„Spott tut nur so, als wäre es Humor.“ Für Thomas Meyer hört der Spaß dort auf, wo die Verletzung beginnt. 32 THE RED BULLETIN
Thomas Meyer „Humorvolle Menschen können über sich selbst lachen“ Mit seinen Romanen über einen jungen orthodoxen Juden hat sich Thomas Meyer, 46, in die oberste Literaten-Liga geschrieben. Gelungen ist ihm das mit einer bei schweren <strong>The</strong>men untypischen Leichtigkeit. Text MICHÈLE BINSWANGER Fotos CLAUDIA HERZOG Er trinkt gern Grüntee und Holundersirup, und wenn er nachdenkt, legt er den Kopf so schräg, dass man seinen tätowierten Hals sieht: Thomas Meyer gehört nicht nur zu den bekanntes ten Autoren der Schweiz, sondern auch zu den außergewöhnlichsten. Mit seinen Romanen rund um den jungen orthodoxen Juden Motti Wolkenbruch feiert der 46-Jährige literarische Erfolge. Als Schriftsteller ist er einmal tiefsinnig, dann wieder hintergründig komisch. Das charakterisiert auch den Menschen, der trotz seiner Höhenflüge mit beiden Beinen am Boden geblieben ist. Dabei hätte er allen Grund, abzuheben: Sein erstes „Wolkenbruch“-Buch verkaufte sich über 170.000-mal und wurde verfilmt. Der Streifen lockte tausende Besucher in die Kinos und läuft seit einigen Monaten auch auf Netflix. the red bulletin: Welcher Schriftsteller-Typ sind Sie: Modell Thomas Mann, der sich sklavisch an seine Bürostunden hält, oder Modell Dostojewski, der seine Ideen rauschhaft niederschreibt? thomas meyer: Ich wünschte, ich wäre wie Mann, aber das bin ich nicht. Ich brauche diesen Schub, die Idee, die mich zieht und die dann zur Obsession wird. Ohne eine zündende Idee kann ich nicht schreiben. Sie haben sich einmal als „Funny Jew“ bezeichnet. Wie wichtig ist Ihnen Humor in Ihrer Arbeit? Humor ist ein Mittel, um eine doch eher schwierige Welt erträglicher zu machen. Oft steckt hinter meiner humoristischen Erzählweise aber keine gezielte Absicht – so, wie wenn ich Freunden von einem Ärgernis erzähle und dann bemerke, dass sie sich über das Wie meiner Erzählung amüsieren. Es hat auch etwas <strong>The</strong>rapeutisches, <strong>The</strong>men, die eigentlich schwierig sind, unterhaltsam wiederzugeben – sowohl für die anderen wie auch für mich. Humor geht meistens auf Kosten anderer. Ist es schwieriger geworden, Witze zu machen? Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen Humor und Spott. Spott tut nur so, als wäre es Humor, will aber verletzen. Besser wäre es, einfach ehrlich zu sagen, was einem nicht passt, statt sich zu verstecken und zu sagen: War nur ein Witz. In Ihren Büchern arbeiten Sie oft mit Karikaturen. Ist das nicht auch eine Art Spott? Ich werde immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, meine Bücher würden das Judentum der Lächerlichkeit preisgeben. Das sehe ich anders. Im ersten Buch ist es allenfalls die Figur der Mutter, die ich der Lächerlichkeit preisgebe – be ziehungsweise das Klischee der Mutter. Im aktuellen Buch ist es die jüdische Weltverschwörung. Was interessiert Sie daran? Ich habe ein klares Motiv: Ich will Rassenhass, Hetze im Netz und Verleumdung thematisieren – und dass nicht mehr Authentizität zählt, sondern der schrillste Auftritt. Ein Wissenschaftler kann jahrelang zu einem <strong>The</strong>ma forschen und Studien erstellen, aber heute kann irgendein Laie daherkommen und sagen: Stimmt nicht. Und ganz viele Leute glauben ihm. Das ist die aktuelle Situation – und ich finde die, sagen wir einmal, faszinierend. Gibt es einen jüdischen Humor? Ich weiß, dass man das von außen so wahrnimmt. Wenn man dann aber nachfragt, was den jüdischen Humor genau ausmacht, kommen meistens Antworten, die Humor insgesamt charakterisieren: die Fähigkeit, über THE RED BULLETIN 33
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