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Schauspieler Elijah Wood (2. von links) in der Online-Talkshow von Gary Whitta<br />
Verkaufsstart war der 20. März <strong>2020</strong> – jener Tag,<br />
an dem Großbritannien, New York und Kalifornien<br />
bekanntgaben, Parks, Spielplätze und nicht systemrelevante<br />
öffentliche Plätze zu schließen, um die<br />
Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Innerhalb<br />
von zehn Tagen waren Nintendos Switch-Konsolen<br />
weltweit vergriffen. Und auch die Wirtschaft zog<br />
nach: Ein britische Einrichtungskette bietet virtuelle<br />
Einrichtungsberater für die Community an. Die Modedesigner<br />
Marc Jacobs und Valentino zeigten ihre<br />
neuen Kollektionen – in Ermangelung an Real-Life-<br />
Alternativen – bei „Animal Crossing“.<br />
Drehbuchautor Gary Whitta witterte: Da ist Potenzial<br />
für mehr. Die Unterhaltungsindustrie war<br />
lahmgelegt, da während des Lockdowns Studioaufnahmen<br />
unmöglich waren. Also begann er – vorerst<br />
aus einer Spielerei heraus –, im Keller seines „Animal<br />
Crossing“-Hauses ein Talkshow-Studio einzurichten.<br />
„Gamer meinten: Warum produzierst du nicht wirklich<br />
eine Sendung, mit richtigen Gästen? Also habe<br />
ich ein paar Freunde ins Boot geholt“ – die zufälligerweise<br />
nicht ganz unbekannt waren, Whittas langjährige<br />
Tätigkeit im Showbiz machte sich bezahlt.<br />
Mit Folge 10 waren über den Streamingdienst Twitch<br />
340.000 Views erreicht. Und das Ganze entwickelte<br />
eine gewisse Eigendynamik. „Jedes Mal, wenn eine<br />
Berühmtheit, die ‚Animal Crossing‘ spielt, bei Twitter<br />
was zum Game tweetet, werde ich getaggt.“<br />
Whitta sieht für sein Late-Night-Format vor allem<br />
Gäste vor, die aktiv „Animal Crossing“ spielen und<br />
bereits über einen eigenen Avatar verfügen. „Für<br />
Super stars mache ich aber schon einmal eine Ausnahme.<br />
Als Sting in meine Show kam, fragte ich ihn:<br />
‚Was möchtest du tragen?‘ Dann haben wir gemein-<br />
sam versucht, in der virtuellen Garderobe etwas<br />
zu finden.“ Für klassische Late-Night-Talker wie<br />
Stephen Colbert, Conan O’Brien oder Jimmy Fallon<br />
sieht Whitta schwierige Zeiten kommen. „Diese Leute<br />
leisten großartige Arbeit“, betont er. „Sie unterhalten<br />
uns in Zeiten, in denen wir alle gute Unterhaltung<br />
brauchen können. Aber ihr Problem ist: Sie<br />
sitzen in ihren Studios und in der Realität fest. Ich<br />
hingegen kann mich in der virtuellen Welt frei bewegen,<br />
bin an keinen Ort gebunden. Ich sitze während<br />
der Aufnahmen in San Francisco, meine Gäste<br />
in New York oder Frankreich – trotzdem sieht man<br />
unsere Avatare gemeinsam im virtuellen Studio interagieren.<br />
Das Metaversum bringt Leute auf eine<br />
Art zusammen, wie es das Fernsehen niemals kann.“<br />
Ums Zusammensein geht es auch in einem anderen<br />
Zufluchtsort im Metaversum: dem Online-Multiplayer-Game<br />
„<strong>Red</strong> Dead“, das in eine Simulation des<br />
Wilden Westens eingebettet ist. Mit Outlaws, Kopfgeldern<br />
und allem Drum und Dran. Das Besondere<br />
an „<strong>Red</strong> Dead Online“ (RDO) sind die hyperreal<br />
wirkenden Naturerlebnisse im Pionierzeit-Amerika.<br />
Man muss sich mit Bärenattacken herumschlagen,<br />
tauscht sich über Stürme und Wettervorhersagen<br />
aus. Das Ganze geht sogar so weit, dass sich die<br />
Hoden der Reitpferde bei Kälte zusammenziehen.<br />
A<br />
ls der Lockdown für Großbritannien ausgerufen<br />
wurde, sattelten der Londoner Street-Fotograf<br />
Ondřej Vachek, 28, und sein Fotografenkollege<br />
Sean Tucker, 41, die virtuellen Pferde.<br />
Bei „RDO“ haben Spieler Bewegungsfreiheit,<br />
sie entscheiden selbst, wann sie welchen Teil des<br />
Pionierzeit-Amerikas erkunden möchten. „Wir sind<br />
THE RED BULLETIN 55