frauen gut<br />
angenommen wur<strong>de</strong>. Die Beteiligung sowohl beim Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als auch beim<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war zufrie<strong>de</strong>nstellend und konstant. Dies korrespondierte auch<br />
mit <strong>de</strong>n gezeigten Leistungen, die nach und nach die Kritiker verstummen<br />
ließen. Dennoch waren Frauen nach wie vor gegenüber Männern benachtei-<br />
ligt: Ihnen stan<strong>de</strong>n weniger Bootsklassen zur Verfügung, da sie durch das<br />
Verbot von <strong>de</strong>n Riemenbootsklassen ausgeschlossen waren.<br />
5.8 Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiter und Leiterinnen Preußischer<br />
Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigungen 1924 sowie <strong>de</strong>s Preußischen<br />
Protektorenverban<strong>de</strong>s 1925 wur<strong>de</strong> eine Grundlage geschaffen, um das Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n Höheren Schulen in Deutschland zu propagieren und zu verein-<br />
heitlichen.<br />
Die große Zeitspanne, die zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s ersten Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
und Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins liegt, fällt im Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> männli-<br />
chen und weiblichen Jugend kleiner aus. Begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann dies mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, dass die ersten Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine eine gute Grundlage <strong>für</strong><br />
die weitere <strong>Aus</strong>breitung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bis hin zum Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
geschaffen hatten. Des Weiteren stan<strong>de</strong>n die Bemühungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen<br />
unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Protektorat <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulen, was be<strong>de</strong>utet, dass das Schul- und<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Anfang an einen behördlichen und amtlichen Weg<br />
ging. Die vermehrte Gründung von Vereinen und Riegen beruhte lediglich<br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Verständnis und guten Willen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrerschaft sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> zuständi-<br />
gen Schulbehör<strong>de</strong>. Viele <strong><strong>de</strong>r</strong> späteren Protektorinnen waren selbst Mitglied<br />
in einem Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein, wodurch oftmals eine enge Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schu-<br />
len an die Vereine entstand.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 225<br />
5.8.1 „Mädchen ins Boot“ – Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945<br />
Die Anfänge <strong>de</strong>s Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland liegen in Kassel. 1911,<br />
also noch zwei Jahre vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s Casseler Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins,<br />
wur<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Kasseler Studienanstalt ein Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein gegrün-<br />
<strong>de</strong>t. In diesem Sommer war es eine „unerhörte Sache“ 870 , die einige mutige<br />
Obersekundanerinnen unternahmen, als sie <strong>de</strong>n ersten Verein ins Leben<br />
riefen. Der Direktor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule hatte große Be<strong>de</strong>nken, zumal die Schülerin-<br />
nen ein Boot mit Rollsitzen benutzten und außer<strong><strong>de</strong>m</strong> Hosen anstatt Röcke<br />
trugen. Erschwerend kam hinzu, dass ein junger Referendar <strong>de</strong>n Unterricht<br />
erteilte. Der Direktor gab <strong>de</strong>nnoch seine Zustimmung und am 1. März 1912<br />
wur<strong>de</strong> das Bootshaus eingeweiht und das erste Boot auf <strong>de</strong>n Namen „Gud-<br />
run“ getauft. Diesem Beispiel folgten 1912 das Oberlyzeum in Kassel und<br />
das Oberlyzeum in Bran<strong>de</strong>nburg sowie die Han<strong>de</strong>ls- und Gewerbeschule in<br />
Posen. 871<br />
Ebenfalls 1912 entstand eine Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege <strong>de</strong>s Jung<strong>de</strong>utschlandbun-<br />
<strong>de</strong>s, die mehrere Schulen <strong>de</strong>s Berliner Westen umfasste. Buerstätte gab an,<br />
dass diese Riege später als 1. Mädchen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Riege-Schöneberg bekannt<br />
wur<strong>de</strong>; Becker sprach von <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege Schöneberg, bei<strong>de</strong> datieren die<br />
Gründung auf 1917. 872<br />
Ähnlich wie beim Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n entstan<strong>de</strong>n zunächst im Berliner Raum<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine. Exemplarisch sind hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein<br />
Berlin (1915), die Oberschule Berlin (1917) und ebenfalls 1917 das Marien-<br />
dorfer Lyzeum unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Protektorat <strong>de</strong>s Schulleiters Dr. Kuhn, 1919 die<br />
Lyzeen in Zehlendorf, Lichtenberg und Schöneberg 873 und schließlich 1920<br />
die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>abteilung <strong>de</strong>s TSV höherer Mädchenschulen Spandau zu nen-<br />
nen. 874 Auffällig ist, dass durchweg höhere Schulen die Vorreiter <strong>für</strong> Schüler-<br />
innenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine waren. Der Mädchen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Berlin stellte sich<br />
allerdings in <strong>de</strong>n Dienst <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen, die bereits die Schule verlassen hat-<br />
ten und begann sein Vereinsleben mit zwei Gig-Vierern aus Eiche von 1,20m<br />
870<br />
Vgl. I. STEGEN, „50 Jahre Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
79(1961)28, S. II.<br />
871<br />
Vgl. CH. GRIMMERT, „Die Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Preußen“, in: DRESCHER, 50 Jahre<br />
Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, S. 235.<br />
872<br />
BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 41. Vgl.<br />
BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 148.<br />
873<br />
Vgl. GRIMMERT, „Die Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Preußen“, S. 235.<br />
874<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 148.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 226<br />
Breite, die mit „Allerhöchster Genehmigung Kronprinzessin Cecilie und Prin-<br />
zessin Alexandrine“ 875 getauft und ihrer Bestimmung übergeben wur<strong>de</strong>n.<br />
Durch die engen Beziehungen zum Jung<strong>de</strong>utschland Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Berlin hat-<br />
te <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein keinen Mangel an Bootsmaterial. Des Weiteren schloss er sich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Jung<strong>de</strong>utschland-Mädchengruppe-Gross-Berlin an und bekun<strong>de</strong>te seine<br />
Zugehörigkeit durch die gemeinsame Flagge. Beheimatet war <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein im<br />
Clubhaus Sadowa zu Oberschönewei<strong>de</strong>. 876<br />
In einem Artikel in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport fand sich ein weiterer Hin-<br />
weis auf eine Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege an <strong><strong>de</strong>r</strong> II. Pflicht- und Wahlfortbildschule.<br />
Diese war mit einer höheren Han<strong>de</strong>lsschule verbun<strong>de</strong>n, und wur<strong>de</strong> im No-<br />
vember 1916 gegrün<strong>de</strong>t. Offensichtlich ging die Initiative vom Rektor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schule aus:<br />
„Der Leiter dieser Anstalt, Direktor Schmidt, verstand es, das Kuratorium<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Anstalt zur Hergabe von Mitteln zu bewegen und unter<br />
seinen Lehrerinnen und Schülerinnen Interesse <strong>für</strong> die Sache<br />
zu erwecken. [...] Durch Eschholz’ Vermittlung kam dann ein Abkommen<br />
zu Stan<strong>de</strong>, wonach dieser <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege <strong>für</strong> die<br />
Wochentage <strong>de</strong>s Sommers 1917 einen Gigvierer zur Verfügung<br />
stellt.“ 877<br />
Ziegler nannte weitere Gründungen in Berlin, wie 1921 an <strong><strong>de</strong>r</strong> Königin-<br />
Luisen-Schule in Frie<strong>de</strong>nau, Gertrau<strong>de</strong>nschule in Dahlem und Viktoria Lui-<br />
sen-Schule in Wilmersdorf, 878 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 1921 die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege ehemaliger Schüle-<br />
rinnen <strong>de</strong>s Lyzeums Zehlendorf. 879<br />
Parallel zur Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nahm das Schul- und Schülerin-<br />
nenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n außerhalb Berlins einen positiven Verlauf. Seit 1913 konnten auch<br />
Schülerinnen am Lyzeum in Saarbrücken ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n 20er<br />
Jahren kam es in vielen Städten in ganz Deutschland zur Gründung von<br />
Vereinen und Riegen. Ab 1920 konnten Mädchen in Hameln ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein Hameln grün<strong>de</strong>te sich allerdings erst 1926. Es folgten<br />
Köslin 1922, Potsdam 1925, Frankfurt/O<strong><strong>de</strong>r</strong> und Bad Kreuznach (1926). Die<br />
meisten Gründungen sind auf die Jahre 1927 bis 1929 datiert und zwar in<br />
875<br />
[ohne Verfasser], „Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Jugendpflege“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
6(1917)18, S. 144.<br />
876<br />
[ohne Verfasser], „Das Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 33(1915)22, S. 218.<br />
877<br />
[ohne Verfasser], „Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> weibliche Jugendpflege“, S. 145.<br />
878<br />
Vgl. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, S. 6.<br />
879<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 148.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 227<br />
Bitterfeld a. d. Mul<strong>de</strong>, Duisburg, Düsseldorf, Hannover, Koblenz, Landsberg<br />
a. d. Warthe, Lüneburg, Marburg, Mag<strong>de</strong>burg, Osnabrück a.d. Ilmenau, Stet-<br />
tin und Wesermün<strong>de</strong>. 880<br />
Problematisch war <strong>für</strong> viele Vereine <strong><strong>de</strong>r</strong> Mangel an Bootsmaterial und geeig-<br />
neten Unterbringungsmöglichkeiten. Der bereits 1906 gegrün<strong>de</strong>te Schülerru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Wannsee nahm ab Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 20er Jahre Mädchen auf und hielt<br />
nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg auch Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>lehrgänge <strong>für</strong> Lehrerinnen ab. Die<br />
angeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Mädchen besaßen zu<strong><strong>de</strong>m</strong> ein eigenes Bootshaus, was nicht<br />
selbstverständlich war, da in <strong>de</strong>n meisten Fällen die finanziellen Mittel da<strong>für</strong><br />
nicht ausreichten. Erst 1924 bezog <strong><strong>de</strong>r</strong> 1911 gegrün<strong>de</strong>te Verein in Kassel<br />
sein eigenes Bootshaus. 881<br />
1930 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Hamburger Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein als Zusammen-<br />
schluss dreier Schulen gegrün<strong>de</strong>t. Dieser war <strong><strong>de</strong>m</strong> Allgemeinen Alster-Club<br />
angeschlossen und war außer<strong><strong>de</strong>m</strong> Schützling <strong>de</strong>s Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-<br />
Clubs. 882 Dr. Sophie Barrelet vom Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club hielt auf <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
ersten Stiftungsfest 1931 die Festansprache und stellte stolz <strong>de</strong>n Wer<strong>de</strong>gang<br />
<strong>de</strong>s „Ablegers“ vor. 883<br />
Der Hamburger Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein entwickelte sich schnell. Die<br />
Schülerinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Helene Lange-ORS, <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule am Lübecker Torfeld und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Klosterschule hatten es nur ein Jahr nach ihrer Gründung unter <strong><strong>de</strong>r</strong> ziel-<br />
bewussten Leitung von „Fräulein“ Horn und „Fräulein“ Heuer geschafft, sich<br />
als autonomer Verein ein eigenes „Heim“ – zunächst leihweise – zu beschaf-<br />
fen. Der Bootsbauer R. Rathjen hatte ihnen zu günstigen Konditionen Raum<br />
zur Unterbringung <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote und ein heizbares Umklei<strong>de</strong>stübchen verpach-<br />
tet, dazu <strong>de</strong>n Steg und ein mit Korbmöbeln ausgestattetes Clubzimmer. 884<br />
Die Einweihung <strong>de</strong>s neuen Domizils war ein großer Erfolg. Die Feierlichkei-<br />
ten wur<strong>de</strong>n durch sportliche Darbietungen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> vom Hamburger RC zur<br />
Verfügung gestellten Schwingböcken ergänzt. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>maschine die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit vorgestellt. Zum Abschluss wur<strong>de</strong>n<br />
Neulingsmannschaften präsentiert, darunter elf Anfänger und sieben Fortge-<br />
schrittenen-Teams, die jeweils in Formation von drei Booten ihr Können zeig-<br />
880 Vgl. GRIMMERT, „Die Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Preußen“, S. 235.<br />
881 Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 41.<br />
882 Vgl. F. ULMER, „Hamburg“, in: Wassersport 48(1930)45, S. 1085.<br />
883 Vgl. F. ULMER, „Vom Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Wassersport 49(1931)16, S. 325.<br />
884 Vgl. ULMER, „Hamburg“, S. 1085.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 228<br />
ten. „Frische Mairu<strong><strong>de</strong>r</strong>er“ 885 in Trainingsanzug o<strong><strong>de</strong>r</strong> Clubdress, einer blauen<br />
Hose und weißem Sweater mit blauer Einfassung, kre<strong>de</strong>nzten hierzu Tee<br />
und Gebäck.<br />
Nur ein Jahr nach seiner Gründung umfasste <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein<br />
bereits 80 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong>de</strong>n oben genannten Schulen, <strong>de</strong>nen sich ebenfalls<br />
Schülerinnen vom Paulsenstift, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wüstenfeldschule und <strong><strong>de</strong>r</strong> RG<br />
Curschmannstraße angeschlossen hatten. Diese drei Schulen waren Haupt-<br />
schulen, <strong>de</strong>nen zwei Wochennachmittage zum Übungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zur Verfügung<br />
gestellt wur<strong>de</strong>n. 886 Nach Angaben <strong>de</strong>s Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Clubs wur<strong>de</strong>n<br />
1930 sogar 138 Schülerinnen an <strong>de</strong>n Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein überwiesen.<br />
Die Jugendabteilung setzte sich <strong><strong>de</strong>m</strong>nach aus so genannten Haustöchtern<br />
und Lehrlingen zusammen. 887<br />
Alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en dargestellten Gründungen beziehen sich auf höhere Schulen.<br />
Der Aktenlange nach gab es lediglich noch zwei Mädchen-Mittelschulen in<br />
Kassel, die das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Mädchen ermöglichten. 888<br />
Genau wie bei <strong>de</strong>n Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen wur<strong>de</strong> das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur von be-<br />
stimmten gesellschaftlichen Kreisen betrieben, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit also von <strong>de</strong>n<br />
Töchtern aus gesellschaftlich und finanziell gehobenen Familien, die eine<br />
höhere Schulbildung genossen. Dies setzte sich auch in Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verei-<br />
nen fort, was folgen<strong>de</strong> Annonce, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Damen-RC nach neuen<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n suchte, belegt:<br />
„Es wird darauf hingewiesen, daß gegen En<strong>de</strong> dieses Jahres ein<br />
paar junge Mädchen nach Vollendung <strong>de</strong>s 18. Jahres in die<br />
Stammabteilung <strong>de</strong>s Clubs übertreten und dadurch eine beschränkte<br />
Anzahl Plätze in <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendriege frei wer<strong>de</strong>n. Töchter<br />
von Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern, Schülerinnen aus guter Familie, die <strong>de</strong>s Schwimmens<br />
kundig sind und in frisch-fröhlicher Gesellschaft <strong>de</strong>n gesun<strong>de</strong>n<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport pflegen wollen, wen<strong>de</strong>n sich schriftlich an <strong>de</strong>n<br />
Obmann <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendriege, Fräulein Pally, Berlin, Kottbusser Str.<br />
16.“ 889<br />
Alle bestehen<strong>de</strong>n Vereine waren genau wie die <strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen Jugend ent-<br />
we<strong><strong>de</strong>r</strong> selbstständig o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem Verein angeschlossen. Fast alle Berliner<br />
885 Ebenda.<br />
886 Vgl. ebenda.<br />
887 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Elfrie<strong>de</strong> Schumann am 11. Juni 2008.<br />
888 Vgl. GRIMMERT, „Die Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Preußen“, S. 241.<br />
889 Vgl. F. ULMER, „<strong>Aus</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband“, in: Wassersport<br />
48(1930)45, S. 1085.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 229<br />
Schülerinnenvereine waren selbstständig, wohingegen die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rheinpro-<br />
vinz ansässigen Gemeinschaften fast alle Teil eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Vereins waren.<br />
Diese lassen sich weiter klassifizieren in Vereine, die bei einem Frauen- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein angeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t waren, aber über eigenes Bootsmaterial ver-<br />
fügten und selbstständig agieren konnten und Vereine, die einem DRV-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein angeschlossen waren und dort als vollwertige Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> ange-<br />
sehen wur<strong>de</strong>n.<br />
Das Jahr 1936 brachte <strong>für</strong> das gesamte Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n große<br />
Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen mit sich. Durch die vom Nationalsozialistischen Lehrerbund<br />
vorangetriebene Auflösung <strong>de</strong>s Preußischen Protektorenverban<strong>de</strong>s verloren<br />
Mädchen und Jungen ihre Dachorganisation und ihre Protektoren. Per Erlass<br />
wur<strong>de</strong> das Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bereits am 1. Juni 1934 in <strong>de</strong>n DRV integriert,<br />
<strong>de</strong>nnoch dauert es länger als erwartet, bis das Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
BDM unterstellt wur<strong>de</strong> und die Schulen <strong>de</strong>n Betrieb nicht mehr aufrechterhal-<br />
ten konnten. Häufig wur<strong>de</strong> statt<strong>de</strong>ssen eine Übungsgemeinschaft gegrün<strong>de</strong>t,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Sportlehrerin vorstand. Neu war, dass diese Gemeinschaft nicht nur<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Schülerinnern <strong><strong>de</strong>r</strong> höheren Lehranstalten anbot, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich an<br />
Interessierte aus allen gesellschaftlichen Kreisen und Schulformen richtete.<br />
Grundvoraussetzung war die Mitgliedschaft im BDM. Durch <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>s<br />
Reichserziehungsministers vom 2. Januar 1938 wur<strong>de</strong>n alle bestehen<strong>de</strong>n<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine und -riegen aufgelöst, was das vorläufige En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s gesamten Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns be<strong>de</strong>utete. 890<br />
1941 wur<strong>de</strong> das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Leibeserziehung an Schulen<br />
in <strong>de</strong>n Lehrplänen verankert. 891 Klinge und Dapper for<strong><strong>de</strong>r</strong>n in ihrem Werk<br />
Deutsches Mädchenturnen, welches die praktische Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Curricula<br />
<strong>für</strong> alle Schulformen erläutert, eine Abwendung vom Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da es das<br />
Wesentliche, nämlich <strong>de</strong>n Erfolg <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeitung, die Leistung, völlig aus<br />
<strong>de</strong>n Augen verlöre. 892 Alle Turnlehrerinnen, die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>unterricht erteilen, wer-<br />
<strong>de</strong>n zur Mithilfe aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule her ein außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
„schönes, gesun<strong>de</strong>s und unendlich leistungserfülltes Sportgebiet zu erhalten<br />
und ihm neues Leben einzuhauchen“. 893 Explizit wur<strong>de</strong> die Vermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
890<br />
Vgl. HUTMACHER, <strong>Aus</strong>bildung im Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Entwicklung, Standortbestimmung und<br />
Perspektiven, S. 6.<br />
891<br />
Vgl. ALTROCK, Probleme <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 25.<br />
892<br />
Vgl. KLINGE/DAPPER, Deutsches Mädchenturnen, S. 237.<br />
893 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 230<br />
Technik dargestellt und erläutert. Als einzig wahre Bewegungsform wur<strong>de</strong><br />
das Skullen propagiert. Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollte unter allen Umstän<strong>de</strong>n vermie-<br />
<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, da es als eine unsymmetrische, also einseitige, Kraft rauben<strong>de</strong><br />
und daher zu anstrengen<strong>de</strong> Arbeit klassifiziert wur<strong>de</strong>, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> die Schülerin<br />
Gefahr laufe, durch schiefes Schwingen die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>skoliose zu bekommen.<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sei das Skullen die Krönung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns schlechthin und <strong><strong>de</strong>m</strong>-<br />
entsprechend die schwierigste Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, die Schülerinnen und Frauen<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Skiff nur in <strong>Aus</strong>nahmefällen erfüllen konnten. 894 Zur Leistungs-<br />
überprüfung wur<strong>de</strong> vorgeschlagen, ein Geschicklichkeitsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu veranstal-<br />
ten. Dies basierte auf <strong>de</strong>n Überlegungen von Karl Feige, <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen- und<br />
Mädchenrennen als zu gefährlich einstufte, aber unbedingt <strong>de</strong>n Leistungsge-<br />
danken beibehalten wollte. Seine Überlegungen umfassten Frauen- und Ju-<br />
gendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n insgesamt, bezogen sich aber fast ausschließlich auf die<br />
männliche Jugend, da er <strong>für</strong> diese das Geschicklichkeitsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als alternati-<br />
ve Wettbewerbsform zur Hinführung an das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n entwickelt hatte. 895<br />
Während <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges wur<strong>de</strong> das Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zwar auf-<br />
rechterhalten, allerdings entwickelte es sich nicht mehr weiter, da die Mäd-<br />
chen durch die verschie<strong>de</strong>nsten Verpflichtungen, beispielsweise im BDM,<br />
stark in Anspruch genommen wur<strong>de</strong>n. Durch Evakuierung und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>land-<br />
verschickung waren viele weit entfernt von ihren Heimatorten und befan<strong>de</strong>n<br />
sich oft in Gegen<strong>de</strong>n, die keine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>möglichkeiten boten.<br />
5.8.2 Organisation und Verbandswesen<br />
Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen war beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Berlin verbreitet. 1921 wur<strong>de</strong><br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptstadt <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband Wannsee gegrün<strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
über ein gemietetes Bootshaus verfügte. 896 1922 folgte <strong><strong>de</strong>r</strong> Lyzeal-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband-Groß-Berlin, <strong><strong>de</strong>r</strong> sogar ein eigenes Bootshaus besaß. Außer-<br />
halb Berlins wur<strong>de</strong> 1930 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband-Nord ins Leben<br />
gerufen, <strong><strong>de</strong>r</strong> vier Schulen vereinigte, die allerdings kein gemeinsames<br />
Bootshaus betrieben. Weitere Verbandsgründungen wur<strong>de</strong>n in Stettin mit<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband Möwe, <strong><strong>de</strong>m</strong> Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
894 Ebenda, S. 238.<br />
895 Vgl. K. FEIGE, „Geschicklichkeitsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n? Eine grundsätzliche Untersuchung“,<br />
in: Wassersport 56(1938)19, S. 394.<br />
896 Vgl. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, S. 6.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 231<br />
Ravensberg in Kiel sowie weiteren Verbän<strong>de</strong>n in Breslau, Königsberg und<br />
Hannover vollzogen. 897<br />
Zur Halbjahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>tfeier <strong>de</strong>s Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland ließ <strong><strong>de</strong>r</strong> Preußi-<br />
schen Protektorenverband 1930 <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>s Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns ermitteln. Die<br />
Ergebnisse <strong>für</strong> die Schülerinnen im Berliner Raum lauteten:<br />
Verband Schulen Boote Schülerinnen<br />
Lyzeal-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband-Groß-Berlin 20 74 1130<br />
Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband-Wannsee 16 60 906<br />
Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband-Nord 5 17 196<br />
Freie-Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine 7 20 307<br />
Tab. 5: Stand <strong>de</strong>s Schulru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im Großraum Berlin 1930 898<br />
Im übrigen Preußen war das Schulru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach Pro-<br />
vinzen zusammengefasst. Die Ergebnisse erschließen sich wie folgt:<br />
Provinz Schulen Boote Schülerinnen<br />
Ostpreußen 3 5 116<br />
Bran<strong>de</strong>nburg 8 25 416<br />
Pommern 5 6 95<br />
Schlesien 1 3 32<br />
Sachsen 2 3 30<br />
Schleswig-Holstein 4 7 132<br />
Hannover 8 7 184<br />
Westfalen 3 k. A. k. A.<br />
Hessen-Nassau 4 11 239<br />
Rheinprovinz 9 11 230<br />
Tab. 6: Stand <strong>de</strong>s Schulru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong>de</strong>n Provinzen Preußens 1930 899<br />
Es bestand nie eine übergeordnete Dachorganisation, die sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Schüle-<br />
rinnen annahm. Die Protektorinnen waren wie <strong><strong>de</strong>r</strong>en männliche Kollegen im<br />
Preußischen Protektorenverband organisiert, aber <strong>für</strong> die Mädchen sahen<br />
897 Vgl. ALTROCK, Probleme <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 22.<br />
898 Vgl. GRIMMERT, „Die Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Preußen“, S. 238-239.<br />
899 Vgl. ebenda, S. 240-244. Für die Provinz Grenzmark wur<strong>de</strong>n keine Angaben gemacht.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 232<br />
die Verantwortlichen <strong>für</strong> eine Zentralisierung keine Notwendigkeit. Viele Pro-<br />
vinzen waren sehr klein, so dass sie nie maßgebend Einfluss ausüben konn-<br />
ten. Das bekannte Problem, die Integration nichtselbstständiger<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine o<strong><strong>de</strong>r</strong> -abteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine <strong>de</strong>s DRV, be-<br />
stand auch bei <strong>de</strong>n Schülerinnen. Durch die Aufteilung wur<strong>de</strong> dies noch er-<br />
schwert. Allerdings legten die Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine we<strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Wert auf eine Mitgliedschaft im DRV noch auf einen gesamt<strong>de</strong>utschen Zu-<br />
sammenschluss, da sie fast ausschließlich das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n betrieben und<br />
aus diesem Grund keine Notwendigkeit sahen, eine DRV-Mitgliedschaft an-<br />
zustreben, um auf Regatten starten zu können. Die Vereine und Riegen<br />
stan<strong>de</strong>n außer<strong><strong>de</strong>m</strong> fast immer unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Protektorat <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Schule,<br />
so dass sie nicht um ihre Position <strong>für</strong>chten mussten.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s Unterausschusses <strong>für</strong> Schüler- und Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im<br />
DRV 1927 gewann das männliche Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an Struktur.<br />
Dabei wur<strong>de</strong>n die Schülerinnen zwar zahlenmäßig erfasst, aber nicht explizit<br />
geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Der Preußische Protektorenverband unterstützte diesen Prozess<br />
als Bin<strong>de</strong>glied zwischen Schul- und Sportinstanzen und versuchte, die Be-<br />
lange <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Jugend zu wahren. Das galt auch <strong>für</strong> die Mädchen, da<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Protektorinnen <strong><strong>de</strong>m</strong> Preußischen Protektorenverband angehörten.<br />
Weitere Unterstützung erhielten die Schülerinnen vom 1924 gegrün<strong>de</strong>ten<br />
Verband <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiter(-innen) preußischer Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigungen. 900<br />
Damit die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule gewahrt wur<strong>de</strong>n, kooperierte dieser Ver-<br />
band mit <strong><strong>de</strong>m</strong> jeweils zuständigen Schulkollegium. Gemäß einem Erlass aus<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Jahre 1924 war Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> planmäßigen<br />
Leibesübungen. Damit waren die Riegen und Vereine Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schulen und unterstan<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufsicht <strong>de</strong>s zuständigen Provinzial-<br />
Schulkollegiums. Das Preußische Schulkollegium entwarf eine Mustersat-<br />
zung, die <strong>de</strong>n Vereinen zwar genügend Raum zur Selbstverwaltung ließ,<br />
aber sie auch unter Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulen stellte. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> konnten nur<br />
Schülerinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Schule wer<strong>de</strong>n, die noch nicht in einem Frauen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein waren. Der Aufnahmeantrag musste von <strong><strong>de</strong>r</strong> Protektorin, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
900 Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 45.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 233<br />
Klassenlehrerin, <strong><strong>de</strong>r</strong> Turnlehrerin sowie <strong><strong>de</strong>m</strong> Direktor genehmigt und schließ-<br />
lich durch <strong>de</strong>n Beschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>versammlung beschlossen wer<strong>de</strong>n. 901<br />
Die enge Bindung an die Schulen zeigte sich bereits in einem Erlass von<br />
1920, <strong><strong>de</strong>r</strong> besagt, dass neben <strong>de</strong>n wöchentlichen Turnstun<strong>de</strong>n ein schul- und<br />
aufgabenfreier Halbtag eingerichtet wer<strong>de</strong>n sollte, an <strong><strong>de</strong>m</strong> nach Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schülerinnen auch geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
Erstaunlicherweise wur<strong>de</strong> 1926 per Bestimmung gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, dass das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auf einem fest angebrachten Sitz ausgiebig gelehrt wer<strong>de</strong>n sollte, obwohl die<br />
Frauen bereits seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong> auf Rollsitzen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. In diesen<br />
Bestimmungen wur<strong>de</strong> auch explizit auf die Betonung <strong>de</strong>s Stil- und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns hingewiesen, eine Regattateilnahme erschien nicht empfehlens-<br />
wert. 902<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Jubiläumsfeier <strong>de</strong>s Preußischen Protektorenverban<strong>de</strong>s 1930 in Berlin<br />
waren die Mädchen zwar nicht gleichberechtigt, da die Organisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Fei-<br />
er in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> lag, aber immerhin<br />
durften sie sich mit ihren Mannschaften an <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffahrt mitwirken. 200 Schü-<br />
lerinnen mit ihren Protektorinnen nahmen an dieser Veranstaltung teil, die in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Presse großen Anklang fand. 903<br />
Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>training <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen begann prinzipiell im Winter mit Kasten-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, zuweilen auch mit turnerischen Trockenübungen. Grimmert führt an,<br />
dass häufig nur ein Termin in <strong><strong>de</strong>r</strong> Großstadt wahrgenommen wer<strong>de</strong>n konnte,<br />
da die Anfahrtstwege zu lang waren, wohingegen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Provinz mehrmals in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Woche trainiert wur<strong>de</strong>. 904<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>rennen spielten innerhalb <strong>de</strong>s Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns keine große Rolle,<br />
da man sich auf Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> beschränkte. Häufig wur-<br />
<strong>de</strong> das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch nur dann betrieben, wenn die Wasserverhältnisse das<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht zuließen. 905 1926 fand <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerb <strong>für</strong><br />
Schülerinnen statt. <strong>Aus</strong>getragen wur<strong>de</strong> dieser auf <strong><strong>de</strong>m</strong> kleinen Wannsee in<br />
Berlin; das Bezirksamt Berlin-Wilmersdorf hatte <strong><strong>de</strong>m</strong> Lyzeal-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
einen Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>preis gestiftet. 1928 und 1929 folgten in Königsberg die nächs-<br />
901 Vgl. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, S. 16.<br />
902 Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 45.<br />
903 GRIMMERT, „Die Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Preußen“, S. 237.<br />
904 Vgl. ebenda, S. 236.<br />
905 Vgl. ebenda, S. 237.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 234<br />
ten Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten. 906 Neben <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gab es noch Schlagzahlren-<br />
nen, die aber selten ausgeschrieben wur<strong>de</strong>n, da es auch hier zu Differenzen<br />
wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zählweise kam. Dennoch berichtet Buerstätte von einer Regatta<br />
1941, an <strong><strong>de</strong>r</strong> 41 Schlagzahlrennen von 684 Königsberger Schülerinnen und<br />
Schülern ausgeru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>n. 907<br />
1942 konnten Mädchen zum ersten Mal an <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
meisterschaften teilnehmen, wo ein kombinierter Wettbewerb im Stil- und<br />
Schlagzahlru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausgeschrieben wur<strong>de</strong>. 908<br />
Offensichtlich profitierten die Schülerinnen von <strong>de</strong>n Schülern. Obwohl diese<br />
Entwicklungslinie im Vergleich zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen Jugend später<br />
einsetzte, konnten die Erfahrungswerte auf die Schülerinnen-Aktivitäten<br />
übertragen wer<strong>de</strong>n. Die Organisationsstruktur <strong>de</strong>s Schul- und Schülerinnen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns wur<strong>de</strong> in dieser Form nach 1945 nicht mehr belebt.<br />
5.9 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n Universitäten bis 1945<br />
Das Stu<strong>de</strong>ntinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Universitäten und Hochschulen<br />
setzt im Vergleich zu <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgezeigten Entwicklung im Frauen- und Schul-<br />
und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erst spät ein. Dies lag vermutlich daran, dass zum<br />
einen die Stu<strong>de</strong>ntinnen nur <strong>für</strong> die Dauer ihres Studiums an <strong>de</strong>n Ort gebun-<br />
<strong>de</strong>n waren und zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en nur wenige Universitäten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kurse anboten.<br />
Die <strong>Aus</strong>bildung aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>lehrerinnen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Preußischen Lan<strong>de</strong>s-<br />
turnanstalt begann allerdings schon 1912, acht Jahre später begann die<br />
Deutsche Hochschule <strong>für</strong> Leibesübungen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>lehrer auszubil<strong>de</strong>n. 909 Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n war Pflichtfach <strong>für</strong> alle Stu<strong>de</strong>ntinnen.<br />
Der aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>nten etablierte sich bereits um 1880.<br />
Kaiser Wilhelm I. hatte ein großes Interesse an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbreitung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sports an <strong>de</strong>n Universitäten und för<strong><strong>de</strong>r</strong>te dies <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend. 910<br />
Bis 1915 wur<strong>de</strong> lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen-Sport-Verein <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Univer-<br />
sität gegrün<strong>de</strong>t. 911 Alle weiteren Vereine datieren aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Ers-<br />
ten Weltkrieg. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit zwischen 1925 und 1927 kam es zu Riegen- und<br />
906<br />
Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 49.<br />
907<br />
Vgl. ebenda.<br />
908<br />
Vgl. ALTROCK, Probleme <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 26.<br />
909<br />
Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 52.<br />
910<br />
Vgl. HUTMACHER, <strong>Aus</strong>bildung im Schulru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, S. 23.<br />
911<br />
Vgl. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, S. 4. Ferner BECKER, Mit<br />
Rock und Riemen, S. 149.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 235<br />
Vereinsgründungen an <strong>de</strong>n Hochschulen und Universitäten in Berlin, Bres-<br />
lau, Bonn, Dres<strong>de</strong>n, Hamburg, Hei<strong>de</strong>lberg, Kiel, Königsberg, Köln, Frank-<br />
furt/Main, Göttingen, Halle/Saale, Leipzig, Marburg und Rostock. 912 In<br />
Hamburg, Hei<strong>de</strong>lberg, Dres<strong>de</strong>n und Köln wur<strong>de</strong>n die<br />
Stu<strong>de</strong>ntinnenabteilungen an örtliche Frauen- und Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine ange-<br />
schlossen. 913 Die 1927 in Berlin gegrün<strong>de</strong>te Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege „Walküre“ wur<strong>de</strong> von<br />
Hugo Borrmann betreut und war in <strong>de</strong>n 30er Jahren beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Rennru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n erfolgreich.<br />
Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 30er Jahre wur<strong>de</strong> an fast allen Hochschulen und Universitäten<br />
geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t, so dass die Stu<strong>de</strong>ntinnen häufig auf das Bootsmaterial <strong><strong>de</strong>r</strong> männli-<br />
chen Kommilitonen zurückgreifen konnten o<strong><strong>de</strong>r</strong> mussten. Dies führte dazu,<br />
dass anfänglich nahezu ausschließlich „geriemt“ wur<strong>de</strong>, da die selbstständi-<br />
gen Vereine und Riegen nicht die finanziellen Mittel besaßen, geeignete ei-<br />
gene Boote anzuschaffen. Ziegler stellte fest, dass in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit auch<br />
Riemenboote beim Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Einsatz kamen. 914<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als beim Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und mit Abstrichen beim Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
existierte beim Stu<strong>de</strong>ntinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n kein übergeordneter Dachverband. Die<br />
Stu<strong>de</strong>ntinnenvereine und -riegen unterstan<strong>de</strong>n lediglich <strong>de</strong>n zuständigen<br />
Hochschulämtern <strong>für</strong> Leibesübungen. Bei Regatten wur<strong>de</strong>n die Bestimmun-<br />
gen zwischen <strong>de</strong>n teilnehmen<strong>de</strong>n Hochschulen vereinbart, im Allgemeinen<br />
aber geschah dies in Einklang mit <strong>de</strong>n AWB <strong>de</strong>s DRV. 915<br />
Analog zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Stu<strong>de</strong>ntinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns begann auch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Be-<br />
teiligung an Regatten verhältnismäßig spät. Erstmalig wur<strong>de</strong> 1927 bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Veranstaltung Deutsch-Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>isches Olympia in Königsberg ein Wettbe-<br />
werb im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen ausgeschrieben. 916 Im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n fand<br />
das erste Rennen in Breslau statt, in <strong><strong>de</strong>m</strong> eine Mannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Uni-<br />
versität gegen die Technische Hochschule Breslau in Riemenbooten an-<br />
trat. 917<br />
Der Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen und Stu<strong>de</strong>nten wur<strong>de</strong> erstmals 1928 vom DRV<br />
zur Kenntnis genommen, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband einen Unterausschuss <strong>für</strong> aka<strong>de</strong>-<br />
912<br />
Vgl. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, S. 5.<br />
913<br />
Vgl. ALTROCK, Probleme <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 18.<br />
914<br />
Vgl. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, S. 5.<br />
915<br />
Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 52.<br />
916<br />
Vgl. ebenda, S. 55.<br />
917<br />
Vgl. ZIEGLER, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland und im <strong>Aus</strong>land, S. 5.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 236<br />
misches Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n einsetzte. Hochschulmannschaften konnten auch auf DRV-<br />
Regatten teilnehmen. Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1930 in Karlsruhe wur<strong>de</strong> diese Ge-<br />
nehmigung zurückgezogen, so dass sich die Stu<strong>de</strong>ntinnen und Stu<strong>de</strong>nten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Hochschulen und Universitäten zu Hochschulvereinen zusammenschlos-<br />
sen, welche die Aufnahme in <strong>de</strong>n Verband beantragten. Dies wur<strong>de</strong> vom<br />
DRV genehmigt. 918<br />
Der Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund veranstaltete alljährliche Hochschulregatten,<br />
an <strong>de</strong>nen sich nur selten Frauen beteiligten. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> 1929 ausgerichteten<br />
Jubiläumsregatta <strong>de</strong>s DDRV in Berlin wur<strong>de</strong>n zwei von insgesamt 18 Ren-<br />
nen <strong>für</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen ausgeschrieben. Hierbei han<strong>de</strong>lte es sich um ein Stil-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und ein Wettru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Gig-Doppelvierer über 800m. Es siegte das<br />
erste Boot <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Universität vor einem weiteren Boot aus Berlin und<br />
<strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>ntinnen aus Bonn. 919<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochschulregatta 1932 in Berlin wur<strong>de</strong> das erste Rennbootrennen<br />
<strong>für</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen im Doppelzweier über 1.200m ausgeschrieben. Gewonnen<br />
wur<strong>de</strong> dieser Wettbewerb von <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Hochschule <strong>für</strong><br />
Leibesübungen in Berlin, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> allesamt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege „Walküre“<br />
angehörten.<br />
Insgesamt ging die Entwicklung <strong>de</strong>s Stu<strong>de</strong>ntinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns langsamer voran<br />
als die <strong>de</strong>s allgemeinen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch <strong>de</strong>s Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns.<br />
Die Beteiligung an Regatten war nicht übermäßig hoch und es dominierten<br />
einzelne Riegen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> große Freu<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei hatten.<br />
Ein Beispiel hier<strong>für</strong> ist die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege „Walküre“ aus Berlin, die an <strong>de</strong>n Re-<br />
gatten <strong>de</strong>s DDRV und später <strong>de</strong>s DRV erfolgreich im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n teilnah-<br />
men. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n be<strong>de</strong>utete <strong>für</strong> viele Stu<strong>de</strong>ntinnen Erholung und Abwechslung.<br />
Das Studium sollte sie aber primär dazu befähigen, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>unterricht an Schu-<br />
len zu erteilen. Die <strong>Aus</strong>bildung im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n Hochschulen waren <strong><strong>de</strong>m</strong>-<br />
entsprechend auf dieses Hauptanliegen ausgerichtet.<br />
5.10 Exkurs: Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Aus</strong>land vor 1945<br />
<strong>Aus</strong> England wird von Ann Glanville berichtet, die gemeinsam mit ihren Fi-<br />
scherkolleginnen aus Saltash in <strong>de</strong>n 50er Jahren <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts an<br />
mehreren öffentlichen Regatten teilgenommen hat und die als „champion<br />
918 Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 55.<br />
919 Vgl. ebenda, S. 56.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 237<br />
female rower of the world“ bezeichnet wur<strong>de</strong>n. 920 1886 erschien in <strong><strong>de</strong>r</strong> engli-<br />
schen Zeitung The Doidge’s Western Counties Illustrated Annual ein Artikel,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> die Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen um Ann Glanville lobend herausstellt:<br />
„Thirty years ago the crew of Saltash women were [sic! ] one of<br />
the most important features, not only of local regattas, but of similar<br />
aquatic events in other parts of the country. [...] It was very<br />
rarely that Ann and her crew were beaten in a match, even by the<br />
opposite sex. They were never beaten by their own sex.“ 921<br />
Zur selben Thematik fin<strong>de</strong>t sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Wassersport aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr<br />
1890 unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Überschrift „Die Meisterschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt <strong><strong>de</strong>r</strong> Damen – Pariser<br />
Tourenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Vereinigung En Douce“ <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong> Eintrag:<br />
„Fräulein Annette X., eine auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Marne wohlbekannte, kräftige<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in, erreichte vor ihren als Damen verklei<strong>de</strong>ten männlichen<br />
Gegnern zuerst das Ziel.“ 922<br />
Bereits 1880 wur<strong>de</strong> in Lady Greville’s Gentlewomen’s Book of Sports festge-<br />
stellt, dass Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ale Zeitvertreib und Sport <strong>für</strong> Frauen sei:<br />
„It is essential for every English girl to learn to row, and no one<br />
can say anything against a lady rowing – though of course, there<br />
are ‘some folks’ who would run down anything that a lady does in<br />
the way of athletic exercise, more for the sake of argument than<br />
anything else.“ 923<br />
1890 wird von einem Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club an <strong><strong>de</strong>r</strong> Themse berichtet, <strong><strong>de</strong>r</strong> „erste<br />
wirklich zum Zweck <strong>de</strong>s Trainierens und Wettfahrens gegrün<strong>de</strong>te regelrechte<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein von jungen Englän<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ 924 , mit Sitz in Islingworth bei Lon-<br />
don. In diesem Artikel wird erwähnt, dass die Damen fast dieselben Satzun-<br />
gen wie die Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er hätten, sich aber von <strong>de</strong>n männlichen<br />
Sportgenossen durch gewissenhafteres Befolgen <strong><strong>de</strong>r</strong> selbst gemachten Ge-<br />
setze und sorgsamere Behandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote unterschie<strong>de</strong>n.<br />
Explizit wird die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kleidung beschrieben, die aus einem bequemen Rock<br />
mit dunkelblauen Falbeln, einer Art Matrosenjacke, braunen Schuhen und<br />
920<br />
Vgl. C. PARKER, The Social History of English Women’s Rowing 1920-1963: A Case<br />
Study of Weybridge Ladies Amateur Club, Master’s thesis, The University of Warwick<br />
1993, S. 28.<br />
921<br />
PARKER, The Social History of English Women’s Rowing 1920-1963, S. 28.<br />
922<br />
[ohne Verfasser], „Die Meisterschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt <strong><strong>de</strong>r</strong> Damen“, in: Wassersport 8(1890)41, S.<br />
454.<br />
923<br />
PARKER, The Social History of English Women’s Rowing 1920-1963, S. 28.<br />
924<br />
[ohne Verfasser], [ohne Titel], in: Wassersport 9(1891)40, S. 491.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 238<br />
einem Matrosenhut mit schräg hellblauem Band bestand. 925 „Die Kleidung<br />
gestattet die freieste Bewegung und sieht nicht übel aus.“ 926 Abschließend<br />
wird noch das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bewertet: „Manche ziehen zu kurz, wenn es schneller<br />
wird, daran muss noch geübt wer<strong>de</strong>n.“ 927 Erwähnenswert erscheint auch,<br />
dass im Winter geturnt und durch gemeinsame Treffen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenhalt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gestärkt wer<strong>de</strong>n sollte. 928<br />
In <strong>de</strong>n USA boten die Hochschulen (colleges) Mount Holyoke und Wellesley<br />
ab 1875 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kurse an, um ihre Stu<strong>de</strong>ntinnen in Anmut und Eleganz <strong>de</strong>s<br />
weiblichen Körpers zu unterrichten. Wettbewerbe mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Institut</strong>ionen<br />
waren allerdings strengstens verboten. Am Wellesley College konnten die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sogar 75 Jahre lang lediglich an internen Wettbewerben teil-<br />
nehmen. 929 Ludtke berichtet von einem Frühlingsfest am Wellesley College,<br />
„Float-Night“, bei <strong><strong>de</strong>m</strong> es nicht auf strenges Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ankam. 930 Je<strong>de</strong> Klasse<br />
schrieb ihre eigenen Mannschaftslie<strong><strong>de</strong>r</strong> und entwarf eine Tracht, die mehr<br />
<strong>de</strong>n beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Umstän<strong>de</strong>n als <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung angepasst war. Eine<br />
typische Strophe von einem Lied <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Zeit stammte von <strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse<br />
<strong>de</strong>s Jahrgangs 1908:<br />
„Across the rippling lake we go. Our bla<strong>de</strong>s flash bright as we seing<br />
low. With rhythmic beat, now swift, now slow for our Class,<br />
1908, we row.“ 931<br />
Weite Matrosenklei<strong><strong>de</strong>r</strong>, sorgfältig mit dazugehören<strong>de</strong>n Reformhosen zuge-<br />
schnitten, waren zwar unpraktisch, aber nicht wegzu<strong>de</strong>nken. 932 Ludtke be-<br />
richtet, dass 1893 die „Float-Night“ 5.000 Zuschauer anzog, die durch das<br />
dargebotene Feuerwerk so fasziniert waren, dass die unpassen<strong>de</strong> Kleidung<br />
unbemerkt blieb. 933 Nur langsam vollzog sich die Entwicklung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Sän-<br />
gerin zur Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in. Lucille Hill, die Leiterin <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung <strong>de</strong>s Colleges,<br />
teilte die Stu<strong>de</strong>ntinnen in zwei Gruppen ein. Die eine wur<strong>de</strong> von ihr in die<br />
925<br />
Vgl. ebenda.<br />
926<br />
Ebenda, S. 492. Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen zur Kleidung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in Kap. 5.3.2.<br />
927<br />
Ebenda.<br />
928<br />
Vgl. ebenda.<br />
929<br />
Vgl. A. SEATON HUNTINGTON, „Women on Water“, in: L. SMITH (Hrsg.), Nike Is a God<strong>de</strong>ss:<br />
The History of Women in Sports, New York 1998, S. 111, zitiert nach: A. SCHWEINBENZ,<br />
„Paddling Against the Current“, S. 257.<br />
930<br />
Vgl. M. LUDTKE, „Die Mannschaftsgeschichte <strong>de</strong>s Wellesley-College. Ein Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: The Oarsman, [o.O.] 1975, Privatbesitz Schumann, S. 12.<br />
931<br />
Ebenda.<br />
932 Vgl. ebenda.<br />
933 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 239<br />
mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne schwedische Gymnastik eingeführt, die an<strong><strong>de</strong>r</strong>e wur<strong>de</strong> beauftragt,<br />
mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n fortzufahren. Es wur<strong>de</strong> festgestellt, dass bei<strong>de</strong> Gruppen<br />
gleich leistungsfähig waren. Von diesem Zeitpunkt an, konnten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen sich Sportlerinnen nennen. Dennoch galt es, eine gewisse Etikette zu<br />
bewahren:<br />
„Die Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherheit müßten sorgfältig berücksichtigt wer<strong>de</strong>n,<br />
es sollte keine übermäßige Kraftentfaltung angestrebt wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Training sollte genau, regelmäßig und<br />
wirkungsvoll sein, so daß die Muskeln sich gleichmäßig entwickelten.<br />
So wür<strong>de</strong> das Mädchen Körperbeherrschung und Selbstvertrauen<br />
lernen.“ 934<br />
Diese Vorsichtsmaßnahmen waren nichts außergewöhnliches, die meisten<br />
Trainingsmetho<strong>de</strong>n beschränkten sich auf Freiübungen und Laufen. Geru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong> nicht allzu viel, „aus Angst, Blasen an <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n zu bekom-<br />
men.“ 935 .<br />
Obwohl regelmäßig geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>, sollten die Stu<strong>de</strong>ntinnen nicht überfor-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. 1906 veröffentlichte das Boston Journal einen Artikel zur Be-<br />
schreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> „Float-Night“:<br />
„Am Float-Day haben die Sportstu<strong>de</strong>ntinnen, die <strong>de</strong>n ganzen<br />
Herbst und Winter hart in <strong>de</strong>n Booten trainiert haben, Gelegenheit<br />
zu zeigen, mit welcher Grazie sie einen Rennachter ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n können.<br />
Es war gestern Abend kein Wettkampf <strong><strong>de</strong>r</strong> Klassenmannschaften<br />
in Kraft und <strong>Aus</strong>dauer. Es war einfach eine Vorführung<br />
von geschicktem Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“ 936<br />
Bis 1930 wur<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n „Float-Nights“ Schnelligkeit nicht angestrebt. In <strong>de</strong>n<br />
Folgejahren galt es, eine angemessene Kombination aus Stil und Geschwin-<br />
digkeit zu fin<strong>de</strong>n. Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>tjahrfeier wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holten die Stu<strong>de</strong>n-<br />
tinnen eine „Float-Night“. 36 Frauen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten in die Mitte <strong>de</strong>s Lake Waban<br />
und bil<strong>de</strong>ten mit ihren Booten das Wellesley „W“.<br />
In <strong>de</strong>n USA gestaltete sich das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen<br />
<strong>Institut</strong>ionen als sehr schwierig. Ernestine Bayer gilt als die Pionierin <strong>de</strong>s US-<br />
amerikanischen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports. Da Frauen in Phila<strong>de</strong>lphia nicht auf <strong>de</strong>n<br />
Stegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenvereine erwünscht waren und sie es leid war, ihren Mann<br />
934 Ebenda.<br />
935 Vgl. ebenda.<br />
936 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 240<br />
beim Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu beobachten, grün<strong>de</strong>te sie 1938 <strong>de</strong>n Phila<strong>de</strong>lphia Girl’s<br />
Rowing Club, einen <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Frauenvereine an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ostküste. 937<br />
Die Stu<strong>de</strong>ntinnen <strong>de</strong>s Somerville College in Oxford konnten seit 1884 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sport betreiben. Als Trainingsstrecke wur<strong>de</strong> ein Teilstück <strong>de</strong>s Flusses Isis<br />
festgelegt; die Trainingszeiten waren so arrangiert, dass es nicht zu zufälli-<br />
gen Begegnungen mit <strong>de</strong>n männlichen Mannschaften kam. 938 Die Stu<strong>de</strong>ntin-<br />
nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitäten Cambridge und Oxford hatten ebenfalls vor 1900 die<br />
Möglichkeit, das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu erlernen. 939<br />
In England nahm das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine ähnliche Entwicklung wie in<br />
Deutschland. Obwohl es auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Insel früher Rennen gab, begannen auch<br />
hier die Frauen mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (style competition), das in <strong>de</strong>n Männer-<br />
vereinen nicht gepflegt wur<strong>de</strong>. Frauen wur<strong>de</strong>n dazu ermutigt, spazieren zu<br />
gehen, Rad zu fahren und sich an Aktivitäten und Übungen zu beteiligen, die<br />
angeblich <strong><strong>de</strong>r</strong> Anatomie <strong>de</strong>s weiblichen Körpers entsprachen. Das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
wur<strong>de</strong> in England toleriert, da es gesellschaftlich und körperlich angemessen<br />
erschien. Allerdings wur<strong>de</strong> auch hier genau nach gesellschaftlicher Klassen-<br />
zugehörigkeit differenziert: Frauen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiterklasse fahren Rennen,<br />
„ladies“ betreiben Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Das äußere Erscheinungsbild ähnelte stark <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen:<br />
„Style rowing was <strong>de</strong>signed to promote outdoor physical activity<br />
for women without the disruption to feminity. Vulgar racing that inclu<strong>de</strong>s<br />
muscular <strong>de</strong>velopment was reserved for the working class,<br />
while ‘ladies’ preferred the aesthetics of style rowing. Early participants<br />
wore corsets, white cotton gloves, and long, white summer<br />
dresses.“ 940<br />
1904 beobachtete Borrmann Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>rennen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Themse <strong>für</strong> Frauen in<br />
breiten Themsebooten. 941 Die Frauen trugen lange Klei<strong><strong>de</strong>r</strong>, fast Schleppen,<br />
und ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten auf festen Sitzen. Das erstaunlichste aber schien <strong><strong>de</strong>r</strong> Hut auf<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Kopf gewesen zu sein: entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Hut mit Pleureuse o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit wip-<br />
pen<strong><strong>de</strong>r</strong> Fe<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Größe eines Lampenschirms. Prinzipiell aber ging es<br />
laut Borrmann um das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an sich und es wur<strong>de</strong> nicht lange gefragt o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
937<br />
Vgl. SEATON HUNTINGTON, „Women on Water“, S. 111-112.<br />
938<br />
Vgl. DODD, The Story of World Rowing, S. 338.<br />
939<br />
Vgl. ebenda.<br />
940<br />
Ebenda, S. 338.<br />
941<br />
Vgl. H. BORRMANN, „Vom Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Aus</strong>lan<strong>de</strong>“, in: Wassersport 47(1929)14, S.<br />
231. Die Breite wird von Borrmann mit 1.25m angegeben.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 241<br />
diskutiert, ob „das nun sportlich sei o<strong><strong>de</strong>r</strong> gesundheitsschädlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> unmora-<br />
lisch o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonst etwas Schönes: man ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te ohne Erwägungen und ohne<br />
Meckern. Es war Spiel und Vergnügen und einen Blumenstrauß hat je<strong>de</strong><br />
Teilnehmerin erhalten.“ 942<br />
Anfang <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts drängten immer mehr Frauen in England in die<br />
männlich dominierten Sportarten. 1907 weigerte sich die British Amateur-<br />
Rowing-Association, das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n anzuerkennen. Die Vereine, die<br />
Frauen eine Mitgliedschaft ermöglichten, wur<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n nationalen Ver-<br />
bän<strong>de</strong>n ausgeschlossen. 943<br />
Im Zuge dieser Entwicklung grün<strong>de</strong>ten Amy Gentry und Mrs. K. L. Summer-<br />
ton 1923 die Women’s Amateur Rowing Association (WARA). Die erste Vor-<br />
sitzen<strong>de</strong> war Lady Desborough, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gatte Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> British Olympic<br />
Association war. 944 Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung<br />
die Wortwahl, da das englische Wort „woman“ anstelle von „lady“ eine Ab-<br />
kehr vom Freizeitru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n implizierte. Trotz dieser Unter-<br />
scheidung zwischen Frauen und Damen basierten die Statuten <strong><strong>de</strong>r</strong> WARA<br />
auf <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> ARA, was dazu führte, dass Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiterklasse von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedschaft ausgeschlossen waren. 945<br />
Das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> bereits ab 1918 systematisch aufgezogen. Die ers-<br />
ten Rennen in <strong>de</strong>n Themsebooten waren nicht öffentlicher Art, 946 da das Bild<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Frauen nicht mit <strong><strong>de</strong>m</strong> gängigen Frauenbild harmonierte. 1920<br />
wur<strong>de</strong> das erste öffentliche Rennen ausgetragen. Zuvor waren allerdings<br />
schon die Schulen und Colleges gegeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> angetreten.<br />
1929 gab es in England 75 Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine. Ähnlich wie in Deutschland<br />
konzentrierte sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei auf die Hauptstadt, also auf London. Selten<br />
verfügten die Vereine über eigene Bootshäuser, allerdings berichtet Borr-<br />
mann, dass es <strong>für</strong> die Frauen einfacher als in Deutschland war, sich bei an-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Vereinen einzumieten. Die meisten Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine wur<strong>de</strong>n<br />
außer<strong><strong>de</strong>m</strong> von Frauen geleitet. Gemischte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine folgten <strong><strong>de</strong>m</strong> Bei-<br />
spiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Tennisvereine, in <strong>de</strong>nen eine gleichberechtigte Mitgliedschaft Usus<br />
war. Gemeinsames Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n diente Training und Vergnügen zugleich.<br />
942<br />
Ebenda, S. 231.<br />
943<br />
Vgl. WIGGLESWORTH, A Social History of English Rowing, S. 111.<br />
944<br />
Vgl. ebenda.<br />
945<br />
Vgl. SCHWEINBENZ, „Paddling Against the Current“, S. 259.<br />
946<br />
Vgl. BORRMANN, „Vom Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Aus</strong>lan<strong>de</strong>“, S. 232.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 242<br />
England muss in <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns eine Vorreiterrolle attes-<br />
tiert wer<strong>de</strong>n. Sehr früh wur<strong>de</strong>n bereits Rennen im Achter und im Einer zur<br />
Ermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezirksmeister abgehalten, die als Head of the River Race<br />
bezeichnet wur<strong>de</strong>n. Die WARA richtete einmal im Jahr eine eigene Regatta<br />
aus, ansonsten gab es bis 1930 durchschnittlich 25 Regatten jährlich, an <strong>de</strong>-<br />
nen Frauen in Einlagerennen teilnehmen konnten. 947 Geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong> in<br />
schmalen Klinkerbooten und Rennriemenbooten mit <strong>Aus</strong>legern.<br />
Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Frauen hatten die Englän<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mehr<br />
Möglichkeiten, an Rennen teilzunehmen. Dies kann damit erklärt wer<strong>de</strong>n,<br />
dass sie <strong><strong>de</strong>m</strong> Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mehr zugetan waren als die <strong>Deutschen</strong>. Da in<br />
England fast ausschließlich „geriemt“ wur<strong>de</strong>, waren die Frauen gezwungen in<br />
Riemenbooten ihre Rennen auszufahren. Die Diskussion, ob nun das Skul-<br />
len o<strong><strong>de</strong>r</strong> Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> die Frauen besser sei o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht, wur<strong>de</strong> in Eng-<br />
land nicht geführt.<br />
Ein ähnliches Bild zeichnete Borrman vom Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan-<br />
<strong>de</strong>n. So wur<strong>de</strong>n zwar dort auf Regatten Klinkerboote und Rennriemenboote<br />
verwen<strong>de</strong>t, es wur<strong>de</strong>n allerdings keine Rennen im herkömmlichen Sinn aus-<br />
gefahren. Bereits 1913 fand <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerb zwischen Verei-<br />
nen aus Utrecht, Amsterdam und Den Haag statt. Fünf Jahre später stellten<br />
die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>län<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Rennboote um. Zwischenzeitlich wur<strong>de</strong> versucht, das<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Frauen einzuführen, war aber zu <strong><strong>de</strong>m</strong> Schluss gekommen,<br />
dass Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n kein Sport <strong>für</strong> Frauen war. 948<br />
Bis 1930 gab es in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n nur einen einzigen selbstständigen<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein. Der Verein De Vliet in Lei<strong>de</strong>n verfügte sogar über ein<br />
eigenes Bootshaus. 949 Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Frauenregatten wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan-<br />
<strong>de</strong>n nicht ausgerichtet, allerdings gab es auf vier o<strong><strong>de</strong>r</strong> fünf Männerregatten<br />
die Möglichkeit, an Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben teilzunehmen.<br />
Frauen waren in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n häufig or<strong>de</strong>ntliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in einem<br />
Männerverein. Dies führte dazu, dass gemischte <strong>Aus</strong>fahrten unternommen<br />
wur<strong>de</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in Deutschland wur<strong>de</strong>n allerdings nicht längere Strecken<br />
bewältigt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n kürzere <strong>Aus</strong>fahrten unternommen. Nach einigen Kilome-<br />
tern wur<strong>de</strong> Pause gemacht, meist in Verbindung mit einem Picknick. Viele<br />
947 Vgl. ebenda.<br />
948 Vgl. ebenda.<br />
949 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 243<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Boote waren außer<strong><strong>de</strong>m</strong> mit einem Außenbordmotor versehen, um <strong>de</strong>n<br />
Rückweg zu erleichtern. Gemeinsames Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war üblich in nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländi-<br />
schen Vereinen. Dies traf nicht auf <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein in Amster-<br />
dam zu, <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls über eine Damenabteilung verfügte und<br />
Gemischtru<strong><strong>de</strong>r</strong>n schlichtweg ablehnte. 950<br />
Um die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s internationalen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns voranzutreiben, be-<br />
mühten sich die Englän<strong><strong>de</strong>r</strong> seit 1928 intensiv um die Gründung eines interna-<br />
tionalen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s. Dies erscheint heute einerseits erstaunlich,<br />
da <strong><strong>de</strong>r</strong> englische Männerverband nicht einmal <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA angehörte. An<strong><strong>de</strong>r</strong>er-<br />
seits kann auch genau die fehlen<strong>de</strong> Einbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen <strong>de</strong>n Wunsch<br />
nach einer Verbandszugehörigkeit unterstützt haben. Am 1. Juli 1929 fand in<br />
London eine Tagung <strong>de</strong>s englischen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s WARA unter<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Vorsitz von Frau Gedge statt. Ziel war die Gründung eines internationa-<br />
len Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s. Da aber die eingela<strong>de</strong>nen ausländischen Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> nicht erschienen waren, wur<strong>de</strong> das Ziel letztlich nicht<br />
erreicht. 951<br />
Dennoch erscheint <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige Gedanke an die Gründung eines internatio-<br />
nalen Verban<strong>de</strong>s auf Initiative <strong><strong>de</strong>r</strong> Englän<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht abwegig, da dieser Sport<br />
weltweit von immer mehr Frauen ausgeübt wur<strong>de</strong>. In England bestan<strong>de</strong>n<br />
1929 75 Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine, zwölf davon allein in London. Je<strong>de</strong>s Jahr wur-<br />
<strong>de</strong>n Rennen über ein bis zwei Meilen Länge veranstaltet. Ferner fan<strong>de</strong>n jähr-<br />
lich im September in Putney Rennen im Einer, Doppelzweier, Vierer und<br />
Achter statt. 952 Die Umstän<strong>de</strong> in England waren günstig und <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch<br />
nach einem internationalen Dachverband ist nachvollziehbar, auch wenn das<br />
Vorhaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Englän<strong><strong>de</strong>r</strong>innen scheiterte.<br />
Weit voran geschritten erscheint aus heutiger Sicht die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong>Aus</strong>tralien zur damaligen Zeit. Bereits 1920 wur<strong>de</strong> das<br />
<strong>Aus</strong>tralian Ladies’ Rowing Council als Sportbehör<strong>de</strong> <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
gegrün<strong>de</strong>t. 953 Später wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband in <strong>Aus</strong>tralian Women’s Rowing<br />
Council unbenannt. Dieser Verband veranstaltete alljährlich Interstate<br />
Boatraces über eine Rennstrecke von einer halben bis dreiviertel englischen<br />
950 Vgl. ebenda.<br />
951 Vgl. [ohne Verfasser], „Das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Aus</strong>land“, in: Wassersport 47(1929)49, S.<br />
1202.<br />
952 Vgl. ebenda, S. 1203.<br />
953 Vgl. ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 244<br />
Meile in <strong>de</strong>n Bootsgattungen Einer, Doppelzweier und Vierer. Erstaunlicher-<br />
weise wur<strong>de</strong> sogar eine Meisterschaft im gemischten Vierer ausgetragen. 954<br />
Der australische Sporthistoriker Daryl Adair beschrieb <strong>de</strong>n Vorteil, <strong>de</strong>n die<br />
<strong>Aus</strong>tralierinnen gegenüber <strong>de</strong>n europäischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen hatten:<br />
„Unlike English women’s rowing, where universities were the<br />
foundation of female competition, most <strong>Aus</strong>tralians rowed in clubs.<br />
Therefore, a greater diversity of women could be involved in <strong>Aus</strong>tralian<br />
rowing, as they were not explicitly exclu<strong>de</strong>d on the basis of<br />
class or education.“ 955<br />
<strong>Aus</strong> Frankreich wur<strong>de</strong> lediglich berichtet, dass es selbstständige Frauenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine gab, die die <strong>Aus</strong>schreibung von Rennen bei <strong>de</strong>n Olympischen<br />
Spielen wünschten. Des Weiteren wer<strong>de</strong>n noch Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Belgien,<br />
Norwegen, Ungarn, Tschechoslowakei, Dänemark und Polen genannt. In<br />
Polen bestand das gleiche Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Dezentralisierung wie in Deutschland<br />
und England. Zur damaligen Zeit gab es in Polen ungefähr 1.000 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen, alleine 600 davon waren in einem einzigen Verein in Warschau organi-<br />
siert.<br />
Den ersten ernsthaften Vorstoß zur Internationalisierung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
unternahm <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV 1937. Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> FISA-Kongress stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband, ver-<br />
treten durch Heinrich Pauli, <strong>de</strong>n Antrag auf Einführung einer Europameister-<br />
schaft <strong>für</strong> Frauen. Obwohl das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in vielen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n nachweislich<br />
immer mehr Anhängerinnen fand, wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Antrag abgelehnt. 956 Viele <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Delegierten assoziierten Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit einer wenig ambitionierten Frei-<br />
zeitbeschäftigung <strong>für</strong> Damen; Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> von ihnen mit Arbeiterin-<br />
nenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gleichgesetzt. Dies führte dazu, dass viele Delegierte die strengen<br />
Regeln <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA bezüglich <strong>de</strong>s Amateurparagraphen bedroht sahen und<br />
nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage waren, zu begreifen, dass Frauen aus allen Bevölkerungs-<br />
954 Vgl. ebenda.<br />
955 D. ADAIR, „Rowing and Sculling“, in: W. VRAMPLEV/B. STODDART (Hrsg.), Sport in <strong>Aus</strong>tralia,<br />
Cambridge 1994, S. 185, zitiert nach: SCHWEINBENZ, „Paddling Against the Current“, S.<br />
260.<br />
956 Vgl. [S. W.], „Der heutige Stand <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Europa. Das Ergebnis einer Rundfrage<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> FISA – Einheitliche Entwicklung notwendig“, in: Wassersport 57(1939)34, S.<br />
907. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Diskussion aus Sicht <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
sehr unglücklich verlief. Die Behauptung eines einzelnen Delegierten, <strong><strong>de</strong>r</strong> erklärte, dass<br />
Ärzte in seinem Land das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als gesundheitsschädigend und sportlich wertlos <strong>für</strong> die<br />
Frauen klassifiziert hätten, genügte, um <strong>de</strong>n Antrag abzulehnen. Erst später stellte sich<br />
heraus, dass es in <strong><strong>de</strong>m</strong> besagten Land nur eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in gab.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 245<br />
schichten an Regatten teilnahmen und dies in Zukunft auch auf internationa-<br />
ler Ebene beabsichtigten. 957<br />
Auch auf <strong><strong>de</strong>m</strong> FISA-Kongress 1938 wur<strong>de</strong> das „Frauen-Problem“ zurückge-<br />
stellt und konnte damit satzungsgemäß frühestens 1941 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> thematisiert<br />
wer<strong>de</strong>n. Dennoch wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung Tribut gezollt und die FISA ent-<br />
schloss sich, mittels einer Umfrage <strong>de</strong>n Status <strong>de</strong>s internationalen Frauenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu klären. Der Zweite Weltkrieg machte diese Bemühungen zunichte,<br />
so dass sämtliche Überlegungen bis 1946 eingestellt wur<strong>de</strong>n.<br />
Insgesamt beteiligten sich 14 Län<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Umfrage <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA: Zehn aus<br />
Europa, Ägypten, Uruguay, Argentinien und die Vereinigten Staaten. Der<br />
Fragebogen zielte nicht nur auf statistische Daten wie Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen, An-<br />
zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen und Regatten ab, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n versuchte auch zu klären, wel-<br />
cher Organisationsstruktur die einzelnen Vereine und Verbän<strong>de</strong> unterlagen.<br />
Die Ergebnisse wichen in <strong>de</strong>n einzelnen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur wenig voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> ab.<br />
So gab es beispielsweise in allen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n bis auf Ungarn und <strong>de</strong>n USA ge-<br />
mischte Vereine, <strong>de</strong>nen Frauenabteilungen angeschlossen waren. 958 Die<br />
Rennstrecken variierten in <strong>de</strong>n einzelnen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zwischen 600m und<br />
1.200m, waren durchschnittlich jedoch 1.000m lang. Dementsprechend wur-<br />
<strong>de</strong>n die Regatten entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> in Renn- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Klinkerbooten veranstaltet. In<br />
Frankreich wur<strong>de</strong> ein Wettbewerb über 1.000m sogar im Kanu ausgetragen.<br />
Rennen gab es lediglich in Frankreich, Polen, Rumänien und Deutschland. 959<br />
Interessant erscheint die Tatsache, dass neben <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n und<br />
Deutschland lediglich in Frankreich Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe, so genannte<br />
„concours <strong>de</strong> style ou d’élégance“, 960 abgehalten wur<strong>de</strong>n. Zusätzlich wur<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, Deutschland und <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbe-<br />
werbe angeboten.<br />
Am aussagekräftigsten waren allerdings die Antworten auf die Frage: „Wel-<br />
che allgemeinen Erfahrungen haben Sie in Ihrem Land mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n gemacht?“ In <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz und in Belgien wird das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als<br />
sportlich wertlos und ohne Einfluss auf <strong>de</strong>n allgemeinen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport bewer-<br />
tet. Der verbreiteten Meinung <strong><strong>de</strong>r</strong> Delegierten <strong><strong>de</strong>r</strong> USA, dass „Frauenwett-<br />
957<br />
Vgl. SCHWEINBENZ, „Paddling Against the Current“, S. 263.<br />
958<br />
Vgl. ebenda.<br />
959<br />
Vgl. [S., W.], „Der heutige Stand <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Europa. Das Ergebnis einer Rund-<br />
frage <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA“, S. 908.<br />
960 Ebenda.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 246<br />
bewerbe nicht angebracht sind“, 961 schlossen sich die Delegierten aller Län-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> an. Lediglich Deutschland differenzierte die Teilnahme an Wettbewerben<br />
weiter aus, in <strong><strong>de</strong>m</strong> die Befragen konstatierten, dass es selbstverständlich sei,<br />
dass Überanstrengungen vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müssten und auf diese Weise<br />
immer nur eine kleine Anzahl von Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>für</strong> Rennen überhaupt in Frage<br />
komme. 962<br />
Das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n befand sich im <strong>Aus</strong>land vor 1945 auf unterschiedlichen<br />
Entwicklungsstufen. In allen genannten Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n gab es unterschiedliche<br />
Schwerpunktsetzungen hinsichtlich Regattawesen, Bootsgattungen und Or-<br />
ganisationsstruktur. Das internationale Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n hätte sich schneller und<br />
effizienter entwickeln können, wenn es nicht durch die variieren<strong>de</strong>n nationa-<br />
len Vorgaben eingeschränkt gewesen wäre. Der Beginn <strong>de</strong>s Zweiten Welt-<br />
krieges verzögerte und hemmte die weitere Entwicklung erheblich.<br />
Dennoch ging die Entwicklung <strong>de</strong>s internationalen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns auch ohne<br />
die Unterstützung <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA voran. Bereits 1930 nahmen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>riege „Walküre“ an einer Regatta in Wien teil. Ein Jahr später starteten<br />
Sportlerinnen von „Frei-Weg“ Frankfurt in Zürich. 963<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Unbenennung <strong>de</strong>s UAF in Abteilung <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wettkampfkalen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>für</strong> Frauen in Deutschland erweitert und internationale<br />
Frauenregatten ausgerichtet, beispielsweise 1936 in Essen und 1939 in<br />
Frankfurt/Main. 964 Siege <strong>de</strong>utscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen konnten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Jubiläumsre-<br />
gatta 1939 in Amsterdam im Einer und Doppelvierer errungen wer<strong>de</strong>n. 965<br />
Die größte Aufmerksamkeit erhielt das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n allerdings mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Teil-<br />
nahme an <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits erwähnten Europameisterschaft 1932 in Berlin. Die<br />
Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen durften ihr Können bei einem Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in vier<br />
Doppelachtern unter Beweis stellen. Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> han<strong>de</strong>lte es sich in diesem Ren-<br />
nen nicht um einen Wettbewerb, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um „eine Huldigungsfahrt zu Ehren<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> anwesen<strong>de</strong>n ausländischen Kameradinnen; es war eine gut gelungene<br />
961<br />
Ebenda.<br />
962<br />
Vgl. ebenda.<br />
963<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 87.<br />
964<br />
Vgl. ebenda, S. 81.<br />
965<br />
Vgl. I. OEHLENSCHLÄGER, „Training, Kampf und Sieg im Rennboot. Der Weg zur ersten<br />
Frauenmeisterschaft im Doppelzweier“, in: Wassersport 58(1940)6, S. 67. Der Vierer<br />
wur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft aus Hannover gewonnen, Inge Oehlenschläger gewann <strong>de</strong>n<br />
Einer.
„Mit Rock und Riemen“ – Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 247<br />
Propagandafahrt <strong>für</strong> die <strong>de</strong>utsche Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei, die sich hier vor einem<br />
großen Publikum präsentieren konnte.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 248<br />
6 Frauen als „Schlagmänner?“ Mitarbeit im Verband<br />
Die erste Nachkriegsphase war in allen gesellschaftlichen Bereichen vom<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau geprägt. 966 Der damalige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Arbeitsausschusses<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Dr. Lingnau, wandte sich im Januar 1948 an die <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen:<br />
„An <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwelle <strong>de</strong>s neuen Jahres gilt mein Gruß und Wunsch<br />
allen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Kamera<strong>de</strong>n und -Kameradinnen in allen Teilen unseres<br />
Vaterlan<strong>de</strong>s. Möge es uns, zu einem Teil wenigstens, die<br />
Hoffnung erfüllen, die wir voll Vertrauen in seine Tage hineintragen.<br />
Wir wollen vor allem uns geloben, unseren geliebten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
mit allen Kräften, die uns geblieben, zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n und an<br />
seinem Aufbau mitzuarbeiten.“ 967<br />
Schumann merkte hierzu an:<br />
„Wi staht daför, wi möt dardör, heißt es im Nie<strong><strong>de</strong>r</strong><strong>de</strong>utschen. Dies<br />
Wort galt bei allen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen. Ihr gemeinsamer Nenner hieß<br />
Mangel.“ 968<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachkriegszeit wur<strong>de</strong>n die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vom Unterausschuß Frauenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n vertreten, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Interessen und Belange <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen wahrte. Dieser<br />
war <strong><strong>de</strong>m</strong> AAR angeschlossen. Erste Vorsitzen<strong>de</strong> war Lotte Clos. Sie äußerte<br />
sich Anfang 1948 ähnlich wie Lingnau:<br />
„Ich begrüße alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kameradinnen in allen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schwelle <strong>de</strong>s Neuen Jahres und rufe sie zur lebendigen Mitarbeit<br />
auf. Auf allen Gebieten <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns könnt Ihr Euch<br />
betätigen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend Vorbild sein, Euch auf Regatten bewähren,<br />
und nach Kampf und Sieg zur höchsten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ehre greifen: <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Meisterschaft. [...]“ 969<br />
Die Situation im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg war <strong>de</strong>solat.<br />
Lediglich elf 970 selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine überstan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Zweiten<br />
Weltkrieg. 1941 hatten noch 41 Gemeinschaften existiert. 971 1947 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
966 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen in Kapitel 4.3 zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />
Situation in Deutschland nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg.<br />
967 R. LINGNAU, „Zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>jahr 1948!“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 66(1948)1, S. 1.<br />
968 „Wir stehen davor, wir müssen dadurch.“ E. SCHUMANN, „Keine Bleibe – keine Boote.<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Krieg, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 120(2002)2, S. 53.<br />
969 L. CLOS, „Zum Neuen Jahr!“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 66(1948)1, S. 1.<br />
970 Es ist anzunehmen, dass die Zählung vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s FRCW, also vor 1947 stattfand.<br />
Becker nennt beispielsweise zwölf Vereine.<br />
971 SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 624.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 249<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Wannsee in Berlin gegrün<strong>de</strong>t. Er ist bis heute <strong><strong>de</strong>r</strong> einzige<br />
selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein, <strong><strong>de</strong>r</strong> nach 1945 ins Leben gerufen wur<strong>de</strong>.<br />
Becker gibt eine Übersicht über diese Vereine und ihre Situation bei Kriegs-<br />
en<strong>de</strong>:<br />
• „Em<strong>de</strong>ner [sic!] Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein: 99 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; Bootshaus<br />
erhalten; 4 Gigboote<br />
• Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein ‘Frei Weg’ Frankfurt: 37 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; kein<br />
Bootshaus; keine Boote<br />
• Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innenclub Dres<strong>de</strong>nia Hamburg: 42 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; behelfsmäßiges<br />
Bootshaus ; 4 Gigboote<br />
• Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club: 150 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; behelfsmäßiges<br />
Bootshaus; 2 Rennboote, 3 Gigboote; 1 beschlagnahmtes Boot<br />
• Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Hameln: 81 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; Bootshaus z. Zt. beschlagnahmt,<br />
Neubau geplant; 5 Gigboote<br />
• 1. Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Hannover; keine Angaben 972<br />
• Casseler Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club: 52 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; kein Bootshaus, Neubau<br />
geplant; 2 Rennboote<br />
• Kieler Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein: 44 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; Bootshaus zum Teil wie<strong><strong>de</strong>r</strong>hergestellt;<br />
2 Gigboote, 4 reparaturfähige Boote;<br />
• Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gesellschaft [sic!]: 190 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; Bootshaus<br />
erhalten; 1 Rennboot, 11 Gigboote<br />
• Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub: 139 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>; Bootshaus erhalten;<br />
6 Gigboote, 2 reparaturfähige Boote<br />
• Sportgemeinschaft Fraternitas (früher Friedsrichshagener Damen-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club): keine Angaben<br />
• Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club-Wannsee (gegr. 1947): keine Angaben“. 973<br />
Schumann berichtet, dass die Frankfurterinnen zwar kein Anlagevermögen<br />
mehr besaßen, aber gewillt waren, <strong>de</strong>n Verein wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzubauen. Sie setz-<br />
ten ihre langjährigen Erfahrungen ein, ihren guten Namen und Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
die, von grenzenlosem I<strong>de</strong>alismus beseelt, nicht resigniert hatten. 974<br />
1950 wur<strong>de</strong>n im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport Zahlen veröffentlicht, die die Misere <strong>de</strong>s <strong>de</strong>ut-<br />
schen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegeln. Ein-<br />
schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Westsektoren Berlins konnten 1946 6.000 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
972<br />
Ca. 60 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>, kein Bootshaus und keine Boote. Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen,<br />
S. 99.<br />
973<br />
BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 99-100.<br />
974<br />
Vgl. SCHUMANN, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Krieg“, S. 53.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 250<br />
verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Dem gegenüber hatten 1941 noch 16.000 Sportlerinnen<br />
gestan<strong>de</strong>n. 975 Die Bestandsaufnahme <strong>de</strong>s AAR hatte außer<strong><strong>de</strong>m</strong> ergeben,<br />
dass in 156 Herren-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen Frauenabteilungen existierten, in <strong>de</strong>nen<br />
geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte. Die folgen<strong>de</strong> Tabelle zeigt die Verteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen in Vereinen und Abteilungen:<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Frauenabteilung<br />
über 100 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> 6 5<br />
50-100 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> 3 28<br />
25-50 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> 2 55<br />
unter 25 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> - 68<br />
Summe 11 156<br />
Tab. 7: Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>struktur im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in West<strong>de</strong>utschland um 1946 976<br />
Problematisch war die große Anzahl mitgliedsschwacher Frauen-<br />
Abteilungen. Zahlreiche kleinere und mittlere Vereine waren in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nach-<br />
kriegszeit dazu übergegangen, ihren Verein durch die Gründung einer Frau-<br />
enabteilung wirtschaftlicher zu gestalten. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, vor allem<br />
diejenigen, die erst nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Krieg mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Sport begonnen hatten, sahen<br />
sich alten Vorurteilen gegenüber und hatten es <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend schwer,<br />
ihre Interessen durchzusetzen. Aufgrund <strong>de</strong>s großen Mangels an geeigne-<br />
tem Bootsmaterial fehlten jegliche Voraussetzungen <strong>für</strong> einen regulären Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Trainingsbetrieb, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich auch auf die Wettkämpfe auswirkte.<br />
Erschwerend kam hinzu, dass <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> einseitigen För-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Herren-Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns durch <strong>de</strong>n Verband zunächst kaum finanzi-<br />
elle Mittel zuteil wur<strong>de</strong>n. Erst <strong>für</strong> das Jahr 1949 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
durch <strong>de</strong>n AAR wirtschaftliche Unterstützung in <strong>Aus</strong>sicht gestellt. 977 <strong>Aus</strong> die-<br />
sem Grund konzentrierten sich die Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit zunächst nicht<br />
auf das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf das Anwerben von Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Mitar-<br />
975<br />
Vgl. L. CLOS, „Aufstreben<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 3(1950)6, S. 41. Vgl.<br />
ferner SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 624.<br />
976<br />
Vgl. CLOS, „Aufstreben<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 41. Vgl. ferner SCHUMANN, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Krieg“, S. 5.<br />
977<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Der AAR 1949 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> unter Dr. Lingnau“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
66(1948)18/19, S. 2-3.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 251<br />
beitern. Dennoch galt: „Erst ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wir, dann wollen wir die überfachliche<br />
Arbeit im Verein zu Wort kommen lassen“. 978<br />
6.1 Mitarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
6.1.1 Unterausschuß Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im DRV von 1949 bis 1972<br />
Der Unterausschuß Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 979 im AAR wur<strong>de</strong> von Lotte Clos 980 aus<br />
Kassel geleitet. Weitere Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> waren Margot Hirsch, Olly Lohsträter, Ma-<br />
rie Spamer und Erna Wille. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> Käthe Hey<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>n UA Ju-<br />
gendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gewählt. Als Prämisse <strong>für</strong> das erste Arbeitsjahr 1948 <strong>de</strong>finierte<br />
Clos: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen!“ 981 Die Arbeits-<br />
schwerpunkte <strong>de</strong>s UAF waren wie folgt umrissen:<br />
„Bei <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schreibungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenwettbewerbe wird <strong><strong>de</strong>r</strong> U-A<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in enger Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Regattavereinen<br />
die Belange <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports vertreten und Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, auch Wettbewerbe <strong>für</strong> Leichtgewicht und<br />
Altersklassen ausschreiben. Daneben soll zur Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kameradschaft<br />
das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als gleich wichtiger Zweig <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, seine Pflege fin<strong>de</strong>n. [...] Glückauf <strong>für</strong> 1948!“ 982<br />
Der Fokus lag, ähnlich wie bei <strong>de</strong>n Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. 983 Die verantwortlichen <strong>Aus</strong>schussmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> versuchten,<br />
an die Situation vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg anzuknüpfen, als Frauen die<br />
Teilnahme an vielen Wettbewerben und Bootsklassen möglich war. Die vom<br />
AAR herausgegebenen AWB wur<strong>de</strong>n darum durch die Bestimmungen <strong>für</strong><br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe ergänzt. Das Bestreben <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen nach Anerken-<br />
nung und Gleichberechtigung in einem männlich dominierten Verband kann<br />
978<br />
[ohne Verfasser], „Freie <strong>Aus</strong>sprache bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Konferenz“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
5(1955)31, S. 562.<br />
979<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die Arbeitsschwerpunkte <strong>de</strong>s Unterausschusses Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
dargestellt. Die Arbeit und die Bemühungen <strong>de</strong>s UAF in <strong>de</strong>n Bereichen Wettkampf- und<br />
Regattawesen, Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wer<strong>de</strong>n aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Komplexität<br />
in geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Kapiteln bearbeitet.<br />
980<br />
Die Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Unterausschusses Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n waren: 1949-1951 Lotte Clos,<br />
1951-1955 Ria Böbbis, 1955-1962 Gudrun Lehmann, 1962-1964 Ingeborg Arntzen,<br />
1964-1968 Ingrid Stahl-Dieterle, 1968-1972 Inge Har<strong><strong>de</strong>r</strong>. 1972 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF aufgelöst<br />
und in das Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen überführt. Vgl. hierzu Kap. 6.1.2.<br />
981<br />
CLOS, „Zum Neuen Jahr!“, S. 1.<br />
982<br />
Ebenda.<br />
983<br />
Die Arbeit <strong>de</strong>s UAF ist eng verknüpft mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen.<br />
Vgl. hierzu die Anmerkungen zur Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bei <strong>de</strong>n Regatten,<br />
<strong>Deutschen</strong> Meisterschaften, <strong>de</strong>n Europa- und Weltmeisterschaften sowie zu <strong>de</strong>n<br />
Olympischen Spielen in Kap. 7.4.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 252<br />
ein möglicher Grund gewesen sein. Die Teilnahme an Regatten sowie die<br />
Klassifizierung anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> erzielten Endzeit gab <strong>Aus</strong>kunft über das Leis-<br />
tungsvermögen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. Auf internationaler Ebene konnte eine aussage-<br />
kräftige Bezugsnorm angewandt wer<strong>de</strong>n. Die Platzierung durch <strong>de</strong>n direkten<br />
Vergleich mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Nationen ermöglichte eine Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatkraft. Die<br />
Demonstration von Leistung diente <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend als Mittel zum Zweck,<br />
die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zu vertreten und zu rechtfertigen.<br />
Der AAR arbeitete zielstrebig auf die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gründung <strong>de</strong>s DRV hin. Die<br />
Frauen blieben jedoch in ihrem <strong>Aus</strong>schuss weitestgehend unter sich und<br />
leisteten wertvolle Arbeit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis. Becker führt an, dass dieser Umstand<br />
beinahe schwerwiegen<strong>de</strong> Folgen <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gehabt hätte. Der erste<br />
Satzungsentwurf <strong>für</strong> die Besetzung <strong>de</strong>s neuen Verbandsausschusses 984 im<br />
DRV umfasste neben <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>m</strong> Schatzmeister und <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Schriftführer nur vier Beisitzer. Ein Posten <strong>für</strong> eine Frau war nicht angedacht.<br />
„Zu diesem Vorschlag gab es glücklicherweise einen Mainzer Gegenentwurf,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ‘8 Beisitzer, darunter eine Beisitzerin’, vorsah und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Abstimmung durchsetzen konnte.“ 985<br />
Schumann berichtet, dass Clos einen Dringlichkeitsantrag stellte, „in §19<br />
aufzunehmen, daß eine Frau im <strong>Aus</strong>schuß vertreten sein soll.“ 986 Dr. Ruperti<br />
beantragte <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend, „die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mit in die Fassung zu über-<br />
nehmen“, 987 was von <strong><strong>de</strong>r</strong> Versammlung per Akklamation angenommen wur-<br />
<strong>de</strong>.<br />
Mit Lotte Clos und Olly Lohsträter bewarben sich erstmals zwei Frauen um<br />
einen Platz im VA. Die unterlegene Lohsträter ließ sich <strong>für</strong> einen<br />
Beisitzerposten erneut aufstellen. Allerdings wur<strong>de</strong>n <strong>für</strong> sie die wenigsten<br />
Stimmen abgegeben, „eine Frau im VA erschien <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tagsvertretern<br />
offenbar ausreichend.“ 988 Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> im UAF 1949 waren Lotte Clos, Ria<br />
Böbbis, Ilse Brand, Käthe Hey<strong>de</strong>l, Olly Lohsträter und Marie Spamer.<br />
Im Mai 1949 tagte <strong><strong>de</strong>r</strong> neue UAF im DRV zum ersten Mal in Her<strong>de</strong>cke. Die<br />
Ziele waren anspruchsvoll:<br />
984<br />
Ab 1990 wird <strong><strong>de</strong>r</strong> VA als Vorstand bezeichnet.<br />
985<br />
BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 101.<br />
986<br />
SCHUMANN, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Krieg“, S. 4.<br />
987<br />
Ebenda.<br />
988<br />
BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 101.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 253<br />
„Möge die Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports unter<br />
reger Mitarbeit aller Kameradinnen dahingehen, daß er sich über<br />
die Grenzen hinaus Achtung verschafft. Hieran zu arbeiten und<br />
das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im DRV zu einem lebendigen Zweig <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports<br />
zu machen, ist Sinn und Ziel <strong>de</strong>s UA <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“<br />
989<br />
Die 50er Jahre waren von Aufbauarbeit im gesamten Regattawesen gekenn-<br />
zeichnet. Der Leistungssport in all seinen Facetten stellte die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vor<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen. So mussten zum Beispiel die Bestimmungen<br />
<strong>für</strong> das Frauen- und Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Trainingsanleitungen neu verfasst<br />
sowie eine akzeptable Lösung <strong>für</strong> das Bootsproblem gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Es<br />
galt, möglichst vielen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen eine Teilnahme an adäquaten Regatten zu<br />
ermöglichen. Dies veranlasste <strong>de</strong>n UAF, die <strong>Aus</strong>bildung von Punkt- und<br />
Wettkampfrichterinnen <strong>für</strong> Stil- und Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ab 1955 durften<br />
nur noch amtlich geprüfte Schiedsrichter auf DRV-Regatten eingesetzt wer-<br />
<strong>de</strong>n, was als Erfolg <strong>de</strong>s UAF gewertet wer<strong>de</strong>n muss. Das Stilschnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
wur<strong>de</strong> nicht mehr aufgenommen. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s UAF waren sich einig,<br />
Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Frauen nicht zuzulassen, <strong>de</strong>nn<br />
„wir wollten [...] das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht nur vom grünen Tisch<br />
aus beurteilen und haben es dann selbst versucht, sind jedoch<br />
zum Ergebnis gekommen, daß es <strong>für</strong> Frauen ungeeignet ist“. 990<br />
Allzu bekannte Vorschläge, wie beispielsweise Geschicklichkeitsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (Sla-<br />
lom), Anlegemanöver o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ballspiele im Boot einzuführen, stan<strong>de</strong>n ebenfalls<br />
nicht mehr zur Diskussion.<br />
1964 wur<strong>de</strong> die Lizenzpflicht eingeführt. Der UAF setzte durch, dass die<br />
Punkt- und Schiedsrichter ihre Berechtigungen alle vier Jahre durch Teil-<br />
nahme an Fortbildungsveranstaltungen verlängern mussten. So wur<strong>de</strong> ein<br />
stabiles Niveau in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe gewährleistet. Ein<br />
weiteres Ziel war die Organisation von Frauenregatten, „weil dann wirklich<br />
alle Wettfahrten so ausgeschrieben wer<strong>de</strong>n können, wie sie notwendig wä-<br />
ren.“ 991 Weil die Teilnehmerzahlen gering waren, konnte dieses Vorhaben<br />
allerdings nicht realisiert wer<strong>de</strong>n, so dass es vermehrt gemeinsame Regatten<br />
<strong>für</strong> Jungru<strong><strong>de</strong>r</strong>er und Frauen gab. Die Frauenregatten in Offenbach und<br />
989 CLOS, „Aufstreben<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 42.<br />
990 H. SCHÄFER/R. SPRADO, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>wartinnen-Lehrgang <strong>de</strong>s DRV“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
75(1957)20, S. 406.<br />
991 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 254<br />
Frankfurt wur<strong>de</strong>n bis in die 70er Jahre ausgefahren, 992 danach verschwan-<br />
<strong>de</strong>n auch diese vom Regattakalen<strong><strong>de</strong>r</strong>. Dies ging einher mit <strong><strong>de</strong>r</strong> fortlaufen<strong>de</strong>n<br />
Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (BF) und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bestimmungen <strong>für</strong> das Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (BM).<br />
Ab 1953 war <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheitspass <strong>für</strong> Jungru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die Rennen fahren<br />
wollten, Pflicht. Der Einführung <strong>de</strong>s Gesundheitspasses <strong>für</strong> Frauen war 1954<br />
eine Prüfung durch <strong>de</strong>n Internationalen Sportärztebund vorausgegangen.<br />
Der Wettkampfsport wur<strong>de</strong> nicht allen Frauen empfohlen, allerdings<br />
„können sie an Wettkämpfen teilnehmen, wenn sie über eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
kräftige körperliche Konstitution verfügen, unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingung,<br />
daß das Training vernunftgemäß aufgebaut wird und<br />
unter ärztlicher Kontrolle erfolgt“. 993<br />
Weiterhin wur<strong>de</strong> konstatiert, dass bei vernünftig geleitetem Training keine<br />
morphologischen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen zu erwarten seien. Die Vorteile bestün<strong>de</strong>n<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in einer harmonischen Entwicklung <strong>de</strong>s ganzen Bewegungs-<br />
apparates mit „einem bemerkenswerten Einfluß auf die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Muskulatur <strong>de</strong>s Brustkorbes, <strong>de</strong>s Rückens und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bauchmuskulatur.“ 994<br />
Entschei<strong>de</strong>nd <strong>für</strong> das positive Votum <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages in Konstanz 1955 war<br />
wahrscheinlich die folgen<strong>de</strong> <strong>Aus</strong>sage:<br />
„Die Frau kann ohne Gefahr <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport ausüben, ausgenommen<br />
während empfindlicher Zeiten ihres Lebens und kann daraus<br />
auch Vorteile ziehen, vorausgesetzt, daß die Anstrengungen<br />
stufenweise gesteigert wer<strong>de</strong>n.“ 995<br />
Die Diskussion, ob Frauen überhaupt Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport betreiben sollten, wur-<br />
<strong>de</strong> 1956 mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong>de</strong>s Gesundheitspasses <strong>für</strong> Frauen been<strong>de</strong>t. 996<br />
Die Pässe konnten die Vereine <strong>für</strong> 0,25 DM bei <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Geschäftstelle er-<br />
werben. Der UAF hatte intensiv auf die Einführung hingearbeitet und begrüß-<br />
te die Einführung.<br />
Erwähnenswert ist auch das Engagement <strong>de</strong>s UAF <strong>für</strong> ein gemeinsames<br />
Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1948 hatten die Verantwortlichen im VA<br />
verkün<strong>de</strong>t, dass sie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen <strong>Aus</strong>tragung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbe <strong>de</strong>n<br />
992<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 102.<br />
993<br />
DÜNTZER, „Was sagt die Sportärztin zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettkampf <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau?“, S. 199.<br />
994<br />
Ebenda.<br />
995<br />
Ebenda.<br />
996<br />
Vgl. hierzu die Anmerkungen zum Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Kap. 7.2.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 255<br />
Wünschen <strong>de</strong>s UAF entsprochen hätten. Allerdings zog <strong><strong>de</strong>r</strong> VA diesen Be-<br />
schluss 1952 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurück. 1953 und 1954 wur<strong>de</strong>n die nationalen Meister-<br />
schaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen getrennt von <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer durchgeführt, was <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport laut Schumann ein Ärgernis darstellte. 997 Seit 1956<br />
fin<strong>de</strong>n die Titelkämpfe <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er am selben Ort statt.<br />
Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit wur<strong>de</strong>n regelmäßige Treffen vor Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tagen<br />
angestrebt, um frauenspezifische Fragestellungen in einem kleineren Kreis<br />
zu diskutieren. Eingela<strong>de</strong>n waren die Frauenvertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Vereine so-<br />
wie alle Interessierten. Ziel stellte klar, dass es keineswegs darum ginge, die<br />
Männer auszugrenzen:<br />
„Es ist zu einer guten Sitte gewor<strong>de</strong>n, daß sich die Frauenvertreter<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine <strong>de</strong>s DRV vor je<strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag zu einer zentralen Arbeitstagung<br />
treffen, um ihre Probleme in aller <strong>Aus</strong>führlichkeit besprechen<br />
zu können. Damit will man beileibe nicht <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag<br />
Konkurrenz machen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihn vielmehr gut vorbereiten und insofern<br />
ergänzen, weil in <strong><strong>de</strong>r</strong> kurzen Zeit, die auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag zur<br />
Verfügung steht, nicht alle Probleme und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauen in aller Breite besprochen wer<strong>de</strong>n können.“ 998<br />
Die Tatsache, dass Frauenwartinnen im Normalfall nicht von ihren Vereinen<br />
zu Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tagen als Delegierte entsandt wur<strong>de</strong>n, erklärt die Notwendigkeit<br />
dieser Frauentagungen. Eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in brachte es auf <strong>de</strong>n Punkt: „Auf <strong>de</strong>n<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tagen entschei<strong>de</strong>n Männer über unsere Probleme.“ 999 In diesem Kreis<br />
hatten zum einen die Vereine die Möglichkeit, ihre Sorgen und Nöte <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
UAF mitzuteilen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wur<strong>de</strong> „<strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag eine geschlossene<br />
Meinung auf <strong>de</strong>n Tisch gelegt, an <strong><strong>de</strong>r</strong> er kaum vorbeigehen kann“. 1000 Diese<br />
Tagungen vor <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tagen fan<strong>de</strong>n bis Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre regelmäßig<br />
statt, danach nahm das Interesse an ihnen ab, was als Rückschritt in <strong>de</strong>n<br />
Bemühungen <strong>de</strong>s UAF gewertet wer<strong>de</strong>n muss. Es erwies sich als „Bume-<br />
rang, <strong>de</strong>nn bis auf eine verschwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit hatte das weibliche Ge-<br />
schlecht kein Interesse an diesem Zusammenschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen<br />
Reihen“. 1001<br />
997 Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. U II.<br />
998 R. ZIEL, „DRV-Frauentagung in Frankfurt“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 82(1964)2, S. 18.<br />
999 R. ZIEL, „Frauentagung fiel aus“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 85(1967)30, S. 651.<br />
1000 Ebenda.<br />
1001 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 256<br />
Daraufhin wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n 60er Jahren die Ziele im UAF neu <strong>de</strong>finiert. Da die<br />
bisherigen Werbemaßnahmen nicht <strong>de</strong>n gewünschten Erfolg gebracht hat-<br />
ten, wur<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung <strong>de</strong>s UAF 1964 in Frankfurt da<strong>für</strong> plädiert, die<br />
Lehrgangsarbeit und die Verbreitung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns durch Filme zu ver-<br />
bessern. 1002 Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e sollte aktuelles Material in <strong>de</strong>n Bereichen Werbe-<br />
und Lehrfilm <strong>für</strong> Anfänger und Fortgeschrittene sowie im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ange-<br />
schafft wer<strong>de</strong>n. Im Wettkampfbereich wur<strong>de</strong> erstmalig das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sowie<br />
das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Frauen kritisch hinterfragt.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>s abnehmen<strong>de</strong>n Interesses <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an Training und<br />
Wettkampf und <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Unzufrie<strong>de</strong>nheit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis wur<strong>de</strong> vom<br />
UAF 1003 Anfang 1968 ein Fragebogen entwickelt, um die <strong>Aus</strong>gangslage zu<br />
sondieren. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>wertung wur<strong>de</strong> ein „Acht-Punkte-<br />
Programm“ 1004 verabschie<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>ssen Aufgaben sich als vordringlich heraus-<br />
gestellt hatten. Diese waren<br />
• „Heranbildung geeigneter Frauenwartinnen<br />
• Betreuung <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht am Wettkampf teilnehmen<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
• <strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrgangsteilnehmerinnen in <strong><strong>de</strong>r</strong> praktischen Arbeit<br />
im Verein (evtl. Einzug von Lizenzen, die nicht im Sinne eines Auftrages<br />
verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n)<br />
• Anwerbung von Betreuerinnen <strong>für</strong> das Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
• Zusammenführung von Mannschaften bei Regatten<br />
• Anstreben einer auf bestimmte Plätze konzentrierten <strong>Aus</strong>schreibung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen- und Mädchenwettbewerbe<br />
• Lehrgangsplanung <strong>für</strong> 1969“ 1005<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Handlungsbedarf bestand bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung von Frauenwartin-<br />
nen. Zum einen war das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen an dieser Aufgabe rückläufig.<br />
Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en erschwerte auch die mangeln<strong>de</strong> Kommunikation zwischen <strong>de</strong>n<br />
Verantwortlichen auf Lan<strong>de</strong>sebene und in <strong>de</strong>n Vereinen die Arbeit. In <strong>de</strong>n<br />
Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong>n waren in <strong>de</strong>n 60er Jahren durchschnittlich 25 Verei-<br />
ne zusammengefasst, in <strong>de</strong>nen Frauen und Mädchen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. Die Frauen-<br />
1002 Vgl. R. ZIEL, „Tagung in Frankfurt“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 82(1964)30, S. 683.<br />
1003 Der Unterausschuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> 1966 umbenannt in <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n wird <strong>de</strong>nnoch in diesem Kapitel durchgängig die Bezeichnung Unterausschuss<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verwen<strong>de</strong>t, um die Arbeit dieses <strong>Aus</strong>schusses von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Gremiums<br />
ab 1990 inhaltlich abzugrenzen.<br />
1004 R. ZIEL, „Das Protokoll sah einen roten Teppich vor“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 86(1968)5, S. 81.<br />
1005 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 257<br />
wartinnen sahen eine ihrer Aufgaben in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontaktaufnahme zu <strong>de</strong>n Leite-<br />
rinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen- und Mädchenabteilungen. Die Bemühungen scheiterten<br />
häufig schon an einem ersten Treffen. Vom UAF geplante Tagungen stießen<br />
auf wenig Interesse, da in vielen Vereinen das Amt <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenwartin über-<br />
haupt nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur kurzfristig besetzt wur<strong>de</strong>. 1006 Har<strong><strong>de</strong>r</strong> führt an, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mangel an Frauenwartinnen in gemischten Vereinen das Hauptproblem sei.<br />
In je<strong><strong>de</strong>m</strong> Verein mit einer Frauenabteilung müsste eine Frauenwartin und<br />
nach Möglichkeit auch noch eine Jugendwartin zur Verfügung stehen, die<br />
sich im Vorstand durchsetzen könnte. 1007<br />
Die Reflexion <strong>de</strong>s „Acht-Punkte-Programms“ führte im Trainings- und Wett-<br />
kampfbereich zu <strong>de</strong>utlichen Verbesserungen. Die damalige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
UAF, Ingrid Dieterle, zog <strong>de</strong>shalb bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauentagung im Rahmen <strong>de</strong>s Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>tages 1968 in Würzburg ein positives Fazit:<br />
„Wir meinten, auf sportlichem Gebiet allerhand erreicht zu haben –<br />
die Gig war abgeschafft, das Rennboot auch <strong>de</strong>n Juniorinnen zugänglich<br />
gemacht wor<strong>de</strong>n, sozusagen in letzter Minute auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einer. Das Punktrichterwesen hatte eine Neuordnung erfahren,<br />
um auch <strong>de</strong>nen gerecht zu wer<strong>de</strong>n, die immer noch am Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
hängen. Dem Frauentraining selbst waren wertvolle und vorantreiben<strong>de</strong><br />
Impulse durch die Mitarbeit hervorragen<strong><strong>de</strong>r</strong> Trainer erteilt<br />
wor<strong>de</strong>n.“ 1008<br />
Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte auch Har<strong><strong>de</strong>r</strong>. Sie stellte die konse-<br />
quente För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Breitensports als Vorbedingung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sport heraus. 1009 Des Weiteren for<strong><strong>de</strong>r</strong>te sie von <strong>de</strong>n Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mehr<br />
Engagement <strong>für</strong> ihren Sport und appellierte an ihre Vorbildfunktion:<br />
„Wenn zu<strong><strong>de</strong>m</strong> noch alle unsere Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen äußerlich und in<br />
ihrer gesamten Haltung ein weibliches, elegantes und ansprechen<strong>de</strong>s<br />
Bild abgeben und somit selbst ein wenig Werbung in ihren<br />
eigenen Reihen betreiben, müßte es <strong>für</strong> eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in einfach<br />
erstrebenswert sein, ihnen nachzueifern.“ 1010<br />
Das Problem bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenwartin war <strong>de</strong>nnoch nicht gelöst.<br />
Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> das geringe Interesse am Amt <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenwartin waren viel-<br />
schichtig. Primär lagen sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n Bereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen,<br />
1006 Ebenda.<br />
1007 Vgl. I. HARDER, „För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 86(1968)11, S. 290.<br />
1008 I. DIETERLE, „Genug getan?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 86(1968)8, S. 218-219.<br />
1009 Vgl. HARDER, „För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns“, S. 291.<br />
1010 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 258<br />
an einer Weiterentwicklung in diesem Bereich mitzuwirken. Doch mangeln<strong>de</strong><br />
Unterstützung durch Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er in <strong>de</strong>n Vereinen und von Seiten <strong>de</strong>s<br />
DRV, fehlen<strong>de</strong>s Verständnis und die zu geringe Zahl von Nachwuchsru<strong>de</strong>-<br />
rinnen durften nach Dieterle nicht als Entschuldigung o<strong><strong>de</strong>r</strong> als <strong>Aus</strong>re<strong>de</strong> zäh-<br />
len, <strong>de</strong>nn<br />
„es liegt an uns selbst. Wir müssen uns neu auf unsere Aufgaben<br />
und Pflichten besinnen – die Rechte wer<strong>de</strong>n uns, wenn wir unseren<br />
Pflichten entsprechend auftreten, gar nicht mehr streitig gemacht“.<br />
1011<br />
Des Weiteren bemerkte Dieterle, dass es nicht die Aufgabe <strong>de</strong>s UAF sein<br />
könnte, alle Frauenwartinnen zu repräsentieren. Das Bild, das sich während<br />
<strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tags in Würzburg auf <strong>de</strong>n Versammlungen und Zuschauertribünen<br />
bot, war charakteristisch <strong>für</strong> diese Problematik:<br />
„Daß das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich auf eine so lächerlich kleine Gruppe<br />
beschränkt, <strong>für</strong> die seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer und seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit<br />
sich nun wirklich keine Beachtung mehr lohne“. 1012<br />
Der Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sollte zwar eine umfassen<strong>de</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erhalten. Aber<br />
das Streben und Ringen nach Anerkennung im DRV wur<strong>de</strong> häufig durch die<br />
mangeln<strong>de</strong> Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen unterlaufen. Die Arbeit <strong>de</strong>s UAF war ein<br />
ständiger Kampf <strong>für</strong> die Gleichberechtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in Verein und<br />
Verband. Lehmann attestiert <strong>de</strong>n Frauen „fehlen<strong>de</strong>s Rüstzeug.“ 1013 Die Situa-<br />
tion in Süd<strong>de</strong>utschland war beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s unbefriedigend, da<br />
„min<strong>de</strong>stens die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine im süd<strong>de</strong>utschen Raum keine<br />
Frauen in <strong>de</strong>n Vereinsvorstän<strong>de</strong>n haben, [wobei] in 250 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen<br />
von insgesamt 324 das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n betrieben wird<br />
[und] nur in <strong>de</strong>n seltensten Fällen Boote zum ausdrücklichen Verwendungszweck<br />
<strong>für</strong> Frauen gekauft wer<strong>de</strong>n“. 1014<br />
Ein entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Schritt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns wur<strong>de</strong> un-<br />
ternommen, als <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV das Jahr 1969 als „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ aus-<br />
rief. 1015 Es galt, „das Image <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in (an sich, wie es so schön heißt) zu<br />
1011<br />
DIETERLE, „Genug getan?“, S. 219.<br />
1012<br />
Ebenda.<br />
1013<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 50.<br />
1014<br />
[ohne Verfasser], „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>konferenz vor <strong><strong>de</strong>m</strong> 35. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
78(1960)8, S. 222.<br />
1015<br />
Jeweils am „Tag <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“ wird das Motto <strong>de</strong>s kommen<strong>de</strong>n Jahres bekannt ge-<br />
geben.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 259<br />
untersuchen und falls notwendig, ein wenig daran zu rütteln.“ 1016 Hierzu ver-<br />
abschie<strong>de</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF ein Programm, das gezielte und auch realisierbare<br />
Maßnahmen vorsah:<br />
• „Werbung nach innen und außen<br />
• Mitarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein und dadurch bessere Breitenarbeit<br />
• Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
• Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ 1017<br />
Der lang angekündigte Werbefilm war in Auftrag gegeben wor<strong>de</strong>n und die<br />
Vereine wur<strong>de</strong>n angehalten, Prospekte zur Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>werbung zu erstellen.<br />
Das Lehrgangsangebot <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>wartinnen in <strong>de</strong>n Vereinen wur<strong>de</strong> aktuali-<br />
siert und angepasst. Im Bereich Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> 1969 das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
<strong>für</strong> Frauen eingeführt. Hiervon versprachen sich die Verantwortlichen eine<br />
größere Resonanz auf <strong>de</strong>n Regatten. Des Weiteren gab es ein <strong>de</strong>utsch-<br />
französisches Trainingslager, das durch einen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Nati-<br />
onen erweitert wur<strong>de</strong>. Da die Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an Gemein-<br />
schaftswan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten ohnehin schon hoch war, wur<strong>de</strong>n die Frauen in diesem<br />
Bereich lediglich ermuntert, sich weiter aktiv einzubringen. 1018<br />
Die damalige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s UAF, Inge Har<strong><strong>de</strong>r</strong>, äußerte ihre Hoffnung auf<br />
ein gelungenes „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ und for<strong><strong>de</strong>r</strong>te alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zur akti-<br />
ven Mitarbeit auf:<br />
„Es liegt nun bei <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Vereinen, ihren Teil beizutragen,<br />
so daß wir in Zukunft ein ‘Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen’ nicht mehr<br />
nötig haben, weil Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen – nicht zuletzt durch ihre eigene Initiative<br />
– in allen Gremien <strong>de</strong>s DRV und in <strong>de</strong>n Vereinen noch<br />
mehr als bisher Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n.“ 1019<br />
Har<strong><strong>de</strong>r</strong> bewertete die Aktionen und Ergebnisse <strong>de</strong>s Jahres 1969. Es konnten<br />
nicht alle Erwartungen erfüllt und Ziele erreicht wer<strong>de</strong>n. Für die Werbung<br />
nach innen und außen waren diverse Artikel in <strong><strong>de</strong>r</strong> Presse erschienen. Be-<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>s erwähnenswert ist das Son<strong><strong>de</strong>r</strong>heft zum Thema „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“. Der<br />
angekündigte Werbefilm ist nie fertig gestellt wor<strong>de</strong>n, „da er <strong>für</strong> <strong>de</strong>n gedach-<br />
1016 I. DIETERLE, „Je<strong><strong>de</strong>r</strong> auf seine Art ein Narr?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)7, S. 206.<br />
1017 I. HARDER, „Das Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)9, S. 245-246.<br />
1018 Vgl. ebenda, S. 246.<br />
1019 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 260<br />
ten Zweck angeblich unbrauchbar war“. 1020 Angedacht wur<strong>de</strong> daher vom<br />
Presseausschuss <strong>de</strong>s DRV ein gemeinsamer Film <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong>de</strong>-<br />
rer, von <strong><strong>de</strong>m</strong> sich die Verantwortlichen eine größere Wirkung versprachen.<br />
Zum „Tag <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“ wur<strong>de</strong> ein Kurzfilm über die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im<br />
Fernsehen gezeigt. Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Wettbewerbe wur<strong>de</strong> ebenfalls übertragen, was<br />
allerdings nicht im Sinne <strong>de</strong>s UAF war. 1021<br />
Die Bemühungen im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong>n von Har<strong><strong>de</strong>r</strong> positiv dargestellt. Es<br />
waren mehr Sportlerinnen am Start als 1968. Des Weiteren konnten die Eli-<br />
te-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>n fünften Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationenwertung erreichen. Die Juni-<br />
orinnen waren auf <strong>de</strong>n Regatten in Berlin und Hamburg erfolgreich.<br />
Allerdings herrschte unter <strong>de</strong>n aktiven Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen Unzufrie<strong>de</strong>nheit. Sie beo-<br />
bachteten, welche Unterstützung die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er erhielten und for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten in die-<br />
sem Punkt absolute Gleichstellung. Har<strong><strong>de</strong>r</strong> merkte an, dass nur ein<br />
stufenweiser Aufbau erfolgen könne. Die Schuld läge aber nicht allein beim<br />
Verband und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gel<strong><strong>de</strong>r</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch an <strong><strong>de</strong>r</strong> Einstellung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, <strong>de</strong>nn<br />
„man kann nicht alles auf einmal verlangen und muß vor allen<br />
Dingen – wie dies Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er auch tun – selbst zu Kompromissen<br />
bereit sein, sich hun<strong><strong>de</strong>r</strong>tprozentig in <strong>de</strong>n Dienst <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Sache<br />
stellen und auch zu größeren Zugeständnissen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Urlaubsfrage<br />
bereit sein. Erst dann kann man berechtigte<br />
For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen stellen“. 1022<br />
Für das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zog Har<strong><strong>de</strong>r</strong> dagegen ein positives Fazit. Die Beteili-<br />
gung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen war im Verhältnis zur Gesamtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl angemes-<br />
sen. Außergewöhnlich viele Sportlerinnen nahmen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffahrt zum „Tag<br />
<strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“ teil.<br />
Das „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ wur<strong>de</strong> vom DRV genutzt, um die Demokratisie-<br />
rung im Verein weiter zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Der damalige Vorsitzen<strong>de</strong> Claus Heß hatte<br />
<strong>für</strong> das Verhältnis Verein – Jugendarbeit einen „gera<strong>de</strong>zu anachronistischen<br />
Mangel an Demokratie“ 1023 festgestellt. Laut Heß waren Vereine nur bei glei-<br />
cher Rechte- und Pflichtenverteilung voll aktionsfähig. Daraufhin schlug <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
UAF <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen mit Frauenabteilungen vor, diese aufzulösen und<br />
1020<br />
I. HARDER, „Was brachte das ‘Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen’?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)34, S.<br />
759.<br />
1021<br />
Vgl. ebenda.<br />
1022<br />
Ebenda, S. 760.<br />
1023<br />
UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 163.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 261<br />
somit die Frauen als gleichberechtigte Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> anzuerkennen 1024 , um eine<br />
„Gleichheit vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung herzustellen.“ 1025 Damit waren die Vorausset-<br />
zungen <strong>für</strong> die angestrebte Gleichstellung geschaffen. Dennoch for<strong><strong>de</strong>r</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
UAF weiteres Engagement:<br />
„Gleichheit vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung und ein freies Spiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Kräfte sind<br />
somit hergestellt. In<strong>de</strong>s genügt es nicht zu sagen: ‘Bitte, jetzt<br />
kann’s losgehen’. Die rein buchstabenmäßigen Voraussetzungen<br />
zu schaffen, ist ein erster (nicht unwichtiger) Schritt, <strong><strong>de</strong>m</strong> aber<br />
weitere folgen müssen.“ 1026<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rücken<strong>de</strong>ckung durch Heß begann <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF seine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf die<br />
verschie<strong>de</strong>nen <strong>Aus</strong>schüsse im DRV zu verteilen. Die Frauen hatten erkannt,<br />
dass mehr Mitbestimmung nur durch eine direkte Vertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
in <strong>de</strong>n DRV-<strong>Aus</strong>schüssen zu erreichen war. Unterstützung erhielt <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF in<br />
seinen Bemühungen von Lieselott Diem, die herausstellte, dass geschlosse-<br />
ne Frauengremien nicht mehr zeitgemäß seien. <strong>Aus</strong> einer berechtigten<br />
Schutzzone war laut Diem eine Alibivertretung <strong>für</strong> die einzige Frau im Vor-<br />
stand gewor<strong>de</strong>n. Dies führte dazu, dass an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Frauen die Chancen auf<br />
größere Aufgaben verbaut wür<strong>de</strong>n. 1027 Der UAF kündigte seine Selbstauflö-<br />
sung an, sobald zumin<strong>de</strong>st eine Frau in je<strong><strong>de</strong>m</strong> DRV-<strong>Aus</strong>schuss mitarbei-<br />
te. 1028<br />
Die Jahre zwischen 1970 und 1972 stellten <strong>für</strong> <strong>de</strong>n UAF eine Übergangs-<br />
phase dar. Die auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1970 beschlossene und angestrebte Integ-<br />
ration in die DRV-<strong>Aus</strong>schüsse vollzog sich nur langsam. In dieser Zeit<br />
fungierte <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF als so genannter „Koordinationsausschuß“. 1029 1972 wur-<br />
<strong>de</strong>n die Aufgaben auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag <strong>de</strong>finiert:<br />
„Die Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an <strong>de</strong>n Führungsaufgaben <strong>de</strong>s<br />
DRV gehört zu <strong>de</strong>n Zielen <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s; <strong><strong>de</strong>m</strong> wird durch die VA-<br />
Mitgliedschaft nach §19 GG Rechnung getragen. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
können auch im geschäftsführen<strong>de</strong>n Vorstand vertreten sein.<br />
1024<br />
Vgl. I. HARDER, „Nicht rückwärts-, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vorwärtsblicken“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)8, S.<br />
225.<br />
1025<br />
UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 163.<br />
1026<br />
[ohne Verfasser], „Mitarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im Verein“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)3, S. 60.<br />
1027<br />
Vgl. L. DIEM, „‘Weiblichkeitswahn’ im <strong>de</strong>utschen Sport“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)24, S.<br />
571.<br />
1028<br />
Vgl. I. DIETERLE, „<strong>Aus</strong>schuß Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Tagung in Hamburg“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
87(1969)31, S. 709. Ferner vgl. HARDER, „Was brachte das ‘Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen’?“, S.<br />
760.<br />
1029<br />
I. HARDER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 90(1972)5, S. 94.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 262<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Koordination von Fragen <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports wird ein<br />
VA-Mitglied beauftragt.<br />
Der <strong>Aus</strong>schuß Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1972 aufgelöst.“<br />
1030<br />
Voraussetzung war, dass Frauen weiterhin in <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Aus</strong>schüssen<br />
präsent waren. Die Hoffnungen auf eine bessere Einflussnahme und mehr<br />
Mitspracherecht waren hoch: „Auch im VA wird es wohl zukünftig möglich<br />
sein, dort nicht nur eine, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch mehrere weibliche Vertreterinnen zu<br />
haben“. 1031 Perspektivisch arbeitete <strong><strong>de</strong>r</strong> „Koordinationsauschuß“ zu dieser<br />
Zeit ebenfalls an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n LRV-<br />
Referentinnen und an <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gegenüber ih-<br />
ren männlichen Kollegen. 1032<br />
1971 wur<strong>de</strong>n die bis dahin regional durchgeführten Lehrgänge <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen aufgegeben. Die Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> sind nach Wolf im Desinteresse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sportlerinnen an speziellen Frauenlehrgängen zu suchen. Des Weiteren<br />
merkt sie an, dass die Unterstützung durch die Vereinsvorstän<strong>de</strong> immer noch<br />
unzureichend sei. 1033 Frauen, die als <strong>Aus</strong>bil<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Vereinen arbeiteten,<br />
wür<strong>de</strong>n sich so neuere und bessere Erkenntnisse erschließen, die sie ge-<br />
winnbringend einbringen könnten. Daher waren die Verantwortlichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Auf-<br />
fassung, dass die Lehrgänge in Zukunft nur noch gemischt durchgeführt<br />
wer<strong>de</strong>n sollten. „Denn die Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitigen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb<br />
entsprechen im großen und ganzen <strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s Mannes.“ 1034 Außer-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> versprachen sich die Verantwortlichen eine aktive Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen am Konzept „Zweiter Weg“. 1035<br />
1972 waren alle Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s UAF auf die einzelnen DRV-<strong>Aus</strong>schüsse ver-<br />
teilt. Die Frauen erwirkten auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag <strong>de</strong>n Beschluss, dass die Betei-<br />
ligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an <strong>de</strong>n Führungsaufgaben <strong>de</strong>s DRV zu <strong>de</strong>n Zielen<br />
<strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s gehöre. 1036 Der UAF wur<strong>de</strong> aufgelöst und in das Referat Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>innen (RR) überführt. Somit waren die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, an allen<br />
1030<br />
Ebenda.<br />
1031<br />
HARDER, „Was brachte das ‘Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen’?“, S. 760.<br />
1032<br />
I. HARDER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 88(1970)4, S. 71.<br />
1033<br />
Vgl. E. WOLF, „Frauenlehrgangsarbeit“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 89(1971)3, S. 47.<br />
1034<br />
Ebenda.<br />
1035<br />
Vgl. hierzu die Anmerkungen in Kap. 4.7.1. Ferner die <strong>Aus</strong>führungen zu <strong>de</strong>n damaligen<br />
DSB-Kampagnen „Gol<strong>de</strong>ner Plan“ und „Zweiter Weg“.<br />
1036<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 163.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 263<br />
Entscheidungsprozessen aktiv mitzuwirken. Erstmalig war damit die formale<br />
Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Männer in <strong>de</strong>n Satzungen <strong>de</strong>s DRV erreicht.<br />
6.1.2 Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im DRV von 1972 bis 1986<br />
Das Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bestand nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Auflösung <strong>de</strong>s UAF zunächst als<br />
so genanntes „Koordinationsgremium“. 1037 Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> 1038 hatten eine<br />
Doppelfunktion inne, da sie auch <strong>de</strong>n jeweiligen DRV-<strong>Aus</strong>schüssen angehör-<br />
ten.<br />
In <strong>de</strong>n 70er Jahren wur<strong>de</strong> abseits <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion über <strong>de</strong>n gesellschaftlichen<br />
Wert <strong>de</strong>s Sports erörtert, welche Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport berge, um Frauen<br />
zur Mitverantwortung zu aktivieren. Das RR konzentrierte sich aus diesem<br />
Grund in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit auf die <strong>Aus</strong>schau nach weiblichen Führungskräften<br />
<strong>für</strong> die Verbandsarbeit. 1039 Es sollte an einer besseren Transparenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Ver-<br />
bandsarbeit gearbeitet wer<strong>de</strong>n. Häufig waren Verbandsbeschlüsse <strong>für</strong> die<br />
Vereine nicht nachvollziehbar. Primäre Ziele waren daher<br />
„die Belange <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im DRV-Bereich zu erkennen und zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
und die Gleichstellung und Gleichbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau auf<br />
allen Ebenen und in allen Gremien zu erreichen. [Sowie als] Gremium<br />
[zu fungieren], das <strong>de</strong>n weiblichen Vertretern <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-<br />
<strong>Aus</strong>schüsse eine Diskussionshilfe bieten will bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung<br />
und Darlegung von Problemen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n jeweiligen Fachausschuß“.<br />
1040<br />
Im RR sollte <strong>de</strong>n Frauen ein eigenes Forum geboten wer<strong>de</strong>n. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>für</strong><br />
die Frauenwartinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> war angedacht, dass das RR<br />
als Informations- und Beratungsstelle dienen sollte. Das RR hat erst seine<br />
Existenzberechtigung verloren und kann sich auflösen, wenn eine größere<br />
Anzahl von Frauen in die Verbandsarbeit eingebun<strong>de</strong>n wäre. 1041<br />
Die damalige Vorsitzen<strong>de</strong> 1042 <strong>de</strong>s RR, Inge Har<strong><strong>de</strong>r</strong>, zog 1974 eine positive<br />
Zwischenbilanz. Die ersten zwei Jahre seien eine Übergangsphase gewe-<br />
sen, in <strong><strong>de</strong>r</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen noch nicht voll im Verband mitarbeiten konnten,<br />
1037<br />
I. HARDER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 92(1974)5, S. 93.<br />
1038<br />
Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> waren: Inge Har<strong><strong>de</strong>r</strong>, Ingrid Dieterle, Heike Ro<strong>de</strong>nburg, Elfrie<strong>de</strong> Schumann,<br />
Christel Wallmann, Eva Wehrheim, Erica Wolf und Boris Ulrich.<br />
1039<br />
Vgl. I. LEBERT, „Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen – Warum? – Wozu?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 95(1977)4, S.<br />
57.<br />
1040<br />
Ebenda. Vgl. VIEZENZ, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 81.<br />
1041<br />
Vgl. LEBERT, „Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen – Warum? – Wozu?“, S. 57.<br />
1042<br />
Die Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Referates Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen waren: 1972-1976 Inge Har<strong><strong>de</strong>r</strong>, 1976-1979<br />
Ilse Lebert, 1979-1983 Judith Berger, 1983-1986 Ingrid Dieterle.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 264<br />
aber auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Weg dorthin seien. Dennoch hätten alle in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schüssen<br />
tätigen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sowohl in ihrer Arbeit zum Gesamtfragenkomplex <strong>de</strong>s<br />
DRV als auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen volle<br />
Anerkennung erhalten. 1043 Bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> intendierten Auflösung äußerte sie<br />
sich hoffnungsvoll:<br />
„Die Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Mitarbeiterinnen wird in ihren Fachgebieten<br />
immer selbständiger, so daß in <strong>de</strong>n nächsten Jahren die Mitarbeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>für</strong> alle so selbstverständlich sein und die Zwischenlösung<br />
‘Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen’ überflüssig wird.“ 1044<br />
Die Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s RR war verantwortlich <strong>für</strong> die Betreuung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-<br />
Nationalmannschaft bei internationalen Einsätzen. In diesem Bereich sowie<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> ärztlichen Überwachung bestand Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre noch Verbesse-<br />
rungsbedarf. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong><strong>de</strong>m</strong> Sektor Leistungssport hatte die Zusammen-<br />
arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenwartin mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Bun<strong>de</strong>strainer <strong>für</strong> Frauen und Juniorinnen<br />
nicht optimal funktioniert. Dies wirkte sich negativ auf die nahtlosen Über-<br />
gänge zwischen Jugend- und Seniorenalter sowie zwischen Breiten- und<br />
Leistungssport aus. 1045 Perspektivisch konzentrierte sich das Referat in die-<br />
ser Zeit auf eine intensive Vorbereitung auf die ersten Weltmeisterschaften<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in Luzern 1974 sowie auf die Olympischen Spiele in Montreal<br />
1976.<br />
In <strong>de</strong>n Vereinen schritt die Einbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in <strong>de</strong>n Vorstand nur lang-<br />
sam voran. 1975 waren noch 13,7% <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Vereine ohne Damenabtei-<br />
lung. 1046 Zu stark war zu dieser Zeit noch die Ansicht verwurzelt, dass<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine reine Männersache sei. Hamm berichtet, dass es sich bei <strong>de</strong>n<br />
anscheinend „frauenfeindlichen Vereinen meist um traditionsbewusste Groß-<br />
vereine han<strong>de</strong>le“, 1047 die <strong>de</strong>n Zugang <strong>für</strong> Mädchen und Frauen zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sport versperren wür<strong>de</strong>n.<br />
In <strong>de</strong>n nächsten zwei Jahren stagnierte die Arbeit <strong>de</strong>s RR. Obwohl sich seine<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schüssen <strong>de</strong>s DRV gut integriert hatten, waren die<br />
Frauen nach wie vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, dass ein <strong><strong>de</strong>r</strong>artiges Gremium seine<br />
1043<br />
Vgl. HARDER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 93.<br />
1044<br />
Ebenda.<br />
1045<br />
Vgl. ebenda.<br />
1046<br />
Vgl. R. HAMM, „Eine Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit profiliert sich. Ein sichtbarer Aufschwung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei <strong>de</strong>s DRV“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 93(1975)28, S. 658.<br />
1047<br />
Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 265<br />
Existenzberechtigung hätte. 1048 Die Klärung von Problemen im Frauenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Anregung und Verwirklichung neuer I<strong>de</strong>en und die Heranziehung von<br />
Nachwuchskräften <strong>für</strong> die Mitarbeit im DRV waren Grund genug, das RR<br />
weiterhin bestehen zu lassen. Har<strong><strong>de</strong>r</strong> führt allerdings an, dass keine neuen<br />
I<strong>de</strong>en verwirklicht wor<strong>de</strong>n seien und bereits initiierte Aktionen nicht mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
nötigen Nachdruck betrieben wür<strong>de</strong>n. 1049 1976 versuchten RR und VA die<br />
Integration <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Verein, Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband und Verband zu<br />
forcieren. Die Kontakte zwischen <strong>de</strong>n drei Bereichen galt es ebenfalls zu<br />
verbessern.<br />
In <strong>de</strong>n Jahren von 1976 bis 1978 erzielte das Gremium Fortschritte in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeit. Seit <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1976 wur<strong>de</strong> das Selbstverständnis <strong>de</strong>s Referates<br />
auf eine formale Grundlage gestellt. Hierzu verabschie<strong>de</strong>ten die Anwesen-<br />
<strong>de</strong>n die Ordnung <strong>für</strong> das Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. In dieser wur<strong>de</strong>n Zweck, Ziel<br />
und Mitgliedschaft geregelt. 1050 Die Arbeit in <strong>de</strong>n DRV-<strong>Aus</strong>schüssen wur<strong>de</strong><br />
insgesamt als befriedigend bewertet. Verbesserungsbedarf bestand weiter-<br />
hin in <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeitsarbeit <strong>de</strong>s Referates. Die Arbeit mit <strong>de</strong>n Frauen an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Basis in <strong>de</strong>n Vereinen und Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong>n sollte verbessert, zu-<br />
min<strong>de</strong>st aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n. Die Referatsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> boten <strong>de</strong>n Vereinen<br />
und LRV an, sich aktiv mit Vorträgen o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch mit praktischen Themen an<br />
Veranstaltungen zu beteiligen. Voraussetzung war allerdings das Interesse<br />
bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppen.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Sitzung <strong>de</strong>s RR im November 1978 wur<strong>de</strong> erstmals die Auflösung<br />
<strong>de</strong>s Gremiums diskutiert. Der ursprüngliche Plan, das Referat aufzulösen,<br />
falls genügend Frauen im VA positioniert wären, war jedoch in weite Ferne<br />
gerückt. Die Existenzberechtigung wur<strong>de</strong> von manchen angezweifelt, da die<br />
Arbeitsergebnisse nicht <strong>de</strong>n gewünschten Erfolg brachten und vor allem<br />
auch wenig kommuniziert wur<strong>de</strong>n. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s RR sprachen sich <strong>für</strong><br />
ein Weiterbestehen aus. Sie waren <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinung, dass die Belange <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sowohl innerhalb <strong>de</strong>s DRV und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>schüsse als auch nach au-<br />
ßen so wirkungsvoller vertreten wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. 1051<br />
1048<br />
Vgl. I. HARDER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 94(1976)5, S. 101.<br />
1049<br />
Vgl. ebenda.<br />
1050<br />
Vgl. I. LEBERT, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 96(1978)1, S. 13.<br />
1051<br />
Vgl. L. BÖRMS, „Picknick in <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Geschäftstelle“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 96(1978)34, S. 730.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 266<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit konnten keine nennenswerten Fortschritte erzielt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die immer noch geringe Begeisterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen <strong>für</strong> die Verbandsarbeit<br />
konnte nicht aufgefangen wer<strong>de</strong>n. Kritik aus <strong>de</strong>n eigenen Reihen, fehlen<strong>de</strong>s<br />
Verständnis <strong>für</strong> die Arbeit und mangeln<strong>de</strong> Solidarität erschwerten zusätzlich<br />
<strong>de</strong>n Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Referatsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Die damalige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hessischen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Martha Gumbrecht, äußerte sich 1979 auf die Frage, „Was<br />
sollten Ihrer Meinung nach die Frauen tun, um künftig noch besser repräsen-<br />
tiert zu sein?“ folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen:<br />
„Die Frauen sollen sich besser ‘darstellen’. Sie sollten ihre Mitarbeit<br />
ihren männlichen Kollegen gegenüber ‘diplomatisch’ anbieten.<br />
Das Wort ‘Anbieten’ sollte natürlich nicht so eng ausgelegt wer<strong>de</strong>n.<br />
[...] Die Frau sollte sich ein ‘gediegenes Wissen’ aneignen,<br />
um mitre<strong>de</strong>n zu können und sich mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Wirken <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im Verein<br />
befassen. Die Frau im Verein muß sich also selbst ‘repräsentieren’<br />
und, was wohl beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s wichtig ist, bevor sie etwas<br />
‘herausspru<strong>de</strong>lt’, überlegen, was sie sagt und auch mal ‘ruhig’ sein<br />
können! 1052<br />
Einge<strong>de</strong>nk <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, dass En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre die Frauen sowohl im<br />
Sport als auch im gesellschaftlichen Leben immer noch sehr stark unterre-<br />
präsentiert waren, müssen diese <strong>Aus</strong>sagen als schädigend <strong>für</strong> <strong>de</strong>n gesamten<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport bewertet wer<strong>de</strong>n. Die gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te aktive Mitgestaltung und -<br />
bestimmung wur<strong>de</strong> dominiert von <strong><strong>de</strong>r</strong> vermeintlichen Erfüllung einer Quote.<br />
Repräsentanz erscheint in diesem Zusammenhang wichtiger als Engage-<br />
ment.<br />
Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre konnte eine positive Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit<br />
<strong>de</strong>s RR mit <strong>de</strong>n LRV verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Gleichzeitig verbesserte sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kontakt zwischen <strong>de</strong>n Frauenwartinnen in <strong>de</strong>n Vereinen. Die erstmalig 1981<br />
ausgeschriebene DRV-Frauenwan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt 1053 wur<strong>de</strong> vom RR erfolgreich or-<br />
ganisiert und durchgeführt. Sehr intensiv bemühte sich das RR auch um die<br />
Verbesserung von Altersklasserennen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, wodurch eine rege Mitar-<br />
beit im betreffen<strong>de</strong>n Arbeitskreis <strong>de</strong>s DRV erzielt wer<strong>de</strong>n konnte. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
vertiefte das RR seine Beziehungen zur Frauensport-Abteilung <strong>de</strong>s DSB und<br />
zum <strong>Deutschen</strong> Frauenrat. Nach wie vor verstand sich das RR als Koordina-<br />
1052<br />
M. GUMBRECHT, „Die Frauen sollen sich besser darstellen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 97(1979)8, S.<br />
229.<br />
1053<br />
Vgl. hierzu die Anmerkungen zum Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Kap. 7.5.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 267<br />
tionsstelle <strong><strong>de</strong>r</strong> im DRV arbeiten<strong>de</strong>n Frauen. 1054 Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband 1983 sein<br />
hun<strong><strong>de</strong>r</strong>tjähriges Jubiläum beging, waren erstmalig in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s<br />
Verban<strong>de</strong>s zwei Posten im VA von Frauen besetzt. Diese waren Ingrid Die-<br />
terle als Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s RR und Judith Berger als Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>-<br />
schusses Breitensport. Dennoch wur<strong>de</strong> die Zusammenarbeit in diesem Jahr<br />
auf eine harte Probe gestellt, als diese bei<strong>de</strong>n Frauen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsar-<br />
beit ausschei<strong>de</strong>n mussten und <strong><strong>de</strong>r</strong> VA die freigewor<strong>de</strong>nen Plätze entgegen<br />
<strong>de</strong>n Vorschlägen <strong>de</strong>s RR nicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Frauen besetzte.<br />
1985 initiierte das RR eine Fragebogenaktion, um die allgemeine Situation<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis zu reflektieren und festzustellen, wie die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im<br />
Verein wahrgenommen wur<strong>de</strong>. Bei knapp 350 angeschriebenen Vereinen 1055<br />
war die Rücklaufquote mit 188 recht niedrig. Hen<strong>de</strong>s führte an, dass sich<br />
einige Vereine aufgrund mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Informationen und fehlen<strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussio-<br />
nen außerstan<strong>de</strong> sahen, eine Beurteilung abzugeben. 1056 Dennoch war das<br />
Ergebnis ein<strong>de</strong>utig: 60% bewerteten die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im Verein als ne-<br />
gativ, lediglich 25% äußerten sich positiv. 15% machten keine klaren <strong>Aus</strong>sa-<br />
gen. Kritisch angemerkt wer<strong>de</strong>n muss, dass im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> positiven<br />
Bewertungen kaum differenzierte <strong>Aus</strong>sagen zu fin<strong>de</strong>n waren. Die wenigen<br />
ausführlichen Antworten beschränkten sich auf Sätze wie „die Frauen seien<br />
im Kommen o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Frauen seien so stark engagiert, daß sie ihre zahlen-<br />
mäßige Unterpräsenz ausglichen“. 1057<br />
<strong>Aus</strong> <strong>de</strong>n negativen Beurteilungen ergab sich dagegen ein <strong>de</strong>utliches Bild.<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sei eine Männersportart und <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend wer<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV von<br />
Männern geführt. Die Frauen im DRV seien unterprivilegiert, unterrepräsen-<br />
tiert und untergeordnet. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sei <strong>für</strong> kritische Frauen kein Platz. 1058<br />
Weitere <strong>Aus</strong>wertungen ergaben, dass ca. 20% <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstandsämter von<br />
Frauen ausgeübt wur<strong>de</strong>n. Ämter wie Schriftführer, Frauenwart und Kassen-<br />
wart wur<strong>de</strong>n dagegen häufig von Frauen besetzt. 1059<br />
In <strong>de</strong>n LRV wur<strong>de</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> fünfte Sitz von einer Frau eingenommen, im VA lag<br />
die Frauenquote in <strong>de</strong>n 80er Jahren bei 12,5%. Becker nannte als einen<br />
1054<br />
Vgl. J. BERGER, „Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 101(1983)1, S. 15.<br />
1055<br />
Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik, Privatbesitz Hutmacher.<br />
1056<br />
Vgl. R. HENDES, „Der DRV – ein leben<strong>de</strong>s Fossil?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport (1985)31, S. 668.<br />
1057<br />
Ebenda.<br />
1058<br />
Vgl. ebenda.<br />
1059<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 135.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 268<br />
möglichen Grund <strong>für</strong> diese geringe Mitverantwortung die verbesserte Berufs-<br />
qualifikation von Frauen, die das Karrierebewusstsein geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t und somit<br />
das Zeitbudget verkürzt habe. „Aber auch mangeln<strong>de</strong>s Selbstvertrauen,<br />
Scheu vor Ämtern, Desinteresse und eine ablehnen<strong>de</strong> Haltung von Männern<br />
gegenüber engagierten Frauen“ 1060 seien Grün<strong>de</strong>. Wallmann erklärte, dass<br />
die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im DRV die reale Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ge-<br />
sellschaft mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Klischeevorstellungen spiegele. 1061<br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre wur<strong>de</strong> vom VA ein Konzept zur Umgestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ver-<br />
bandsarbeit vorgelegt. Zwischenzeitlich war die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl in diesem<br />
Gremium von ursprünglich elf auf 16 angewachsen. Dies führte nach Becker<br />
zu vielen Verzögerungen, Informations<strong>de</strong>fiziten und mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Effizienz. 1062<br />
Dem neuen VA sollten daher weniger, da<strong>für</strong> aber gleichberechtigte Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
angehören. 1063 Der zukünftige VA sollte aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorsitzen<strong>de</strong>n und seinem<br />
Stellvertreter, <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Län<strong><strong>de</strong>r</strong>rates, <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>jugend, <strong><strong>de</strong>m</strong> Schatzmeister und vier Beisitzern bestehen.<br />
Alle bisherigen <strong>Aus</strong>schüsse sollten aufgelöst und ihre Zuständigkeiten in vier<br />
große Arbeitsbereiche verteilt wer<strong>de</strong>n: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>reviere und Technik, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Breitensport, Wettkampfsport, Wissenschaft und Lehre. 1064 Diese<br />
Verkleinerung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Verbandsausschüsse ermöglichte eine ressort-<br />
übergreifen<strong>de</strong> Arbeit, allerdings be<strong>de</strong>utete diese Strukturän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung auch <strong>de</strong>n<br />
Wegfall <strong>de</strong>s RR. Becker zitierte in diesem Zusammenhang <strong>de</strong>n damaligen<br />
stellvertreten<strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s DRV, Karl Friedrich Bro<strong>de</strong>ßer: „Daß das<br />
RR bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Umgestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Struktur wegfallen wür<strong>de</strong>, war allen Beteiligten<br />
von vornherein klar“. 1065 Konsequenterweise entfiel damit auch die Garantie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenvertretung im VA. 1066<br />
1060 Ebenda.<br />
1061 Vgl. C. WALLMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im DRV – Ergebnisse einer Umfrage“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
103(1985)26, S. 535.<br />
1062 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 130.<br />
1063 Vgl. ebenda.<br />
1064 Vgl. [ohne Verfasser], „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
101(1983)28, S. 686.<br />
1065 BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 130.<br />
1066 Vgl. BECKER, ebenda, S. 131. Dieterle äußerte sich zu <strong><strong>de</strong>m</strong> Thema in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Sie stellte klar, dass sich bei<strong>de</strong> VA-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong>de</strong>n Beschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> VA-<br />
Sitzung gehalten hätten, nicht über Personen zu diskutieren. Becker gibt an, dass es unterschiedliche<br />
Meinungen gegeben habe, ob die bei<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im VA es versäumt<br />
hätten, rechtzeitig ihre Be<strong>de</strong>nken vorzutragen. Wur<strong>de</strong> die Interessenvertretung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauen von allen VA-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n schlicht und einfach vergessen o<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>n die Ein-
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 269<br />
Die erste Vorlage zur Strukturän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung stieß bei <strong>de</strong>n Vertretern <strong><strong>de</strong>r</strong> LRV auf<br />
wenig Verständnis:<br />
„Die vom VA vorgelegte Fassung mit neun Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n schloß<br />
zwar die Wahl einer Frau nicht ausdrücklich aus, aber die Zuordnung<br />
von Arbeitsgebieten pro VA-Mitglied schien <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
nicht zu gewährleisten, daß eine Frau gewählt wür<strong>de</strong>.“ 1067<br />
Nach langer Diskussion einigte man sich auf die Zahl von fünf Beisitzern.<br />
Zusätzlich wur<strong>de</strong> das Sachgebiet „Vereinsfragen“ eingerichtet. Die neue<br />
Formulierung „fünf Beisitzer“ be<strong>de</strong>utete allerdings nicht zwangsläufig die<br />
Übernahme dieser Position durch eine Frau. Die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, das Amt <strong>de</strong>s<br />
stellvertreten<strong>de</strong>n Vorsitzen<strong>de</strong>n mit einer Frau zu besetzen, wur<strong>de</strong> abgelehnt.<br />
Allerdings trafen die Verantwortlichen eine entsprechen<strong>de</strong> Vereinbarung <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1986 in Hamburg, in<strong><strong>de</strong>m</strong> sie sich auf eine weibliche Beisitzerin<br />
einigten. Die Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im neu strukturierten VA war damit ge-<br />
währleistet, eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Thematisierung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns war aller-<br />
dings nicht mehr vorgesehen. 1068<br />
Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1986 in Hamburg wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Strukturwan<strong>de</strong>l und damit<br />
auch die Auflösung <strong>de</strong>s RR beschlossen. Har<strong><strong>de</strong>r</strong> merkte an:<br />
„Nach 15 Jahren Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen hätte es m. E. wirklich so<br />
weit sein müssen, daß die Frauen zum selbstverständlichen<br />
Mitarbeiterpotentional gehören und das Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen somit<br />
nicht mehr nötig wäre.“ 1069<br />
Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> die Auflösung <strong>de</strong>s RR waren vielschichtig. Einig waren sich<br />
die Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage, dass die Männer im Allgemeinen inzwischen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitarbeit von Frauen positiv gegenüber stan<strong>de</strong>n. Es wäre laut Har<strong><strong>de</strong>r</strong> auch<br />
unfair, wenn die Frauen alles „<strong>de</strong>n zur Zeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> früher regieren<strong>de</strong>n Männern<br />
in die Schuhe schieben“ 1070 . Unbestritten ist, dass das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit gering war. Das RR hätte sich, so Har<strong><strong>de</strong>r</strong>, ständig<br />
nach neuen Mitarbeiterinnen umsehen müssen und diese, falls notwendig,<br />
auch zu einer Verbandstätigkeit überre<strong>de</strong>n müssen, <strong>de</strong>nn<br />
wän<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen rechtzeitig vorgetragen und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung abgewiesen, dass<br />
erst die Sache, dann die Personalfrage diskutiert wer<strong>de</strong>n sollte?<br />
1067 [ohne Verfasser], „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“, S. 686.<br />
1068 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 133.<br />
1069 I. HARDER, „Wirbel bei <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 104(1986)7, S. 156.<br />
1070 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 270<br />
„viele Frauen trauen sich diese [Arbeit] nicht zu und merken erst<br />
viel später, daß sie nicht nur geeignet sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sogar Spaß<br />
daran haben“. 1071<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Sitzung <strong>de</strong>s RR wur<strong>de</strong> beschlossen, dass sich die Frauenre-<br />
ferentinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> LRV in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n treffen sollten. Ziel war es,<br />
die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen weiterhin in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schüssen <strong>de</strong>s DRV zu vertre-<br />
ten. 1072 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sollten gezielt Funktionärinnen aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Nachwuchsbe-<br />
reich hinzugezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
6.1.3 Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Auflösung <strong>de</strong>s RR fehlte die Kommunikationsplattform zwischen <strong>de</strong>n<br />
Vertreterinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> LRV und <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV. Der Informationsfluss war nicht mehr<br />
gegeben, und so mehrte sich die Kritik. Die jährlich stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Treffen mit<br />
<strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen DRV-<strong>Aus</strong>schüsse konnten dieses Missverhält-<br />
nis nicht kompensieren, zumal nicht in allen Arbeitskreisen <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Res-<br />
sorts Frauen in die Arbeit eingebun<strong>de</strong>n waren. Erschwerend kam hinzu, dass<br />
alle ausschussübergreifen<strong>de</strong>n Aktivitäten im Bereich Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von <strong>de</strong>n<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Eigenleistung finanziert wer<strong>de</strong>n mussten. 1073 Die Bestrebun-<br />
gen, geeigneten Funktionärinnen-Nachwuchs zu sichten, eine <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtigs-<br />
ten Aufgaben <strong>de</strong>s UAF und RR, verkümmerten. 1074<br />
Im Frühjahr 1987 stellten die Vertreterinnen <strong>de</strong>s LRV und <strong>de</strong>s DRV vier For-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an <strong>de</strong>n damaligen DRV-Vorsitzen<strong>de</strong>n Henrik Lotz:<br />
„Die positive Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>entwicklung muß sich durch verstärkte Berufung<br />
von Frauen in Führungsgremien <strong>de</strong>s DRV nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlagen.<br />
Es muss sichergestellt wer<strong>de</strong>n, daß auch in Zukunft eine Frau im<br />
VA vertreten ist.<br />
Es müssen Führungsseminare speziell <strong>für</strong> Frauen eingerichtet<br />
wer<strong>de</strong>n, da gemischte Lehrgänge Frauen nicht genügend ansprechen.<br />
Das Gremium <strong><strong>de</strong>r</strong> LRV- und DRV-Vertreterinnen muß wie z. B. die<br />
LRV-Lehrreferenten und die LRV-Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>warte eine Anbin-<br />
1071<br />
Ebenda.<br />
1072<br />
Vgl. L. BÖRMS, „Erfahrungsaustausch über Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 104(1986)33,<br />
S. 717.<br />
1073<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 138.<br />
1074<br />
Vgl. E. BECKER, „Nach 18 Jahren wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ein <strong>Aus</strong>schuß Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
108(1990)25, S. 634.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 271<br />
dung an <strong>de</strong>n VA erhalten, damit die Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Beratungen<br />
an diesen weitergegeben wer<strong>de</strong>n können.<br />
Das durch <strong>de</strong>n Wegfall einer Mannschaftsleiterin <strong>für</strong> die Frauennationalmannschaft<br />
und das <strong>Aus</strong>schei<strong>de</strong>n einer Mitarbeiterin entstan<strong>de</strong>ne<br />
Informations<strong>de</strong>fizit im Bereich Leistungssport muß<br />
behoben wer<strong>de</strong>n.“ 1075<br />
Doch <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV gab nicht allen For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen statt. Dieterle wur<strong>de</strong> zur Referen-<br />
tin <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Leistungssport ernannt und die Verantwortlichen <strong>de</strong>s DRV sagten<br />
die Teilnahme <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> seines Stellvertreters an Frauentagun-<br />
gen zu.<br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre begann <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sausschuss Frauensport <strong>de</strong>s DSB<br />
einen Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan zu entwickeln, <strong><strong>de</strong>r</strong> an die Mitgliedsorganisationen als<br />
Muster weitergeleitet wur<strong>de</strong>. 1076 Es galt, Frauen eine verstärkte Mitarbeit in<br />
<strong>de</strong>n Fachverbän<strong>de</strong>n in allen Bereichen zu ermöglichen. Der damalige DSB-<br />
Präsi<strong>de</strong>nt Hans Hansen stellte 1988 in seinem Bericht zur Lage die Be<strong>de</strong>u-<br />
tung dieses Konzeptes heraus:<br />
„Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>pläne rufen zum Gemeinschaftswerk von Frauen<br />
und Männern auf. Ohne Frauen läßt sich die Zukunft <strong>de</strong>s freiorganisierten<br />
Sports nicht gestalten.“ 1077<br />
Die Frauenvertreterinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> LRV und <strong>de</strong>s DRV beschlossen auf ihrer Ta-<br />
gung im Oktober 1988, einen eigenen Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan zu erstellen. Der<br />
DRV richtete <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend einen Arbeitskreis ein. Friedhelm Kreiß als<br />
Mitglied <strong>de</strong>s VA gehörte ebenfalls zu diesem Gremium. 1078 Hierzu wur<strong>de</strong> vom<br />
Arbeitskreis Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan eine Umfrage initiiert, um die Situation im DRV<br />
zu erfassen. Die <strong>Aus</strong>wertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung bestätigte wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um die Tatsa-<br />
che, dass Frauen im DRV in fast allen Positionen, wie beispielsweise als<br />
Trainerinnen, als Schiedsrichterinnen, als Lehrgangsteilnehmerinnen sowie<br />
als Delegierte bei Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tagen und als DRV-<strong>Aus</strong>schussmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> unterreprä-<br />
1075<br />
[Ohne Verfasser], [Ohne Titel], in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 105(1987)10, S. III.<br />
1076<br />
Die ersten Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>pläne thematisierten vor allem die Benachteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
im Berufsleben. Später wur<strong>de</strong>n diese zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Chancengleichheit in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
gesellschaftlichen Bereichen, unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em auch im Sport, erstellt.<br />
1077<br />
H. HANSEN, „Bericht zur Lage“ „Offene Diskussion aller Probleme“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
106(1988)33, S. 789.<br />
1078<br />
Vgl. D. RÜBEL, „Verbandsausschuß stimmte <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan zu“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
107(1989)8, S. 217.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 272<br />
sentiert waren. 1079 Die Gleichstellung von Mann und Frau war zu diesem<br />
Zeitpunkt noch nicht erreicht. 1080<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachzeitschrift Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport wur<strong>de</strong> die Notwendigkeit dieses Konzeptes<br />
kontrovers diskutiert. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er merkten kritisch an, dass eine<br />
Gleichberechtigung im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport aber auch im gesellschaftlichen Leben<br />
nicht allein mit einem Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan erreicht wer<strong>de</strong>n könne, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n dass<br />
die Frauen selbst da<strong>für</strong> sorgen müssten, in <strong>de</strong>n Gremien vertreten zu sein.<br />
Gleichberechtigung sei schließlich durch „Mut, Courage, Engagement,<br />
Durchsetzungsvermögen und sicher auch positiven Ehrgeiz entstan<strong>de</strong>n [...],<br />
nicht aber durch ein Papier“. 1081<br />
Kienzle-Augspurger äußerte sich in diesem Zusammenhang ähnlich:<br />
„Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man/frau sich nur selbst<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann. [...] Wir sehen rein fachlich keinen Unterschied zwischen<br />
Frauen und Männern, es gibt nur qualifizierte und weniger<br />
qualifizierte Menschen. [...] Als Frau ist alles zu erreichen, wenn<br />
die Frau das wirklich will und sich da<strong>für</strong> auch engagiert. Dazu<br />
braucht es keine För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durch Männer, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
partnerschaftliche Hilfe, wenn erwünscht.“ 1082<br />
Die Be<strong>für</strong>worter <strong>de</strong>s Plans, unter ihnen auch Berger, sahen allerdings die<br />
Notwendigkeit darin begrün<strong>de</strong>t, dass<br />
„die Meinungen und die Wünsche <strong>de</strong>s weiblichen Geschlechts mit<br />
in die Planung <strong>de</strong>s DRV eingehen und nicht, wie es jetzt ist, ‘man’<br />
<strong>für</strong> ‘frau’ entschei<strong>de</strong>t. [...] Der Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan wird hoffentlich<br />
greifen und weibliche Präsenz im Vorstand <strong>de</strong>s DRV ermöglichen.“<br />
1083<br />
Im September 1989 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Entwurf <strong>de</strong>s Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plans vorge-<br />
legt. 1084 Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Frauen in Gremien sah dieser auch Fort-<br />
bildungsveranstaltungen vor sowie die wissenschaftliche Erforschung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1079 Vgl. WALLMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im DRV – Ergebnisse einer Umfrage“, S. 535-537. Ferner<br />
vgl. E. SCHUMANN, „Stagnation im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 85(1967)29, S. 630-<br />
632.<br />
1080 Vgl. D. RÜBEL, „Zweite Sitzung <strong>de</strong>s AK Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 107(1989)26,<br />
S. 643.<br />
1081 Vgl. W. LÖWENSTEIN, „DRV-Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit plangeför<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>frauen?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sport 108(1990)10, S. III.<br />
1082 Vgl. M. KIENZLE-AUGSPURGER, „DRV-Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)13, S.<br />
385.<br />
1083 J. BERGER, „DRV-Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)16, S. 458.<br />
1084 Vgl. Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan-Entwurf September 1989, in: BECKER, Mit Rock und Riemen, S.<br />
141.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 273<br />
Problematik von Frauen und Mädchen im Sport. Becker betonte nochmals<br />
die Notwendigkeit <strong>de</strong>s Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plans:<br />
„So soll auch im Bereich <strong>de</strong>s DRV ein Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan die<br />
Gleichberechtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen auf allen Gebieten <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports<br />
durchsetzen helfen. Der DRV sollte sich nicht mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Erreichten<br />
zufrie<strong>de</strong>n geben – Stillstand be<strong>de</strong>utet Rückschritt – die<br />
Konkurrenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>werbung wird schärfer<br />
wer<strong>de</strong>n, da sollte man das große Reservoir von weiblichen Sportinteressierten<br />
nutzen und nicht verprellen.“ 1085<br />
Der endgültige Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan umfasste folgen<strong>de</strong> Punkte:<br />
• „Frauen in Gremien<br />
• Vertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen/Mitwirkung bei Besetzung<br />
• Besetzung von Positionen<br />
• Einbindung in die Geschäftsstelle<br />
• Berücksichtigung frauenspezifischer Aspekte<br />
• Leitung und Durchführung von Veranstaltungen<br />
• Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>einstieg<br />
• Patenschaften<br />
• Wissenschaftliche Forschung<br />
• Sprache<br />
• Ehrungen<br />
• Bildungsarbeit<br />
• Mitarbeit von Leistungssportlerinnen<br />
• Entlastung durch Aufgabenteilung<br />
• Erfolgskontrollen.“ 1086<br />
In allen ehrenamtlichen Gremien, einschließlich <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s, sollten<br />
Frauen gewählt beziehungsweise berufen wer<strong>de</strong>n. Soweit Frauen nicht ver-<br />
treten waren, musste dies begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Umsetzung <strong>de</strong>s Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plans unterlag <strong><strong>de</strong>m</strong> VA, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag<br />
über die aktuelle Situation im Mädchen- und Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sowie die ein-<br />
geleiteten und durchgeführten Maßnahmen berichten sollte. Folgerichtig<br />
1085<br />
E. BECKER, „Gleichberechtigung durch Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan“ in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)5, S.<br />
113.<br />
1086<br />
[ohne Verfasser], „Protokoll <strong>de</strong>s 49. <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages...“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
108(1990)15, S. 460-461. Ferner vgl. <strong>de</strong>n Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan im Anhang.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 274<br />
wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n eingerichtet. 1087 Dieser wur<strong>de</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Besetzung von Positionen und Gremien beteiligt und konnte Vorschläge<br />
hierzu machen. Der AF wur<strong>de</strong> einem Mitglied <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s zugeordnet<br />
und über Entscheidungen <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s unterrichtet. Die Besetzung von<br />
Positionen sah eine Bevorzugung von Frauen in Gremien vor, in <strong>de</strong>nen sie<br />
unterrepräsentiert waren. Anschließend wur<strong>de</strong> vereinbart, dass bei Symposi-<br />
en, Arbeitstagungen und Arbeitskreisen Themen <strong>de</strong>s Sports von und <strong>für</strong><br />
Frauen angemessen zu berücksichtigt seien. Der Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>einstieg von Frau-<br />
en, die aus beruflichen und zeitlichen Grün<strong>de</strong>n ihre ehrenamtliche Mitarbeit<br />
unterbrochen hatten, sollte erleichtert wer<strong>de</strong>n. Der AF wur<strong>de</strong> aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, zu<br />
diesen Frauen <strong>de</strong>n Kontakt aufrechtzuerhalten. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wur<strong>de</strong> festgehal-<br />
ten, dass <strong>für</strong> Frauen, die neue Positionen übernahmen, Patenschaften von<br />
bereits länger mitarbeiten<strong>de</strong>n Frauen und Männern zum Erfahrungsaus-<br />
tausch und zur Hilfestellung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einarbeitung zu organisieren.<br />
Der Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan sah ferner vor, dass bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Formulierung von Satzun-<br />
gen, Ordnungen, Regelwerken, Grundsatzerklärungen, Veröffentlichungen<br />
und Berichten jeweils die weibliche und männliche beziehungsweise neutrale<br />
Sprachform verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n sollte. 1088<br />
Unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Aspekt Erfolgskontrollen wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorstand die Verantwortlich-<br />
keit <strong>für</strong> die Umsetzung und die Fortschreibung <strong>de</strong>s Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plans zuge-<br />
wiesen. Über die Durchführung und Ergebnisse <strong>de</strong>s Plans sollte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorstand jeweils am Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag berichten.<br />
Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 49. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Düsseldorf 1990 wur<strong>de</strong> die endgültige Fassung als<br />
Satzungsantrag vorgelegt und letztendlich angenommen. Hierzu hieß es im<br />
Protokoll:<br />
„Abstimmung: Die Mehrheit stimmt bei einer nicht unerheblichen<br />
Zahl von Nein-Stimmen und einigen Enthaltungen zu.<br />
Die Abstimmung zum Antrag von DR. HORST MEYER ergibt bei<br />
247 Nein-Stimmen und 50 Enthaltungen ebenfalls eine Mehrheit.“<br />
1089<br />
1087<br />
R. ZIEL, „Keine Hochachtung vor Baßstimme haben“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 109(1991)31, S.<br />
799.<br />
1088<br />
Bis Oktober 2008 wur<strong>de</strong> dieser For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Seiten <strong>de</strong>s DRV nicht nachgekommen.<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt fand nur die männliche Form Verwendung.<br />
1089<br />
[ohne Verfasser], „Protokoll <strong>de</strong>s 49. <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages“, S. 460.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 275<br />
Erwähnt wer<strong>de</strong>n muss an dieser Stelle, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwurf mit abgeschwäch-<br />
ten Formulierungen, aus „Pflichten“ wur<strong>de</strong>n beispielsweise „Empfehlungen“,<br />
verabschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Generell sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan als freiwilliger<br />
Leitfa<strong>de</strong>n <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Verbandsbereich angesehen wer<strong>de</strong>n. 1090 Eine erweiterte<br />
Fassung sollte <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1992 erneut zur Abstimmung vorgelegt wer-<br />
<strong>de</strong>n, ein Vorhaben, das letztlich nicht umgesetzt wur<strong>de</strong>. 1091 Becker merkte in<br />
diesem Zusammenhang an, dass sich an dieser Stelle die alte Erkenntnis<br />
bewahrheitete, dass die Belange <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns auf Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tagen nur<br />
dann eine Chance hätten, wenn sich einflussreiche Funktionäre da<strong>für</strong> stark<br />
machen wür<strong>de</strong>n. 1092<br />
6.1.4 <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von 1990 bis heute<br />
Die erste Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s neu gebil<strong>de</strong>ten <strong>Aus</strong>schusses Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war<br />
Gertrau<strong>de</strong> Frischmuth-Müller. 1093 Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Besetzung dieses Gremiums hatten<br />
sich die Verantwortlichen <strong>de</strong>s DRV bemüht, eine „gesun<strong>de</strong> Mischung von<br />
Basis und höheren Ebenen, von Breiten- und Leistungssport, Jüngeren und<br />
Älteren zu fin<strong>de</strong>n“. 1094 Der AF war außer<strong><strong>de</strong>m</strong> paritätisch mit LRV- und Ver-<br />
einsvertreterinnen besetzt. Ein Mitglied wur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Aus</strong>schuss als Dele-<br />
gierte zur Bun<strong>de</strong>sversammlung Frauen im Sport <strong>de</strong>s DSB, <strong><strong>de</strong>m</strong> damaligen<br />
höchsten Sportgremium <strong>für</strong> Frauen entsandt, ein weiteres zur Vollversamm-<br />
lung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Frauenrats, <strong><strong>de</strong>m</strong> Zusammenschluss aller Frauenver-<br />
bän<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. 1095 Die Frauen arbeiteten in <strong>de</strong>n<br />
jeweiligen Fachausschüssen mit, während <strong><strong>de</strong>r</strong> AF Koordinierungsaufgaben<br />
zu frauenspezifischen Themen übernahm. Für <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schuss galt, die Inte-<br />
ressen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gemeinsam mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis zu vertreten. Die erste Ak-<br />
tion war das 1991 in Berlin veranstaltete DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Forum. Die<br />
Teilnehmer beschäftigten sich dabei in Workshops mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau<br />
im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sowie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Der stellvertre-<br />
1090<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 145.<br />
1091<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Heida Benecke am 21. 10. 2008.<br />
1092<br />
Vgl. ebenda.<br />
1093<br />
Die Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>schusses Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n waren: 1990-1998 Gertrau<strong>de</strong> Frischmuth-Müller,<br />
1998-2003 Lisa Börms, 2003-2008 Dagmar Linnemann-Gädke. Seit März<br />
2008 hält Heida Benecke dieses Amt.<br />
1094<br />
A. SCHELLER, „Frauen zur Mitarbeit ermutigen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 111(1993)5, S. 93.<br />
1095<br />
Vgl. G. FRISCHMUTH, „Frauen in <strong>de</strong>n DRV-Gremien?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 113(1995)5, S. 127.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 276<br />
ten<strong>de</strong> DRV-Vorsitzen<strong>de</strong> Karl-Friedrich Bro<strong>de</strong>ßer äußerte sich auf dieser Ver-<br />
anstaltung zum Stand <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns:<br />
„Das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n habe einen dornenvollen Weg zurückzulegen<br />
gehabt. ‘Doch die dicksten Brocken sind weggeräumt. Die Frauen<br />
sind voll anerkannt und gleichberechtigt. Sie setzen positive und<br />
nicht wegzu<strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Akzente.’“ 1096<br />
Bro<strong>de</strong>ßer führte ebenfalls an, dass Frauen zwar Führungsaufgaben über-<br />
nehmen wür<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nnoch sei <strong><strong>de</strong>r</strong>en Anzahl im DRV Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre<br />
immer noch zu gering. Der Verband stün<strong>de</strong> „in mancherlei Hinsicht jedoch<br />
noch mit einem Bein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit“. 1097 Obwohl die Grün<strong>de</strong> viel-<br />
schichtig seien, reichten laut Bro<strong>de</strong>ßer Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan und Quotenrege-<br />
lung nicht aus, diesen Zustand zu verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Forum war laut Börms ein großer Erfolg. Allerdings wur<strong>de</strong><br />
das finanzielle Budget um ein Vielfaches überzogen, so dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Etat <strong>de</strong>s AF<br />
erst im Jahre 2000 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Frauen-Forum zuließ. 1098<br />
1992 zog <strong><strong>de</strong>r</strong> AF eine erste Bilanz. Nur zwei Jahre nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>schusses konnte als Ergebnis festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau-<br />
enanteil im DRV immerhin bei 28,2% lag, dieser Prozentsatz aber in <strong>de</strong>n<br />
Vereins-, Verbands- und DRV-Gremien nicht erreicht wer<strong>de</strong>n konnte. So be-<br />
fand sich beispielsweise 1992 keine Frau im DRV-Vorstand. Dies traf auch<br />
auf <strong>de</strong>n Lehrausschuss und <strong>de</strong>n Vorstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>jugend zu. Lediglich im<br />
Ressort „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>reviere und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ waren mit Heike Ro<strong>de</strong>nburg und<br />
Gabi Hecht Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vertreten. Das Ziel <strong>de</strong>s AF, die Anzahl aktiver Frau-<br />
en in Gremien und <strong>Aus</strong>schüssen zu erhöhen, wur<strong>de</strong> nicht aufgegeben, aller-<br />
dings sei dieses Anliegen laut Frischmuth nur langfristig zu verwirklichen. 1099<br />
Dagmar Linnemann-Gädke vom LRV Berlin brachte 1995 die Lage auf <strong>de</strong>n<br />
Punkt: „Die Frauen wollen nicht – das ist das Handicap“. 1100 Auch Frischmuth<br />
musste feststellen, dass Ziel und Wirklichkeit noch weit voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> entfernt<br />
waren. Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> erkannte sie darin, dass<br />
„die Frauen nicht mitgespielt haben. Es wur<strong>de</strong>n ja auch Frauen<br />
zugelassen, aber die haben es nicht geschafft. Das war Pseudo-<br />
1096<br />
ZIEL, „Keine Hochachtung vor Baßstimme haben“, S. 798.<br />
1097<br />
Ebenda, S. 799.<br />
1098<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Lisa Börms am 21. 10. 2008.<br />
1099<br />
Vgl. SCHELLER, „Frauen zur Mitarbeit ermutigen“, S. 93. Ferner vgl. FRISCHMUTH, „Frauen<br />
in <strong>de</strong>n DRV-Gremien?“, S. 127.<br />
1100<br />
SCHELLER, „Frauen zur Mitarbeit ermutigen“, S. 93.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 277<br />
Frauen-Power. Es waren fast nur Frauen, die sich nicht durchsetzen<br />
konnten.“ 1101<br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre intensivierte <strong><strong>de</strong>r</strong> AF die Suche nach Frauen, die ehren-<br />
amtlich in Gremien <strong>de</strong>s DRV mitarbeiten sollten. Ein angebotener För<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
lehrgang musste allerdings aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> zu geringen Anmeldungen<br />
abgesagt wer<strong>de</strong>n. Frischmuth bedauerte sehr, dass an <strong>de</strong>n jährlich stattfin-<br />
<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Frauentagungen mit allen in Verbän<strong>de</strong>n und Gremien arbeiten<strong>de</strong>n<br />
Frauen keine Vertreterinnen aus <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n teilnahmen. Die-<br />
se sahen keine Notwendigkeit in dieser Veranstaltung, da sie „diese bislang<br />
auch nicht gebraucht hätten, um zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“. 1102 Sie konstatierte allerdings<br />
auch, dass sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrungs- und Meinungsaustausch von bei<strong>de</strong>n Seiten<br />
immer noch schwierig gestaltete. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
„erkennen [wir] inzwischen viele kleine Netzwerke, aber die vielen<br />
kleinen funktionieren<strong>de</strong>n ergeben noch lange kein großes. Frauen<br />
haben aus vielerlei Grün<strong>de</strong>n nach wie vor Schwierigkeiten, ein<br />
dichtes Netzwerk aufzubauen, sich gegenseitig zu informieren und<br />
vor allem zu stützen.“ 1103<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauentagung 1996 beschloss <strong><strong>de</strong>r</strong> AF, <strong>de</strong>n Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan „Mitar-<br />
beit von Frauen in <strong>de</strong>n Gremien <strong>de</strong>s DRV“ zu überarbeiten. Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag <strong><strong>de</strong>m</strong> Entwurf 1990 inhaltlich zugestimmt hatte, wur<strong>de</strong> er formal<br />
vom Vorstand innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n fünf Jahre nicht bestätigt und schrift-<br />
lich nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegt. 1104 Der AF entwarf einen Maßnahmenkatalog, um <strong>de</strong>n Weg<br />
<strong>für</strong> eine frauenfreundlichere Organisation im Verband zu ebnen: 1105<br />
• „Verwirklichung <strong>de</strong>s Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>planes<br />
• vermehrt Informations-/Fortbildungslehrgänge <strong>für</strong> Frauen, familienfreundlich<br />
organisiert<br />
• Publikationen zum Thema Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in allen Medien, zusätzlich<br />
zur Fachpresse<br />
• Bereitstellung einer Kontaktperson/hauptamtlichen Mitarbeiterin in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Geschäftsstelle/allseits präsenten Frauenvertretung<br />
• Entwicklung von frauenspezifischem Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>material<br />
1101<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Gertrau<strong>de</strong> Frischmuth am 24. 10. 2008.<br />
1102<br />
Ebenda.<br />
1103<br />
FRISCHMUTH, „Frauen in <strong>de</strong>n DRV-Gremien?“, S. 127.<br />
1104<br />
Vgl. D. REES, „Frauen noch lange nicht am Ziel ihrer Wünsche“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
114(1996)7, S. 221.<br />
1105 Vgl. ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 278<br />
• Angemessene finanzielle <strong>Aus</strong>stattung und gleiches sparsames Niveau<br />
<strong>für</strong> alle DRV-<strong>Aus</strong>schußsitzungen<br />
• Motivation zur Ehrenamtlichkeit durch Lob/Anerkennung“. 1106<br />
Die LRV waren aufgerufen, eine Frauenvertretung zu gewährleisten. Außer-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> sollten die Frauenvertreterinnen durch Weitergabe sämtlicher Informati-<br />
onen zur Mitarbeit motiviert wer<strong>de</strong>n. Den Vereinen empfahl <strong><strong>de</strong>r</strong> AF durch die<br />
Betreuung von Kleinkin<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Attraktivität <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportart Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu erhöhen.<br />
Weiterhin sei eine „offene Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufnahme von Frauen nach langer Abwe-<br />
senheit“ 1107 wünschenswert. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> müsse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheitsaspekt von<br />
<strong>de</strong>n Vereinen bei entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeitsarbeit stärker hervorgehoben<br />
wer<strong>de</strong>n. Dieser Maßnahmenkatalog ist eine Empfehlung geblieben. 1108<br />
Zwischen 1998 und 2003 stand Lisa Börms <strong><strong>de</strong>m</strong> AF vor. Unter ihrem Vorsitz<br />
wur<strong>de</strong>n 2000 und 2002 die Frauen-Foren <strong>de</strong>s DRV in Lübeck/Travemün<strong>de</strong><br />
und Schweinfurt durchgeführt. Das Frauen-Forum 2000 stand unter <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Motto „Zukunft gestalten – Chancen und Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen“. Es konnten<br />
zahlreiche Referenten aus unterschiedlichen Fachrichtungen gewonnen<br />
wer<strong>de</strong>n. Der Aspekt Ehrenamt wur<strong>de</strong> schwerpunktmäßig thematisiert. Es gab<br />
Vorträge und Diskussionen wie „Frauen und Ehrenamt“, „Ehrenamtliches<br />
Engagement <strong>für</strong> einen menschlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Brü-<br />
ckenschlag zwischen <strong>de</strong>n Generationen“ und „Ehrenamt – gesellschaftliche<br />
Notwendigkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Nächstenliebe“ sowie „Die Schlagzahl erhöhen – mit Lust<br />
an die Macht“. 1109 107 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus 38 Vereinen nahmen am Forum<br />
teil. 1110 Damit war die Teilnehmerzahl fast so hoch wie 1991. Eine Erklärung<br />
hier<strong>für</strong> kann in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl <strong>de</strong>s Veranstaltungsorts gesehen wer<strong>de</strong>n. Das Inte-<br />
resse <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in Schleswig-Holstein an diesen Themen erscheint größer<br />
zu sein als in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1111<br />
2002 wur<strong>de</strong> in Schweinfurt das dritte Frauen-Forum <strong>de</strong>s DRV unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Mot-<br />
to „Frauen an die Spitze“ veranstaltet. 1112 Der AF hatte die Anregung von<br />
1106 Ebenda.<br />
1107 Ebenda.<br />
1108 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Lisa Börms und Heida Benecke am 21. 10. 2008.<br />
1109 Vgl. [ohne Verfasser], „Frauen Forum 2000. Zukunft gestalten – Chancen und Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen“,<br />
in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 118(2000)8, S. 328.<br />
1110 Vgl. H. RODENBURG, „Frauen-Forum 2000. Zukunft gestalten – Chancen und Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen“,<br />
in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 118(2000)23. S. 37.<br />
1111 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Heida Benecke am 21. 10. 2008.<br />
1112 Vgl. AUSSCHUSS FRAUENRUDERN, 3. Frauen-Forum <strong>de</strong>s DRV. Frauen an die Spitze,<br />
[o.O.] 2002, S. 1.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 279<br />
DSB und NOK aufgegriffen und die Veranstaltung thematisch an das Akti-<br />
onsbündnis zur Steigerung <strong>de</strong>s Frauenanteils in <strong>de</strong>n Führungspositionen <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>utschen Sports angebun<strong>de</strong>n. 1113 2000 lag <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenanteil <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> bei ungefähr 31%. Ihre Präsenz in Vorstän<strong>de</strong>n auf verschie<strong>de</strong>nen<br />
Ebenen war aber <strong>de</strong>utlich geringer. 1114 Jürgen Kapsch merkte hierzu an,<br />
dass das Forum in Schweinfurt als <strong>Aus</strong>gangspunkt dienen könne, um dieses<br />
Missverhältnis zu beheben. Allerdings müsse man sich erst verständigen,<br />
was unter <strong><strong>de</strong>r</strong> angestrebten Spitze zu verstehen sei und ob Frauen diese<br />
überhaupt erreichen möchten. 1115 Als Ergebnis hielt er fest, dass<br />
„die ‘Spitze’ im DRV nicht unbedingt ein Platz im Vorstand o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gar <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Vorsitz sei. Sich im Verein zu engagieren, in <strong>de</strong>n<br />
Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong>n und auch in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schüssen, das sind, aus<br />
ganz individueller Sicht, anzustreben<strong>de</strong> Spitzenämter“. 1116<br />
Einig waren sich Teilnehmer und Referenten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage, dass nach wie vor<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Faktor Zeit eine große Rolle spiele. Das ehrenamtliche Engagement er-<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>te nicht nur ein Zugehen auf die Frauen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch zeitliche Res-<br />
sourcen <strong>für</strong> eine individuelle Entscheidungsfindung: „‘Frau’ muss auch wollen<br />
und das gegenüber <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>de</strong>utlich machen.“ 1117 Denn<br />
„das Ehrenamt muss auch Spass [sic!] machen. Sich aus ‘Quotengrün<strong>de</strong>n’<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> als Notnagel in einen Vorstand wählen zu lassen,<br />
bringt am En<strong>de</strong> nur Ärger und Frust“. 1118<br />
40 Frauen aus 25 Vereinen hatten sich zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Veranstaltung angemel<strong>de</strong>t.<br />
Obwohl sich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Besetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ämter innerhalb <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s keine<br />
1113 Dieses Projekt hatte die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Gewinnung<br />
und För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Frauen <strong>für</strong> Ehrenämter zum Ziel. <strong>Aus</strong>löser war <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil weiblicher<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> von 37,44% in <strong>de</strong>n Spitzenverbän<strong>de</strong>n im Jahre 2000. Im DRV lag dieser Wert<br />
bei ca. 31%, was Platz 30 im DSB entsprach. 2001 wur<strong>de</strong> außer<strong><strong>de</strong>m</strong> festgestellt, dass<br />
lediglich 9,09% <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsidiums- und Vorstandsposten mit Frauen besetzt waren. Es galt,<br />
Konzepte zum Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming im Sport zu generieren um auf diese Weise <strong>de</strong>n<br />
Frauenanteil in <strong>de</strong>n Führungspositionen <strong>de</strong>s Sports zu erhöhen. Begleitet wur<strong>de</strong>n diese<br />
Bemühungen von einer wissenschaftlichen Untersuchung und einem Praxisprojekt. Letzteres<br />
betreute Sylvia Schenk, <strong>für</strong> <strong>de</strong>n wissenschaftlichen Arbeitsauftrag waren Gertrud<br />
Pfister und Gudrun Doll-Tepper verantwortlich. Finanziert wur<strong>de</strong> dieses Aktionsbündnis<br />
vom Bun<strong>de</strong>sministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom NOK <strong>für</strong><br />
Deutschland. Vgl. ebenda, S. 5.<br />
1114 J. KAPSCH, „Wo ist die Spitze? Wollen wir da wirklich hin?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 120(2002)8,<br />
S. 2.<br />
1115 Vgl. ebenda.<br />
1116 Ebenda.<br />
1117 Ebenda.<br />
1118 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 280<br />
Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen ergaben, wur<strong>de</strong> das Frauen-Forum in Schweinfurt von <strong><strong>de</strong>r</strong> da-<br />
maligen Vorsitzen<strong>de</strong>n inhaltlich als Erfolg gewertet:<br />
„Dieses 3. Frauen-Forum war aus meiner Sicht ein großer Erfolg.<br />
Es hat <strong>de</strong>n meisten Teilnehmerinnen etwas gebracht. Und – so<br />
hoffe ich zumin<strong>de</strong>st – <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV auch. Die Frauen hatten in unserem<br />
Verband noch nie eine so gute <strong>Aus</strong>gangsposition.“ 1119<br />
Allerdings merkte Benecke in diesem Zusammenhang an, dass sich viele<br />
Teilnehmerinnen im Vorfeld folgen<strong>de</strong> Frage gestellt hätten: „Frauen an die<br />
Spitze ist ja schön und gut, aber will ich da überhaupt hin?“ 1120<br />
Der damalige DRV-Vorsitzen<strong>de</strong> Helmut Griep war ebenfalls in Schweinfurt<br />
anwesend und führte Gespräche mit <strong><strong>de</strong>m</strong> AF, die Börms positiv in die Zu-<br />
kunft blicken ließen. Griep machte auf diesem Frauen-Forum <strong>de</strong>utlich, dass<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DRV dringend nach Mitarbeiterinnen in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schüssen suche und äu-<br />
ßerte die Hoffnung, dass von dieser Veranstaltung Impulse ausgehen mö-<br />
gen. 1121<br />
Börms gab <strong>de</strong>n Vorsitz <strong>de</strong>s AF auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2003 in Oberhausen an<br />
Dagmar Linnemann-Gädke ab. In ihre Amtszeit fiel das vierte Frauen-Forum<br />
2007 in Hannover. Das Motto dieser Veranstaltung hieß „Sport tut Frauen gut<br />
– Frauen tun <strong><strong>de</strong>m</strong> (Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-) Sport gut“. Neben Vorträgen aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Bereich<br />
Gesundheit, zum Beispiel „Frauenherzen schlagen an<strong><strong>de</strong>r</strong>s – Neue For-<br />
schungsergebnisse aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin“ und „Frauen – Sport – Gesundheit“<br />
wur<strong>de</strong> auch über <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>m</strong>ografischen Wan<strong>de</strong>l im DOSB, die Personalent-<br />
wicklung im Verein und Verband und „Ehrenamt und Hauptamt“ sowie „Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong>für</strong> Frauen und Frauen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport gestern – heute –<br />
morgen“ diskutiert. Ergänzt wur<strong>de</strong>n diese Themen durch ein best-practice<br />
Beispiel <strong>de</strong>s Frauenreferates Schleswig-Holsteins. 1122<br />
Eberhard Wühle stellte auf diesem Forum fest, dass Frauen im DRV nicht<br />
das Verbandsgeschehen mitbestimmen. Er konstatierte außer<strong><strong>de</strong>m</strong>, dass es<br />
kein Vergnügen sei, „als Mann vor einem Frauenforum zu referieren <strong>für</strong> ei-<br />
nen Vorstand, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine reine Männerriege“ 1123 sei. In diesem Zusammen-<br />
1119 Ebenda.<br />
1120 Ebenda.<br />
1121 Ebenda.<br />
1122 E. WÜHLE, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong>für</strong> Frauen und Frauen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport ‘gestern – heute –<br />
morgen’“, in: Deutscher RUDERVERBAND/AUSSCHUSS FRAUENRUDERN, Sport tut Frauen<br />
gut – Frauen tun <strong><strong>de</strong>m</strong> Sport gut, zweite überarbeitete Auflage, [o.O.] 2008, S. 5.<br />
1123 Ebenda, S. 7.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 281<br />
hang äußerte sich Wühle auch zur Einbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in die verschie<strong>de</strong>-<br />
nen DRV-Ressorts, die er als unzureichend klassifizierte:<br />
„Allein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelkommission und unter <strong>de</strong>n Rechnungsprüfern<br />
ist jeweils eine Frau zu fin<strong>de</strong>n und vor gut einem Jahr hat eine<br />
Frau das be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Amt <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahlleiterin übernommen. Wir sind<br />
auch weit davon entfernt, dass die Frauen in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schüssen<br />
repräsentativ vertreten sind, wenn sie überhaupt in die <strong>Aus</strong>schussarbeit<br />
eingebun<strong>de</strong>n sind. Nehmen Sie es mir ab, dass mich<br />
über diesen geringen Anteil ein starkes Unbehagen befällt.“ 1124<br />
Wühle führte <strong>de</strong>s Weiteren an, dass zumin<strong>de</strong>st „Fachfrauen“ in <strong>de</strong>n Berei-<br />
chen Finanzen, Schriftführung, Öffentlichkeitsarbeit, Breitensport und Wan-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch als Leiterin eines eigenen Referates Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n über<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportliche Belange auf LRV-Ebene mitentschei<strong>de</strong>n könnten. 1125 Frauen<br />
prägten diesen Sport ebenso wie Männer, daher<br />
„sagen wir nicht: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist ein typischer Männersport, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
sind wir uns bewusst: Frauen gehören zu <strong>de</strong>n Leistungsträgern<br />
<strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports“. 1126<br />
In diesem Zusammenhang muss erwähnt wer<strong>de</strong>n, dass 2007 alle Vorstän<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 16 Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> männlich waren. Benecke bedauerte außer-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong>, dass vielfach auch keine Frauenreferate in <strong>de</strong>n LRV eingerichtet sei-<br />
en. 1127 Im Oktober 2008 stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
eine <strong>Aus</strong>nahme dar, <strong>de</strong>ssen Vorsitzen<strong>de</strong> hieß Johanna Kienzerle. Die Positi-<br />
on <strong>de</strong>s Stellvertreters war mit Monika Kienzle-Augspurger besetzt. Das<br />
Frauenreferat ist allerdings auch im LRV Ba<strong>de</strong>n-Württemberg momentan<br />
nicht besetzt.<br />
Ein weiterer Themenkomplex auf <strong><strong>de</strong>m</strong> vierten Frauen-Forum <strong>de</strong>s DRV war<br />
das Konzept <strong>de</strong>s Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming 1128 . So lange die Gleichstellung von<br />
1124<br />
Ebenda. Die Wahlleiterin auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2005 in Dres<strong>de</strong>n war Monika Kienzle-<br />
Augspurger. Angela Braasch-Eggert übernahm diese Funktion auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2008<br />
in Köln und ebenfalls auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Außeror<strong>de</strong>ntlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Ol<strong>de</strong>nburg 2009.<br />
1125<br />
Vgl. ebenda.<br />
1126<br />
Ebenda.<br />
1127<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Heida Benecke am 21. 10. 2008.<br />
1128<br />
Das biologische Geschlecht wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaft mit <strong><strong>de</strong>m</strong> englischen Begriff „sex“<br />
bezeichnet. Der Begriff „gen<strong><strong>de</strong>r</strong>“ präzisiert diesen Umstand, <strong>de</strong>nn „gen<strong><strong>de</strong>r</strong>“ meint die Kategorie<br />
<strong>de</strong>s sozialen Geschlechts, die ein soziales, kulturelles und symbolisches Ordnungssystem<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft darstellt, das <strong>für</strong> eine Orientierung in dieser wichtig ist.<br />
„Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming" umfasst einen integrativen, gesamt-gesellschaftlichen Ansatz,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> nach fast drei Jahrzehnten Frauenbewegung über das Konzept <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>und<br />
Gleichstellungspolitik hinausgehen soll. Die Überlegungen zielen ausdrücklich auf<br />
ein übergreifen<strong>de</strong>s Rollenverständnis <strong>für</strong> bei<strong>de</strong> Geschlechter, also <strong>für</strong> Frauen und Män-
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 282<br />
Frauen und Männern nicht erreicht ist, bleibt Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung notwendig.<br />
Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming ersetzt nicht das Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist als Doppelstrategie zu verstehen. 1129 Ziel bleibt weiterhin die<br />
Gleichstellung von Männern und Frauen, die im DRV noch nicht erreicht ist.<br />
Für <strong>de</strong>n DRV sah die damalige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s AF, Linnemann-Gädke, die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage <strong>de</strong>s Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming auf einem guten Weg.<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> war es wichtig, dass in <strong>de</strong>n Gremien <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportvereine und -<br />
verbän<strong>de</strong> genügend Frauen mitarbeiten, <strong>de</strong>nn „nur Gremien mit ausreichend<br />
Frauen haben eine vollständige Sicht auf die Dinge (<strong>de</strong>s Lebens)“. 1130 Sie<br />
begrün<strong>de</strong>te dies damit, dass Frauen ihrer Meinung nach meistens offener<br />
und anpassungsfähiger seien <strong>für</strong> neue Situationen, da das Denken in Hierar-<br />
chien weniger ausgeprägt sei als bei Männern. 1131 Daher galt es weiterhin <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n DRV, Frauen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Sport und <strong>für</strong> Führungsaufgaben zu gewinnen.<br />
Linnemann-Gädke knüpfte an das vierte Frauen-Forum in Hannover die<br />
Hoffnung, dass<br />
„dieses Forum wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um zum <strong>Aus</strong>bau <strong>de</strong>s Netzwerkes <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband beigetragen hat und daher die Arbeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in <strong>de</strong>n Vereinen und Verbän<strong>de</strong>n weiter voranbringen<br />
wird“. 1132<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Treffen in Hannover wandte sich Benecke in einem Brief an <strong>de</strong>n<br />
damaligen DRV-Vorsitzen<strong>de</strong>n Griep, da „ein fa<strong><strong>de</strong>r</strong> Beigeschmack geblieben<br />
war“. 1133 Sie stellte die Frage, was sich eigentlich <strong>für</strong> Frauen im DRV verän-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat.<br />
„Die Antwort ist einfach: Im nächsten Jahr feiert <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV sein<br />
125jähriges Jubiläum ohne eine einzige Frau im Vorstand! Oh ja,<br />
es wur<strong>de</strong>n Versuche gemacht, Frauen in <strong>de</strong>n Vorstand zu holen.<br />
Woran sind sie gescheitert? Ist es unbequem mit Frauen im Vorstand?<br />
Man muss sich umstellen, ist nicht mehr unter sich? Si-<br />
ner. Nach einem Kabinettsbeschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung vom 23. Juni 1999 erkennt<br />
diese die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip an und<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>t dies als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Begriff „Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming."<br />
Vgl. M. CORDES, „Gleichstellungspolitiken: Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung zum<br />
Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming“, in: R. BECKER/B. KORTENDIEK (Hrsg.), Handbuch Frauen- und<br />
Geschlechterforschung. Theorie, Metho<strong>de</strong>n, Empirie, Wiesba<strong>de</strong>n 2004, S. 716-717.<br />
1129 Vgl. U. ENGELS, „Frauenherzen schlagen an<strong><strong>de</strong>r</strong>s“, in: DEUTSCHER RUDERVERBAND/AUS-<br />
SCHUSS FRAUENRUDERN, Sport tut Frauen gut – Frauen tun <strong><strong>de</strong>m</strong> Sport gut, S. 44.<br />
1130 Ebenda.<br />
1131 Vgl. D. LINNEMANN-GÄDKE, „Schlussworte“, in: DEUTSCHER RUDERVERBAND/AUSSCHUSS<br />
FRAUENRUDERN, Sport tut Frauen gut – Frauen tun <strong><strong>de</strong>m</strong> Sport gut, S. 49.<br />
1132 Ebenda.<br />
1133 H. BENECKE, Korrespon<strong>de</strong>nz an H. Griep am 24. 5. 2007, Privatbesitz Benecke.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 283<br />
cherlich bedarf es Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen nach fast 125 Jahren reiner<br />
Männerdomäne? Unmöglich?“ 1134<br />
Weiterhin führte Benecke die mangelhafte Kommunikation und Transparenz<br />
zwischen Vorstand und AF an. Als Beispiele führte sie zwei Frauen an, die<br />
sich im DRV ehrenamtlich engagiert hatten. Es han<strong>de</strong>lt sich um Cora Zillich,<br />
die das Amt <strong><strong>de</strong>r</strong> Pressesprecherin von 2003 bis 2005 innehatte. Das Ressort<br />
<strong>für</strong> Personalentwicklung wur<strong>de</strong> von Ute Arhold geleitet. Benecke bedauerte<br />
in diesem Zusammenhang sehr, dass bei<strong>de</strong> Frauen „sang- und klanglos wie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Versenkung verschwan<strong>de</strong>n. Interessanterweise wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> AF da-<br />
zu we<strong><strong>de</strong>r</strong> gehört noch gefragt“. 1135<br />
Griep nahm in einem Brief Stellung zu <strong>de</strong>n Vorwürfen. Er stellte klar, dass<br />
intensive Bemühungen stattgefun<strong>de</strong>n hätten, um das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im DRV<br />
zu stärken und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch um die personelle Präsenz zu verbes-<br />
ser: 1136<br />
„Ich habe seit <strong><strong>de</strong>m</strong> vorletzten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag mit Frau Zillich, mit Frau<br />
Arhold und auch schon vorher beginnend mit Frau Werremeier<br />
drei Ansatzpunkte gehabt, um tatsächlich eine entsprechen<strong>de</strong> Beteiligung<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstandsarbeit und auch an <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s darüber hinaus herbeizuführen. Zu<br />
meinem Leidwesen haben alle drei Damen nach mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger<br />
kurzer Zeit eine Mitwirkung aus zeitlichen und beruflichen<br />
Grün<strong>de</strong>n nicht gesehen.“ 1137<br />
Griep stimmte Benecke zu, dass es weitergehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Bemühungen bedürfe<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> AF eingebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müsse. Der Vorstand sei <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n kon-<br />
struktiven Personalvorschlag offen und dieses wür<strong>de</strong> auch weiterhin gel-<br />
ten. 1138<br />
Benecke wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um teilte in ihrem Antwortschreiben Grieps Bedauern, dass<br />
Cora Zillich, Ute Arhold und Stefani Werremeier nach kurzer Zeit ihre Mitar-<br />
beit been<strong>de</strong>t hätten. 1139 Sie warf in diesem Zusammenhang jedoch die Frage<br />
auf,<br />
„welche flankieren<strong>de</strong>n Maßnahmen von Ihnen o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch vom<br />
Vorstand getroffen wur<strong>de</strong>n, um die genannten Frauen zu unter-<br />
1134<br />
Ebenda.<br />
1135<br />
Ebenda.<br />
1136<br />
Vgl. H. GRIEP, Korrespon<strong>de</strong>nz an H. Benecke am 28. 6. 2007, Privatbesitz Benecke.<br />
1137<br />
Ebenda.<br />
1138<br />
Vgl. ebenda.<br />
1139<br />
Vgl. H. BENECKE, Korrespon<strong>de</strong>nz an H. Griep am 23. 7. 2007, Privatbesitz Benecke.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 284<br />
stützen und die Mitarbeit zur bei<strong><strong>de</strong>r</strong>seitigen Zufrie<strong>de</strong>nheit zu gestalten.<br />
Was wur<strong>de</strong> vorab mit <strong>de</strong>n Damen besprochen, was waren<br />
die gegenseitigen Erwartungen und stimmten diese überein? Wie<br />
wur<strong>de</strong>n Konflikte <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit innerhalb <strong>de</strong>s Vorstands<br />
gelöst?“ 1140<br />
Exemplarisch wird im Folgen<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall Cora Zillich dargestellt, <strong><strong>de</strong>r</strong> als cha-<br />
rakteristisch <strong>für</strong> die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit angesehen wer-<br />
<strong>de</strong>n kann. Zillich war von 2003 bis 2005 als ehrenamtliche Pressesprecherin<br />
<strong>de</strong>s DRV tätig.<br />
Werner Löwenstein stellte in seiner auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2005 in Dres<strong>de</strong>n ge-<br />
haltenen Re<strong>de</strong> klar, dass Zillich trotz fehlen<strong><strong>de</strong>r</strong> Rücken<strong>de</strong>ckung und Unter-<br />
stützung zwei Jahre lang ihre Arbeit „weitergemacht“ habe. Sie hat nicht nur<br />
Verbindungen aufgebaut, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich auch auf nationalen und internationa-<br />
len Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Ereignissen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Presse- und Medienarbeit <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Verband en-<br />
gagiert. 1141 Hinzu kamen Pressekonferenzen, die vor, bei und nach <strong>de</strong>n<br />
Wettkämpfen von ihr organisiert und abgehalten wur<strong>de</strong>n. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s erwäh-<br />
nenswert sind ihr Engagement <strong>für</strong> die Kampagne „Bewegung in Vielfalt“ so-<br />
wie die Neuentwicklung und Erweiterung <strong>de</strong>s Internetauftrittes. 1142<br />
Zillich wur<strong>de</strong> vorgeworfen, nicht teamfähig zu sein. Löwenstein trat diesen<br />
Anschuldigungen entschie<strong>de</strong>n entgegen und merkte an, dass offensichtlich<br />
einige „Machos“ nicht mit ihr zurechtkamen. 1143 Falls es das Amt <strong>de</strong>s Pres-<br />
sesprechers im DRV weiterhin geben wer<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> es höchstwahrscheinlich<br />
von einem Mann übernommen wer<strong>de</strong>n: „Dem wünsche ich schon heute viel<br />
Vergnügen“! 1144 Löwenstein kritisierte aber vor allem die Art und Weise, wie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verband mit Zillich umgegangen sei:<br />
„Ich habe nicht gehört, dass sich jemand darüber aufregt, wie<br />
‘man’ (und das ‘Mann’ darf hier ruhig groß und mit zwei ‘n’ geschrieben<br />
wer<strong>de</strong>n!) die Pressesprecherin Cora Zillich behan<strong>de</strong>lt<br />
hat.“ 1145<br />
Löwenstein stellte die Frage, was <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband <strong>de</strong>nn eigentlich mehr wolle,<br />
als<br />
1140 Ebenda.<br />
1141 Vgl. W. LÖWENSTEIN, „Re<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 57. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Dres<strong>de</strong>n“, Privatbesitz Hutmacher.<br />
1142 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Juliane Möcklinghoff am 3. 1. 2009.<br />
1143 Vgl. LÖWENSTEIN, „Re<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 57. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Dres<strong>de</strong>n“, Privatbesitz Hutmacher.<br />
1144 Ebenda.<br />
1145 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 285<br />
„eine junge, schon früh im Beruf erfolgreiche Frau mit sehr guter<br />
<strong>Aus</strong>bildung, die mehrere Sprachen spricht, über Kenntnisse mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner<br />
Kommunikation verfügt, sich ausdrücken kann, als ehemalige<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>in die Aktiven- und Trainerszene kennt und vor<br />
allem <strong>de</strong>n Mut hatte, in dieses kalte Wasser zu springen? [...]<br />
Aber <strong>für</strong> einige Männer war das einfach nicht zu ertragen!“ 1146<br />
Sie hat als ehemalige Athletin und leiten<strong>de</strong> Angestellte im Kommunikations-<br />
sektor viele Kontakte und Erfahrungen mit in das Ehrenamt gebracht. Das<br />
allerdings wur<strong>de</strong> vom Verband „wohl eher als stören<strong>de</strong> Bedrohung beste-<br />
hen<strong><strong>de</strong>r</strong> männlicher Machtstrukturen gesehen <strong>de</strong>nn als Chance“. 1147 Ihre Mo-<br />
tivation, sich <strong>für</strong> <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport zu engagieren und sich auch<br />
inhaltlich einzubringen, sorgte „eher <strong>für</strong> Irritationen, als dass es genutzt wur-<br />
<strong>de</strong>“. 1148 Erschwerend kam hinzu, dass die jeweiligen Rahmenbedingungen<br />
<strong>für</strong> ihren Aufgabenbereich nicht festgelegt waren. Dies traf auch auf Arhold<br />
zu. Ihre Versuche, die Aufgaben, Wünsche und Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen innerhalb <strong>de</strong>s<br />
Vorstan<strong>de</strong>s zu klären, blieben ohne Resonanz. Die Erwartungen an sie gin-<br />
gen über „nett aussehen und nette Gesellschaft sein nicht hinaus“. 1149 Zillich<br />
erwähnte außer<strong><strong>de</strong>m</strong> „die viel zitierten Männerseilschaften“, 1150 die sie am<br />
eigenen Leib erfahren hat.<br />
Das En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> ehrenamtlichen Mitarbeit von Zillich <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV beschrieb<br />
Löwenstein treffend: „Cora Zillich ist nicht abberufen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus ihren Amt<br />
weggemobbt (früher hätte man gesagt ‘hinausgeekelt’) wor<strong>de</strong>n.“ 1151 Zillich<br />
bestätigte diesen Eindruck und äußerte sich enttäuscht über ihre Erfahrun-<br />
gen:<br />
„Der Vorstand zu meiner Zeit war we<strong><strong>de</strong>r</strong> gewillt noch bereit zu einer<br />
konstruktiven und professionellen Zusammenarbeit. Ich habe<br />
in meiner ehrenamtlichen DRV-Zeit gelernt, dass es gar nicht um<br />
die Sache, das heißt um <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport an sich ging und ein inhaltliches<br />
Engagement damit gar nicht erwünscht war.“ 1152<br />
Sie führte weiterhin an, dass man ihren Weggang in einem beruflichen Kon-<br />
text durchaus als Mobbing bezeichnen könnte. Aber<br />
1146 Ebenda.<br />
1147 Ebenda.<br />
1148 Ebenda.<br />
1149 Ebenda.<br />
1150 Ebenda.<br />
1151 Ebenda.<br />
1152 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Cora Zillich am 20. 2. 2009.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 286<br />
„im Ehrenamt war diese Erfahrung vielleicht sogar noch schlimmer,<br />
da es ja eigentlich um ein freiwilliges Engagement ohne Entgelt<br />
etc. geht – und damit auch um viel Herzblut. Und lei<strong><strong>de</strong>r</strong> gab<br />
es zu dieser Zeit kein funktionieren<strong>de</strong>s Frauennetzwerk im Verband,<br />
um diesem etwas entgegensetzen zu können. Auch von einer<br />
angeblichen Präsi<strong>de</strong>ntenunterstützung war nichts zu<br />
spüren.“ 1153<br />
Für Benecke war die Stimmung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Vorstandssitzung vom Mai<br />
2007 in Bezug auf die Gewinnung von Frauen <strong>für</strong> die Mitarbeit im Verband<br />
charakteristisch <strong>für</strong> die vergangenen Jahre, nämlich „verschieben und verta-<br />
gen, statt aufgreifen und voranbringen“. 1154 Sie nahm das Jubiläumsjahr<br />
2008 zum Anlass, die Gleichberechtigung im Vorstand voranzutreiben. Ihrer<br />
Meinung nach war es müßig, „im Grundgesetz die weibliche Form neben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
männlichen einzuführen, wenn dies die einzige Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung bleibt“. 1155 Da-<br />
mit ist man nach Benecke von wirklicher Gleichberechtigung immer „noch<br />
Lichtjahre entfernt, aber es wäre ein Anfang“. 1156 Benecke zitierte Kreiß, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
in Hannover die Situation im DRV darstellte: „Gleichberechtigung ist erreicht,<br />
wenn auch unfähige Frauen im Vorstand sitzen.“ 1157<br />
Im Oktober 2007 kam es auf Einladung von Griep zu einem Gespräch zwi-<br />
schen <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s DRV und <strong><strong>de</strong>m</strong> AF in Hannover. 1158 Sein Anlie-<br />
gen war es, die Zielsetzung und Wünsche sowie die Zukunftsvorstellungen<br />
<strong>de</strong>s AF zu erfahren. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sollte eruiert wer<strong>de</strong>n, warum keine Frauen<br />
bereit seien, im Verband beziehungsweise im Vorstand mitzuarbeiten. 1159<br />
Der AF wies daraufhin auf die gesellschaftspolitische Aufgabe hin, Frauen<br />
1153<br />
Ebenda.<br />
1154<br />
H. BENECKE an H. Griep am 23. 7. 2007, Privatbesitz Benecke.<br />
1155<br />
H. BENECKE an H. Griep am 24. 5. 2007, Privatbesitz Benecke. An dieser Stelle erscheint<br />
es interessant, die sprachliche Regelung bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerposition zu betrachten.<br />
Der DRV nahm keine Rücksicht auf das Geschlecht. In <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schreibungen<br />
wur<strong>de</strong> bis 1978 auch in Frauenrennen die Bezeichnung Steuermann (Stm.) verwen<strong>de</strong>t.<br />
Die FISA schrieb allerdings Rennen „avec barreuse“, mit Steuerfrau, aus. Ab 1978<br />
schloss sich <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV <strong><strong>de</strong>r</strong> internationalen Sprachregelung an und verwen<strong>de</strong>te bis 1991<br />
die Bezeichnung Steuerfrau (Stf.). Danach entfallen alle geschlechtsspezifischen Bezeichnungen.<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft ist die Wahl <strong>de</strong>s Geschlechts freigestellt. Die Bezeichnung<br />
in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>schreibungen und Programmheften lautet <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend nur noch<br />
Steuer (St.). Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 124.<br />
1156<br />
Ebenda.<br />
1157<br />
Ebenda.<br />
1158<br />
An <strong><strong>de</strong>m</strong> Gespräch nahmen teil: Helmut Griep, Hans-Jürgen Bittner, Lisa Börms, Dagmar<br />
Linnemann-Gädke und als Gast Heida Benecke. Vgl. [ohne Verfasser], „Zusammenfassung<br />
<strong>de</strong>s Gesprächs zwischen <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s,<br />
Herrn Helmut Griep, und <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n am 23. Oktober 2007 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschäftsstelle“,<br />
Privatbesitz Benecke.<br />
1159<br />
Vgl. ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 287<br />
fortzubil<strong>de</strong>n und zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, um diese in die Lage zu versetzen und zu ermu-<br />
tigen, Aufgaben in Vereinen und Verbän<strong>de</strong>n zu übernehmen. Vor allem aber<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die Vertreterinnen <strong>de</strong>s AF<br />
„nicht nur eine direkte enge formale Anbindung an <strong>de</strong>n DRV-<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>n wie bisher, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber hinaus einen intensiven<br />
Informationsfluss über die Beratungsthemen <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s. Um<br />
die genannte Zielsetzung zu erreichen, wird <strong><strong>de</strong>r</strong> AF in Personalentwicklungsfragen<br />
direkt einbezogen und an <strong><strong>de</strong>r</strong>en Lösung mitwirken.“<br />
1160<br />
Der AF kritisierte außer<strong><strong>de</strong>m</strong> die Tatsache, dass das DRV-Grundgesetz im-<br />
mer noch nicht an die Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>de</strong>s Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming angepasst<br />
wur<strong>de</strong>. Bereits im Oktober 2007 war vereinbart wor<strong>de</strong>n, dass bei einer Sat-<br />
zungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong> Satz aufgenommen wer<strong>de</strong>n<br />
sollte: „Im Folgen<strong>de</strong>n sind bei Nennung <strong><strong>de</strong>r</strong> männlichen Form, Männer und<br />
Frauen gleichermaßen gemeint.“ 1161 Die im Oktober 2008 gültige Fassung<br />
<strong>de</strong>s DRV-Grundgesetzes bedient sich immer noch nur <strong><strong>de</strong>r</strong> maskulinen<br />
Form. 1162 Allerdings fin<strong>de</strong>t sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> dritten Fassung <strong>de</strong>s Satzungsentwurfes<br />
vom 22. 8. 2008 die gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te Formulierung, die vom Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2009 1163<br />
verabschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>:<br />
„Soweit in diesem Grundgesetz die männliche Bezeichnung eines<br />
Amtes, einer Organ- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gremienfunktion gebraucht wird, sind<br />
Männer und Frauen in gleicher Weise gemeint.“ 1164<br />
Griep versprach ebenfalls Unterstützung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anpassung <strong>de</strong>s Frauenför-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>plans an die Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>de</strong>s Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming. Der 1997 überar-<br />
beitete und vom Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag verabschie<strong>de</strong>te Entwurf 1165 unterschei<strong>de</strong>t sich vom<br />
ersten Konzept laut Frischmuth nur durch zwei verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Satzstellun-<br />
gen. 1166 Diese Fassung besitzt zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer noch<br />
1160<br />
Ebenda.<br />
1161<br />
Ebenda.<br />
1162<br />
Die angesprochene Version bezieht sich auf das DRV-Grundgesetz <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages in<br />
Köln vom 15. 3. 2008. Vgl. [ohne Verfasser], „Grundgesetze <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s<br />
(Stand: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 15. 3. 2008; Köln)“, in: http://www.ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<strong>de</strong>/uploads/me<br />
dia/DRV_Grundgesetz_2008_01.doc, Zugriff am 28. 10. 2008.<br />
1163<br />
Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Grundgesetz (Satzung) <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s<br />
e. V., [o.O.] 2009, S. 3.<br />
1164<br />
[ohne Verfasser], „ – Entwurf <strong>für</strong> Neufassung – Satzung Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband e. V.,<br />
3. Fassung vom 22. 8. 2008“, in: http://www.ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<strong>de</strong>/uploads/media/Satzung_3.<br />
02_RK_01.doc, Zugriff am 28. 10. 2008.<br />
1165<br />
Vgl. G. FRISCHMUTH, „Es fehlt vor allem Zeit“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 115(1997)3, S. 68.<br />
1166<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Gertrau<strong>de</strong> Frischmuth am 24. 10. 2008.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 288<br />
Gültigkeit und ist seit 1997 nicht mehr überarbeitet wor<strong>de</strong>n. 1167 Darüber hin-<br />
aus ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan bis Oktober 2008 nicht in das Grundgesetz <strong>de</strong>s<br />
DRV integriert. Die Verantwortlichen <strong>de</strong>s AF haben <strong>de</strong>n DRV auf diesen Um-<br />
stand hingewiesen und die Aufnahme zum nächst möglichen Zeitpunkt an-<br />
gemahnt. 1168<br />
Einig waren sich alle Teilnehmer dieses Gesprächs darüber, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV<br />
unterstreichen sollte, dass<br />
„Frauen als wichtige Mitarbeiterinnen in Gremien betrachtet wer<strong>de</strong>n<br />
und dass durch geeignete Maßnahmen die Mitarbeit (nicht<br />
nur <strong>für</strong> Frauen) in Gremien und im Vorstand an Attraktivität gewinnt,<br />
z. B. Definieren von Projekten und Zielen, strukturellen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Nutzung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Arbeitsmetho<strong>de</strong>n. Die Frauen<br />
sollten sich auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag <strong>für</strong> dieses Anliegen stark machen“.<br />
1169<br />
Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2008 in Köln übernahm Heida Benecke <strong>de</strong>n AF-Vorsitz<br />
von Dagmar Linnemann-Gädke. Der Vorstand <strong>de</strong>s DRV bestätigte am 7. Juni<br />
2008 <strong>de</strong>n gesamten <strong>Aus</strong>schuss. Der amtieren<strong>de</strong> DRV-Präsi<strong>de</strong>nt, Siegfried<br />
Kai<strong>de</strong>l, sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamte Vorstand bestätigten die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Frauen<br />
im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport als eine vordringliche Aufgabe. 1170 Vor allem aber, so die Mei-<br />
nung, müssten Frauen <strong>für</strong> die Vorstandsarbeit gewonnen wer<strong>de</strong>n. Einer Tra-<br />
dition folgend wur<strong>de</strong> beschlossen, <strong>de</strong>n AF direkt beim Vorsitzen<strong>de</strong>n<br />
anzubin<strong>de</strong>n. 1171<br />
Seit <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Köln sind nach langer Zeit wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zwei Frauen im Vor-<br />
stand <strong>de</strong>s DRV vertreten. Kerstin Förster ist verantwortlich <strong>für</strong> die Sparte<br />
Marketing und Verbandsentwicklung, Claudia Haßmann ist die Ressortvor-<br />
sitzen<strong>de</strong> im Bereich Vereinsservice. Benecke begrüßte diese Entwicklung<br />
und gab <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung <strong>Aus</strong>druck, dass die Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> im Oktober 2007<br />
skizzierten Planungsvorhaben in guter Zusammenarbeit zwischen <strong><strong>de</strong>m</strong> AF<br />
und DRV realisiert wer<strong>de</strong>n könne:<br />
„Die Besetzung von zwei Vorstandsressorts mit Frauen einerseits<br />
und die intensivierte Arbeit <strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>schusses Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an<strong>de</strong>-<br />
1167 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Heida Benecke am 21. 10. 2008.<br />
1168 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Lisa Börms am 28. 10. 2008.<br />
1169 [ohne Verfasser], „Zusammenfassung <strong>de</strong>s Gesprächs zwischen <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
<strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Herrn Helmut Griep, und <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n am<br />
23. Oktober 2007 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschäftsstelle“, Privatbesitz Benecke.<br />
1170 H. BENECKE, Korrespon<strong>de</strong>nz an S. Kai<strong>de</strong>l am 27. 5. 2008, Privatbesitz Benecke.<br />
1171 Vgl. S. KAIDEL, Korrespon<strong>de</strong>nz an H. Benecke am 13. 6. 2008, Privatbesitz Benecke.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 289<br />
rerseits sind gute Voraussetzungen da<strong>für</strong>, unseren Sport auch und<br />
gera<strong>de</strong> im Hinblick auf vermehrte Übernahme von Funktionsstellen<br />
durch Frauen in Vereinen und Verbän<strong>de</strong>n, weiter voran zu<br />
bringen.“ 1172<br />
Förster beurteilt ihre Position nach einem halben Jahr im Amt folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>ma-<br />
ßen: „Die Jungs lassen mich im Sandkasten mitspielen und bewerfen mich<br />
nicht mit Sand“. 1173 Sie erachtet es als wichtig, weibliche Kommunikation zu<br />
nutzen und vor allem „Leistung zu entwickeln, und da<strong>für</strong> sind Frauen einfach<br />
geeigneter.“ 1174 Ein Vorstand kann laut Förster nur funktionieren,<br />
„wenn man locker bleibt und sich eine gewisse Distanz bewahrt.<br />
Man muss in Schwung bleiben und man spielt nicht bei <strong>de</strong>n Großen<br />
mit, wenn sich diese Distanz verkeilt. Das ist wie beim Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Wenn da mal eine Welle quer kommt, dann rutscht man<br />
einfach drüber mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Boot, aber nur wenn man locker ist. Ich bin<br />
hier angetreten, um die Jungs zu bespaßen“. 1175<br />
Claudia Haßmann teilt Försters Meinung: „Das stimmt. Wir wer<strong>de</strong>n nicht mit<br />
Sand beworfen. Ich musste auch erstmal mein Ressort abstecken“. 1176 Die<br />
Sparte „Vereinsservice“ existierte zwar schon länger, allerdings nicht als ei-<br />
genständiges Ressort. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einem<br />
„großen Entwicklungspotential, sowohl fachlich als auch persönlich“. 1177 Viele<br />
Vorgänge im Vorstand seien klar geregelt. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite sei sie im-<br />
mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> überrascht, dass es <strong>für</strong> allgemeine organisatorische Fragen kei-<br />
ne ein<strong>de</strong>utigen personellen Verantwortlichkeiten gebe. Sie erwähnte<br />
beispielsweise ein fehlen<strong>de</strong>s Organigramm, das eine ein<strong>de</strong>utige Zuständig-<br />
keit auf allen Ebenen erleichtern wür<strong>de</strong>. Der Beginn ihrer Vorstandstätigkeit<br />
wur<strong>de</strong> von ihr positiv beurteilt. Haßmann fühlt sich von <strong>de</strong>n Männern im Vor-<br />
stand akzeptiert: „als Frau als auch in meiner Arbeit im Vereinsservice“. 1178<br />
Dennoch ist sie sich <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Position bewusst:<br />
1172<br />
Ebenda.<br />
1173<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Kerstin Förster am 29. 10. 2008.<br />
1174<br />
Ebenda.<br />
1175<br />
Ebenda.<br />
1176<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Claudia Haßmann am 1. 11. 2008.<br />
1177 Ebenda.<br />
1178 Ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 290<br />
„Es ist gut, dass mit Kerstin Förster noch eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Frau im<br />
Vorstand ist. Wir arbeiten gut zusammen. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> verhalten<br />
sich die Männer ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>s, wenn zwei Frauen dabei sind.“ 1179<br />
Im Sommer 2008 wur<strong>de</strong> von Haßmann eine erste Umfrage zur Situation <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vereine initiiert. Perspektivisch möchte sie das Ressort Vereinsservice von<br />
unten aufbauen und ihre Maßnahmen und Ziele auf <strong><strong>de</strong>m</strong> außerplanmäßigen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag im März 2009 vorstellen. 1180 Bislang seien alle For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen vom<br />
„Vorstand mitgetragen wor<strong>de</strong>n“. 1181 Sie merkte an, dass sie dieses Amt zu-<br />
nächst <strong>für</strong> zwei Jahre beklei<strong>de</strong>n möchte, „um dann zu gucken, wie sich das<br />
alles zusammenbringen lässt“. 1182 Förster allerdings geht von einer Amtszeit<br />
von vier Jahren aus, „die wir da durchhalten müssen, um Erfolge zu erzie-<br />
len“. 1183<br />
Bezug nehmend auf die dargestellten Beispiele muss an dieser Stelle fest-<br />
gehalten wer<strong>de</strong>n, dass viele Frauen versucht haben, die bestehen<strong>de</strong>n Struk-<br />
turen aufzubrechen. Einige sind gescheitert, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e haben aufgegeben.<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um an<strong><strong>de</strong>r</strong>e sind immer noch aktiv und setzen sich <strong>für</strong> sportliche Be-<br />
lange ein, die geschlechtsspezifische Fragestellungen nicht tangieren. Ihnen<br />
allen ging und geht es um <strong>de</strong>n Verband und primär um <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport.<br />
Hierzu äußerte sich Löwenstein auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2005 in Dres<strong>de</strong>n:<br />
„Bewusst nicht alphabetisch und natürlich ohne Anspruch auf<br />
Vollständigkeit nenne ich nur ein paar Namen: Heike Ro<strong>de</strong>nburg,<br />
Angela Braasch-Eggert, Ingrid Dieterle, Lisa Börms, Judith Berger,<br />
Gertrau<strong>de</strong> Frischmuth, Monica Neupert, Christel Lutter, Hei<strong>de</strong><br />
Blum, Bothil<strong>de</strong> Meyer-Richtering, Ingeborg Medaris, Ellen Becker,<br />
Inge Har<strong><strong>de</strong>r</strong>, Lisa Drube, Frie<strong>de</strong>l Krüger, Hannelore Korgitzsch,<br />
Linda Lohfink, Gaby Hecht, Monika Kienzle-Augspurger, Ingrid<br />
Paprocki, Jutta Lau.<br />
All’ ihr Frauen, die Ihr Euch in diesem <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
durchgesetzt und die Ihr <strong>für</strong> unseren Sport so großartige Arbeit<br />
geleistet habt und es ja zum Teil noch tut: Ihr habt lei<strong><strong>de</strong>r</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mal eine kleine Schlacht verloren!“ 1184<br />
Zillich ergänzte:<br />
1179 Ebenda.<br />
1180 Vgl. ebenda.<br />
1181 Ebenda.<br />
1182 Ebenda.<br />
1183 Ebenda.<br />
1184 LÖWENSTEIN, „Re<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 57. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Dres<strong>de</strong>n“, Privatbesitz Hutmacher. Löwenstein<br />
bezieht sich hier auf die Abberufung Cora Zillichs als Pressesprecherin.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 291<br />
„Meine DRV-Zeit war eine wirklich enttäuschen<strong>de</strong> Erfahrung. Und<br />
sicher keine Motivation <strong>für</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e junge Frauen und Männer, sich<br />
im Ehrenamt zu engagieren. Hier wur<strong>de</strong> in einer Art und Weise mit<br />
beruflich etablierten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kameradinnen, die bereit waren sich<br />
zeitlich und inhaltlich zu engagieren, umgegangen, die <strong>de</strong>n ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kameradschaftlichen<br />
Werten – und die sollten geschlechterunspezifisch<br />
sein – meiner Ansicht nach so gar nicht entsprachen.“ 1185<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionalkonferenz Nord im Oktober 2008 wur<strong>de</strong> von Benecke erneut<br />
die fehlen<strong>de</strong> Anpassung <strong>de</strong>s DRV-Grundgesetzes an die Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Main-<br />
streaming-Bestimmungen thematisiert. Sie schlug vor, die entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Passagen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung <strong>de</strong>s DOSB zu entnehmen. Eine Teilnehmerin <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Konferenz sah keine Notwendigkeit hierin und sagte: „Es läge nicht an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
fehlen<strong>de</strong>n Gleichberechtigung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n daran, dass die Frauen nicht wol-<br />
len“. 1186 Benecke konstatierte, dass diese Einstellung charakteristisch sei <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitigen Stand <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit <strong>de</strong>s AF.<br />
Dennoch stellte Benecke auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> Neufassung <strong><strong>de</strong>r</strong> vierten Fassung<br />
zum DRV-Grundgesetz im Namen <strong>de</strong>s Domschulru<strong><strong>de</strong>r</strong>clubs Schleswig <strong>de</strong>n<br />
folgen<strong>de</strong>n Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsantrag an <strong>de</strong>n 59. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag im März 2009 in Ol<strong>de</strong>n-<br />
burg:<br />
„Präambel, Absatz, Satz 3 (... gleiche Teilhabe von Frauen und<br />
Männern im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport...) wird durch folgen<strong>de</strong> Fassung ersetzt:<br />
Der DRV för<strong><strong>de</strong>r</strong>t die tatsächliche Durchsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichstellung<br />
von Frauen und Männern. Er wirkt mit gezielter Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
auf die Beseitigung bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Nachteile hin und verpflichtet<br />
sich, bei allen Maßnahmen und auf allen Ebenen die Strategie <strong>de</strong>s<br />
Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreamings anzuwen<strong>de</strong>n, um Chancengleichheit im<br />
Sport zu sichern.“ 1187<br />
Die Formulierungen sind gleich lautend mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Artikeln in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung <strong>de</strong>s DOSB. Sie geben ebenfalls das Ergebnis <strong>de</strong>s vierten Frau-<br />
en-Forums wie<strong><strong>de</strong>r</strong>. 1188 Sie begrün<strong>de</strong>te <strong>de</strong>n Antrag damit, dass trotz vielfälti-<br />
ger Anstrengungen und eines gestiegenen Anteils an weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Frauen im DRV immer noch unterrepräsentiert sind:<br />
1185 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Cora Zillich am 20. 2. 2009.<br />
1186 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Heida Benecke am 28. 10. 2008.<br />
1187 Ebenda. In <strong><strong>de</strong>r</strong> gültigen Fassung vom 14. 3. 2009 lautet diese Formulierung: „Er för<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
die Möglichkeit zur gleichen Teilhabe von Frauen und Männern im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“. Vgl.<br />
DEUTSCHER RUDERVERBAND, Grundgesetz (Satzung) <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s e.<br />
V, S. 3.<br />
1188 Vgl. ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 292<br />
„Frauen bil<strong>de</strong>n unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t ein noch nicht vollständig erschlossenes<br />
Potential an Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Mitarbeitern in <strong>de</strong>n Gremien von<br />
Vereinen und Verbän<strong>de</strong>n.“ 1189<br />
Festgehalten wer<strong>de</strong>n muss, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Antrag auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 59. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag von <strong>de</strong>n<br />
Delegierten abgelehnt wur<strong>de</strong>. Dabei scheiterte das Vorhaben nicht an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Unterstützung <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer. Innerhalb <strong>de</strong>s AF bestand kein Konsens, so dass<br />
die Unterstützung aus <strong>de</strong>n eigenen Reihen fehlte. 1190 Damit trat ein Zustand<br />
ein, <strong>de</strong>n Benecke in ihrer Antragsbegründung vermei<strong>de</strong>n wollte:<br />
„Die jetzt anstehen<strong>de</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Grundgesetzes wäre ohne<br />
die konkrete Erwähnung – nicht nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch in <strong>de</strong>n Zwecken <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s – unvollständig und rückschrittlich.“<br />
1191<br />
Schwerpunktmäßig beschäftigte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> AF mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation <strong>de</strong>s fünften<br />
Frauen-Forums, das im November 2009 in Hamburg stattfand. Diese Veran-<br />
staltung stand unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Motto „Frauen gewinnen“. Die Anmel<strong>de</strong>zahlen wa-<br />
ren <strong>de</strong>utlich geringer als in <strong>de</strong>n vorherigen Jahren, <strong>de</strong>nnoch war die<br />
Veranstaltung ein Erfolg.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> 125-jährigen Verbandsgeschichte waren nie mehr als zwei Posten<br />
zeitgleich mit Frauen besetzt. In <strong>de</strong>n meisten Jahren waren gar keine Frauen<br />
im Vorstand vertreten. Die Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> sind vielschichtig. Die Frauen hat-<br />
ten es nicht leicht, bestehen<strong>de</strong> Vorurteile zu bekämpfen und Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse zu<br />
überwin<strong>de</strong>n. Die interne Organisationsstruktur <strong>de</strong>s DRV und das Festhalten<br />
an alten Traditionen können weitere Grün<strong>de</strong> gewesen sein. Eine Gesprächs-<br />
partnerin merkte hierzu an,<br />
„dass frühere Vorstän<strong>de</strong> sich ehrlich bemüht hätten um die Frauen.<br />
Heute steppt da nur noch das Mittelmaß und im Vorstand sitzen<br />
Herren ohne Colör. Früher waren das noch richtige<br />
Gentlemen, die wussten, wie man mit Frauen umgeht.“ 1192<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite muss auch auf die mangeln<strong>de</strong> Bereitschaft von Frau-<br />
en hingewiesen wer<strong>de</strong>n, ein Ehrenamt zu übernehmen. In diesem Zusam-<br />
menhang sollte allerdings beachtet wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückgang im<br />
ehrenamtlichen Engagement kein frauenspezifisches, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein gesamt-<br />
1189 Ebenda.<br />
1190 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Heida Benecke am 7. 4. 2009.<br />
1191 H. BENECKE, „Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsanträge zum Tagesordnungspunkt 3.1.1 <strong>de</strong>s 59. – außeror<strong>de</strong>ntlichen<br />
– <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages“, Privatbesitz Hutmacher.<br />
1192 Persönliche Äußerung Rita Hen<strong>de</strong>s am 24. 10. 2008.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 293<br />
gesellschaftliches Problem darstellt. Diese Entwicklung betrifft auch die Ar-<br />
beit <strong>de</strong>s DRV.<br />
Dennoch: im Jubiläumsjahr <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s sind zwei Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Vor-<br />
stand vertreten. Die Beantwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage, ob diese Frauen auf <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 2008 aus wahlkampftaktischen Grün<strong>de</strong>n in ihre Ämter gewählt<br />
wur<strong>de</strong>n, bleibt je<strong><strong>de</strong>m</strong> selbst überlassen. Die Zeit <strong>für</strong> eine Frau als Schlag-<br />
mann ist je<strong>de</strong>nfalls noch nicht gekommen.<br />
6.2 Mitarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verband<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR wur<strong>de</strong>n Lebenschancen zwar qua Geschlecht zugewiesen,<br />
gleichzeitig aber „die Relevanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechterdifferenz und das Vorhan-<br />
<strong>de</strong>nsein von Diskriminierungen geleugnet“. 1193 Bedingt durch die hohe An-<br />
zahl berufstätiger Frauen konnte eine vermeintliche Gleichberechtigung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geschlechter erreicht wer<strong>de</strong>n, die sich auch im Sport zeigte: Bei<strong>de</strong> Ge-<br />
schlechter in <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt <strong>de</strong>s Sports hätten die gleichen Chancen gehabt. 1194<br />
Allerdings hat eine Analyse <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen <strong>Institut</strong>ionen und Organisatio-<br />
nen <strong>de</strong>s Sports und ihrer Entscheidungsgremien ein<strong>de</strong>utig gezeigt, dass<br />
auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR „Frauen in <strong>de</strong>n Führungspositionen <strong>de</strong>s Sports nicht ange-<br />
messen vertreten waren“. 1195<br />
Der DTSB wur<strong>de</strong> nur von Männern geführt. Dies trifft auch auf das Amt <strong>de</strong>s<br />
Vizepräsi<strong>de</strong>nten zu. 1196<br />
Ein ähnliches Bild ergibt sich auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Fachverbän<strong>de</strong>. Von 1958 bis<br />
1990 beklei<strong>de</strong>te keine Frau in <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n 43 Fachverbän<strong>de</strong>n das<br />
höchste Amt. 1197 Eine repräsentative Befragung von Sportvereinsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
in <strong>de</strong>n 90er Jahren bestätigte, dass Frauen in Führungspositionen <strong><strong>de</strong>r</strong> ost-<br />
<strong>de</strong>utschen Sportvereine unterrepräsentiert waren:<br />
„Da die Funktionsträger in Vereinen, die sich häufig aus Betriebssportgemeinschaften<br />
entwickelten, in ihrer Mehrheit bereits vor<br />
1989 ehrenamtlich aktiv gewesen sind, kann von einer Kontinuität<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinsführung und auch von <strong><strong>de</strong>r</strong> Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer in<br />
1193<br />
PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 81.<br />
1194<br />
Vgl. ebenda.<br />
1195<br />
Ebenda.<br />
1196<br />
Vgl. ebenda. Pfister führt an, dass von 1988 bis 1989 eine Frau diesen Posten inne hatte,<br />
was allerdings nicht bestätigt wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
1197<br />
Vgl. ebenda.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 294<br />
<strong>de</strong>n Entscheidungsgremien <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportgemeinschaften zur DDR-<br />
Zeit ausgegangen wer<strong>de</strong>n.“ 1198<br />
Für <strong>de</strong>n Vorstand <strong>de</strong>s DRSV lassen sich aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Quellenlage<br />
nur bedingt <strong>Aus</strong>sagen treffen. So waren beispielsweise 1961 von <strong>de</strong>n 17<br />
Präsidiumsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n drei weiblich, was einer Quote von 18% entsprach. 1199<br />
Die Zusammensetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsidien <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s DTSB 1978<br />
ergab <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRSV eine ähnliche Verteilung: vier Frauen stan<strong>de</strong>n 21 Män-<br />
nern gegenüber. Die Frauenquote lag in diesem Jahr bei 16%. 1200<br />
Theodor Körner fasste die Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in einem Gespräch<br />
zusammen: „Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen waren in allen Bereichen <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports<br />
gleichberechtigt. Wir hatten keine „Extra-Kommissionen“ <strong>für</strong> Frauen.“ 1201<br />
Die Frauen beklei<strong>de</strong>ten im DRSV verschie<strong>de</strong>ne Ämter, ohne dass es eine<br />
da<strong>für</strong> geschaffene Quotenregelung gab. So war beispielsweise Anita Ismireff<br />
lange Zeit die Vorsitzen<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regattakommission. Helga Hummel arbeitete<br />
in <strong>de</strong>n 70er Jahren ein Jahr lang als Generalsekretärin <strong>für</strong> das Präsidium. 1202<br />
Inge Schebitz arbeitete lange als ehrenamtliche Schatzmeisterin <strong>de</strong>s<br />
DRSV. 1203 Nach Körner hatten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nicht nur im Sport die glei-<br />
chen Rechte hatten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit. Gemäß <strong><strong>de</strong>m</strong> sozia-<br />
listischen Gleichstellungsprinzip habe <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz gegolten: „Wenn eine<br />
mitarbeiten wollte, dann konnte sie das auch“. 1204 Offensichtlich machten<br />
wenige davon Gebrauch. Die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, die sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit<br />
engagierte, war sehr gering im Vergleich zu <strong>de</strong>n theoretischen Möglichkeiten.<br />
Auch wenn das „Machtungsgleichgewicht“ laut Pfister zwischen <strong>de</strong>n Ge-<br />
schlechtern in Gesellschaft und Sport kein DDR-spezifisches Problem war,<br />
bleiben Zweifel:<br />
„Allerdings muss man sich doch fragen, wie es bei einer Gesellschaft,<br />
die die Gleichberechtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechter auf ihre Fahnen<br />
geschrieben hatte, zu einer <strong><strong>de</strong>r</strong>art krassen Diskrepanz<br />
zwischen Anspruch und Wirklichkeit kommen konnte“. 1205<br />
1198<br />
Ebenda.<br />
1199<br />
Vgl. ebenda, S. 285.<br />
1200<br />
Vgl. ebenda, S. 288.<br />
1201<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Theodor Körner am 7. 4. 2009.<br />
1202<br />
Vgl. ebenda.<br />
1203<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Dieter Altenburg am 1. 8. 2009.<br />
1204 Ebenda.<br />
1205 Ebenda, S. 87.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 295<br />
6.3 Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen in bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n<br />
1963 waren insgesamt 66.065 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er im DRV organisiert, im DRSV 9.520.<br />
Vergleicht man die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> im Verhältnis zur da-<br />
maligen Bevölkerungszahl, „so fällt das Ergebnis mit 0,12% <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV ge-<br />
genüber <strong><strong>de</strong>m</strong> DRSV mit 0,05% recht ein<strong>de</strong>utig aus“. 1206 Diese Statistik wird<br />
durch die Gegenüberstellung von weiblichen und männlichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
verstärkt. 1963 waren 1.945 Frauen und 825 weibliche Jugendliche im DRSV<br />
registriert. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten in jenem Jahr 8.733 Frauen und<br />
1.989 weibliche Jugendliche. 1207<br />
Über <strong>de</strong>n Zeitraum von 1949 bis 1963 verhielt sich die Entwicklungsten<strong>de</strong>nz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>stärke <strong>de</strong>s DRV positiv. Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg<br />
verstand es <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV, Menschen <strong>für</strong> diesen Sport zu begeistern. Der Wunsch<br />
nach Naturerleben und Gemeinschaft sprach viele Breitensportler an.<br />
Die Entwicklungsten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>s DRSV war hingegen negativ. Von 1951 bis<br />
1956 stieg die Anzahl von 10.800 auf 11.400 noch an. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n sie-<br />
ben Jahren sank sie auf 9.500 ab. 1208 Durchschnittlich kann von 6.300 bis<br />
6.900 Erwachsenen ausgegangen wer<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n gesamten Zeitraum von<br />
1949 bis 1990 verfügte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV über 10.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wird auf 1.900 bis 2.200 geschätzt. 1209 Ein möglicher Grund lag<br />
darin, dass Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bis 1976 nicht zu <strong>de</strong>n olympischen Sportarten zähl-<br />
te und <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR nicht geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
anfänglich geringen olympischen Bootsklassen war auch in <strong>de</strong>n 80er Jahren<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR gering. Nicht zuletzt kämpften gera-<br />
<strong>de</strong> Breitensportler im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialknappheit.<br />
Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik im DRV ist gut dokumentiert. Die folgen<strong>de</strong> Abbildung<br />
zeigt die Entwicklung über <strong>de</strong>n Zeitraum von 1949 bis 2008. Ab 1992 wur<strong>de</strong>n<br />
die DRSV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er mitgerechnet.<br />
1206 SAPMO-BARCH, DY 12/2962‚ Fiche 1, Bl. 46.<br />
1207 An dieser Stelle variieren die Quellenangaben. Der DRV gibt die oben genannten Zahlen<br />
an, wohingegen <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV 8.030 Frauen und 2.059 weibliche Jugendliche <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV<br />
nennt. Diese Zahlen sind im Rahmen einer Ist-Analyse vom ost<strong>de</strong>utschen Verband geschätzt<br />
wor<strong>de</strong>n. Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/2962‚ Fiche 1, Bl. 46. Ferner vgl. DEUT-<br />
SCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik, Privatbesitz Hutmacher.<br />
1208 Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/2962‚ Fiche 1, Bl. 48.<br />
1209 Eine präzisere <strong>Aus</strong>sage zur Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im DRSV ist aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> mangelhaften<br />
Quellenlage nicht möglich. Die Schätzung basiert auf <strong>de</strong>n DRV-Angaben nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung.<br />
Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik, Privatbesitz Hutmacher.
Frauen als „Schlagmänner“? Mitarbeit im Verband 296<br />
Abb. 5: Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>entwicklung im DRV ab 1949<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen wird <strong>de</strong>utlich, dass die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen konstant gestiegen ist. 1949 konnten 7.398 Frauen, Mädchen<br />
und weibliche Jugendliche verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Dies entsprach einem Frau-<br />
enanteil von 18.89%. 2008 war diese Gruppe mit 25.431 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n im DRV<br />
vertreten. Der Frauenanteil lag in jenem Jahr bei 32.085%. Die Steigerung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenquote betrug seit 1949 29,09%. 1210<br />
Seit 1996 sind keine größeren Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
festzustellen. Insgesamt liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil seit<strong><strong>de</strong>m</strong> bei circa 31%. Die Anzahl<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen und weiblichen Jugendlichen ist seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung mit<br />
durchschnittlich 5.000 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ebenfalls konstant.<br />
Zusammenfassend darf konstatiert wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil an Frauen im<br />
DRV zufrie<strong>de</strong>n stellend ist. Die Zahlen unterliegen keinen größeren Schwan-<br />
kungen. Im Gegenteil, die Ten<strong>de</strong>nz ist eher leicht steigend. Dies könnte da-<br />
mit zusammenhängen, dass immer mehr Firmen das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Rahmen<br />
ihres Betriebssports anbieten. Auf diese Weise haben auch Menschen, die<br />
nicht <strong>de</strong>n klassischen Einstieg über das Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n<br />
Vereinssport gefun<strong>de</strong>n haben, die Möglichkeit, <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport kennen zu<br />
lernen: „Sport tut Frauen gut – Frauen tun <strong><strong>de</strong>m</strong> (Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-) Sport gut“. 1211<br />
1210 Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik, Privatbesitz Hutmacher.<br />
1211 Motto <strong>de</strong>s vierten Frauen-Forums <strong>de</strong>s DRV in Hannover 2007.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 297<br />
7 „Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in<br />
bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten<br />
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten war<br />
durch unterschiedliche Ansatzpunkte geprägt. Im westlichen Teil dominierte<br />
zuerst das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war <strong>de</strong>n DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nicht erlaubt.<br />
Die Betreuung sowie die Trainingsplanung und -steuerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Eliteru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen war, verglichen mit <strong>de</strong>n Bemühungen <strong>de</strong>s DRSV, rückständig.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen DDR wur<strong>de</strong>n Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe von Anfang an nur<br />
noch vereinzelt angeboten. Da<strong>für</strong> wur<strong>de</strong> das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n konsequent ge-<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Ziel war es, möglichst viele Medaillen bei internationalen Wettbewer-<br />
ben zu gewinnen.<br />
7.1 Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
Die ersten Jahre nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Neugründung <strong>de</strong>s DRV stan<strong>de</strong>n <strong>für</strong> die Frauen im<br />
Zeichen <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Bereits 1950 wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik das<br />
„Deutsche Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ in dieser Disziplin ausgetragen. Diese Ent-<br />
wicklung ging allerdings nicht einher mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Etablierung <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns auf<br />
Regatten. Vielmehr favorisierten immer mehr Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Die 60er Jahre waren <strong>de</strong>nnoch geprägt durch eine hohe Fluktuation unter<br />
<strong>de</strong>n Eliteru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Viele begannen zwar mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Training, nicht wenige<br />
gaben aber nach nur einer Saison wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf. Die körperliche Anstrengung<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> zeitliche Aufwand wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n meisten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen als zu groß<br />
empfun<strong>de</strong>n. Der UAF setzte durch, dass die Frauenwettkämpfe in das<br />
Hauptprogramm auf bei<strong>de</strong>n Regattatagen aufgenommen wur<strong>de</strong>n. Aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> insgesamt ansteigen<strong>de</strong>n Teilnehmerzahlen konnten ab 1970 auch wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Leichtgewichtsrennen ausgeschrieben wer<strong>de</strong>n. Viele Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen began-<br />
nen nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschaffung dieser Disziplin mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Leichtge-<br />
wichtsbereich.<br />
In <strong>de</strong>n 50er Jahren kam die Diskussion auf, ob Frauen an Riemenrennen<br />
teilnehmen sollten. Unterstützung erhielten die Be<strong>für</strong>worter <strong>de</strong>s Riemenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ns durch Adam, <strong><strong>de</strong>r</strong> konsequent die gleiche <strong>Aus</strong>bildung <strong>für</strong> Männer und<br />
Frauen in allen Bootsklassen, also auch im Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, for<strong><strong>de</strong>r</strong>te.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 298<br />
7.1.1 Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Der UAF bemühte sich seit seiner Gründung adäquate Startmöglichkeiten <strong>für</strong><br />
alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in allen Wettbewerbsformen zu ermöglichen. Die Verant-<br />
wortlichen favorisierten allerdings das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da diese Disziplin oft die<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> eine eventuell folgen<strong>de</strong> Karriere im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war:<br />
„Auf breitester Grundlage aufgebaut, angefangen beim Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
weiter fortgeführt als Vorbereitung <strong>für</strong> das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, ist<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerb Sport im wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes.“ 1212<br />
Hänel machte <strong>de</strong>utlich, dass Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht als „Schönheitsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ charak-<br />
terisiert wer<strong>de</strong>n dürfte, zumin<strong>de</strong>st nicht im Sinne einer schönen Haltung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Art <strong><strong>de</strong>r</strong> äußerlichen Aufmachung. Es müsse vielmehr so verstan<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n, dass grundsätzlich je<strong><strong>de</strong>r</strong> technisch richtige, damit ökonomisch-<br />
rhythmische, physikalische Bewegungsablauf in diesem Zusammenspiel<br />
„von sich aus ‘gekonnt’, aber auch natürlich, und damit eben schön wirkt.“ 1213<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend eine Prüfung auf <strong>Aus</strong>führung und Form eines<br />
physikalisch richtigen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schlages, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Boot kraftvoll antreibt und<br />
durch <strong>de</strong>n Rhythmus <strong><strong>de</strong>r</strong> fließen<strong>de</strong>n Bewegungen und durch die Zusammen-<br />
arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft <strong><strong>de</strong>m</strong> Boot zu einem optimalen Vorwärtskommen ver-<br />
hilft. Abweichungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Prägung <strong>de</strong>s Stils sind möglich,<br />
allerdings muss die grundlegen<strong>de</strong> Technik erhalten bleiben. Folgt man dieser<br />
Ansicht Hänels, dann ist Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein „Wettkampf verschie<strong>de</strong>ner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stile<br />
als persönliche Prägung und nicht Bemühen um einen bis in die Einzelheiten<br />
vorgeschriebenen Stil.“ 1214 Er regte an, diese Disziplin auch <strong>für</strong> Männer ein-<br />
zuführen. So sollte <strong>de</strong>n Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern ein Rennstart erst nach Erreichen<br />
einer Min<strong>de</strong>stpunktzahl im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erlaubt wer<strong>de</strong>n. Dieser Vorschlag fand<br />
allerdings im Verband keine Mehrheit. 1215<br />
Hänel sah im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht nur Parallelen zum Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n attes-<br />
tierte diesem vor allem erhöhte mentale Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen: Es hat mit ihm ge-<br />
meinsam die Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Kraft und <strong>Aus</strong>dauer im Wettkampf und<br />
1212<br />
CLOS, „Aufstreben<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 42.<br />
1213<br />
H. HÄNEL, „Keine Angst vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 77(1959)12, S. 289.<br />
1214<br />
Ebenda.<br />
1215<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 160.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 299<br />
„übertrifft es an Konzentration und Technik, an Selbstsicherheit und Kön-<br />
nen.“ 1216<br />
Er betonte vor allem <strong>de</strong>n integrativen Aspekt <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns gegenüber <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da die körperlichen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen prinzipiell geringer sind:<br />
„Es hat <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schonung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen während <strong>de</strong>s Wettbewerbes durch die leichtere<br />
<strong>Aus</strong>wechslung eines Ersatzes voraus, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> breiteren<br />
<strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>für</strong> ein Training zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n wie auch<br />
innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsgemeinschaften selbst fin<strong>de</strong>t. Es hat weiter<br />
<strong>de</strong>n Vorteil, daß <strong><strong>de</strong>m</strong> Streben je<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in nach Verbesserung<br />
und <strong>Aus</strong>feilen <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kunst Rechnung getragen wird,<br />
<strong>de</strong>nn mitunter wird mit Rücksicht auf Härte und <strong>Aus</strong>dauer <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rennmannschaft die Technik wohl etwas vernachlässigt.“ 1217<br />
Den Einwand, dass Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum „Uniformismus“ verleite, ließ Hänel nicht<br />
gelten. Die Bestimmungen zum Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ermöglichten aus seiner Perspek-<br />
tive eine eigene Definition und <strong>Aus</strong>legung von Stil, vorausgesetzt, dass die<br />
gezeigte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik sich an <strong>de</strong>n Maßstäben <strong>de</strong>s natürlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns ori-<br />
entierte und damit <strong><strong>de</strong>r</strong> For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach Vorwärtsbewegung entsprach. Hänel<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>te <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend bereits Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre eine<br />
„innere und ehrliche Umstellung vom alleinigen Geltenlassen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
reinen Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei mit objektiver Messung als gebliebene Form<br />
eines geschichtlichen Wer<strong>de</strong>gangs zur Anerkennung einer Wettkampfart<br />
mit subjektiver Wertung als schöpferischer Weiterführung<br />
einer Tradition.“ 1218<br />
Für Lehmann be<strong>de</strong>utete Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Bedürfnis sportliche Leistung mit voll-<br />
kommener Technik zu kombinieren. 1219 Um eine fachliche Basis <strong>für</strong> das Stil-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu schaffen, for<strong><strong>de</strong>r</strong>te sie die Orientierung am natürlichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n: „Wir<br />
wollen uns gar nicht erst an einen orthodoxen Stil gewöhnen, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Annah-<br />
me, das wäre das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“ 1220 Weitläufige Meinung war allerdings immer<br />
noch, dass genau das <strong><strong>de</strong>m</strong> Naturell <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau entsprach.<br />
Der UAF vertiefte Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre seine Bemühungen um diese Wett-<br />
bewerbsform. Unterstützung erhielt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>schuss beispielsweise von Erich<br />
Maak, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Grundvoraussetzung <strong>für</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ansah.<br />
1216 Ebenda.<br />
1217 Ebenda.<br />
1218 Ebenda.<br />
1219 Vgl. G. LEHMANN, „Über das Training <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 73(1955)8, S. 205.<br />
1220 G. LEHMANN, „Warum Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 71(1953)12, S. 189.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 300<br />
Das Training im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n brachte nach Maak zwar auch ein längeres kon-<br />
zentriertes Training mit sich, aber es erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te keine Höchstleistung an Kraft<br />
und Körper. 1221 Maak stimmte Hänel zu, dass Renn- und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>training<br />
viele Gemeinsamkeiten zeigten. Schließlich galten die gleichen Bedingun-<br />
gen: Unterordnung, Pünktlichkeit und vor allem ein Zusammengehörigkeits-<br />
empfin<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft. 1222<br />
Rolf Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong> attestierte <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, dass es zweifellos seine Existenz-<br />
berechtigung bewiesen hätte, <strong>de</strong>nn es „bringt vielen Frauen, die nicht renn-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wollen o<strong><strong>de</strong>r</strong> können, Freu<strong>de</strong> an unserem schönen Sport.“ 1223 Hey<strong>de</strong>l<br />
äußerte sich ähnlich, in<strong><strong>de</strong>m</strong> sie feststellte, dass<br />
„wir es doch versuchten sollten, durch ein Training <strong>für</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
unseren ru<strong><strong>de</strong>r</strong>begeisterten Mädchen die Grundlage <strong>für</strong> ein späteres<br />
Renntraining zu geben. Ich selbst habe manches Training <strong>für</strong><br />
das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n geleitet und kann nur sagen, daß auch das eine<br />
große Disziplin und Kameradschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Mä<strong>de</strong>ls verlangt.“ 1224<br />
Viele „leichte“ Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen widmeten sich <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da sie im Rennru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>bereich aufgrund ihres zu geringen Körpergewichtes keine Chance sa-<br />
hen, erfolgreich zu sein. Hänel bemerkte dazu, dass bei einer<br />
schwerathletischen Übung das eigene Körpergewicht ausschlaggeben<strong>de</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung hat. Solange also noch keine Leichtgewichtsrennen <strong>für</strong> Frauen<br />
gefahren wer<strong>de</strong>n, „hat nur <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr begrenzte Kreis <strong><strong>de</strong>r</strong> schweren Mann-<br />
schaften Siegesaussichten.“ 1225<br />
1946 war noch ein Meisterschaftstitel unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung „Reichssieger“<br />
vergeben wor<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n zwei Jahren hatte es nationale Titel-<br />
kämpfe als „Besten-Ermittlung“ gegeben. Die Begeisterung <strong>für</strong> das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
war nach <strong><strong>de</strong>m</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges durchaus nicht nur bei leichten<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vorhan<strong>de</strong>n. Die Bemühungen <strong>de</strong>s UAF wur<strong>de</strong>n belohnt, als Stil-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Meisterschaftswettbewerb ausgeschrieben wur<strong>de</strong>. Im Jahre 1950<br />
1221<br />
Vgl. E. MAAK, „Jugendtraining <strong><strong>de</strong>r</strong> Mä<strong>de</strong>ls“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 70(1952)5, S. 69.<br />
1222<br />
Vgl. ebenda.<br />
1223<br />
R. SCHNEIDER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaft“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 68(1950)19, S.<br />
271.<br />
1224<br />
Vgl. K. HEYDEL, „Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 68(1950)13, S. 158.<br />
1225<br />
H. HÄNEL, „Zur Lage <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
77(1959)23, S. 428.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 301<br />
wur<strong>de</strong> erstmalig das DMR im Rennboot, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootsklasse Doppelvierer mit<br />
Steuermann, durchgeführt. 1226<br />
Bis 1952 wur<strong>de</strong>n alle Rennen im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach Vorkriegsmodus ausgetra-<br />
gen. 1227 Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Passau verabschie<strong>de</strong>ten die Delegierten die<br />
neuen Bestimmungen:<br />
„Die Bewertungsstrecke beträgt nach wie vor 1000 Meter. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
müssen aber nicht wie bisher zweimal, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n dreimal<br />
an <strong>de</strong>n Punktrichtern vorbeiru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Wen<strong>de</strong> ist folgen<strong>de</strong><br />
Übung durchzuführen: 5 Schläge im normalen Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>tempo,<br />
10 Schläge im Renntempo und dann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> normales<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>tempo bis zur Wen<strong>de</strong>. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong> wird wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ein<br />
normales Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>tempo gefahren.“ 1228<br />
Hierzu fin<strong>de</strong>n sich im Merkblatt zur Durchführung von Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben<br />
die Ergänzungen, dass die gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten zehn Schläge im Renntempo sich<br />
<strong>de</strong>utlich von <strong>de</strong>n normalen Schlägen abheben mussten. Der Wechsel vom<br />
Strecken- zum Renntempo und umgekehrt sollte sichtbar sein. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
war zu beachten, dass die zehn Rennschläge in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> Strecke ausge-<br />
führt wer<strong>de</strong>n sollten. Damit wur<strong>de</strong> gewährleistet, dass sowohl Punktrichter<br />
als auch Zuschauer die beste Sicht auf die vorbeiru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Mannschaft hat-<br />
ten. Der UAF empfahl <strong>de</strong>n Veranstaltern, die Streckenmitte durch Bojen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Flaggen zu kennzeichnen. 1229 Die Wen<strong>de</strong> blieb zunächst in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wertung. Es<br />
wur<strong>de</strong> allerdings diskutiert, ob dieses Manöver in einer nochmaligen Vorbei-<br />
fahrt <strong><strong>de</strong>m</strong>onstriert wer<strong>de</strong>n sollte. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s <strong>Aus</strong>schusses waren sich<br />
allerdings einig, dass dies <strong>de</strong>n Wettbewerb zu sehr in die Länge gezogen<br />
hätte. Trotz<strong><strong>de</strong>m</strong> entfiel die Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong> erst 1958. 1230<br />
Das Bewertungssystem wur<strong>de</strong> ebenfalls verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Höchstpunktzahl von<br />
20 wur<strong>de</strong> beibehalten. Die Wertungsrichter konnten dann aber bis zu fünf<br />
Punkte <strong>für</strong> nicht ausreichen<strong>de</strong> Blatt- und Körperarbeit abziehen. Nichtflie-<br />
ßen<strong>de</strong> und kraftlose Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit, mangelhafte Zusammenarbeit im Boot und<br />
1226<br />
Vgl. C. SCHMIDT-LEHNERT, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Wettkampfsports <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im <strong>Deutschen</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband bis zu <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1976 in Montreal, Arbeit im Rahmen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Diplom-Trainerausbildung, Traineraka<strong><strong>de</strong>m</strong>ie Köln, Köln 1981, S. 12. Ferner vgl.<br />
SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 624.<br />
1227<br />
Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen zum Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor 1945 in Kap. 5.6.1.<br />
1228<br />
R. BÖBBIS, „Neue Bestimmungen <strong>für</strong> das Mädchen- und Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
70(1952)12, S. U III.<br />
1229<br />
[ohne Verfasser], „Merkblatt zur Durchführung von Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben. Ergänzung<br />
zu § 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> Bestimmungen <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 70(1952)12, S. 79.<br />
1230<br />
Vgl. N. BRUHNS, „Grundsätzliches zum Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 74(1958)4, S. 56.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 302<br />
ungleicher Rhythmus wur<strong>de</strong>n mit Abzügen von bis zu drei Punkten geahn-<br />
<strong>de</strong>t. 1231<br />
Der UAF intensivierte seine Bemühungen und so fand bereits 1951 <strong><strong>de</strong>r</strong> erste<br />
Lehrgang <strong>für</strong> Schiedsrichter und -anwärter im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n statt. Alle Punktrich-<br />
ter waren angehalten, ihre Lizenzen in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n zu erneu-<br />
ern. Die Verantwortlichen versprachen sich davon mehr Objektivität und<br />
Transparenz.<br />
Allen Bemühungen zum Trotz hatten die Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vor allem mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ig-<br />
noranz <strong><strong>de</strong>r</strong> Regattaveranstalter zu kämpfen. Nicht wenige Organisatoren<br />
platzierten diese Rennen an <strong>de</strong>n Rand <strong><strong>de</strong>r</strong> Veranstaltungen, was faktisch<br />
zum <strong>Aus</strong>schluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit führte. 1232 Dies veranlasste <strong>de</strong>n UAF 1956<br />
zu folgen<strong><strong>de</strong>r</strong> Ergänzung im Merkblatt zur Durchführung von Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
wettbewerben:<br />
„Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe sollen nicht unter ’<strong>Aus</strong>schluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit’<br />
gefahren wer<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in das Regattaprogramm eingebaut<br />
wer<strong>de</strong>n. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, daß zu<br />
Beginn <strong>de</strong>s 1. Wettbewerbes <strong>für</strong> das Publikum Erläuterungen über<br />
die Lautsprecheranlage gegeben wer<strong>de</strong>n.“ 1233<br />
Das Engagement <strong>de</strong>s UAF <strong>für</strong> die Gestaltung und För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
wettbewerbe ging einher mit einer Diskussion um die öffentliche Wertung.<br />
Diese Debatte initiierte Eva Gretschel bereits Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 40er Jahre. Ihr Vor-<br />
schlag war dann aber in Vergessenheit geraten, weil eine solche Regelung<br />
nicht praktikabel erschien. Der UAF versprach sich von einer öffentlichen<br />
Wertung eine Aufwertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbe, da das Ergebnis <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Zu-<br />
schauer direkt sichtbar und damit leichter nachvollziehbar war. Es galt zu-<br />
nächst, ein geeignetes Verfahren zu fin<strong>de</strong>n. Dabei war das herkömmliche<br />
Rangreihensystem <strong>Aus</strong>gangspunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Debatte.<br />
Rangreihe<br />
Georg Haas bemängelte vor allem <strong>de</strong>n zeitlichen Aufwand und die Verzöge-<br />
rung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekanntgabe <strong>de</strong>s Siegerbootes, <strong>de</strong>n das Rangreihensystem mit<br />
sich brachte, da<br />
1231 Vgl. BÖBBIS, „Neue Bestimmungen <strong>für</strong> das Mädchen- und Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. U III.<br />
1232 Vgl. E. GRETSCHEL, „Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 84(1966)2, S. 66.<br />
1233 [ohne Verfasser], „Merkblatt zur Durchführung von Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sport 74(1956)11, S. 89.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 303<br />
„die Sieger nicht in stun<strong>de</strong>nlanger Rechenarbeit über Rangziffern,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en tiefe Be<strong>de</strong>utung wohl nur ihrem Erfin<strong><strong>de</strong>r</strong> bekanntgewor<strong>de</strong>n<br />
[sic!] ist, ermittelt wer<strong>de</strong>n, wobei Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er und Publikum, gewollt<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> ungewollt, das <strong>Aus</strong>rechnen sehr leicht mit <strong>Aus</strong>han<strong>de</strong>ln verwechseln.“<br />
1234<br />
Haas schlug vor, am Ufer drei Podien mit Pfahl und Tafel <strong>für</strong> die Schiedsrich-<br />
ter aufzustellen.<br />
Er empfahl die Tafeln zu linieren und vorab mit <strong>de</strong>n Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
zu beschriften. Die Schiedsrichter könnten wie bisher die gezeigte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>leis-<br />
tung bewerten, allerdings ohne die Rangziffern. Die Gesamtpunktzahl je<strong>de</strong>s<br />
Bootes konnte anschließend nach je<strong><strong>de</strong>m</strong> Durchgang direkt auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tafel mit<br />
Krei<strong>de</strong> vermerkt wer<strong>de</strong>n.<br />
Er versprach sich davon, dass auf diese Weise Zuschauer, genau wie bei<br />
einem Rennen, nachvollziehen und mitverfolgen könnten, ob ein Vorsprung<br />
gehalten wur<strong>de</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> an an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Mannschaften abgegeben wer<strong>de</strong>n musste.<br />
Öffentliche Wertung<br />
Gretschel hatte bereits 1941 <strong>de</strong>n Vorschlag gemacht, einzelne Holztafeln zu<br />
benutzen. Zehn Jahre später eröffnete sie mit ihrer I<strong>de</strong>e die Debatte um die<br />
öffentliche Wertung im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Unterstützung erhielt sie dabei von Fritz<br />
Mähnert 1235 , <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls kleine Tafeln, ähnlich wie die beim Eiskunstlauf<br />
und Wasserspringen, favorisierte. Nach Beendigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbeifahrt sollten<br />
diese von <strong>de</strong>n Punktrichtern ohne Absprache hochgehalten wer<strong>de</strong>n.<br />
Der VA trat bei seiner Konstanzer Sitzung 1954 erstmalig <strong>für</strong> die öffentliche<br />
Wertung ein. Der Ansatz von Gretschel und Mähnert wur<strong>de</strong> ebenso diskutiert<br />
wie die I<strong>de</strong>e von Haas, <strong><strong>de</strong>r</strong> statt vieler kleiner, eine große Tafel mit allen Wer-<br />
tungen vorschlug. Einig waren sich die Beteiligten, dass das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wei-<br />
terhin geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n müsste. Die Meinungen zur öffentlichen Wertung<br />
dagegen differierten sehr.<br />
Fertig lehnte die öffentliche Wertung ab, da sie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rangreihe verbun<strong>de</strong>n war. Er vertrat die weitläufige Meinung, dass die<br />
Punktziffer lediglich als Gedächtnisstütze <strong>für</strong> die Aufstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rangreihe<br />
diene. Die absolute Punktzahl wür<strong>de</strong>, so Fertig, immer be<strong>de</strong>utungsloser, da<br />
1234 G. HAAS, „Das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 77(1959)9, S. III.<br />
1235 Vgl. F. MÄHNERT, „Öffentliche Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wertung“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 77(1959)15, S. 290.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 304<br />
die Mannschaften sich im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit immer mehr an das oberste Leis-<br />
tungsniveau angeglichen hätten und somit die höchste Punktzahl immer we-<br />
niger <strong>Aus</strong>sagekraft besitzen wür<strong>de</strong>. Die Einreihung in eine Rangreihe durch<br />
unmittelbaren Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> gezeigten Leistungen war, so Fertig, die einzige<br />
Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung. 1236 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sei es nicht praktikabel, während<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Durchfahrt <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote Einzelurteile abzugeben. Auch das Argument, un-<br />
geeignete Punktrichter zu ermitteln, reichte seiner Meinung nach nicht aus,<br />
um die öffentliche Wertung zu rechtfertigen. Hänel argumentierte hingegen,<br />
dass Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei <strong>de</strong>n subjektiv zu werten<strong>de</strong>n Sportarten einzigartig sei: Die<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holung einer im Grun<strong>de</strong> gleich bleiben<strong>de</strong>n Bewegungsfolge, wie es<br />
beim Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall sei, schließe in höherem Maße als bei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sport-<br />
arten die Möglichkeit von Unregelmäßigkeiten ein. Verstärkt wer<strong>de</strong> diese<br />
durch die Zusammenarbeit von vier Menschen. Eine objektive, öffentliche<br />
Bewertung war nach Hänel nicht zu gewährleisten. 1237<br />
Niko Bruhns bezeichnete die Bewertung als „Schmerzenskind <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ei“. 1238 Er sah das Problem nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> fehlen<strong>de</strong>n öffentlichen Wer-<br />
tung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darin, dass zu wenig darauf geachtet wür<strong>de</strong>, nur amtlich zuge-<br />
lassene Schiedsrichter zu verpflichten. Er stellte allerdings auch fest, dass es<br />
zu wenig geschultes Personal gebe und empfahl, vermehrt Lehrgänge <strong>für</strong><br />
Stilrichter anzubieten. 1239 Er versäumte nicht, „das flüssige Durchlaufen <strong>de</strong>s<br />
Bootes und die mannschaftliche Zusammenarbeit“ 1240 in <strong>de</strong>n Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund zu<br />
stellen. Bruhns be<strong>für</strong>wortete daher eine grundsätzliche Unterscheidung zwi-<br />
schen Kardinalfehlern einer Mannschaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und klei-<br />
neren Unebenheiten, „eventuell sogar einem Krebs“. 1241 Er sah keine<br />
Notwendigkeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Beibehaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Höchstpunktzahl 20, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n for<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
die Punktzahl 13 als Mittelwert. Von dieser Basiszahl sollten dann Plus- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Minuspunkte berechnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontroverse im DRV wur<strong>de</strong>n 1958 die ersten Versuche einer öf-<br />
fentlichen Wertung unternommen. Gretschel beurteilte die Saison als gelun-<br />
1236 B. FERTIG, „Öffentliche Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wertung?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 77(1959)8, S. 98.<br />
1237 Vgl. H. HÄNEL, „Um die öffentliche Wertung im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 73(1955)8, S.<br />
203.<br />
1238 N. BRUHNS, „Grundsätzliches zum Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 56.<br />
1239 Vgl. ebenda.<br />
1240 Vgl. G. BAHR, „Zweiter Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Lehrgang in Bremen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 73(1955)8, S. 207.<br />
1241 Ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 305<br />
gen und merkte an, „dass es wirklich überall geklappt hat.“ 1242 Allerdings ei-<br />
nigten sich die Beteiligten erst 1960 auf ein einheitliches Verfahren, das auf<br />
einer Vorstandssitzung in Hannover verabschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Im Merkblatt zur<br />
Durchführung von Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben wur<strong>de</strong> festgehalten, diese öffentlich<br />
zu bewerten. Die Anwesen<strong>de</strong>n verständigten sich schließlich auf <strong>de</strong>n Ge-<br />
brauch kleinerer Tafeln.<br />
Die neue Durchführungsbestimmung sah zu<strong><strong>de</strong>m</strong> vor, dass am Mikrofon ein<br />
„<strong>Aus</strong>rechner“ zu platzieren war, <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel ein nicht eingesetzter<br />
Schiedsrichter war. Zwischen ihm und <strong><strong>de</strong>m</strong> Punktrichter sollte eine „Augen-<br />
verbindung“ 1243 bestehen. Es waren nur noch die Ränge anzuzeigen. Die<br />
Punktezählung bis 20 wur<strong>de</strong> zwar beibehalten, allerdings kamen diese nur in<br />
die Wertung, wenn eine Ranggleichheit vorlag. In diesem Fall wur<strong>de</strong>n die<br />
Punkte addiert. Ergab sich auch hier ein Gleichstand, kam es zu einem Ste-<br />
chen zwischen <strong>de</strong>n besten Booten.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> dritten Vorbeifahrt rief <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>rechner: „Für Boot 1 – Wertung!“ 1244<br />
Nicht gewertete Boote, also Boote, die zum Beispiel keinen Wechsel zwi-<br />
schen Renn- und Streckentempo erkennen ließen, wur<strong>de</strong>n mit <strong><strong>de</strong>r</strong> leeren<br />
Tafel bewertet. Um die jahrelang gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te Transparenz und Objektivität zu<br />
gewährleisten, stellten sich die Punktrichter nach je<strong><strong>de</strong>m</strong> Wettbewerb in einer<br />
sachlichen <strong>Aus</strong>sprache <strong>de</strong>n Trainern <strong><strong>de</strong>r</strong> beteiligten Mannschaften. 1245<br />
Aufgrund dieser Entwicklung wur<strong>de</strong> das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre<br />
immer noch positiv beurteilt, zum Beispiel als eine Überleitung <strong>für</strong> Frauen-<br />
training in Rennbooten. 1246 Böbbis stimmte zu, dass Wettbewerbe in dieser<br />
Disziplin eine Vorbereitung in technischer Hinsicht <strong>für</strong> spätere Rennen, eine<br />
Wettbewerbsart <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, „die nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind, ein hartes<br />
Rennen durchzustehen“ 1247 sowie ein gutes Fundament <strong>für</strong> die Breitenarbeit<br />
im Frauen- und Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n seien.<br />
Dennoch war die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Wertung primär eine Maßnah-<br />
me gegen die geringe Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerben<br />
1242<br />
E. GRETSCHEL, „Ein Rückblick auf die öffentliche Wertung“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 76(1958)32,<br />
S. 698.<br />
1243<br />
Ebenda.<br />
1244<br />
Ebenda.<br />
1245<br />
Ebenda.<br />
1246<br />
Vgl. DÜNTZER, „Was sagt die Sportärztin zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau?“, S. 199.<br />
1247<br />
R. BÖBBIS, „Reger Gedankenaustausch beim Lehrgang Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
75(1957)7, S. 180.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 306<br />
zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre. Die sich schon ab 1956 abzeichnen<strong>de</strong> Fluktuation<br />
im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n konnte zunächst durch eine verbesserte Punktrichter-<br />
<strong>Aus</strong>bildung gestoppt wer<strong>de</strong>n. Ab 1960 wur<strong>de</strong> die Kritik an <strong><strong>de</strong>r</strong> subjektiven<br />
Bewertung nach lokalpatriotischen Kriterien immer lauter. 1248 Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentli-<br />
chen Wertung mussten sich die Punktrichter zu ihrer Beurteilung bekennen.<br />
Trotz dieser intensiven Bemühungen <strong>de</strong>s UAF kritisierten immer mehr Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Hänel attestierte <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zwar At-<br />
tribute, die <strong><strong>de</strong>m</strong> Wesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau gerecht wür<strong>de</strong>n. 1249 Auch Lehmann sprach<br />
von einem Wettkampf, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>für</strong> Frauen „<strong><strong>de</strong>r</strong> wahre sei“. 1250 Dennoch beurteilen<br />
immer mehr Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als „Puppchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ 1251 . Gumbrecht<br />
merkte an, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband sich bemühe, <strong><strong>de</strong>m</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge-<br />
recht zu wer<strong>de</strong>n. 1252 Hänel stellte fest, „daß es vor allem die männliche Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>welt ist, die diesen Wettbewerb ablehnt.“ 1253 Er betonte die technische<br />
Seite, während an<strong><strong>de</strong>r</strong>e das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n allenfalls als eine Wettkampfform <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n „fraulichen Typ“ einstuften. 1254 Bekanntester Kritiker war Karl Adam, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1963 äußerte, dass er im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n „nicht <strong>de</strong>n geringsten Wert sehe.“ 1255 Auf<br />
einer Frauen-Trainer-Tagung im selben Jahr wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, „daß selbst im<br />
Lager <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen das Urteil über das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht mehr einheit-<br />
lich.“ 1256<br />
Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> die zurückgehen<strong>de</strong> Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
waren zahlreich. Rhythmus, Harmonie, funktionelle Bewegungsformen und<br />
ein totaler Bewegungsablauf galten zunächst als Grundbedingungen <strong>für</strong> ein<br />
natürliches Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1257 Die Erkenntnisse, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> kybernetischen Anfän-<br />
gerausbildung zur Anwendung kamen, ließen sich nicht auf das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
übertragen. Die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Disziplin im Vergleich zu<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> allgemeinen Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrmethodik wur<strong>de</strong>n von Experten, wie Walter<br />
Schrö<strong><strong>de</strong>r</strong>, als gering eingestuft. 1258 Das Training <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns passte nicht<br />
1248<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 120.<br />
1249<br />
Vgl. HÄNEL, „Zur Lage <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns,“, S. 428.<br />
1250<br />
Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 45.<br />
1251<br />
I. DIETERLE, „Unterausschuß Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 83(1965)31, S. 657.<br />
1252<br />
Vgl. M. GUMBRECHT, „Punktrichterkommission tagte“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 84(1966)33, S. 709.<br />
1253<br />
H. HÄNEL, „Das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und seine Bewertung“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 82(1964)4, S. 46.<br />
1254<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 160.<br />
1255<br />
Ebenda, S. 161. Ferner vgl. HÄNEL, „Das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und seine Bewertung“, S. 46.<br />
1256<br />
UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 161.<br />
1257<br />
Vgl. GRETSCHEL, „Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 21.<br />
1258<br />
Vgl. W. SCHRÖDER, „Frischer Gegenwind vom Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 83(1965)3, S.<br />
38.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 307<br />
in das Bild <strong><strong>de</strong>r</strong> damaligen Technikvorstellung beziehungsweise Anfängerme-<br />
thodik.<br />
Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Kritik an <strong>de</strong>n eintönigen Trainingsmetho<strong>de</strong>n hinterfragten immer<br />
mehr Aktive und Funktionäre die Klassifizierung <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Wenn die-<br />
ses ohnehin als Bewegung in Bezug auf <strong>de</strong>n Fortgang und nicht mehr die<br />
Haltung bewertet wer<strong>de</strong>n soll, „warum wird dann nicht gleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortgang<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Stoppuhr gemessen?“ 1259<br />
Entschei<strong>de</strong>nd war allerdings die rückläufige Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an<br />
Regatten im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Die folgen<strong>de</strong> Abbildung vergleicht die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Teilnehmerinnen beim Stil- und Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
1600<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
Abb. 6: Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen am Stil- und Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Insgesamt war die Beteiligung 1260 <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen an bei<strong>de</strong>n Wettbewerbsformen<br />
rückläufig. 1959 nahmen noch 863 Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an Wettbewerben teil. Dem<br />
gegenüber stan<strong>de</strong>n 1.511 Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen.<br />
1970 sank die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, die das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf Regatten betrieben auf<br />
20.<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
1959 1961 1963 1965 1967 1968 1969 1970<br />
1956 waren noch zehn Boote beim DMR in <strong><strong>de</strong>r</strong> Disziplin Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n am Start.<br />
Zwei Jahre später mel<strong>de</strong>ten immerhin noch acht Boote <strong>für</strong> diesen Wettbe-<br />
werb. 1968 fiel die Anzahl bereits auf sechs Mannschaften. 1261 Das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
1259 G. THOMSEN, „Frischer Wind beim Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 83(1965)5, S. 81.<br />
1260 Vgl. E. SCHUMANN, „Junge Damen fahren tapfer zur See“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 90(1972)34, S.<br />
753. Vgl. [ohne Verfasser], „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 232.<br />
1261 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 105-106.<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 308<br />
hielt sich aber vor allem auf <strong>de</strong>n Regatten, da es die Bestimmung gab, dass<br />
bei <strong>Aus</strong>schreibung eines Frauenrennens auch ein Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerb ange-<br />
boten wer<strong>de</strong>n musste. Dies wur<strong>de</strong> häufig von <strong>de</strong>n Regattaveranstaltern nicht<br />
erfüllt, da die Verpflichtung von Punktrichtern einen erheblichen zusätzlichen<br />
finanziellen Aufwand be<strong>de</strong>utete. 1262 Otto Spamer maß <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aller-<br />
dings eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle im DRV zu:<br />
„In einer Zeit, wo ein ‘Gol<strong>de</strong>ner Plan’ durchgeführt wer<strong>de</strong>n soll,<br />
und dauernd aus mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger berufenem Mund <strong><strong>de</strong>r</strong> Ruf<br />
nach <strong><strong>de</strong>m</strong> ‘Zweiten Weg’ ertönt, wäre es bitter traurig, wenn bei<br />
uns im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sang- und klanglos untergehen<br />
wür<strong>de</strong>.“ 1263<br />
Das letzte Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Rahmen <strong>de</strong>s DMR wur<strong>de</strong> 1969 durchgeführt. Neben<br />
dieser Regatta fand in <strong><strong>de</strong>r</strong> kompletten Saison nur noch ein weiteres Rennen<br />
statt. Die Regattaveranstalter sahen sich nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, die Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wett-<br />
bewerbe in das Programm zu integrieren.<br />
Dem war allerdings 1966 eine neue Regelung <strong>de</strong>s Punktrichterwesens vo-<br />
rausgegangen, <strong><strong>de</strong>r</strong> zufolge die Lizenzen im Rahmen von Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holungsprü-<br />
fungen verlängert wer<strong>de</strong>n mussten. Die Gültigkeit betrug vier Jahre. 1264<br />
Hiervon versprachen sich die Verantwortlichen im UAF und im DRV eine er-<br />
neute Aufwertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beurteilungsqualität, die aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Teil-<br />
nehmerfel<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht mehr zum Tragen kam. Der UAF konnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ten<strong>de</strong>nz in Richtung Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht mehr verschließen, so dass er 1969<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> DRV vorschlug, Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als Meisterschaftswettbewerb zu streichen.<br />
Seit 1970 wird dieser Wettbewerb nicht mehr bei <strong>de</strong>n nationalen Titelkämp-<br />
fen ausgefahren.<br />
Das endgültige <strong>Aus</strong> kam <strong>für</strong> das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland im Jahr 1971. Die<br />
Punktrichter hatten ihre Lizenzen nicht mehr verlängert. Die letzten Regatten<br />
fan<strong>de</strong>n in Ulm, Leer und Kassel statt. Zusammenfassend kann festgehalten<br />
wer<strong>de</strong>n, dass die immer mehr dominieren<strong>de</strong> Leistungsausrichtung und das<br />
sich wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Wertebewusstsein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft entschei<strong>de</strong>nd waren<br />
<strong>für</strong> die Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe. Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> einsetzen<strong>de</strong>n Eman-<br />
zipationsbewegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre muss in diesem Zu-<br />
sammenhang Rechnung getragen wer<strong>de</strong>n. Versuche, diese Disziplin durch<br />
1262 Vgl. ebenda, S. 119.<br />
1263 O. SPAMER, „Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 79(1961)25, S. 579.<br />
1264 HÄNEL, „Punktrichter“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 84(1966)12, S. 295.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 309<br />
verschie<strong>de</strong>ne Bewertungssysteme und Durchführungsmodi attraktiver zu<br />
gestalten, scheiterten. Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n entsprach nicht mehr <strong><strong>de</strong>m</strong> Zeitgeist.<br />
7.1.2 Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
„Meine Damen, sind Sie bereit? – Los!“ lautete das allen Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
bekannte Startkommando. Die Frauen nahmen trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> schlechten <strong>Aus</strong>-<br />
gangslage bereits ab 1946 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> an Regatten teil. Der Homburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
club ‘Germania’ richtete in diesem Jahr auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Rhein das erste Wettru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
nach <strong><strong>de</strong>m</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges aus. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus sieben Verei-<br />
nen waren in vier Gigrennen im Doppelvierer und Doppelzweier am Start. 1265<br />
Im August 1946 hatten die Frauen außer<strong><strong>de</strong>m</strong> die Möglichkeit auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatta<br />
in Bochum-Witten teilzunehmen. Acht Vereine aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Ruhrgebiet mel<strong>de</strong>ten<br />
ihre Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in acht Doppelzweier- und Doppelvierer-Gigrennen. Die<br />
Streckenlänge betrug erstmalig wie<strong><strong>de</strong>r</strong> 1.000m.<br />
Der Lübecker Regatta-Verein organisierte im September 1946 die erste<br />
Nachkriegsregatta. Die Frauen konnten <strong>für</strong> Wettbewerbe im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im<br />
Gig-Doppelzweier sowie <strong>für</strong> Rennen im A-Gig-Doppelvierer mel<strong>de</strong>n. Die Ver-<br />
sorgungslage <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung hatte im Frühjahr 1946 ihren Tiefpunkt er-<br />
reicht. Daher schrieben die Verantwortlichen <strong>de</strong>s HRC an <strong>de</strong>n Veranstalter<br />
und baten um Hilfe:<br />
„Da wir die Absicht haben, mit einer größeren Anzahl Schlachtenbummler<br />
bei Ihnen zu erscheinen, wären wir Ihnen dankbar, wenn<br />
Sie 15 Eintopfessen <strong>für</strong> uns bestellen wür<strong>de</strong>n.“ 1266<br />
Der Veranstalter entsprach <strong><strong>de</strong>r</strong> Bitte und stellte aus <strong><strong>de</strong>r</strong> so genannten Win-<br />
ter-Speisung Mahlzeiten zur Verfügung.<br />
Bei <strong>de</strong>n ersten Nachkriegsmeisterschaften, die aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> unzureichen<strong>de</strong>n<br />
Ernährungslage auch „Kalorienschaften“ genannt wur<strong>de</strong>n, starteten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen im Doppelzweier und Doppelvierer. 1267 Haller beschrieb die rege Teil-<br />
nahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Hamburger Regatta im selben Jahr:<br />
1265 Vgl. E. SCHUMANN, „Keine Bleibe – keine Boote. Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nach<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Krieg“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 120(2002)2, S. 53.<br />
1266 Ebenda, S. 54.<br />
1267 Vgl. BUERSTÄTTE, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland, S. 34.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 310<br />
„Auf Frauenrennen und Jugendrennen und die Rennen <strong>de</strong>s Nord<strong>de</strong>utschen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s [sic!], die in Dollengigs mit festen Sitzen<br />
ausgeru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>n, entfielen die Hälfte von 50 Rennen.“ 1268<br />
Im August 1947 fand ein interzonales Jugendsportfest in Frankfurt am Main<br />
statt. Abenteuerlich war die Reise <strong>de</strong>s FRCW. Die Berlinerinnen fuhren mit<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Vereinen in einem verschlossenen amerikanischen Militärzug nach<br />
Frankfurt: “Vorne saßen die Jungen, hinten die Mädchen.“ 1269<br />
Die vom UAF in Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>m</strong> AAR erarbeiteten Bestimmungen<br />
<strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sahen vor, dass Rennen im Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus-<br />
schließlich in <strong>de</strong>n Bootsklassen Einer, Doppelzweier und Doppelvierer mit<br />
Steuermann ausgetragen wer<strong>de</strong>n durften. Erst ab 1969 kamen die Rennen<br />
im Riemenbereich hinzu. 1270 Die Streckenlänge wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gig auf 800m<br />
und bei Rennboot-Rennen auf 1.000m festgelegt. Mädchen- und Schülerin-<br />
nen-Rennen waren anfänglich nur im Gigboot über 600m erlaubt. 1271<br />
Beteiligung an Regatten<br />
Ähnlich wie im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ließ die allgemeine Resonanz Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre<br />
nach. Haas widmete sich bereits 1951 diesem Problem 1272 und kam zu <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Schluss, dass die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> die geringe Beteiligung we<strong><strong>de</strong>r</strong> im fehlen<strong>de</strong>n<br />
Bootsmaterial zu suchen waren noch auf Geldmangel basierten. Hauptursa-<br />
che war laut Haas die unprofessionelle Betreuung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die zu<br />
kleinen Teilnehmerfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n führte. Er stellte eine insgesamt unbefriedigen<strong>de</strong><br />
Aktivität im Rennbootbereich und <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend in <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsbeteili-<br />
gung fest. Bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Regattabeteiligung von Frauen merkte er an, dass<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Rennbootrennen „besser wegkommen als die Gigrennen“ 1273 .<br />
Aber hier war das Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Renndoppelvierer zu <strong>de</strong>n häufiger vertrete-<br />
nen Gigdoppelvierern zu beachten. Haas betonte nochmals, „daß sich um<br />
1268 HALLER, Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports, S. 13.<br />
1269 SCHUMANN, „Keine Bleibe – keine Boote. Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nach <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Krieg“, S. 54.<br />
1270 Vergleiche hierzu die Anmerkungen zum Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in Kap. 7.1.3 sowie<br />
Kap. 7.4.2. Vgl. SCHMIDT-LEHNERT, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Wettkampfsports <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im<br />
<strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband bis zu <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1976 in Montreal, S. 15.<br />
1271 Vgl. W. REICHERT, „Was ist <strong>für</strong> das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>jahr 1949 zu beachten?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
67(1949)2, S. 6.<br />
1272 Vgl. G. HAAS, „Ziehen wir das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen richtig auf?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
69(1951)12, S. 226.<br />
1273 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 311<br />
die Frauenmannschaften in <strong>de</strong>n Vereinen nicht genügend gekümmert<br />
wird“. 1274<br />
Er kritisierte diese Aufteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Ein Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Gigmannschaften<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen trainierte <strong>für</strong> die Regatten im Sommer, ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>für</strong> die im<br />
Herbst. Er empfahl, Rennbootrennen auf <strong>de</strong>n Sommerregatten zu belassen,<br />
die Gigrennen aber auf <strong>de</strong>n Herbst zu verschieben. Nur so sei eine ange-<br />
messene Beteiligung in bei<strong>de</strong>n Klassen zu gewährleisten. Er beschrieb die<br />
Situation Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre: „In je<strong><strong>de</strong>m</strong> Falle aber ergibt es sowohl im<br />
Sommer wie im Herbst durchweg schwache Fel<strong><strong>de</strong>r</strong> und damit weniger inte-<br />
ressante Rennen.“ 1275<br />
Trotz diverser Versuche, die Wettkampfaktivitäten zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />
durch die Einrichtung selbstständiger Frauenregatten und die Zusammenle-<br />
gung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen auf <strong>de</strong>n Herbst, setzte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Abwärtstrend weiter fort.<br />
1956 fielen 31 von 72 Rennen im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufgrund mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Mel-<br />
dungen aus. 1276 Auch das DMR <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen war von dieser negativen Ent-<br />
wicklung betroffen. 1952 gingen noch sechs Doppelvierer an <strong>de</strong>n Start, aber<br />
weniger Einer und Doppelzweier. Ein Jahr später mel<strong>de</strong>ten zwar sechs<br />
Einerfahrerinnen, aber weniger Doppelzweier und Doppelvierer. 1277<br />
Der Abwärtstrend konnte bis Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre nicht gestoppt wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> sind zunächst im Desinteresse <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen am regelmä-<br />
ßigen Trainingsbetrieb zu suchen. Erschwerend wirkten sich aber auch die<br />
ablehnen<strong>de</strong> Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er und <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s aus. Immer noch be-<br />
stehen<strong>de</strong> medizinische Be<strong>de</strong>nken und eine unbefriedigen<strong>de</strong> Materialsituation<br />
taten ihr Übriges, um die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zu verlangsa-<br />
men.<br />
Bruhns äußerte sich hierzu: „Der Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand o<strong><strong>de</strong>r</strong> vielmehr das mangeln<strong>de</strong><br />
Verständnis <strong>für</strong> das Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist ein Grund mit <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Rückgang<br />
auf diesem Gebiet.“ 1278<br />
In <strong>de</strong>n 50er Jahren dominierte immer noch die Meinung, dass Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein<br />
Sport sei, <strong><strong>de</strong>r</strong> Männern vorbehalten sei:<br />
1274<br />
Ebenda.<br />
1275<br />
Ebenda.<br />
1276<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 107.<br />
1277<br />
Vgl. ebenda.<br />
1278<br />
N. BRUHNS, „Wie för<strong><strong>de</strong>r</strong>n wir das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 6(1956)7, S. 193.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 312<br />
„Weil das ein Sport ist, <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen einfach nicht zu Gesicht steht.<br />
Er ist unweiblich. Die Damen bekommen grotesk starke Arm- und<br />
Beinmuskeln. Wir haben zwar in unserem Club einen Doppelvierer<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Deutsche Meisterschaft gewann. Aber unsere<br />
eigenen Freundinnen sind keine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen!“ 1279<br />
Diese Ansicht teilte auch <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige DRV-Vorsitzen<strong>de</strong> Wülfing: „Man kann<br />
verschie<strong>de</strong>ner Meinung über die Frage sein, ob Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Rennru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n unbedingt mit sich bringen muss.“ 1280 Diese Haltung Wülfings kann<br />
stellvertretend <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV gesehen wer<strong>de</strong>n. Die Maßnahmen <strong>de</strong>s Verban-<br />
<strong>de</strong>s hemmten die Entwicklung <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns entschei<strong>de</strong>nd. So wur<strong>de</strong>n<br />
beispielsweise Frauenrennen häufig nur als Einlagewettbewerbe im Haupt-<br />
programm <strong><strong>de</strong>r</strong> Herren durchgeführt. Erst ab 1956 wur<strong>de</strong> vom DRV festgelegt,<br />
dass diese Rennen in das Hauptprogramm zu integrieren waren.<br />
Immerhin wur<strong>de</strong> das DMR <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Männer von 1948 bis 1953 ge-<br />
meinsam veranstaltet. Der UAF hatte die <strong>Aus</strong>tragung an einem Ort immer<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, da nur auf diese Weise das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit wahrgenommen wer<strong>de</strong>n konnte. Der<br />
VA zog <strong>de</strong>n Beschluss ohne Nennung von Grün<strong>de</strong>n allerdings zurück, so<br />
dass das DMR von 1954 bis 1955 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> getrennt durchgeführt wur<strong>de</strong>. Erst<br />
1956 fan<strong>de</strong>n die Meisterschaften wie<strong><strong>de</strong>r</strong> an einem Ort statt. Schumann be-<br />
merkte, dass die anfängliche Trennung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport schlichtweg<br />
ein „Ärgernis“ 1281 darstellte. Dennoch muss festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass diese<br />
Maßnahme als Anerkennung <strong>de</strong>s Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns durch einen männlich-<br />
dominierten Verband gewertet wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Medizinische Vorurteile<br />
Ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Grund <strong>für</strong> die geringe Beteiligung auf Regatten waren die immer<br />
noch bestehen<strong>de</strong>n medizinischen Vorurteile gegenüber <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenrenn-<br />
sport. Die Einführung <strong>de</strong>s Gesundheitspasses sollte diesen Vorbehalten ent-<br />
gegenwirken. Die Bescheinigungen waren <strong>für</strong> ein Kalen<strong><strong>de</strong>r</strong>jahr gültig und<br />
mussten zweimal jährlich in Nachuntersuchungen bestätigt wer<strong>de</strong>n. Die da-<br />
malige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s UAF, Lehmann, erhoffte sich von <strong><strong>de</strong>r</strong> damit verbun-<br />
<strong>de</strong>nen sportärztlichen Untersuchung eine weitere Aufwertung <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports im DRV. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> äußerte sie sich zuversichtlich, dass<br />
1279 BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 123.<br />
1280 W. WÜLFING, „Zur Son<strong><strong>de</strong>r</strong>nummer Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 74(1956)7, S. 191.<br />
1281 E. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. U II.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 313<br />
durch die Passpflicht mehr Sportlerinnen das Regattatraining fortsetzten. Bis<br />
dahin hatten viele Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aufgrund von gesundheitlichen Proble-<br />
men im Training <strong>de</strong>n Sport aufgegeben. Der Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, so Lehmann<br />
weiter, scha<strong>de</strong> sich ohne eine Passpflicht nur selbst, <strong>de</strong>nn „daß wir mit sol-<br />
cher Leichtfertigkeit <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n – und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>m</strong> Wettkampf-<br />
sport – nicht dienen, liegt klar auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand.“ 1282 Erste Pflicht war daher eine<br />
ärztliche Untersuchung <strong>für</strong> Renn- und Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen.<br />
Obwohl die Passpflicht bereits ab 1956 sowohl <strong>für</strong> Renn- als auch <strong>für</strong> Stilru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>innen obligatorisch war, kritisierte Prof. Noack noch 1962 das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
aus medizinischer Sicht. Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong>für</strong> Frauen als Wasserwan<strong><strong>de</strong>r</strong>n und<br />
<strong>Aus</strong>gleichssport sei zwar durchaus positiv zu bewerten, 1283 aus sportmedizi-<br />
nischer Sicht hege er dagegen Be<strong>de</strong>nken bezüglich <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, „da es<br />
sich hierbei um einen ausgesprochenen Kraftsport han<strong>de</strong>lt“. 1284 Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
schädigend waren nach Noack die Schläge und Zerrungen <strong>de</strong>s Leibes durch<br />
<strong>de</strong>n Riemen, wenn dieser „unrichtig mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser in Berührung kommt<br />
(‘sogenanntes Krebsefangen’)“. 1285<br />
Des Weiteren seien Schädigungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bauchorgane durch die „Pressat-<br />
mung“ aufgetreten. Noack führte an, dass bei <strong><strong>de</strong>m</strong> schwachen Beckenbo<strong>de</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frau dies zu einer „Eingewei<strong>de</strong>senkung und einer Senkung <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren<br />
Genitalorgane“ 1286 führen könne, was auch schon bei einer jungen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in<br />
beobachtet wor<strong>de</strong>n sei. Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n waren seiner Meinung<br />
nach die einzig wahren Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Disziplinen <strong>für</strong> Frauen.<br />
Barrelet wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprach diesen Ansichten und stellte heraus, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Leis-<br />
tungssport selbst bei größten Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen nicht <strong><strong>de</strong>m</strong> weiblichen Körper<br />
scha<strong>de</strong>t. Im Gegenteil: Die bekannten positiven Werte von Training und<br />
Wettkampf machen sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau wie beim Manne sowohl in gesundheit-<br />
licher wie in charakterlicher Hinsicht bemerkbar. 1287<br />
Ihr war außer<strong><strong>de</strong>m</strong> wichtig, eine gute Atmosphäre herzustellen. Je<strong>de</strong> Ver-<br />
krampfung und Verbissenheit war zu vermei<strong>de</strong>n und die Freu<strong>de</strong> am Training<br />
durfte nach Barrelet nicht verloren gehen. Die negativen Beispiele aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1282<br />
G. LEHMANN, „Der Gesundheitspaß <strong>für</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 74(1956)7, S. 191.<br />
1283<br />
H. NOACK, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus ärztlicher Sicht“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 80(1962)1, S. 1.<br />
1284<br />
Ebenda.<br />
1285<br />
Ebenda.<br />
1286<br />
Ebenda.<br />
1287<br />
Vgl. S. BARRELET, „Frau und Leistungssport“, in : Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 77(1959)13, S. 224.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 314<br />
Medizin ließ sie nicht als Argumente gelten, da sich sowieso nur solche<br />
Frauen <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport widmeten, die „dazu nach Konstitution und Wil-<br />
lensveranlagung geeignet“ 1288 sind. Thekla Köhler, eine ehemalige Rennru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>in und Trainerin, unterstützte Barrelet: Frauen wüssten selbst, wie viel sie<br />
sich zumuten könnten: Ein Mensch kann nur soviel geben und leisten, „als er<br />
aufgrund seiner vorhan<strong>de</strong>nen körperlichen und physischen [sic!] Kräfte von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Natur aus mitbekommen hat.“ 1289 Trainieren heißt, diese Fähigkeiten<br />
entwickeln und bis zur äußersten Grenze zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Obwohl viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er diese Ansichten teilten, hielten sich<br />
die Zweifel an <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Leistungsfähigkeit hartnäckig. Es sollte bis<br />
1975 dauern, bis alle Be<strong>de</strong>nken ausgeräumt waren. Erst in jenem Jahr wur-<br />
<strong>de</strong> die Passpflicht <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die auf einer DRV-Regatta starten wollten,<br />
abgeschafft. Für Juniorinnen und Junioren bestand sie nach wie vor.<br />
Weiterhin problematisch und ein weiterer Grund <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Rückgang im Renn-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n 50er Jahren war die Tatsache, dass viele Schülerinnen nach<br />
Beendigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulzeit das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ganz aufgaben. 1290 Bruhns erwähnte<br />
in diesem Zusammenhang auch die engere Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen an das El-<br />
ternhaus. Die Familie nehme einen großen Teil im Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen ein. 1291<br />
Das Frauenbild <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre unterstütze die Meinung, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Hochleistungssport nicht <strong>für</strong> Frauen geeignet sei. Ihrer Rolle entsprechend<br />
widmeten sie sich in <strong>de</strong>n meisten Fällen nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Heirat ihrer Familie und<br />
ihren Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1292 Die zufrie<strong>de</strong>n stellen<strong>de</strong>n Mel<strong>de</strong>zahlen im Juniorinnen-<br />
Rennbereich konnten in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Alters- respektive Leistungsklassen<br />
nicht aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n. 1293<br />
In diesem Zusammenhang muss die Einteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in die Klas-<br />
sen „Seniorin“ und „Eliteru<strong><strong>de</strong>r</strong>in“ angesprochen wer<strong>de</strong>n. Erst ab 1970 wur<strong>de</strong>n<br />
Senior-Frauen-Wettbewerbe ausgeschrieben. Ab 1974 galt als Seniorin, wer<br />
noch nicht acht Siege auf einer klassifizieren<strong>de</strong>n Regatta errungen hatte. Die<br />
Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Siege war 1973 von sechs auf acht angehoben wor<strong>de</strong>n, da auf-<br />
grund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielzahl an DRV-Regatten zu viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zu schnell in die<br />
1288<br />
Ebenda.<br />
1289<br />
T. KÖHLER, „Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 79(1961)5, S. 72.<br />
1290<br />
Vgl. C. HEß, „Sinn und Aufgabe“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 85(1967)1, S. 2.<br />
1291<br />
Vgl. BRUHNS, „Wie för<strong><strong>de</strong>r</strong>n wir das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“, S. 192.<br />
1292<br />
Vgl. ebenda.<br />
1293<br />
Vgl. E. SCHUMANN, „Wettkampfru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von 1959 – 1968“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)8, S.<br />
232.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 315<br />
höchste Klasse aufgestiegen waren, die dann bei internationalen Wettkämp-<br />
fen meist das Nachsehen hatten. 1294 Allerdings ist dies auch auf die späte<br />
Teilnahme von Frauen an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen<br />
zurückzuführen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik wur<strong>de</strong> diese Einteilung bis Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
80er Jahre beibehalten. Seit<strong><strong>de</strong>m</strong> existiert die Differenzierung in Senioren A<br />
und B <strong>für</strong> Frauen und Männer. 1295<br />
Bootsmaterial<br />
Auch fehlen<strong>de</strong>s und nicht geeignetes Bootsmaterial muss als Ursache <strong>für</strong> die<br />
geringe Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen am Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n herangezogen wer<strong>de</strong>n. Ins-<br />
gesamt stan<strong>de</strong>n nach <strong><strong>de</strong>m</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges zu wenige Renn-<br />
boote zur Verfügung. Die Entwicklung und Einführung <strong>de</strong>s C-Gigbootes<br />
brachte zumin<strong>de</strong>st eine Entspannung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage. 1296 Obwohl in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zwischen-<br />
zeit technische Neuerungen im Bootsbau entwickelt wor<strong>de</strong>n waren, wur<strong>de</strong>n<br />
fast nur <strong>für</strong> die Männer gute Boote gekauft. 1297 Dies traf vor allem <strong>für</strong> ge-<br />
mischte Vereine zu.<br />
<strong>Aus</strong>bildung und Training<br />
Ebenfalls wur<strong>de</strong> die schlechte <strong>Aus</strong>bildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainer und Betreuer in <strong>de</strong>n<br />
Vereinen bemängelt. Im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war sie „aber wohl die Kernfrage<br />
1294 R. HAMM, „Klasseneinteilung <strong>für</strong> Männer und Frauen – international“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
94(1976)4, S. 67. Es muss hier zwischen nationaler und internationaler Klassifizierung<br />
unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Auf internationaler Ebene konnte eine Klassifizierung nur dann<br />
erfolgen, wenn die Streckenlänge 1.500m bis 2.000m betrug. Da die Frauenrennen nur<br />
über 1.000m ausgetragen wur<strong>de</strong>n, galt diese Regel nicht <strong>für</strong> diese Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Somit<br />
wur<strong>de</strong>n nur die nationalen Regatten als Klassifizierung gewertet. Da die letzten Europameisterschaften<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen vor <strong><strong>de</strong>r</strong> erneuten Einführung 2007 1973 stattfan<strong>de</strong>n und die<br />
ersten Weltmeisterschaften 1974 veranstaltet wur<strong>de</strong>n, konnten nur die DRV-Regatten<br />
gewertet wer<strong>de</strong>n, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Stichtag <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. Januar war. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er hatten an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Möglichkeiten.<br />
Die FISA ermöglichte <strong>de</strong>n Aufstieg <strong>de</strong>s Senior-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ers in die Elite-Klasse<br />
sofern dieser einen <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten drei Plätze auf Welt- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kontinentalmeisterschaften, auf<br />
FISA-Meisterschaften <strong>für</strong> Leichtgewichte o<strong><strong>de</strong>r</strong> bei Olympischen Spielen belegt hatte.<br />
1295 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Ingrid Dieterle am 27. 11. 2008.<br />
1296 Ziel war es, ein leichtes und günstiges Gigboot auf <strong>de</strong>n Markt zu bringen. In erster Linie<br />
wur<strong>de</strong> das C-Gigboot <strong>für</strong> Frauen und Jugendliche konzipiert. Voraussetzung <strong>für</strong> eine<br />
Klassifizierung als C-Gigboot waren eine glatte Außenhaut, ein Außenkiel und eine<br />
durchlaufen<strong>de</strong> obere Bootskante. Die Klinkerbauweise wur<strong>de</strong> nicht mehr angewandt. Sie<br />
ist allerdings auch bei Verwendung von festerem Material (Sperrholz, Aluminium o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Werkstoffen) nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. Heute erfreuen sich die C-Boote großer Beliebtheit. Sie<br />
wer<strong>de</strong>n von vielen Werften in unterschiedlicher <strong>Aus</strong>stattung hergestellt. So bietet beispielsweise<br />
die Bootswerft Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>werkstatt C-Line Boote in <strong>de</strong>n Bereichen Freizeit,<br />
Training, Classic Carbon und High Performance an. Vgl. [ohne Verfasser], „C-Line Boote“,<br />
in: http://www.ru<strong><strong>de</strong>r</strong>werkstatt.eu/32/C-Line_Boote.html, Zugriff am 9. November<br />
2008.<br />
1297 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 118.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 316<br />
überhaupt und hat ohne Zweifel mit zu <strong><strong>de</strong>m</strong> beklagten allgemeinen Rück-<br />
gang beigetragen.“ 1298<br />
Ein Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmerzahlen ver<strong>de</strong>utlicht dieses Dilemma. 1959 konn-<br />
ten noch 1511 gestartete Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gezählt wer<strong>de</strong>n. Zwei Jahre später<br />
nahmen immerhin noch 1422 an Regatten teil, 1965 wur<strong>de</strong> mit 578 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiefstand erreicht. 1299<br />
Der UAF bemühte sich Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre verstärkt darum, das Rennru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong> attraktiver zu gestalten. Es dauerte allerdings knapp sechs Jah-<br />
re, bis sich erste Erfolge abzeichneten.<br />
Obwohl es auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfebene bereits Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre gelang, die<br />
Rennen in das Hauptprogramm zu integrieren, konnten keine größeren Teil-<br />
nehmerfel<strong><strong>de</strong>r</strong> verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Der DRV versuchte <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend<br />
durch die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootsklassen Einer und Doppelzweier sowie <strong>de</strong>n<br />
Verzicht auf Gigrennen, die doch immer häufiger ausfallen mussten, die<br />
Startmöglichkeiten zu erleichtern. Diese Maßnahmen zeigten erst Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
60er Jahre Wirkung.<br />
Durch die Intensivierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrgangsarbeit konnte Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre<br />
zunächst das Niveau <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung angehoben wer<strong>de</strong>n. 1300 Dies umfasste<br />
nicht nur <strong>de</strong>n allgemeinen Trainingsbetrieb, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die Betreuung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Trainingsru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Eva Sika, eine international erfolgreiche Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>in,<br />
vertrat die Meinung, dass schon aus finanziellen Grün<strong>de</strong>n die Gleichberech-<br />
tigung von Frauen und Männern nicht hinterfragt wer<strong>de</strong>n dürfte:<br />
„Die Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen müßten unter <strong>de</strong>n selben Bedingungen trainieren<br />
können wie die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, und sie müßten ebensogute [sic!]<br />
Betreuer bekommen. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Verein kassiert von <strong>de</strong>n weiblichen<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n gleich hohen Betrag wie von <strong>de</strong>n Männern ein,<br />
wollen sie aber rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n so erhalten sie zumeist nur das abgelegte<br />
Bootsmaterial zum Trainieren.“ 1301<br />
Eine <strong>de</strong>utliche Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Situation gelang, als die Erkenntnisse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Trainingswissenschaften im Kraftbereich auf <strong>de</strong>n Frauenrennbe-<br />
reich angewandt wur<strong>de</strong>n, was zu einer Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsmetho<strong>de</strong>n<br />
führte. Medizinische Vorbehalte wur<strong>de</strong>n nur noch vereinzelt geäußert, da vor<br />
1298<br />
BRUHNS, „Wie för<strong><strong>de</strong>r</strong>n wir das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“, S. 192.<br />
1299<br />
Vgl. SCHUMANN, „Wettkampfru<strong><strong>de</strong>r</strong>n von 1959 – 1968“, S. 232.<br />
1300<br />
Vgl. R. ZIEL, „Umfangreiches För<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsprogramm <strong>für</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
82(1964)30, S. 682-683.<br />
1301<br />
E. SIKA, „Das wettkampfmäßige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 80(1962)4, S. 63.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 317<br />
allem die verbesserte <strong>Aus</strong>bildung im Einer als Element <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaftsbil-<br />
dung <strong>de</strong>n Kritikern jegliche Gegenargumente entzog. Zusätzlich wur<strong>de</strong> das<br />
Hanteltraining intensiviert. Letztlich veranlasste die Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>n DRV zum Han<strong>de</strong>ln. Folglich wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauentraining mehr<br />
Aufmerksamkeit geschenkt und die Art sowie Intensität <strong>de</strong>s Wintertrainings<br />
neu gestaltet.<br />
So wur<strong>de</strong> das Krafttraining zum elementaren Bestandteil <strong>de</strong>s Wintertrainings.<br />
An dieser Stelle muss die Einführung <strong>de</strong>s Intervalltrainings 1302 genannt wer-<br />
<strong>de</strong>n, da sie das gesamte Trainingssystem im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sowohl im Frauen-<br />
als auch im Männerbereich revolutionierte. Häufig wird Adam als Begrün<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Intervallmetho<strong>de</strong> im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport genannt. Adam und Erika Stöck entwi-<br />
ckelten etwa zeitgleich, jedoch unabhängig voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong>, eine Intervallme-<br />
tho<strong>de</strong> <strong>für</strong> das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>training. Die Trainerin <strong>de</strong>s Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Clubs<br />
nutzte als erste dieses Konzept im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Ihr Ansatz basierte auf Erfah-<br />
rungen, die sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtathletik gemacht hatte:<br />
„Der tschechische Läufer Emil Zatopek war <strong>für</strong> mich und <strong>für</strong> die<br />
mir selbst gestellte Aufgabe, eine Frauen-Wettkampfmannschaft<br />
meines Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>clubs vorzubereiten, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann, <strong>de</strong>ssen Trainingsweise<br />
mich anregte, sie auf unser Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>training zu übertragen.“<br />
1303<br />
Auf einer Trainertagung, an <strong><strong>de</strong>r</strong> sie als einzige Frau teilnahm, empfahl sie<br />
auch <strong>de</strong>n Männern diese Metho<strong>de</strong>: „Meine Herren, das wäre auch etwas <strong>für</strong><br />
Sie.“ 1304 Allerdings fan<strong>de</strong>n ihre Anregungen keine Anhänger. Der von Stöck<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Intervallmetho<strong>de</strong> trainierte Doppelvierer <strong>de</strong>s HRC konnte von 1951<br />
bis 1953 durchgängig das DMR gewinnen. Schumann hinterfragte die Grün-<br />
1302 Zum besseren Verständnis wird an dieser Stelle das Konzept <strong>de</strong>s Intervalltrainings vorgestellt.<br />
Das Intervalltraining diente vorrangig <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>dauer. Wur<strong>de</strong> nach<br />
bisheriger Methodik übertrainiert, das heißt über längere Strecken als die eigentliche<br />
Wettkampfstrecke, reduzierten sowohl Stöck als auch Adam die Kilometerleistung im<br />
Training. Die Strecken wur<strong>de</strong>n allerdings häufiger, mit höherer Schlagzahl und in höherem<br />
Tempo absolviert. Prinzipiell wur<strong>de</strong>n zwei Arbeitsweisen unterschie<strong>de</strong>n: das Fahrtspiel<br />
und das Intervallstreckentraining. Bei<strong>de</strong> dienten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreislaufanpassung, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Bewegungsgefühls, <strong>de</strong>s Tempogefühls, <strong><strong>de</strong>r</strong> Technik sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Muskelkraft<br />
und -ausdauer. Ziel <strong>de</strong>s Fahrtspiels war eine schnelle und vollständige Kreislaufanpassung.<br />
Das Intervallstreckentraining diente dagegen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung <strong>de</strong>s<br />
Tempogefühls. Vgl. ADAM, „Die Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Trainingsformen“, S. 1-10.<br />
Ferner vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 151-<br />
152.<br />
1303 HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 80.<br />
1304 Ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 318<br />
<strong>de</strong>, warum die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>öffentlichkeit so wenig Notiz von dieser neuen Trai-<br />
ningsi<strong>de</strong>e nahm. Die Erfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC-Mannschaft sprachen <strong>für</strong> sich, aber<br />
„lag es an <strong><strong>de</strong>r</strong> konservativen Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er? Spielte es am<br />
En<strong>de</strong> eine Rolle, daß sie ihre erfolgreichen I<strong>de</strong>en ‘nur’ anhand eines<br />
Frauen-Vierers <strong><strong>de</strong>m</strong>onstrieren konnte?“ 1305<br />
Adam selbst wies Stöck die Vorreiterrolle zu:<br />
„Den ersten in West<strong>de</strong>utschland bekannt gewor<strong>de</strong>nen Versuch einer<br />
Übertragung <strong>de</strong>s Intervallprinzips aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtathletik auf<br />
das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>training unternahm Frau Gerda [sic!] Stöck, die Gattin<br />
<strong>de</strong>s Olympiasiegers im Speerwerfen von 1936, mit Hamburger<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen.“ 1306<br />
Stöck und Adam plädierten <strong>für</strong> „harte und kompromißlose Trainingsmetho-<br />
<strong>de</strong>n“. 1307 Adams Grundsatz „Technik bringt Meter – Kondition und Kraft brin-<br />
gen Längen“ 1308 galt als Prämisse <strong>für</strong> die neuen Trainingsmetho<strong>de</strong>n im<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Stöck hingegen achtete konsequent auf die Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Technik ihrer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Neben <strong>de</strong>n Starts, Sprints und Strecken, die geru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>n, feilte sie die Technik aus. Als Ästhetin hatte sie neben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stoppuhr in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand „stets auch ein ‘Bild’ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft vor Augen, das es<br />
zu vervollkommnen galt.“ 1309<br />
Ab 1968 stand mit Boris Ulrich erstmals ein Verbandstrainer <strong>für</strong> die Frauen<br />
zur Verfügung. 1310 Er übernahm diesen Posten ehrenamtlich. Ulrich führte<br />
regelmäßige Sichtungslehrgänge und gemeinsame Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>trainingslager <strong>für</strong><br />
die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalmannschaft durch. Die Trainingsmetho<strong>de</strong>n <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Frauenbereich, zum Beispiel auch die Übernahme <strong>de</strong>s Intervalltrainings,<br />
wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n verantwortlichen Trainern in Kooperation mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>aka-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong>ie Ratzeburg koordiniert. Wie etliche an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Trainer hielt auch Adam die<br />
Übernahme <strong>de</strong>s Trainingsprogramms <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer generell <strong>für</strong> möglich. Die<br />
Einschränkung lautete allerdings: „Man wird sich nur überlegen müssen, in<br />
welchem Umfang man bei <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen die Belastung abän<strong><strong>de</strong>r</strong>t.“ 1311<br />
1305<br />
Ebenda.<br />
1306<br />
Ebenda.<br />
1307<br />
Ebenda, S. 81.<br />
1308<br />
UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 210.<br />
1309<br />
HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 80.<br />
1309<br />
Ebenda.<br />
1310<br />
Vgl. I. DIETERLE, „Das letzte Jahrzehnt“ – Eine nicht ganz unbefangene Geschichtsklitterung<br />
zum Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)8, S. 228-229.<br />
1311<br />
HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 82.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 319<br />
Adam war diesbezüglich anfänglich sehr vorsichtig: „Ich kann Ihnen nicht<br />
sagen, was Sie übernehmen können, das müssen Sie selbst erarbeiten“. 1312<br />
Er könne nur versuchen, Anregungen zu geben.<br />
Stöck for<strong><strong>de</strong>r</strong>te eine gezielte Werbung, um große, muskulöse Frauen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport zu gewinnen, da die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ihrer Meinung nach bislang zu<br />
klein und zu leicht gewesen waren, um auf internationaler Ebene bestehen<br />
zu können. 1313 Adam empfahl gera<strong>de</strong> <strong>für</strong> die körperlich benachteiligten Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen nicht zu schwere Arbeit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Hantel. Kraftschulung <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
könnte, so Adam, nur Erfolg bringen, wenn Spaß an <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit geweckt und<br />
diese möglichst abwechslungsreich gestaltet wer<strong>de</strong>. Die Arbeit am Schwe-<br />
bebalken sei <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen genauso nützlich wie Kniebeugen in Fünferse-<br />
rien mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Hantel im Nacken und 15kg Anfangsbelastung. Ergänzend dazu<br />
eigneten sich Seilspringen, Medizinball, Arbeit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Sprossenwand und<br />
Strecksprünge mit 10kg Belastung. 1314 Das Trainingszentrum in Ratzeburg<br />
wur<strong>de</strong> außer<strong><strong>de</strong>m</strong> mit zusätzlichen Frauenrennbooten ausgestattet, um best-<br />
mögliche Bedingungen zu schaffen. 1315<br />
Dieterle begrüßte die positive Entwicklung und die Einbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen in die Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ie. In diesem Zusammenhang stellte sie<br />
fest, dass es „irgendwo im Organismus <strong>de</strong>s DRV-Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns ‘geknackt’<br />
haben“ 1316 müsse. Alle Verantwortlichen waren sich einig, dass die Abstim-<br />
mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsmetho<strong>de</strong>n und -programme, die Bildung von Trainings-<br />
schwerpunkten sowie die Einführung <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns vorrangig<br />
behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n mussten. Diese Ziele waren eng verbun<strong>de</strong>n mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Prä-<br />
misse, eine Übereinstimmung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik aller Athletinnen zu errei-<br />
chen. Es sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg geebnet wer<strong>de</strong>n <strong>für</strong> eine „mühelose Bildung einer<br />
Nationalmannschaft aus Einzelru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen.“ 1317 Der Einer war ein wichtiges<br />
Trainingsgerät in <strong>de</strong>n 70er Jahren. Adam sprach sich <strong>für</strong> eine weitere För<strong>de</strong>-<br />
rung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns aus und for<strong><strong>de</strong>r</strong>te, dass in <strong>de</strong>n Vereinen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwer-<br />
punkt auf <strong>de</strong>n Kleinbooten liegen sollte. Die Zusammensetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Großboote, so Adam, sei nur sinnvoll „mit gleichstarken ‘Bausteinen’, <strong>de</strong>nn<br />
1312<br />
E. GROSSMANN, „Ein würziger Intervall-Cocktail“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 81(1963)3, S. 41.<br />
1313<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 123.<br />
1314<br />
Vgl. GROSSMANN, „Ein würziger Intervall-Cocktail“, S. 41.<br />
1315<br />
Vgl. HARDER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, S. 94.<br />
1316<br />
I. DIETERLE, „Dämmerung im Leistungssport <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen? o<strong><strong>de</strong>r</strong>: vom abendlichen<br />
Trainer-round-table zu einem ‘neuen Morgen’?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)1, S. 4.<br />
1317<br />
Ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 320<br />
je<strong>de</strong> Mannschaft ist meist so stark wie ihr schwächster ‘Baustein’“. 1318 Er sah<br />
das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n insgesamt auf einem guten Weg, for<strong><strong>de</strong>r</strong>te aber konse-<br />
quent die Umsetzung dieser Trainingsphilosophie ein und ermahnte die Ver-<br />
eine, eigene Interessen zu Gunsten <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s zurückzustellen, da<br />
immer noch talentierte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er unter ihrem Niveau ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
weil die Vereine ihnen keine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Möglichkeit bieten. 1319<br />
Ab 1965 stabilisierte sich die Lage im Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>bereich und die An-<br />
zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Starts bei Regatten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Training nahm langsam<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu. Erste positive Ergebnisse lassen sich auf das „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen“ 1969 datieren. Dieses brachte nicht nur <strong>de</strong>n erhofften Imagegewinn,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit auch konstant zufrie<strong>de</strong>n stellen<strong>de</strong> Teilnehmerfel<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
So starteten beispielsweise im „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ 923 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im<br />
Rennbereich. Sieben Jahre später waren es immerhin noch 664. 1320 Bereits<br />
1966 führte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV die Eichkranzrennen <strong>für</strong> Frauen ein. 1321 Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Senior-B-Altersklasse ermittelten ihre Meister im Einer, Doppelzweier<br />
und Doppelvierer mit Steuermann. Die Streckenlänge betrug 1.000m. Als<br />
Initiatorin <strong><strong>de</strong>r</strong> Eichkranzrennen <strong>für</strong> Frauen muss Schumann angesehen wer-<br />
<strong>de</strong>n. Sie nutzte ihre Position im Ressort Wettkampfwesen, um die Startmög-<br />
lichkeiten <strong>für</strong> Frauen zu erweitern, <strong>de</strong>nn „was bei <strong>de</strong>n Männern Tradition<br />
gewor<strong>de</strong>n ist, sollte <strong>de</strong>n Nachwuchsmannschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen nicht übel an-<br />
stehen“. 1322 Die Einführung <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtgewichtsren-<br />
nen trugen ebenfalls zur Stabilisierung <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bei.<br />
Der Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre war geprägt durch diese Neuerungen. Gig-<br />
Rennen wur<strong>de</strong>n gar nicht mehr ausgeschrieben. Im Rahmen <strong>de</strong>s DMR wur-<br />
<strong>de</strong>n erstmalig Titel im Frauen-Vierer mit Steuermann, Frauen-Zweier und im<br />
Juniorinnen-Leichtgewichts-Einer vergeben. Viele ehemalige Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
begannen mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>training, da auf <strong>de</strong>n DRV-Regatten vermehrt<br />
Leichtgewichtsrennen angeboten wur<strong>de</strong>n. Die Gewichtsbegrenzung hat sich<br />
1318 Ebenda, S. 105.<br />
1319 Vgl. Ebenda.<br />
1320 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 108.<br />
1321 Die Eichkranzrennen wur<strong>de</strong>n erstmalig 1936 ausgetragen. Der Hamburger und Germania<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club veranstalte diese Regatta im Rahmen seiner Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>tjahrfeier. Bis heute<br />
ermitteln dabei alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er ihre Meister im Senior-B-Bereich.<br />
1322 E. SCHUMANN, „Ein Novum – Eichkranz-Rennen <strong>für</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 84(1966)18,<br />
S. III.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 321<br />
seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung 1970 nicht verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 1323 Frauen dürfen nicht mehr als<br />
59kg wiegen. In Mannschaftsbooten liegt die Höchstgrenze <strong>für</strong> das zulässige<br />
Durchschnittsgewicht bei 57kg. Für Indoor-Veranstaltungen, die auf einem<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Ergometer bestritten wer<strong>de</strong>n, liegt die Grenze bei 61kg.<br />
Schumann machte <strong>de</strong>utlich, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfang in <strong>de</strong>n neuen Bootsklassen<br />
Geduld erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te, das Angebot an Rennen war beschei<strong>de</strong>n. Grund da<strong>für</strong><br />
waren zum Beispiel die Regatta-<strong>Aus</strong>schreibungen <strong>für</strong> 1970, die schon vor<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zulassung dieser Klassen in Druck gegeben wor<strong>de</strong>n waren. 1324 Die Ver-<br />
anstalter konnten <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend nicht mehr auf die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen rea-<br />
gieren. Der Frauen-Zweier war im Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung 1970 nur auf <strong>de</strong>n<br />
<strong>Deutschen</strong> Meisterschaften ausreichend besetzt. Gleiches galt <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Junio-<br />
rinnen-Leichtgewichts-Einer. Erstaunlicherweise wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-<br />
Leichtgewichts-Einer erst seit 1984 ausgefahren. Von zehn ausgeschriebe-<br />
nen DRV-Leichtgewichtsrennen im Einer und im Doppelzweier <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
kamen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangssaison lediglich fünf zu Stan<strong>de</strong>. 1325<br />
Das internationale Leistungsniveau wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 70er Jahren von Athletin-<br />
nen östlicher Nationen und maßgeblich von DRSV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vorgegeben.<br />
Die breitere Basis im Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ermöglichte zunächst im Doppelvie-<br />
rer die Bildung einer A- und B-Nationalmannschaft. Die Bemühungen um <strong>de</strong>n<br />
Aufbau starker Mannschaften <strong>für</strong> internationale Aufgaben waren abhängig<br />
von strukturellen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen. Langfristige Ziele beinhalteten zum einen<br />
die systematische Verringerung <strong>de</strong>s Durchschnittsalters. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en sollte<br />
die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erfüllt wer<strong>de</strong>n, eine Aufnahme in die Nationalmannschaft an<br />
körperliche Min<strong>de</strong>stanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, wie Körpergröße und Gewicht, zu bin-<br />
<strong>de</strong>n. 1326<br />
Die neuen Strukturen im Leistungssport <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen führten verstärkt zu in-<br />
ternationalen Vergleichsmöglichkeiten. Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre fan<strong>de</strong>n ver-<br />
mehrt Regatten mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en westlichen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n statt. 1971 kam es zum<br />
ersten Län<strong><strong>de</strong>r</strong>vergleich zwischen Deutschland und Frankreich. Ein Jahr spä-<br />
ter folgte ein Dreilän<strong><strong>de</strong>r</strong>kampf zwischen <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, Frankreich und<br />
Deutschland. Har<strong><strong>de</strong>r</strong> untersuchte Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre die Erfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Eli-<br />
1323<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Ingrid Dieterle am 27. 11. 2008.<br />
1324<br />
Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 100.<br />
1325<br />
Vgl. ebenda.<br />
1326<br />
Vgl. K. ULRICH, „Eine klare Grundkonzeption“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)31, S. 710.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 322<br />
teru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und kam zu <strong><strong>de</strong>m</strong> Schluss, dass trotz <strong>de</strong>s konstant guten Ab-<br />
schnei<strong>de</strong>ns auf internationalen Regatten und gewonnener Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kämpfe die<br />
Leistungsspitze insgesamt zu dünn besetzt war. 1327 Den Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
aber wur<strong>de</strong> erstmalig mehr Aufmerksamkeit von Seiten <strong>de</strong>s DRV zuteil, was<br />
Har<strong><strong>de</strong>r</strong> kommentierte: „Es fiel in diesem Jahr beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auf, daß die männli-<br />
chen Verbandskamera<strong>de</strong>n stolz auf die Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wa-<br />
ren.“ 1328<br />
Die Erfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Jahre basierten auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainer. Allen voran<br />
ist Ulrich zu nennen, <strong><strong>de</strong>r</strong> beständig Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Mannschaften aufgebaut<br />
hatte. Im Zuge dieser positiven Entwicklung fan<strong>de</strong>n sich laut Har<strong><strong>de</strong>r</strong> viele, die<br />
sich <strong>für</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n interessierten. Allerdings sah sie die Erfolge<br />
durchaus kritisch, da eine langfristige Perspektive dieses einmal erreichte<br />
Niveau zu halten, ihrer Meinung nach nicht gegeben war. So saßen bei-<br />
spielsweise in <strong>de</strong>n Vierern beim DMR Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die nicht das ganze Jahr<br />
trainiert hatten. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband sich dazu entschlossen hatte, das Riemen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, bauten viele Vereine keine Frauen-Vierer mehr auf, da<br />
diese „ja doch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Bildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalmannschaft weggeschnappt<br />
wer<strong>de</strong>n“. 1329<br />
1973 kam es vorläufig zu <strong>de</strong>n letzten Europameisterschaften. 1330 Seit 1974<br />
wer<strong>de</strong>n Weltmeisterschaften <strong>für</strong> Frauen ausgetragen. Der DRV unterstützte<br />
die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Weg in <strong>de</strong>n internationalen Rennsport. För<strong><strong>de</strong>r</strong>maß-<br />
nahmen umfassten zum Beispiel Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>training, Langstrecken- und Klein-<br />
boottests, professionelle medizinische Betreuung und Bereitstellung von<br />
geeignetem Bootsmaterial. 1976 konnten erstmalig Frauen an Olympischen<br />
Spielen teilnehmen. Dieterle schrieb En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre, dass nicht Quanti-<br />
tät, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n durchgehend gute Qualität das Bild unserer Frauenmannschaf-<br />
ten <strong><strong>de</strong>r</strong> Eliteklassen bestimmte. 1331<br />
Nach wie vor waren die Leistungen im Skullbereich besser als im Riemenbe-<br />
reich. Rückblickend muss festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV die Entwick-<br />
lung im Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n „verschlafen“ hatte. Die späte Akzeptanz dieser<br />
Disziplin be<strong>de</strong>utete ein<strong>de</strong>utige Nachteile auf internationaler Ebene. Ebenfalls<br />
1327<br />
Vgl. I. HARDER, „Leistungssport <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 89(1971)32, S. 713.<br />
1328<br />
Ebenda.<br />
1329<br />
Ebenda.<br />
1330<br />
Vgl. die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 7.4 zu <strong>de</strong>n internationalen Meisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen.<br />
1331<br />
Vgl. I. DIETERLE, „Unsere Elite-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 96(1978)18, S. 453.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 323<br />
problematisch war die Streichung <strong>de</strong>s Juniorinnen-Zweiers aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Pro-<br />
gramm <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Jugend-Meisterschaften, so dass <strong><strong>de</strong>m</strong> Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Nachwuchs fehlte. 1332<br />
Ueberhorst stellte fest, dass die internationale Erfolgsbilanz von 1976 bis<br />
1982 rückläufig war. 1333 Einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong>de</strong> war, dass es <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV nicht ge-<br />
lang, die zahlenmäßig stark vertretenen Juniorinnen zu einer Fortsetzung<br />
<strong>de</strong>s Trainings in <strong>de</strong>n Frauenklassen zu bewegen. Eine Regattastatistik 1334 ,<br />
die von Eva Wehrheim 1983 veröffentlicht wur<strong>de</strong>, bestätigte diese Entwick-<br />
lung. Die erhobenen Zahlen von 1976 bis 1983 zeigen im Juniorinnen-<br />
Bereich einen Anstieg von 3561 auf 5989 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, was einer Zunahme<br />
von fast 70% entspricht. Im Frauenbereich lag <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuwachs nur bei 40%.<br />
Auffallend war ein <strong>de</strong>utlicher Anstieg <strong><strong>de</strong>r</strong> Starts in <strong>de</strong>n Bootsklassen Einer<br />
und Doppelzweier, die sich zum Teil mehr als verdoppelt hatten. 1335 Seit<br />
1983 erfuhr beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s das Frauen-Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Sei-<br />
ten <strong>de</strong>s DRV, so dass auch in dieser Disziplin positive Zahlen verzeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n konnten. Perspektivisch erwartete <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV in dieser Disziplin eine<br />
weitere Zunahme. 1336 Die Zahlen im Riemenbereich hingegen gingen zurück,<br />
was Dieterles Analyse bestätigte. Im Riemenzweier und im Vierer mit Steu-<br />
ermann blieben die Teilnehmerfel<strong><strong>de</strong>r</strong> zwar weitgehend konstant, allerdings<br />
insgesamt zu klein.<br />
Die Regattabeteiligung bei <strong>de</strong>n Frauen ab <strong>de</strong>n 70er Jahren zeigt eine stei-<br />
gen<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nz. Die folgen<strong>de</strong> Abbildung gibt <strong>Aus</strong>kunft über die gestarteten<br />
Boote bei Regatten von 1972 bis 1987 bei Frauen und Männern:<br />
1332 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 126.<br />
1333 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 162.<br />
1334 Vgl. E. WEHRHEIM, „Das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen – statistisch gesehen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
102(1984)27, S. 595.<br />
1335 Vgl. ebenda.<br />
1336 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 324<br />
Abb. 7: Gestartete Boote bei Männern und Frauen von 1970 bis 1987<br />
Während bei <strong>de</strong>n Frauen die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote gestiegen war, blieb die Anzahl<br />
bei <strong>de</strong>n Männern mit <strong>Aus</strong>nahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre 1974 und 1985 konstant. 1337 Die<br />
Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen im DRV korrespondierte mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zunahme <strong><strong>de</strong>r</strong> gestarteten Boote in diesem Zeitraum. Im Elitebereich sah die<br />
Situation dagegen an<strong><strong>de</strong>r</strong>s aus. Nach <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1976 been-<br />
<strong>de</strong>ten viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ihre Karrieren. Im Vorfeld hatten sich beispielsweise<br />
alleine 15 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>scheidungsrennen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Frauenachter<br />
beteiligt. 1338 „1977 trainierten nur noch 26 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>für</strong> die Eliterennen,<br />
eine Achterbildung hielt man daher <strong>für</strong> utopisch.“ 1339<br />
1985 erhielten sowohl die Frauen als auch die Juniorinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Altersklasse A<br />
neue Bootsgattungen. Der Doppelvierer wird seit jenem Jahr ohne Steuer-<br />
mann gefahren. Dieser Schritt, <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA langfristig terminiert wur<strong>de</strong>,<br />
brachte eine weitere Annäherung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-Disziplinen an die <strong><strong>de</strong>r</strong> Män-<br />
ner. 1340<br />
1337<br />
Vgl. VIEZENZ, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S. 65.<br />
1338<br />
Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 126.<br />
1339<br />
Ebenda.<br />
1340<br />
Vgl. R. HAMM, „1985: Neue Bootsgattung <strong>für</strong> Frauen und Juniorinnen A“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
102(1984)31, S. 682.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 325<br />
Eine weitere Anpassung an das Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erfolgte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Streckenlänge.<br />
Nach langer Diskussion wur<strong>de</strong> ebenfalls 1985 die Rennstrecke <strong>für</strong> Frauen<br />
von 1.000m auf 2.000m verlängert. Im Juniorinnenbereich einigten sich die<br />
FISA-Delegierten auf 1.500m. Mitte und En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre war die Einfüh-<br />
rung <strong><strong>de</strong>r</strong> 2.000m Strecke noch fast einstimmig von Vertretern <strong><strong>de</strong>r</strong> westlichen<br />
Verbän<strong>de</strong> abgelehnt wor<strong>de</strong>n. Dies geschah allerdings nicht aus medizini-<br />
schen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus sozialen Grün<strong>de</strong>n. Dieterle fasste die Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ver-<br />
bän<strong>de</strong> zusammen:<br />
„Ganz klar ausgedrückt, man war sich im westlichen Lager einig,<br />
daß sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Streckenverlängerung wahrscheinlich auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Abstand zu <strong>de</strong>n bisher schon führen<strong>de</strong>n Mannschaften aus <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Osten vergrößern dürfte, da <strong><strong>de</strong>r</strong> hier<strong>für</strong> notwendig ansteigen<strong>de</strong><br />
Trainingsumfang von <strong>de</strong>n meisten unserer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Grün<strong>de</strong>n nicht mehr absolviert wer<strong>de</strong>n kann.“ 1341<br />
Die FISA versprach sich von <strong>de</strong>n Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen zum einen abwechslungsrei-<br />
chere Frauen- und Männerrennen. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en sollte so <strong><strong>de</strong>r</strong> aufwendige<br />
Auf- und Abbau <strong><strong>de</strong>r</strong> Startbrücke <strong>für</strong> die Frauenrennen vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. 1342<br />
Allerdings erhofften sich die Verantwortlichen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlängerung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Strecke auch eine Eindämmung <strong><strong>de</strong>r</strong> aufkommen<strong>de</strong>n Doping-Problematik. Die<br />
Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus <strong>de</strong>n Ostblockstaaten und <strong><strong>de</strong>r</strong>en äußeres<br />
Erscheinungsbild ließen vermehrt Zweifel an <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Leis-<br />
tungen aufkommen. Eine längere Rennstrecke hätte <strong>de</strong>n Vorteil, dass die<br />
<strong>Aus</strong>dauer- und nicht die Kraftleistung im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund stehen wür<strong>de</strong>. Rosie<br />
Mayglothing, englisches Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> FISA-Frauenkommission, argumentierte<br />
daher:<br />
„It would make quite a difference if we had a longer course distance<br />
[for women to race] because of the physiology of taking steroids.<br />
By taking steroids, weight training can take place every day<br />
during winter to increase strength a lot faster and this provi<strong>de</strong>s the<br />
strength to <strong>de</strong>al with a 1000m course. If the course distance is increased<br />
the strength factor becomes less important and it then<br />
becomes an endurance race.“ 1343<br />
1341 I. DIETERLE, „Nationalmannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 94(1976)34, S. 767.<br />
1342 Vgl. BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 128.<br />
1343 A. SCHWEINBENZ, Paddling Against the Current. A History of Women’s Competitive International<br />
Rowing Between 1954 and 2003, Submitted in partial fulfillment of the requirements<br />
for the <strong>de</strong>gree of Ph.D, School of Human Kinetics, The University of British<br />
Columbia, Canada 2006, S. 144.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 326<br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre waren beim DRV Professionalisierungsansätze zu ver-<br />
zeichnen, nach<strong><strong>de</strong>m</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM in Luzern 1982 mit Rang 13 in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationenwertung ein absoluter Tiefpunkt erreicht war. Die Betreuungs- und<br />
Trainingssituation sowie die finanziellen Aufwendungen wur<strong>de</strong>n verbessert.<br />
Es formierten sich neue Trainingsgruppen. In Rauxel arbeitete beispielswei-<br />
se DRV-Bun<strong>de</strong>shonorartrainer Peter Jost mit jungen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an einem<br />
neuen Frauenachter. 1344 Diese Trainingsgemeinschaften sollten die Grundla-<br />
ge <strong>für</strong> weitere Erfolge in <strong>de</strong>n 90er Jahren darstellen. Kurzfristig waren diese<br />
Maßnahmen allerdings nicht umzusetzen. Trotz <strong>de</strong>s Boykotts <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympi-<br />
schen Spiele 1984 in Los Angeles von vielen Ostblock-Staaten gewann <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DRV bei <strong>de</strong>n Frauen lediglich eine Bronzemedaille im Zweier durch Ellen<br />
Becker und Iris Völkner.<br />
Die Beantwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach <strong><strong>de</strong>r</strong> perspektivischen Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
west<strong>de</strong>utschen Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns auf <strong><strong>de</strong>r</strong> leistungssportlichen Basis En<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre ist aus heutiger Sicht schwierig. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong> dominierten DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen das internationale Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n 90er Jahren, wobei Sportlerinnen aus <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>s-<br />
län<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Mehrheit darstellten. Insgesamt gelang es, vor allem in <strong>de</strong>n alten<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n, eine Basis von Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Leistungssport zu schaf-<br />
fen. 1345<br />
7.1.3 Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre wur<strong>de</strong> das Thema Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srepublik erneut kontrovers behan<strong>de</strong>lt. 1346 Pfeiffer blickte zurück und<br />
betonte, dass bereits in <strong>de</strong>n 20er und 30er Jahren Frauen in Riemenbooten<br />
ausgebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n:<br />
„Sie fuhren auch wacker ihre Rennen und man konnte darin Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten<br />
über tausend Kilometer in einem Sitz durchstehen. Das<br />
Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n hat ihnen so viel o<strong><strong>de</strong>r</strong> so wenig gescha<strong>de</strong>t wie das<br />
Skullen.“ 1347<br />
1344 Vgl. A. BOES, 1883-2008. 125 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband. Eine Chronik <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
in Deutschland (= Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausgabe), in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 126(2008)5, S. 107.<br />
1345 G. FRISCHMUTH-MÜLLER, „Probleme und Chancen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 108(1990)7, S. 217.<br />
1346 In <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR wur<strong>de</strong> diese Diskussion nicht geführt. Frauen wur<strong>de</strong>n in Riemen- und Skullbooten<br />
ausgebil<strong>de</strong>t und trainiert. Bereits seit 1952 wur<strong>de</strong>n DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften<br />
im Vierer mit Steuermann ausgetragen. Nur ein Jahr später kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Achter hinzu.<br />
1347 H. PFEIFFER, „Frauen im Riemenboot“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 77(1959)24, S. 443.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 327<br />
Der DRV und <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF mussten sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage, ob Frauen in Riemenboo-<br />
ten ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollen, auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzen. Bereits 1951 beschloss die FISA,<br />
Frauenrennen im Vierer mit Steuermann und im Achter zuzulassen. Zwei<br />
Jahre später fan<strong>de</strong>n auf <strong><strong>de</strong>r</strong> internationalen Regatta im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer-<br />
EM die ersten Rennen in diesen bei<strong>de</strong>n Bootsklassen statt. <strong>Aus</strong>ländische<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, zum Beispiel aus England, Frankreich, Belgien und Skandinavi-<br />
en, trainierten zu diesem Zeitpunkt aufgrund <strong>de</strong>s Mangels an geeigneten<br />
Skullrennbooten bereits in Riemenbooten. Die <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nah-<br />
men nur in <strong>de</strong>n Bootsklassen Einer, Doppelzweier und Doppelvierer teil, da<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DRV und <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ablehnten. Der UAF sperrte sich<br />
gegen diese Disziplin und verbot Starts im Riemenbereich prinzipiell. 1348<br />
Die damalige UAF-Vorsitzen<strong>de</strong> Ria Böbbis und ihre Nachfolgerin Gudrun<br />
Lehmann müssen aus heutiger Sicht als die Kritikerinnen <strong>de</strong>s Riemenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ns angesehen wer<strong>de</strong>n. Lehmann schrieb noch 1957, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>de</strong>s Doppelvierers war: „Aber <strong>de</strong>shalb besteht doch keine Verpflich-<br />
tung, daß das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nun an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits <strong>für</strong> Frauen eingeführt wer<strong>de</strong>n<br />
muß.“ 1349 Selbst dann nicht, wenn die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Län<strong><strong>de</strong>r</strong>vertretung<br />
nicht übernehmen wür<strong>de</strong>.<br />
Lehmann sprach in diesem Zusammenhang von <strong>de</strong>n Gesamt<strong>de</strong>utschen<br />
Meisterschaften, bei <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV <strong>für</strong> kein Riemenrennen mel<strong>de</strong>te, so<br />
dass alle Riemenbootsklassen vom DRSV besetzt wur<strong>de</strong>n.<br />
Sie vertrat nicht nur ihre persönliche Meinung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die <strong>de</strong>s UAF<br />
und <strong>de</strong>s DRV, wenn sie feststellte: „Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband lehnt <strong>de</strong>n<br />
Wettkampf <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Riemenboot ab.“ 1350 Daher sollten alle Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>innen weiterhin im Wettkampf das Skullen betreiben. 1351 Dennoch wur<strong>de</strong><br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1958 vom RC „Germania“ Düsseldorf <strong><strong>de</strong>r</strong> Antrag auf Ein-<br />
führung <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong>für</strong> Frauen gestellt. Dieser scheiterte aller-<br />
dings. 1352 Lehmann kommentierte:<br />
1348<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 161.<br />
1349<br />
G. LEHMANN, „Die Frauen in Riemenbooten“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 75(1957)21, S. 454.<br />
1350<br />
Ebenda.<br />
1351<br />
Vgl. ebenda.<br />
1352<br />
BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 111.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 328<br />
„Nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterausschuß Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nimmt dagegen Stellung,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen selbst und vor allem Trainer und<br />
Frauen-Rennmannschaften sind gegen <strong>de</strong>n Antrag.“ 1353<br />
Prinzipiell stützten sich die Kritiker <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns auf drei Behauptun-<br />
gen. An erster Stelle wur<strong>de</strong>n medizinische Be<strong>de</strong>nken gegen das Riemenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n vorgebracht. So gab beispielsweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutsche Sportärztebund<br />
bekannt, dass Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei Mädchen und Frauen, sofern trainingsmä-<br />
ßig betrieben, zu morphologischen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen führen kann. „Die un-<br />
symmetrische Körperarbeit sei auf Dauer schädigend, weil eine zu einseitige<br />
Verdrehung <strong>de</strong>s Rumpfes erfolgt.“ 1354<br />
Dies stand im klaren Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu <strong>de</strong>n Ergebnissen <strong><strong>de</strong>r</strong> 1954 vom Interna-<br />
tionalen Sportärztebund durchgeführten Umfrage, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in all<br />
seinen Facetten <strong>für</strong> Frauen als unbe<strong>de</strong>nklich eingestuft hatte. Die logische<br />
Konsequenz konnte nur heißen, alle Frauen von je<strong><strong>de</strong>m</strong>, äußersten Einsatz<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Leistungssport auszuschließen. 1355<br />
Unterstützung erhielt Lehmann durch <strong>de</strong>n Arzt Hans Hoske. Dieser stellte<br />
fest, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> größere Kraftaufwand, <strong><strong>de</strong>r</strong> beim Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n seiner Meinung<br />
nach betrieben wer<strong>de</strong>n musste, von Frauen nicht zu leisten sei: „Die sehr viel<br />
geringere Kraft und Stabilität <strong>de</strong>s weiblichen Schultergürtels ist eine bekann-<br />
te Tatsache.“ 1356 Richtig ist, dass die Kraftentwicklung bei Frauen geringer<br />
ist, <strong>de</strong>nn Frauen haben im Vergleich zu Männern bei gleicher Größe etwa 20<br />
bis 25kg weniger Muskelmasse. Zu dieser Frage bemerkte Frauenbun<strong>de</strong>s-<br />
trainer Holtmeyer 2007:<br />
„Dass Frauen-Achter zwischen 20 und 30 Sekun<strong>de</strong>n langsamer<br />
sind, als ihre männlichen Pendants liegt eben einfach am größeren<br />
Druck hinter <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>blatt, <strong>de</strong>n die Männer aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Muskelmasse entwickeln können, physisch und von <strong><strong>de</strong>r</strong> Technik<br />
her gesehen, gibt es eher wenig Unterschie<strong>de</strong>.“ 1357<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kritiker merkten an, dass Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n selbst <strong>für</strong> Männer so an-<br />
strengend sei, dass sie zumeist völlig „ausgepumpt“ ins Ziel kämen. 1358 Die-<br />
1353 G. LEHMANN, „Frauen lehnen die Riemenboote ab“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 76(1958)7, S. 184.<br />
1354 G. LEHMANN, „Die Frauen in Riemenbooten“, S. 454.<br />
1355 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 161.<br />
1356 H. HOSKE, „Zur Frage <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 72(1954)25, S. 453.<br />
1357 A. BOES, „Frauen-Achter – irgendwie das richtige Leben. Wie es funktioniert, was es<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>t und wer es prägt“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 125(2007)7, S. 8.<br />
1358 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 161.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 329<br />
ser Anblick sei bei Frauen noch weniger zu ertragen, die als „Sinnbild <strong>de</strong>s<br />
Schönen, <strong>de</strong>s Gleichmaßes und <strong>de</strong>s Weichen“ 1359 anzusehen seien.<br />
Ästhetische Be<strong>de</strong>nken dominierten und viele Männer lehnten das Riemenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen entschie<strong>de</strong>n ab. Ein Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er schrieb:<br />
„[...] wir sind gegen das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n unserer Mädchen und<br />
Frauen im Rennsport. „[...], weil das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Rennboot<br />
eine rein männliche Angelegenheit ist und auch bleiben muß, genauso<br />
wie das Boxen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Fußballsport. Dort wollen wir auch<br />
keine sehen, <strong>de</strong>nn wir lehnen <strong>de</strong>n vermännlichten Typ <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau,<br />
und <strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n wir zweifellos schaffen, ab.“ 1360<br />
Pfeiffer wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprach <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinung, dass „sie im Kampf und im Endspurt am<br />
Riemen eine schlechte Figur machen könnten.“ 1361 Ähnlich wie bei <strong>de</strong>n Män-<br />
nern sei es lediglich eine Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> sorgfältigen <strong>Aus</strong>bildung und <strong>de</strong>s Trai-<br />
nings. Er sah die Problematik in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Feld und verwies auf die<br />
Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre schon rückläufige Regattabeteiligung. Obwohl die<br />
Rennen alle im Skullbereich ausgeschrieben waren, kamen viele nicht zu<br />
Stan<strong>de</strong>. Sollte also <strong><strong>de</strong>r</strong> Mangel an solchen Booten <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund sein und auf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite eine große Anzahl Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen stehen, dann wäre es, so<br />
Pfeiffer, richtig, Riemenrennen zu planen. Er aber vertrete die Meinung, dass<br />
eine solche Maßnahme nur dazu führen wür<strong>de</strong>, die wenigen Rennmann-<br />
schaften, die überhaupt existierten, weiter zu „zersplittern“ und die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ausfallen<strong>de</strong>n Rennen noch zu erhöhen. 1362 Auch Böbbis be<strong>für</strong>chtete, dass<br />
eine <strong>Aus</strong><strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns eine Verzettelung <strong><strong>de</strong>r</strong> vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Kräfte be<strong>de</strong>uten und damit „eine leistungsmäßige Verbesserung <strong>de</strong>s schma-<br />
len Rennfel<strong>de</strong>s verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong>.“ 1363 Lehmann stützte noch 1957 diese Ar-<br />
gumentation:<br />
„Warum sollen wir in ein gleiches Stadium geraten, in <strong><strong>de</strong>m</strong> sich die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen in Riemenbooten<br />
seit Jahren befin<strong>de</strong>n? Es wür<strong>de</strong> unbedingt die Situation<br />
eintreten, wenn wir auf <strong>de</strong>n Regatten <strong>de</strong>s DRV nun auch noch<br />
Vierer und Achter ausschreiben, daß sich die Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
1359<br />
Ebenda.<br />
1360<br />
H. VAGT, „Riemen o<strong><strong>de</strong>r</strong> skullen <strong>für</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 69(1951)20, S. 396.<br />
1361<br />
H. PFEIFFER, „Frauen im Riemenboot“, S. 443.<br />
1362<br />
Vgl. ebenda.<br />
1363<br />
R. BÖBBIS, „Randbemerkungen zu <strong>de</strong>n ersten Europameisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in:<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 72(1954)4, S. 453.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 330<br />
verzetteln, also genau das eintreten wür<strong>de</strong>, was Herr Pfeiffer bereits<br />
1951 vorausgesagt hatte.“ 1364<br />
Sie war <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, dass das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
nicht so populär wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> wie erhofft. Der Mangel an Booten dürfte<br />
nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund sein. Daher stellte sie die Frage, ob eine För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />
Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns wirklich notwendig sei und betonte, dass auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung in<br />
Frankfurt die Vertreterinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenabteilungen und -vereine sich ein-<br />
stimmig zum Skullen bekannt hatten. Hierbei hätten beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die jüngeren<br />
Vertreterinnen ihre Ablehnung <strong>de</strong>utlich gemacht. 1365<br />
Natürlich wur<strong>de</strong>n auch finanzielle Aspekte bedacht. Die Einführung <strong>de</strong>s Rie-<br />
menru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong>für</strong> Frauen hätte konsequenterweise mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anschaffung geeig-<br />
neter Boote einhergehen müssen. Diese zusätzlichen Kosten wür<strong>de</strong>n die<br />
Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine vor große finanzielle Probleme stellen, da in <strong>de</strong>n 50er<br />
Jahren nicht einmal genügend Skullboote angeschafft wer<strong>de</strong>n konnten. 1366<br />
Ueberhorst merkte hierzu an, dass Skullboote beim DDRV Priorität hatten<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF nach <strong><strong>de</strong>m</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges unter Berufung auf<br />
die Tradition diese Einstellung schlichtweg übernommen hatte. Eine Nach-<br />
frage unter <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zum Thema Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und ihren Interessen<br />
hatte allerdings nie stattgefun<strong>de</strong>n. 1367<br />
Stellvertretend <strong>für</strong> die Be<strong>für</strong>worter <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns sei hier die Meinung<br />
<strong>de</strong>s Herausgebers <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen Fachzeitschrift Rowing, Hylton Cleaver<br />
dargestellt:<br />
„Der große Vorteil beim Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Achter im Vergleich zu <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einsamkeit beim Skullen liegt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft beim Training<br />
und in spannungsreichen Zeiten, in <strong><strong>de</strong>m</strong> Mannschaftsgeist, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
durch die Gemeinschaft entsteht, und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß in Situationen,<br />
wo ein Skuller einen hoffnungslosen Kampf aufgegeben<br />
hat, niemals ein Mann aus einem Achter aufgehört hat zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
während die 7 an<strong><strong>de</strong>r</strong>en weitermachten.“ 1368<br />
Walter Ulrich berichtete über die durchweg positiven Erfahrungen, die Frau-<br />
en im <strong>Aus</strong>land mit Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gemacht hatten. 1369 Die Frage, ob kom-<br />
men<strong>de</strong> Frauenmannschaften im Riemenrennboot in stilistischer Hinsicht<br />
1364<br />
G. LEHMANN, „Frauen lehnen die Riemenboote ab“, S. 185.<br />
1365<br />
Ebenda, S. 184.<br />
1366<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 161.<br />
1367<br />
Vgl. ebenda.<br />
1368<br />
H. CLEAVER, „Skullen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 70[1952]o.A., S. 426.<br />
1369<br />
Vgl. W. ULRICH, „Riemen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Skullen <strong>für</strong> Frauen?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 69(1951)o.A., S. 320.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 331<br />
weniger schön ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong>n als jene im Skullboot, vor allem im Hinblick auf<br />
die Endspurtproblematik, verneinte er:<br />
„Nach all <strong><strong>de</strong>m</strong>, was ich bisher von gut trainierten Frauen-<br />
Riemenbootmannschaften im <strong>Aus</strong>land gesehen habe, kann ich<br />
nur erklären, daß auch Frauenmannschaften im Riemenboot genauso<br />
in Schönheit sterben können, wie bisher im Skullboot. Es<br />
wird aber auch hier Mannschaften geben, die Schönheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit<br />
mit Zweckmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit und schnellem Fortgang<br />
<strong>de</strong>s Bootes in guten Einklang bringen wer<strong>de</strong>n.“ 1370<br />
Die internationale Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Nationen zwang <strong>de</strong>n UAF zum<br />
Han<strong>de</strong>ln. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl Ingrid Stahl-Dieterles stand ab 1964 eine Be<strong>für</strong>worte-<br />
rin <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Aus</strong>schuss vor. Unterstützung erhielt sie von<br />
Adam, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich schon ein Jahr zuvor <strong>für</strong> die Belange <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Riemen-<br />
bereich eingesetzt hatte. 1966 wur<strong>de</strong> Claus Heß in das Amt <strong>de</strong>s DRV-<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>n gewählt. Becker berichtet, dass in diesem Jahr das Riemenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um Inhalt eines Antrages an <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag war. Diesem wur<strong>de</strong><br />
zwar nicht stattgegeben, aber die Verantwortlichen einigten sich auf einen<br />
Versuch. Die Delegierten erteilten bis zum nächsten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag eine <strong>Aus</strong>nah-<br />
megenehmigung zur <strong>Aus</strong>schreibung von Riemenbootrennen im Vierer mit<br />
Steuermann und im Achter. Dem nächsten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag sollten durch diese<br />
Versuche Unterlagen beschafft wer<strong>de</strong>n, „damit endgültig über die Einführung<br />
<strong>de</strong>s Riemenboot-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns <strong>für</strong> Frauen entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könnte [...].“ 1371<br />
Heß unterstützte die Bemühungen um das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Im dritten Anlauf<br />
wur<strong>de</strong> die Einführung <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>für</strong> Frauen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1968<br />
beschlossen. Nach erfolgreichen Testrennen brachte das „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen“ die Neuerungen: Für die Saison waren Rennen im Riemenzweier auf<br />
drei Regattaplätzen, Rennen im Riemenvierer anlässlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kämpfe<br />
sowie die „Meldung eines Riemenvierers zur Europameisterschaft ge-<br />
plant.“ 1372<br />
Die bisherigen Argumente von <strong><strong>de</strong>r</strong> fehlen<strong>de</strong>n Ästhetik und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
großen und zu asymmetrischen Belastung durch das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n waren<br />
sowohl aus medizinischer Sicht als auch durch die Erfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen wi<strong><strong>de</strong>r</strong>legt wor<strong>de</strong>n. So kam es auf einer Regatta in Mainz 1969 zum ers-<br />
1370 Ebenda.<br />
1371 BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 112.<br />
1372 UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 162.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 332<br />
ten Frauen-Riemenrennen seit fast 40 Jahren. Dieterle wertete diesen Start<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Riemenvierer auf einer DRV-Regatta als Erfolg. Sie berichtete auch von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Premiere dieser Bootsklasse im Rahmen eines Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kampfes zwischen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik und Frankreich. Sie bedauerte, dass bei<strong>de</strong> Verbän<strong>de</strong> nur<br />
die Meldung einer Riemenmannschaft erlaubten. Grund hier<strong>für</strong> waren die<br />
laut Dieterle immer noch herrschen<strong>de</strong>n Vorurteile. Dennoch sei das Riemen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland auf <strong><strong>de</strong>m</strong> richtigen Weg. Das erste Rennen wur<strong>de</strong> ge-<br />
wonnen:<br />
„Es ist scha<strong>de</strong>, daß wahrscheinlich die wenigen alten Gegner <strong>de</strong>s<br />
Frauen-Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns dieses Rennen und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das<br />
DRV-Boot (Germania Kiel) nicht sahen. Die Kielerinnen <strong><strong>de</strong>m</strong>onstrierten<br />
überzeugend, daß Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ohne die so oft zitierte unästhetische<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>weise flüssig und kraftvoll im Riemenboot<br />
‘zurechtkommen’ können. Im ruhiger wirken<strong>de</strong>n 36 Schlag distanzierten<br />
sie <strong>de</strong>utlich die französische Mannschaft, die zwar auch<br />
nicht unästhetisch, wohl aber noch ungeschliffen und anfängerhaft<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te. War es nicht auch ein Anfang?“ 1373<br />
Die Riemenbootsklassen wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Frauen gut angenommen. Die<br />
Startversuche im gesteuerten Riemenvierer und im ungesteuerten Zweier<br />
en<strong>de</strong>ten im vergangenen Jahr so verheißungsvoll, „daß eine Reihe von Ver-<br />
anstaltern sich bereit zeigte, das Programm zu erweitern.“ 1374<br />
Bereits 1970 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Meisterschaftstitel im Zweier ohne Steuerfrau<br />
und im Vierer mit Steuerfrau beim DMR vergeben. Ilse Lebert und Astrid<br />
Kallmeyer aus Kiel gewannen <strong>de</strong>n Zweier. Im Vierer war lediglich ein Boot<br />
am Start, so dass das Boot <strong>de</strong>s RC Tegel Berlin konkurrenzlos gewann. Die<br />
Einführung <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns trug einerseits zur Stabilisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mel<strong>de</strong>-<br />
zahlen beim DMR bei. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits festigte sich das Frauenrennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ins-<br />
gesamt durch das neue Angebot.<br />
Der Zweier war Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre bei <strong>de</strong>n Frauen beliebt. Lebert berich-<br />
tete, dass diese Bootsklasse ein <strong>für</strong> Frauen gut geeigneter Typ sei. 1375 Aller-<br />
dings war sie an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Ansicht als Adam, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Besetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Großboote<br />
über Training in Kleinbooten favorisierte. Sie vertrat die Meinung, dass man<br />
nicht über <strong>de</strong>n Zweier zu einem schlagkräftigen Vierer gelangen könnte,<br />
1373 I. DIETERLE, „Es hat sich gelohnt!“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)15, S. 390.<br />
1374 E. SCHUMANN, „Neuland <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 88(1970)10, S. 282.<br />
1375 Vgl. I. LEBERT, „Gedanken einer aktiven Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in zum Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
87(1969)5, S. 91.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 333<br />
<strong>de</strong>nn „schließlich müssen zwei gute Bausteine sich zu einem Ganzen zu-<br />
sammenfin<strong>de</strong>n“. 1376 Der Riemenzweier ist sowohl bei <strong>de</strong>n Frauen als auch<br />
bei <strong>de</strong>n Männern bis heute elementarer Teil <strong>de</strong>s Trainings und wird auch zur<br />
Besetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Großboote im Rahmen von <strong>Aus</strong>scheidungstests herangezo-<br />
gen.<br />
Die Mel<strong>de</strong>ergebnisse im Zweier beim DMR sind seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung zufrie<strong>de</strong>n<br />
stellend. Die Beteiligung im Vierer war in <strong>de</strong>n 70er Jahren eher gering. Häu-<br />
fig waren nur zwei Boote am Start, erst in <strong>de</strong>n 80er Jahren stabilisierten sich<br />
die Mel<strong>de</strong>ergebnisse. Von 1989 an wird diese Bootsklasse ohne Steuermann<br />
ausgefahren.<br />
Auch im Frauen-Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n eingeführt,<br />
allerdings mit sehr geringen Mel<strong>de</strong>ergebnissen. Von 1986 bis 1996 ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten<br />
die Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootsklasse Leichtgewichts-Vierer. Ab 1997 wur<strong>de</strong> diese<br />
Bootsklasse zu Gunsten <strong>de</strong>s Leichtgewichts-Frauen-Doppelvierers aufgege-<br />
ben. Der Frauen-Leichtgewichts-Zweier stand 1998 erstmalig beim DMR auf<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Programm. 1377 Seit 2005 wird dieses Rennen nicht mehr im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s DMR angeboten, da das Interesse zu gering ist.<br />
Als 1974 die erste Weltmeisterschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Luzern statt-<br />
fand, wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweier erstmalig international ausgefahren. Dieterle be-<br />
scheinigte <strong>de</strong>n DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, <strong>de</strong>n Anschluss an die Weltspitze geschafft<br />
zu haben: „Zum Riemen drängt, am Riemen hängt“. 1378 In dieser Saison<br />
nahmen die DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen endgültig Besitz von dieser bisher nur zögernd<br />
gehandhabten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>art.<br />
Um <strong>de</strong>n Weltmeistertitel im Zweier kämpften elf Mannschaften. Rumänien<br />
gewann das Finale. Doris Leifermann und Karin Gondolatsch vom Hambur-<br />
ger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club wur<strong>de</strong>n sechste. 1379<br />
Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorsprung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s Ostblocks in <strong>de</strong>n 80er Jahren<br />
nicht aufgeholt wer<strong>de</strong>n konnte, gelang es <strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utschen Sportlerinnen<br />
bei internationalen Großmeisterschaften in dieser Disziplin Medaillen zu ge-<br />
winnen.<br />
1376<br />
Ebenda.<br />
1377<br />
Begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann dies mit <strong><strong>de</strong>r</strong> WM in Köln. Hier wur<strong>de</strong> diese Bootsklasse erstmalig<br />
angeboten.<br />
1378<br />
I. DIETERLE, „Riemen Boom. Eine Betrachtung zum Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Duisburg“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
92(1974)21, S. 515.<br />
1379<br />
Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 122.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 334<br />
Zusammenfassend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die Zeichen <strong>für</strong> das<br />
Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen von <strong>de</strong>n Verantwortlichen <strong>de</strong>s DRV zu spät er-<br />
kannt wor<strong>de</strong>n sind. Letztlich war <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband unter Zugzwang geraten und<br />
konnte sich <strong><strong>de</strong>m</strong> Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht mehr länger verschließen, wenn die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen international konkurrenzfähig sein sollten.<br />
7.1.4 Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Der Mannheimer Regatta-Verein richtete 1947 die erste Meisterschaftsregat-<br />
ta nach Kriegsen<strong>de</strong> aus. Angekündigt waren „Spitzenmannschaften aus allen<br />
Zonen“ 1380 . Für die Frauen wur<strong>de</strong>n Rennen im Doppelzweier und im Doppel-<br />
vierer mit Steuermann angeboten. Die Streckenlänge betrug 800m. Die Teil-<br />
nahme an dieser ersten Nachkriegsveranstaltung stellte viele Vereine vor<br />
große organisatorische Probleme. So berichtete beispielsweise eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> 21 Stun<strong>de</strong>n dauern<strong>de</strong>n Zugfahrt von Hamburg nach Mannheim. 1381<br />
Die Boote waren ebenfalls fünf Tage vorher zum <strong>Aus</strong>tragungsort gebracht<br />
wor<strong>de</strong>n. Die Skulls wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n überfüllten Abteilen als Handgepäck mitge-<br />
führt. 1382<br />
Trotz aller Schwierigkeiten waren fünf Doppelvierer aus allen Zonen am<br />
Start. Der Frankfurter Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportverein Sachsenhausen gewann diese<br />
Bootsklasse. Auf <strong>de</strong>n Plätzen folgten Wassersportverein Go<strong>de</strong>sberg 1909/11<br />
e. V. und RG Wiesba<strong>de</strong>n-Biebrich. Der RV Bochum been<strong>de</strong>te das Doppel-<br />
zweier-Rennen vor <strong>de</strong>n Booten aus Wilhelmshaven und Mülheim. 1383 Die<br />
Strapazen sollten sich auszahlen. 1948 wur<strong>de</strong>n alle Mannschaften, die an<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> DMR im Vorjahr teilgenommen hatten, zur Paulskirchen-Regatta 1384<br />
nach Frankfurt am Main eingela<strong>de</strong>n. 1385<br />
Bis zur Einführung <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
1969 wur<strong>de</strong>n alle Rennen nur im Skullbereich ausgefahren. Zur besseren<br />
1380<br />
Ebenda, S. 41.<br />
1381<br />
Vgl. ebenda.<br />
1382<br />
Vgl. SCHUMANN, „Keine Bleibe – keine Boote. Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nach <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Krieg“, S. 54.<br />
1383<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Doppelzweier – Frauen (Plätze 1-<br />
3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-f-dz.htm, Zugriff am 16.<br />
12. 2008.<br />
1384<br />
Die Paulskirchen-Regatta in Frankfurt a.M. fand am 22. August 1948 statt. Der Name<br />
leitet sich von <strong><strong>de</strong>r</strong> Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>tjahrfeier <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten <strong>Deutschen</strong> Nationalversammlung ab.<br />
1385<br />
Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 43.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 335<br />
Übersicht ist im Folgen<strong>de</strong>n die Entwicklung in <strong>de</strong>n einzelnen Bootsklassen<br />
<strong>de</strong>s DMR <strong>für</strong> Frauen aufgeführt. 1386<br />
Bootsklasse <strong>Aus</strong>gefahren Bemerkung<br />
1x 1948 bis heute<br />
2x 1947 bis heute<br />
4x 1947 bis heute bis 1984 mit Steuermann<br />
2- 1970 bis heute<br />
4- 1970 bis heute bis 1988 mit Steuermann<br />
8+ 1991 bis heute 2005-2010 nicht ausgefahren<br />
Leichtgewicht<br />
1x 1984 bis heute Höchstgewicht 59 kg<br />
2x 1985 bis heute Durchschnittsgewicht 57 kg<br />
4x 1997 bis heute Durchschnittsgewicht 57 kg<br />
2- 1998 bis heute 2005-2010 nicht ausgefahren<br />
4- 1986-1996<br />
Tab. 8: Bootsklassen <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns beim <strong>Deutschen</strong> Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Die Genese in <strong>de</strong>n einzelnen Bootsklassen orientierte sich an <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
FISA vorgegebenen Entwicklung. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> 2.000m-Strecke<br />
1985 wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Folgejahren auf die Steuerleute sowohl im Doppelvierer<br />
als auch im Vierer verzichtet.<br />
Der Einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen wird seit 1948 ausgefahren. Den ersten Titel gewann<br />
Gerda Kanowski vom RC Westfalen Her<strong>de</strong>cke. 1387<br />
Bis 1990 waren lediglich in <strong>de</strong>n Jahren 1955 und 1965 nur zwei Boote am<br />
Start. In allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Jahren konnten min<strong>de</strong>stens die ersten drei Plätze<br />
vergeben wer<strong>de</strong>n. Erwähnenswert ist die Leistung von Ingrid Scholz vom<br />
Duisburger RV, die von 1951 bis 1956 sechsmal in Folge die Rennen im Ei-<br />
1386 An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass bewusst <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamte Zeitraum von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einführung bis heute und nicht etwa nur bis 1989 dargestellt wur<strong>de</strong>. Das Deutsche Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
sowie die <strong>Deutschen</strong> Sprintmeisterschaften nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung<br />
wer<strong>de</strong>n in Kap. 8.1 nochmals behan<strong>de</strong>lt.<br />
1387 Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (DMR) Einer – Frauen (Plätze 1-<br />
3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-f-einer.htm, Zugriff am<br />
16. 12. 2008.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 336<br />
ner gewann. 1388 1956 krönte sie ihre Karriere mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Europameister-Titel.<br />
Insgesamt erreichte sie zehn Deutsche Meisterschaften in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Bootsklassen. In Anerkennung ihrer Leistung wur<strong>de</strong> ihr 1956 vom Bun<strong>de</strong>s-<br />
präsi<strong>de</strong>nten das „Silberne Lorbeerblatt“ überreicht. 1389<br />
Die Dominanz einzelner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Einer setzte sich fort. Karen Wolf,<br />
später Ulrich, vom Bran<strong>de</strong>nburger RK gewann von 1959 bis 1965 sieben Ti-<br />
tel. Thea Gröll, verheiratete Thiem, gewann im Einer <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ulmer RC Do-<br />
nau 1979 und 1980. Von 1982 bis 1984 erru<strong><strong>de</strong>r</strong>te sie außer<strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Hannoverschen RC von 1880 <strong>de</strong>n ersten Platz. Titie Jordache vom Regens-<br />
burger RV von 1898 wur<strong>de</strong> von 1988 bis 1990 Deutsche Meisterin im Ei-<br />
ner. 1390<br />
Die Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Doppelzweier von 1947 bis 1990 zeigt eine<br />
ähnliche Entwicklung wie die im Einer. In <strong>de</strong>n ersten bei<strong>de</strong>n Jahren konnte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> RV Bochum von 1920 mit Hil<strong>de</strong> Tubis und Hannelore Sauter <strong>de</strong>n ersten<br />
Platz belegen. 1391 Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre dominierten die Kölnerinnen Marita<br />
Goltz und Herma Hey<strong>de</strong>n. Sie erreichten von 1952 bis 1954 als erste das<br />
Ziel, nach<strong><strong>de</strong>m</strong> sie 1951 zweite gewor<strong>de</strong>n waren. Erwähnt wer<strong>de</strong>n muss an<br />
dieser Stelle, dass von 1954 bis 1957 das Deutsche Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als<br />
gesamt<strong>de</strong>utsche Meisterschaften 1392 durchgeführt wur<strong>de</strong>. Im Rahmen dieser<br />
Wettbewerbe traten die Boote <strong>de</strong>s DRV gegen die <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an.<br />
Von 1957 bis 1959 setzte sich Ingrid Scholz mit wechseln<strong>de</strong>n Partnerinnen in<br />
dieser Bootsklasse durch. In <strong>de</strong>n 60er Jahren gelang es Christl Schmidt-<br />
Lehnert und Annemarie Rupprecht, zweimal das DMR zu gewinnen. 1966<br />
erreichten sie einen zweiten Platz beim DMR. Die 70er Jahre sind zunächst<br />
geprägt von <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s Koblenzer RC Rhenania. Astrid Hohl ge-<br />
wann 1973 mit Renate Lantin, in <strong>de</strong>n zwei folgen<strong>de</strong>n Jahren ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te sie mit<br />
Regine Adam. Ebenfalls drei Titel in Folge erreichte Marga Trapp aus Köln.<br />
Von 1976 bis 1978 wur<strong>de</strong> sie mit drei wechseln<strong>de</strong>n Partnerinnen Erste. Die<br />
1388<br />
Vgl. ebenda.<br />
1389<br />
Vgl. SCHUMANN, „Lang ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg nach Olympia“, S. 624.<br />
1390<br />
Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (DMR) Einer – Frauen (Plätze 1-3)“,<br />
Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1391<br />
Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (DMR) Doppelzweier – Frauen (Plätze<br />
1-3)“, Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1392 Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führung in Kap. 7.3.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 337<br />
Rennbeteiligung beim DMR im Doppelzweier war insgesamt geringer als im<br />
Einer. So waren in zehn Rennen <strong>de</strong>s DMR nur zwei Boote am Start. 1393<br />
Das DMR im Doppelvierer wird ab 1985 ohne Steuermann ausgefahren. Wie<br />
auch schon vor 1945 zeigte sich insgesamt eine hohe Beteiligung in dieser<br />
Bootsklasse. Lediglich 1972 machten nur zwei Mannschaften die Platzierun-<br />
gen unter sich aus. 1975 gab es diesbezüglich einen Tiefpunkt, als nur eine<br />
Meldung <strong>de</strong>s RV Collegia Berlin vorlag. 1394 Ebenfalls auffällig ist in dieser<br />
Bootsklasse die Teilnahme von Renngemeinschaften. Insgesamt wur<strong>de</strong>n bis<br />
1990 nur 13 Titel von Vereinsmannschaften gewonnen. In <strong>de</strong>n 50er Jahren<br />
dominierten die anfänglich von Erika Stöck trainierten HRC-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen die-<br />
se Bootsklasse. Als Stöck erkrankte, übernahm Jutta Wilcke das Training.<br />
Der HRC gewann von 1951 bis 1953 <strong>de</strong>n Titel. Wilcke selbst steuerte <strong>de</strong>n<br />
Doppelvierer bei allen drei Veranstaltungen <strong>de</strong>s DMR. 1395 In <strong>de</strong>n 60er Jahren<br />
gelang es <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft <strong>de</strong>s RC Tegel 1886, die Siegesserie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennge-<br />
meinschaften zu been<strong>de</strong>n. Die Berlinerinnen konnten 1962 und 1963 alle<br />
Boote hinter sich lassen. Von Anfang bis Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre waren keine<br />
Renngemeinschaften mehr erlaubt. 1975 wur<strong>de</strong> vom Bremer RC Hansa <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
letzte Titel einer Vereinsmannschaft gewonnen. Von 1976 an waren wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Renngemeinschaften zugelassen. Den Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s Neusser RV/Kölner<br />
RV von 1877/Frauen-RC Wannsee Berlin gelang es als letzter Mannschaft<br />
überhaupt, von 1978 bis 1980 Titel in Folge zu erru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. In <strong>de</strong>n 80er Jahren<br />
traten immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> neu zusammengesetzte Renngemeinschaften an. Heike<br />
Grunert, Anne Dickmann, Andrea Klapheck und Regina Kleine-Kuhlmann<br />
seien hier stellvertretend <strong>für</strong> die unterschiedliche Besetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelvierer<br />
genannt. Sie alle gewannen mehrere Titel mit unterschiedlichen Partnerin-<br />
nen. 1396<br />
Seit 1970 wer<strong>de</strong>n <strong>für</strong> Frauen beim DMR Rennen im Riemenbereich angebo-<br />
ten. Der Zweier sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierer ohne Steuermann 1397 sind fester Bestandteil<br />
1393<br />
Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (DMR) Doppelzweier – Frauen (Plätze<br />
1-3)“, Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1394<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Doppelvierer – Frauen (Plätze 1-<br />
3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-f-dv.htm, Zugriff am 16.<br />
12. 2008.<br />
1395<br />
Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 46-49.<br />
1396<br />
Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Doppelvierer – Frauen (Plätze 1-3)“,<br />
Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1397<br />
Bis 1988 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierer mit Steuermann ausgefahren.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 338<br />
<strong>de</strong>s Wettbewerbs. Erst ab 1991 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenachter ins Programm auf-<br />
genommen.<br />
Die Beteiligung im Vierer und im Zweier war in <strong>de</strong>n 70er Jahren gering. Der<br />
erste Titel im Vierer mit Steuermann ging kampflos an <strong>de</strong>n RC Tegel 1886. In<br />
<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n zwei Jahren waren nur zwei Boote am Start, 1973 und 1974<br />
lag wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um jeweils nur eine Meldung vor. 1398 Von 1975 bis 1978 mel<strong>de</strong>ten<br />
erneut nur zwei Boote. Bis 1990 setzte sich diese Entwicklung fort. In <strong>de</strong>n<br />
folgen<strong>de</strong>n zwölf Jahren lagen vier Mal nur zwei Meldungen vor, zweimal<br />
wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel sogar kampflos gewonnen. Die RG Germania Kiel gewann<br />
das DMR in <strong>de</strong>n ersten drei Jahren. Erfolgreich war auch <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC mit zwei<br />
Titeln. Angela Braasch-Eggert erreichte insgesamt vier Deutsche Meister-<br />
schaften im Vierer, davon drei als Steuerfrau. 1399 In <strong>de</strong>n 80er Jahren waren<br />
Ellen Becker und Iris Völkner die dominieren<strong>de</strong>n Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Sie ge-<br />
wannen mehrere Titel sowohl im Vierer als auch im Zweier.<br />
Im Zweier ohne Steuermann war die Beteiligung insgesamt besser als im<br />
Vierer. Bis 1990 kam es lediglich zu fünf Rennen, in <strong>de</strong>nen nur zwei Boote<br />
am Start waren. 1400 Neben Becker und Völkner müssen auch Stefanie<br />
Werremeier und Ingeburg Althoff genannt wer<strong>de</strong>n, die von 1989 bis 1992<br />
durchgängig <strong>de</strong>n ersten Platz beim DMR im Zweier belegten. Gleiches ge-<br />
lang <strong><strong>de</strong>r</strong> RG Germania Kiel mit Ilse Lebert, die 1970 und von 1972 bis 1973<br />
mit unterschiedlichen Partnerinnen Erste im Zweier wur<strong>de</strong>.<br />
Als erste Leichtgewichtsklasse <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen wur<strong>de</strong> 1984 <strong><strong>de</strong>r</strong> Einer eingeführt.<br />
Angela Schuster von <strong><strong>de</strong>r</strong> Hanauer RG 1879 war von 1987 bis 1989 nicht zu<br />
schlagen. 1401 1985 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelzweier in das Programm <strong>de</strong>s DMR auf-<br />
genommen. Die erste Deutsche Meisterin im Leichtgewichtseiner-Einer war<br />
Evelyn Herwegh. Ihr gelang es im Jahr darauf, <strong>de</strong>n Titel im Doppelzweier mit<br />
1398 Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Riemenvierer – Frauen (Plätze 1-<br />
3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-f-v.htm, Zugriff am 16.<br />
12. 2008. Ferner vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Zweier-ohne –<br />
Frauen (Plätze 1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-fzo.htm,<br />
Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1399 HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Riemenvierer – Frauen (Plätze 1-3)“, Zu-<br />
griff am 16. 12. 2008.<br />
1400 Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Zweier-ohne – Frauen (Plätze 1-3)“,<br />
Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1401 Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Leichtgewichts-Einer – Frauen<br />
(Plätze 1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-lgf-einer.htm,<br />
Zugriff am 16. 12. 2008.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 339<br />
Claudia Engels zu erlangen. 1402 Nur ein Jahr später kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtgewichts-<br />
Vierer ohne Steuermann hinzu, <strong><strong>de</strong>r</strong> erst ab 1997 als Doppelvierer ohne<br />
Steuermann ausgefahren wird. 1403 Evelyn Herwegh konnte in dieser Boots-<br />
klasse zum dritten Mal in Folge einen <strong>Deutschen</strong> Meistertitel erringen. Im<br />
Vierer ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te sie in einer Renngemeinschaft aus Frauen-RV Freiweg Frank-<br />
furt/RC Westfalen Her<strong>de</strong>cke/Hei<strong>de</strong>lberger RK 1972/Karlsruher RV Wiking. 1404<br />
Der Kreis <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Elite im Frauen-Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war klein.<br />
Stellvertretend sind an dieser Stelle Angela Schuster, Claudia Waldi, Evelyn<br />
Herwegh, Christiane Weber, Alrun Urbach und Ute Zobeley 1405 aufgeführt,<br />
die in unterschiedlichen Bootsklassen Deutsche Meistertitel im Leichtge-<br />
wichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erringen konnten. Seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung bis 1990 konnten in je-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr in allen Rennen die Podiumsplätze ausgefahren wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gewann national und international immer mehr an<br />
Be<strong>de</strong>utung. Dennoch mehrte sich Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre die Kritik: „Da ist die<br />
Re<strong>de</strong> von ‘Dünnbrettbohrern’, ‘Dünnbeinen’ o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Formel 2 <strong>de</strong>s Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>sports.“ 1406<br />
Zusammenfassend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass sich die Startmöglichkei-<br />
ten <strong>für</strong> Frauen beim DMR stetig verbessert haben. Die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ren-<br />
nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtgewichte in <strong>de</strong>n 80er Jahren erscheint aus heutiger Sicht spät,<br />
allerdings gab es auch erst von diesem Zeitpunkt an internationale Ver-<br />
gleichsmöglichkeiten.<br />
7.2 Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
Die Frau im Sozialismus war theoretisch in allen Lebensbereichen, also auch<br />
im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport, gleichberechtigt. Den Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen stan<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend<br />
alle Bootsklassen zur Verfügung.<br />
1402 Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Leichtgewichts-Doppelzweier –<br />
Frauen (Plätze 1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-lgfdz.htm,<br />
Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1403 Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Leichtgewichts-Vierer-ohne –<br />
Frauen (Plätze 1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-lgfvo.htm,<br />
Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1404 Ebenda.<br />
1405 Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Leichtgewichts-Einer – Frauen (Plätze<br />
1-3)“, Zugriff am 16. 12. 2008. Ferner vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Leichtgewichts-Doppelzweier – Frauen (Plätze 1-3)“, Zugriff am 16. 12. 2008. Ferner vgl.<br />
HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Leichtgewichts-Vierer-ohne – Frauen<br />
(Plätze 1-3)“, Zugriff am 16. 12. 2008.<br />
1406 D. SEYBT, „Eine Weltmeistermannschaft. Der Leichte Frauen-Vierer-ohne und ihr Trainer“,<br />
in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 104(1986)18, S. 418.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 340<br />
Die Gestaltung <strong>de</strong>s Trainings basierte auf <strong>de</strong>n aktuellsten trainingsmethodi-<br />
schen Erkenntnissen. Die systematische Steuerung <strong>de</strong>s Trainingsprozesses<br />
sowie eine ständige Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungsfähigkeit wur<strong>de</strong>n durch <strong>Aus</strong>-<br />
wahlentscheidungen ergänzt. Diese garantierten, dass die leistungsstärksten<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>n DRSV auf internationalen Meisterschaften vertraten. Die<br />
Koordinierung unterlag seit <strong>de</strong>n 60er Jahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungskommission Frau-<br />
en, die später durch die Nachwuchskommission Frauen erweitert wur<strong>de</strong>. 1407<br />
Das Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR umfasste neben <strong><strong>de</strong>r</strong> sportlichen <strong>Aus</strong>bildung<br />
auch Erziehungsaufgaben. Die Leistungsbereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportler war so zu<br />
entwickeln, dass sie fähig waren, „ihr ganzes Können und alle vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Kräfte unter <strong>de</strong>n schwierigsten und kompliziertesten Bedingungen voll aus-<br />
zunutzen“. 1408<br />
Die Athleten wur<strong>de</strong>n als aktive Mitgestalter <strong>de</strong>s Erziehungsprozesses ange-<br />
sehen. Daher galt: Der Sportler muss vom „trainierten ‘Objekt’ zum selbstän-<br />
dig und selbstverantwortlich han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n ‘Subjekt’ wer<strong>de</strong>n“. 1409 Durch<br />
ergänzen<strong>de</strong> <strong>Aus</strong>sprachen, Gespräche, Problemdiskussionen über gesell-<br />
schaftliche sowie sportpolitische und sporttheoretische Probleme, vor allem<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Sportart, wur<strong>de</strong> dieser Prozess unterstützt. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> sollte positiv auf<br />
die stabile Leistungsmotivation eingewirkt wer<strong>de</strong>n. 1410<br />
7.2.1 Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Skull- und Riemenbereich wur<strong>de</strong> von Anfang an syste-<br />
matisch geplant und geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Dominanz gegenüber <strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utschen<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zeichnete sich erstmalig 1957 1411 ab, als <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV vier Boots-<br />
klassen bei <strong>de</strong>n Gesamt<strong>de</strong>utschen Meisterschaften gewann. Trotz dieser<br />
Erfolge in <strong>de</strong>n 50er Jahren waren sich Trainer und Funktionäre stets be-<br />
wusst, dass „alle Anstrengungen unternommen wer<strong>de</strong>n müssen, um diesen<br />
Leistungsstand zu halten bzw. weiter auszubauen“. 1412 Gera<strong>de</strong> die Leistun-<br />
1407<br />
Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/2962‚ Fiche 1, Bl. 71.<br />
1408<br />
DEUTSCHER RUDER-SPORT-VERBAND, “Hauptaufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> sportlichen <strong>Aus</strong>bildung”, in:<br />
SAPMO-BARCH, DY 12/2961‚ Fiche 2, Bl. 97.<br />
1409<br />
Ebenda.<br />
1410<br />
Vgl. ebenda.<br />
1411<br />
Ab 1958 gab es ziwschen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Verbän<strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>scheidungsrennen. Die<br />
Gewinner vertraten die gesamt<strong>de</strong>utsche Mannschaft auf internationalen Wettbewerben.<br />
Vgl. hierzu die <strong>Aus</strong>führungen in Kap. 7.3.<br />
1412<br />
SAPMO-BARCH, DY 12/3823‚ Fiche 1, Bl. 19.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 341<br />
gen im Skullbereich empfan<strong>de</strong>n sie als nicht befriedigend. 1413 Daher wur<strong>de</strong><br />
1960 ein Maßnahmenkatalog verabschie<strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch die Bildung von Ver-<br />
bandsmannschaften <strong>de</strong>s DRSV einbezog. Die Schlussfolgerungen bezogen<br />
sich auf die Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Führungstätigkeit <strong>de</strong>s Präsidiums<br />
und seiner Kommission. Die Trainingsmethodik war auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> ge-<br />
machten Erfahrungen sowie <strong>de</strong>n neuesten Erkenntnissen weiterzuentwi-<br />
ckeln. In diesem Zusammenhang fand sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis: „Das<br />
Forschungsprogramm <strong>de</strong>s DRSV muß die noch ungelösten Probleme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Trainingsmethodik zum Abschluß bringen“. 1414<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Aufmerksamkeit wur<strong>de</strong> außer<strong><strong>de</strong>m</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> systematischen Nach-<br />
wuchsför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung geschenkt. Ziel war es, eine größere Leistungsbreite zu<br />
schaffen. 1415<br />
Die Trainingspläne und Programme im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> Leis-<br />
tungskommission Frauen erarbeitet und <strong><strong>de</strong>m</strong> Büro <strong>de</strong>s Präsidiums vorge-<br />
legt. 1416 An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als bei <strong>de</strong>n Männern gab es anfänglich keine Kommission,<br />
die politisch-organisatorische Detailfragen entschei<strong>de</strong>n konnte. Nach Bestä-<br />
tigung <strong>de</strong>s Frauenplans trafen <strong><strong>de</strong>r</strong> Generalsekretär und <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorsitzen<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauenkommission zwischenzeitliche Entscheidungen. 1417<br />
In so genannten Rahmentrainingsplänen waren alle Zielsetzungen und -<br />
vereinbarungen fixiert. Daneben existierten individuelle Pläne <strong>für</strong> je<strong>de</strong> Ru<strong>de</strong>-<br />
rin, die beim Generalsekretariat einzureichen waren. Verantwortlich <strong>für</strong> die<br />
Einhaltung und Umsetzung waren die SC-Leitungen. 1418 Die Gültigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
RTP variierte zwischen zwei und vier Jahren. So umfasste beispielsweise<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> RTP <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Zeitraum von 1962 bis 1964 die folgen<strong>de</strong>n Inhal-<br />
te:<br />
• „I. Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>kreis<br />
• II. Zielstellung<br />
• III. Hauptaufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> sportlichen <strong>Aus</strong>bildung<br />
• A. Erziehungsaufgaben<br />
1413<br />
Vgl. ebenda, Bl. 20.<br />
1414<br />
Ebenda.<br />
1415<br />
Vgl. ebenda.<br />
1416<br />
Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/2962‚ Fiche 1, Bl. 72.<br />
1417<br />
Vgl. ebenda.<br />
1418<br />
Vgl. DEUTSCHER RUDER-SPORT-VERBAND, „Rahmentrainingsplan 1962/1964 Frauen <strong>de</strong>s<br />
<strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verban<strong>de</strong>s”, in: SAPMO-BARCH, DY 12/2961‚ Fiche 3, Bl. 248.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 342<br />
• B. Physiologische Zielstellung<br />
• C. Trainingsschwerpunkte <strong>für</strong> 1963/1964<br />
• IV. Inhalt und Gestaltung <strong>de</strong>s Trainings in <strong>de</strong>n einzelnen Abschnitten<br />
und Perio<strong>de</strong>n<br />
• Belastungsübersicht<br />
• Mittel und Metho<strong>de</strong>n im Wassertraining<br />
• Mittel und Metho<strong>de</strong>n <strong>für</strong> athletische <strong>Aus</strong>bildung<br />
• Leistungskontrollen und Tests<br />
• Übersicht über die Periodisierung, Wettkämpfe, Lehrgänge,<br />
• <strong>Aus</strong>wertungen und Leistungskontrollen<br />
• Individuelle Trainingspläne<br />
• Sportärztliche Betreuung“ 1419<br />
Der Ka<strong><strong>de</strong>r</strong> bestand aus <strong><strong>de</strong>m</strong> A- und B-Kreis. Alle Sportlerinnen, die auf inter-<br />
nationalen Regatten starteten, gehörten zum A-Kreis. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die sich<br />
auf die DDR-Meisterschaften vorbereiteten, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. 1420 Die Athletinnen<br />
waren über die gesamte Republik in Trainingszentren zusammengefasst.<br />
Diese waren zum Beispiel 1963 SC DHfK Leipzig, TSC Berlin, SC Dynamo<br />
Berlin, SG Dynamo Potsdam, SC Einheit Dres<strong>de</strong>n sowie BSG Chemie Pir-<br />
na. 1421 Es wur<strong>de</strong> darauf geachtet, dass die Zusammensetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Club-<br />
mannschaften unter konsequenter Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungsaufgaben<br />
erfolgte. Die Qualifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalmannschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen erfolgte im<br />
Einer und in <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Spezialbootsgattung. 1422<br />
Die Zielstellung <strong>für</strong> die 60er Jahre war ein<strong>de</strong>utig: Nach Siegen in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>-<br />
scheidungsrennen gegen <strong>de</strong>n DRV wur<strong>de</strong> die Teilnahme an <strong><strong>de</strong>r</strong> EM 1964 in<br />
allen Bootsklassen angestrebt. Im Achter und im Doppelvierer wur<strong>de</strong> „Gold“<br />
als Losung vorgegeben. 1423<br />
Erziehungsaufgaben wur<strong>de</strong>n vorwiegend im Training „durch <strong>Aus</strong>nutzen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
pädagogischen Potenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsaufgaben“ 1424 umgesetzt. Hinsichtlich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungsmotivation mahnten die Verantwortlichen <strong>de</strong>s Präsidiums an,<br />
dass die allgemeinen und individuellen leistungsför<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Motive so aus-<br />
1419 Ebenda, Bl. 229.<br />
1420 Vgl. ebenda, Bl. 230.<br />
1421 Vgl. ebenda.<br />
1422 Vgl. ebenda.<br />
1423 Vgl. ebenda.<br />
1424 Ebenda, Bl. 231.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 343<br />
gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n müssten, dass die Sportler in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage waren, ihr persönli-<br />
ches, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft dienen<strong>de</strong>s Ziel – „Sieg über die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er <strong>de</strong>s DRV und<br />
erfolgreiche Teilnahme an <strong>de</strong>n Europameisterschaften zu verwirklichen.“ 1425<br />
Um einen optimalen Wirkungsgrad <strong>de</strong>s Trainings zu erzielen, sollte die<br />
Selbstständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportlerinnen entwickelt wer<strong>de</strong>n. Dies be<strong>de</strong>utete, dass<br />
die Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athletinnen in die Planung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgaben, die Bestimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittel<br />
und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Trainings sowie in die Einschätzung ihrer Wirksamkeit<br />
und die <strong>Aus</strong>wertung miteinbezogen wur<strong>de</strong>n. 1426 Die verantwortlichen Trainer<br />
versprachen sich hiervon eine För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Selbstvertrauens, das zu einer<br />
Motivationserhöhung führen sollte. Die Leistungsbereitschaft im Wettkampf<br />
wur<strong>de</strong> durch geplante Zwischenziele und kurzfristig gestellte erfüllbare Auf-<br />
gaben geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Erfüllbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> gestellten Aufgaben (500m und<br />
1.000m-Zeiten; technische Kontrollen unter <strong>de</strong>n Bedingungen höchster Be-<br />
lastung zum Beispiel in Start- und Endspurtsituationen) mussten von je<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Sportler in überzeugen<strong><strong>de</strong>r</strong> Form nachgewiesen wer<strong>de</strong>n. 1427<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> erfolgte eine Analyse <strong>de</strong>s psycho-moralischen <strong>Aus</strong>bildungszu-<br />
stan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Hier war beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die genaue Entwicklung „ihrer<br />
wirklichen persönlichen Beweggrün<strong>de</strong> und Einstellungen notwendig“. 1428 Es<br />
galt außer<strong><strong>de</strong>m</strong>, eine „spezielle Willensbereitschaft“ 1429 bei <strong>de</strong>n Sportlerinnen<br />
auszubil<strong>de</strong>n:<br />
„Die gegebene volle Einsatzbereitschaft <strong>de</strong>s Willens ist im Verlauf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten <strong>Aus</strong>bildung zu schulen und auf <strong>de</strong>n höchsten Stand<br />
zu bringen. Dabei ist zu beachten, daß Willensspannkraft und Willensstoßkraft<br />
kein Gegensatzpaar sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß eine Koppelung<br />
bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Eigenschaften die günstigste willensmäßige<br />
Voraussetzung bringt.“ 1430<br />
In Verbindung mit <strong>de</strong>n erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen physischen Voraussetzungen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
die Kombination <strong><strong>de</strong>r</strong> Einsatzformen solche Eigenschaften, wie Steigerungs-<br />
fähigkeit, „sich voll ausgeben zu können, rasche Umstellungs- und Anspan-<br />
1425 Ebenda.<br />
1426 Vgl. ebenda, Bl. 232.<br />
1427 Vgl. ebenda.<br />
1428 Ebenda.<br />
1429 Ebenda.<br />
1430 Ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 344<br />
nungsfähigkeit“ 1431 (Zwischenspurts, Erhöhung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Senkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlagfre-<br />
quenz nach <strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong>de</strong>s Rennverlaufes).<br />
Damit die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Wettkampf „über sich selbst hinauswachsen“ 1432<br />
musste das Training angepasst wer<strong>de</strong>n. Die Basis hier<strong>für</strong> war ein hohes Ni-<br />
veau <strong><strong>de</strong>r</strong> psychisch-moralischen <strong>Aus</strong>bildung. Dies wur<strong>de</strong> gewährleistet, in-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zum Beispiel mit <strong><strong>de</strong>m</strong> bewussten „Überwin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
‘toten Punktes’, ständiger Aktivität, Energie, <strong>Aus</strong>dauer, Beharrlichkeit, Ziel-<br />
strebigkeit, Durchhaltefähigkeit und Anstrengungsbereitschaft“ 1433 konfron-<br />
tiert wur<strong>de</strong>n.<br />
Von <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen Übungen versprachen sich die Trainer einen Gewinn <strong>für</strong> das<br />
taktische Rennverhalten. Dies sollte dadurch erzielt wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> ge-<br />
meinsam von Trainer und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen erarbeitete Plan unbedingt eingehal-<br />
ten wer<strong>de</strong>n musste. Den Sportlerinnen wur<strong>de</strong> zugestan<strong>de</strong>n, die Renntaktik<br />
„verantwortungsbewusst-sachkundig“ 1434 zu variieren. Sie waren allerdings<br />
aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, die folgen<strong>de</strong>n Grundanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen zu erfüllen:<br />
„Gleichmäßigkeit <strong>de</strong>s Tempos und <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlagfrequenz auf allen<br />
Teilstrecken; das Rennen von vorne gewinnen, wobei bei zeitiger<br />
Führung gegen die Uhr weitergefahren wird: konkrete Teilaufgaben<br />
<strong>für</strong> Starts, Zwischenspurts, Endspurts, Variation <strong>de</strong>s Streckenschlages,<br />
Atmung und Entspannung, Vorgaberennen<br />
u.a.m..“ 1435<br />
Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Betreuung <strong>de</strong>s Trainingsprozesses bezogen die Verantwortlichen<br />
auch die sportfreie Zeit mit ein. Da laut DRSV in einer sinnvollen Freizeitge-<br />
staltung große Potenzen <strong>für</strong> die Persönlichkeitsformung liegen, war es erfor-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, die Freizeitgestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Athleten zu ermitteln und ihnen „individuell<br />
mit Hilfe <strong>de</strong>s Kollektivs zur sinnvollen Gestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizeit Anregungen<br />
und Hilfe zu geben.“ 1436<br />
Nicht zuletzt sollte auch das intellektuelle Leistungsvermögen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen verstärkt wer<strong>de</strong>n. Hierzu gehörten beispielsweise die Analyse <strong>de</strong>s eige-<br />
nen Bewegungsablaufes, Filmauswertungen, Wettkampf- und<br />
Trainingsanalysen, Vorschläge <strong>für</strong> die Planung von Trainingseinheiten sowie<br />
1431 Ebenda, Bl. 233.<br />
1432 Ebenda.<br />
1433 Ebenda.<br />
1434 Ebenda.<br />
1435 Ebenda.<br />
1436 Ebenda, Bl. 235.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 345<br />
Literaturauswertungen. 1437 Die Ergebnisse wur<strong>de</strong>n sowohl im individuellen<br />
Gespräch als auch in Problemdiskussionen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsgruppe themati-<br />
siert.<br />
Die Vorgaben und Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen variierten in <strong>de</strong>n RTP<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> nachfolgen<strong>de</strong>n Jahre nur wenig. Man hielt es <strong>für</strong> notwendig, „die starken<br />
und schwachen Seiten“ 1438 <strong>de</strong>s Sportlers in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Bereichen aufzu-<br />
<strong>de</strong>cken:<br />
„In <strong>de</strong>n moralisch-bewußtseinsmäßigen Grundlagen seines Han<strong>de</strong>lns<br />
(Motive).<br />
In <strong>de</strong>n kenntnismäßigen Grundlagen (Allgemeinwissen, technischtaktisches<br />
Wissen und Können, Fähigkeit zum logischen Denken<br />
usw.).<br />
In <strong>de</strong>n körperlichen Voraussetzungen <strong>für</strong> Wettkampfhandlungen<br />
(Kraft, <strong>Aus</strong>dauer, Schnelligkeit, Gewandtheit, Geschicklichkeit, allgemein<br />
und sportspezifisch).<br />
Niveau <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Willens (Fähigkeit zu Willensentspannung,<br />
Willenseigenschaften)“. 1439<br />
Neben <strong>de</strong>n erzieherischen Aufgaben waren physiologische Zielstellungen in<br />
<strong>de</strong>n RTP verankert. Die verantwortlichen Trainingswissenschaftler vertraten<br />
in <strong>de</strong>n 60er Jahren die Meinung, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Faktor, um im Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n höhere Leistungen und Wettkampfintensität zu erreichen, die Verbesse-<br />
rung <strong>de</strong>s Herz-Kreislaufsystems war. Damit sollte eine optimale<br />
Sauerstoffversorgung durch Vergrößerung <strong>de</strong>s Schlag- und Minutenvolu-<br />
mens erreicht wer<strong>de</strong>n. 1440<br />
In <strong>de</strong>n RTP waren die Mittel und Metho<strong>de</strong>n <strong>für</strong> die athletische <strong>Aus</strong>bildung<br />
festgelegt. Diese bezogen sich auf die Bereiche Maximalkraft, Kraftausdauer,<br />
allgemeine und spezielle <strong>Aus</strong>dauer sowie Schnelligkeit. 1441 Zielgerichtetes<br />
Maximalkrafttraining war die Voraussetzung <strong>für</strong> eine Faserverdickung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Muskulatur, die zur Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>leistung und damit zu einer bes-<br />
1437 Vgl. ebenda, Bl. 236.<br />
1438 Ebenda.<br />
1439 Ebenda.<br />
1440 Vgl. ebenda, Bl. 237. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> besseren Entwicklung <strong>de</strong>s Herz-Kreislaufsystems ist eine<br />
vermehrte Durchblutung verbun<strong>de</strong>n, wodurch mehr Sauerstoff an die Muskeln herangeführt<br />
wird und auf diese Weise weniger leistungsmin<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> Stoffwechselzwischenprodukte<br />
entstehen. Einerseits wird die Ermüdung hinausgezögert, an<strong><strong>de</strong>r</strong>seits die Erholung<br />
beschleunigt.<br />
1441 Vgl. ebenda, Bl. 245.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 346<br />
seren Überwindung <strong>de</strong>s Bootswi<strong><strong>de</strong>r</strong>stan<strong>de</strong>s führen sollte. Die Trainer in <strong>de</strong>n<br />
Clubs waren angewiesen, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten und zweiten Vorberei-<br />
tungsperio<strong>de</strong> das Maximal- und Kraftausdauertraining konsequent durchzu-<br />
führen. 1442 Die Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen <strong>Aus</strong>dauer sollte neben <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch Sportarten wie Waldlauf, Ballspiele, Schwimmen, Skilauf, Rad<br />
fahren und Seil springen forciert wer<strong>de</strong>n. Dabei war zu beachten, dass die<br />
Belastung das sechs- bis achtfache <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfstrecke umfasste. Im<br />
Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen athletischen <strong>Aus</strong>bildung erfolgte auch die Durch-<br />
führung eines Winterlagers zur aktiven Erholung.<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> mussten Übungen durchgeführt wer<strong>de</strong>n, die in ihrem Bewe-<br />
gungsablauf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ähnlich sind und solche, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung<br />
nicht entsprechen. Dies diente <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Antagonisten.<br />
Das Wassertraining war in <strong>de</strong>n 60er Jahren in Vorbereitungs- und Wett-<br />
kampfperio<strong>de</strong>n unterteilt. Der Hauptschwerpunkt lag im ersten und zweiten<br />
Abschnitt <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbereitungsphase auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlagenaus-<br />
dauer. Bevorzugt wur<strong>de</strong>n lange und überlange Strecken geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 1443 Die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen trainierten in diesen Phasen vorwiegend im Einer. Dabei achte-<br />
ten die Trainer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auf die Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Technik, <strong>de</strong>s Bewe-<br />
gungsablaufes und die volle <strong>Aus</strong>nutzung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schlages. 1444 Der dritte<br />
und vierte Zyklus dieser Perio<strong>de</strong> galt verstärkt <strong><strong>de</strong>r</strong> speziellen <strong>Aus</strong>dauer. Da-<br />
bei wur<strong>de</strong> Wert darauf gelegt, dass <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen durch das Training auf<br />
bestimmten Teilstrecken <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfdistanz Tempogefühl antrainiert wur-<br />
<strong>de</strong>.<br />
Im ersten Abschnitt <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfperio<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Spezialbootsgattun-<br />
gen geru<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Zu diesem Zeitpunkt verlagerte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwerpunkt <strong>de</strong>s<br />
Trainings von <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlagenausdauer zu Gunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> speziellen <strong>Aus</strong>dauer<br />
1442 Es wur<strong>de</strong> empfohlen, mit kleinen Gewichten zu beginnen, um die Muskeln an <strong>de</strong>n Einsatz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Maximalkraft zu gewöhnen. Die Haltearbeit sollte nicht länger als sechs Sekun<strong>de</strong>n<br />
betragen. Zusätzlich waren nach je<strong><strong>de</strong>r</strong> Belastung Streck- und Lockerungsübungen<br />
durchzuführen. Die Übungen im Bereich Maximalkraft beinhalteten zum Beispiel Anreißen<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Hocke, Umsetzen, liegend Anreißen von einem Kasten o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Bank,<br />
Beinstoß in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückenlage sowie Fußbeugen mit Belastung. Die Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> mussten<br />
so gewählt wer<strong>de</strong>n, dass nicht mehr als fünf Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holungen möglich waren. Die Übungen<br />
zur Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kraftausdauer waren unterteilt in Arme, Beine und Rumpf.<br />
Für die Arme waren zum Beispiel Klimmzüge, Beugehänge und Klettereinheiten zu absolvieren.<br />
Die Beinmuskulatur schulten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen durch Kniebeugen und Strecksprünge.<br />
Vgl. ebenda, Bl. 238-245.<br />
1443 Vgl. ebenda, Bl. 239.<br />
1444 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 347<br />
sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Schnelligkeit. Im zweiten Abschnitt erfolgte die unmittelbare Wett-<br />
kampfvorbereitung. Das Hauptaugenmerk lag auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zu-<br />
sammenarbeit im Boot: Die technischen Fertigkeiten müssen sich unter<br />
Wettkampfbedingungen festigen. „Nationalmannschaften, die neu formiert<br />
sind, müssen die Zusammenarbeit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s schulen.“ 1445<br />
Weiterhin wur<strong>de</strong> festgesetzt, dass sowohl im Training als auch im Wettkampf<br />
darauf hinzuarbeiten war, dass die Mannschaften durch gleichmäßiges<br />
Durchfahren <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Teilstrecken ihre Maximalleistung über die Ge-<br />
samtdistanz erreichten. Bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ersten Abschnitts <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampf-<br />
perio<strong>de</strong> war die optimale Rennfrequenz zu entwickeln, die dann im zweiten<br />
Abschnitt bestätigt wer<strong>de</strong>n musste. 1446<br />
Die Überprüfung <strong>de</strong>s Trainingsfortschrittes und -zustan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
erfolgte über regelmäßige Leistungskontrollen und Tests. Die Distanz betrug<br />
1.000m und teilte sich auf in: Einer 3:55 min., Doppelzweier 3:36 min., Dop-<br />
pelvierer 3:28-3:30 min., Riemenvierer 3:30-3:32 min./3:27,0/3:25,0 min. und<br />
Achter 3:15-3:19/3:12,0-3:13,0 min.. 1447<br />
In <strong>de</strong>n Spezialbootsklassen waren außer<strong><strong>de</strong>m</strong> zwei Kontrollen über je zwei-<br />
mal 500m zu absolvieren. Zusätzlich unterzogen sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen Maxi-<br />
malkraftüberprüfungen im Anreißen sowie im Beinstoß in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückenlage. 1448<br />
Die Trainer waren angehalten, sich eine Übersicht über <strong>de</strong>n Leistungsstand<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Sportlerinnen durch „ein entsprechen<strong>de</strong>s Kontrolltraining zu verschaf-<br />
fen“. 1449 Hierzu führten sie Leistungsjournale, die auch als Kontrollbögen<br />
eingesetzt wur<strong>de</strong>n. 1450<br />
Die Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsplanung und -steuerung reflektierte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV<br />
in verbandsinternen Analysen. Ergänzend fan<strong>de</strong>n sich Anweisungen zur so-<br />
zialistischen Erziehungs- und Bewusstseinsbildung, zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Trainings- und Wettkampfsysteme sowie Einschätzungen zur personellen,<br />
1445 Ebenda, Bl. 244.<br />
1446 Vgl. ebenda, Bl. 240.<br />
1447 Vgl. ebenda, Bl. 246.<br />
1448 Vgl. ebenda.<br />
1449 Ebenda.<br />
1450 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 348<br />
materiellen und finanziellen Bedingungen zur Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgaben <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
genannten Zeitraum. 1451<br />
Bis En<strong>de</strong> 1970 war die Beschaffung von ausreichen<strong><strong>de</strong>m</strong> Bootsmaterial auf<br />
Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzlage nur <strong>für</strong> die Spitze <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer gewährleistet. „Völlig<br />
unzureichend waren <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachwuchs und die Frauen versorgt wor<strong>de</strong>n“. 1452<br />
Der Generalsekretär <strong>de</strong>s DRSV, Gralla, führte allerdings an, dass die finan-<br />
ziellen Zuwendungen bis 1973 in <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Höhe weiterlaufen müssten.<br />
Erst dann wür<strong>de</strong> die neue Konzeption greifen. 1453<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierjahresanalyse wur<strong>de</strong> durch Gralla ebenfalls festgestellt, dass be-<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>e Unterstützungsmaßnahmen <strong>für</strong> die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich waren. „Hier liegen die größten Reserven einer schnellen Leis-<br />
tungssteigerung“. 1454 Zu <strong>de</strong>n zu treffen<strong>de</strong>n Maßnahmen gehörten die ver-<br />
stärkte Trainerausbildung und die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> wissenschaftlichen<br />
Forschung, somit „eine verstärkte wissenschaftliche Durchdringung <strong>de</strong>s Trai-<br />
nings und die Verbesserung <strong>de</strong>s Wettkampfprogramms.“ 1455<br />
Um das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n weiter zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, waren ab 1972 „in allen KJS <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schwerpunkte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Mädchen in die Klassen aufzunehmen“. 1456<br />
Die Vierjahresanalyse von 1977 bis 1980 wur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>m</strong> damaligen Gene-<br />
ralsekretär Horst Ahlgrimm vorgenommen:<br />
„Damit gelang es <strong>de</strong>n Männern seit 1966 zum 15. und <strong>de</strong>n Frauen<br />
seit 1973 zum 8. Mal in ununterbrochener Folge bei Weltmeisterschaften<br />
und Olympischen Spielen Platz 1 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationenwertung<br />
zu belegen.“ 1457<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong>, so Ahlgrimm weiter, war es gelungen, die jährliche Reduzierung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Fahrtzeiten von 1.45 Sekun<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n Frauen zu realisieren. Dies ent-<br />
sprach einer jährlichen Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootsgeschwindigkeit um durchschnitt-<br />
lich 0,67% bei <strong>de</strong>n Frauen. 1458<br />
1451<br />
DEUTSCHER RUDER-SPORT-VERBAND, „Vierjahresanalyse <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-<br />
Verban<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR über <strong>de</strong>n Zeitraum von 1969 bis 1972”, in: SAPMO-BARCH, DY<br />
12/1040‚ Fiche 2, Bl. 95.<br />
1452<br />
Ebenda, Bl. 115.<br />
1453<br />
Vgl. ebenda, Bl. 118.<br />
1454<br />
Ebenda, Bl. 116.<br />
1455<br />
Ebenda.<br />
1456<br />
Ebenda, Bl. 117.<br />
1457<br />
DEUTSCHER RUDER-SPORT-VERBAND, „Vierjahresanalyse <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-<br />
Verban<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR über <strong>de</strong>n Zeitraum von 1977 bis 1980”, in: SAPMO-BARCH, DY<br />
12/1035‚ Fiche 3, Bl. 221.<br />
1458<br />
Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 349<br />
Diese Erfolge zeigten sich im Olympiazyklus bei <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Sie er-<br />
reichten ein überdurchschnittliches Leistungsniveau. Die internationale Spit-<br />
zenposition konnte nach <strong>de</strong>n OS in Moskau 1980 weiter gefestigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>kreis <strong>für</strong> die OS in Los Angeles war bereits vier Jahre vorher vor-<br />
han<strong>de</strong>n. 1459<br />
Dennoch waren sich die Verbandsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> einig, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> kontinuierliche<br />
Übergang von <strong><strong>de</strong>r</strong> Juniorinnen- in die Seniorinnenklasse weiterhin intensiv<br />
begleitet wer<strong>de</strong>n müsste, „um eine stabilere Leistungsfähigkeit und damit<br />
eine noch größere Leistungsbreite im Frauenbereich zu erreichen“. 1460 In<br />
diesem Zusammenhang wur<strong>de</strong> eine konsequentere Einhaltung <strong>de</strong>s Stufen-<br />
programms gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, was in erster Linie durch eine sorgfältige Betreuung<br />
und verstärkte leistungsmäßige Trennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainingsgruppen zu gewähr-<br />
leisten war. 1461 Der zu geringe Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>bestand hätte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit da-<br />
zu geführt, dass nur die starken Athletinnen zu Spitzenleistungen fähig<br />
waren, während an<strong><strong>de</strong>r</strong>e vorzeitig ausschie<strong>de</strong>n. Damit konnte zwar die Leis-<br />
tungsspitze verbessert wer<strong>de</strong>n, „aber die Leistungsbreite wur<strong>de</strong> nicht im er-<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Maße vergrößert.“ 1462<br />
Neben <strong>de</strong>n Analysen und RTP existierten ebenfalls Arbeitspläne, in <strong>de</strong>nen<br />
die Hauptaufgaben <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s festgehalten wur<strong>de</strong>n. Für <strong>de</strong>n Olympia-<br />
zyklus von 1980 bis 1984 wur<strong>de</strong>n vom DRSV Konzeptions- und Planungsak-<br />
tivitäten dargestellt. Diese beinhalteten zum Beispiel trainingsmethodische<br />
Aspekte wie Prognosewettkampfleistungen und die Erarbeitung wesentlicher<br />
Teile <strong><strong>de</strong>r</strong> RTP und <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Wissenschaftskonzeption in Kooperation<br />
mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Bereich Forschung und Entwicklung. 1463<br />
Der DRSV widmete sich Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre in einem Arbeitsplan <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Präzisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> spezifischen Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten <strong>de</strong>s Frauentrainings“. 1464 Hier<br />
fan<strong>de</strong>n beispielsweise die speziellen biologischen Voraussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>innen Berücksichtigung. Nicht zuletzt ging es um die Optimierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Renndistanz im Frauenbereich über 1.000m. 1465<br />
1459 Vgl. ebenda.<br />
1460 Ebenda. Bl. 228.<br />
1461 Vgl. ebenda.<br />
1462 Ebenda.<br />
1463 Vgl. DEUTSCHER RUDER-SPORT-VERBAND, „Arbeitsplan 1981“, in: SAPMO-BARCH, DY<br />
12/1268 ‚Fiche 1, Bl. 1.<br />
1464 Ebenda, Bl. 3.<br />
1465 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 350<br />
Zusammenfassend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die Planung, Steuerung<br />
und Durchführung <strong>de</strong>s Trainingsprozesses <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Eintritt in die KJS begann und konsequent weitergeführt wur<strong>de</strong>. Für je<strong>de</strong> Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>in wur<strong>de</strong> individuell ein Trainingsplan erstellt. Des Weiteren folgte sie <strong>de</strong>n<br />
Anweisungen, die in <strong>de</strong>n RTP zu fin<strong>de</strong>n waren. Die <strong>Aus</strong>bildung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Juni-<br />
orinnenklasse bis zur internationalen Eliteru<strong><strong>de</strong>r</strong>in erfolgte nicht nur im physi-<br />
schen und technisch-taktischen Bereich. Alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er und Trainer waren<br />
verpflichtet, an Maßnahmen und Veranstaltungen zur sozialistischen Erzie-<br />
hungs- und Bewusstseinsbildung teilzunehmen. Personen, die sich nicht sys-<br />
temkonform verhielten, mussten sich in Gesprächen stellen. Um <strong>de</strong>n Erfolg<br />
<strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s weiterhin zu sichern, wur<strong>de</strong>n Gutachten über alle Beteiligten<br />
angefertigt, die zum einen <strong>Aus</strong>kunft über politisch-i<strong>de</strong>ologische Einstellungen<br />
gaben. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wur<strong>de</strong> das sportliche Engagement erfasst und bewer-<br />
tet. Diese offenbarten Stärken und Schwächen. So fand sich beispielsweise<br />
<strong>für</strong> <strong>de</strong>n Frauenbereich ein Gutachten über eine ehemalige verantwortliche<br />
Trainerin 1466 <strong>de</strong>s SC DHfK Leipzig:<br />
„Sportfreundin [...] ist bemüht, im Trainingsprozess die Zielstellungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Sportbewegung in Erziehung und <strong>Aus</strong>bildung<br />
zu verwirklichen. Sie versucht, wissenschaftliche<br />
Erkenntnisse schöpferisch anzuwen<strong>de</strong>n. Bei ihrer gesamten Tätigkeit<br />
stößt sie persönlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> pädagogischen Arbeit im Umgang<br />
mit <strong>de</strong>n Sportlern und <strong>de</strong>n Trainerkollegen auf<br />
Schwierigkeiten. Ebenso ist es schwer, sie davon zu überzeugen,<br />
kollektive Beschlüsse zu verwirklichen. Verbandsleitung und Clubleitung<br />
sind bemüht, die bestehen<strong>de</strong>n Fehler bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportfreundin<br />
[...] zu beseitigen.“ 1467<br />
In einem weiteren Gutachten fand sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis, dass die Verbands- und<br />
SC-Leitung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportfreundin [...] ein Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>gespräch führen wür<strong>de</strong>:<br />
„Zur Zeit können wir uns <strong>de</strong>s Eindruckes nicht erwehren, daß das<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbands- und SC-Leitung in sie gesetzte Vertrauen von<br />
ihr nicht entsprechend erwi<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird.“ 1468<br />
Gerechtfertigt wur<strong>de</strong> dieses Verfahren damit, dass „<strong><strong>de</strong>r</strong>zeitig bestehen<strong>de</strong>n<br />
Unzulänglichkeiten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauengruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> DHfK meistens ihren Ursprung<br />
1466<br />
Der vollständige Name ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfasserin bekannt. Er wird hier allerdings aus datentechnischen<br />
Grün<strong>de</strong>n nicht angegeben.<br />
1467<br />
SAPMO-BARCH, DY 12/2962‚ Fiche 2, Bl. 118.<br />
1468 Ebenda, Bl. 149.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 351<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainerin“ 1469 fän<strong>de</strong>n. Aller Beurteilungen zum Trotz wur<strong>de</strong> sie 1966<br />
mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel „Verdienter Meister <strong>de</strong>s Sports“ ausgezeichnet. 1470 Zwei Jahre<br />
später be<strong>für</strong>wortete das Präsidium die Vergabe <strong><strong>de</strong>r</strong> „Verdienstmedaille <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR“ an [...]. Der damalige Vizepräsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s, Hofmann, äußerte<br />
sich dazu folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen:<br />
„Aufgrund ihrer Trainertätigkeit hat sie großen Anteil an <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns beim SC Wissenschaft DHfK Leipzig<br />
und <strong>de</strong>s gesamten Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. [...] Als Trainerin<br />
<strong>de</strong>s SC Wissenschaft DHfK Leipzig sowie als zeitweilig eingesetzte<br />
Trainerin zur Vorbereitung von Nationalmannschaftska<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
leiste sie eine sehr zielstrebige und erfolgreiche Arbeit.“ 1471<br />
Zusammenfassend kann <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Leistungssport festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass<br />
sich die <strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Athleten an genau festgelegten Kriterien messen ließ.<br />
Sportler und Trainer wur<strong>de</strong>n instrumentalisiert, um die Überlegenheit <strong>de</strong>s<br />
Sozialismus gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gesellschaftsformen zu <strong><strong>de</strong>m</strong>onstrieren.<br />
7.2.2 DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften<br />
Bereits im August 1946 hatten Frauen die Möglichkeit, an einer Regatta in<br />
Greifswald teilzunehmen. Es wur<strong>de</strong>n zwei Rennen <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ausge-<br />
schrieben. Nur einen Monat später fand die erste regionale Nachkriegsregat-<br />
ta in Berlin-Grünau statt. 1472 Hier konnten bereits 39 Teilnehmerinnen<br />
verzeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />
1947 gelang es, die ersten Frauenregatten zu organisieren. Diese waren die<br />
Wannsee-Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta am 12. Juni, die Grünauer Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Regatta am 26. Juni sowie die Wannsee-Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Regatta am 24. Ju-<br />
li. 1473<br />
1949 kam es zu <strong>de</strong>n ersten nationalen Titelkämpfen unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung<br />
Ostzonen-Meisterschaft. Ein Jahr später wur<strong>de</strong> die Bezeichnung in DDR-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften (DRM) geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Diese fan<strong>de</strong>n bis 1990 statt. Ab 1971<br />
wur<strong>de</strong>n außer<strong><strong>de</strong>m</strong> Meisterschaften auf verkürzten Strecken <strong>für</strong> die BSG ab-<br />
gehalten. Diese stellten <strong>für</strong> die BSG-Sektionen einen wertvollen Anreiz dar,<br />
1469<br />
Ebenda.<br />
1470<br />
Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/2965‚ Fiche 1, Bl. 93.<br />
1471<br />
Ebenda.<br />
1472<br />
Vgl. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 11.<br />
1473 Vgl. ebenda, S. 27.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 352<br />
<strong>für</strong> Frauen und Männern <strong>de</strong>n Wettkampfsport zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Für viele ehemalige<br />
Eliteru<strong><strong>de</strong>r</strong>er war dies außer<strong><strong>de</strong>m</strong> eine Möglichkeit, <strong><strong>de</strong>m</strong> Sport treu zu bleiben.<br />
Die Rennen <strong><strong>de</strong>r</strong> DRM wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n 50er Jahren zunächst nach <strong>de</strong>n Be-<br />
stimmungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausgetragen. Diese waren i<strong>de</strong>ntisch mit <strong>de</strong>n<br />
AWB <strong>de</strong>s DRV. Alle <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s In- und <strong>Aus</strong>lan<strong>de</strong>s, die einer<br />
Sportgemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, einem Verbandsverein o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem<br />
<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein im <strong>Aus</strong>land angehörten, konnten teilnehmen. 1474 Die<br />
siegen<strong>de</strong>n Sportgemeinschaften und Vereine erhielten einen silbernen Ei-<br />
chenzweig, die erfolgreichen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen das Meisterschaftsabzeichen und<br />
eine Urkun<strong>de</strong>. 1475 Die Streckenlänge betrug <strong>für</strong> Frauenrennen 1.000m.<br />
Zur besseren Übersicht sind die Bootsklassen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n<br />
Tabelle dargestellt:<br />
Bootsklasse ausgefahren Bemerkung<br />
1x 1949 bis 1990<br />
2x 1950 bis 1990<br />
4x 1949 bis 1990 bis 1984 mit Steuermann<br />
2- 1968 bis 1990<br />
4- 1952 bis 1990 bis 1988 mit Steuermann<br />
8+ 1953 bis 1990<br />
Leichtgewicht ab 1964 Pokalwettkämpfe<br />
1x 1951 bis 1970 Höchstgewicht 59kg<br />
2x 1952 bis 1970 Durchschnittsgewicht 57kg<br />
4x+ 1951 bis 1970 Durchschnittsgewicht 57kg<br />
Tab. 9: Bootsklassen <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bei <strong>de</strong>n DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften<br />
Es kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen schnell Zugang zu<br />
allen Skull- und Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>klassen gefun<strong>de</strong>n haben. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>utlich<br />
wird dies in <strong>de</strong>n Großbooten <strong><strong>de</strong>r</strong> Riemenklassen. Der Zweier ohne Steuer-<br />
mann wur<strong>de</strong> erst 1968 durch die FISA international zugelassen, womit <strong><strong>de</strong>r</strong> im<br />
Vergleich späte Beginn dieser Disziplin erklärt wer<strong>de</strong>n kann. Die Bootsklas-<br />
sen im Leichtgewichtsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen wur<strong>de</strong>n lediglich von 1951 bis 1963<br />
1474 Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/332‚ Fiche 1, Bl. 49.<br />
1475 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 353<br />
unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung DRM ausgetragen. Danach wur<strong>de</strong>n diese Rennen<br />
unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Namen Pokalwettkampf ausgefahren. Ab 1970 strich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband<br />
aufgrund <strong>de</strong>s mangeln<strong>de</strong>n Interesses und <strong><strong>de</strong>r</strong> daraus resultieren<strong>de</strong>n gerin-<br />
gen Beteiligung alle Leichtgewichtsrennen im Frauen- und Männerbe-<br />
reich. 1476<br />
Auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR wur<strong>de</strong>n von 1951 bis 1963 Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Wettbewerbe im Dop-<br />
pelvierer mit Steuermann abgehalten. Die Bewertungsstrecke betrug insge-<br />
samt 1.000m mit Wen<strong>de</strong>punkten. 1477 In diesem Zeitraum war das<br />
Mel<strong>de</strong>ergebnis stabil. Lediglich 1960 waren nur zwei Boote am Start. An-<br />
sonsten konnten immer alle drei Medaillen vergeben wer<strong>de</strong>n. 1478 Erfolgreiche<br />
Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen kamen beispielsweise von <strong><strong>de</strong>r</strong> BSG Einheit Mitte Halle. Dieser<br />
Gemeinschaft gelang es von 1952 bis 1954 dreimal in Folge <strong>de</strong>n Titel zu ge-<br />
winnen. In Anerkennung ihrer Leistung wur<strong>de</strong>n Brigitta Pfeiffer, Ingeborg<br />
Schulz, Erika Helbing und Ingeborg Becher mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel „Verdienter Meister<br />
<strong>de</strong>s Sports“ ausgezeichnet. 1479 Weitere erfolgreiche Clubs waren die Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen <strong>de</strong>s SC Einheit Dres<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>s SC Einheit Berlin, die mehrfach Titel<br />
gewannen und Podiumsplatzierungen erzielten.<br />
Die DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften im Einer wur<strong>de</strong>n von einzelnen Sportlerin-<br />
nen stark geprägt. An erster Stelle ist Gisela Jäger von <strong><strong>de</strong>r</strong> BSG Motor<br />
Baumschulenweg zu nennen. Ihre Leistungen sind bis heute unerreicht. In<br />
<strong>de</strong>n Jahren von 1957 bis 1965 wur<strong>de</strong> sie neunmal in Folge DDR-Meisterin im<br />
Einer. Bis zu ihrem Karriereen<strong>de</strong> 1973 stand sie je<strong>de</strong>s Jahr auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Sieger-<br />
po<strong>de</strong>st. Sie gewann zusätzlich noch vier Silber- und vier Bronzemedaillen in<br />
dieser Bootsklasse. 1480 Ihre Nachfolgerin war Anita Kuhlke von <strong><strong>de</strong>r</strong> BSG Mo-<br />
tor Wildau, die es insgesamt auf sieben Meistertitel in Folge brachte. 1481 Von<br />
1966 bis 1972 war sie die überlegene Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in in dieser Disziplin. Ebenfalls<br />
sehr erfolgreich waren Christine Scheiblich vom SC Einheit Dres<strong>de</strong>n und Jut-<br />
1476 Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften von 1949 bis 1990“, in: http://www.rrkonline.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-alle.htm,<br />
Zugriff am 6. 4. 2009.<br />
1477 Vgl. SAPMO-BARCH, DY 12/332‚ Fiche 1, Bl. 49.<br />
1478 Vgl. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften von 1949 bis 1990“, Zugriff am 6. 4. 2009.<br />
1479 Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Doppelvierer mit Steuerfrau, Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
– Frauen (Plätze 1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-fstdv.htm,<br />
Zugriff am 6. 4. 2009.<br />
1480 Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Einer – Frauen (Plätze 1-3)“, in:<br />
http://rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-f-einer-htm, Zugriff am 6. 4. 2009.<br />
1481 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 354<br />
ta Hampe vom SC Dynamo Berlin, die jeweils vier Titel im Einer <strong>für</strong> sich be-<br />
anspruchen konnten. 1482<br />
Der Doppelzweier wur<strong>de</strong> 1951 in das Programm <strong>de</strong>s DRM aufgenommen. In<br />
<strong>de</strong>n 50er Jahren gewannen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s SC Wissenschaft DHfK Leipzig<br />
insgesamt fünf Titel. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s erfolgreich war Herta Manger, später<br />
Weissig, die viermal als Erste das Rennen been<strong>de</strong>te. Hinzu kamen weitere<br />
Po<strong>de</strong>stplätze <strong>für</strong> sie. Die 60er Jahre wur<strong>de</strong>n von Hannelore Göttlich von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
BSG Chemie Pirna mitgestaltet, die es mit unterschiedlichen Partnerinnen<br />
auf vier Titel im Doppelzweier brachte. 1483 Monika Sommer und Ursula<br />
Pankraths aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Renngemeinschaft SG Dynamo Potsdam und SC Einheit<br />
Dres<strong>de</strong>n erreichten von 1965 bis 1967 durchgängig <strong>de</strong>n ersten Platz. Gisela<br />
Jäger beherrschte auch diese Bootsklasse. Sie erzielte von 1963 bis 1971<br />
<strong>de</strong>n ersten Platz. Im ersten Jahr ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te sie mit Ursula Pankraths. In <strong>de</strong>n fol-<br />
gen<strong>de</strong>n Jahren war ihre Partnerin Rita Schmidt-Köppen von <strong><strong>de</strong>r</strong> BSG Luft-<br />
fahrt Berlin. 1484 Den letzten Titel 1990 gewannen Kathrin Boron und Beate<br />
Schramm von <strong><strong>de</strong>r</strong> Potsdamer RG.<br />
Die Sieger <strong>de</strong>s ersten Meisterschaftsrennens 1949 im Doppelvierer mit<br />
Steuerfrau kamen vom RV Collegia Wannsee Berlin. Von 1953 bis 1955<br />
stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> SC Dynamo Berlin mit wechseln<strong>de</strong>n Mannschaften <strong>de</strong>n DDR-<br />
Meister. 1485 Siegreiche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus <strong>de</strong>n Kleinbooten konnten sich auch<br />
in die Siegerlisten in dieser Bootsklasse eintragen. In <strong>de</strong>n 60er Jahren waren<br />
dies zum Beispiel Herta Weissig, Hannelore Göttlich, Monika Sommer und<br />
Christiane Münzberg. Sie alle gewannen Titel und erzielten Platzierun-<br />
gen. 1486 Die Sportlerinnen <strong>de</strong>s SC Dynamo Berlin, Inge Bartlog, Inge Gabriel,<br />
Ingelore Bahls, Dagmar Horst und Steuerfrau Karin Luck, holten in <strong>de</strong>n 60er<br />
Jahren drei Titel in Folge. 1969 konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Club nochmals <strong>de</strong>n ersten Platz<br />
erreichen, allerdings in leicht verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ter Besetzung. 1487<br />
Die 70er und 80er Jahre waren durch Namen geprägt, die bis heute im <strong>de</strong>ut-<br />
schen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport bekannt sind. Die langjährige Bun<strong>de</strong>strainerin Jutta Lau<br />
1482 Vgl. ebenda.<br />
1483 Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Doppelzweier – Frauen (Plätze 1-3)“,<br />
in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-f-dz.htm, Zugriff am 6. 4.<br />
2009.<br />
1484 Vgl. ebenda.<br />
1485 Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Doppelvierer – Frauen (Plätze 1-3)“, in:<br />
http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-f-dv.htm, Zugriff am 6. 4. 2009.<br />
1486 Vgl. ebenda.<br />
1487 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 355<br />
war ebenso erfolgreich in dieser Bootsklasse wie das heutige DRV-<br />
Vorstandsmitglied Kerstin Förster, geborene Pieloth. Weitere siegreiche<br />
Doppelvierer-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen waren in diesem Zeitraum Jutta Hampe, Jutta<br />
Schenk, geborene Ploch, Cornelia Linse, Kriemhild Gierke, Jana Sorgers,<br />
Birgit Peter, Beate Schramm, Kathrin Boron sowie Ramona Balthasar. 1488<br />
In allen Skulldisziplinen <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse sind über <strong>de</strong>n gesamten Zeitraum<br />
konstante Mel<strong>de</strong>fel<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verzeichnen. Nur in wenigen Rennen traten zwei<br />
Mannschaften beziehungsweise Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gegeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> an. Eine Anek-<br />
dote zum Schluss: <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Titel im Einer wur<strong>de</strong> 1949 an Gisela Sei<strong>de</strong>l-<br />
Raddatz von <strong><strong>de</strong>r</strong> BSG Einheit Zentrum Potsdam konkurrenzlos vergeben.<br />
Im Riemenzweier <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen traten in <strong>de</strong>n ersten zwei Jahren lediglich zwei<br />
Boote an. Dieses Ergebnis war ebenfalls 1973 und 1977 zu verzeichnen.<br />
1970 fand das Rennen nicht statt. Ansonsten starteten zumin<strong>de</strong>st drei Boote,<br />
so dass alle Medaillen vergeben wer<strong>de</strong>n konnten. 1489 Der Riemenvierer mit<br />
Steuerfrau wur<strong>de</strong> seit 1952 ausgetragen. Auch hier gab es Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er<br />
und 60er Jahre häufiger kleinere Mel<strong>de</strong>fel<strong><strong>de</strong>r</strong> mit nur zwei Booten. 1490 Der<br />
Frauenachter war seit 1953 Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> DRM. Lediglich in <strong>de</strong>n Jahren<br />
1956 und 1963 hatte nur eine Mannschaft gemel<strong>de</strong>t. In <strong>de</strong>n 80er und 90er<br />
Jahren waren befriedigen<strong>de</strong> Teilnehmerzahlen zu verzeichnen. Allerdings<br />
fan<strong>de</strong>n die Rennen vor allem in <strong>de</strong>n 60er und 70er Jahren häufig nur zwi-<br />
schen zwei Booten statt. Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammen-<br />
hang, dass erfolgreiche Skullerinnen wie Jutta Lau, Inge Bartlog, Ingelore<br />
Bahls, Dagmar Horst und Ramona Balthasar ebenfalls an <strong>de</strong>n DRM im Ach-<br />
ter teilnahmen und Titel gewannen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Platzierungen erreichten. 1491<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmerinnen fällt auf, dass viele in allen drei<br />
Riemenbootsklassen starteten. So genannte „Doppelstarts“ schienen an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tagesordnung. Erfolgreiche Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong>de</strong>n 60er und 70er Jahren<br />
waren zum Beispiel Inge Mundt, Angelika Noack, Sabine Dähne, Renate<br />
Boesler, Gerlin<strong>de</strong> Doberschütz, Monika Mittenzwei und Renate Schlenzig.<br />
1488 Vgl. ebenda.<br />
1489 Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Zweier-ohne – Frauen (Plätze 1-3)“, in:<br />
http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-f-zo.htm, Zugriff am 6. 4. 2009.<br />
1490 Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Riemenvierer – Frauen (Plätze 1-3)“, in:<br />
http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-f-rv.htm, Zugriff am 6. 4. 2009.<br />
1491 Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Achter – Frauen (Plätze 1-3)“, in:<br />
http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-f-acht.htm, Zugriff am 6. 4.<br />
2009.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 356<br />
Sie seien hier stellvertretend <strong>für</strong> weitere siegreiche „Doppelstarterinnen“ ge-<br />
nannt. Im Zweier verdienen die Erfolge von Marita Gasch-Sandig und Silvia<br />
Fröhlich vom SC DHfK Leipzig Beachtung. Sie holten Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre<br />
dreimal in Folge <strong>de</strong>n Titel. 1492 Hinzu kamen weitere Titel und Platzierungen<br />
im Vierer und Achter.<br />
Dies war auch möglich, da im Achter durchgängig <strong><strong>de</strong>r</strong> Start von Rennge-<br />
meinschaften erlaubt war. In einigen Jahren gelang es <strong>de</strong>nnoch einzelnen<br />
Clubmannschaften, <strong>de</strong>n ersten Platz zu belegen. 1983 und 1985 traten die<br />
verbandseigenen Boote unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung DRSV I, II und III gegenei-<br />
nan<strong><strong>de</strong>r</strong> an. 1989 holte die Mannschaft DRSV I gegen Renngemeinschaften<br />
Gold bei <strong>de</strong>n DRM.<br />
Der DRSV för<strong><strong>de</strong>r</strong>te bereits Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre das Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. 1952 wur<strong>de</strong>n Rennen im Einer und Doppelvierer mit Steuermann<br />
ausgetragen. Ein Jahr später kam noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelzweier hinzu. Die Teil-<br />
nehmerzahlen im Doppelvierer waren wie in allen Bootsgattungen nicht mehr<br />
zufrie<strong>de</strong>n stellend. Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Umbenennung <strong><strong>de</strong>r</strong> DRM in Pokalwettkampf<br />
wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelvierer aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Programm genommen. 1493 Häufig waren im<br />
Vorfeld nur zwei Boote am Start. Für <strong>de</strong>n Doppelzweier kann eine ähnliche<br />
Entwicklung festgehalten wer<strong>de</strong>n. In dieser Disziplin waren die Teilnehmer-<br />
zahlen prinzipiell größer als im Großboot. Dennoch wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelzweier<br />
von 1966 bis 1968 nicht ausgefahren. Lediglich 1969 kam noch ein Rennen<br />
im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> DRM zu Stan<strong>de</strong>. 1494 Auch in <strong>de</strong>n Leichtgewichtsklassen un-<br />
ternahmen einige Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen Doppelstarts. Gut gelang dies zum Beispiel<br />
Almut Gäbel, die in allen drei Klassen Titel und Medaillen erzielen konnte.<br />
Gleiches galt auch <strong>für</strong> Helga Schlittermann-Fischer, die im Leichtgewichtsei-<br />
ner fünf Titel in Folge erreichte und zu<strong><strong>de</strong>m</strong> im Doppelzweier siegte. 1495 In<br />
dieser Bootsklasse dominierten in <strong>de</strong>n 50er Jahren Johanna Knoll und Ruth<br />
1492<br />
Vgl. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Zweier-ohne – Frauen (Plätze 1-3)“, Zugriff<br />
am 6. 4. 2009.<br />
1493<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Lgw.-Doppelvierer – Frauen (Plätze 1-<br />
3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-flg-dv.htm, Zugriff am 6.<br />
4. 2009.<br />
1494<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Lgw.-Doppelzweier – Frauen (Plätze 1-<br />
3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-flg-dz.htm, Zugriff am 6.<br />
4. 2009.<br />
1495<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>meisterschaften Leichtgewichts-Einer – Frauen (Plätze<br />
1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ddrmeist/ddr-flg-einer.htm, Zugriff<br />
am 6. 4. 2009.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 357<br />
Harre-Linhart. Sie gewannen insgesamt fünf Titel bei <strong>de</strong>n DRM. Bei<strong>de</strong> holten<br />
ebenfalls einen ersten Platz im Einer sowie zwei Siege im Großboot.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die Teilnahme von<br />
Frauen in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Bootsklassen konsequent und progressiv um-<br />
gesetzt wur<strong>de</strong>. Verbote hinsichtlich <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns existierten in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR nicht. Lediglich die Leichtgewichtsklassen wur<strong>de</strong>n aufgegeben, da das<br />
Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nicht groß war und die Selektion <strong><strong>de</strong>r</strong> Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athle-<br />
tinnen, die im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Jugendalter begann, auf große und kräftige Frau-<br />
en abzielte.<br />
7.3 Gesamt<strong>de</strong>utsche Meisterschaften von 1954 bis 1957<br />
Von 1954 bis 1957 veranstalteten <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV und die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s<br />
<strong>Deutschen</strong> Turn- und Sportbun<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR gemeinsame Deutsche Meister-<br />
schaften. 1496 Insgesamt zeigte sich eine Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> ost<strong>de</strong>utschen Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen. Von zwölf Titeln gingen sieben an die Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Alle vier<br />
Finalläufe im Doppelvierer gewannen die Frauen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. In dieser<br />
Bootsklasse offenbarte sich ein <strong>de</strong>utliches Leistungsgefälle von Ost nach<br />
West: Von 1955 bis 1957 erreichten sogar nur Mannschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Sektion<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Podiumsplätze. 1497 Sehr erfolgreich waren die Mannschaften <strong>de</strong>s<br />
SC Motor Berlin, <strong>de</strong>s SCW DHfK Leipzig sowie SC Dynamo Berlin, die meh-<br />
rere Titel erru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. Lediglich Ingrid Scholz konnte von 1954 bis 1956 <strong>de</strong>n<br />
Titel im Einer gewinnen. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> ging <strong><strong>de</strong>r</strong> Sieg im Doppelzweier 1954 und<br />
1957 an <strong>de</strong>n DRV. Die folgen<strong>de</strong> Tabelle fasst diese Ergebnisse zusammen:<br />
Jahr Einer Doppelzweier Doppelvierer<br />
1954 BRD BRD DDR<br />
1955 BRD DDR DDR<br />
1956 BRD DDR DDR<br />
1957 DDR BRD DDR<br />
1496 Die Grün<strong>de</strong> sowie die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamt<strong>de</strong>utschen Meisterschaften sind in Kap.<br />
4.6 „Kalter Krieg auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Regattabahn“ dargestellt.<br />
1497 Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Doppelvierer – Frauen (Plätze 1-3)“,<br />
Zugriff am 16. 12. 2008.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 358<br />
Tab. 10: Siege bei <strong>de</strong>n gesamt<strong>de</strong>utschen Meisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen von 1954 bis 1957 1498<br />
7.4 Internationale Meisterschaften<br />
Die gesamt<strong>de</strong>utschen Meisterschaften dienten von 1955-1957 als Qualifika-<br />
tionsrennen <strong>für</strong> die Europameisterschaften im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Die Aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sektion Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in die FISA 1955 ging einher mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung, eine ge-<br />
samt<strong>de</strong>utsche Mannschaft zu entsen<strong>de</strong>n. Von 1958 an veranstaltete die<br />
DDR eigene Meisterschaften, so dass <strong>für</strong> die Benennung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />
Bootsklassen bis 1964 separate Qualifikationsrennen durchgeführt wer<strong>de</strong>n<br />
mussten.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Bau <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Mauer 1961 verschlechterte sich das ohnehin an-<br />
gespannte Verhältnis. Die BRD brach die sportlichen Beziehungen zur DDR<br />
ab. 1499 Die Vergabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-EM nach Berlin-Grünau führte 1962 zum<br />
Boykott <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen durch <strong>de</strong>n DRV. In welchem Spannungszustand die<br />
gemeinsamen Wettbewerbe bis dahin stattgefun<strong>de</strong>n hatten, beschreibt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
damalige DSB-Präsi<strong>de</strong>nt Daume:<br />
„Der Sportverkehr zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sowjetischen Besatzungszone hat seit <strong><strong>de</strong>r</strong> unseligen Spaltung<br />
Deutschlands immer unter verschie<strong>de</strong>nen Gesichtspunkten gestan<strong>de</strong>n.<br />
Er war <strong>für</strong> die Turn- und Sportbewegung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
<strong>Aus</strong>druck <strong><strong>de</strong>r</strong> menschlichen, sportlichen und<br />
turnbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Verbun<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>n Kamera<strong>de</strong>n jenseits <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zonengrenze. Für das Regime <strong><strong>de</strong>r</strong> Zone war <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamt<strong>de</strong>utsche<br />
Sportverkehr schwerpunktmäßig immer nur ein Mittel zur Durchsetzung<br />
sportpolitischer Ziele.“ 1500<br />
Bei <strong>de</strong>n Männern war <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV <strong><strong>de</strong>r</strong> dominieren<strong>de</strong> Verband. Dies führte dazu,<br />
dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV in <strong>de</strong>n 60er Jahren generell wenig Interesse an <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>-<br />
scheidungsrennen zeigte. Bei <strong>de</strong>n Frauen jedoch ergab sich eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Verhandlungslage. Der Vierer und <strong><strong>de</strong>r</strong> Achter wur<strong>de</strong>n bei allen Europameis-<br />
terschaftsrennen direkt mit Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s DRSV besetzt, da <strong>de</strong>n DRV-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong><strong>de</strong>r</strong> Start in Riemenbooten durch die damalig gültigen Verbands-<br />
gesetze nicht möglich war.<br />
1498 Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport Almanach 1987-1988. Jahrbuch<br />
und Adressbuch <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Min<strong>de</strong>n 1988, S. 53-55.<br />
1499 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 139.<br />
1500 Ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 359<br />
Jahr DRV DRSV<br />
1958 1x; 2x 4x+<br />
1959 2x 1x; 4x+<br />
1960 - 1x; 4x+<br />
1961 - 1x; 2x; 4x+<br />
1962 - 2x; 4x+<br />
1963 1x 2x; 4x+<br />
1964 1x 2x; 4x+<br />
Tab. 11: Sieger <strong><strong>de</strong>r</strong> Qualifikationsrennen <strong>für</strong> die Frauen-Europameisterschaften 1501<br />
Die FISA legte fest, dass im Flaggenwald <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmernationen die Olym-<br />
piafahne <strong>für</strong> die <strong>de</strong>utschen Mannschaften zu hissen war. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Siegerze-<br />
remonie wur<strong>de</strong> ebenfalls diese Fahne verwen<strong>de</strong>t. Die FISA verfügte<br />
außer<strong><strong>de</strong>m</strong>, dass anstatt <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationalhymnen bei einem <strong>de</strong>utschen Sieg die<br />
O<strong>de</strong> „Freu<strong>de</strong> schöner Götterfunken“ von Ludwig van Beethoven abzuspielen<br />
war. 1502 Damit folgte <strong><strong>de</strong>r</strong> internationale Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband <strong>de</strong>n Bestimmungen<br />
<strong>de</strong>s IOC.<br />
Für <strong>de</strong>n gesamten Zeitraum <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>scheidungswettkämpfe ist eine Domi-<br />
nanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportlerinnen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zu verzeichnen. Nur vier DRV-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen konnten sich in <strong>de</strong>n Selektionsrennen behaupten. Diese waren<br />
Ursula Vogt 1958 im Einer, Ingrid Scholz und Änne Horneff im Doppelzweier<br />
1958 und 1959 sowie Karen Wolf (Ulrich), 1963 und 1964 im Einer. 1503 Be-<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>s Wolfs Leistungen müssen erwähnt wer<strong>de</strong>n, da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV nach drei-<br />
jähriger Pause erstmals wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bei einer EM im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vertreten war.<br />
„Wenn auch nur mit einer kleinen Delegation, aber wir waren dabei.“ 1504<br />
1960 verzichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV auf die Rennen im Einer und Doppelzweier, da die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen als zu schwach eingestuft wur<strong>de</strong>n. Die Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-<br />
Sportlerinnen ist auch auf die intensive staatliche För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung zurückzuführen,<br />
zum Beispiel durch die<br />
1501 Vgl. ebenda, S. 140.<br />
1502 SAPMO-BARCH, DY 12/3820‚ Fiche 2, Bl. 150.<br />
1502 UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 139.<br />
1503 SCHMIDT-LEHNERT, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Wettkampfsports <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, S. 18.<br />
1504 I. ARNTZEN, „Drei Silbermedaillen <strong>für</strong> gesamt<strong>de</strong>utsche Mannschaft“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
81(1963)27, S. 627.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 360<br />
„Gründung von Sport Clubs, auch im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, [...], beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
<strong>Aus</strong>wahlverfahren, Internatsunterbringung. Berufs- und Studienför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Sportler und [...] durch ausgebil<strong>de</strong>te Trainer an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
seit 1950 in Leipzig gegrün<strong>de</strong>ten ‘<strong>Deutschen</strong> Sporthochschule <strong>für</strong><br />
Körperkultur’ (DHfK).“ 1505<br />
Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> erfuhr das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
durch i<strong>de</strong>ale Voraussetzungen im Trainingsbetrieb, Sportwissenschaft und<br />
Medizin „sowie materielle Anreize, die durch <strong>de</strong>n Mangel an Gütern in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR verstärkt wer<strong>de</strong>n.“ 1506 Nicht zuletzt wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sport <strong>für</strong> politische Zwe-<br />
cke instrumentalisiert. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Hochleistungssports sollte „ein<br />
spürbarer Leistungsanstieg, vor allem in <strong>de</strong>n „olympischen Sportarten er-<br />
reicht und damit auch die Überlegenheit <strong>de</strong>s Sports im Sozialismus doku-<br />
mentiert wer<strong>de</strong>n.“ 1507<br />
Der Aufwärtstrend <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen zeigte sich erstmals <strong>de</strong>utlich in <strong>de</strong>n<br />
<strong>Aus</strong>scheidungskämpfen 1961, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband alle Rennen gewann. Auch<br />
die Hoffnung, wenigstens im Einer o<strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelzweier einen zweiten Platz zu<br />
erringen, erfüllten sich nicht <strong>für</strong> die West<strong>de</strong>utschen. 1508<br />
1965 boykottierte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV aus politischen Grün<strong>de</strong>n die <strong>Aus</strong>scheidungsren-<br />
nen, so dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV nach 1954 und 1955 erneut die alleinige Mannschaft<br />
stellte. Von 1966 an wur<strong>de</strong>n keine <strong>Aus</strong>scheidungsrennen mehr ausgefahren.<br />
Das IOC und die FISA erkannten die DDR staatsrechtlich an. Damit war <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DRSV berechtigt, eine eigene Nationalmannschaft zu entsen<strong>de</strong>n.<br />
7.4.1 Europameisterschaften<br />
Bereits 1953 wur<strong>de</strong> im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer-Europameisterschaften (EM) in<br />
Kopenhagen eine „Internationale Damenregatta“ ausgeschrieben. Deutsche<br />
Teilnehmer waren Scholz im Einer und Goltz/Hey<strong>de</strong>n im Doppelzweier aus<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik. 1509<br />
Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> FISA-Kongress in Montreux 1954 wur<strong>de</strong> die Einführung von Frauen-<br />
Europameisterschaften beschlossen. <strong>Aus</strong>geschrieben waren Rennen im Ei-<br />
ner, Doppelzweier, Doppelvierer mit Steuermann, Vierer mit Steuermann<br />
1505<br />
BEYER, „Der an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Weg“, S. 667.<br />
1506<br />
F. RÖMLING, Frauensport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, Diplomarbeit DSHS Köln, Köln 1982, S. 65.<br />
1507<br />
BEYER, „Der an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Weg“, S. 667.<br />
1508<br />
Vgl. C. WALLMANN, „Die DRSV-Frauen gewannen alle <strong>Aus</strong>scheidungsrennen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sport 79(1961)22, S. 536.<br />
1509 Vgl. LEHMANN, „Chronik“, S. 49.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 361<br />
sowie im Achter. Der Doppelvierer kam auf Wunsch <strong>de</strong>s DRV hinzu, da die<br />
DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen keine Riemenmannschaften stellen konnten. Die Strecken-<br />
länge betrug 1.000m. Im Vorfeld einigten sich die Delegierten auf ein einheit-<br />
liches internationales Regelwerk:<br />
„The <strong>de</strong>legates agreed to establish international regulations for<br />
women’s competitive rowing that took into account both ‘physiological<br />
and cultural consi<strong><strong>de</strong>r</strong>ations’, limiting women’s racing to<br />
1000 metres (half the distance of the men’s events), as well as the<br />
number and types of events available to them.“ 1510<br />
Die Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Streckenlänge brachte organisatorische Probleme mit<br />
sich, da die Startbrücken nicht schnell genug umgebaut wer<strong>de</strong>n konnten.<br />
Dies führte dazu, dass die Frauen-EM eine Woche vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer-EM ab-<br />
gehalten wur<strong>de</strong>. Schweinbenz kommentierte diese Aufteilung:<br />
„As a result, the women’s championships were held one week<br />
prior to the men’s, which further <strong>de</strong>emphasised the importance of<br />
the event and established them as a si<strong>de</strong>show to the men’s regatta.<br />
1511<br />
Bereits auf <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten EM in Amsterdam 1954 konnten Goltz/Hey<strong>de</strong>n einen<br />
zweiten Platz <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV erringen. 1956 gewann Scholz <strong>de</strong>n einzigen Titel<br />
einer DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in bis zur Einstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> EM 1973. Ein Jahr später erreich-<br />
te sie mit Ursula Vogt im Doppelzweier außer<strong><strong>de</strong>m</strong> noch einen zweiten<br />
Platz. 1512 1958 folgte ein dritter Platz im Einer.<br />
Bis 1965 gelang <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV keine Po<strong>de</strong>stplatzierung mehr. Zum einen schei-<br />
terten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>scheidungsrennen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en war die<br />
weitere internationale Konkurrenz zu stark. Eine Möglichkeit zur Bilanzver-<br />
besserung bot sich 1965, als <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV auf die Rennen verzichtete und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DRV die alleinige Mannschaft <strong>für</strong> die EM in Duisburg stellte. Diese Chance<br />
wur<strong>de</strong> von Annemarie Rupprecht und Christl Schmidt-Lehnert als Dritte im<br />
Doppelzweier genutzt. Im folgen<strong>de</strong>n Jahr wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holten sie ihren Erfolg, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückkehr <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nicht erwartet wor<strong>de</strong>n war. 1513<br />
Dieterle merkte hierzu an:<br />
1510<br />
A. SCHWEINBENZ, Paddling Against the Current. A History of Women’s Competitive International<br />
Rowing Between 1954 and 2003, S. 11.<br />
1511<br />
Ebenda. Bis 1981 wur<strong>de</strong>n EM und WM <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Männer getrennt voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
abgehalten.<br />
1512<br />
Vgl. SCHMIDT-LEHNERT, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Wettkampfsports <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, S. 17.<br />
1513 Vgl. ebenda, S. 18.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 362<br />
„Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme unserer drei Boote im Finale hatten einige gerechnet,<br />
die meisten hatten sie erhofft. Wie gut sich unsere Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
bewährten – <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelzweier als einziges<br />
westeuropäisches Boot unter <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mannschaften aus <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Osten – das übertraf die meisten Erwartungen.“ 1514<br />
1971 erkämpften Edith Baumann im Einer und Astrid Hohl mit Bärbel Kohl-<br />
haas jeweils einen dritten Platz. Die EM in Kopenhagen 1972 brachte außer-<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> noch zwei vierte Plätze, so dass erstmalig <strong><strong>de</strong>r</strong> vierte Preis in <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dutch<br />
Windmill Trophy“ 1515 erreicht wer<strong>de</strong>n konnte. Der Doppelvierer mit Steuer-<br />
mann lan<strong>de</strong>te auf <strong><strong>de</strong>m</strong> dritten Platz. Dies war die erste Medaille in dieser<br />
vom DRV stark geför<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Bootsklasse. Bei <strong>de</strong>n letzten Europameister-<br />
schaften 1973 in Moskau erreichte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV nochmals zwei dritte Plätze: er-<br />
neut Edith Eckbauer, geborene Baumann im Einer und Astrid Hohl und<br />
Regine Adam im Doppelzweier. 1516<br />
Im Riemenbereich konnten die DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen erst ab 1969 in das Ge-<br />
schehen eingreifen. Beim ersten Start auf <strong><strong>de</strong>r</strong> EM in Klagenfurt gewann die<br />
Mannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> RG Germania Kiel eine Bronzemedaille. Ein Jahr später er-<br />
zielte die Renngemeinschaft Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club/Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege Etuf<br />
Essen das gleiche Ergebnis. 1517<br />
Die DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen traten erstmalig 1956 international in Erscheinung:<br />
„Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> ersten internationalen Start von DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bei<br />
<strong>de</strong>n Fraueneuropameisterschaften 1956 in Bled/Jugoslawien war<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Beginn einer erfolgreichen Entwicklung im Bereich <strong>de</strong>s Leistungssports<br />
im DRSV <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR eingeleitet wor<strong>de</strong>n.“ 1518<br />
Der Doppelzweier mit Herta Manger und Gisela Pünner vom SC DHfK Leip-<br />
zig und die Achtermannschaft <strong>de</strong>s SC Motor Berlin gewannen jeweils eine<br />
Bronzemedaille.<br />
Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s DRSV konnten sich bei je<strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme steigern. Die<br />
ersten Silbermedaillen wur<strong>de</strong> 1958 in Posen vom Doppelvierer und vom Ach-<br />
ter errungen. Auf die erste Goldmedaille musste <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband trotz aller För-<br />
1514<br />
I. DIETERLE, „Europameisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 83(1965)29, S. 627.<br />
1515<br />
Vgl. I. DIETERLE, „Zwei Bronzemedaillen und zwei vierte Plätze“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
89(1971)24, S. 548.<br />
1516<br />
Vgl. ebenda, S. 19.<br />
1517<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Europameisterschaften seit 1913. Deutsche Medaillenerfolge.<br />
Gold, Silber und Bronze“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong> /ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/em<br />
wmolyrud/emrud.htm, Zugriff am 19. 12. 2008.<br />
1518<br />
WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR,<br />
S. 123.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 363<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ung bis 1960 warten. Herta Weissig, Gisela Heiße, Hannelore Göttlich,<br />
Helga Richter und Steuerfrau Karla Frister überquerten im Doppelvierer mit<br />
Steuermann als Schnellste die Ziellinie. 1519 Hinzu kam noch eine Silberme-<br />
daille durch <strong>de</strong>n Achter sowie ein dritter Platz durch <strong>de</strong>n Vierer mit Steuer-<br />
mann. 1961 konnten sogar vier Medaillen erru<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n: Silber <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Doppelzweier und Achter, Bronze <strong>für</strong> die bei<strong>de</strong>n Vierer. 1520 Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EM im<br />
eigenen Land 1962 erreichte die DDR <strong>de</strong>n zweiten Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationenwertung. Das Ergebnis lautete hier: dreimal Silber und einmal Bron-<br />
ze. 1521 Damit erreichte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV das im Vorfeld ausgegebene Ziel: Der seit<br />
drei Jahren gehaltene Platz in „<strong><strong>de</strong>r</strong> Nationenwertung hinter <strong><strong>de</strong>r</strong> UdSSR ist zu<br />
halten und auszubauen.“ 1522<br />
Die <strong>Aus</strong>tragung <strong><strong>de</strong>r</strong> EM 1962 war von großer Be<strong>de</strong>utung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRSV. Dies<br />
be<strong>de</strong>utete „in <strong><strong>de</strong>r</strong> augenblicklichen Situation einen Schlag gegen die sportpo-<br />
litische Politik Bonns und <strong><strong>de</strong>r</strong> west<strong>de</strong>utschen Sportführung“. 1523 Gera<strong>de</strong> wäh-<br />
rend <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbereitungszeit wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> Frauen- und Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Aufmerksamkeit geschenkt, um die Breitenentwicklung <strong>de</strong>s Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zu <strong><strong>de</strong>m</strong>onstrieren. Die FISA sollte außer<strong><strong>de</strong>m</strong> dazu<br />
angehalten wer<strong>de</strong>n, die bisher versagte Gleichberechtigung von Frauen im<br />
Verband weiter auszubauen. 1524 Denn<br />
„mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Meisterschaften in unserem sozialistischen<br />
Staat muß gleichzeitig die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im gesellschaftlichen<br />
und sportlichen Leben zum <strong>Aus</strong>druck kommen und muß<br />
mithelfen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im internationalen Maßstab<br />
seine berechtigte Anerkennung fin<strong>de</strong>t“. 1525<br />
Weiterhin galt es, im Verband und in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>landspropaganda die gleichbe-<br />
rechtigte Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im DRSV herzustellen. 1526<br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre zeichnete sich erstmals die Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>für</strong> die Zeit bis zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung ab: Der Doppelvierer und<br />
1519<br />
HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Europameisterschaften seit 1913. Deutsche Medaillenerfolge. Gold,<br />
Silber und Bronze“, Zugriff am 19. 12. 2008.<br />
1520<br />
Vgl. ebenda.<br />
1521<br />
Vgl. WINKLER, Die geschichtliche Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Territorium <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR, S. 124.<br />
1522<br />
SAPMO-BARCH, DY 12/3820‚ Fiche 1, Bl. 2.<br />
1523<br />
SAPMO-BARCH, DY 12/3822‚ Fiche 2, Bl. 121.<br />
1524 Vgl. ebenda.<br />
1525 Vgl. ebenda, Bl. 162.<br />
1526 Vgl. ebenda, Bl. 121.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 364<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Achter wur<strong>de</strong>n 1964 Europameister, <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierer mit Steuermann erreichte<br />
die Silbermedaille.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EM 1966 in Amsterdam fand eine Art Wachablösung statt. Dem<br />
DRSV wur<strong>de</strong> erstmalig <strong><strong>de</strong>r</strong> Preis Le Moulin à Vent Hollandais 1527 überreicht.<br />
Dreimal Gold und zweimal Bronze konnten bei dieser Regatta von <strong>de</strong>n ost-<br />
<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen eingefahren wer<strong>de</strong>n. Dieterle berichtete von <strong><strong>de</strong>r</strong> Leis-<br />
tung <strong>de</strong>s DRSV-Doppelvierers, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Vormachtstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelte:<br />
„Die prachtvolle Wasserarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Blätter bis zum Schluß voll und mit Druck im Wasser stehen, ließ<br />
sie an <strong>de</strong>n Russinnen vorbeigehen, die nun aber ungefähr<strong>de</strong>t an<br />
zweiter Stelle einliefen.“ 1528<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt führte die Sowjetunion „die Liste <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationenwertung, das ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Preis ‘<strong><strong>de</strong>r</strong> holländischen Windmühle’, an“. 1529<br />
Die UdSSR gewann bis 1965 diesen Preis durchgängig. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EM in Ber-<br />
lin-Grünau 1968 wur<strong>de</strong>n „Russlands Frauen innerhalb von sechs Jahren zum<br />
zweiten Mal im Kampf um die Nationenwertung geschlagen“. 1530 Gleiches<br />
gelang in Tata 1970. Dort konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV drei Titel sowie eine Silber- und<br />
eine Bronzemedaille <strong>für</strong> sich verbuchen. Der damalige FISA-Präsi<strong>de</strong>nt Tho-<br />
mas Keller wandte sich in dieser Angelegenheit an <strong>de</strong>n ost<strong>de</strong>utschen Ver-<br />
band:<br />
„Mein Glückwunsch gilt Ihren Damen. Sie haben die Spitzenposition<br />
nach Grünau 1968 erneut wie<strong><strong>de</strong>r</strong> erkämpft. Und das in einer<br />
Art und Weise, die je<strong><strong>de</strong>m</strong> imponieren mußte.“ 1531<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme 1971 erzielte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV das bis dahin schlechteste Er-<br />
gebnis. In jenem Jahr konnte lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel im Einer durch Anita Kuhlke<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> BSG Motor Wildau gewonnen wer<strong>de</strong>n, die von 1966 bis 1977 sie-<br />
1527 Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um einen Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>preis, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom Königlich-Holländischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
anlässlich <strong>de</strong>s ersten internationalen Frauen-Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kampfes in Mâcon gestiftet<br />
wur<strong>de</strong>. 1954 wur<strong>de</strong> dieser an die FISA übergeben und alljährlich <strong><strong>de</strong>m</strong> erfolgreichsten<br />
Verband verliehen. Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport Almanach 1976.<br />
Jahrbuch und Adreßbuch <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Min<strong>de</strong>n 1977, S. 96.<br />
1528 I. DIETERLE, „Silber <strong>für</strong> Annemarie Rupprecht und Christl Schmidt-Lehnert“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
sport 84(1966)25, S. 561.<br />
1529 W. ULRICH, „Achte Europameisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 79(1961)26, S.<br />
607.<br />
1530 W. ULRICH, „Vorherrschaft <strong>de</strong>s Ostens unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 86(1968)24, S. 541.<br />
1531 W. SYDOW, „Drei Europameistertitel <strong>für</strong> unsere Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Der <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
11(1970)11, S. 2.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 365<br />
benmal in Folge die DDR-Meisterschaft im Einer gewann. Hinzu kamen vier<br />
Europameistertitel – 1967, 1969, 1970 und 1971 – <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewinn einer Silber-<br />
medaille 1969 und zwei dritte Plätze 1966 und 1972. 1532 Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> das<br />
beschei<strong>de</strong>ne Abschnei<strong>de</strong>n bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EM in Kopenhagen wur<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fach-<br />
zeitschrift Der <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport kommentiert:<br />
„Die XVIII. Frauen-Europameisterschaften auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Bagsvaerdsee<br />
bei Kopenhagen zeigten mit aller Deutlichkeit, daß die Leistungsspitze<br />
im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf <strong><strong>de</strong>m</strong> europäischen Kontinent sich verstärkt<br />
hat und auch zusammengerückt ist. Das wur<strong>de</strong> durch die<br />
Ergebnisse in <strong>de</strong>n fünf Titelkämpfen noch unterstrichen.“ 1533<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EM in Bran<strong>de</strong>nburg 1972 reichte es erneut „nur“ zur Silbermedaille<br />
im Vierer mit Steuermann sowie zu zwei Bronzemedaillen im Achter und Ei-<br />
ner. Der DRSV-Präsi<strong>de</strong>nt Hofmann sah die Prognosen <strong>de</strong>s Vorjahres bestä-<br />
tigt und erklärte:<br />
„Die Maßstäbe wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Mannschaften gesetzt, die hier Titel<br />
gewonnen haben. Unser Abschnei<strong>de</strong>n muss unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Aspekt<br />
gesehen wer<strong>de</strong>n, daß hier die jüngste Vertretung am Start war,<br />
die unsere Republik jemals vertreten hat.“ 1534<br />
Die letzte EM in Moskau konnte mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Titel im Doppelvierer mit Steuer-<br />
mann abgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Hinzu kamen noch zwei Silbermedaillen im<br />
Achter und im Riemenvierer. 1535<br />
Die sowjetischen und ost<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen stellten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten EM<br />
das Hauptaufgebot in <strong>de</strong>n Finalrennen. In die Wertung um <strong>de</strong>n „Windmüh-<br />
lenpreis“ kamen aber 1973 zehn Nationen, das heißt Mannschaften aus zehn<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n erreichten die Finalplatzierungen von eins bis fünf. 1536 Erfolgreichste<br />
Nation war wie schon 1972 die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>. 1537 Die positive Entwicklung im<br />
internationalen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch, Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in das Pro-<br />
gramm <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Spiele aufzunehmen, führten zur Einstellung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EM zu Gunsten von Weltmeisterschaften <strong>für</strong> Frauen.<br />
1532<br />
Vgl. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Europameisterschaften seit 1913. Deutsche Medaillenerfolge.<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 19. 12. 2008.<br />
1533<br />
[ohne Verfasser], „Gold <strong>für</strong> Anita Kuhlke“, in: Der <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 12(1971)10, S. 2.<br />
1534<br />
[ohne Verfasser], „Gold, Silber, Bronze – Frauen-EM“, in: Der <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
13(1972)10, S. 2.<br />
1535<br />
Vgl. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Europameisterschaften seit 1913. Deutsche Medaillenerfolge.<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 19. 12. 2008.<br />
1536<br />
Vgl. I. DIETERLE, „Am Silbernen knapp vorbei“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 91(1973)26, S. 579.<br />
1537<br />
Vgl. R. ZIEL, „DRV-Frauen <strong>für</strong> Olympia“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 102(1984)7, S. 169.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 366<br />
7.4.2 Weltmeisterschaften<br />
Die ersten Weltmeisterschaft (WM) <strong>für</strong> Frauen wur<strong>de</strong> 1906 im Eiskunstlaufen<br />
abgehalten. Es folgten Fechten 1929 und Gymnastik 1950. Die Weltmeister-<br />
schaften <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wur<strong>de</strong>n 1974 vergleichsweise spät eingeführt. Seit<br />
1988 nehmen Frauen außer<strong><strong>de</strong>m</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> so genannten Nichtolympischen<br />
Weltmeisterschaft (NOWM) in <strong>de</strong>n Disziplinen Frauen-Einer-Leichtgewicht,<br />
Frauen-Doppelzweier-Leichtgewicht, Frauen-Doppelvierer-Leichtgewicht und<br />
Frauen-Vierer ohne Steuermann teil.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten WM in Luzern erweiterte die FISA das Programm <strong><strong>de</strong>r</strong> EM um<br />
die Bootsklasse Zweier ohne Steuermann, so dass ein Gleichgewicht im<br />
Skull- und Riemenangebot erreicht wur<strong>de</strong>. 1538<br />
Zum ersten Rennen im Leichtgewichtsbereich im Rahmen einer WM kam es<br />
1985 im Vierer ohne Steuermann und im Doppelzweier. Der Einer folgte<br />
1988. Der Vierer wur<strong>de</strong> erst 1997 <strong>für</strong> die Bootsklasse Doppelvierer ohne<br />
Steuermann aufgegeben.<br />
Nach langen Verhandlungen begrüßte FISA-Präsi<strong>de</strong>nt Thomas Keller die<br />
erste WM im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n: „Wir freuen uns über die enorme Entwicklung,<br />
die <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport genommen hat.“ 1539<br />
Die Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus Osteuropa setzte sich bei <strong>de</strong>n Weltmeis-<br />
terschaften fort, wie die folgen<strong>de</strong> Abbildung 1540 zeigt:<br />
1538<br />
Bis zu <strong>de</strong>n OS in Seoul 1988 wur<strong>de</strong> die Bootsklasse Vierer mit Steuermann ausgefahren,<br />
danach nur noch ungesteuert.<br />
1539<br />
J. KAPSCH, „Triumph <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Frauen in Luzern“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR 15(1974)10, S.<br />
2.<br />
1540<br />
DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport Almanach 1987-1988, S. 92.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 367<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Abb. 8: Gesamtzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Siege bei Frauen-Weltmeisterschaften von 1974 bis 1989<br />
1990 konnte die DDR nochmals die Titel im Einer, Doppelzweier und Dop-<br />
pelvierer gewinnen. Hinzu kamen Bronze im Zweier, Vierer und Achter. 1541<br />
Gleich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Weltmeisterschaft bestätigten die ost<strong>de</strong>utschen Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen ihre Leistungen aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Vorjahr. Vier Weltmeistertitel im Einer, Vie-<br />
rer, Doppelvierer und Achter konnten verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Zusätzlich<br />
erreichten sie noch einen zweiten Platz im Zweier ohne und eine Bronzeme-<br />
daille im Doppelzweier. DRSV-Präsi<strong>de</strong>nt Wilfried Hofmann äußerte sich zu-<br />
frie<strong>de</strong>n: „Unsere Erwartungen wur<strong>de</strong>n hier bei weitem übertroffen.“ Mit<br />
diesem Ergebnis hätten auch die kühnsten Optimisten nicht gerechnet.“ 1542<br />
Neben <strong>de</strong>n DDR-Sportlerinnen waren es vor allem die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
UdSSR und aus Rumänien, die dieser ersten Weltmeisterschaft das Güte-<br />
siegel aufdrückten. 1543<br />
Trotz dieser starken Konkurrenz gelang es <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV, eine Silbermedaille im<br />
Doppelzweier zu erringen. Zusätzlich wur<strong>de</strong> dreimal <strong><strong>de</strong>r</strong> vierte Platz be-<br />
legt. 1544<br />
40<br />
18<br />
DDR UdSSR Rumänien Bulgarien<br />
1541<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
/emwmolyrud/wmrud.htm, Zugriff am 22. 12. 2008.<br />
1542<br />
J. KAPSCH, „Triumph <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Frauen in Luzern“, S. 2.<br />
1543<br />
Vgl. ebenda.<br />
1544<br />
Vgl. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 22. 12. 2008.<br />
11<br />
4
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 368<br />
1975 gewann <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV eine Bronzemedaille im Vierer. 1978 konnte zu<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
ein zweiter Platz im Doppelvierer erreicht wer<strong>de</strong>n. Bis 1985 sollten dies aller-<br />
dings die einzigen Medaillen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV bleiben.<br />
Für die Weltmeisterschaft in München 1981 nominierte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV nur zwei<br />
Boote: <strong>de</strong>n Vierer und <strong>de</strong>n Doppelzweier. 1545 Im Vorfeld dieser Veranstaltung<br />
hatte es bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Nominierungskriterien Unruhe im Verband gegeben.<br />
Dieterle wies jedoch die Behauptungen zurück, dass die Frauen aus finanzi-<br />
ellen Grün<strong>de</strong>n zu Gunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer hätten zurückstecken müssen. Im<br />
Gegenteil:<br />
„Wir wollten es nicht. Wir hatten vor zwei Jahren in Bled <strong>de</strong>n Mädchen<br />
gesagt, sie sollten jetzt richtig weitermachen <strong>für</strong> die Olympischen<br />
Spiele. Das haben sie getan. Dann fielen die Olympischen<br />
Spiele <strong>für</strong> uns aus, die Mädchen verloren die Lust und haben aufgehört.<br />
Wir wollen jetzt erst wie<strong><strong>de</strong>r</strong> langsam aufbauen.“ 1546<br />
Der Aufbau einer neuen Mannschaft kostete Zeit. Auch 1983 konnte bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
WM in Duisburg keine Medaille <strong>für</strong> DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen verbucht wer<strong>de</strong>n. Erst<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM 1985 in Hazewinkel stan<strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utsche Sportlerinnen wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Podium. Der DRV holte die erste WM-Goldmedaille seiner Ver-<br />
bandsgeschichte überhaupt. Eine Renngemeinschaft aus Frank-<br />
furt/Her<strong>de</strong>cke/Hei<strong>de</strong>lberg/Hanau ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te zum Titel im Leichtgewichts-Frauen-<br />
Vierer-ohne. 1547 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> erreichten Brigitte Helmers und Alrun Urbach Sil-<br />
ber im leichten Doppelzweier. Der DRV avancierte mit seiner Leichtge-<br />
wichtsmannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zum erfolgreichsten Verband bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM<br />
1985. 1548 Die Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sind insgesamt erfolgreicher als ihre<br />
„schweren“ Kolleginnen. 1986, 1988 und 1989 gewann <strong><strong>de</strong>r</strong> leichte Vierer<br />
Bronze, 1987 sogar Silber. Angela Schuster erreichte 1988 einen zweiten<br />
Platz im Leichtgewichtseiner. Ebenfalls Bronze gewannen die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
<strong>de</strong>s Doppelzweiers.<br />
Die Einführung <strong>de</strong>s internationalen Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns be<strong>de</strong>utete einen<br />
Aufschwung <strong>für</strong> das west<strong>de</strong>utsche Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ueberhorst äußerte sich<br />
1545<br />
Vgl. K. NEUFERT, „Die Weltmeisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 99(1981)27, S.<br />
544.<br />
1546<br />
Ebenda.<br />
1547<br />
Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen waren Evelyn Herwegh, Monika Wolf, Sonja Petri und Claudia Engels.<br />
HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge – Gold,<br />
Silber und Bronze“, Zugriff am 22. 12. 2008.<br />
1548<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Die Weltmeisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
103(1985)27, S. 556.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 369<br />
folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen: „Das Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns hat seine Be<strong>de</strong>utung in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gleichheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Startvoraussetzungen durch ein limitiertes Gewicht und eine<br />
festgelegte Wiegezeit“. 1549 Dies machte sich vor allem im direkten Vergleich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Verbän<strong>de</strong> bemerkbar, da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV nicht <strong>für</strong> Rennen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-Leichtgewichtsklasse mel<strong>de</strong>te. Bis dahin waren nur große und<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend auch schwerere Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wor<strong>de</strong>n.<br />
Diese wur<strong>de</strong>n schon im Kin<strong>de</strong>salter gesichtet. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ostblocknationen hin-<br />
gegen, wie beispielsweise Rumänien, Ungarn, Polen und die UdSSR, betei-<br />
ligten sich von Anfang an am Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. 1550<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse waren die DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong>de</strong>n 80er<br />
Jahren nicht konkurrenzfähig. Erst 1987 wur<strong>de</strong> in einem Artikel über die WM<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport berichtet, dass „<strong><strong>de</strong>r</strong> DRV endlich mal wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ei-<br />
ne richtige Mannschaft zusammen“ 1551 habe. Dies bezog sich nicht nur auf<br />
die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch auf das <strong>Aus</strong>scheidungsverfahren.<br />
Und schließlich<br />
„hinterlassen sowohl die Zweier-ohne als auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Achter einen<br />
Eindruck von frisch auftrumpfen<strong>de</strong>n Frauen, die hier nicht nur international<br />
Erfahrungen sammeln o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar Kanonenfutter <strong>für</strong> die<br />
Ostblockru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen abgeben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr frisch mitkämpfen<br />
wollen.“ 1552<br />
Zum ersten Mal seit 1983 mel<strong>de</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV 1987 auch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> einen Frauen-<br />
achter. Vorausgegangen war das „Projekt 1987“. 1553 Unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung von<br />
Peter Josten konnte das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Finalteilnahme erreicht wer<strong>de</strong>n. Der Rie-<br />
menbereich stabilisierte sich langsam. Bei <strong>de</strong>n Skullerinnen hingegen war in<br />
Kopenhagen in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse keine DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in am Start. 1554<br />
Es dauerte bis 1990, bis <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV mit Ingeburg Althoff und Stefani<br />
Werremeier im Zweier die ersten Weltmeisterinnen in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse<br />
präsentieren konnte. Ein Jahr zuvor been<strong>de</strong>ten sie das Rennen als Zweite.<br />
Das En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre war insgesamt erfolgreich, angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwie-<br />
rigkeiten mit <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband anfänglich zu kämpfen hatte. Titie Jordache<br />
1549 Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 164.<br />
1550 Vgl. [ohne Verfasser], „Die Weltmeisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, S. 554.<br />
1551 [ohne Verfasser], „Die Weltmeisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 105(1987)24, S.<br />
580-583.<br />
1552 Ebenda.<br />
1553 Vgl. ebenda, S. 583.<br />
1554 Vgl. ebenda.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 370<br />
bestätigte diese Entwicklung mit einem dritten Platz im Einer 1989. 1990 er-<br />
reichte sie außer<strong><strong>de</strong>m</strong> Silber. Der Frauenvierer holte ebenfalls eine Bronze-<br />
medaille.<br />
Gera<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre gestaltete sich <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV schwierig. So<br />
been<strong>de</strong>ten die west<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen 1982 die Nationenwertung auf<br />
Platz 13. Keines <strong><strong>de</strong>r</strong> gestarteten Boote konnte sich <strong>für</strong> ein Finale qualifizie-<br />
ren. 1555 Dieses Ergebnis stellte <strong>de</strong>n „absoluten Tiefpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Ent-<br />
wicklung <strong>de</strong>s Frauenleistungssports im DRV dar.“ 1556 Anne Dickmann führte<br />
als Grün<strong>de</strong> die schlechte Vorbereitung an. Vor allem aber kritisierte sie das<br />
fehlen<strong>de</strong> Höhentraining, obwohl die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
„<strong>für</strong> dieses Ziel [...] sogar beträchtliche Eigenmittel bereitgestellt<br />
hatten, damit es nicht am Geld scheitert. Am Schluß fehlten 3000,-<br />
DM, die verglichen mit <strong>de</strong>n Gesamtkosten, [...] einen fast unerheblichen<br />
Betrag darstellten. Warum waren die Frauen nun nicht<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Höhe?“ 1557<br />
Das Höhentraining wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR auch im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n konsequent an-<br />
gewandt. Die Verantwortlichen in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD vertraten dagegen die Meinung,<br />
dass „sie <strong>für</strong> die 1.000m Distanz angeblich nichts brächten“. 1558 Die Erfolge<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ost<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen beweisen allerdings das Gegenteil: Kein an<strong>de</strong>-<br />
res Land war erfolgreicher als die DDR im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> gelungenen Auftakt bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM 1974 setzten die DRSV-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM in Nottingham 1975 Maßstäbe. Die Titel im Einer,<br />
Zweier, Doppelvierer, Vierer und Achter gingen an die DDR. 1559<br />
Noch erfolgreicher war die DDR bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM in Amsterdam 1977. Der DRSV<br />
holte alle sechs Goldmedaillen. Dieser Erfolg ist bis heute unerreicht:<br />
„Dieser 27. August war ein <strong>de</strong>nkwürdiger Tag in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte<br />
unseres Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s. Denn erstmals gelang es einem Verband,<br />
alle zu vergebenen Titel zu erkämpfen. Und mit welchen<br />
Leistungen. Alle bestehen<strong>de</strong>n Bahnrekor<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n bei i<strong>de</strong>alen<br />
Witterungsbedingungen unterboten. Die Reihe begann bei <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
1555<br />
Vgl. VIEZENZ, Die historische Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, S.73.<br />
1556<br />
I. DIETERLE, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen reißen sich am Riemen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 101(1983)4, S. 67.<br />
1557<br />
A. DICKMANN, „Höhentraining <strong>für</strong> Frauen – eine Farce“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 100(1982)34, S.<br />
731.<br />
1558<br />
BECKER, Mit Rock und Riemen, S. 134.<br />
1559<br />
Vgl. J. KAPSCH, „Eine Bilanz, die mehr als gut war“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR 16(1975)11,<br />
S. 3.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 371<br />
Vierer mit Steuermann und en<strong>de</strong>te beim Achter – eine Mannschaft<br />
herauszuheben, be<strong>de</strong>utet eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e hintenanzusetzen.“ 1560<br />
Wie beeindruckt die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Nationen von dieser Vorstellung waren, fasste<br />
Jürgen Kapsch zusammen: „In vielen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist man dabei, schon jetzt die<br />
Fahrrinne <strong>für</strong> Olympia 1980 zu verbessern.“ 1561 Hinter <strong>de</strong>n überlegenen<br />
DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen war die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>welt in Bewegung geraten.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM in Neuseeland 1978 dominierten erneut die Boote <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialisti-<br />
schen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>. Sie gewannen zwölf <strong><strong>de</strong>r</strong> insgesamt 18 Medaillen. 1562 Die DDR<br />
konnte drei Siege <strong>für</strong> sich verbuchen und führte damit die Nationenwertung<br />
vor Bulgarien und <strong><strong>de</strong>r</strong> UdSSR an. 1563<br />
Im folgen<strong>de</strong>n Jahr war die DDR erneut die erfolgreichste Nation. Drei Titel<br />
und genau so viele Silbermedaillen konnten eingefahren wer<strong>de</strong>n. Zum ge-<br />
lungenen Abschnei<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen fand sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR die Anmerkung: „Es war auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Bledsee ein sonniger Nachmittag <strong>für</strong><br />
die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR – nicht nur <strong>de</strong>s schönen Wetters wegen...“. 1564<br />
In München 1981 konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV <strong>de</strong>n zweiten Rang in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationenwertung hinter <strong><strong>de</strong>r</strong> erstmalig seit 1973 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> siegreichen UdSSR<br />
belegen. Allerdings wur<strong>de</strong> nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel im Zweier gewonnen.<br />
Nach durchschnittlichen Ergebnissen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM 1983 stand die DDR 1985<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationenwertung wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ganz oben. Vier Siege und je einmal Silber<br />
und Bronze stan<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Verband zu Buche. 1565<br />
Die DRSV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen haben das internationale Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n über Jahre<br />
hinweg mitgestaltet und geprägt. Stellvertretend <strong>für</strong> die vielen Erfolge wer<strong>de</strong>n<br />
im Folgen<strong>de</strong>n einzelne Bootsklassen respektive Persönlichkeiten vorgestellt.<br />
An erster Stelle muss Christine Hahn-Scheiblich vom SC Einheit Dres<strong>de</strong>n<br />
genannt wer<strong>de</strong>n. Sie wur<strong>de</strong> von 1974 bis 1978 durchgängig Weltmeisterin im<br />
Einer. Jutta Hampe gewann Gold 1983 und 1986. Cornelia Linse knüpfte an<br />
1560 [ohne Verfasser], „Elf Weltmeistertitel auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Bosbaan“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
18(1977)9, S. 2.<br />
1561 [ohne Verfasser], „Triumphfahrt unserer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
18(1977)10, S. 3.<br />
1562 Vgl. D. BRADEN, „Acht Goldmedaillen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Karapirosee“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
19(1978)11, S. 2.<br />
1563 Vgl. ebenda.<br />
1564 J. KAPSCH, „Dreimal Gold, dreimal Silber“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR 25(1979)9, S. 2.<br />
1565 Vgl. J. KAPSCH, „Wer keinen langen Endspurt fuhr, stand im Finale auf verlorenem Pos-<br />
ten“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>Sport 31(1985)9, S. 3.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 372<br />
diese Leistungen 1984 und 1985 an. Birgit Peter holte <strong>de</strong>n letzten Titel 1990<br />
<strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRSV, zusätzlich erreichte sie Silber 1989. 1566<br />
Die ost<strong>de</strong>utsche Domäne aber war <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelvierer. Bis auf die Weltmeis-<br />
terschaften zwischen 1981 und 1983, bei <strong>de</strong>nen Silber gewonnen wer<strong>de</strong>n<br />
konnte und 1978, als keine Platzierung erreicht wur<strong>de</strong>, gewann <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV<br />
alle Titel in dieser Bootsklasse. 1567 Bekannte Namen tauchten immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
auf. Im ersten Weltmeister-Boot 1974 saß beispielsweise Jutta Lau 1568 , die<br />
spätere Bun<strong>de</strong>strainerin <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Frauen-Skullbereich. Auch die erfolgreiche<br />
Einerfahrerin Jutta Hampe war Mitglied <strong>de</strong>s Doppelvierers. Jana Sorgers<br />
wur<strong>de</strong> in dieser Bootklasse Weltmeisterin 1989 und 1990. 1569<br />
Im Riemenbereich zahlte sich die konsequente För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er<br />
Jahre aus. Von 1974 bis 1977 konnten alle Weltmeistertitel gewonnen wer-<br />
<strong>de</strong>n. Bis 1990 erreichte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV in Riemenbootsklassen insgesamt noch<br />
viermal einen zweiten Platz und drei Bronzemedaillen. 1570<br />
7.4.3 Olympische Spiele<br />
Bereits 1927 bat die Vorsitzen<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Women’s Amateur Rowing Association,<br />
Gentry, die Amateur Rowing Association und die British Olympic Association<br />
um Unterstützung in ihrem Vorhaben, ein Rennen im Frauen-Doppelvierer<br />
mit Steuermann bei <strong>de</strong>n Olympischen Spielen (OS) in Amsterdam 1928 aus-<br />
zuschreiben. 1571 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> ersuchte sie das Organisationskomitee in Ams-<br />
terdam einen Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbwerb anzubieten. Bei<strong>de</strong> Vorhaben scheiterten.<br />
Während <strong><strong>de</strong>r</strong> nächsten zwanzig Jahre versuchte die WARA mehrfach, Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei OS zuzulassen. Diese Bemühungen beinhalteten auch einen<br />
Antrag beim Organisationskomitee <strong><strong>de</strong>r</strong> Spiele in London 1948: „to consi<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1566<br />
Vgl. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 22. 12. 2008.<br />
1567<br />
Vgl. ebenda.<br />
1568<br />
Jutta Lau gewann als aktive Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in 1976 und 1980 olympische Goldmedaillen im Doppelvierer.<br />
1975, 1977, 1978 und 1979 wur<strong>de</strong> sie ebenfalls Weltmeisterin in dieser Bootsklasse.<br />
Nach ihrer aktiven Zeit arbeitete sie als Trainerin im DRSV. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong><br />
wur<strong>de</strong> sie Bun<strong>de</strong>strainerin <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Skullbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen. Bis Januar 2009 betreute sie<br />
die A-Nationalmannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen am Standort Potsdam. Ab Februar 2009 ist sie <strong>für</strong><br />
die chinesischen Skullerinnen zuständig.<br />
1569<br />
Vgl. ebenda.<br />
1570<br />
Vgl. ebenda.<br />
1571<br />
Vgl. SCHWEINBENZ, Paddling Against the Current. A History of Women’s Competitive<br />
International Rowing Between 1954 and 2003, S. 120.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 373<br />
the possibility of raising an All England women’s crew for an event at the<br />
Olympic Games in 1948“. 1572 Allerdings wur<strong>de</strong> auch dieser Antrag abgelehnt.<br />
1962 äußerte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Leiter <strong><strong>de</strong>r</strong> sowjetischen Delegation, Moral, in einem<br />
Sportecho-Interview über die Zukunft <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns bei OS:<br />
„Die Zeit dürfte nicht mehr allzu fern sein, daß die erste Frau in<br />
<strong>de</strong>n Kosmos fliegt. Im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist diese i<strong>de</strong>ale Gleichberechtigung<br />
aber noch nicht verwirklicht. Wir sind aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinung, daß über<br />
kurz o<strong><strong>de</strong>r</strong> lang auch die letzten Zweifler eines Besseren belehrt<br />
wer<strong>de</strong>n.“ 1573<br />
Nach langen und zähen Verhandlungen gelang es schließlich <strong><strong>de</strong>m</strong> damali-<br />
gen FISA-Präsi<strong>de</strong>nten Keller, dass 1976 Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Montreal in das<br />
olympische Programm aufgenommen wur<strong>de</strong>. Der Antrag war zuvor zweimal<br />
gescheitert und Har<strong><strong>de</strong>r</strong> merkte an, dass „bei einer nochmaligen Ablehnung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Weg <strong>für</strong> alle Zukunft wahrscheinlich verbaut gewesen wäre“. 1574<br />
„Êtes-vous prêt? Partez!“ hieß es schließlich <strong>für</strong> Frauen aus fünfzehn Län-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n, die in sechs Wettbewerben an <strong>de</strong>n Start gingen. 1575 Die Bootsklassen<br />
wur<strong>de</strong>n gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> WM nicht verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t: Einer, Doppelzweier und Dop-<br />
pelvierer mit Steuermann sowie im Riemenbereich, Zweier, Vierer und Ach-<br />
ter wur<strong>de</strong>n ausgetragen. 1576 Lau beschrieb das Gefühl, teilnehmen zu dürfen:<br />
„Die Freu<strong>de</strong> bei uns Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen war groß, die olympische Akzeptanz<br />
stärkte unser Selbstbewußtsein. Wir kamen in <strong>de</strong>n Genuß einer<br />
Olympiakleidung, wohnten im Olympischen Dorf, lernten<br />
Sportlerinnen und Sportler aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sportarten und Nationen<br />
kennen und nahmen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Eröffnungszeremonie <strong><strong>de</strong>r</strong> XXI. Olympischen<br />
Sommerspiele in Montreal teil und vertraten so mit Stolz<br />
unser Land.“ 1577<br />
Die DRSV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gewannen in allen Bootsklassen eine Medaille. Mit<br />
Gold im Einer, Vierer mit Steuermann, Doppelvierer mit Steuermann und im<br />
Achter sowie Silber im Zweier und im Doppelzweier bestätigten sie die zuvor<br />
auf Weltmeisterschaften gezeigten Leistungen. Lau bezeichnete <strong>de</strong>n Sieg im<br />
1572 Ebenda.<br />
1573 J. KAPSCH, „Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Sittenverein auf die Barrika<strong>de</strong>n ging“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
15(1974)9, S. 9.<br />
1574 I. HARDER, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen olympisch“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 90(1972)29, S. 665.<br />
1575 Vgl. ebenda, S. 134.<br />
1576 Vgl. W. HOFFMANN, „Olympische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten seit 1990. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/emwmolyrud/olyrud.htm,<br />
Zugriff am 23. 12. 2008.<br />
1577 J. LAU, „Als die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Frauen ‘olympisch’ wur<strong>de</strong>n“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 118(2000)18, S. 665.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 374<br />
Doppelvierer als „überwältigen<strong>de</strong>n Erfolg“. 1578 Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> erklärte sie: „Wir<br />
hatten etwas Unvorstellbares und nicht erreichbar Geglaubtes erreichbar<br />
gemacht.“ 1579<br />
Der DRV konnte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> olympischen Premiere eine Bronzemedaille im<br />
Zweier gewinnen. 1580 Hinzu kam eine weitere Bronzemedaille in dieser<br />
Bootsklasse 1984. 1581<br />
Der DRSV war bei OS sehr erfolgreich. Bei <strong>de</strong>n Spielen in Moskau 1980, die<br />
von vielen westlichen Verbän<strong>de</strong>n, darunter auch die BRD, boykottiert wur-<br />
<strong>de</strong>n, erreichten die ost<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen vier Olympiasiege in <strong>de</strong>n Dis-<br />
ziplinen Doppelvierer, Zweier, Vierer und Achter sowie eine Silber- und eine<br />
Bronzemedaille im Doppelzweier und Einer. 1582 Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s spannend machte<br />
es die Mannschaft <strong>de</strong>s Doppelvierers, die anfänglich mit einem klemmen<strong>de</strong>n<br />
Rollsitz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Startzone zu kämpfen hatte. Da es sich hier um einen Scha-<br />
<strong>de</strong>n han<strong>de</strong>lte, <strong><strong>de</strong>r</strong> schnell behoben wer<strong>de</strong>n konnte, kam es laut Reglement<br />
zu einem Neustart und die vier Frauen gewannen das Rennen. 1583 Alle<br />
Goldmedaillen im Riemenbereich gingen an die DDR. Die Schützlinge von<br />
Trainerin Herta Weissig konnten sowohl im Vierer als auch im Zweier als<br />
Erste die olympischen Finalläufe been<strong>de</strong>n. Der von <strong><strong>de</strong>m</strong> späteren DRV-<br />
Bun<strong>de</strong>strainer Dieter Grahn betreute Frauenachter wur<strong>de</strong> in einem spannen-<br />
<strong>de</strong>n Rennen ebenfalls Olympiasieger. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ließen im Endspurt die<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mannschaften hinter sich. 1584<br />
Bei <strong>de</strong>n OS 1984 in Los Angeles än<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich die Situation im internationalen<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Da das NOK <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR die Spiele boykottierte, stieg Rumänien<br />
zur besten Nation auf. Von sechs möglichen Goldmedaillen gewann das ru-<br />
mänische Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>team fünf, dazu kam eine Silbermedaille. 1585 Dieses<br />
Ergebnis war ein weiterer Beleg <strong>für</strong> die herausragen<strong>de</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ost-<br />
block-Staaten.<br />
1578<br />
Ebenda.<br />
1579<br />
Ebenda.<br />
1580<br />
Vgl. HOFFMANN, „Olympische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten seit 1990. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 23. 12. 2008.<br />
1581<br />
1976 gewannen Edith Eckbauer, geborene Baumann und Thea Einö<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Bronzemedaille.<br />
Acht Jahre später waren es Iris Völkner und Ellen Becker.<br />
1582<br />
HOFFMANN, „Olympische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten seit 1990. Deutsche Medaillenerfolge – Gold,<br />
Silber und Bronze“, Zugriff am 23. 12. 2008.<br />
1583<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Finale“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR 26(1980)9, S. 12.<br />
1584<br />
Vgl. ebenda.<br />
1585<br />
Vgl. RENTEL, Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im Spiegel <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Spiele 1896-2004, S. 92.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 375<br />
In Seoul 1988 ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die Frauen erstmalig über die 2.000m Distanz. Die<br />
DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen waren erneut sehr erfolgreich und überquerten im Einer,<br />
Doppelzweier, Riemenvierer, Doppelvierer und Achter als erste die Ziellinie.<br />
Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s DRV hingegen waren in keinem Endlauf vertreten. 1586<br />
7.4.4 Medaillenbilanz<br />
Die Erfolge bei<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utscher Mannschaften bei EM, WM und OS im Frauen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sind groß. Als Zusammenfassung bietet sich eine tabellarische<br />
Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Medaillengewinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus Ost und West bis zur<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung an. 1587 An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen,<br />
dass die DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen erst ab 1969 das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufnehmen konn-<br />
ten, so dass <strong><strong>de</strong>m</strong> DRSV zwei Bootsklassen mehr zur Verfügung stan<strong>de</strong>n, um<br />
Medaillen zu erringen. 1588 An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits startete <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV nicht im Leichtge-<br />
wichtsbereich.<br />
Jahr Gol<br />
DRV DRSV<br />
Silber Bronze Gold Silber Bronze<br />
EM 1954 d X keine Teilnahme<br />
EM 1956 X XX<br />
EM 1957 X XXX<br />
EM 1958 X XX<br />
EM 1959 XX<br />
EM 1960 X X X<br />
EM 1961 XX XX<br />
EM 1962 keine Teilnahme XXX X<br />
EM 1963 XXX<br />
EM 1964 XX<br />
EM 1965 X keine Teilnahme<br />
EM 1966 X XXX XX<br />
EM 1967 XX XX<br />
1586<br />
Vgl. ebenda, S. 102.<br />
1587<br />
1990 gingen noch zwei <strong>de</strong>utsche Mannschaften bei internationalen Rennen an <strong>de</strong>n<br />
Start.<br />
1588<br />
Vgl. HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 120.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 376<br />
EM 1968 XXX X X<br />
EM 1969 X XX XX X<br />
EM 1970 X XXX X<br />
EM 1971 XX X XX X<br />
EM 1972 X X XX<br />
EM 1973 XX X XX<br />
WM 1974 X XXXX X X<br />
WM 1975 X XXXX X<br />
OS 1976 X XXXX X<br />
WM 1977 XXXX<br />
WM 1978 X XXX X<br />
WM 1979 XXX XXX<br />
OS 1980 keine Teilnahme XXXX X X<br />
WM 1981 X XXX<br />
WM 1982 X XX X<br />
WM 1983 XXX X X<br />
OS 1984 X keine Teilnahme<br />
WM 1985 X X XXXX X X<br />
WM 1986 X XXX X X<br />
WM 1987 X X XXX<br />
OS 1988 XXXX<br />
NOWM1988<br />
1589<br />
X X keine Teilnahme<br />
WM 1989 X X XXXX XX<br />
WM 1990 X X X XXX XX<br />
Tab. 12: Medaillenbilanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s DRV und DRSV im Vergleich 1590<br />
Die DRSV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen waren im Vergleich zu <strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen <strong>de</strong>utlich überlegen. Allerdings muss insgesamt eine Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Ost-<br />
blocknationen festgestellt wer<strong>de</strong>n. Schweinbenz stellt dar, dass die FISA sich<br />
zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre durchaus <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ostblock-Staaten<br />
1589 Hier han<strong>de</strong>lt es sich um die Nichtolympische Weltmeisterschaft, in <strong><strong>de</strong>r</strong> alle nichtolympischen<br />
Bootsklassen ausgefahren wer<strong>de</strong>n.<br />
1590 Vgl. ebenda, S. 121. Ferner vgl. RENTEL, Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im Spiegel <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen<br />
Spiele 1896-2004, S. 81-82; 94; 101-102. Ferner „Olympische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten seit 1990.<br />
Deutsche Medaillenerfolge – Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 23. 12. 2008; HOFF-<br />
MANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge – Gold, Silber<br />
und Bronze“, Zugriff am 22. 12. 2008; HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Europameisterschaften seit<br />
1913. Deutsche Medaillenerfolge. Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 19. 12. 2008.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 377<br />
bewusst war. 1591 In Finalläufen bot sich häufig das Bild, dass ein Boot aus<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Westen gegen fünf Boote aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Osten antrat. 1592 Die in <strong>de</strong>n 70er und<br />
80er Jahren erfolgreiche kanadische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in Rebecca Walsh bestätigte<br />
dies:<br />
„...[there] was always this force, the Romanians, the Bulgarians,<br />
East Germans, Russians, Poles, you know, most finals, that Betty<br />
[Craig] and I were in all Eastern bloc countries except us. There ...<br />
was a little bit of <strong>Aus</strong>tralia, little bit of England, little bit of <strong>Aus</strong>tralia,<br />
but there weren’t [always] those countries and it was all Eastern<br />
Bloc [in the finals].“ 1593<br />
Der Erfolg <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen war auf ein För<strong><strong>de</strong>r</strong>ungssystem zurückzufüh-<br />
ren, das eine <strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Besten garantierte. Bereits an Land zeigte sich<br />
eine physische Überlegenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Bereits das äußere Erschei-<br />
nungsbild, so John Hoberman, hob sie ein<strong>de</strong>utig vom Rest <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
ab und sorgte damit <strong>für</strong> Spekulationen:<br />
„The success of Eastern European crews, coupled with the visibly<br />
larger size of oarswomen from this region, prompted accusations<br />
of performance enhancing substance abuse from the Western<br />
media who castigated these oarswomen as not ‘real’ women as<br />
well.“ 1594<br />
Hoberman beschrieb die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s Ostblocks in diesem Kontext als<br />
männlich und unweiblich 1595 . Er führte weiter an, dass die Erfolge <strong>de</strong>s DRSV<br />
nicht nur auf einer frühen Talentsuche basierten. Es war, so Hoberman, all-<br />
gemein bekannt,<br />
„that the East German authorities mobilized over a thousand<br />
scientists, physicians and trainers in its programme to <strong>de</strong>velop<br />
successful athletes by means of anabolic steroids.“ 1596<br />
Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechtskontrollen 1597 , die alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s<br />
DRSV beziehungsweise <strong>de</strong>s gesamten Ostblocks bestan<strong>de</strong>n, nahmen die<br />
Doping-Vorwürfe vermehrt zu. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sportlerinnen berichteten von extre-<br />
1591<br />
Vgl. SCHWEINBENZ, Paddling Against the Current. A History of Women’s Competitive<br />
International Rowing Between 1954 and 2003, S. 15.<br />
1592<br />
Vgl. ebenda.<br />
1593<br />
Ebenda.<br />
1594<br />
Ebenda, S. 140.<br />
1595<br />
Vgl. ebenda, S. 140-141.<br />
1596<br />
Ebenda, S. 140.<br />
1597<br />
Bei <strong>de</strong>n Olympischen Spielen 1976 in Montreal wur<strong>de</strong>n erstmals Geschlechtskontrollen<br />
durchgeführt.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 378<br />
men körperlichen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, die sie innerhalb nur einer Saison bei <strong>de</strong>n<br />
DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen beobachteten. Diese waren „just shocking... some of the<br />
women were grossly over weight, grossly over weight!“ 1598 . Eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>in bemerkte:<br />
„You could see that there was something a little different about our<br />
competitors from that part of the world. We knew, but we didn’t<br />
knew, but we knew.“ 1599<br />
Trotz aller Vermutungen und Anschuldigungen ist nicht eine einzige DRSV-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong>de</strong>s Dopings überführt wor<strong>de</strong>n:<br />
„FISA never caught any East German rower testing positive for illegal<br />
chemicals, including the 1990 season when year-around<br />
random testing during training was carried out. ... It was two Russian<br />
rowers who first were found to be using steroids, revealed by<br />
a test at Mannheim regatta in 1980.“ 1600<br />
Auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> so genannten Übergangssaison 1990, als DRV und DRSV zwar<br />
ihre Vereinigung auf <strong>de</strong>n Weg brachten und vollzogen, aber mit zwei Mann-<br />
schaften an <strong>de</strong>n Start gingen, wur<strong>de</strong> kein Dopingfall publik. Heute ist be-<br />
kannt, dass die DDR, wie viele an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Staaten auch, systematisches Doping<br />
betrieben hat.<br />
Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kalten Krieges und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenbruch <strong>de</strong>s Kommunismus<br />
brachten eine Neuorientierung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n internationalen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport mit<br />
sich. Die traditionell dominieren<strong>de</strong>n Nationen, wie beispielsweise Bulgarien,<br />
UdSSR und Polen, waren zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er international nicht mehr kon-<br />
kurrenzfähig. 1601 Län<strong><strong>de</strong>r</strong> wie Kanada, USA und <strong>Aus</strong>tralien konnten von die-<br />
sem Zeitpunkt Medaillen gewinnen, die vorher nur unter Ostblock-Staaten<br />
verteilt wor<strong>de</strong>n waren.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung 1990 und <strong><strong>de</strong>m</strong> Zusammenschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n<br />
Verbän<strong>de</strong> stand <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV eine breite Basis an gut ausgebil<strong>de</strong>ten Rennru<strong>de</strong>-<br />
rinnen und Trainern zur Verfügung. Die Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> sportwissenschaftlichen<br />
<strong>Institut</strong>ionen in <strong>de</strong>n Bereichen Trainingsteuerung und -planung sowie im<br />
Bootsbau wur<strong>de</strong>n sinnvoll angewandt. Im Zuge dieser Entwicklung avancier-<br />
1598 Ebenda, S. 143.<br />
1599 Ebenda.<br />
1600 Ebenda.<br />
1601 Vgl. ebenda, S. 160.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 379<br />
te <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er sowohl im Frauen- als auch im Männerbereich<br />
zu einem erfolgreichen Verband im internationalen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport.<br />
7.5 Exkurs: Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Verbän<strong>de</strong>n<br />
Für alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in Ost und West war das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wesentlicher<br />
Bestandteil ihres sportlichen Betätigungsfel<strong>de</strong>s. Die Grün<strong>de</strong> hier<strong>für</strong> sind<br />
nachvollziehbar und wur<strong>de</strong>n von einer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in auf <strong>de</strong>n Punkt gebracht:<br />
„Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n! Je<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten kennt, weiß, was<br />
dieses Wort be<strong>de</strong>utet: Entspannung, Erholung, frische Luft, Wasser,<br />
Sonne, Lachen, ungebun<strong>de</strong>nes Fröhlichsein unter gleichgesinnten<br />
jungen Menschen. Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt be<strong>de</strong>utet:<br />
Erlebnis!“ 1602<br />
Lehmann ergänzte, dass die Frauen, die vor sechzig Jahren das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n be-<br />
gannen, einfach nur ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wollten: „das hieß schlechthin, mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Boot<br />
sonntags auf Fahrt gehen, die Sonne, das Wasser, kurz – die Natur genie-<br />
ßen.“ 1603 Fritz Ulmer be<strong>für</strong>wortete explizit das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da es seiner<br />
Meinung nach das Gefühl <strong>für</strong> das Boot schulen wür<strong>de</strong>: „<strong><strong>de</strong>r</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>er fühlt<br />
seine Kräfte wachsen im körper- und geistbeschwingen<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“. 1604<br />
Anfänglich wur<strong>de</strong>n die Aktivitäten in dieser Sparte vom UA Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
halbwegs koordiniert. Fehlte beispielsweise ein Partner o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Verein,<br />
konnte man sich an einen <strong>Aus</strong>schuss wen<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> dann vermittelte.<br />
Das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR ist eng mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Person Frie<strong>de</strong>l Krüger verbun-<br />
<strong>de</strong>n. Lange bevor <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV die erste Frauen-Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt veranstaltete, wur-<br />
<strong>de</strong>n von ihr schon <strong>Aus</strong>flüge organisiert und geleitet. Die erste Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-<br />
Fahrt wur<strong>de</strong> bereits 1974 unternommen. 1605<br />
Der DRV schrieb erstmalig 1980 eine Frauen-Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt aus. Ihren Ur-<br />
sprung hatten diese Pläne in <strong>de</strong>n vielen Gesprächen, die am Ran<strong>de</strong> von<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>treffen immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu Stan<strong>de</strong> kamen. 1606 Primär richtete sich<br />
diese Veranstaltung an Frauen, die in ihren Vereinen keine Partnerinnen <strong>für</strong><br />
eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Unternehmung fin<strong>de</strong>n konnten. Sie war auch <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
1602 G. SCHOLZ, „Je<strong>de</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt ein Erlebnis“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 70(1952)4, S. 57.<br />
1603 G. LEHMANN, „Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n – gestern und heute ein Bestandteil <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns“, in:<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 79(1961)9, S. 249.<br />
1604 F. ULMER, „För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 70(1952)7, S. 109.<br />
1605 Vgl. F. KRÜGER, „Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt nach Naumburg an <strong><strong>de</strong>r</strong> Saale“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>Sport<br />
34(1988)4, S. 15.<br />
1606 Vgl. H. RODENBURG, „DRV-Frauen-Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt. Warum nicht?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
98(1980)1, S. 28.
„Nur noch schnell“: Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten 380<br />
gedacht, „die sich bisher nicht so recht getraut haben, über ihren Verein hin-<br />
aus einmal an einer Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt teilzunehmen.“ 1607 Ro<strong>de</strong>nburg betonte,<br />
dass man keinesfalls in <strong>de</strong>n alten Separatismus zurückfallen wollte. Der ers-<br />
te <strong>Aus</strong>flug dauerte vier Tage und wur<strong>de</strong> auf Ilmenau und Elbe abgehalten.<br />
2000 konnte das 20-jährige Jubiläum gefeiert wer<strong>de</strong>n. Die Frauen-<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit. Die Teilnehmer-<br />
zahlen erhöhen sich jährlich, so dass ab 1984 zwei Termine angeboten wer-<br />
<strong>de</strong>n. Eine Veranstaltung fin<strong>de</strong>t traditionell am Himmelfahrtstermin statt. Die<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e meistens im frühen Herbst. 1608 An <strong><strong>de</strong>m</strong> späteren Termin wur<strong>de</strong>n in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel die DDR-Frauen-Fahrten durchgeführt. 1609<br />
Im Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gab es keine Berührungsängste zwischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus<br />
Ost und West. Als die Mauer fiel, nahmen direkt vier Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus Ostber-<br />
lin an <strong><strong>de</strong>r</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt <strong>de</strong>s DRV teil: „Wir hatten uns alle unsagbar gefreut<br />
und bereits im Oktober fand eine Damen-Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt statt.“ 1610<br />
2008 wur<strong>de</strong>n die 79. und die 80. DRV-Frauen-Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt angeboten. Nach<br />
wie vor ist die Nachfrage groß und die Anmel<strong>de</strong>zahlen sind hoch. Heike<br />
Ro<strong>de</strong>nburg muss an dieser Stelle nochmals explizit erwähnt wer<strong>de</strong>n. Ohne<br />
ihr Engagement wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen.<br />
1607 Ebenda.<br />
1608 Vgl. H. RODENBURG, „20 Jahre DRV-Damen-Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten – eine Erfolgsgeschichte“,<br />
in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 118(2000)2, S. 52.<br />
1609 Vgl. ebenda.<br />
1610 Ebenda, S. 53.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 381<br />
8 „Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland nach 1990<br />
Das ost<strong>de</strong>utsche Sportsystem war nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Mauer nicht<br />
mehr aufrechtzuerhalten. Auch im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sahen Trainer und Athleten<br />
einer ungewissen Zukunft entgegen. Der heutige Cheftrainer <strong>de</strong>s DRV,<br />
Hartmut Buschbacher 1611 , beschrieb die damalige Situation nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong><br />
als schwierig, da we<strong><strong>de</strong>r</strong> finanzielle Mittel noch Trainer und vor allem keine<br />
Zeit <strong>für</strong> die Betreuung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachwuchsru<strong><strong>de</strong>r</strong>er zur Verfügung stan<strong>de</strong>n. 1612 Vie-<br />
le <strong><strong>de</strong>r</strong> erfolgreichen DDR-Trainer wur<strong>de</strong>n von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Verbän<strong>de</strong>n abgewor-<br />
ben und nahmen eine Arbeit im <strong>Aus</strong>land auf. Nicht wenige hatten<br />
Startschwierigkeiten nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong>. 1613<br />
Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Sozialismus führte dazu, dass auf internationalen Regatten<br />
kleinere Mel<strong>de</strong>fel<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verzeichnen waren. Dies galt insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Frauenachter. Die Zukunft dieser Bootsklasse als olympische Disziplin war<br />
bedroht. <strong>Aus</strong> diesem Grund for<strong><strong>de</strong>r</strong>te die FISA alle Verbän<strong>de</strong> auf, einen Frau-<br />
enachter bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM 1991 zu mel<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n Olympiastatus zu erhalten.<br />
Die Mühe zahlte sich aus, <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenachter ist bis heute eine olympische<br />
Disziplin. Dies ist auch <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV wichtig, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Fokus <strong><strong>de</strong>r</strong> Öffentlichkeit<br />
nach wie vor auf <strong>de</strong>n Bootsklassen Achter und Einer liegt. Am bekanntesten<br />
ist dabei zwar <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschlandachter im Männerbereich, es existiert aber<br />
auch ein Frauenachter. Diesem Team gehören die Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>ska<strong><strong>de</strong>r</strong> an.<br />
Im Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war in <strong>de</strong>n 90er Jahren sowohl national als auch<br />
international ein Aufwärtstrend zu verzeichnen. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in Asien, aber<br />
auch in Staaten <strong>de</strong>s ehemaligen Ostblocks ent<strong>de</strong>ckten immer mehr Frauen<br />
die Leichtgewichtsklasse. Die FISA intensivierte <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend ihre Be-<br />
mühungen, Leichtgewichte bei OS ins Programm zu bringen. Seit 1996 wird<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen-Doppelzweier <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtgewichte bei OS ausgefahren, allerdings<br />
wur<strong>de</strong> da<strong>für</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierer in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse gestrichen.<br />
1611 Hartmut Buschbacher trainierte von 1985 bis 1990 die Frauen-Nationalmannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DDR. 1988 gewann sein Frauenachter Gold bei <strong>de</strong>n Olympischen Spielen in Seoul. Danach<br />
war er von 1991 bis 2000 <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Frauen-Riemenbereich in <strong>de</strong>n USA zuständig.<br />
Für <strong>de</strong>n chinesischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband war er von 2006 bis 2008 tätig. Seit Oktober 2008<br />
ist Buschbacher DRV-Cheftrainer.<br />
1612 Vgl. SCHWEINBENZ, Paddling Against the Current. A History of Women’s Competetive<br />
International Rowing Between 1954 and 2003, S. 160.<br />
1613 Vgl. BOES, 1883-2008. 125 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 118.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 382<br />
Der DRV glie<strong><strong>de</strong>r</strong>te die DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in sein bestehen<strong>de</strong>s Leistungssport-<br />
system ein. Dies be<strong>de</strong>utete beispielsweise, dass finanzielle För<strong><strong>de</strong>r</strong>mittel über<br />
die Deutsche Sporthilfe bei entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>zugehörigkeit bereitgestellt<br />
wur<strong>de</strong>n. Im Zuge <strong>de</strong>s Vereinigungsprozesses wur<strong>de</strong>n DDR-Spitzensportler in<br />
die Sportför<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>swehr integriert.<br />
Die DDR dominierte <strong>de</strong>n internationalen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er<br />
Jahre. Dem DRV gelang es, die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen erfolgreich in seine bestehen<strong>de</strong><br />
Nationalmannschaft einzubin<strong>de</strong>n, was dazu führte, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband inter-<br />
national sowohl im Riemen- als auch im Skullbereich Erfolge feiern konnte.<br />
8.1 Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Der Modus <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns wur<strong>de</strong> von 1990 bis 2004<br />
beibehalten. Seit 2005 veranstaltet <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV Deutsche Kleinbootmeister-<br />
schaften (DKM). Die DKM fin<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel im Frühling statt. Im Rahmen<br />
dieser nationalen Regatta messen sich die Athleten nur in <strong>de</strong>n Bootsklassen<br />
Einer und Zweier in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse sowie im Einer im Leichtgewichtsbe-<br />
reich. Die DRV-Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athleten sind verpflichtet, an dieser Regatta teilzuneh-<br />
men.<br />
Im Zuge dieser Entwicklung wer<strong>de</strong>n ebenfalls seit 2005 die <strong>Deutschen</strong><br />
Großbootmeisterschaften (DGM) ausgetragen. Hier ermitteln die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
ihre Meister in <strong>de</strong>n Bootsklassen Doppelzweier, Zweier, Doppelvierer, Vierer<br />
und Achter. Diese Meisterschaften fan<strong>de</strong>n häufig in Kombination mit <strong>de</strong>n<br />
<strong>Deutschen</strong> Sprintmeisterschaften zum Abschluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Saison im Herbst statt.<br />
2009 wur<strong>de</strong> diese Veranstaltung erstmalig im Frühling durchgeführt.<br />
Bei <strong>de</strong>n DKM ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Start von Renngemeinschaften erlaubt. Die Ergebnisse<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athleten wer<strong>de</strong>n als Nominierungskriterium <strong>für</strong> die Nationalmann-<br />
schaft herangezogen. Bei <strong>de</strong>n DGM und <strong>de</strong>n DSM allerdings sind seit 2005<br />
nur Vereinsmannschaften startberechtigt.<br />
Zusätzlich gibt es seit 1997 im Herren- und Frauenbereich die <strong>Deutschen</strong><br />
Sprintmeisterschaften (DSM). Die Streckenlänge beträgt in diesen Rennen<br />
min<strong>de</strong>stens 300m aber höchstens 500m. Die „<strong>Deutschen</strong> Sprintmeister“ wer-<br />
<strong>de</strong>n wie beim DMR mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Eichenblatt-Medaille <strong>de</strong>s DRV ausgezeichnet.<br />
Erstmalig nahmen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er aus Ost und West am DMR 1991 in Duisburg teil.<br />
Von <strong>de</strong>n sechs Titeln im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gewannen vorrangig Renngemein-
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 383<br />
schaften mit Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus <strong>de</strong>n alten Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Riemenbereich,<br />
während die Skullszene von Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus Vereinen und Renngemein-<br />
schaften <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> beherrscht wur<strong>de</strong>. Die neue Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Besetzung <strong>de</strong>s Achters <strong>de</strong>utlich, in <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen aus bei<strong>de</strong>n Teilen Deutschlands saßen. 1614 Diese Ten<strong>de</strong>nz setzte sich<br />
zunächst fort. Erklärt wer<strong>de</strong>n kann dies mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, dass das Bun<strong>de</strong>s-<br />
leistungszentrum <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Skullbereich in Potsdam aufgebaut wur<strong>de</strong>. Die<br />
Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen dagegen trainieren nach wie vor am Stützpunkt in Dort-<br />
mund.<br />
Nach zwei Titeln <strong>für</strong> Jana Thieme 1991 und 1993 gewann Kathrin Boron 1615<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Potsdamer RG von 1994 bis 1996 <strong>de</strong>n Einer. Hinzu kamen weitere<br />
Meistertitel in dieser Bootsklasse 2005 und 2007. 1616<br />
Keine Einerfahrerin konnte sich so lange an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze halten wie Katrin<br />
Rutschow-Stomporowski. Von 1998 bis 2004 wur<strong>de</strong> sie siebenmal in Folge<br />
Deutsche Meisterin. Hinzu kommen weitere Titel im Doppelvierer. 1617<br />
Seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> DKM müssen alle Skullerinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ka<strong><strong>de</strong>r</strong> im Einer<br />
starten. Die „klassische Einerfahrerin“ scheint es seit <strong><strong>de</strong>m</strong> Rücktritt<br />
Rutschow-Stomporowskis nicht mehr zu geben. Die Meisterinnen starteten<br />
international alle im Doppelzweier o<strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelvierer.<br />
Das DMR im Doppelzweier in <strong>de</strong>n 90er Jahren war durch Boron geprägt.<br />
2002 konnte sie ihren Titel nicht verteidigen, da sie aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Geburt ihrer<br />
Tochter eine Pause vom Leistungssport einlegte. Ansonsten siegte sie bis<br />
zur Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> DKM und DGM von 1991 bis 2004 mit wechseln<strong>de</strong>n Part-<br />
nerinnen. Kerstin Köppen, ebenfalls von <strong><strong>de</strong>r</strong> Potsdamer RG, ru<strong><strong>de</strong>r</strong>te mit<br />
Boron von 1992 bis 1996 zu Gold. Auch Rutschow-Stomporowski und Boron<br />
saßen 1997 siegreich in einem Boot. Die Potsdamer RG verfügte mit Kerstin<br />
El-Qalqili über eine weitere erfolgreiche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in, die im Doppelzweier von<br />
2001 bis 2003 dreimal in Folge <strong>de</strong>utsche Meisterehren erreichte. 1618<br />
1614<br />
Vgl. BOES, 1883-2008. 125 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 119.<br />
1615<br />
Kathrin Boron ist die erfolgreichste Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegenwart. Sie gewann in ihrer bisherigen<br />
Karriere vier olympische Goldmedaillen. Achtmal wur<strong>de</strong> sie Weltmeisterin in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Bootsklassen. Unerreicht sind auch ihre 23 <strong>de</strong>utschen Meistertitel. 2008<br />
holte sie nochmals Bronze bei <strong>de</strong>n OS in Peking im Doppelvierer.<br />
1616<br />
HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (DMR) Einer – Frauen (Plätze 1-3)“, Zugriff<br />
am 27. 12. 2008<br />
1617<br />
Vgl. ebenda.<br />
1618<br />
Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (DMR) Doppelzweier – Frauen (Plätze<br />
1-3)“, Zugriff am 27. 12. 2008.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 384<br />
Die Meldungen haben sich seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> DGM stark reduziert. Eine<br />
Analyse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewinner im Doppelzweier vor 2005 zeigt, dass vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Modusän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung international erfahrene und erfolgreiche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen die<br />
Medaillen unter sich ausmachten. Das <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitige Bild ist ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es: 2005<br />
konnte nur <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Platz an die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus Potsdam vergeben wer-<br />
<strong>de</strong>n. 2007 beim Sieg <strong><strong>de</strong>r</strong> RG Hansa Hamburg waren nur drei Boote am Start.<br />
Sogar nur zwei Mannschaften mel<strong>de</strong>ten 2008, als die Heilbronner RG<br />
Schwaben <strong>de</strong>n Sieg erringen konnte. 1619 Das Ziel, möglichst vielen, vor allem<br />
kleineren Vereinen, die Möglichkeit zu geben am DMR teilzunehmen, scheint<br />
nicht erfüllt zu wer<strong>de</strong>n. Generell fehlt die Konstanz in <strong>de</strong>n Meldungen, was<br />
sich vor allem auch in <strong>de</strong>n Großbootklassen wie <strong><strong>de</strong>m</strong> Doppelvierer zeigte.<br />
Seit 2005 fehlen in <strong>de</strong>n Ergebnislisten die bekannten Namen in dieser<br />
Bootsklasse. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athletinnen im<br />
Einer bei <strong>de</strong>n DKM antreten müssen. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> starten die Nationalmann-<br />
schaftsathletinnen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel nicht <strong>für</strong> einen Verein. Beim Sieg <strong>de</strong>s Main-<br />
zer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins 2008 gab es <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend nur eine Gegenmeldung.<br />
Eine Parallele kann <strong>für</strong> 2009 festgehalten wer<strong>de</strong>n. Mainz musste sich zwar in<br />
diesem Jahr gegen zwei Mannschaften durchsetzen, allerdings kam das im<br />
Vorjahr unterlegene Boot erneut von <strong><strong>de</strong>r</strong> RG Hansa Hamburg. Das Mel<strong>de</strong>er-<br />
gebnis zeigte, dass in bei<strong>de</strong>n Teams in <strong>de</strong>n zwei Jahren unterschiedliche<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen saßen. Immerhin waren diese Vereine überhaupt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage,<br />
vier Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>für</strong> ein Rennen im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> DGM zu stellen.<br />
Ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Bild ergibt sich <strong>für</strong> die Zeit, als noch das klassische Meister-<br />
schaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n angeboten wur<strong>de</strong>. Die Besetzung <strong>de</strong>s Doppelvierers wur<strong>de</strong> am<br />
Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Saison vorgenommen. Natürlich kam es auch hier zu Umbeset-<br />
zungen im Laufe <strong>de</strong>s Regattakalen<strong><strong>de</strong>r</strong>s, aber zum DMR wur<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> schnells-<br />
te Doppelvierer sowie die weiteren Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athletinnen <strong>de</strong>s DRV gemel<strong>de</strong>t. Bei<br />
Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Siegerinnen <strong>de</strong>s DMR von 1991 bis 2004 fällt auf, dass<br />
durchgängig sehr erfolgreiche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Doppelvierer gesessen haben.<br />
Diese waren Jana Sorgers, Kerstin Köppen, Kathrin Boron, Katrin Rutschow-<br />
Stomporowski, Manuela Lutze, Meike Evers, Britta Oppelt, Peggy Waleska,<br />
Marita Scholz und Kerstin El-Qalqili. Alle prägten das DMR im Skullbereich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und waren auch international erfolgreich.<br />
1619 Vgl. ebenda.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 385<br />
Das DMR im Riemenbereich wur<strong>de</strong> im Zweier En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre und An-<br />
fang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre von Ingeburg Althoff und Stefanie Werremeier dominiert.<br />
Sie erreichten von 1989 bis 1992 alle Titel in dieser Bootsklasse. Gabriele<br />
Mehl und Birte Sich konnten sich 1994 und 1995 durchsetzen. 1620<br />
Der Zweier scheint eine Art „Vorstufe“ zum Vierer und Achter gewesen zu<br />
sein. Spätere Schlagfrauen <strong>de</strong>s Frauenachters wie Lenka Wech, Elke Hipler,<br />
Silke Günther und Nicole Zimmermann begannen En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre als<br />
Deutsche Meisterinnen im Zweier. 1621 Für die Zeitspanne seit 2002 kann<br />
festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athletinnen <strong>de</strong>s Teams Frauenachter die<br />
Medaillen unter sich verteilten. Bis auf wenige <strong>Aus</strong>nahmen waren alle Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen Mitglied <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sriemenka<strong><strong>de</strong>r</strong>s.<br />
Für <strong>de</strong>n Vierer galt ähnliches wie <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Zweier. Viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die spä-<br />
ter im Achter saßen, wechselten vom Zweier in <strong>de</strong>n Vierer o<strong><strong>de</strong>r</strong> umgekehrt,<br />
um sich letztendlich an <strong>de</strong>n <strong>Aus</strong>scheidungen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Achter zu versuchen.<br />
Kamen die meisten Siegerinnen im Skullbereich aus Vereinen aus <strong>de</strong>n neu-<br />
en Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n, so kann <strong>für</strong> die <strong>Deutschen</strong> Meister im Vierer bis 2004<br />
konstatiert wer<strong>de</strong>n, dass – bis auf einzelne Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in Renngemeinschaf-<br />
ten, – die große Mehrheit aus Vereinen aus <strong>de</strong>n alten Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n<br />
Start ging. Erfolgreiche Sportlerinnen in dieser Bootsklasse waren beispiels-<br />
weise Lenka Wech, Anja und Dana Pyritz, Britta Holthaus und Sandra Gold-<br />
bach, die alle mehrere Titel gewinnen konnten. 1622<br />
Der negative Trend bei <strong>de</strong>n Mel<strong>de</strong>zahlen setzte sich auch im Vierer beim<br />
DMR fort. 2005 musste <strong><strong>de</strong>r</strong> Würzburger RV Bayern bei seinem Sieg nur zwei<br />
Gegner schlagen. 2006 wur<strong>de</strong> das Rennen gar nicht ausgefahren. 2007 ge-<br />
wann <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierer <strong>de</strong>s Essener RRV Gold gegen die Mannschaft <strong>de</strong>s Mainzer<br />
RV. Der Crefel<strong><strong>de</strong>r</strong> RC 1883 kam 2008 sogar kampflos zu Meisterehren. 1623<br />
Der Frauenachter wur<strong>de</strong> erstmalig beim DMR 1991 ausgefahren. 1624 Bis auf<br />
1993, 2002 und 2004 konnten zumin<strong>de</strong>st immer alle Medaillen vergeben<br />
wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>n genannten Jahren waren nur zwei Boote am Start. Der erste<br />
1620<br />
HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Zweier-ohne – Frauen (Plätze 1-3)“, Zugriff<br />
am 27. 12. 2008.<br />
1621<br />
Vgl. ebenda.<br />
1622<br />
HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Riemenvierer – Frauen (Plätze 1-3)“, Zugriff<br />
am 27. 12. 2008.<br />
1623<br />
Vgl. ebenda.<br />
1624<br />
Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Achter – Frauen (Plätze 1-3)“, in:<br />
http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-f-achter.htm, Zugriff am 27.<br />
12. 2008.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 386<br />
Platz ging in <strong>de</strong>n meisten Fällen an eine Mannschaft, die auch auf internatio-<br />
nalen Regatten <strong>de</strong>n DRV vertrat. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die bis 2004 als Deutsche<br />
Meisterinnen im Achter geführt wur<strong>de</strong>n, waren ebenfalls in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel Mitglie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Team Frauenachter. Interessant erscheint an dieser Stelle ein Blick<br />
auf die Steuerfrauen. 1625 Die 90er Jahre waren geprägt von Yvonne Illing,<br />
Daniela Neunast, Doreen Schnell, Monique Richter, die abwechselnd die<br />
Goldboote steuerten. Annina Ruppel trat erstmalig 1997 mit einem zweiten<br />
Platz beim DMR in Erscheinung. Sie konnte von 2001 bis 2003 die ihr anver-<br />
trauten Boote zum Titel steuern. 1626 Bis 2008 kamen diverse internationale<br />
Medaillen hinzu. Seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Saison 2009 sitzt Laura Schwensen an <strong>de</strong>n Steuer-<br />
seilen.<br />
Das vorläufige En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s DMR im Achter erfolgte 2004. Seit<strong><strong>de</strong>m</strong> ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Start<br />
von Renngemeinschaften nicht mehr erlaubt. Die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
Vereine acht Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aufbieten können, die national konkurrenzfähig<br />
sind, ist aber sehr gering, so dass die Königsklasse <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns von<br />
2005 bis 2010 im Rahmen <strong>de</strong>s DMR gar nicht mehr angeboten wur<strong>de</strong>.<br />
Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtgewichts-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im DRV ist überschaubar. Marie-<br />
Louise Dräger vom ORC Rostock von 1956 wur<strong>de</strong> von 2005 bis 2008 Deut-<br />
sche Meisterin im Leichtgewichts-Einer. Silber ging von 2006 bis 2008 an<br />
Berit Carow von <strong><strong>de</strong>r</strong> RG Hansa Hamburg, die in diesen Jahren gemeinsam<br />
mit Reimer international auch im Doppelzweier antrat. Seit 1991 konnten ne-<br />
ben Dräger lediglich Angelika Brand aus Hannover und Valerie Viehoff aus<br />
Siegburg mehrere Titel gewinnen. Brand war 1999 und 2000 siegreich,<br />
Viehoff 1997 und 2002. 1627 Die Mel<strong>de</strong>ergebnisse in dieser Klasse sind stabil.<br />
Seit 1991 konnten alle Medaillen vergeben wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Doppelzweier bei <strong>de</strong>n Leichtgewichten im Rahmen <strong>de</strong>s DMR ist eng mit<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Namen Claudia Blasberg verbun<strong>de</strong>n. Von 1998 bis 2004 gewann sie mit<br />
unterschiedlichen Partnerinnen siebenmal in Folge. Eine davon war Janet<br />
Radünzel, die es auch auf drei Titel brachte.<br />
1625 Seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong>de</strong>s DMR im Achter wur<strong>de</strong>n nur zwei platzierte Boote von Männern<br />
gesteuert. Diese waren Axel Beutmann 1995 und Peter Puppe 2004.<br />
1626 Vgl. ebenda.<br />
1627 Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Leichtgewichts-Einer – Frauen (Plätze<br />
1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-lgf-einer.htm, Zugriff<br />
am 27. 12. 2008.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 387<br />
Bei <strong>de</strong>n DGM konnten mit <strong>Aus</strong>nahme <strong>de</strong>s Jahres 2008 – hier wur<strong>de</strong> die<br />
Goldmedaille kampflos vergeben – zumin<strong>de</strong>st immer alle drei Medaillen aus-<br />
gefahren wer<strong>de</strong>n. Pamela Weisshaupt und Lena Kersten gewannen 2005<br />
und 2006. In <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Folgejahren war die Frankfurter RG Germania mit<br />
wechseln<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen erfolgreich.<br />
1998 wur<strong>de</strong> bei einem DMR erstmals <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweier im Leichtgewichtsbereich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen ausgefahren. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM war diese Bootsklasse bereits 1995<br />
eingeführt wor<strong>de</strong>n. Bis dahin mussten die Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
offenen Klasse mitfahren. Die Besten wur<strong>de</strong>n anschließend bei internationa-<br />
len Regatten eingesetzt und nach entsprechend guten Resultaten <strong>für</strong> die WM<br />
gemel<strong>de</strong>t. 1628 Bereits beim ersten Rennen 1998 lagen nur zwei Meldungen<br />
vor. Diese Ten<strong>de</strong>nz setzte sich fort. 2000 und 2001 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel kampflos<br />
vergeben. Ein Jahr später lag keine Meldung vor. In <strong>de</strong>n Jahren 2003 und<br />
2004 gingen erneut nur zwei Boote an <strong>de</strong>n Start. Bedingt durch die Strei-<br />
chung dieser Bootsklasse auf internationalen Regatten wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweier von<br />
2005 bis 2008 nicht mehr angeboten. 1629<br />
Seit 1997 wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtgewichts-Vierer als Doppelvierer ohne Steuermann<br />
ausgefahren. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> gestarteten Boote war sowohl im Riemen- als<br />
auch im Skullbereich insgesamt zufrie<strong>de</strong>n stellend. Auffällig waren hier die<br />
Doppelstarts einzelner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Viele Medaillengewinnerinnen in <strong>de</strong>n<br />
Kleinbooten ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten auch im Großboot und konnten Platzierungen errei-<br />
chen. Stellvertretend seien hier Claudia Blasberg, Karin Stephan, Angelika<br />
Brand, Valerie Viehoff, Janet Radünzel und Daniela Reimer genannt. 1630 Von<br />
2005 bis 2010 wur<strong>de</strong> diese Bootsklasse nicht mehr ausgefahren. 1631<br />
Insgesamt muss festgestellt wer<strong>de</strong>n, dass mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufteilung <strong>de</strong>s DMR in<br />
DGM und DKM die Teilnehmerfel<strong><strong>de</strong>r</strong> im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n stark zurückgegangen<br />
sind. Achter, Leichtgewichts-Zweier und -Doppelvierer wer<strong>de</strong>n gar nicht mehr<br />
angeboten. In <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse sind die Starterfel<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n traditionellen<br />
Bootsklassen Doppelzweier und Doppelvierer sehr klein. Lediglich <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Riemenvierer mel<strong>de</strong>ten noch weniger Vereine. Die Unterscheidung zwischen<br />
1628 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Cora Zillich am 4. 1. 2009.<br />
1629 Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Leichtgewichts-Einer – Frauen (Plätze<br />
1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/dm-lgf-einer.htm, Zugriff<br />
am 27. 12. 2008.<br />
1630 Vgl. HOFFMANN, „Deutsches Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Leichtgewichts-Vierer-ohne – Frauen<br />
(Plätze 1-3)“, Zugriff am 28. 12. 2008.<br />
1631 Vgl. ebenda.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 388<br />
DGM und DKM wur<strong>de</strong> 2005 initiiert, um auch Vereinen die Möglichkeit zu<br />
geben, Deutsche Meistertitel zu erreichen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Sportler nicht zur absoluten<br />
nationalen Spitze zählten. 1632 Der bisherige Modus sah eine Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>athletinnen vor, so dass vor allem im Großbootbereich die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mannschaften häufig nur als „Testpartner o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Kanonenfutter angesehen<br />
wur<strong>de</strong>n und sich <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend auch so fühlten“. 1633<br />
Am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Saison erscheint es nachvollziehbar, dass die international<br />
starten<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er sich in ihren Vereinen nicht <strong>für</strong> die Teil-<br />
nahme an dieser Veranstaltung entschei<strong>de</strong>n. Der Weg wäre also frei <strong>für</strong> alle<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass die Zukunft <strong>de</strong>s DMR neu<br />
überdacht wer<strong>de</strong>n muss, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV <strong>de</strong>n Status <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Meister-<br />
schaften aufrechterhalten will.<br />
Deutsche Sprintmeisterschaften<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Premiere <strong><strong>de</strong>r</strong> DSM 1997 in Essen-Kupferdreh wur<strong>de</strong>n die Bootsklas-<br />
sen Doppelzweier, Zweier sowie Vierer angeboten. Eine Unterscheidung<br />
zwischen offener Klasse und Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gab es nicht. Die ersten<br />
<strong>Deutschen</strong> Sprintmeister im Zweier kamen aus Essen: Anna und Pia Coenen<br />
vom RK am Bal<strong>de</strong>neysee Essen gewannen <strong>de</strong>n Titel im Zweier und gemein-<br />
sam mit Kristina Erbe und Simone Hagner auch im Vierer. Den Doppelzweier<br />
konnten Britta Holthaus und Linn Mehnert von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kettwiger RG <strong>für</strong> sich ent-<br />
schei<strong>de</strong>n. 1634<br />
Die Teilnehmerzahlen im Riemenbereich gingen schnell zurück. 1998 fiel das<br />
Kleinboot-Rennen erstmals aus, was sich 2000 wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte. Nach nur zwei<br />
Meldungen in <strong>de</strong>n Jahren 2001 und 2002 und weiteren ausgefallenen Ren-<br />
nen in 2003 und 2004 wur<strong>de</strong> diese Disziplin von 2005 bis 2010 gar nicht<br />
mehr ausgeschrieben.<br />
Noch geringer ist die Beteiligung im Vierer. Nach<strong><strong>de</strong>m</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Premiere drei<br />
Medaillen vergeben wer<strong>de</strong>n konnten, fiel das Rennen im Folgejahr ebenfalls<br />
1632 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Nora Wehrhahn am 24. 11. 2008.<br />
1633 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Juliane Möcklinghoff am 17. 12. 2008.<br />
1634 Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsche Sprintmeisterschaften (DSM) <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Männer von<br />
1997 bis heute (Plätze 1 bis 3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/sm-f-zo.htm, Zugriff am 28. 12. 2008. Ferner vgl. W. HOFFMANN,<br />
„Deutsche Sprintmeisterschaften (DSM) <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Männer von 1997 bis heute<br />
(Plätze 1 bis 3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n /chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/sm-f-vo.htm,<br />
Zugriff am 28. 12. 2008.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 389<br />
aus. Insgesamt wur<strong>de</strong>n nach 1997 im Vierer nur zwei Titel vergeben. 1999<br />
erreichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Ludwigshafener RV von 1878 als erster das Ziel. Der RV<br />
Saarbrücken wur<strong>de</strong> 2001 mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Goldmedaille belohnt. Bei <strong>de</strong>n genannten<br />
Rennen mel<strong>de</strong>ten allerdings lediglich zwei Boote. Von 2002 bis 2004 fielen<br />
die Wettbewerbe aus, was dazu führte, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierer von 2005 bis 2010<br />
nicht mehr ausgefahren wur<strong>de</strong>.<br />
Ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gestaltete sich die Situation im Skullbereich. 1998 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einer mit ins Programm aufgenommen. Der Doppelvierer folgte 2000. Die<br />
Mel<strong>de</strong>ergebnisse sind in allen Bootsklassen stabil und zufrie<strong>de</strong>n stellend.<br />
Die erfolgreichste Sprinterin im Skullbereich ist die Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>in Silke Gün-<br />
ther von <strong><strong>de</strong>r</strong> RG Wetzlar. 1635 Sie erreichte bei <strong>de</strong>n DSM bis 2009 zehn Gold-<br />
medaillen in verschie<strong>de</strong>nen Bootsklassen. Es scheint, dass sich Vereine auf<br />
die DSM spezialisiert haben. Der Ludwigshafener RV von 1878 konnte im<br />
Doppelzweier und Doppelvierer mehrere Titel und Platzierungen errei-<br />
chen. 1636<br />
Das Konzept <strong><strong>de</strong>r</strong> DSM scheint insgesamt besser aufzugehen als die Unter-<br />
teilung in DGM und DKM. Viele international erfolgreiche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er lassen es<br />
sich nicht nehmen, an <strong>de</strong>n DSM als Saisonabschluss teilzunehmen. Häufig<br />
kommt es sogar zu Doppelstarts in unterschiedlichen Bootsklassen, zumal<br />
seit 2003 auch noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Mixed-Doppelvierer zum Programm gehört. Die<br />
Streckenlänge ist an dieser Stelle das ausschlaggeben<strong>de</strong> Kriterium. Die Vor-<br />
bereitung einer Mannschaft auf ein Rennen über die 2.000m Distanz erfor-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>t wesentlich mehr Zeitaufwand und Training als die über eine Sprintlänge.<br />
Hinzu kommt die Aufmachung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Zuschauer kann bei <strong>de</strong>n<br />
Sprintrennen das Rennen in voller Länge verfolgen. Der Modus bringt Span-<br />
nung und zeigt <strong><strong>de</strong>m</strong> Zuschauer unmittelbar das Ergebnis. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> geben<br />
gera<strong>de</strong> die Rennen <strong><strong>de</strong>r</strong> Großboote mit einer hohen Schlagfrequenz ein an-<br />
sprechen<strong>de</strong>s Bild ab. Nicht zuletzt ist es auch die medienorientierte Inszenie-<br />
1635 Vgl. W. HOFFMANN, „Deutsche Sprintmeisterschaften (DSM) Einer – Frauen (Plätze 1-<br />
3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/sm-f-einer.htm, Zugriff am<br />
28. 12. 2008. Ferner vgl. W. HOFFMANN, „Deutsche Sprintmeisterschaften (DSM) Doppelzweier<br />
– Frauen (Plätze 1-3)“, in: http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/sm-f-dz.htm, Zugriff am 28. 12. 2008. Ferner vgl. W. HOFFMANN,<br />
„Deutsche Sprintmeisterschaften (DSM) Doppelvierer – Frauen (Plätze 1-3)“, in:<br />
http://www.rrk-online.<strong>de</strong>/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/chronru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/<strong>de</strong>umeiru/sm-f-dv.htm, Zugriff am 28. 12.<br />
2008.<br />
1636 Vgl. ebenda.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 390<br />
rung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen, zum Beispiel unter Flutlicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit musikalischer Unter-<br />
malung, die die Popularität <strong><strong>de</strong>r</strong> DSM erklärt.<br />
2009 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenachter ins Programm dieser Veranstaltungen aufge-<br />
nommen. Bereits im ersten Jahr konnte mit acht Meldungen ein gutes Mel-<br />
<strong>de</strong>ergebnis erzielt wer<strong>de</strong>n. Die Anzahl war genauso hoch wie im<br />
Männerachter. Den ersten Titel sicherten sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus Krefeld.<br />
2010 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenachter erneut ausgefahren. Das Team aus Krefeld<br />
gewann erneut im Feld <strong><strong>de</strong>r</strong> sechs Boote.<br />
Diese positive Entwicklung ist auch auf die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Bun<strong>de</strong>sliga<br />
zurückzuführen. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um eine Rennserie mit sechs Veran-<br />
staltungen. Die Streckenlänge beträgt 350m. Die Mannschaften treten im<br />
K.O.-Modus in Vor-, Zwischen- und Finalrennen an. In <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Bun<strong>de</strong>sliga<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen starteten 2009 acht Teams. Zum ersten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Bun<strong>de</strong>sliga<br />
Champion wur<strong>de</strong> die Mannschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> RG Hansa Hamburg gekürt. 2010<br />
konnten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ihren Titel erfolgreich im Fel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> zwölf Frauen-<br />
achter verteidigen.<br />
8.2 Internationale Meisterschaften<br />
1991 saßen erstmalig Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus Ost und West gemeinsam in einem<br />
Boot. Der DRV war in <strong>de</strong>n 90er Jahren und bis zu <strong>de</strong>n OS in Athen 2004<br />
sehr erfolgreich. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen konnten viele Titel und Medaillen bei WM,<br />
OS und EM erzielen. Nach <strong>de</strong>n OS in Athen been<strong>de</strong>ten international erfahre-<br />
ne Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ihre Karrieren, so dass eine Neuorientierung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich war.<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>e waren o<strong><strong>de</strong>r</strong> sind, wie im Folgen<strong>de</strong>n aufgezeigt wird, immer noch im<br />
Leistungssport aktiv.<br />
8.2.1 Europameisterschaften<br />
Die wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingeführten europäischen Titelkämpfe 1637 blicken auf eine kurze<br />
Geschichte zurück. Erst seit 2007 ermitteln auch die europäischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
ihre kontinentalen Meister. Es wur<strong>de</strong> vereinbart, diese Veranstaltung jährlich<br />
durchzuführen. Bereits bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten EM in Posen konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV im Frau-<br />
enbereich einen kompletten Medaillensatz mit nach Hause nehmen. Lenka<br />
Wech und Maren Derlien wur<strong>de</strong>n Europameisterinnen im Zweier, <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau-<br />
1637 Die letzten EM fan<strong>de</strong>n 1973 statt.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 391<br />
enachter gewann Silber. Der Doppelvierer fuhr auf <strong>de</strong>n dritten Platz. Im Fol-<br />
gejahr in Marathon verpassten die DRV-Frauen die Po<strong>de</strong>stplätze: Platz vier<br />
im Doppelvierer war die beste Platzierung. 1638<br />
8.2.2 Weltmeisterschaften<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM 1990 in Tasmanien schickten sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV als auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
DRSV noch eigene Mannschaften ins Rennen. Auf bei<strong>de</strong>n Seiten hatten die<br />
Vorbereitungen <strong>für</strong> das Großereignis bereits 1989 begonnen, so dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
internationale Verband die Meldungen bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> erlaubte. 1639<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten gemeinsamen Teilnahme 1991 in Wien wur<strong>de</strong>n DRV-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in drei Bootsklassen Weltmeisterinnen: Doppelzweier, Doppel-<br />
vierer und Leichtgewichts-Frauenzweier. Hinzu kamen eine Silbermedaille im<br />
Zweier sowie eine bronzene im Vierer: 1640 „Ein Erfolg, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV einen<br />
ganz neuen Glanz auf unsere Sportart in <strong>de</strong>n Medien und beim Publikum<br />
bescherte.“ 1641<br />
Diese Bilanz konnte sogar noch zweimal übertroffen wer<strong>de</strong>n. 1997 in<br />
Aiguebelette siegten die Frauen im Doppelzweier und im Doppelvierer so-<br />
wohl in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen als auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Leichtgewichtsklasse. Im Vierer konnte<br />
zusätzlich eine Silbermedaille gewonnen wer<strong>de</strong>n. 1642 Im schweizerischen<br />
Luzern gingen 2001 alle drei Titel im Skullbereich in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse an<br />
<strong>de</strong>n DRV. Claudia Blasberg und Janet Radünzel wur<strong>de</strong>n außer<strong><strong>de</strong>m</strong> Welt-<br />
meisterinnen im Leichtgewichts-Doppelzweier. Der Frauenachter erreichte<br />
einen dritten Platz. 1643<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> WM von 1991 bis 2008 können die<br />
Skullerinnen eine bessere Bilanz vorweisen als die Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. Ins-<br />
gesamt wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Skullerinnen 24 Goldmedaillen bei Weltmeister-<br />
schaften erreicht. Demgegenüber stan<strong>de</strong>n zwei Titel im Achter 1994 und<br />
2003. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Sieg war bei <strong><strong>de</strong>m</strong> damaligen Saisonverlauf nicht<br />
erwartet wor<strong>de</strong>n.<br />
1638 Vgl. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Europameisterschaften seit 1913. Deutsche Medaillenerfolge.<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008.<br />
1639 Vgl. BOES, 1883-2008. 125 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 117.<br />
1640 Vgl. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008.<br />
1641 BOES, 1883-2008. 125 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 119.<br />
1642 HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge – Gold,<br />
Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008.<br />
1643 Vgl. ebenda.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 392<br />
Die Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen konnten insgesamt zehn Titel beisteuern. Al-<br />
lerdings stan<strong>de</strong>n ihnen weniger Bootsklassen zur Verfügung, so dass das<br />
Ergebnis beachtlich ist. Die letzte Goldmedaille <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV wur<strong>de</strong> 2005 in<br />
Gifu von Leichtgewichten erru<strong><strong>de</strong>r</strong>t: Daniela Reimer und Marie-Louise Dräger<br />
überquerten im Doppelzweier als erste die Ziellinie. 1644<br />
Eine „<strong>de</strong>utsche Domäne“ aber blieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelvierer. Insgesamt elf Titel ge-<br />
wannen DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen von 1991 bis 2008 in dieser Disziplin. Zusätzlich<br />
konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV drei Vizeweltmeistertitel <strong>für</strong> sich beanspruchen. 1645 Kathrin<br />
Boron, Kerstin Köppen, Britta Oppelt, Jana Thieme, Manuela Lutze und<br />
Kerstin El-Qalqili prägten diese Bootsklasse über einen langen Zeitraum. Mit<br />
Stephanie Schiller aus Potsdam verfügt <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV über eine Nachfolgerin. Die<br />
erfolgreichste Skullerin <strong>de</strong>s DRV bei WM von 1991 bis 2008 ist allerdings<br />
Boron mit sieben Goldmedaillen. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> gewann sie noch drei weitere<br />
Silbermedaillen. Nicht weniger Aufmerksamkeit verdienen die Leistungen<br />
von Manuela Lutze mit fünf Titeln und je einer Silber- und Bronzemedail-<br />
le. 1646<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s erwähnenswert sind auch die Leistungen von Katrin Rutschow-<br />
Stomporowski im Skullbereich. Nach zwei Titeln im Doppelvierer gelang es<br />
ihr 2001, Weltmeisterin im Einer zu wer<strong>de</strong>n. Darüber hinaus erreichte sie in<br />
dieser Disziplin noch drei Vizeweltmeistertitel und einen dritten Platz. 1647<br />
Die 90er Jahre im Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sind mit Namen wie Claudia<br />
Blasberg, Janet Radünzel, Claudia Engels und Christiane Weber verbun<strong>de</strong>n.<br />
Gleiches gilt <strong>für</strong> die Zeit zwischen 2004 und 2008, die von Daniela Reimer,<br />
Marie-Louise Dräger und Berit Carow national und international maßgeblich<br />
mitbestimmt wur<strong>de</strong>n. 1648<br />
Der im Vergleich schlechter abschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Riemenbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen wur-<br />
<strong>de</strong> seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung durch Frauen wie Stefani Werremeier, Anja<br />
und Dana Pyritz, Silke Günther, Elke Hipler, Lenka Wech und Nicole Zim-<br />
mermann geprägt. Alle holten einen Weltmeistertitel im Achter und gewan-<br />
1644 Vgl. HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008.<br />
1645 Vgl. ebenda.<br />
1646 Vgl. ebenda.<br />
1647 Vgl. ebenda.<br />
1648 Vgl. ebenda.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 393<br />
nen min<strong>de</strong>stens zwei weitere Medaillen im Vierer o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweier. 1649 Die erfolg-<br />
reichste Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>in seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung ist Elke Hipler mit einer<br />
Gold- sowie zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung sehr erfolgreich bei Weltmeisterschaften war. Allerdings lie-<br />
gen die letzten Titel schon einige Jahre zurück. Die Leichtgewichts-<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen holten die letzte Goldmedaille 2005. Die Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen ver-<br />
buchten <strong>de</strong>n letzten Titelgewinn 2003. Am weitesten zurück liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewinn<br />
bei einer WM im Skullbereich: sie datiert aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr 2002. 1650<br />
8.2.3 Olympische Spiele<br />
Erstmalig traten Athleten aus Ost und West bei <strong>de</strong>n OS 1992 in Barcelona<br />
gemeinsam an:<br />
„Eine wun<strong><strong>de</strong>r</strong>bare Kulisse, um <strong>de</strong>n vom Schreibtisch gesteuerten<br />
Prozess <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung auf seine Substanz zu prüfen.<br />
Und da <strong><strong>de</strong>r</strong> kleinste Nenner einer Mannschaft immer <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg ist,<br />
könnten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er von sich behaupten, in ihrem Mikrokosmos<br />
sei gelungen, wonach an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Olympiastarter vergeblich strebten.“<br />
1651<br />
Die DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen konnten bei <strong>de</strong>n OS 1992 an die guten Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
WM <strong>de</strong>s Vorjahres anknüpfen. Der von Jutta Lau trainierte Doppelzweier mit<br />
Kerstin Köppen und Kathrin Boron holte die erste olympische Goldmedaille<br />
im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> <strong>de</strong>n DRV. Kerstin Müller, Sybille Schmidt, Birgit Peter<br />
und Kristina Mundt wur<strong>de</strong>n Olympiasiegerinnen im Doppelvierer. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
konnten noch eine Silbermedaille im Zweier sowie jeweils ein dritter Platz im<br />
Achter und Vierer verbucht wer<strong>de</strong>n. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg im Achter war nicht<br />
erwartet wor<strong>de</strong>n. 1652 Alle Medaillen zusammen be<strong>de</strong>uteten Rang zwei in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationenwertung hinter Kanada mit drei Goldmedaillen. 1653 Hierzu äußerte<br />
sich <strong><strong>de</strong>r</strong> damalige DRV-Präsi<strong>de</strong>nt Lotz: „Ich bin stolz auf unsere Mannschaft,<br />
1649 Vgl. ebenda.<br />
1650 Vgl. ebenda.<br />
1651 RENTEL, Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im Spiegel <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Spiele 1896-2004, S. 102-103.<br />
1652 Vgl. BOES, 1883-2008. 125 Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 121.<br />
1653 Vgl. RENTEL, Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im Spiegel <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Spiele 1896-2004, S. 107.<br />
Ferner vgl. HOFFMANN, „Olympische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten seit 1990. Deutsche Medaillenerfolge<br />
– Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 394<br />
sie hat toll gekämpft und die Medaillen sind eine Bestätigung <strong>für</strong> diese Leis-<br />
tung.“ 1654<br />
Diese Leistung war vier Jahre später in Atlanta nicht zu wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen. Der<br />
Doppelvierer, besetzt mit drei Weltmeisterinnen aus <strong>de</strong>n Jahren 1994 und<br />
1995, bewahrte die <strong>de</strong>utsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>flotte auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Lake Lanier vor einer Ent-<br />
täuschung. 1655 Nach einem spannen<strong>de</strong>n ersten Kilometer fuhren Kathrin<br />
Boron, Jana Sorgers, Katrin Rutschow-Stomporowski und Kerstin Köppen<br />
das Rennen ungefähr<strong>de</strong>t nach Hause. 1656 Weiterhin erzielten die DRV-<br />
Frauen einen vierten Platz im Zweier, sowie einen fünften im Doppelzweier.<br />
Der Achter belegte Platz acht. Die Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s DRV konn-<br />
ten sich im Vorfeld nicht <strong>für</strong> die olympische Regatta im Doppelzweier qualifi-<br />
zieren.<br />
Die OS 2000 in Sydney erlebten „ein beinahe übermächtiges Skullerteam <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Frauen“. 1657 Auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Lake Penrith ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die von Jutta Lau trainierten<br />
Doppelzweier und Doppelvierer <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse jeweils zu Gold. Valerie<br />
Viehoff und Claudia Blasberg gewannen in einem spannen<strong>de</strong>n Rennen Sil-<br />
ber. Katrin Rutschow-Stomporowski errang eine Bronzemedaille im Einer<br />
gegen starke Konkurrenz. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelvierer beeindruckte mit sei-<br />
ner Leistung und holte das vierte Olympiagold in Folge. Damit setzte das<br />
erfolgreichste <strong>de</strong>utsche Boot aller Zeiten seine Siegesserie fort. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
reichte es zu einem zweiten Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nationenwertung, die von Rumänien<br />
mit drei Goldmedaillen gewonnen wur<strong>de</strong>.<br />
In Athen 2004 „blies <strong><strong>de</strong>r</strong> Angriffsgeist <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkurrenz <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> kräftig<br />
ins Gesicht“. 1658 Die Männer erreichten keine Platzierung, „das starke Ge-<br />
schlecht waren die Frauen“. 1659 Die Medaillen wur<strong>de</strong>n ausschließlich von<br />
Skullerinnen gewonnen, die Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gingen leer aus. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
enttäuschend verliefen die Spiele <strong>für</strong> die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Achter, die als am-<br />
tieren<strong>de</strong> Weltmeisterinnen angereist waren. Am En<strong>de</strong> mussten sie sich mit<br />
Platz fünf zufrie<strong>de</strong>n geben.<br />
1654<br />
[ohne Verfasser], „Die Olympische Regatta <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 110(1992)22, S.<br />
611.<br />
1655<br />
RENTEL, Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im Spiegel <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Spiele 1896-2004, S. 102-109.<br />
1656<br />
Vgl. ebenda. Ferner vgl. HOFFMANN, „Olympische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten seit 1990. Deutsche<br />
Medaillenerfolge – Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008.<br />
1657<br />
RENTEL, Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im Spiegel <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Spiele 1896-2004, S. 113.<br />
1658 Ebenda, S. 119.<br />
1659 Ebenda.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 395<br />
Die Serie <strong>de</strong>s Doppelvierers hielt auch in Athen an und Boron konnte zu-<br />
sammen mit Meike Evers, Manuela Lutze und Kerstin El-Qalqili die nächste<br />
Goldmedaille in Empfang nehmen. Die „Königin <strong><strong>de</strong>r</strong> Spiele“ aber hieß Katrin<br />
Rutschow-Stomporowski, die im Einer Olympiasiegerin wur<strong>de</strong>:<br />
„Der Einer ist <strong>für</strong> mich die Königsklasse <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Hier gibt es<br />
kein Verstecken hinter <strong>de</strong>n Rücken von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, keine Schuldzuweisungen<br />
– das ist Kampf Mann gegen Mann, Frau gegen Frau,<br />
Auge um Auge, Zug um Zug.“ 1660<br />
Für diesen Erfolg hatte sie nach eigenen Angaben zwei Jahre nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es<br />
gemacht als „trainieren, erholen, essen, schlafen, nie nach abends halb neun<br />
zu Bett zu gehen“. 1661 Die Art, wie sie das Rennen gestaltete und vor allem<br />
„wie sie mit Kopf und Kraft das Feld dominierte, macht sie zu einer Gro-<br />
ßen“. 1662<br />
Im Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n konnte Claudia Blasberg eine weitere Silbermedail-<br />
le gewinnen. Dieses Mal war sie mit Daniela Reimer erfolgreich. Der Doppel-<br />
zweier in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse mit Britta Oppelt und Peggy Waleska kam<br />
ebenfalls auf <strong>de</strong>n zweiten Rang.<br />
Die DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen belegten auch bei diesen OS <strong>de</strong>n zweiten Platz hinter<br />
<strong>de</strong>n Rumäninnen, die erneut drei Olympiasiege erzielen konnten.<br />
Bei <strong>de</strong>n OS in Peking 2008 setzte sich fort, was sich seit 2004 langsam auf<br />
<strong>de</strong>n internationalen Meisterschaften abzeichnete: Die DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen hat-<br />
ten ihre Vormachtstellung eingebüßt. Erstmalig konnte von <strong>de</strong>n Frauen keine<br />
Goldmedaille gewonnen wer<strong>de</strong>n. Zwar holten Annekatrin Thiele und Chris-<br />
tiane Huth in einem dramatischen Finale mit nur 1/100 Sekun<strong>de</strong> Rückstand<br />
die Silbermedaille, aber an<strong><strong>de</strong>r</strong>e blieben hinter <strong>de</strong>n Erwartungen zurück. So<br />
gelang es beispielsweise Boron nicht, ihren Traum vom fünften olympischen<br />
Gold zu erfüllen. Das immer noch von Jutta Lau trainierte DRV-Flaggschiff<br />
<strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns mit Boron, Oppelt, Lutze und Schiller erreichte <strong>de</strong>n dritten<br />
Platz. Die Platzierung war nicht nur <strong>für</strong> Boron eine Enttäuschung. Auch Lutze<br />
und Oppelt hatten beruflich und privat zurückgesteckt, um <strong>de</strong>n fünften Sieg in<br />
Folge in dieser Bootsklasse zu holen.<br />
1660 Ebenda, S. 120.<br />
1661 Ebenda.<br />
1662 Ebenda.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 396<br />
Nach Problemen im Vorfeld <strong><strong>de</strong>r</strong> Spiele hatten die Verantwortlichen <strong>de</strong>s DRV<br />
entschie<strong>de</strong>n, die besten Skullerinnen <strong>de</strong>s DRV im Doppelvierer starten zu<br />
lassen. Hierzu wur<strong>de</strong> die Olympiaqualifikation 1663 im Einer, <strong>für</strong> die ursprüng-<br />
lich Schiller vorgesehen war, aufgegeben. Damit war <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV nicht im Einer-<br />
Rennen vertreten. Der Achter verpasste das A-Finale und wur<strong>de</strong> Letzter. Der<br />
Leichtgewichts-Doppelzweier und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweier in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse belegten<br />
jeweils vierte Plätze.<br />
Boron ist die erfolgreichste <strong>de</strong>utsche Olympiastarterin im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ihre vier<br />
Siege sowie eine Bronzemedaille wer<strong>de</strong>n <strong>für</strong> alle nachfolgen<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
nur schwer zu erreichen sein. Rutschow-Stomporowski und Lutze mit zwei<br />
Gold- und einer Bronzemedaille sowie Evers, El-Qaqili und Köppen mit zwei<br />
Olympiasiegen trugen ebenfalls dazu bei, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV in allen Ergebnislis-<br />
ten vertreten war. 1664<br />
Medaillenbilanz <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen von 1991 bis 2008<br />
Abschließend bietet sich eine tabellarische Übersicht <strong><strong>de</strong>r</strong> internationalen Er-<br />
folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen an. Insgesamt umfasst die Darstellung die Medaillen-<br />
gewinne bei EM, WM und OS. Immer noch stehen <strong>de</strong>n Frauen weniger<br />
olympische Bootsklassen zur Verfügung als <strong>de</strong>n Männern: das Verhältnis<br />
beträgt sechs zu acht. Die WM-Erfolge in <strong>de</strong>n Olympiajahren wer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
NOWM zugewiesen. Der vereinigte Verband hat noch Jahre von <strong>de</strong>n Erfol-<br />
gen <strong><strong>de</strong>r</strong> Osttrainer und <strong>de</strong>n Siegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er aus <strong>de</strong>n<br />
„neuen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n ‘profitiert’.“ 1665 Bei Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Statistik scheint dieser<br />
Kredit aufgebraucht:<br />
1663 Seit 1995 wer<strong>de</strong>n die Startplätze <strong>für</strong> die 14 olympischen Bootsklassen vergeben. Entschei<strong>de</strong>nd<br />
sind die Platzierungen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> vorangegangen WM. Im Olympiajahr hat je<strong>de</strong>s<br />
Land im Rahmen einer Qualifikationsregatta erneut die Möglichkeit, sich <strong>für</strong> die vorhan<strong>de</strong>nen<br />
Startplätze zu qualifizieren.<br />
1664 Vgl. HOFFMANN, „Olympische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten seit 1990. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008.<br />
1665 LÖWENSTEIN, „Re<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 57. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Dres<strong>de</strong>n“, Privatbesitz Hutmacher.
„Immer noch schnell“: Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 397<br />
Jahr Gold Silber Bronze<br />
WM 1991 XXX X X<br />
OS 1992 XX X XX<br />
NOWM 1992 X<br />
WM 1993 X XX X<br />
WM 1994 XX X X<br />
WM 1995 X X XX<br />
OS 1996 X<br />
NOWM 1996 X<br />
WM 1997 XXXX X<br />
WM 1998 XX XX<br />
WM 1999 XX XXXX<br />
OS 2000 XX X X<br />
NOWM 2000 X X X<br />
WM 2001 XXXX X<br />
WM 2002 X X XX<br />
WM 2003 XX XX XX<br />
OS 2004 XX XX<br />
NOWM 2004 X X<br />
WM 2005 X XX<br />
WM 2006 XXX XX<br />
WM 2007 XXX X<br />
EM 2007 X X X<br />
OS 2008 X X<br />
NOWM 2008<br />
EM 2008<br />
Tab. 13: Medaillenbilanz <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen von 1991 bis 2008 1666<br />
1666 Vgl. RENTEL, Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport im Spiegel <strong><strong>de</strong>r</strong> Olympischen Spiele 1896-2004, S. 102-123.<br />
Ferner HOFFMANN, „Olympische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>regatten seit 1990. Deutsche Medaillenerfolge –<br />
Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008. Ferner HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Weltmeisterschaften seit 1962. Deutsche Medaillenerfolge – Gold, Silber und Bronze“,<br />
Zugriff am 28. 12. 2008. Ferner HOFFMANN, „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Europameisterschaften seit 1913.<br />
Deutsche Medaillenerfolge. Gold, Silber und Bronze“, Zugriff am 28. 12. 2008.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 398<br />
9 Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945<br />
Vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Hintergrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n politischen Systeme im geteilten Deutsch-<br />
land nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg zeigten sich auch Unterschie<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Struktur und Organisation <strong>de</strong>s Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
<strong>de</strong>utlich wur<strong>de</strong>n diese im aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, das in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s Stu<strong>de</strong>ntensports durchgeführt wur<strong>de</strong>. Durch die Gründung von KJS und<br />
die Aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportart Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in die Spartakia<strong>de</strong>-Wettkämpfe war auch<br />
das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen fest im System verankert. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepub-<br />
lik hingegen stellte sich die Situation grundlegend an<strong><strong>de</strong>r</strong>s dar.<br />
9.1 Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s AAR 1947 war ein Unterausschuss <strong>für</strong> Jugend- und<br />
Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n gebil<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. Die von diesem <strong>Aus</strong>schuss erarbeiteten Be-<br />
stimmungen <strong>für</strong> das Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n (BJ) galten vom 1. Januar 1948 an und<br />
wur<strong>de</strong>n erst 1968 modifiziert. 1667 Auch nach <strong><strong>de</strong>m</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Welt-<br />
krieges gehörten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland Schule und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu-<br />
sammen. Die Sportart blieb anerkannter Zweig <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung. Vielen<br />
Helfern ist es zu verdanken, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb an <strong>de</strong>n Schulen bereits<br />
1947 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgenommen wer<strong>de</strong>n konnte. Zerstörte Bootshäuser wur<strong>de</strong>n<br />
aufgebaut und Bootsmaterial instand gesetzt um – wie überall – <strong><strong>de</strong>m</strong> Sport<br />
mit beschei<strong>de</strong>nen Mitteln nachzugehen.<br />
Heß beschrieb, dass sich neben <strong>de</strong>n selbstständigen Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen<br />
(SRV) und -riegen (SRR) auch solche Vereine grün<strong>de</strong>ten, die sich an einen<br />
DRV-Verein anschlossen. 1668 Zagermann ergänzte:<br />
„In seiner Urform, als vom Protektor betreute selbständige Organisation<br />
sportlichen Tuns von Schülern <strong>für</strong> Schüler unter Berücksichtigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit, ist<br />
das Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n heute nur noch im Nor<strong>de</strong>n Deutschlands zu<br />
fin<strong>de</strong>n: [...] Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Anlehnung an Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine, die sich<br />
vor allem in kleineren Städten fin<strong>de</strong>n läßt, wur<strong>de</strong>n in größeren<br />
Städten unter Zuhilfenahme staatlicher Mittel und zahlreicher<br />
1667 Vgl. E. BUNDSCHUH, „Jugendordnung – Warum?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 86(1968)5, S. 80.<br />
1668 Vgl. C. HEß, „Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband und die Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
86(19688)27, S. 585.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 399<br />
Spen<strong>de</strong>n städtische Bootshäuser errichtet, in <strong>de</strong>nen man Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine<br />
zusammenfasste.“ 1669<br />
Dementsprechend konnten im Vereinswesen unterschiedliche Formen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gründung gewählt wer<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>nen drei das Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
explizit betrafen:<br />
Vollständig selbstständige Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine (mit eigenen Booten,<br />
eigenem Bootshaus und unter eigener Verwaltung).<br />
An die DRV-Vereine angelehnte, selbstständige Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>riegen<br />
und Vereine, die meist einen Mietvertrag mit <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV-Verein<br />
hatten, aber selbstverwaltet waren.<br />
An DRV-Vereine angeschlossene SRV und SRR, in <strong>de</strong>nen über<br />
<strong>de</strong>n Protektor die Disziplinargewalt von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule ausgeübt wür<strong>de</strong>.<br />
1670<br />
Das Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bewahrte sich trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Anlehnung an <strong>de</strong>n<br />
DRV eine gewisse Selbstständigkeit. Regionale Verbän<strong>de</strong> bil<strong>de</strong>ten 1955 die<br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>de</strong>utscher Schüler- und Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Ziel, die unterschiedliche Entwicklung in <strong>de</strong>n einzelnen west<strong>de</strong>utschen Bun-<br />
<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu vereinheitlichen. Diese wur<strong>de</strong> vier Jahre später in <strong>de</strong>n Bund<br />
Deutscher Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> überführt, <strong><strong>de</strong>r</strong> von 2007 an unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Na-<br />
men Bund Deutscher Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er fungiert. Heß schätzte die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n 50er Jahren auf 10.000. 1671 Der Verband setzte sich aus<br />
<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sschulru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong>n (LSRV) aus Berlin, Hamburg, Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sach-<br />
sen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zusammen. Hessen folgte<br />
1964. Die neue Dachorganisation vertrat die Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er vor <strong>de</strong>n Behör-<br />
<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV. 1672 Ein Vertreter <strong>de</strong>s Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns hatte immer einen<br />
Sitz im DRV <strong>Aus</strong>schuss Jugend- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Daran hat sich bis heu-<br />
te nichts geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 1956 wur<strong>de</strong> zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> SRV und SRR beschlossen,<br />
„daß sich kein dort verpflichteter Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>er ohne die Genehmigung sei-<br />
ner Riege einem Verbandsverein anschließen darf“. 1673<br />
1669<br />
ZAGERMANN, „Geschichte und Struktur <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, S. 124.<br />
1670<br />
BIENIEK, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und seine Be<strong>de</strong>utung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Schulsport,<br />
S. 43.<br />
1671<br />
Vgl. C. HEß, „Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband und die Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er“, S. 585.<br />
1672<br />
BIENIEK, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und seine Be<strong>de</strong>utung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Schulsport,<br />
S. 43-47.<br />
1673<br />
HOFFMANN, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports in West<strong>de</strong>utschland, S. 130.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 400<br />
Auch das Wettkampfwesen wur<strong>de</strong> nach 1945 wichtiger. Die Leitgedanken<br />
aus seinen Anfängen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, die sich in Begriffen wie<br />
Naturerlebnis, Entspannung und Erholung ausdrückten, waren jedoch be-<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>s bei <strong>de</strong>n Schülerinnen noch immer gegenwärtig. Sie betrieben nach<br />
wie vor intensiv das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Allerdings waren die<br />
Schülerinnen gezwungen, sich bestehen<strong>de</strong>n Vereinen anzuschließen. Keiner<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine hat <strong>de</strong>n Zweiten Weltkrieg überstan<strong>de</strong>n. Nach<br />
1945 fan<strong>de</strong>n auch keine Neugründungen mehr statt.<br />
Ulmer analysierte 1961 das Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Hamburg und kam zu<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Ergebnis, dass die aktive Beteiligung insgesamt zu gering war. Nahm<br />
man aber die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Übungsfahrten und die Intensität <strong>de</strong>s Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ns hinzu, ergab sich ein ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Bild von <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportlichkeit und vom<br />
Leistungswillen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen. 1674 Ulmer stellte erneut klar, dass <strong>für</strong> das<br />
gesamte Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n weniger die Spitzenleistungen einzelner, als viel<br />
mehr die Breitenleistungen möglichst vieler maßgeblich seien und die Betei-<br />
ligung am Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor allem Erholung, Freu<strong>de</strong> und Gesundheit bringen soll-<br />
te. 1675<br />
Ewald Pflüger erkannte in diesem Zusammenhang, dass die Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
verbän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 50er Jahren versucht hatten, <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
„labileren Leistungsvermögen <strong>de</strong>s heutigen jugendlichen Mädchens,<br />
das nicht die Beharrlichkeit und <strong>Aus</strong>dauer aufbringen kann<br />
und will, Rechnung zu tragen“. 1676<br />
Um die Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen weiter zu gewährleisten, kamen diffe-<br />
renzierte Formen <strong>de</strong>s Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns zur Anwendung: die so genannte „Hambur-<br />
ger Art“. Die Rennen wur<strong>de</strong>n nur über eine Distanz von 600m im C-Boot<br />
ausgetragen. 1677<br />
Auf nationaler Ebene fan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n 50er Jahren im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Jugendbestenkämpfe die Rennen <strong><strong>de</strong>r</strong> besten Schülerinnen und Schüler<br />
statt. 1678 Für alle Jungru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wur<strong>de</strong> 1953 <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheitspass einge-<br />
führt. Das Min<strong>de</strong>stalter <strong>für</strong> eine Regattateilnahme betrug 16 Jahre. 1955 be-<br />
1674<br />
Vgl. F. ULMER, „Wie kann das Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
79(1961)7, S. 198.<br />
1675<br />
Vgl. ebenda.<br />
1676<br />
E. PFLÜGER, „Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n – Eine Entgegnung“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 79(1961)4, S. 59.<br />
1677<br />
Vgl. ebenda.<br />
1678<br />
Vgl. H. DICKAMP, „50 Jahre Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
83(1965)9, S. 225.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 401<br />
schloss <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag, dass Jungru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s älteren Jahrgangs an Frau-<br />
enrennen teilnehmen konnten. Allerdings durfte nur die Hälfte einer Mann-<br />
schaft in <strong>de</strong>n Großbooten aus Schülerinnen bestehen. Alle Rennen fan<strong>de</strong>n<br />
bis 1965 im Gigboot statt. 1679 Erst danach setzte sich das Rennboot in allen<br />
Disziplinen durch.<br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre erfolgte die Umbenennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendbestenkämpfe in<br />
Deutsche-Junioren-Meisterschaften. Die Ermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerbesten blieb<br />
allerdings Teil <strong>de</strong>s Programms. Die Schülerinnen konnten sich seit 1975 über<br />
eine Vorentscheidung in <strong>de</strong>n einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> die Rennen im<br />
Einer, Doppelzweier und Doppelvierer mit Steuermann <strong>für</strong> die <strong>Deutschen</strong><br />
Schülermeisterschaften im Rahmen von JtfO qualifizieren.<br />
Die vom BDSR organisierten Bun<strong>de</strong>svergleichswettkämpfe, zu <strong>de</strong>nen je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
LSRV seine jeweils besten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er entsandte, stellten eine weitere Möglich-<br />
keit zum Leistungsvergleich dar. 1680 Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportart Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
bei JtfO 1681 1971 wur<strong>de</strong> dieser Wettbewerb eingestellt.<br />
Die Aufnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportart bei JftO führte Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre zu einem<br />
Aufschwung im Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutsch-<br />
land. Die Veranstaltung be<strong>de</strong>utete <strong>für</strong> diesen Bereich einen Imagegewinn<br />
und weitete die bislang hauptsächlich im Raum nördlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mainlinie betrie-<br />
bene Sportart auch auf Schulen in <strong>de</strong>n südlichen Teilen Deutschlands aus.<br />
Die ausgeschriebenen Bootsklassen wer<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>m</strong> veranstalten<strong>de</strong>n Kul-<br />
tusministerium <strong>für</strong> die Wettkampfklassen im Einzelnen festgelegt. Es waren<br />
zunächst 20 Rennen in verschie<strong>de</strong>nen Bootsklassen. 1976 wur<strong>de</strong>n die<br />
Einerrennen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerinnen gestrichen. Die Nichtberücksichtigung <strong>de</strong>s<br />
Doppelzweiers und Zweiers ist bis heute umstritten. Dem Reglement ent-<br />
sprechend muss eine Mannschaft aus min<strong>de</strong>stens fünf Personen bestehen,<br />
1679<br />
Vgl. SCHUMANN, „Keine Bleibe – keine Boote. Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nach <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Krieg“, S. 53.<br />
1680<br />
Vgl. UEBERHORST, Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Jahre Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, S. 157.<br />
1681<br />
Den Wettbewerb Jugend trainiert <strong>für</strong> Olympia gibt es seit 1969. Unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Dach eines<br />
gemeinnützigen Vereins tragen 16 Kultusbehör<strong>de</strong>n aller Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> DOSB, seine<br />
beteiligten Sportfachverbän<strong>de</strong> und diverse Sponsoren gemeinsam die Verantwortung <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>swettbewerb <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulen JtfO. Die Schirmherrschaft liegt beim amtieren<strong>de</strong>n<br />
Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nten. Für alle Finalveranstaltungen in Berlin übernimmt <strong><strong>de</strong>r</strong> Regieren<strong>de</strong><br />
Bürgermeister von Berlin dieses Amt. Der Wettbewerb basiert auf einem einheitlichen<br />
Wettkampfsystem. Die Teilnahme ist freiwillig und steht nur Schulmannschaften offen.<br />
Der Wettbewerb ist insgesamt in vier nach Altersstufen geordneten Wettkampfklassen<br />
unterteilt und unterschei<strong>de</strong>t zwischen einem Standard- und einem Ergänzungsprogramm.<br />
Vgl. HUTMACHER, <strong>Aus</strong>bildung im Schulru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, S. 68.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 402<br />
damit sie als eine solche anerkannt wird. Gera<strong>de</strong> diese Bootsklasse sowohl<br />
im Skull- als auch im Riemenbereich böte aber <strong>für</strong> viele Schulen die Möglich-<br />
keit an JtfO teilzunehmen, da nicht viele Schulen genügend Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er haben,<br />
um ein Großboot zu besetzen.<br />
Die Streckenlänge beträgt <strong>für</strong> alle Wettbewerbe 1.000m. Die folgen<strong>de</strong> Tabel-<br />
le stellt das Standardprogramm <strong>für</strong> die Sportart Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor:<br />
Bootsklasse<br />
WKII<br />
1992-1994<br />
Jungen<br />
4x+<br />
Gig 4x+<br />
Gig 4-+<br />
8+<br />
WK II<br />
1992-1994<br />
Mädchen<br />
4x+<br />
Gig 4x+<br />
WK III<br />
1995-1997<br />
Jungen<br />
Tab. 14: Standardprogramm JtfO <strong>für</strong> die Sportart Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n 2008/2009 1682<br />
WK III<br />
1995-1997<br />
Mädchen<br />
4x+ 4x+<br />
Prinzipiell wer<strong>de</strong>n Gig- und Rennbootrennen ausgeschrieben. Für Schülerin-<br />
nen gibt es dabei weniger Startmöglichkeiten. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Teil-<br />
nehmerzahlen wür<strong>de</strong>n im Achterbereich nicht genügend Meldungen<br />
eingehen. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> physiologischen Voraussetzungen im Bereich <strong>de</strong>s<br />
Beckens wird auf <strong>de</strong>n Schülerinnen-Riemenvierer bewusst verzichtet. Auch<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DRV schreibt erst ab <strong><strong>de</strong>m</strong> Juniorinnen A-Bereich Riemenrennen aus. In<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wettkampfklasse III wer<strong>de</strong>n sowohl <strong>für</strong> Schülerinnen als auch <strong>für</strong> Schüler<br />
nur Rennbootrennen durchgeführt. Dies wird damit begrün<strong>de</strong>t, dass es <strong>für</strong><br />
diese Altersgruppe zu schwierig ist, die schweren Gigboote über die Renn-<br />
distanz zu bewegen.<br />
Die Teilnehmerzahlen von 1990 bis 2000 1683 weisen kaum größere Schwan-<br />
kungen auf. Das größte Mel<strong>de</strong>ergebnis wur<strong>de</strong> 1999 mit 5090 teilnehmen<strong>de</strong>n<br />
Schülerinnen und Schülern erreicht. Dies könnte auf die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-WM in Köln<br />
1998 zurückgeführt wer<strong>de</strong>n. Der eine o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Schüler könnte sich ermu-<br />
tigt gefühlt haben, das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzunehmen o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu beginnen. Diese<br />
<strong>Aus</strong>sage ist allerdings rein hypothetisch und durch keine Daten zu belegen.<br />
1682 Vgl. [ohne Verfasser], „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n Allgemeine Bestimmungen“, in: http://jtfo.net/Deskop<br />
/Default.aspx?abid=281&tabin<strong>de</strong>x=-1, Zugriff am 29. 12. 2008.<br />
1683 Quelle: Daten <strong><strong>de</strong>r</strong> DRJ sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sstelle <strong>für</strong> das schulsportliche Wettkampfwesen<br />
NRW und <strong>de</strong>s Ministeriums <strong>für</strong> Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Nordrhein-Westfalens, Privatbesitz Hutmacher.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 403<br />
1990 nahmen die Schülerinnen und Schüler aus <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
als Gäste am Wettbewerb teil. Im Folgejahr waren sie bereits vollständig in<br />
alle Wettbewerbe integriert. Dennoch stieg die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer nicht<br />
nennenswert an. 1684<br />
Mit <strong><strong>de</strong>m</strong> aktuellen Programm bei JtfO haben die Verantwortlichen gera<strong>de</strong> bei<br />
<strong>de</strong>n Schülerinnen ein Minimum erreicht. Diese Entwicklung könnte Konse-<br />
quenzen haben, <strong>de</strong>nn sollte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n beim Bun<strong>de</strong>swettbewerb <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulen<br />
eine langfristige Perspektive haben, wird es sich im Schulsport behaupten<br />
müssen. Durch angestrebte Schulreformen in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Bun<strong>de</strong>s-<br />
län<strong><strong>de</strong>r</strong>n wer<strong>de</strong>n aber viele Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> erst im Alter von zwölf Jahren an einer wei-<br />
terführen<strong>de</strong>n Schule beginnen. In diesem Alter haben sie häufig schon<br />
mehrere Sportarten kennengelernt und sind Mitglied eines Vereins. Erschwe-<br />
rend kommt die Schulzeitverkürzung am Gymnasium auf acht Jahre hinzu.<br />
Es fehlt häufig Zeit, Hausaufgaben und ein zeitintensives Hobby, wie Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n, zu vereinbaren.<br />
2008 erweist sich die Unterscheidung zwischen Schul- und Schülerinnenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n teilweise als schwierig, da sich die bei<strong>de</strong>n Bereiche in <strong>de</strong>n meisten Fäl-<br />
len überschnei<strong>de</strong>n. Unter Schulru<strong><strong>de</strong>r</strong>n versteht man das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im normalen<br />
Sportunterricht, im Klassenverband, in Sportkursen <strong><strong>de</strong>r</strong> differenzieren<strong>de</strong>n<br />
Mittelstufen einer weiterführen<strong>de</strong>n Schule o<strong><strong>de</strong>r</strong> im Rahmen eines Oberstu-<br />
fenkurses in <strong>de</strong>n Jahrgangsstufen 11-13. 1685<br />
Ebenfalls <strong><strong>de</strong>m</strong> Schulru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zuzuordnen ist das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n innerhalb einer frei-<br />
willigen Arbeitsgemeinschaft. Hier treffen sich Schüler nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Unterricht<br />
zum außerschulischen Sport unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufsicht eines Lehrers.<br />
Beim Schulru<strong><strong>de</strong>r</strong>n stehen vorwiegend pädagogische und schulische Ge-<br />
sichtspunkte und Zielsetzungen im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund, welche sich beispielsweise<br />
in <strong>de</strong>n Rahmenrichtlinien und Kursstrukturplänen <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Kultusbehör-<br />
<strong>de</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong>fin<strong>de</strong>n. Neben <strong>de</strong>n technomotorischen Lernzielen, <strong><strong>de</strong>m</strong> Erlernen<br />
<strong>de</strong>s Skullens, Riemens und Steuerns in unterschiedlichen Bootsgattungen<br />
geht es hier auch um soziale, kognitive und affektive Ziele.<br />
Neben <strong><strong>de</strong>m</strong> Unterrichtsfach existiert außer<strong><strong>de</strong>m</strong> noch das Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, das<br />
sich weiter ausdifferenzieren lässt. Es bestehen<br />
1684 Vgl. ebenda.<br />
1685 DEUTSCHE RUDERJUGEND (Hrsg.), Die Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>jugend – Gestern – Heute – Mor-<br />
gen, S. 34.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 404<br />
„Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppen, die sich frei und unabhängig von Schule und Verein<br />
gegrün<strong>de</strong>t haben. Die Gruppen bezeichnet man als Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine,<br />
die weitgehend selbstständig und nur mit sehr lockerer<br />
Bindung an die Schule tätig sind.“ 1686<br />
Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>riegen unterliegen zwar einer Selbstverwaltung, wer<strong>de</strong>n aber<br />
von einem von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule gestellten Protektor betreut. Diese stehen <strong><strong>de</strong>m</strong>-<br />
entsprechend unter einem größeren Einfluss von Schule und Protektor als<br />
die Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine.<br />
Eine weitere Gruppe umfasst die Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, die an einen Verein ange-<br />
lehnt sind. Diese Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er sind häufig Gäste im Bootshaus eines DRV-<br />
Vereins. Dies gilt auch <strong>für</strong> Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, die fest in <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendabteilung<br />
eines Vereins organisiert sind. Derartige Jugendabteilungen sind zuweilen<br />
fast vollständige Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>abteilungen. 1687<br />
Die SRR und SRV <strong><strong>de</strong>r</strong> „klassischen“ Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>län<strong><strong>de</strong>r</strong> Hamburg, Berlin,<br />
Hessen und Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sachsen koordinieren heute weiterhin ihre Arbeit im Bund<br />
Deutscher Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>er. Einzelmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> sind die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeitsgemein-<br />
schaft Internatsschule Gaienhofen, die RR <strong><strong>de</strong>r</strong> Thomas Mann Schule Lübeck<br />
und die RR <strong>de</strong>s Her<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gymnasiums Min<strong>de</strong>n sowie die RR <strong>de</strong>s Kur<strong>für</strong>st-<br />
Balduin-Gymnasium Münstermaifeld. 1688<br />
Der Status <strong>de</strong>s Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im DRV ist an die gängigen Be-<br />
stimmungen gebun<strong>de</strong>n. Die DRJ ist die Jugendorganisation <strong>de</strong>s DRV. Sie<br />
vertritt die Jugend und die Jugendleiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>organisationen <strong>de</strong>s<br />
DRV. Neben <strong><strong>de</strong>m</strong> unabhängigen BDSR gibt es das Referat Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
als <strong>Aus</strong>schuss <strong><strong>de</strong>r</strong> DRJ und damit auch <strong>de</strong>s DRV. Diese Anbindung ist in §13<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendordnung <strong>de</strong>s DRV zusammengefasst:<br />
„Für <strong>de</strong>n Aufgabenbereich <strong>de</strong>s Schul- und Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns beruft<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstand <strong><strong>de</strong>r</strong> DRJ das Referat Schul-/Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein. Es<br />
setzt sich aus <strong><strong>de</strong>m</strong> von <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong>n gemel<strong>de</strong>ten,<br />
amtieren<strong>de</strong>n Vorstandsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>für</strong> Schul-/Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n<br />
16 LRV-Vorstän<strong>de</strong>n zusammen. Das Referat ist ein Beratungsgremium<br />
<strong>de</strong>s DRJ-Vorstan<strong>de</strong>s.“ 1689<br />
1686<br />
BIENIEK, Die Entwicklung <strong>de</strong>s Schülerru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und seine Be<strong>de</strong>utung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Schulsport,<br />
S. 8.<br />
1687<br />
Vgl. ebenda, S. 9.<br />
1688<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Thomas Rehbein.<br />
1689<br />
DEUTSCHER RUDERVERBAND (Hrsg.), Gesetze <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s. Regelwerk<br />
<strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Wiebelsheim 1999, S. 7.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 405<br />
Seit 1970 können SRV und SRR „mittelbare Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>“ <strong>de</strong>s DRV wer<strong>de</strong>n.<br />
Sie sind verpflichtet, einen von Schülern gewählten Vorstand aufzustellen.<br />
Des Weiteren ist von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule ein Protektor zu bestellen. Alle Beteiligten<br />
müssen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Schule sein. 1690 Dies be<strong>de</strong>utet aber auch, dass die<br />
Vereine seit<strong><strong>de</strong>m</strong> die Möglichkeit haben, zu allen offenen Verbandsregatten<br />
zu mel<strong>de</strong>n. Sechs Jahre später wur<strong>de</strong> dieser Beschluss durch die Verhand-<br />
lungen <strong>de</strong>s DSB mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ständigen Konferenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultusminister erweitert.<br />
Auch SRV und SRR, die nicht <strong><strong>de</strong>m</strong> Verband angehören, können an DRV-<br />
Regatten teilnehmen.<br />
Wie viele Schülerinnen aktuell in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, kann nur ge-<br />
schätzt wer<strong>de</strong>n. We<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV noch <strong><strong>de</strong>r</strong> BDSR erfassen explizit die Mäd-<br />
chen, die noch zur Schule gehen. 2007 waren 5.052 Mädchen unter 18<br />
Jahren Mitglied in einem DRV-Verein. Dem gegenüber stehen 10.159 Jun-<br />
gen. 1691 Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in dieser Altersklasse ist seit<br />
1992, als erstmals die ehemaligen DRSV-Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> mitgezählt wur<strong>de</strong>n, kon-<br />
stant geblieben. 1692<br />
9.2 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n Universitäten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg war das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen an <strong>de</strong>n Uni-<br />
versitäten nicht im DRV organisiert. Die Stu<strong>de</strong>ntinnenvereine und -riegen<br />
unterstan<strong>de</strong>n lediglich <strong>de</strong>n zuständigen Hochschulämtern <strong>für</strong> Leibesübun-<br />
gen. Walter Schrö<strong><strong>de</strong>r</strong> stellte die Situation in <strong>de</strong>n 50er Jahren dar:<br />
„Es gibt Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen, in Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riegen<br />
von verschie<strong>de</strong>nen stu<strong>de</strong>ntischen Verbindungen und schließlich<br />
das ‘unorganisierte Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n’ im Rahmen <strong>de</strong>s allgemeinen Hochschulsports,<br />
das meist von <strong>de</strong>n <strong>Institut</strong>en <strong>für</strong> Leibesübungen organisiert<br />
wird, die dann ihrerseits noch die Aufgabe haben, die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>lehrerausbildung im Studiengang <strong><strong>de</strong>r</strong> zukünftigen Sportlehrer<br />
durchzuführen.“ 1693<br />
Die heutige Situation hat sich dahingehend kaum verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Stu<strong>de</strong>ntinnen<br />
können Mitglied in aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbindungen wer<strong>de</strong>n. Darüber hin-<br />
aus sind die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen im Allgemeinen <strong>Deutschen</strong> Hochschulsport-<br />
1690<br />
Vgl. ebenda.<br />
1691<br />
Vgl. DEUTSCHER RUDERVERBAND, Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>statistik, Privatbesitz Hutmacher.<br />
1692<br />
Vgl. ebenda.<br />
1693<br />
W. SCHRÖDER, „Stu<strong>de</strong>ntenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Westen“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 121(2003)21, S. 649.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 406<br />
Verband (adh) organisiert. Im Folgen<strong>de</strong>n wird <strong>für</strong> je<strong>de</strong> Gruppe ein Beispiel<br />
dargestellt.<br />
Der 1904 ins Leben gerufene Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund wur<strong>de</strong> 1951 neu ge-<br />
grün<strong>de</strong>t. Allerdings ist dieser Verband heute inaktiv und besteht nur noch <strong>de</strong><br />
jure. Die letzte offizielle Vertretung konstituierte sich 1971. Dennoch ist er<br />
immer noch als Dachverband <strong>de</strong>s aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Deutschland<br />
anzusehen. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> waren 2010 <strong><strong>de</strong>r</strong> ARC zu Berlin, RV „Rheno-Franconia“<br />
Frankfurt, RG „Angaria“ Hannover, ARC „Rhenus“ Bonn, ARV „Westfalen“<br />
Münster, ARV Kiel und ARV „Alania“ zu Hamburg. Stu<strong>de</strong>ntinnen können mit<br />
<strong>Aus</strong>nahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine ARV „Westfalen“ Münster sowie ARV „Alania“ zu<br />
Hamburg vollwertige Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> wer<strong>de</strong>n. Einmal im Jahr strebt <strong><strong>de</strong>r</strong> Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>i-<br />
sche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund eine gemeinsame Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrt aller Vereine an. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong><br />
fin<strong>de</strong>n Treffen statt, die sich <strong><strong>de</strong>m</strong> kulturellen, sportlichen und geistigen <strong>Aus</strong>-<br />
tausch widmen: Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bün<strong>de</strong> pflegen <strong>de</strong>n Besuch zu Veranstaltun-<br />
gen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Reisen in die jeweiligen Hochschulorte.<br />
Bereits 1973 wur<strong>de</strong> beim ARC „Rhenus“ Bonn eine Stu<strong>de</strong>ntinnengruppe ge-<br />
grün<strong>de</strong>t, die 1979 in die Aktivitas überging. Hierbei ist zu beachten, dass die-<br />
ser Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club bis heute korporiert auftritt. Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Studium können sich<br />
die Stu<strong>de</strong>ntinnen <strong><strong>de</strong>m</strong> Alt-Herren-Verband (AHV) anschließen. Die frühe<br />
Aufnahme von Stu<strong>de</strong>ntinnen ist untypisch <strong>für</strong> korporierte Stu<strong>de</strong>ntenverbin-<br />
dungen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine, was die Vereine in Münster und Hamburg bele-<br />
gen.<br />
1972 wur<strong>de</strong> die erste Stu<strong>de</strong>ntin in <strong><strong>de</strong>r</strong> RG „Angaria“ Hannover als „Sportgast“<br />
zugelassen. Eine Aufnahme in die Aktivitas war zu diesem Zeitpunkt nicht<br />
möglich. 1694 Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre än<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich die Situation grundlegend<br />
und Stu<strong>de</strong>ntinnen können seit<strong><strong>de</strong>m</strong> vollwertige Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> „Angaria“<br />
wer<strong>de</strong>n. Dennoch gestaltete sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergang von <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktivitas in <strong>de</strong>n AHV<br />
als schwierig. Erst seit 1986 ist es Frauen möglich, <strong><strong>de</strong>m</strong> AHV <strong><strong>de</strong>r</strong> RG<br />
„Angaria“ Hannover beizutreten. 1695<br />
Für die weiblichen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n AHV <strong><strong>de</strong>r</strong> aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in<br />
Deutschland wer<strong>de</strong>n unterschiedliche Bezeichnungen verwen<strong>de</strong>t. Am häu-<br />
figsten gebraucht wird <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>druck „Alte Dame“, gefolgt von „Hohe Dame“.<br />
1694 Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Max Neubert am 18. 1. 2009.<br />
1695 Vgl. ebenda.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 407<br />
Einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Weg gingen die Stu<strong>de</strong>nten in Hannover. Hier wur<strong>de</strong> die Be-<br />
zeichnung „Bun<strong>de</strong>sbru<strong><strong>de</strong>r</strong>“ und „Bun<strong>de</strong>sschwester“ festgelegt. 1696<br />
An zahlreichen <strong>de</strong>utschen Universitäten wird Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch heute noch im<br />
Rahmen von Lehramts-, Diplom- und Bachelorstudiengängen angeboten.<br />
Des Weiteren bieten viele <strong>Institut</strong>ionen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Rahmen <strong>de</strong>s Hochschul-<br />
sports an. Koordiniert wer<strong>de</strong>n diese Aktivitäten vom Allgemeinen <strong>Deutschen</strong><br />
Hochschulsportverband. Anfänger können hier unter fachlicher Anleitung <strong>de</strong>n<br />
Sport erlernen und pflegen. Darüber hinaus trainieren viele <strong>für</strong> die <strong>Deutschen</strong><br />
Hochschulmeisterschaften (DHM) in Wettkampfgemeinschaften.<br />
1953 wur<strong>de</strong> die als „Dehofl-Vertrag“ 1697 bekannte Vereinbarung wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf-<br />
genommen. Demnach konnten Mannschaften einer Hochschule auf Regat-<br />
ten <strong>de</strong>s DRV starten, auch wenn die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er keinem Verein <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s<br />
angehörten. Allerdings mussten die mel<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Hochschulen <strong><strong>de</strong>m</strong> Verband<br />
als Regattaverein beitreten. In <strong>de</strong>n 50er Jahren wur<strong>de</strong>n ebenfalls „Dehofl-<br />
Lehrgänge“ durchgeführt, um <strong>de</strong>n Gedanken einer mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ausbil-<br />
dung weiter zu verbreiten. 1698<br />
In <strong>de</strong>n 60er und 70er Jahren fan<strong>de</strong>n jährlich Kontaktseminare in Kooperation<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ie Ratzeburg statt. Hier galt es, die Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>de</strong>n lehren<strong>de</strong>n <strong>Institut</strong>en und <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV zu verbessern. 1699<br />
Die DHM wur<strong>de</strong>n erstmalig 1948 in Mannheim veranstaltet. Stu<strong>de</strong>ntinnen<br />
können seit 1951 teilnehmen. 1700 In jenem Jahr wur<strong>de</strong>n Rennen im Einer und<br />
Doppelzweier angeboten. Die Siegerinnen erhalten <strong>de</strong>n Titel „Deutsche<br />
Hochschulmeisterin im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“. 1701 Frauen können heute im Einer, Doppel-<br />
zweier, Doppelvierer, Vierer und Achter in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse an <strong>de</strong>n Start<br />
gehen. Im Leichtgewichtsbereich wer<strong>de</strong>n lediglich die Bootsklassen Einer<br />
1696<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Defne Akca am 19. 1. 2009.<br />
1697<br />
Der DRV för<strong><strong>de</strong>r</strong>te seit <strong>de</strong>n 20er Jahren das Stu<strong>de</strong>ntenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1921 wur<strong>de</strong> erstmalig mit<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Hochschulamt <strong>für</strong> Leibesübungen <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dehofl-Vertrag“ abgeschlossen.<br />
<strong>Institut</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>gemeinschaften war es ab diesem Zeitpunkt erlaubt, an Verbandswettfahrten<br />
teilzunehmen, auch wenn sie nicht Mitglied im DRV waren. Vgl. SCHRÖDER, „Stu<strong>de</strong>ntenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
im Westen“, S. 649.<br />
1698<br />
Vgl. ebenda, S. 650.<br />
1699<br />
Vgl. ebenda.<br />
1700<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Volker Frie<strong><strong>de</strong>r</strong>ich am 3. 9. 2009.<br />
1701<br />
[ohne Verfasser], „61. Deutsche Hochschulmeisterschaften 2008 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in:<br />
http://130.75.198.220/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/thema2/Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n_2008_<strong>Aus</strong>schreibung.pdf, Zugriff am 11. 1.<br />
2009.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 408<br />
und Doppelzweier angeboten. 1702 Die Streckenlänge beträgt nach wie vor<br />
1.000m.<br />
Die Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Rennen <strong><strong>de</strong>r</strong> DHM wer<strong>de</strong>n als Nominierungskriterium <strong>für</strong><br />
internationale Hochschulsport-Veranstaltungen herangezogen. Allerdings<br />
geschieht dies nur dann, wenn die entsprechen<strong>de</strong> nationale Konkurrenz vor-<br />
han<strong>de</strong>n ist und die allgemeinen Bestimmungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Startberechtigung erfüllt<br />
wer<strong>de</strong>n. Dies gilt <strong>für</strong> die Europäischen Hochschulmeisterschaften, die Welt-<br />
meisterschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Studieren<strong>de</strong>n sowie <strong>für</strong> die Universa<strong>de</strong>. Die kontinenta-<br />
len Meisterschaften fin<strong>de</strong>n jährlich statt, die Weltmeisterschaften alle zwei<br />
Jahre. Seit 1995 wur<strong>de</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Universa<strong>de</strong> nicht mehr ausgetragen.<br />
Für 2009 war die Sportart als Programmpunkt zwar wie<strong><strong>de</strong>r</strong> vorgesehen, fi-<br />
nanzielle Probleme <strong>de</strong>s Veranstalters führten allerdings zur Streichung die-<br />
ser Disziplin.<br />
Der adh erfüllt insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Benennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mannschaft <strong>für</strong> die in-<br />
ternationalen Vergleiche eine wichtige Rolle. Er för<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch die Meldung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Boote junge stu<strong>de</strong>ntische Spitzensportler, die aufgrund ihrer sportlichen<br />
Möglichkeiten im Anschluss an das Juniorenalter an die nationale und inter-<br />
nationale Spitze herangeführt wer<strong>de</strong>n sollen. Dies führt dazu, dass <strong>für</strong> die<br />
Teilnahme an einer Stu<strong>de</strong>nten-WM die Altersgrenze bei 28 Jahren liegt. Für<br />
die EM gilt diese Beschränkung nicht. Neben <strong><strong>de</strong>m</strong> Nachweis, dass die Sport-<br />
ler eingeschriebene Vollzeitstu<strong>de</strong>nten beziehungsweise Examenskandidaten<br />
sein müssen, ist außer<strong><strong>de</strong>m</strong> die Mitgliedschaft im A-, B- o<strong><strong>de</strong>r</strong> C-Bun<strong>de</strong>ska<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>s DRV entschei<strong>de</strong>nd. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, die noch nicht die nationale Spitze erreicht<br />
haben, jedoch über die entsprechen<strong>de</strong> Perspektive verfügen, sollen geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> <strong>für</strong> junge Athleten stellen die internationalen Studieren<strong>de</strong>n-<br />
Wettkämpfe eine hervorragen<strong>de</strong> Plattform dar, um weitere Erfahrungen in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> leistungssportlichen Entwicklung zu sammeln. 1703<br />
Die Aktiven wer<strong>de</strong>n auf Vorschlag <strong>de</strong>s Disziplinchefs <strong>de</strong>s adh und in Abspra-<br />
che mit <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV sowie <strong><strong>de</strong>m</strong> Bereichsleiter im DOSB vom Vorstand <strong>de</strong>s adh<br />
nominiert. Prinzipiell können Boote auch gesetzt wer<strong>de</strong>n. Davon wur<strong>de</strong> bei-<br />
spielsweise 2008 Gebrauch gemacht, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenvierer vom U-23 Bun-<br />
1702 Vgl. ebenda.<br />
1703 Vgl. [ohne Verfasser], „Nominierungskriterien <strong>für</strong> Studieren<strong>de</strong>n-Weltmeisterschaften“, in:<br />
http://130.75.198.220/ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n/thema4/Nominierungskriterien%202008.pdf, Zugriff am 11.<br />
1. 2009.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 409<br />
<strong>de</strong>strainer gesetzt wur<strong>de</strong>. 1704 Diese Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen mussten aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Sai-<br />
sonergebnisse keine geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten <strong>Aus</strong>scheidungsrennen bestreiten, da sich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmerkreis in <strong>de</strong>n Vorbereitungen auf die Qualifikationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziel-<br />
wettkämpfe <strong>für</strong> die Saison 2008 befand und während <strong><strong>de</strong>r</strong> Saison in verschie-<br />
<strong>de</strong>nen Bootsklassen auf internationalen Regatten gestartet ist. 1705<br />
Der adh hat in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten erfolgreiche Mannschaften im Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufgeboten. Es konnten sowohl bei <strong>de</strong>n Europäischen Hochschul-<br />
meisterschaften, <strong>de</strong>n Studieren<strong>de</strong>n Weltmeisterschaften als auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Universa<strong>de</strong> Medaillen gewonnen wer<strong>de</strong>n. So erreichten beispielsweise die<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s adh bei <strong>de</strong>n kontinentalen Titelkämpfen 2008 jeweils eine<br />
Goldmedaille im Einer und im Doppelvierer. Hinzu kamen eine Silbermedaille<br />
im Vierer und zwei Bronzemedaillen im Leichtgewichts-Doppelzweier und<br />
Einer. Der Doppelzweier in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen Klasse sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenachter er-<br />
reichten zu<strong><strong>de</strong>m</strong> die Endläufe. 1706<br />
9.3 Schul- und Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
Die Ursachen <strong>für</strong> das hohe Leistungsniveau im DDR-Frauensport lagen in<br />
<strong>de</strong>n günstigen gesellschaftlichen Voraussetzungen im Sozialismus. Es kam<br />
zu keinen Konflikten zwischen <strong>de</strong>n divergieren<strong>de</strong>n Systemen Bildung und<br />
Sport. Im Gegenteil: das reibungslose Ineinan<strong><strong>de</strong>r</strong>greifen von Sport-, Bil-<br />
dungs- und Erwerbssystem war von großer Be<strong>de</strong>utung. 1707<br />
Bereits im Vorschulalter wur<strong>de</strong> ein beispielloses Talentsichtungssystem an-<br />
gewandt. Eckpfeiler hier<strong>für</strong> waren die Spartakia<strong>de</strong>wettkämpfe und die KJS.<br />
Die enge Anlehnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Spartakia<strong>de</strong>n an das olympische Zeremoniell sorgte<br />
aus Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>perspektive <strong>für</strong> einen großen Begeisterungs- und Trainingsanreiz.<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite stand die <strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Besten in <strong>de</strong>n olympischen<br />
Disziplinen im Mittelpunkt. Die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Talente begann auf Schulebe-<br />
ne mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Qualifikation <strong>für</strong> die End- und <strong>Aus</strong>scheidungskämpfe in<br />
Berlin. 1708 Rückblickend waren die Spartakia<strong>de</strong>n die i<strong>de</strong>ale Verbindung zwi-<br />
schen breitensportrelevanter Aktivierung und <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Nachwuch-<br />
1704<br />
Vgl. ebenda.<br />
1705<br />
Vgl. ebenda.<br />
1706<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Ergebnisse EUC“, in: http://www.dhm-ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<strong>de</strong>, Zugriff am 11.<br />
1. 2009.<br />
1707<br />
Vgl. PFISTER, Frauen und Sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, S. 90-91.<br />
1708<br />
Vgl. KRÜGER, Einführung in die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung und <strong>de</strong>s Sports, Bd. 3,<br />
S. 179.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 410<br />
ses im Hochleistungssport. 1709 Des Weiteren gelang es <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR, über diese<br />
Wettbewerbe hinaus eine optimale Talentsuche zu initiieren.<br />
Hatte es ein Kind bis zu <strong>de</strong>n Endkämpfen in Berlin geschafft und war es dort<br />
als för<strong><strong>de</strong>r</strong>ungswürdig eingestuft wor<strong>de</strong>n, bestand die Möglichkeit, in eine KJS<br />
aufgenommen zu wer<strong>de</strong>n, die seit Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre systematisch auf-<br />
und ausgebaut wur<strong>de</strong>n. 1710 Entschei<strong>de</strong>nd <strong>für</strong> eine Aufnahme waren neben<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sportlichen Eignung auch die schulischen Leistungen, die Mitarbeit in<br />
sozialistischen Jugendorganisationen und eine „rein sozialistische Her-<br />
kunft“. 1711 Die Aufnahme an <strong>de</strong>n KJS, die auch als „Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>schmie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
DDR-Sports“ bezeichnet wur<strong>de</strong>n, war ein guter <strong>Aus</strong>gangspunkt <strong>für</strong> eine Kar-<br />
riere als Sportler, Trainer, Sportfunktionär o<strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionär in sicherheitsemp-<br />
findlichen Positionen. 1712 Spartakia<strong>de</strong>wettkämpfe im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong>n erstmals<br />
im Juli 1966 ausgetragen und blieben bis zur Wen<strong>de</strong> fester Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
Programms.<br />
9.4 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n an <strong>de</strong>n Universitäten in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bildung <strong>de</strong>s DSA durch die FDJ und <strong>de</strong>n FDGB wur<strong>de</strong> die Sparte<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ in formale Strukturen eingebun<strong>de</strong>n. Organisiert war <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport anfänglich in Hochschulsportgemeinschaften (HSG) <strong><strong>de</strong>r</strong> Universi-<br />
täten und Fachhochschulen. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s aktiv waren diese in Greifswald,<br />
Leipzig und Rostock. 1713<br />
Rugenstein beschrieb in einem Artikel in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport die Orga-<br />
nisation <strong>de</strong>s Stu<strong>de</strong>ntenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Diese umfasste die Bereiche<br />
HSG, obligatorischer Sportunterricht und das Sportlehrerstudium. 1714 Die<br />
HSG waren verantwortlich <strong>für</strong> die Teilnahme an <strong>de</strong>n Regatten <strong>de</strong>s DRSV und<br />
stellten auch Vertreter <strong>für</strong> die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Stu<strong>de</strong>ntensport<br />
(AGDS). Der Bereich Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten zählte ebenfalls zu <strong><strong>de</strong>m</strong> Aufgabenbe-<br />
reich <strong><strong>de</strong>r</strong> HSG.<br />
1709<br />
M. MESSING/D. VOIGT, „Das gesellschaftliche System <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR als Grundlage sportlicher<br />
Leistungsför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung“, in: H. UEBERHORST (Hrsg.), Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesübungen, Bd.<br />
3/2, Leibesübungen und Sport in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart,<br />
Berlin/München/Frankfurt a.M. 1982, S. 898.<br />
1710<br />
Vgl. MESSING/VOIGT, ebenda, S. 898.<br />
1711<br />
Vgl. KRÜGER, Einführung in die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibeserziehung und <strong>de</strong>s Sports, Bd. 3,<br />
S. 179.<br />
1712<br />
Vgl. ebenda.<br />
1713<br />
Vgl. J. RUGENSTEIN, „Stu<strong>de</strong>ntensport im Osten“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 121(2003)21, S. 650.<br />
1714 Vgl. ebenda, S. 651.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 411<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR mussten alle Studieren<strong>de</strong>n am obligatorischen Stu<strong>de</strong>ntensport<br />
teilnehmen. Neben Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n stan<strong>de</strong>n noch ungefähr 20 weitere Sportarten zur<br />
<strong>Aus</strong>wahl. Diese Maßnahme war eingeführt wor<strong>de</strong>n, da<br />
„bei <strong>de</strong>n Absolventen zwar eine hohe fachliche Qualifikation, aber<br />
teilweise ungenügen<strong>de</strong> körperliche Fähigkeit festzustellen war.<br />
Dies betraf insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Berufsgruppen mit vorwiegend stehen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tätigkeit, z. B. Konstrukteure und Projektanten, Zahnärzte und<br />
Laborkräfte. Die <strong>Aus</strong>bildung erfolgte durch Sportlehrer <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilungen<br />
Stu<strong>de</strong>ntensport an <strong>de</strong>n jeweiligen Hochschulen“. 1715<br />
Die Sportlehrer wur<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Universitäten und Pädagogischen Hochschu-<br />
len <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR ausgebil<strong>de</strong>t. Die DHfK in Leipzig war <strong>für</strong> die Trainer-<br />
Qualifizierung zuständig. Grundlage <strong>für</strong> alle Studiengänge war das Buch Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Ernst Herberger. 1716<br />
Seit 1946 beteiligten sich Stu<strong>de</strong>nten an regionalen Regatten. Fünf Jahre spä-<br />
ter wur<strong>de</strong>n die ersten Hochschul-Meisterschaften in Berlin-Grünau abgehal-<br />
ten. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportvereinigung Wissenschaft (SV) lösten<br />
1953 SV-Meisterschaften die Hochschul-Meisterschaften ab. Rugenstein<br />
erläuterte, dass aus Kostengrün<strong>de</strong>n keine separaten Wettkämpfe veranstal-<br />
tet wer<strong>de</strong>n sollten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n „die besten Mannschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> SV Wissenschaft<br />
bei <strong>de</strong>n DDR-Meisterschaften <strong>de</strong>n Titel eines SV-Meisters erhalten“. 1717<br />
Im selben Jahr konnten erstmalig die Stu<strong>de</strong>ntinnen auch international in Er-<br />
scheinung treten. Der Frauenachter erkämpfte im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> XI. Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>i-<br />
schen Sommerspiele im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltfestspiele eine Bronzemedaille.<br />
1966 än<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich die Situation mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> AGDS im Stu<strong>de</strong>nten-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n grundlegend. Ihr angeschlossen war die Fachgruppe Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1966<br />
fan<strong>de</strong>n zum ersten Mal Stu<strong>de</strong>nten-Bestenermittlungen statt. Für die Stu<strong>de</strong>n-<br />
tinnen stan<strong>de</strong>n die Bootsklassen Einer, Doppelzweier und Doppelvierer mit<br />
Steuermann auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Programm. Nur ein Jahr später wur<strong>de</strong> dieser Wett-<br />
kampf in Stu<strong>de</strong>nten-Meisterschaften unbenannt, <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit alle<br />
zwei Jahre stattfand. 1718 Für die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gab es Rennen in all <strong>de</strong>n Boots-<br />
klassen, die auch bei <strong>de</strong>n Europameisterschaften angeboten wur<strong>de</strong>n.<br />
1715 Ebenda.<br />
1716 Vgl. ebenda.<br />
1717 Ebenda.<br />
1718 Vgl. ebenda.
Schul- und Universitätsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach 1945 412<br />
Rugenstein zeigte auf, dass bei <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>nten-Meisterschaften vorwiegend<br />
solche Athleten an <strong>de</strong>n Start gingen, die bereits vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Studium das Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n erlernt hatten. 1719 Ab 1970 wur<strong>de</strong>n daher Rennen in C-Booten im Einer<br />
und Doppelvierer mit Steuermann <strong>für</strong> Stu<strong>de</strong>ntinnen ausgeschrieben. Die Mo-<br />
tivation erläuterte Rugenstein:<br />
„Diese Rennen wur<strong>de</strong>n gerne von <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>ntinnen und Stu<strong>de</strong>nten<br />
angenommen, die mit ihrer Teilnahme beweisen wollten, was<br />
sie im obligatorischen Sportunterricht gelernt hatten.“ 1720<br />
Die Fachgruppe Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> AGDS durfte aus rechtlichen Grün<strong>de</strong>n nur in<br />
Verbindung mit <strong><strong>de</strong>m</strong> DRSV agieren. Daher wur<strong>de</strong> diese in Personalunion als<br />
Kommission Stu<strong>de</strong>ntensport <strong>de</strong>s DRSV geführt. Der jeweilige Vorsitzen<strong>de</strong><br />
dieses Gremiums war Mitglied <strong>de</strong>s Präsidiums <strong>de</strong>s DRSV.<br />
Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>schreibung und Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regatten war diese Kom-<br />
mission auch <strong>für</strong> das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verantwortlich. <strong>Aus</strong> Zeitgrün<strong>de</strong>n war die<br />
Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>wettbewerbe problematisch.<br />
Deshalb „wur<strong>de</strong> ein spezieller ‘Fahrtenwettbewerb <strong>für</strong> Stu<strong>de</strong>nten’ ins Leben<br />
gerufen, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine Jahresleistung von 300 km in min<strong>de</strong>stens 25 Fahrten for-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>te“. 1721<br />
Sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> ambitionierte Leistungssektor als auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Breitensport im Stu-<br />
<strong>de</strong>ntenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n war in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR gut organisiert. Viele Stu<strong>de</strong>nten konnten auf<br />
nationalen Regatten ihr Können unter Beweis stellen und waren auch inter-<br />
national erfolgreich. So gewannen beispielsweise die Leipziger Stu<strong>de</strong>ntinnen<br />
Barteld und Günther 1975 eine polnische Stu<strong>de</strong>nten-Meisterschaft im Dop-<br />
pelzweier. Des Weiteren gab es Vergleiche mit Universitäten nicht nur in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sowjetunion (Moskau und Leningrad), son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in Polen (Breslau, Dan-<br />
zig, Posen und Stettin). 1722<br />
Nicht zuletzt konnten durch die Bestimmungen <strong>de</strong>s obligatorischen Stu<strong>de</strong>n-<br />
tensports viele Studieren<strong>de</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport gewonnen wer<strong>de</strong>n.<br />
1719 Vgl. ebenda.<br />
1720 Ebenda.<br />
1721 Vgl. ebenda.<br />
1722 Vgl. ebenda.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 413<br />
10 „Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine<br />
heute<br />
1969 existierten noch 14 selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>s-<br />
republik Deutschland. Einige dieser Clubs allerdings „vegetieren mit ganz<br />
geringen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen so eben dahin“ 1723 , wie Har<strong><strong>de</strong>r</strong> berichtete. Unter<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Fragestellung „Ist <strong><strong>de</strong>r</strong> reine Frauenverein noch zeitgemäß?“ schrieb sie:<br />
„Doch die traditionsbewußten und -gebun<strong>de</strong>nen Herren-Clubs<br />
konnten sich zu jener Zeit noch nicht dazu entschließen, in ihre<br />
Clubs Frauen aufzunehmen. Sie unterstützten jedoch ihre Frauen<br />
– es waren dies wohl auch zumeist Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er-Ehefrauen bzw. -<br />
Schwestern – in ihren Bemühungen, einen eigenen Club zu grün<strong>de</strong>n.<br />
So waren also die Städte, in <strong>de</strong>nen die Clubs heute noch<br />
existieren, zunächst einmal bahnbrechend.“ 1724<br />
Barrelet ergänzte, „daß <strong><strong>de</strong>r</strong> ‘Separatismus’ nicht gewollt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n erzwungen<br />
war“. 1725 Nicht vergessen wer<strong>de</strong>n darf, dass die Aufnahme von Frauen in<br />
Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine aus Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>mangel und finanziellen Engpässen resul-<br />
tierte. Die Gleichberechtigung in <strong>de</strong>n Vereinen in <strong>de</strong>n 70er Jahren, so<br />
Barrelet weiter, war in vielen <strong>de</strong>nnoch verbesserungswürdig. <strong>Aus</strong> eben die-<br />
sem Grund gab es in <strong>de</strong>n 70er Jahren immer noch 13 selbstständige Frauen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine:<br />
„Und zwar nicht etwa nur <strong>de</strong>shalb, weil die Damen unter sich bleiben<br />
wollten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ebensosehr [sic!], weil die in Frage kommen<strong>de</strong>n<br />
Herrenclubs Damenabteilungen we<strong><strong>de</strong>r</strong> aufnehmen<br />
konnten noch wollten.“ 1726<br />
Diese Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine waren unterschiedlich organisiert. Einige von ih-<br />
nen, zum Beispiel LFRG und LFRK, teilten sich mit <strong>de</strong>n Nachbarvereinen die<br />
Räumlichkeiten. Daran hat sich bis heute nichts geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Dies war in man-<br />
cher Hinsicht sehr praktisch. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Vereine hatten eigene Bootshäuser, die<br />
zweckmäßig angelegt waren, wie Barrelet anmerkte. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wuss-<br />
ten sich selbst zu helfen. Genau darin sah sie einen Vorteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenverei-<br />
1723<br />
I. HARDER, „Ist <strong><strong>de</strong>r</strong> reine Frauenverein noch zeitgemäß?“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 87(1969)33, S.<br />
745.<br />
1724<br />
Ebenda.<br />
1725<br />
S. BARRELET, „Ist <strong><strong>de</strong>r</strong> reine Frauenverein noch zeitgemäß? Eine Ergänzung zum Artikel<br />
von Inge Har<strong><strong>de</strong>r</strong> in Nr. 33/69“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 88(1970)5, S. 105.<br />
1726<br />
Ebenda.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 414<br />
ne: die Verpflichtung zum selbstständigen und selbstverständlichen Arbei-<br />
ten. 1727<br />
Clos stimmte Barrelet zu, blickte allerdings skeptisch in die Zukunft:<br />
„Der selbständige Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein hat es im großen und ganzen<br />
viel schwerer als <strong><strong>de</strong>r</strong> reine Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein mit Frauenabteilung.<br />
Er verfügt über seine Belange selbst und beißt sich durch.<br />
Ohne Opfer und I<strong>de</strong>alismus geht es auch in heutiger Zeit<br />
nicht.“ 1728<br />
Die einzige Neugründung nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg datiert aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Jahr<br />
1947. Clos erklärte die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> diesen Umstand:<br />
„In <strong><strong>de</strong>r</strong> heutigen Zeit ist die Existenz eines neu zu grün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins einfach eine Utopie. Zur Selbständigkeit gehört<br />
nicht nur die Erfahrung im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n viel mehr<br />
noch die Erhaltung einer Tradition, die auf gesun<strong><strong>de</strong>r</strong> Basis aufgebaut<br />
ist.“ 1729<br />
In diesem Zusammenhang stellte sie auch fest, dass die Selbstständigkeit<br />
nur gewahrt wer<strong>de</strong>n konnte, so lange „wir, wir können ruhig sagen, ‘Alten’<br />
noch da sind und mitarbeiten“. 1730<br />
Heute bestehen nur noch vier Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland: Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft, Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
Klub, Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club und Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club-Wannsee.<br />
Für alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaften sind drei Entwicklungslinien auszumachen.<br />
Zum einen lösten sich einige Vereine auf. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e, zum Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen Club Dres<strong>de</strong>nia Hamburg än<strong><strong>de</strong>r</strong>te seinen Namen in RC Dres<strong>de</strong>nia Ham-<br />
burg und nahm männliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf. In Kassel, Hannover und Frankfurt<br />
entschlossen sich die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um, männliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzu-<br />
nehmen. Diese führen aber weiterhin ihre alten Namen. So startete bei-<br />
spielsweise <strong><strong>de</strong>r</strong> erfolgreiche Einerfahrer Marcel Hacker einige Jahre lang <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Casseler Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein.<br />
Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> diese Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine waren vielschich-<br />
tig. Primär zwangen finanzielle Schwierigkeiten die Vereine zur Aufgabe. Der<br />
Unterhalt <strong>für</strong> ein Gebäu<strong>de</strong>, die Pflege und Wartung <strong>de</strong>s Bootsmaterials sowie<br />
1727 Vgl. ebenda.<br />
1728 L. CLOS, „Ist <strong><strong>de</strong>r</strong> reine Frauenverein noch zeitgemäß? Eine weitere Ergänzung zu Nr.<br />
33/69 von Inge Har<strong><strong>de</strong>r</strong>“, in: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport 88(1970)7, S. 229.<br />
1729 Ebenda.<br />
1730 Ebenda.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 415<br />
die Gestaltung <strong>de</strong>s Clublebens waren gera<strong>de</strong> von kleineren Gemeinschaften<br />
nicht mehr aufzubringen. Der allgemeine Rückgang <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen im<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport betraf vor allem die Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in <strong>de</strong>n 70er Jahren. An-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>e sahen dagegen einfach keine Notwendigkeit mehr in <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung von<br />
Männern und Frauen. Ihnen ging es darum, gemeinsam mit ihren Partnern<br />
und Familien <strong>de</strong>n Sport in einem gemischten Verein auszuüben.<br />
Wenn sich heute eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong>für</strong> einen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein entschei<strong>de</strong>t, „hat<br />
sie meist da<strong>für</strong> ihre Grün<strong>de</strong>“. 1731 Die <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s HRC, Britta<br />
Warner, fasste diese in einem Gespräch zusammen:<br />
„Wer zu uns kommt, kommt, weil er mit Frauen Sport treiben<br />
möchte. Das hat nicht zu be<strong>de</strong>uten, dass die Frauen nicht mit<br />
Männern können. Aber ihnen geht es darum, in entspannter Umgebung<br />
Sport zu treiben. Frauen geht es weniger um <strong>de</strong>n Wettkampf.<br />
Bei Männern artet das im Training auch schon mal<br />
aus.“ 1732<br />
Warner zufolge kommt ungefähr alle zwei bis drei Jahre die Frage nach <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Sinn und Zweck von selbstständigen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf. Ihr<br />
Mann, Jürgen Warner, langjähriger Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins<br />
Der Hamburger und Germania Ru<strong><strong>de</strong>r</strong> Club, bestätigte dies und ergänzte,<br />
dass oft Journalisten versuchten, <strong>de</strong>n Vereinen eine gewisse „Machoeinstel-<br />
lung“ 1733 anzuheften. Häufig reduziert sich die Frage allerdings darauf, wa-<br />
rum die Herrenvereine keine Frauen aufnehmen. Beim HRC hat allerdings<br />
noch niemand nachgefragt, warum die Frauen keine Männer aufnehmen. 1734<br />
Gera<strong>de</strong> in Hamburg ist die Eigenständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen- und Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
vereine historisch gewachsen. Die Stadt bietet viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>möglichkeiten.<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong> kann sich <strong>de</strong>n <strong>für</strong> ihn passen<strong>de</strong>n Verein aussuchen.<br />
Die Antwort auf die Frage nach <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zeitgemäßheit“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweckmäßigkeit“<br />
bleibt je<strong><strong>de</strong>m</strong> selbst überlassen. Die Zukunft <strong><strong>de</strong>r</strong> vier <strong>de</strong>utschen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
vereine scheint nicht gefähr<strong>de</strong>t. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> ist in allen Verei-<br />
nen konstant. 1735<br />
1731<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Britta Warner am 27. 7. 2008.<br />
1732<br />
Ebenda.<br />
1733<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Jürgen Warner am 27. 7. 2008.<br />
1734<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Britta und Jürgen Warner am 27. 7. 2008.<br />
1735<br />
Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Marianne Liedtke am 27. 2. 2008. Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Lisa<br />
Börms am 6. 3. 2008. Persönliche <strong>Aus</strong>kunft Britta Warner am 27. 7. 2008. Persönliche<br />
<strong>Aus</strong>kunft Bettina Ochla am 30. 1. 2009.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 416<br />
10.1 Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft<br />
Am 10. November 1945 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung von Käthe<br />
Hey<strong>de</strong>l neu gegrün<strong>de</strong>t. Das Bootsmaterial war in einem schlechten Zustand.<br />
Alle Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> waren angehalten, Material <strong>für</strong> Reparaturen anzuschaffen:<br />
„Kupfernägel sind beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, Beize soll es in Kiel geben,<br />
Kaltleim, <strong><strong>de</strong>r</strong> wasserfest ist, ist bitte aufzutreiben. ‘Licht im<br />
Umklei<strong><strong>de</strong>r</strong>aum ist bis auf eine Glühbirne in Ordnung. Da<strong>für</strong> wird<br />
ein Spen<strong><strong>de</strong>r</strong> gesucht’.“ 1736<br />
Die Begeisterung war ungebrochen. Bereits 1947 konnten 120 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> immer noch angespannten Lage im Bereich<br />
Bootsmaterial erging noch 1951 <strong><strong>de</strong>r</strong> erneute Aufruf: „Gemischt zu ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist<br />
verboten“. 1737 Viele Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> konnten die Monatsbeiträge nicht aufbringen.<br />
Spen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Nachbarvereins LRG sorgten <strong>für</strong> die Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betriebes in dieser Zeit.<br />
Die 50er Jahre sind durch ausgiebige Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten geprägt. Bereits 1955<br />
hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein als Anreiz <strong>für</strong> die Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen Preise ausgesetzt. Es<br />
galt, eine Jahresleistung von 1.000 beziehungsweise 7.000 km zu erzie-<br />
len. 1738 Um auch das Training weiterführen zu können, bat <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein um<br />
Lebensmittel.<br />
1957 beging die LFRG ihr 50-jähriges Jubiläum. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
lag bei 91. 20 Jahre nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Gewinn <strong>de</strong>s ersten Titels beim DMR erreichte<br />
eine Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG 1959 in einer Renngemeinschaft im Doppelvierer<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> einen <strong>de</strong>utschen Meistertitel.<br />
Einer Tradition folgend wur<strong>de</strong> 1961 die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege <strong><strong>de</strong>r</strong> St. Jürgen Realschule<br />
unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG gegrün<strong>de</strong>t. Erst 1972 wur<strong>de</strong> die Jugendab-<br />
teilung <strong>de</strong>s Vereins selbstständig.<br />
Die 60er Jahre waren gekennzeichnet durch einen starken Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>rück-<br />
gang. Der bisherige Tiefpunkt wur<strong>de</strong> 1967 erreicht, als die LFRG nur noch<br />
aus 37 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bestand. 1739 Dies war darauf zurückzuführen, dass Ju-<br />
gendliche nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfängerausbildung zu schnell wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Sport<br />
aufhörten. Um einem weiteren Rückgang, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Eigenständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG<br />
1736 [ohne Verfasser], Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft 1907-2007, S. 114.<br />
1737 Ebenda, S. 115.<br />
1738 Vgl. ebenda, S. 28.<br />
1739 Vgl. ebenda, 116.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 417<br />
bedroht hätte, entgegenzuwirken, wur<strong>de</strong> ein Jahr später die Anglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung an<br />
die LRG erwogen, aber nicht realisiert. 1740 Zwei Jahre später entschloss sich<br />
die LFRG zur Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> LRG. Die bislang lockere Anbindung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Vereine wur<strong>de</strong> vertraglich vereinbart. 1741 Die Selbstständigkeit<br />
<strong>de</strong>s Vereins blieb aber unangetastet. Einige Vorstandsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> LRG<br />
mussten allerdings „<strong>für</strong> diese neue Gemeinsamkeit noch nachträglich ge-<br />
wonnen wer<strong>de</strong>n“. 1742<br />
In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren entspannte sich die Situation, so dass 1975 <strong>de</strong>utlich<br />
über 100 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> verzeichnet wer<strong>de</strong>n konnten. 1743 In jenem Jahr erfolgte<br />
ebenfalls eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung: „Laut Satzung ist Gemischtru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
gestattet“. 1744 Neu eingeführt wur<strong>de</strong> im Zuge dieser Entwicklung das Fami-<br />
lien- und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Gemeinsam mit <strong><strong>de</strong>r</strong> LRG wur<strong>de</strong>n viele Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahr-<br />
ten unternommen.<br />
Die Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> LRG ging allerdings nicht immer reibungslos<br />
vonstatten:<br />
„Die Zeiten, als viele Belange zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Vereinen ‘familiär’<br />
geregelt wur<strong>de</strong>n, waren vorbei – zunehmend ging es um die<br />
Kosten, auf die Spitze getrieben sogar um unser Bleiben unter einem<br />
gemeinsamen Dach.“ 1745<br />
In <strong>de</strong>n 80er Jahren stand das Training <strong><strong>de</strong>r</strong> Mädchen im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund. So ge-<br />
wannen beispielsweise Karin Bergmann und Kirsten Fiehn 1987 in München<br />
Eichkranz-Gold. Dennoch bemühte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein auch, <strong>de</strong>n aktiven Wan-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugendabteilung gerecht zu wer<strong>de</strong>n. Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er<br />
Jahre zählte die Gesellschaft 120 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Dem vorausgegangen war 1983<br />
ein Zuwachs auf Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> „Trimm-Trab-Welle“. 1746 Viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine bo-<br />
ten „Schnupper“- und Anfängerkurse an. Nicht selten gab es ein Be-<br />
treuungsangebot <strong>für</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, so dass vor allem Frauen davon Gebrauch<br />
machten.<br />
2007 wur<strong>de</strong> das 100-jährige Jubiläum gefeiert. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen liegen<br />
seit vielen Jahren bei circa 150. Nach wie vor betreiben die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1740 Vgl. ebenda.<br />
1741 Vgl. ebenda, S. 117.<br />
1742 Vgl. ebenda, S. 30.<br />
1743 Vgl. ebenda, S. 117.<br />
1744 Ebenda.<br />
1745 Vgl. ebenda, S. 33.<br />
1746 Ebenda, S. 118.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 418<br />
LFRG das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n letzten Jahren haben sich aber<br />
auch die Bemühungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainer bezahlt gemacht, so dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein auf<br />
Regatten sehr erfolgreich war. Seit 2005 ist Marianne Liedtke die Vorsitzen-<br />
<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRG. Unter ihrer Regie wur<strong>de</strong>n viele Projekte initiiert und realisiert.<br />
So wur<strong>de</strong> beispielsweise die Kooperation mit <strong><strong>de</strong>r</strong> LRG weiter ausgebaut, die<br />
sie mittlerweile als „sehr konstruktiv“ 1747 bescchreibt.<br />
100 Jahre LFRG stellen einen entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Beitrag zur Geschichte <strong>de</strong>s<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns dar. Der Verein ist eng mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Namen Käthe Hey<strong>de</strong>l ver-<br />
bun<strong>de</strong>n. Ihr Vater war einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Damenabteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> LRG. Be-<br />
reits 1911 wur<strong>de</strong> sie Mitglied. Von 1919 bis 1969 führte sie <strong>de</strong>n Vorsitz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
LFRG. Nur sehr wenige Vereine können auf eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Geschichte zu-<br />
rückblicken. Hey<strong>de</strong>l merkte dazu an:<br />
„50 Jahre mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Jugend und <strong>für</strong> sie, meine mir selbst gestellte<br />
Lebensaufgabe, ging zu En<strong>de</strong>. Ich war gern fröhlich und hatte<br />
gern Aufgaben, die manches Mal als Berg vor mir stan<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong>s<br />
hat die lange Zeit mir gegeben.“ 1748<br />
Hey<strong>de</strong>l arbeitete auch in verschie<strong>de</strong>nen Gremien im DDRV und DRV mit. So<br />
war sie 1948 Mitglied im AAR im Unterausschuss Jugendru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1949 wur<strong>de</strong><br />
sie in <strong>de</strong>n UAF gewählt. Diesem und <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Gremien gehörte<br />
sie lange Jahre an. Sie hat das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sowohl in ihrem Verein als<br />
auch im DRV entschei<strong>de</strong>nd mitgeprägt.<br />
10.2 Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Nachkriegsphase mussten die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s LFRK zu-<br />
nächst das beschei<strong>de</strong>ne Bootsmaterial instand setzen. Anfänglich verfügte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verein lediglich über ein Boot und ein Paar Skulls. 1749 Nur mühsam konn-<br />
ten weitere Boote von <strong>de</strong>n Englän<strong><strong>de</strong>r</strong>n zurückgeholt wer<strong>de</strong>n. Die Nachfrage<br />
war groß. <strong>Aus</strong> diesem Grund musste die Benutzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote anfänglich auf<br />
eine Woche und maximal zwei Fahrten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Woche pro Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in beschränkt<br />
wer<strong>de</strong>n. 1750 1947 teilten sich 152 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> fünf Boote. Dies führte zu einer<br />
vorläufigen Aufnahmesperre. 1751<br />
1747 Ebenda, S. 48.<br />
1748 Ebenda, S. 29.<br />
1749 Vgl. [ohne Verfasser], 75 Jahre Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub, S. 15.<br />
1750 Vgl. [ohne Verfasser], 50 Jahre lübecker frauen-ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-klub, S. 12.<br />
1751 Vgl. [ohne Verfasser], 75 Jahre Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub, S. 15.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 419<br />
Die 50er Jahre waren durch einen intensiven Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb gekennzeichnet.<br />
Der LFRK blieb <strong><strong>de</strong>m</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n treu und erreichte von 1953 bis 1965 zehn<br />
Siege auf nationalen Regatten. 1752 Zuvor hatte man das erste Rennboot an-<br />
geschafft. Dieser Doppelvierer erhielt <strong>de</strong>n Namen „Lübscher Adler“.<br />
En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre etablierte sich mit Kegeln eine weitere Sportart im Ver-<br />
ein. Über die Beweggrün<strong>de</strong>, diese Disziplin als „Ergänzungssportart“ aufzu-<br />
nehmen, fand sich <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong> Hinweis:<br />
„Im Jahre 1959, nach<strong><strong>de</strong>m</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> normalisiert<br />
hatte, ent<strong>de</strong>ckten einige, früher recht eifrige Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, daß sie<br />
doch an <strong>de</strong>n Jahren etwas zugenommen hätten. So recht wollte<br />
es ihnen nicht mehr gefallen, in kurzen Hosen ins Boot zu steigen<br />
und mit voller Kraft die Skulls zu schwingen. Sie sannen auf Abhilfe.<br />
Wie konnte man die sportliche Figur erhalten, ohne <strong>de</strong>n Kontakt<br />
zum Bootshaus zu verlieren? Die Kegelbahn – natürlich – !<br />
‘Was unsere Männer können, wer<strong>de</strong>n wir wohl auch noch fertig<br />
bringen’. 1753 “<br />
Das Kegeln erfreut sich bis heute großer Beliebtheit. Im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereins-<br />
geschichte kamen weitere Kegelgemeinschaften hinzu. So zum Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
morgendliche Hausfrauen-Kegelklub und <strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstags-Kegelklub. 1754<br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre brachte <strong><strong>de</strong>r</strong> LFRK erfolgreiche Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen hervor.<br />
Bereits 1966 konnte in Ratzeburg <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Eichkranz-Sieg eingefahren wer-<br />
<strong>de</strong>n. Beim DMR in Duisburg 1967 erreichten Doris Popp und Marlene<br />
Olrogge <strong>de</strong>n zweiten Platz im Doppelzweier. Sie waren auch Mitglied <strong>de</strong>s<br />
Doppelvierers, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom DRV <strong>für</strong> die EM in Vichy nominiert wur<strong>de</strong>. 1755 Im 50.<br />
Jubiläumsjahr <strong>de</strong>s Vereins wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Platz beim DMR in Duisburg im<br />
Doppelvierer erzielt. Des Weiteren gelang Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s LFRK ein Sieg im<br />
Dreilän<strong><strong>de</strong>r</strong>kampf in Amsterdam.<br />
In <strong>de</strong>n 70er Jahren knüpfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein an die Erfolge an und brachte weitere<br />
siegreiche Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen hervor. So saß beispielsweise Waltraud Roik<br />
1974 auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlagposition <strong>de</strong>s DRV-Frauenachters. Hinzu kamen weitere<br />
Podiumsplätze und Titel bei nationalen und internationalen Regatten, zum<br />
1752<br />
Vgl. [ohne Verfasser], 50 Jahre lübecker frauen-ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-klub, S. 13.<br />
1753<br />
Ebenda, S. 17.<br />
1754<br />
Vgl. [ohne Verfasser], 75 Jahre Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub, S. 16.<br />
1755<br />
Vgl. [ohne Verfasser], 50 Jahre lübecker frauen-ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-klub, S. 14.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 420<br />
Beispiel bei Junioren-Weltmeisterschaften, DMR, Eichkranzrennen sowie<br />
beim Senioren-Europa-Cup. 1756<br />
Seit 1983 besteht die Kooperation zwischen <strong><strong>de</strong>m</strong> LFRK und <strong>de</strong>n Marli-<br />
Werkstätten. Menschen mit Handicaps wird die Möglichkeit geboten, <strong>de</strong>n<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport auszuüben. Dies ist beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auf das Engagement <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehren-<br />
vorsitzen<strong>de</strong>n Lisa Börms zurückzuführen, die über einen langen Zeitraum die<br />
Geschicke <strong>de</strong>s Vereins leitete. Auch sie war ähnlich wie Käthe Hey<strong>de</strong>l maß-<br />
geblich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im DRV beteiligt.<br />
Heute verfügt <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein über circa 160 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Diese Zahlen sind seit<br />
Jahren stabil. Der Verein kooperiert mit <strong><strong>de</strong>m</strong> LRK. So wer<strong>de</strong>n gemeinsame<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten und Feiern veranstaltet. Auch im Trainingsbetrieb unterstütz-<br />
ten sich die Vereine gegenseitig. Im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre wur<strong>de</strong> das Angebot ne-<br />
ben Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Kegeln um Laufen, Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Turnen, Gymnastik und<br />
Nordic Walking erweitert. Aktive Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s LFRK sind im Juniorin-<br />
nen-, Frauen- und Mastersbereich auf Regatten aktiv. Auch das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird intensiv von <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n betrieben.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Lübecker Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine unterschei<strong>de</strong>n sich von <strong>de</strong>nen in<br />
Hamburg und Berlin. Bei<strong>de</strong> teilen sich seit geraumer Zeit ein „Dach“ mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
benachbarten Verein. Die Kooperationen beziehen sich auf alle Bereiche.<br />
Dennoch konnte bis heute die Eigenständigkeit bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereine gewahrt wer-<br />
<strong>de</strong>n.<br />
10.3 Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club<br />
Im Februar 1946 reichten die Verantwortlichen <strong>de</strong>s HRC die neue Satzung<br />
beim Amtsgericht Hamburg ein. Martha Marcus, die schon vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Krieg<br />
<strong>de</strong>n Vorsitz geführt hatte, übernahm das Amt erneut.<br />
Die Anfänge waren auch in Hamburg beschei<strong>de</strong>n. Alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen teilten<br />
sich einen Schuppen, <strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong><strong>de</strong>m</strong> heutigen Grundstück <strong>de</strong>s HRC am Isekai<br />
stand.<br />
1948 entfiel die Möglichkeit, Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>boote <strong><strong>de</strong>r</strong> Hamburger Schulverwaltung zu<br />
nutzen. Dies führte zu Engpässen beim Bootsmaterial:<br />
„So stan<strong>de</strong>n <strong>für</strong> ‘Kulturru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen’ zwei Gig-Doppelvierer und ein<br />
Gig-Doppelzweier, aber nur vier Paar Skulls zur Verfügung, und<br />
1756 Vgl. [ohne Verfasser], 75 Jahre Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub, S. 18.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 421<br />
<strong>für</strong> die Trainieren<strong>de</strong>n sah es nicht besser aus. Sie hatten zwei<br />
Renn-Doppelvierer, aber nur einen Vierer-Satz Skulls.“ 1757<br />
Trotz dieser Probleme fan<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit ausge<strong>de</strong>hnte Tages- und<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten statt. Das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist bis heute fester Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
Clublebens. Viele Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> erwarben bereits das DRV-Fahrtenabzeichen in<br />
Gold. 1758<br />
1948 verpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC Erika Stöck als Clubtrainerin. Bis zu ihrer Erkran-<br />
kung Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 50er Jahre war sie verantwortlich <strong>für</strong> die Trainingsru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
<strong>de</strong>s Vereins. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in <strong><strong>de</strong>r</strong> Anfangszeit war <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC sehr erfolgreich im<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. So gewannen die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s Doppelvierers dreimal in Fol-<br />
ge das DMR.<br />
1950 feierte <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC sein 25-jähriges Jubiläum. Sophie Barrelet, Martha<br />
Marcus und Toni Brandt wur<strong>de</strong>n mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Na<strong>de</strong>l ausgezeichnet.<br />
Diese wird auf Lebenszeit verliehen und verbleibt von Generation zu Genera-<br />
tion im HRC. 1759 So erhielt die langjährige Vorsitzen<strong>de</strong> und heutige Ehren-<br />
vorsitzen<strong>de</strong> Elfrie<strong>de</strong> Schumann ihre Na<strong>de</strong>l beispielsweise von Martha<br />
Marcus. 1760 Seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einweihung <strong>de</strong>s neuen Bootshauses prägten und prä-<br />
gen zahlreiche Veranstaltungen das Clubleben.<br />
Im Februar 1960 schloss sich die Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Bank<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> HRC an. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl war bereits in <strong>de</strong>n 50er Jahren schnell an-<br />
gestiegen. Zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er Jahre war es nicht mehr möglich, neue Mit-<br />
glie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzunehmen.<br />
Die Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen unternahmen in dieser Zeit viele Aktivitäten. Häufig<br />
waren alle Wochenen<strong>de</strong>n ausgebucht. 1761 Nach wie vor pflegte <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC<br />
auch das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1961 und 1962 konnte das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n beim DMR ge-<br />
wonnen wer<strong>de</strong>n. Die Darbietungen <strong>de</strong>s Doppelvierers müssen überzeugend<br />
gewesen sein: „Die Zeitungen titelten: ‘Sieg <strong><strong>de</strong>r</strong> Harmonie’ o<strong><strong>de</strong>r</strong> ‘Stilvolle<br />
Deerns’.“ 1762 Schumann ergänzte:<br />
1757<br />
HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 43.<br />
1758<br />
Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), 75 Jahre Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von<br />
1925 e. V., S. 47.<br />
1759<br />
Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 45.<br />
1760 Vgl. ebenda.<br />
1761 Vgl. ebenda, S. 63.<br />
1762 Vgl. ebenda, S. 66.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 422<br />
„Warum waren sie eigentlich so erfolgreich? Hier ihr Geheimnis:<br />
Am Abend vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Wettkampf blieben sie beieinan<strong><strong>de</strong>r</strong> und<br />
schlürften aus einer großen Schüssel Rotwein mit Ei. Das schuf<br />
Kraft und vor allem Verbun<strong>de</strong>nheit, die bis heute andauert.“ 1763<br />
1963 wur<strong>de</strong> vom Club erstmalig das Mitteilungsblatt Hamburger Deern her-<br />
ausgegeben. Bis heute veröffentlicht <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC in dieser Form seine Club-<br />
nachrichten.<br />
Der HRC setzte vermehrt auf die Anfängerausbildung im Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Ju-<br />
gendbereich. Bereits 1966 wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>vierer trainiert. 1764 Die Ju-<br />
gendabteilung wuchs stetig. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auffällig war <strong><strong>de</strong>r</strong> Anstieg <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in dieser Altersgruppe zu Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre. 1765 Im Zuge die-<br />
ser Entwicklung entstand auch die so genannte „Müttergruppe“. Dabei wer-<br />
<strong>de</strong>n die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> während <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im Bootshaus beaufsichtigt.<br />
Im Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verliefen die 60er und 70er Jahre erfolgreich. Neben <strong>de</strong>n Ti-<br />
teln im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n erzielten Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong>de</strong>s HRC weitere Goldmedaillen beim<br />
DMR in <strong>de</strong>n Bootsklassen Doppelzweier, Doppelvierer und Vierer. Hinzu<br />
kamen Teilnahmen an EM und WM sowie bei <strong>de</strong>n OS. Zu nennen sind in<br />
diesem Zusammenhang Karin Gondolatsch und Doris Leifermann, die über<br />
viele Jahre die Farben <strong>de</strong>s HRC auf nationalen und internationalen Regatten<br />
vertraten. In ihrem erfolgreichsten Jahr 1975 gewannen sie die Deutsche<br />
Meisterschaft, die Internationale Deutsche Meisterschaft sowie die Bronze-<br />
medaille bei <strong><strong>de</strong>r</strong> WM. 1766 Weitere Titel erreichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein beim Eichkranz,<br />
Bun<strong>de</strong>sentschei<strong>de</strong>n und DJM. Auf internationaler Ebene gelangen Medail-<br />
lengewinne bei Juniorinnen-WM und beim Match <strong>de</strong>s Seniors. 1767<br />
1978 konnten erstmals 300 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gezählt wer<strong>de</strong>n. Diese Anzahl stieg im<br />
Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten 30 Jahre noch weiter an und hält sich seit 1993 konstant<br />
zwischen 350 und 390 Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. 1768 Damit ist <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC mit Abstand <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
größte <strong><strong>de</strong>r</strong> vier Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine in Deutschland. Die Altersstruktur steht<br />
stellvertretend <strong>für</strong> die Vielzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Aktivitäten <strong>de</strong>s Clubs. Nach wie vor be-<br />
treibt <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC das Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Auch auf Regatten ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein erfolg-<br />
1763 E. SCHUMANN, „Vor vielen Jahren: Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“, in: Hamburger Deern 46(2008)326, S. 22.<br />
1764 Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), 75 Jahre Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von<br />
1925 e. V., S. 33.<br />
1765 Vgl. ebenda.<br />
1766 Vgl. HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), Chronik, S. 130.<br />
1767 HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), 75 Jahre Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von 1925<br />
e. V., S. 37-46.<br />
1768 Vgl. E. SCHUMANN, „Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>bestand“, [unveröffentlicht], Privatbesitz Hutmacher.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 423<br />
reich. Ein hauptamtlicher Trainer betreut die Mädchen und Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen.<br />
Kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen, die in regelmäßigen Ab-<br />
stän<strong>de</strong>n abgehalten wer<strong>de</strong>n, bereichern das Vereinsleben. Darüber hinaus<br />
haben sich verschie<strong>de</strong>ne Gruppen im HRC etabliert. So zum Beispiel die<br />
Bridgerun<strong>de</strong>, die „Mittwoch-Morgenfrauen“ und die „Jungmütter-Gruppe“.<br />
Viele Frauen haben das beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Profil <strong>de</strong>s HRC geprägt. Zu nennen sind<br />
vor allem Sophie Barrelet und Elfrie<strong>de</strong> Schumann. Bei<strong>de</strong> haben lange Jahre<br />
als Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>n HRC geleitet. Neben ihrem Engagement im Verein ha-<br />
ben sie sich auch in verschie<strong>de</strong>nen Funktionen und <strong>Aus</strong>schüssen um das<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland verdient gemacht. Gera<strong>de</strong> Schumann ist es zu<br />
verdanken, dass die Eichkranzrennen <strong>für</strong> Frauen eingeführt wur<strong>de</strong>n. Die von<br />
ihr erstellten Wettkampfstatistiken sind bis heute Bestandteil wissenschaftli-<br />
cher Arbeiten.<br />
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> HRC in seiner jetzigen Er-<br />
scheinungsform einzigartig unter <strong>de</strong>n vier verbliebenen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen<br />
ist. Die bis heute gewahrte Eigenständigkeit, die Pflege <strong><strong>de</strong>r</strong> Traditionen, das<br />
Zusammenwirken von Mädchen und Jungen, das Angebot im Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>- und<br />
Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sowie die hohe Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl sind charakteristisch <strong>für</strong> die her-<br />
ausragen<strong>de</strong> Position <strong>de</strong>s HRC im DRV.<br />
Die ehemalige Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s HRC, Angela Braasch-Eggert, äußerte zum<br />
75-jährigen Jubiläum <strong>de</strong>s Clubs 2000:<br />
„Es gab eine Zeit, in <strong><strong>de</strong>r</strong> intensiv darüber diskutiert wur<strong>de</strong>, ob <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
HRC etwa auch Männer aufnehmen sollte. Da es da<strong>für</strong> keine wirtschaftlichen<br />
Grün<strong>de</strong>, wie etwa die Notwendigkeit zur Steigerung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahlen gab, war die Entscheidung, es <strong>de</strong>shalb nicht<br />
zu tun, weil sich die Atmosphäre und <strong><strong>de</strong>r</strong> Charakter <strong>de</strong>s Vereins<br />
völlig än<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong>n, sehr ein<strong>de</strong>utig.“ 1769<br />
Diese Entscheidung war richtig, so Schumann und Warner, und sollte auch<br />
<strong>für</strong> die Zukunft Bestand haben. Der HRC bleibt in seiner Nische und konzen-<br />
triert sich auf seine Zielgruppe und ist weiterhin darauf bedacht, das Angebot<br />
so bedarfsgerecht wie möglich zu gestalten. 1770<br />
1769 HAMBURGER RUDERINNEN-CLUB (Hrsg.), 75 Jahre Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von 1925<br />
e. V., S. 2.<br />
1770 Vgl. ebenda.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 424<br />
10.4 Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Wannsee<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zweiten Weltkrieges wur<strong>de</strong> in Zehlendorf die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
gruppe Wannsee gegrün<strong>de</strong>t. Das Schülerinnen-Bootshaus war die Anlauf-<br />
stelle <strong>für</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er.<br />
Bereits 1947 entstand die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung Wannsee. Ursprünglich sollten<br />
auch Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in diesen Vereinen aufgenommen wer<strong>de</strong>n. Dieser Plan<br />
wur<strong>de</strong> allerdings verworfen. So riefen fünf Frauen einen eigenen Verein ins<br />
Leben, <strong><strong>de</strong>r</strong> seit diesem Zeitpunkt unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Namen Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club<br />
Wannsee besteht. 1771 Die erste Vorsitzen<strong>de</strong> war Ilse Brand. Die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
waren zunächst hauptsächlich die Mädchen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppe Wannsee und<br />
ehemals aktive und erfolgreiche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung Ehemalige<br />
Schülerinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückertschule, <strong>de</strong>s Postsportvereins Berlin sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> 1.<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege Schöneberg. 1772 Der FRCW verfügte anfänglich über kein eige-<br />
nes Material. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen konnten auf die Boote <strong>de</strong>s Schülerinnenvereins<br />
zurückgreifen und versuchten „sich sofort auf <strong>de</strong>n ersten Nachkriegsregatten,<br />
die damals auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Kleinen Wannsee ausgefahren wur<strong>de</strong>n“. 1773<br />
In <strong>de</strong>n 50er Jahren widmete sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein <strong><strong>de</strong>m</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
1950 gewann <strong><strong>de</strong>r</strong> FRCW das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im Doppelvierer mit Steuermann im<br />
Rahmen <strong>de</strong>s DMR. Bis 1958 konnten 130 Siege <strong>für</strong> die Gemeinschaft ver-<br />
zeichnet wer<strong>de</strong>n. 1774 Dies war auch auf die erfolgreiche Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Trainerin<br />
Christel Wallmann zurückzuführen:<br />
„Mit Können und Einfühlungsvermögen verstand sie es, Freu<strong>de</strong><br />
und Begeisterung ihrer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in Leistung umzusetzen und<br />
sie über Siege und Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lagen zu führen“. 1775<br />
Im Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n unternahm <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein ausge<strong>de</strong>hnte Touren. Ab 1955 gab<br />
es im Sportangebot feststehen<strong>de</strong> Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sonntage und Wochenend-<br />
fahrten. Die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen beteiligten sich auch an Verbandswan<strong><strong>de</strong>r</strong>fahrten<br />
und errangen viele Fahrtenabzeichen. 1776<br />
1771<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Chronik“, in: http://www.frcw.<strong>de</strong>/, Zugriff am 6. 2. 2008.<br />
1772<br />
Vgl. FRAUEN-RUDER-CLUB WANNSEE E. V., 50 Jahre Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Wannsee e. V.<br />
1947-1997, [o.O.] 1997, S. 7.<br />
1773<br />
Ebenda.<br />
1774<br />
Vgl. [ohne Verfasser], „Chronik“, in: http://www.frcw.<strong>de</strong>/, Zugriff am 6. 2. 2008.<br />
1775<br />
FRAUEN-RUDER-CLUB WANNSEE E. V., 50 Jahre Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Wannsee e. V. 1947-<br />
1997, S. 9.<br />
1776 Vgl. ebenda.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 425<br />
Nach 19 Jahren wur<strong>de</strong> das Bootshaus am Wannseehafen aufgegeben, da<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Steg nicht <strong>für</strong> Rennboote ausgelegt war. Der Beginn einer Trainingsfahrt<br />
war beschwerlich:<br />
„Vom Steg, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Wassersportlern benutzt wur<strong>de</strong>,<br />
konnte man allenfalls in die Gig steigen. Mit <strong>de</strong>n Rennbooten, bei<br />
Niedrigwasser auch mit <strong>de</strong>n Gigs, marschierte man barfuß aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bootshalle direkt bis in <strong>de</strong>n Wannsee. Lediglich die Rennsteuerleute<br />
und die Trainerin hatten das Privileg, ins Boot getragen zu<br />
wer<strong>de</strong>n.“ 1777<br />
Am Großen Wannsee konnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein 1969 in ein Bootshaus einmie-<br />
ten, da diese Räumlichkeiten von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaften nicht genutzt<br />
wur<strong>de</strong>n. Dieser Umzug führte zu einer Steigerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportaktivitäten: „die<br />
Annehmlichkeiten eines normalen Clublebens wirkten sich sofort auf <strong>de</strong>n<br />
Sporttrieb aus“. 1778 Bislang wuschen sich die Sportlerinnen an einem Was-<br />
serhahn draußen vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Halle und die „Umklei<strong>de</strong>“ bestand aus einem mit<br />
Schränken abgetrennten Bereich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bootshalle. Der Bootspark konnte<br />
stetig vergrößert wer<strong>de</strong>n, um mehr Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zu ermöglichen.<br />
Bereits 1970 wur<strong>de</strong> die erste Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gruppe eingerichtet.<br />
Das Bezirksamt Zehlendorf stellte <strong><strong>de</strong>m</strong> FRCW 1971 auf <strong><strong>de</strong>m</strong> bereits vorhan-<br />
<strong>de</strong>nen Grundstück eine Nutzfläche von 1.200 qm zur Verfügung. Daraufhin<br />
entschloss sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verein, ein neues Bootshaus zu bauen, was 1975 ein-<br />
geweiht wur<strong>de</strong>. Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre kam noch ein Erweiterungsbau hinzu:<br />
„Der Club hat nun ein kleines, aber sehr schmuckes Bootshaus“. 1779<br />
Der FRCW stellte in <strong>de</strong>n 70er Jahren sehr erfolgreiche Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen. So<br />
war beispielsweise Karola Kleinschmidt ein Jahrzehnt Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> National-<br />
mannschaft. Neben sieben <strong>de</strong>utschen Meisterschaftstiteln erreichte sie einen<br />
dritten Platz bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EM 1972 sowie die Teilnahme an <strong>de</strong>n OS 1976. 1780 In<br />
<strong>de</strong>n 80er Jahren vertrat Sabine Jurk die Farben <strong>de</strong>s FRCW. Sie gewann das<br />
DMR im Vierer 1989. Magdalena Schmu<strong>de</strong> ist momentan die erfolgreichste<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in <strong>de</strong>s Vereins. Seit ihrer Berufung in die Frauennationalmannschaft<br />
2004 hat sie sowohl im Skull- als auch im Riemenbereich nationale und in-<br />
1777 Ebenda, S. 8.<br />
1778 [ohne Verfasser], „Chronik“, in: http://www.frcw.<strong>de</strong>/, Zugriff am 6. 2. 2008.<br />
1779 Ebenda.<br />
1780 Vgl. ebenda.
„Die <strong>de</strong>utschen Vier“ – Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine heute 426<br />
ternationale Titel und Erfolge erzielt. Bei <strong>de</strong>n OS 2008 war sie Ersatzru<strong><strong>de</strong>r</strong>in<br />
<strong>de</strong>s Frauenachters.<br />
1980 wur<strong>de</strong> die „Müttergruppe“ gegrün<strong>de</strong>t. Je<strong>de</strong>n Dienstag passte eine Ru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>in auf <strong>de</strong>n Nachwuchs auf, während die Mutter <strong><strong>de</strong>m</strong> Sport nachging. <strong>Aus</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „Müttergruppe“ ist im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit eine „Dienstagsgruppe“ gewor<strong>de</strong>n, in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sich „gern Hausfrauen vormittags zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n treffen“. 1781 Eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Gruppe kommt am Mittwochvormittag zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu <strong>Aus</strong>flügen zu-<br />
sammen. 1782 Im Winter wird <strong>für</strong> alle Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen Hallensport und Kastenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n angeboten, „so daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> fit durch <strong>de</strong>n Winter kommt“. 1783<br />
Auch dieser Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein ist über einen langen Zeitraum von einer<br />
Person geführt wor<strong>de</strong>n: Karin Pagel hatte <strong>de</strong>n Vorsitz von 1973 bis 2003 in-<br />
ne. Heute ist sie Ehrenvorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s FRCW. Der Verein zählt 2009 unge-<br />
fähr 170 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
1781 FRAUEN-RUDER-CLUB WANNSEE E. V., 50 Jahre Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Wannsee e. V. 1947-<br />
1997, S. 14.<br />
1782 Vgl. ebenda.<br />
1783 Ebenda, S. 20.
Schlussbetrachtung 427<br />
11 Schlussbetrachtung<br />
Zu Beginn <strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts sollte es eine Selbstverständlichkeit sein,<br />
dass Frauen und Männer gleichgestellt sind. Allerdings zeigt die praktische<br />
Umsetzung in allen gesellschaftlichen Bereichen Defizite. Dies trifft auch auf<br />
<strong>de</strong>n Sport zu. Deutscher Olympischer Sportbund-Vizepräsi<strong>de</strong>ntin Frauen und<br />
Gleichstellung Ilse Rid<strong><strong>de</strong>r</strong>s-Melchers bilanzierte nach <strong><strong>de</strong>m</strong> vom DOSB ver-<br />
anstalteten „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Sport“ 2009, dass zwar viel bewirkt wur<strong>de</strong>,<br />
aber die angestrebte Gleichstellung von Frauen und Männern auf allen Ebe-<br />
nen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Sportorganisationen längst noch nicht erreicht sei. Des<br />
Weiteren bekräftigte sie, dass die uneingeschränkte Partizipation von Frauen<br />
weiterhin das primäre Ziel sein müsse, da es „aufgrund zahlreicher Frauen-<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsmaßnahmen realistisch und sogar überlebenswichtig <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />
Sport“ 1784 ist. Kennzeichnend <strong>für</strong> das Aktionsjahr <strong>de</strong>s DOSB war daher auch<br />
das Motto „Frauen Gewinnen!“. Der aktuelle Sportentwicklungsbericht<br />
2009/2010 1785 hat gezeigt, dass gera<strong>de</strong> die Verbän<strong>de</strong> und Vereine – auch<br />
aus wirtschaftlicher Sicht – am erfolgreichsten sind, die sowohl einen hohen<br />
Anteil an Sport treiben<strong>de</strong>n Frauen als auch an weiblichen Vorstandsmitglie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufweisen. Frauen bleiben aber in Führungsebenen <strong>de</strong>s Sports immer<br />
noch unterrepräsentiert. Durch die vom DOSB initiierte Aktion (2009) „Frauen<br />
an die Spitze“ ist zwar viel Bewegung in die Mitgliedsorganisationen gebracht<br />
wor<strong>de</strong>n, aber <strong><strong>de</strong>r</strong> jahrzehntelange Kampf um Gleichberechtigung und Aner-<br />
kennung ist <strong><strong>de</strong>m</strong>nach immer noch nicht abgeschlossen. Rid<strong><strong>de</strong>r</strong>s-Melchers<br />
stellte außer<strong><strong>de</strong>m</strong> klar, dass es einen langen Atem braucht, um ein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ge-<br />
sellschaft traditionell verankertes Bewusstsein und Verhalten zu verän-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n 1786 . Ihrer Meinung nach „tummeln sich noch verdächtig viele Männer auf<br />
<strong>de</strong>n Vorstands-Spielfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n!“ 1787 Dieser Umstand beschreibt auch die aktuel-<br />
le (2010) Situation im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, <strong><strong>de</strong>m</strong> ältesten Sportfachver-<br />
band im DOSB.<br />
1784 I. RIDDERS-MELCHERS, „Bilanz <strong>de</strong>s Jahres <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, in: http://www.dosb.<strong>de</strong>/<strong>de</strong>/sport<br />
entwicklung/frauen-im-sport/news/<strong>de</strong>tail/news/bilanz_ <strong>de</strong>s_jahres_<strong><strong>de</strong>r</strong>_frauen/11114/c<br />
Hash/064540720f/, Zugriff am 19. April 2010.<br />
1785 Vgl. C. BREUER, „Sportentwicklungsbericht 2009/2010“, in: www.dtb-online.<strong>de</strong>/.../Breuer<br />
%20DTB%20Stuttgart%2020100122.ppt, Zugriff am 22. Mai 2010.<br />
1786 Vgl. ebenda.<br />
1787 RIDDERS-MELCHERS, „Bilanz <strong>de</strong>s Jahres <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen“, Zugriff am 19. April 2010.
Schlussbetrachtung 428<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit wur<strong>de</strong>n Entwicklung und Geschichte <strong>de</strong>s Frauen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns im <strong>Deutschen</strong> Reich, in <strong><strong>de</strong>r</strong> BRD und in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR untersucht. Hierbei<br />
wur<strong>de</strong> die jeweilige Frauenpolitik im Bereich <strong>de</strong>s Sports auf zwei Ebenen<br />
analysiert. Zum einen wur<strong>de</strong> ihre Partizipation an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit bezie-<br />
hungsweise das Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im jeweiligen System fokus-<br />
siert. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en galt es, die leistungssportliche Entwicklung, die<br />
gesellschaftlichen und politischen Einflüssen unterliegt, zu betrachten. Dabei<br />
wur<strong>de</strong>n soziale, wirtschaftliche und politische Aspekte und Wandlungen nicht<br />
nur im gesamtgesellschaftlichen Kontext dargestellt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch auf ihr<br />
sportliches Wirken hin untersucht. Der Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> sportpolitischen Prämis-<br />
sen und Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n gesellschaftlich entgegengesetzten<br />
Teilen Deutschlands zeigt, dass die Ziele <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-<br />
Verban<strong>de</strong>s politisch motiviert waren, wohingegen sich <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV <strong><strong>de</strong>m</strong> ver-<br />
meintlich „unpolitischen“ Sport verschrieben hatte. Die staatliche Organisati-<br />
on und Lenkung lassen keinen Zweifel an <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Be<strong>de</strong>utung und<br />
Funktion von Sport und Körperkultur in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR. Sport war ein fester Be-<br />
standteil <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Erziehung. Ereignisse und Ergebnisse <strong>de</strong>s Leis-<br />
tungs- und Massensports sollten <strong><strong>de</strong>m</strong> sozialistischen Gesellschaftssystem<br />
internationales Ansehen und Anerkennen verschaffen. Die repräsentative<br />
Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme am internationalen Sport diente auch als Handlungs-<br />
feld im <strong>de</strong>utsch-<strong>de</strong>utschen Vergleich. Durch <strong>de</strong>n systematisch aufgebauten<br />
und sehr erfolgreichen Leistungssport konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV <strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utschen<br />
Verband bereits in <strong>de</strong>n 50er Jahren hinter sich lassen. Die „Klassenunter-<br />
schie<strong>de</strong>“ im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport zeigten sich sowohl auf Verbands- als auch<br />
auf Sportebene beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>utlich. Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Westen sich viel später <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
systematischen För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns widmete, erfuhr das Frauen-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR keine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Bevorzugung gegenüber <strong><strong>de</strong>m</strong> Männer-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
11.1 „Frauen als Schlagmänner“ – Mitarbeit im Verband<br />
Da <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV sich Anfang <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts weigerte, Frauen in seine Or-<br />
ganisationsstrukturen einzubin<strong>de</strong>n, waren diese gezwungen, einen eigenen<br />
Verband zu grün<strong>de</strong>n, um <strong><strong>de</strong>m</strong> Wunsch nach einem überregionalen, struktu-<br />
rellen Zusammenschluss ihrer Vereine nachzukommen. So grün<strong>de</strong>ten 1919
Schlussbetrachtung 429<br />
sieben Vereine <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband, <strong><strong>de</strong>r</strong> bis zu seiner<br />
Auflösung 1933 unabhängig vom DRV agierte. Schwerpunkte <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbands-<br />
arbeit waren die Bekanntmachung und För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, die<br />
Veranstaltung von Wettbewerben sowie die Pflege sportlicher und gesell-<br />
schaftlicher Beziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsvereine. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufnahme <strong>de</strong>s DDRV<br />
in <strong>de</strong>n <strong>Deutschen</strong> Reichsbund <strong>für</strong> Leibesübungen 1926 konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>verband die Be<strong>de</strong>utung und Popularität <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns nicht mehr<br />
länger ignorieren und so wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband im Status eines Re-<br />
gattavereins in <strong>de</strong>n DRV aufgenommen. Damit war er zwar faktisch Mitglied,<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Bestimmungen <strong>de</strong>s Grundgesetzes gegenüber vollwertigen<br />
Mitgliedsvereinen aber ein<strong>de</strong>utig benachteiligt. Die Einrichtung eines Unter-<br />
ausschusses Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n zur Kommunikationsverbesserung zwischen <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Parteien führte letztendlich zu einer Bevormundung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen, da<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelgroße Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein laut Grundgesetz über mehr Einfluss bei<br />
Abstimmungen verfügte. Außer<strong><strong>de</strong>m</strong> hatten die Frauen nicht einmal in ihrem<br />
eigenen <strong>Aus</strong>schuss die Mehrheit, da Vorsitzen<strong><strong>de</strong>r</strong> und <strong>Aus</strong>schussmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
vom DRV eingesetzt wur<strong>de</strong>n. Dennoch war die Hoffnung auf eine weitere<br />
Verbreitung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Flagge <strong>de</strong>s DRV größer als die<br />
Unzufrie<strong>de</strong>nheit über Einschränkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> finanziellen Zuwendungen und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitspracherechte, so dass im September 1933 <strong><strong>de</strong>r</strong> en-bloc Übertritt aller<br />
DDRV-Vereine erfolgte. Der Unterausschuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> beibehal-<br />
ten und mit <strong>de</strong>n Vorstandsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>s DDRV besetzt.<br />
Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalsozialistischen Entwicklung kann ein Aufschwung <strong>für</strong><br />
das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Der UAF wur<strong>de</strong> in Abteilung <strong>für</strong> Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>n unbenannt, die Arbeit in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen <strong>Aus</strong>schüssen <strong>de</strong>s DRV<br />
schien besser abgestimmt. Allerdings muss festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass die<br />
Selbstbestimmung nicht praktiziert wur<strong>de</strong>. Durch die Arbeit und Propaganda<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> AfF wur<strong>de</strong> weiterhin <strong><strong>de</strong>r</strong> Schein <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbestimmung erweckt. Die<br />
Schwerpunkte lagen daher vor allem in <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Wettru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns und<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>bildung von Lehrpersonal. Als durchschlagen<strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg muss die<br />
<strong>Aus</strong>schreibung und Durchführung <strong>de</strong>s Reichssiegerwettbewerbs 1937 ge-<br />
wertet wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> 1939 zum ersten Frauen-Meisterschaftsru<strong><strong>de</strong>r</strong>n führte.<br />
Unbestritten aber ist, dass auch diese Maßnahme lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>richtung<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalsozialistischen I<strong>de</strong>ologie diente, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Wett-
Schlussbetrachtung 430<br />
kampf <strong><strong>de</strong>m</strong> Erziehungsi<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s Führers entsprach. Diese Phase, in <strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />
<strong>de</strong>utliche För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns unternommen wur<strong>de</strong>, ist stark mit<br />
<strong>de</strong>n politischen Interessen und <strong><strong>de</strong>r</strong> gesellschaftlichen Orientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit<br />
verknüpft. Die Nachhaltigkeit dieser Initiativen zeigte sich aber erst in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit<br />
nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg war die Sportbewegung sowohl in West-<br />
<strong>de</strong>utschland als auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sowjetischen Besatzungszone völlig zum Erlie-<br />
gen gekommen und musste neu aufgebaut wer<strong>de</strong>n. Während die<br />
Bestimmungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontrollratsdirektive Nr. 23 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Britischen und US-<br />
amerikanischen Zone relativ tolerant ausgelegt wur<strong>de</strong>n und schnell mit <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufbau begonnen wer<strong>de</strong>n konnte, ging <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ lang-<br />
samer voran. Die sowjetischen Sportoffiziere achteten streng auf die Umset-<br />
zung <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichen Vorgaben, die Möglichkeit einer Reorganisation <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bürgerlichen Vereine war aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n Bestimmungen ausge-<br />
schlossen. Dem Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in <strong><strong>de</strong>r</strong> SBZ haftete noch lange ein „bürgerlicher<br />
Ruf“ an. Durch die Einrichtung von Betriebssportgemeinschaften gelang es<br />
allerdings, tiefer in die vermeintliche Domäne <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Elite einzu-<br />
dringen und <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport <strong>für</strong> breitere Bevölkerungskreise zu öffnen. Dies<br />
zeigte sich auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kandidatenliste <strong>für</strong> das erste Präsidium <strong>de</strong>s DRSV:<br />
unter <strong>de</strong>n 19 Bewerbern waren drei Frauen.<br />
Der DRV hingegen richtete nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg erneut eine Unter-<br />
ausschuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein, um die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zu wahren. Einer<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsschwerpunkte lag ähnlich wie bei <strong>de</strong>n Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Die Gremiummitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> versuchten, an<br />
die Situation vor 1945 anzuknüpfen, als Frauen die Teilnahme an vielen<br />
Wettbewerben in verschie<strong>de</strong>nen Bootsklassen möglich war.<br />
Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsausschuss Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gründung <strong>de</strong>s DRV<br />
hinarbeitete, blieben die Frauen in ihrem <strong>Aus</strong>schuss weitestgehend unter<br />
sich. Dies hätte beinahe zur Folge gehabt, dass kein Posten <strong>für</strong> eine Frau im<br />
neuen Verbandsauschuss vorgesehen war. Erst durch einen Dringlichkeits-<br />
antrag konnte sichergestellt wer<strong>de</strong>n, dass auch eine Frau im neuen Vorstand<br />
<strong>de</strong>s DRV vertreten war.<br />
Die 50er und 60er Jahre waren gekennzeichnet durch kontinuierliche Auf-<br />
bauarbeit im Verbands- und Regattawesen. Allerdings ging Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 60er
Schlussbetrachtung 431<br />
Jahre das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen sowohl am Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport als auch an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ver-<br />
bandsarbeit immer weiter zurück, so dass 1969 das „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“<br />
als Gegenmaßnahme ausgerufen wur<strong>de</strong>. Es galt, das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n umfas-<br />
sen<strong><strong>de</strong>r</strong> als bisher zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Allerdings wur<strong>de</strong> das Streben und Ringen nach<br />
Anerkennung im DRV häufig durch die mangeln<strong>de</strong> Bereitschaft und Beteili-<br />
gung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen unterlaufen. Dennoch kann das „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ als<br />
Erfolg gewertet wer<strong>de</strong>n. Insgesamt ist in dieser Zeit ein <strong>de</strong>utlicher Anstieg<br />
sowohl im Leistungs- und Massenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsmitarbeit<br />
zu verzeichnen. Das „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen“ wur<strong>de</strong> vom damaligen Präsi<strong>de</strong>n-<br />
ten Claus Heß auch genutzt, um die Demokratisierung im Verein zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rücken<strong>de</strong>ckung durch Heß begann <strong><strong>de</strong>r</strong> UAF seine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf die<br />
verschie<strong>de</strong>nen <strong>Aus</strong>schüsse im DRV zu verteilen. Die Frauen hatten erkannt,<br />
dass mehr Mitbestimmung nur durch eine direkte Vertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
in <strong>de</strong>n jeweiligen Ressorts zu erreichen war. Damit waren sowohl im Verein<br />
als auch im Verband die Voraussetzungen <strong>für</strong> die angestrebte Gleichstellung<br />
geschaffen.<br />
1972 waren alle Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s UAF auf die <strong>Aus</strong>schüsse verteilt, was schließ-<br />
lich zur Umbenennung <strong>de</strong>s UAF in Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen führte. Die Frauen<br />
erwirkten auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag <strong>de</strong>n Beschluss, dass die Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong>de</strong>-<br />
rinnen an <strong>de</strong>n Führungsaufgaben <strong>de</strong>s DRV zu <strong>de</strong>n Zielen <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s<br />
gehöre. Somit waren die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, an allen Entscheidungs-<br />
prozessen aktiv mitzuwirken. Erstmalig war die formale Gleichstellung von<br />
Frauen und Männern im DRV erreicht.<br />
Das Referat Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bestand von 1972 bis 1986. Es bestand zunächst<br />
als so genanntes „Koordinationsgremium“. Den Frauen sollte ein eigenes<br />
Forum geboten wer<strong>de</strong>n, dass als Beratungs- und Informationsstelle dienen<br />
sollte. Ziel war weiterhin die aktive Mitarbeit von Frauen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsar-<br />
beit. Trotz anfänglicher Erfolge stagnierte die Arbeit und es konnten bis Mitte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 80er Jahre keine nennenswerten Fortschritte erzielt wer<strong>de</strong>n. Kritik aus<br />
<strong>de</strong>n eigenen Reihen, fehlen<strong>de</strong>s Verständnis <strong>für</strong> die Arbeit und mangeln<strong>de</strong><br />
Solidarität erschwerten zusätzlich <strong>de</strong>n Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Referatsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
Als <strong><strong>de</strong>r</strong> Verband 1983 sein hun<strong><strong>de</strong>r</strong>tjähriges Jubiläum beging, waren erstmalig<br />
zwei Posten im Verbandsausschuss mit Frauen besetzt. Die Zusammenar-<br />
beit wur<strong>de</strong> im selben Jahr auf eine harte Probe gestellt, als diese bei<strong>de</strong>n
Schlussbetrachtung 432<br />
Frauen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit ausschei<strong>de</strong>n mussten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsaus-<br />
schuss die freigewor<strong>de</strong>nen Plätze entgegen <strong>de</strong>n Vorschlägen <strong>de</strong>s Referats<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Frauen besetzte. Der auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1986 in<br />
Hamburg beschlossene Strukturwan<strong>de</strong>l führte zur Auflösung <strong>de</strong>s Referates.<br />
Damit fehlte die Kommunikationsplattform zwischen <strong>de</strong>n Vertreterinnen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> und <strong><strong>de</strong>m</strong> DRV. Der Informationsfluss stockte und in<br />
Folge mehrte sich die Kritik.<br />
Zu dieser Zeit wur<strong>de</strong> vom <strong>Deutschen</strong> Sportbund, <strong><strong>de</strong>m</strong> heutigen DOSB, ein<br />
Konzept zum Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan vorgestellt, <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen eine verstärkte Mitar-<br />
beit in <strong>de</strong>n Fachverbän<strong>de</strong>n in allen Bereichen ermöglichen sollte. Dieser<br />
Entwurf basierte auf einem integrativen, gesamt-gesellschaftlichen Ansatz,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichstellung als primäres Ziel verfolgte. Immerhin ist seit 1990 ein<br />
<strong>de</strong>utlicher Aufwärtstrend in <strong><strong>de</strong>r</strong> Besetzung von politischen Ämtern mit Frauen<br />
zu verzeichnen. Die Mitwirkung von Frauen hat sich heute nicht nur quantita-<br />
tiv, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch qualitativ ausgewirkt. Allerdings dominieren immer noch<br />
Männer in politischen Bereichen wie Wirtschaft, Militär und eben auch in ge-<br />
sellschaftlichen Teilbereichen <strong>de</strong>s Sports.<br />
Die Frauenvertreterinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sru<strong><strong>de</strong>r</strong>verbän<strong>de</strong> und <strong>de</strong>s DRV beschlos-<br />
sen im Oktober 1988, einen eigenen Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan zu erstellen. Dem-<br />
nach sollten in allen ehrenamtlichen Gremien <strong>de</strong>s DRV, einschließlich <strong>de</strong>s<br />
Vorstan<strong>de</strong>s, Frauen gewählt beziehungsweise berufen wer<strong>de</strong>n. Die Umset-<br />
zung <strong>de</strong>s Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plans unterlag <strong><strong>de</strong>m</strong> Verbandsausschuss, <strong><strong>de</strong>r</strong> erneut<br />
einen <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n einrichtete und diesem die Koordination<br />
übertrug. Generell sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan als freiwilliger Leitfa<strong>de</strong>n <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n Verbandsbereich angesehen wer<strong>de</strong>n. Dies führte dazu, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag <strong>de</strong>n ursprünglichen Entwurf lediglich mit abgeschwächten Formu-<br />
lierungen verabschie<strong>de</strong>te: aus „Pflichten“ wur<strong>de</strong>n beispielsweise „Empfeh-<br />
lungen“.<br />
Der nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong> 1990 neugegrün<strong>de</strong>te <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n besteht<br />
bis heute als Gremium im DRV. Angedacht war, dass die Frauen in <strong>de</strong>n je-<br />
weiligen Fachausschüssen mitarbeiten sollten, während <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Aus</strong>schuss<br />
Koordinationsaufgaben zu frauenspezifischen Themen übernehmen sollte.<br />
Bevor dieses Gremium seine Arbeit aufnehmen konnte, sahen sich die Ver-<br />
antwortlichen mit internen Problemen konfrontiert. Hier machten sich die ge-
Schlussbetrachtung 433<br />
sellschaftlichen Unterschie<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung <strong>de</strong>utlich: Viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aus<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DDR sahen nicht die Notwendigkeit eines <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen Gremiums. Die Rol-<br />
le und Position <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im ost<strong>de</strong>utschen Verband war zuvor eine völlig<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e: Frauen beklei<strong>de</strong>ten im DRSV verschie<strong>de</strong>ne Ämter, ohne dass es<br />
eine da<strong>für</strong> geschaffene Quotenregelung gab. Sie waren in allen gesellschaft-<br />
lichen Bereichen prinzipiell gleichberechtigt. Als „Mitgestalterinnen <strong>de</strong>s So-<br />
zialismus“ hatten sie die gleichen Rechte und Pflichte wie die Männer.<br />
Allerdings machten sie von diesen wenig Gebrauch. Vereinzelt gehörten<br />
Frauen verschie<strong>de</strong>nen Kommissionen an. Jedoch spiegelte sich die propa-<br />
gierte sozialistische Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Spitze <strong>de</strong>s Verbandswesens wie<strong><strong>de</strong>r</strong>: Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV wur<strong>de</strong> wie <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV nie<br />
von einer Frau geführt.<br />
Das eigentliche Ziel, die Umsetzung <strong>de</strong>s 1990 beschlossenen Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
plans zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeit von Frauen in <strong>de</strong>n Gremien <strong>de</strong>s DRV, ist<br />
bis heute in weite Ferne gerückt. Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenanteil aller DRV Mitglie-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> stetig steigend ist, gelingt es Frauen nicht, ihre Präsenz auf <strong>de</strong>n ver-<br />
schie<strong>de</strong>nen Vorstandsebenen wahrzunehmen. Nach wie vor gibt es<br />
zumin<strong>de</strong>st „Fachfrauen“ in <strong>de</strong>n Bereichen Finanzen, Schriftführung, Öffent-<br />
lichkeitsarbeit, Breitensport und Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch als Leiterin eines<br />
eigenen Referates Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns, die auf LRV-Ebene mitentschei<strong>de</strong>n kön-<br />
nen. Dennoch sind nicht in allen Gremien Frauen vertreten. Die Grün<strong>de</strong> hier-<br />
<strong>für</strong> sind vielschichtig. In <strong><strong>de</strong>r</strong> 125-jährigen Geschichte <strong>de</strong>s DRV waren nie<br />
mehr als zwei Vorstandsposten zeitgleich mit Frauen besetzt. In <strong>de</strong>n meisten<br />
Jahren waren gar keine Frauen im Vorstand vertreten. Einerseits hatten es<br />
die Frauen nicht leicht, bestehen<strong>de</strong> Vorurteile zu bekämpfen und Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse<br />
zu überwin<strong>de</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits können die interne Organisationsstruktur <strong>de</strong>s<br />
DRV sowie das Festhalten an alten Traditionen weitere Grün<strong>de</strong> gewesen<br />
sein. Der allgemeine Rückgang im Ehrenamt ist aber kein frauenspezifi-<br />
sches, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein gesamtgesellschaftliches Problem. Diese Entwicklung<br />
betrifft auch die Arbeit <strong>de</strong>s DRV.<br />
Ein Beispiel illustriert die aktuelle Situation im DRV: Im Frühjahr 2009 stellte<br />
die Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s AF <strong>de</strong>n Antrag an <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag, die Bestimmungen <strong>de</strong>s<br />
Grundgesetzes an die Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming-Bestimmungen <strong>de</strong>s DOSB<br />
anzupassen. Dabei muss beachtet wer<strong>de</strong>n, dass Gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mainstreaming-
Schlussbetrachtung 434<br />
Konzepte nicht das Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ersetzten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als<br />
Doppelstrategie zu verstehen sind. Dieser Antrag wur<strong>de</strong> abgelehnt. Dabei<br />
scheiterte das Vorhaben nicht an <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n Bereitschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer.<br />
Innerhalb <strong>de</strong>s Gremiums bestand kein Konsens, so dass die Unterstützung<br />
aus <strong>de</strong>n eigenen Reihen fehlte.<br />
Seit 2008 sitzen zwei Frauen im Vorstand <strong>de</strong>s DRV. So lange die Gleichstel-<br />
lung von Frauen und Männern jedoch nicht erreicht ist, bleibt Frauenför<strong>de</strong>-<br />
rung notwendig. Ziel ist weiterhin die Gleichstellung von Männern und<br />
Frauen.<br />
11.2 „Achtung – Los!“ – Entwicklung <strong>de</strong>s Leistungsru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns<br />
Bereits 1887 wur<strong>de</strong> in Berlin-Stralau Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>unterricht <strong>für</strong> Frauen erteilt. Hier-<br />
zu wur<strong>de</strong> extra eine leichte Doppelskuller-Jolle in Auftrag gegeben, die <strong>de</strong>n<br />
anatomischen Bedürfnissen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen besser entsprach. Die Fort-<br />
schritte im Bootsbau und die Entwicklung <strong>de</strong>s Rollsitzes be<strong>de</strong>uten allerdings<br />
zunächst das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf festem Sitz wur<strong>de</strong><br />
großzügig toleriert, die Benutzung eines Gleitsitzes hingegen erschien vielen<br />
Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ern, aber auch Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, moralisch be<strong>de</strong>nklich.<br />
Der erste <strong>de</strong>utsche Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein wur<strong>de</strong> 1894 unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Namen Deut-<br />
sche Amazonenflotte gegrün<strong>de</strong>t. Trotz aller Bemühungen zur Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ge-<br />
winnung auf und abseits <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewässer, aber vor allem bei Festivitäten, fehlte<br />
es <strong><strong>de</strong>m</strong> Verein bald an Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Die Amazonen versuchten <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>be-<br />
trieb eines Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereins nachzuahmen, allerdings kamen sie über Äu-<br />
ßerlichkeiten nicht hinaus.<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s stellte sich die Situation in Hamburg dar. Um die Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s vorherigen Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts betrieben bereits viele Frauen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hanse-<br />
stadt <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Die Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine, die Frauen <strong>de</strong>n Zutritt erlaub-<br />
ten, agierten aus einem Gemeinschaftsgefühl heraus, <strong>de</strong>nn es galt, Geist<br />
und Körper durch gemeinsame Fahrten zu stärken und die Geselligkeit zu<br />
pflegen. Alljährlich wur<strong>de</strong>n Blumen- und Lampion-Corsos durchgeführt, an<br />
<strong>de</strong>nen sich auch Frauen in Wettbewerben beteiligen konnten. Insgesamt<br />
zeigte sich eine hohe sportliche Motivation beim Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Hanseatinnen.<br />
Auch wenn die Anfänge <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns in Hamburg im „Blumen-Corso“<br />
zu fin<strong>de</strong>n sind, haben sich Frauen schon früh am „Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport“ in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hanse-
Schlussbetrachtung 435<br />
stadt beteiligt. Dabei müssen allerdings auch diesen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen gewisse<br />
gesellschaftliche Ambitionen zugewiesen wer<strong>de</strong>n, da es fast ausschließlich<br />
Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberschicht waren, die durch ihre Ehemänner zum Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
gebracht wur<strong>de</strong>n.<br />
Die Öffnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine ist mit <strong><strong>de</strong>r</strong> sich ab 1900 langsam verän-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n gesellschaftlichen Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in Verbindung zu setzen. Die Zu-<br />
nahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufstätigkeit von Frauen und gelockerte Konventionen führten<br />
zu einem gesteigerten Interesse an angemessener körperlicher Betätigung.<br />
Immer mehr Frauen begeisterten sich auch außerhalb von Berlin und Ham-<br />
burg <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport und das damit verbun<strong>de</strong>ne Natur- und Gemein-<br />
schaftsgefühl. Die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine stieg bis zum Ersten<br />
Weltkrieg stetig an. Legitimieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Faktor <strong>für</strong> eine Mitgliedschaft in einem<br />
Verein blieb <strong>de</strong>nnoch häufig die gesellschaftliche Schichtzugehörigkeit: Ar-<br />
beiterinnen waren aufgrund ihres niedrigen Einkommens prinzipiell<br />
ausgeschlossn. In Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>kreisen sagte man „Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ und legte Wert<br />
auf gesellschaftliche Reputation. Prinzipiell konnten auch Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine<br />
Damenabteilungen ins Leben rufen. Eine Vollmitgliedschaft war jedoch nicht<br />
möglich. Damenabteilungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen erscheinen rückblickend<br />
progressiv. Es entsteht <strong><strong>de</strong>r</strong> Eindruck, dass sich die Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>er bewusst<br />
<strong>de</strong>n Frauen annahmen. Der DRV und die ihm angeschlossenen Herrenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine wollten aber „unter sich bleiben“. Lediglich wirtschaftliche Eng-<br />
pässe zwangen Traditionsvereine vorübergehend dazu, Frauen<br />
aufzunehmen, um mehr Mitgliedsbeiträge zu generieren.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die <strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Kleidung, die eng an die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau gebun-<br />
<strong>de</strong>n war, macht <strong>de</strong>utlich, wie schwer es <strong>für</strong> sportinteressierte und ru<strong><strong>de</strong>r</strong>be-<br />
geisterte Frauen war, diesem Sport um die Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>twen<strong>de</strong> nachzugehen.<br />
Schon das äußere Erscheinungsbild <strong><strong>de</strong>r</strong> DAF, bestehend aus einem blauen<br />
Kostüm mit weißem Matrosenkragen und weißer Schärpe mit Vereinsabzei-<br />
chen, abgerun<strong>de</strong>t mit einem Matrosenhut, zeigt <strong>de</strong>utlich, dass die Bekleidung<br />
einen hemmen<strong>de</strong>n Faktor in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns darstellte.<br />
Die anfänglich bo<strong>de</strong>nlangen langen Röcke und „Buschmannklei<strong><strong>de</strong>r</strong>“ wur<strong>de</strong>n<br />
durch Cheviot-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schürzen abgelöst, die schließlich durch Tuchröcke und<br />
Pumphosen ausgetauscht wur<strong>de</strong>n. Die schwarzen langen Strümpfe hielten
Schlussbetrachtung 436<br />
sich bis En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 20er Jahre, erst dann setzen sich langsam Söckchen<br />
durch.<br />
Zu <strong>de</strong>n zögerlichen Anfängen und <strong><strong>de</strong>m</strong> Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekleidung kam <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mangel an geeignetem Bootsmaterial hinzu. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> geringen Koopera-<br />
tionsbereitschaft vieler Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine dauerte es viel länger <strong>für</strong> selbst-<br />
ständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine sich zu etablieren. Wenn ein Verein nicht über<br />
außergewöhnlich hohe Mittel verfügte, verzögerten sich notwendige Anschaf-<br />
fungen, um <strong>de</strong>n allgemeinen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>betrieb aufrechtzuerhalten beziehungs-<br />
weise zu erweitern, häufig jahrelang. An dieser Stelle muss erwähnt wer<strong>de</strong>n,<br />
dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Aspekt Bootsmaterial <strong>für</strong> die Frauen in enger Wechselbeziehung<br />
zur Technik stand. Durch die Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Boote, <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfindung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Aus</strong>legers und <strong>de</strong>s Rollsitzes sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwendung von Drehdollen konnten<br />
bessere und effizientere Techniken ermöglicht wer<strong>de</strong>n, die <strong>für</strong> Frauen geeig-<br />
neter waren. Hierzu zählte die „natürliche“ Lehrweise nach Fairbairn. Aller-<br />
dings hielten viele Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong> die „orthodoxe“ Technik <strong>für</strong> Frauen als die<br />
einzig wahre. Vor allem wur<strong>de</strong>n physiologische Grün<strong>de</strong> angeführt, warum<br />
Frauen nicht „natürlich“ ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollten und damit auch keinen Bedarf an<br />
leichteren o<strong><strong>de</strong>r</strong> sogar Rennbooten hätten. Durch <strong>de</strong>n Rollsitz wür<strong>de</strong> die<br />
Beinarbeit verlängert, die damit verbun<strong>de</strong>ne verlängerte Wasserarbeit sei <strong>für</strong><br />
<strong>de</strong>n schwächeren weiblichen Körper nicht geeignet und diene damit nicht<br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> vorrangigen Ziel <strong>de</strong>s allgemeinen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns: Gesun<strong><strong>de</strong>r</strong>haltung und<br />
Kräftigung <strong>de</strong>s Körpers. Dem vorausgegangen waren etliche Diskussionen<br />
zur „Frauenfrage“ im <strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport. Neben <strong>de</strong>n durch nichts zur<br />
Umkehr zu bewegen<strong>de</strong>n Kritikern gab es auch Be<strong>für</strong>worter, die versuchten,<br />
Lösungen <strong>für</strong> die unbefriedigen<strong>de</strong> Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen zu fin<strong>de</strong>n. Allerdings<br />
waren auch sie gezwungen, sich gegenüber <strong><strong>de</strong>m</strong> Verband, ihren Vereinen<br />
und Traditionen loyal zu verhalten.<br />
Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sportlichen Entwicklung und <strong><strong>de</strong>r</strong> immer größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Zahl an Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wuchs auch das Bedürfnis nach geeigneten Vergleichs-<br />
möglichkeiten. Regattaveranstaltungen waren unerlässlich, da diese zum<br />
einen <strong>de</strong>n Sport einem breiten Publikum näher bringen sollten und zum an-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en die Vereinheitlichung und Verbesserung <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>stils vorantrieben.<br />
Hierzu wur<strong>de</strong>n zunächst Wettbewerbe im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n durchgeführt. Primär<br />
aber ist diese Form <strong>de</strong>s Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns ein Zugeständnis an die Kritik <strong><strong>de</strong>r</strong> Herren-
Schlussbetrachtung 437<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er, die in dieser Wettkampfform die Betätigungsform sahen, die <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
weiblichen Körper und <strong>de</strong>ssen Leistungsfähigkeit optimal entsprach. Die Ge-<br />
fahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermännlichung schien dadurch gebannt, und nicht zuletzt wur<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>m</strong> Ästhetikempfin<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer Rechnung getragen. Bereits 1919 wur-<br />
<strong>de</strong>n vom DDRV die ersten Rennen veranstaltet, <strong><strong>de</strong>r</strong> da<strong>für</strong> extra eine eigene<br />
Wettkampfordnung verabschie<strong>de</strong>t hatte, um ein gerechte und transparente<br />
Bewertung zu gewährleisten. Die Diskussion um die Bewertung im Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
ist allerdings so alt wie das Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n selbst. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> möglichen Feh-<br />
ler von <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>alen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bewegung war sehr hoch, was häufig zu Unzufrie-<br />
<strong>de</strong>nheit bei Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, Kampfrichtern und <strong><strong>de</strong>m</strong> Publikum führte. Bereits in<br />
<strong>de</strong>n 30er Jahren kämpfte diese Wettbewerbsform um ihre Existenz. Hierauf<br />
reagierte die Abteilung <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in<strong><strong>de</strong>m</strong> sie die Mischform Stilschnell-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n einführte. Der DRV versprach sich von dieser Neuerung mehr Popula-<br />
rität, da es <strong>für</strong> das Publikum und die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>er spannen<strong><strong>de</strong>r</strong>e Wettbewerbe<br />
versprach. Allerdings stand auch hier immer noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Ästhetikgedanke im<br />
Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund. Eine Mannschaft, die im Ziel als zu erschöpft eingestuft wur<strong>de</strong>,<br />
hatte mit Punktabzug zu rechnen. Nach anfänglichem Erfolg wur<strong>de</strong> das Stil-<br />
schnellru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bereits 1940 aufgegeben. Das klassische Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n hielt sich<br />
noch bis 1971, obwohl die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen bereits seit <strong>de</strong>n 30er<br />
Jahren die objektivere Form <strong>de</strong>s Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns vorzog, die an keine subjekti-<br />
ven Bewertungsmaßstäbe gebun<strong>de</strong>n war.<br />
Eine weitere Wettbewerbsform waren Schlagzahlrennen. Diese wur<strong>de</strong>n 1926<br />
erstmalig angeboten und erfreuten sich vor allem während <strong>de</strong>s Zweiten<br />
Weltkrieges großer Beliebtheit. Allerdings kam es auch hier zu Differenzen<br />
zwischen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen und Schiedsrichtern bezüglich <strong>de</strong>s Zählens <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlä-<br />
ge. Nach 1945 wur<strong>de</strong>n in Deutschland keine Schlagzahlrennen mehr ange-<br />
boten. Noch kürzer hielt sich das Gleichschlagru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, das primär <strong>für</strong> festliche<br />
Anlässe gedacht war. Hier bewegten sich so viele Boote wie möglich in vor-<br />
her festgelegter Reihenfolge und Staffelung zu einem bestimmten Rhythmus.<br />
Bereits vor Kriegsen<strong>de</strong> war das Gleichschlagru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht mehr aufrechtzuer-<br />
halten.<br />
Die Be<strong>für</strong>worter <strong>de</strong>s weiblichen Wettkampfsports bekannten sich ein<strong>de</strong>utig<br />
zur Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>technik nach Fairbairn und lehnten Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n und alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Er-<br />
scheinungsformen grundlegend ab. Obwohl das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht explizit
Schlussbetrachtung 438<br />
vom DDRV be<strong>für</strong>wortet und geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>, kam es bereits 1919 zu <strong>de</strong>n<br />
ersten Rennen. Die Streckenlänge betrug anfänglich 800m, 1920 wur<strong>de</strong> sie<br />
auf 1.000m verlängert. Die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen – auch im DDRV – sah al-<br />
lerdings nicht die Notwendigkeit von Rennen. Sie sahen das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n als<br />
sportlichen <strong>Aus</strong>gleich zum beruflichen Alltag. Es war ihnen Mittel zum Zweck,<br />
sich sportlich in einem abgegrenzten, gesellschaftlichen Umfeld zu betätigen.<br />
Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> vermehrten Berufstätigkeit versuchten immer mehr Frauen die<br />
durch schlechte Arbeitsplatzbedingungen hervorgerufenen Gesundheitsstö-<br />
rungen durch gemäßigte körperliche Betätigung zu kompensieren. Ein Renn-<br />
ru<strong><strong>de</strong>r</strong>training erschien vielen neben <strong>de</strong>n beruflichen Belastungen als zu<br />
anstrengend. Diese Meinung teilten viele <strong><strong>de</strong>r</strong> Verantwortlichen im DDRV und<br />
später in <strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilung <strong>für</strong> Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen war als<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen aktiv und lehnte <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend das Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n prin-<br />
zipiell ab. Der nicht zu unterschätzen<strong>de</strong> Einfluss <strong><strong>de</strong>r</strong> Kritikerinnen führte da-<br />
zu, dass die Entwicklung nur zäh voranschritt und bewusst gehemmt wur<strong>de</strong>,<br />
was sich <strong>de</strong>utlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wettbewerbsaktivität zeigte. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Meldun-<br />
gen stieg nur langsam, was vor allem daran lag, dass die Rennen vorüber-<br />
gehend in Gigbooten ausgeschrieben wur<strong>de</strong>n, was <strong>für</strong> die Frauen wenig<br />
attraktiv war. Eben dieser Anblick – Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in schweren Booten – gab<br />
<strong>de</strong>n Kritikern immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Auftrieb. Nach <strong>de</strong>n ersten Rennen verebb-<br />
te die Kritik an wettkämpfen<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen nur langsam, aber zumin<strong>de</strong>st<br />
hatten die Frauen die Wahl, ob sie Stil- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n betreiben wollten.<br />
Die Be<strong>für</strong>worter <strong>de</strong>s weiblichen Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten <strong><strong>de</strong>m</strong>entsprechend<br />
das Rennboot <strong>für</strong> alle Frauenwettbewerbe. Darüber hinaus wur<strong>de</strong> das Skul-<br />
len empfohlen. Erstaunlicherweise wur<strong>de</strong> die Frage, ob Riemen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Skullen <strong>für</strong> Frauen besser geeignet sei, weniger diskutiert als die Frage, ob<br />
Frauen überhaupt Rennen ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n sollten. Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n galt als körperlich<br />
anstrengen<strong><strong>de</strong>r</strong> und technisch anspruchsvoller und wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Herrenru-<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>ern <strong>für</strong> sich beansprucht. Aufgrund <strong>de</strong>s Mangels an Skullbooten lernten<br />
die meisten Frauen <strong>de</strong>nnoch das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Riemenbooten. 1942 been<strong>de</strong>te<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DRV die Diskussion mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Verbot von Frauenrennen in Riemenbooten,<br />
was erst 1968 aufgehoben wur<strong>de</strong>.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg wur<strong>de</strong> das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ut-<br />
schen Verbän<strong>de</strong>n unterschiedlich organisiert und geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Die Betreuung
Schlussbetrachtung 439<br />
sowie die Trainingsplanung und -steuerung <strong><strong>de</strong>r</strong> west<strong>de</strong>utschen National-<br />
mannschaftsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> war, verglichen mit <strong>de</strong>n Bemühungen <strong>de</strong>s DRSV,<br />
rückständig. Die Dominanz <strong><strong>de</strong>r</strong> ost<strong>de</strong>utschen Athletinnen trat 1957 erstmals<br />
<strong>de</strong>utlich zum Vorschein, als <strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV vier von fünf <strong>Aus</strong>scheidungsrennen<br />
gewann. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s am Beispiel <strong>de</strong>s Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns lassen sich die Unter-<br />
schie<strong>de</strong> aufzeigen. Bereits 1951 entschied die Fé<strong><strong>de</strong>r</strong>ation Internationale <strong>de</strong>s<br />
Sociétés d’Aviron, Frauenrennen im Achter und im Vierer mit Steuermann<br />
auszuschreiben. Dies führte zur konsequenten För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung dieser Bootsklas-<br />
sen durch <strong>de</strong>n DRSV, wohingegen <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV am Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n festhielt und sei-<br />
nen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen das Riemenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n untersagte. Der DRV verpasste damit die<br />
internationale Entwicklung in dieser Disziplin. Die medizinischen Vorurteile<br />
konnten über die Jahre ausgeräumt wer<strong>de</strong>n, allerdings sieht sich das Rie-<br />
menru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen bis heute ästhetischen Be<strong>de</strong>nken und Lästereien<br />
ausgesetzt.<br />
Um das einmal erreichte internationale Niveau zu halten, wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
das Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n bereits vom Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Jugendalter an konsequent ge-<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>t, was sich im Seniorenbereich zielorientiert fortsetzte. Die <strong>Aus</strong>wahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Athletinnen wur<strong>de</strong> an genau festgelegten Kriterien gemessen. Damit verfügte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> DRSV über ein großes Potenzial an Eliteru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen, die in allen Boots-<br />
klassen erfolgreich eingesetzt wer<strong>de</strong>n konnten. Der DRV hingegen sah sich<br />
in <strong>de</strong>n 60er und 70er Jahren mit einer Fluktuation unter <strong>de</strong>n Eliteru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
konfrontiert. Viele begannen zwar mit <strong><strong>de</strong>m</strong> Training, hörten aber auch häufig<br />
schnell wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf, da sie Beruf und Leistungssport nicht vereinbaren konn-<br />
ten. Erst in <strong>de</strong>n 80er Jahren konnten <strong>für</strong> das west<strong>de</strong>utsche Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
erste Professionalisierungsansätze verzeichnet wer<strong>de</strong>n. Der DRV stellte<br />
vermehrt Trainings- und Betreuungspersonal und investierte auch in frauen-<br />
spezifisches Bootsmaterial. Dies kam vor allen <strong>de</strong>n Leichtgewichtsru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen<br />
zu Gute: <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV war und ist seit <strong><strong>de</strong>r</strong> internationalen Einführung dieser Ge-<br />
wichtsklassenrennen erfolgreich.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wen<strong>de</strong> glie<strong><strong>de</strong>r</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong> DRV die DDR-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen in sein bestehen-<br />
<strong>de</strong>s Leistungssportsystem ein. Auf internationaler Ebene dominierte <strong><strong>de</strong>r</strong> Ver-<br />
band die 90er Jahre im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Skullerinnen waren<br />
sehr erfolgreich: <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelvierer gilt bis heute als „die <strong>de</strong>utsche Domäne“.
Schlussbetrachtung 440<br />
Zusammenfassend kann <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Leistungssport festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass<br />
Sportler und Trainer in <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR instrumentalisiert wur<strong>de</strong>n, um die Überle-<br />
genheit <strong>de</strong>s Sozialismus gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gesellschaftsformen zu <strong>de</strong>-<br />
monstrieren. Die west<strong>de</strong>utschen Sportlerinnen müssen im Vergleich als<br />
„Hobbysportlerinnen“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n, die neben <strong>Aus</strong>bildung und Beruf,<br />
<strong>de</strong>n Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport betrieben haben. Heute wer<strong>de</strong>n <strong>für</strong> die Spitzenathletinnen<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>mittel über die Deutsche Sporthilfe bei entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> Ka<strong><strong>de</strong>r</strong>zugehö-<br />
rigkeit gestellt. Viele Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen sind auch Mitglied in einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Sportför<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
gruppen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>swehr.<br />
Nach 160 Jahren Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in Deutschland, lagen und liegen Kontinuitäten<br />
und Brüche, Progression und Stagnation sowie Erfolg und Misserfolg häufig<br />
nah beieinan<strong><strong>de</strong>r</strong>. Daher kann nur spekuliert wer<strong>de</strong>n, welchen Kurs das Frau-<br />
enru<strong><strong>de</strong>r</strong>n im DRV einschlagen wird. Der Weg ist nicht so ein<strong>de</strong>utig vorge-<br />
zeichnet wie eine Regattabahn, aber das Ziel muss allen Beteiligten bewusst<br />
sein. Die Zeit <strong>für</strong> eine Frau als „Schlagmann“ scheint noch nicht gekommen<br />
zu sein.<br />
Ein Beispiel aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport illustriert die Situation: In Riemenbooten,<br />
zum Beispiel im Achter, gibt es neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlagposition auch <strong>de</strong>n so ge-<br />
nannten „Co-Schlagmann“. Er ist da<strong>für</strong> verantwortlich, die Vorgaben auf sei-<br />
ne Seite zu übertragen. Seine Funktion ist genauso be<strong>de</strong>utend wie die <strong>de</strong>s<br />
Schlagmannes: Gemeinsam geben sie Rhythmus, Takt und Schlagzahl vor.<br />
Aber auch das „Mittelschiff“ und <strong><strong>de</strong>r</strong> „Bug“ müssen ihre Aufgaben erfüllen,<br />
um einen Achter effizient und dynamisch fortzubewegen. Manchmal ist es<br />
aber erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, persönliche Befindlichkeiten zugunsten <strong>de</strong>s Mannschafts-<br />
gedankens zurückzustellen.<br />
Eine <strong>de</strong>nkbare und in diesem Jahrzehnt auch realistische Option ist eine<br />
Frau als „Co-Schlagmann“ im DRV. Frauen und Männer haben diesen Sport<br />
sowie <strong>de</strong>n DRV auf unterschiedlichste Weise geprägt. Aber es bedarf mehr<br />
weiblicher Netzwerke, Frauen zu motivieren sowie praktisch und i<strong>de</strong>ell zu<br />
unterstützen, verantwortungsvolle Aufgaben in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbandsarbeit zu über-<br />
nehmen. Unbestritten ist jedoch, dass es Geduld und Zeit erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, beste-<br />
hen<strong>de</strong> Strukturen und Traditionen aufzubrechen. Nur gemeinsam können<br />
Ziele erreicht wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n Verband in mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nes Fahrwasser zu steuern.
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Unveröffentlichte Korrespon<strong>de</strong>nzen und Manuskripte<br />
BENECKE, Heida, Korrespon<strong>de</strong>nz an Helmut Griep am 24. 5. 2007, Privatbesitz<br />
Benecke<br />
BENECKE, Heida, Korrespon<strong>de</strong>nz an Helmut Griep am 23. 7. 2007, Privatbesitz<br />
Benecke<br />
BENECKE, Heida, Korrespon<strong>de</strong>nz an Siegfried Kai<strong>de</strong>l am 27. 5. 2008, Privatbesitz<br />
Benecke<br />
BENECKE, Heida, „Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsanträge zum Tagesordnungspunkt 3.1.1 <strong>de</strong>s 59.<br />
– außeror<strong>de</strong>ntlichen – <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tages“, Privatbesitz Hutmacher<br />
GRIEP, Helmut, Korrespon<strong>de</strong>nz an Heida Benecke am 28. 6. 2007, Privatbesitz<br />
Benecke<br />
KAIDEL, Siegfried, Korrespon<strong>de</strong>nz an Heida Benecke am 13. 6. 2008, Privatbesitz<br />
Benecke<br />
LOTZ, Henrik, Korrespon<strong>de</strong>nz an das DRSV-Präsidium am 5. 10. 1990, Privatbesitz<br />
Hutmacher<br />
LÖWENSTEIN, Walter, Re<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 57. Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag in Dres<strong>de</strong>n 2005, Privatbesitz<br />
Hutmacher<br />
SCHUMANN, Elfrie<strong>de</strong>, „Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>bestand“, Privatbesitz Hutmacher<br />
[ohne Verfasser], Notiz Besprechung Bittner/Ahlgrimm am 9. 7. 1990, (= Vorstandsinformation),<br />
Privatbesitz Hutmacher
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<strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verban<strong>de</strong>s, Herrn Helmut Griep, und<br />
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Privatbesitz Benecke<br />
[ohne Verfasser], „Vereinbarung <strong>für</strong> eine Zusammenarbeit zwischen DRV<br />
und DRSV“, [unveröffentlichtes Manuskript], Privatbesitz Hutmacher
Anhang 482<br />
13 Anhang<br />
Scheer’sche Richtertafel <strong>für</strong> Stilru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tafel auf Regatten:<br />
1. Die Reihenfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Übungen wird bei Wettbewerben nicht eingehal-<br />
ten.<br />
2. Zuschauer und Parteigänger sind von <strong>de</strong>n Preisrichtern fernzuhalten.<br />
3. Die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Preisrichter ist beliebig, am besten 3-5.<br />
4. Es wird immer nur eine Übung gerichtet; je<strong><strong>de</strong>r</strong> Preisrichter kann eine<br />
Übung richten.<br />
5. Für je<strong>de</strong> Übung ist eine Vorbeifahrt notwendig.<br />
6. Bei dieser Vorbeifahrt gibt <strong><strong>de</strong>r</strong> Preisrichter nach freiem Ermessen eine<br />
Note. Diese Note mit <strong><strong>de</strong>r</strong> zugehörigen Wertzahl multipliziert, ergibt die<br />
Punkte <strong>für</strong> die betreffen<strong>de</strong> Übung. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Preisrichter stellt seine Ge-<br />
samt-Punktzahlen fest. Die Gesamt-Punktzahlen aller Preisrichter<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n Bewerber addiert und durch die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Preis-<br />
richter geteilt. Das Resultat ist die offiziell erzielte Punktzahl.<br />
7. Höchst erreichbare Gesamt-Punktzahl: Für feste Sitze 80, <strong>für</strong> Rollsitze<br />
100.<br />
Wertungsbereiche<br />
Wertungsbereich Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Übung Wertzahl<br />
Riemenführung<br />
Riemenführung<br />
Riemenführung<br />
Einsatz<br />
Grobe Fehler:<br />
Lufthieb; Einhauen; Ru<strong><strong>de</strong>r</strong> fallen lassen<br />
Fehler:<br />
hoch durch die Luft; Pause vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasserfas-<br />
sen; zu tief; zu flach; ungleichmäßig<br />
Durchzug<br />
Grobe Fehler:<br />
nicht sofort anziehen; zu tief; zu flach (Wasser<br />
schaben)<br />
Fehler:<br />
nicht lang genug; ungleichmäßig tief<br />
Ungleichmäßig lang<br />
Schlusszug<br />
Grobe Fehler:<br />
unter Wasser scheren; nicht senkrecht ausheben;<br />
auswaschen; !Präsentierteller<br />
Fehler:<br />
hart ausheben: zu früh ausheben<br />
3<br />
2<br />
3
Anhang 483<br />
Riemenführung<br />
Körperarbeit<br />
Körperarbeit<br />
Körperarbeit<br />
Rollbahn<br />
Rollbahn<br />
Luftarbeit<br />
Fehler:<br />
zu hoch, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s vor <strong><strong>de</strong>m</strong> Einsetzen; ungleichmäßig<br />
hoch; Wasser schleifen; nach <strong><strong>de</strong>m</strong><br />
Schlusszug nicht sofort scheren; ruckweise<br />
scheren<br />
Beispiel <strong>für</strong> eine Rangliste<br />
Boote<br />
Punkte<br />
Schiedsrichter<br />
Wasserfassen und Armzug<br />
Grobe Fehler:<br />
zu früh aufschwingen (bevor das Blatt Wasser<br />
gefasst hat); nicht sofort aufschwingen (wenn<br />
das Blatt Wasser gefasst hat); mit gekrümmten<br />
Armen Wasser fassen und nachträglich Arme<br />
strecken<br />
Fehler:<br />
Schultern hoch; eingezogener Kopf<br />
Durchzug und Schlusszug<br />
Grober Fehler:<br />
im Schlusszug über das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong> fallen<br />
Fehler:<br />
auf halber Rollbahn nicht senkrecht sitzen; zu<br />
wenig schwingen; Arme beugen, solange voller<br />
Druck auf <strong><strong>de</strong>m</strong> Stemmbrett<br />
Hän<strong>de</strong> weg und Vorbeuge<br />
Grober Fehler:<br />
Hän<strong>de</strong> langsam weg; <strong>de</strong>n Körper nicht<br />
anwippen; bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbeuge ins Boot fallen;<br />
Fehler:<br />
schnell vorbeugen; gezwungene Haltung<br />
Beinarbeit<br />
Grober Fehler:<br />
Sitz zuerst wegtreten<br />
Fehler:<br />
Sitz zu spät wegtreten; ungleichmäßig treten<br />
Vorrollen<br />
Grober Fehler:<br />
sitzen bleiben, wenn Blatt aus <strong><strong>de</strong>m</strong> Wasser<br />
Fehler:<br />
schnell vorrollen; Sitz anstoßen<br />
Punktsumme<br />
Rangplätze<br />
Schiedsrichter<br />
A B C A B C<br />
1<br />
3<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2<br />
Rangsumme Platz<br />
1 16 14 15 45 2 1 1 4 1<br />
2 20 13 14 47 1 2 2 5 2<br />
3 14 11 13 38 4 5 4 13 5<br />
4 15 12 12 39 3 3.5 4 10.5 3<br />
5 12 12 12 36 5 3.5 4 12.5 4
Anhang 484<br />
Selbstständige Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine und -abteilungen<br />
Die Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> selbstständigen Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine und Frauenabtei-<br />
lungen in Herrenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen von 1894 bis heute erhebt keinen Anspruch<br />
auf Vollständigkeit. Tatsache ist, dass sich nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zweiten Weltkrieg nur<br />
ein einziger Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein grün<strong>de</strong>te. Manche Vereine o<strong><strong>de</strong>r</strong> Abteilungen<br />
wer<strong>de</strong>n lediglich genannt, an<strong><strong>de</strong>r</strong>en kann ein Gründungsjahr zugewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n. Trotz intensiver Recherche konnte diese Forschungslücke nicht ge-<br />
schlossen wer<strong>de</strong>n. 1925 existierten 37 Damenabteilungen, ein Jahr später<br />
bereits 69. 1939 kann von 475 Frauenabteilungen in Männerru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinen<br />
ausgegangen wer<strong>de</strong>n. Die Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereine wer<strong>de</strong>n ebenfalls auf-<br />
geführt.<br />
Deutsche Amazonenflotte 1894<br />
[Spreeclub] 1894<br />
Friedrichshagener Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club 1901<br />
Märkischer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein, Damenabteilung 1901<br />
Umbenennung in Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club „Frigga“<br />
Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein „Vorwärts“, Damenabteilung 1901<br />
Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Germania Leitmeritz, Damenabteilung 1904<br />
Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Gesellschaft 1907<br />
Berliner Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club „Frigga“ 1909<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund Berliner Lehrerinnen 1909<br />
Deutscher Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub, Berlin 1909<br />
Hamburger Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund 1909<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Kasseler Studienanstalt 1911<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Oberlyzeum Kassel 1912<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Oberlyzeum Bran<strong>de</strong>nburg 1912<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Han<strong>de</strong>ls- und Gewerbeschule Posen 1912<br />
Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege <strong>de</strong>s Jung<strong>de</strong>utschlandbun<strong>de</strong>s, Berlin 1912<br />
Berliner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club 1912<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Lyzeum Saarbrücken 1913<br />
Damen-Riege <strong>de</strong>s Guttempler RV, Berlin 1913<br />
Casseler Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein 1913<br />
Em<strong><strong>de</strong>r</strong> Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein 1913
Anhang 485<br />
1. Breslauer Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein „Cecilie“ 1914<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>abteilung RG „Wiking“ Leipzig 1914<br />
Mädchen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Berlin 1915<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Oberschule Berlin 1915<br />
Stu<strong>de</strong>ntinnen-Sport-Verein, Berlin 1915<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege II. Pflicht- und Wahlfortbildschule Berlin 1916<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Mariendorfer Lyzeum 1917<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund „Froh Volk“, Berlin 1917<br />
1. Mädchen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Riege Schöneberg 1917<br />
Dresdner Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein 1917<br />
Dresdner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club 1918<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege <strong>de</strong>s Bran<strong>de</strong>nburger RK 1919<br />
Lübecker Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub 1919<br />
Danziger Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Bund 1919<br />
Berliner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Geselllschaft „Löcknitz“ 1919<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Lyzeum Zehlendorf 1919<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Lyzeum Lichtenberg 1919<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Lyzeum Schöneberg 1919<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>abteilung <strong>de</strong>s TSV Höherer Mädchenschulen Spandau 1920<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Königin-Luisen-Schule Frie<strong>de</strong>nau 1921<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Gertrau<strong>de</strong>nschule Dahlem 1921<br />
Schülerinnenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Viktoria Luisen-Schule Wilmersdorf 1921<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege ehemaliger Schülerinnen <strong>de</strong>s Lyzeums Zehlendorf 1921<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege Studienanstalt Potsdam 1921<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>klub technischer Assistentinnen 1921<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub „Sport-Nixe“, Berlin 1921<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege „Dorothea“, Berlin 1921<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückertschule, Berlin 1922<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club 1923, Berlin 1923<br />
Schöneberger Mädchen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein 1924<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>abteilung <strong>de</strong>s Post-Sportvereins Berlin 1924<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club „Woglin<strong>de</strong>“, Berlin 1924<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Osnabrück 1924<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege ehemaliger Dorotheenschülerinnen, Berlin 1924
Anhang 486<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein Marienburg 1925<br />
2. Schöneberger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege 1924<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung 1925, Berlin 1925<br />
Hamburger Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club von 1925 1925<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club im Verband <strong><strong>de</strong>r</strong> weiblichen Han<strong>de</strong>ls- und Büro- 1925<br />
Angestellten Berlin<br />
Mag<strong>de</strong>burger Frauen-Verein 1926<br />
Schöneberger Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club 1926<br />
Schöneberger Mädchenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein 1926<br />
Marienburger Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein 1926<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein-Hameln 1926<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege Heinrich-Kleist-Schule, Frankfurt a.d.O. 1926<br />
Karlsruher Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein 1926<br />
Stettiner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein 1927<br />
Stettiner Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein „Reichspost“ 1927<br />
Märkische Wassersport-Vereinigung, Berlin 1927<br />
Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ischer Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub Universität zu Köln 1927<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>bund Jung-Volk, Lübeck 1927<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege <strong><strong>de</strong>r</strong> Ernestinnenschule, Lübeck 1927<br />
Cöpenicker Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club 1927<br />
Königsberger Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein 1927<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein „Freiweg“ Frankfurt a. M. 1927<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>riege „Walküre“, Berlin 1927<br />
Oberlyzeal-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>klub „Ravensberg“, Kiel 1928<br />
Mainzer Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung 1928 1928<br />
Damenru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Klub Flensburg 1928<br />
1. Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>club Hannover 1928<br />
Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein „Blocksberg“, Kiel 1929<br />
Hamburger Schülerinnen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein 1930<br />
Verein Bremer Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen von 1930 1930<br />
Kieler Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>klub 1931<br />
Düsseldorfer Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein 1931<br />
Hil<strong>de</strong>sheimer Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>klub 1932<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein ehemaliger Schülerinnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Rückertschule, Berlin 1933
Anhang 487<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>gemeinschaft Elbing 1935<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Ostero<strong>de</strong> 1937<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen-Club Dres<strong>de</strong>nia 1938<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein Wien 1938<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Wannsee 1947<br />
Die folgen<strong>de</strong>n Vereine wer<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur genannt, können aber nicht<br />
datiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Schülerinnen RV „Wannsee“ am Stölpchensee<br />
Damen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Abteilung <strong>de</strong>s Postsport-Vereins Köln<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Club Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schönewei<strong>de</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein „Deutsch-Krone“<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Abteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Darmstädter und Nationalbank<br />
Aka<strong><strong>de</strong>m</strong>ische Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>schaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Leipzig (Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>verein)<br />
Frauen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verein <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Gaswerke
Anhang 488<br />
Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plan<br />
Mitarbeit von Frauen im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband<br />
1. Frauen in Gremien<br />
In alle ehrenamtlichen Gremien, einschließlich <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s, sollen Frauen gewählt bzw. berufen<br />
wer<strong>de</strong>n. Soweit Frauen nicht vertreten sind, ist dieses zu begrün<strong>de</strong>n.<br />
2. Vertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen/Mitwirkung bei Besetzung<br />
Die in Gremien <strong>de</strong>s DRV mitwirken<strong>de</strong>n Frauen bzw. ein von ihnen gebil<strong>de</strong>ter <strong>Aus</strong>schuss (<strong>Aus</strong>schuss<br />
Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n) berät und vertritt die Belange <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns. Er wird bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Besetzung<br />
von Positionen und Gremien beteiligt und kann Vorschläge hierzu machen. Der <strong>Aus</strong>schuss<br />
wird einem Mitglied <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s zugeordnet. Der <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird über Entscheidungen<br />
<strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s unterrichtet.<br />
3. Besetzung von Positionen<br />
Bei gleichwertiger Eignung <strong>für</strong> eine Funktion sollen Frauen in Gremien, in <strong>de</strong>nen sie unterrepräsentiert<br />
sind, bevorzugt berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />
4. Einbindung in die Geschäftsstelle<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschäftsstelle <strong>de</strong>s DRV soll ein/e Mitarbeiter/in mit Fragen <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenarbeit betraut wer<strong>de</strong>n.<br />
5. Berücksichtigung frauenspezifischer Aspekte<br />
Bei Symposien, Arbeitstagungen, Arbeitskreisen usw. sollen Themen <strong>de</strong>s Sports von/<strong>für</strong> Frauen<br />
angemessen berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />
6. Leitung und Durchführung von Veranstaltungen<br />
Frauen wer<strong>de</strong>n als Referentinnen, Diskussionsleiterinnen, Tagungsleiterinnen,<br />
Lehrgangsleiterinnen und <strong>für</strong> ähnliche Aufgaben verstärkt eingesetzt.<br />
7. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>einstieg<br />
Zu Frauen, die aus beruflichen/familiären Grün<strong>de</strong>n ihre ehrenamtliche Mitarbeit unterbrochen<br />
haben, wird vom <strong>Aus</strong>schuss Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontakt aufrecht erhalten. Sie wer<strong>de</strong>n regelmäßig<br />
unformiert, zu Veranstaltungen eingela<strong>de</strong>n und <strong>für</strong> einzelne Aufgaben angesprochen, damit ihnen<br />
ein Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>einstieg ermöglicht wird.<br />
8. Patenschaften<br />
Für Frauen, die neue Positionen übernehmen, wer<strong>de</strong>n Patenschaften von bereits länger mitarbeiten<strong>de</strong>n<br />
Frauen/Männern zum Erfahrungsaustausch und zur Hilfestellung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einarbeitung<br />
organisiert.<br />
9. Wissenschaftliche Forschung<br />
Der Vorstand und seine Gremien unterstützen weiterführen<strong>de</strong> wissenschaftliche Analysen <strong>für</strong> alle<br />
Bereiche im Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>n, sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Umsetzung.<br />
10. Sprache<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Formulierung von Satzungen, Ordnungen, Regelwerken, Grundsatzerklärungen, Veröffentlichungen,<br />
Berichten usw. wird jeweils die weibliche und männliche bzw. neutrale Sprachform<br />
verwen<strong>de</strong>t.<br />
11. Ehrungen<br />
Frauen wer<strong>de</strong>n bei Ehrungen und <strong>Aus</strong>zeichnungen in gleicher Weise berücksichtigt wie Männer.<br />
12. Bildungsarbeit<br />
Um die Qualifikation, Kompetenz und Interessen von Mädchen und Frauen zu berücksichtigen,<br />
wer<strong>de</strong>n Bildungsangebote entwickelt.<br />
13. Mitarbeit von Leistungssportlerinnen<br />
Leistungssportlerinnen sollen gegen En<strong>de</strong> ihrer aktiven Laufbahn <strong>für</strong> eine Mitarbeit im Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport<br />
auf allen Ebenen geworben wer<strong>de</strong>n.<br />
14. Entlastung durch Aufgabenteilung<br />
Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung sollen sachlich gebotenen Möglichkeiten einer Reduzierung von Arbeitsbelastung<br />
durch Aufgabenteilung genutzt, Ämterhäufungen vermie<strong>de</strong>n bzw. abgebaut wer<strong>de</strong>n.<br />
15. Erfolgskontrollen<br />
Verantwortlich <strong>für</strong> die Umsetzung und die Fortschreibung <strong>de</strong>s Frauenför<strong><strong>de</strong>r</strong>plans ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstand.<br />
Über Durchführung und Ergebnisse <strong>de</strong>s Plans wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstand jeweils am Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag berichten.<br />
(Beschlossen auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 49. <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1990. Eingearbeitete Ergänzungen beschlossen<br />
auf <strong><strong>de</strong>m</strong> 53. <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>tag 1997).
Lebenslauf<br />
Lebenslauf<br />
Name: Anne Hutmacher<br />
Geburtsdatum: 12. August 1974<br />
Geburtsort: Lingen/Ems<br />
Staatsangehörigkeit: <strong>de</strong>utsch<br />
Familienstand: ledig<br />
Schule<br />
1987-1994 Gymnasium Johanneum Lingen/Ems<br />
Hochschule<br />
1995-2001 Deutsche Sporthochschule Köln, Lehramtsstudium Sport-<br />
wissenschaft Sek. II und I<br />
1995-2001 Universität zu Köln, Lehramtsstudium Englisch Sek. II und I<br />
2005-2010 Promotionsstudium an <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Deutschen</strong> Sporthochschule Köln<br />
Beruf<br />
2002-2004 Referendariat Studienseminar Gummersbach<br />
seit April 2004<br />
Studienrätin am Albertus-Magnus-Gymnasium, Köln<br />
Köln, Juni 2010 ___________________<br />
Anne Hutmacher
Abstract<br />
Zusammenfassung<br />
Obwohl es zu Beginn <strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts eine Selbstverständlichkeit sein<br />
sollte, dass Frauen und Männer in allen gesellschaftlichen Bereichen gleich-<br />
gestellt sind, suggeriert das „Jahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen im Sport“ 2010 unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Mot-<br />
to „Frauen Gewinnen!“, dass dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist.<br />
Auch im <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, <strong><strong>de</strong>m</strong> ältesten <strong>de</strong>utschen Sportfachver-<br />
band, wird dieser lange Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung<br />
ersichtlich.<br />
Der Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport galt lange als „gentleman“-Sport, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit Attributen wie Kraft,<br />
<strong>Aus</strong>dauer, Stärke und Männlichkeit assoziiert wur<strong>de</strong>. Der Deutsche Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
verband hemmte durch seine Einstellung und das Festhalten an tradierten<br />
Wertvorstellungen die Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns erheblich. Medizini-<br />
sche und ästhetische Vorurteile sowie gesellschaftliche Vorbehalte erschwer-<br />
ten <strong>de</strong>n Sportlerinnen <strong>de</strong>n Zugang zu dieser Sportart erheblich. Dabei<br />
datieren die ersten Versuche von Frauen auf das Jahr 1884, als die Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>in-<br />
nen mit „Rock und Riemen“ in viel zu schweren Booten das Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufnah-<br />
men. Anfänglich betrieben nur Frauen <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberschicht <strong>de</strong>n Sport: Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
war ihnen Mittel zum Zweck, um sich sportlich in einem abgegrenzten, ge-<br />
sellschaftlichen Umfeld zu betätigen. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> immer größer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Zahl<br />
an Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen wuchs allerdings auch das Bedürfnis nach geeigneten Ver-<br />
gleichsmöglichkeiten im Wettkampfbereich, so dass bereits Anfang <strong>de</strong>s 20.<br />
Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts erste Regatten im Stil- und Rennru<strong><strong>de</strong>r</strong>n abgehalten wur<strong>de</strong>n. Mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong> Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verban<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong> 1919 eine<br />
überregionale Dachorganisation geschaffen, die sich um die Belange <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>innen kümmerte.<br />
Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen Entwicklung <strong>de</strong>s Frauenru<strong><strong>de</strong>r</strong>ns wird<br />
<strong>de</strong>s Weiteren eine Einordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage <strong>de</strong>s Selbstverständnisses <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>utschen Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sports und die Partizipation von Frauen vor 1945 sowie die<br />
Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau in Ost- und West<strong>de</strong>utschland in <strong>de</strong>n politischen und sozialge-<br />
schichtlichen Kontext vorgenommen. Die staatliche Teilung nach <strong><strong>de</strong>m</strong> Zwei-<br />
ten Weltkrieg be<strong>de</strong>utete <strong>für</strong> bei<strong>de</strong> <strong>de</strong>utschen Verbän<strong>de</strong> eine Forcierung <strong>de</strong>s<br />
Leistungssports im Kampf <strong><strong>de</strong>r</strong> Systeme. Der Blick auf die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Frau im<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport ver<strong>de</strong>utlicht die unterschiedliche Frauenpolitik im Bereich <strong>de</strong>s<br />
Sports und fasst die sportlichen Ergebnisse bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Verbän<strong>de</strong> in einer verglei-
Abstract<br />
chen<strong>de</strong>n Leistungsbilanz zusammen. Im Zuge <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung lösten<br />
sich die ost<strong>de</strong>utschen Vereine auf und traten nach Auflösung <strong>de</strong>s <strong>Deutschen</strong><br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Sport-Verban<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>m</strong> <strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband bei.<br />
Nach 160 Jahren Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>sport in Deutschland lagen und liegen Kontinuitäten<br />
und Brüche, Progression und Stagnation sowie Erfolg und Misserfolg häufig<br />
nah beieinan<strong><strong>de</strong>r</strong>. Diese sporthistorische Untersuchung vermag <strong>de</strong>n bisheri-<br />
gen Weg nachzeichnen, kann aber keine Prognose da<strong>für</strong> geben, wann im<br />
<strong>Deutschen</strong> Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband die Zeit <strong>für</strong> eine „Schlagfrau“ kommen wird.<br />
Abstract<br />
At the beginning of the 21 st century it should be assumed as a matter of<br />
course that women have equal rights and chances in society. However, 2010<br />
was <strong>de</strong>clared to be the year of “women in sports” in Germany: they were ap-<br />
proached to commit themselves to lea<strong><strong>de</strong>r</strong>ship. The slogan of the campaign<br />
(“Winning women!”) proves that the quest for gen<strong><strong>de</strong>r</strong> equity has not been<br />
accomplished yet. The history of the German Rowing Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>ation (Deutscher<br />
Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband) can be consi<strong><strong>de</strong>r</strong>ed as an example of the long struggle of<br />
women for recognition and equality.<br />
Rowing used to be known as a “gentleman-sports” which has commonly<br />
been associated with power, endurance, strength and manliness. The<br />
Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband impe<strong>de</strong>d the <strong>de</strong>velopment of women’s rowing in<br />
Germany due to its attitu<strong>de</strong> and maintenance of traditions. Although the first<br />
attempts of women in rowing boats were taken in 1884, it took a long time for<br />
oarswomen to overcome medical and aesthetic prejudices and beliefs. In the<br />
beginning of women’s rowing in Germany only ladies of the upper-class ex-<br />
perienced this sports. However, their predominant interest was to interact<br />
and socialise within their own class and they were not seriously interested in<br />
exerting physical efforts. As the number of oarswomen grew, many wanted to<br />
compete in regattas so the German Ladies Rowing Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>ation (Deutscher<br />
Damen-Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Verband) was foun<strong>de</strong>d in or<strong><strong>de</strong>r</strong> to organize competitions with<br />
regard to rules and regulations.<br />
The thesis focuses on the historical <strong>de</strong>velopment of women’s rowing on the<br />
one hand, and the role of women in society and sports on the other hand. It<br />
is necessary to differentiate the further <strong>de</strong>velopment in East and West Ger-
Abstract<br />
many as the division following the Second World War led to intensified state<br />
interest in top level sports as it served for the comparisons of both political<br />
systems. Hence, the role of women in top level sports in both countries is<br />
analysed accordingly.<br />
160 years of women’s rowing in Germany have revealed progression and<br />
success as well as stagnation and failure. This historical <strong>de</strong>velopment has<br />
left its traces within the Deutscher Ru<strong><strong>de</strong>r</strong>verband, however, it remains unpre-<br />
dictable to say how long it will take until the ol<strong>de</strong>st German sport fe<strong><strong>de</strong>r</strong>ation<br />
will be “stroked” by a woman.
Allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unter <strong><strong>de</strong>m</strong> Kiel.