Einleitung - Österreichische Nationalbibliothek
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<strong>Einleitung</strong> ÖSTERREICHISCHE LITERATURZEITSCHRIFTEN 1945–1990<br />
http://www.onb.ac.at/oe-literaturzeitschriften<br />
Hauptbeiträger unserer lektoralen Ära waren wir selbst“. 25 So sehr die Verantwortlichen der<br />
„neuen wege“ die freie Meinungsäußerung der Jugend auch propagierten, so schwierig war<br />
das Gleichgewicht zwischen der jugendlichen und erwachsenen Sicht zu halten. Zum einen<br />
wurden die jungen Autor(inn)en für ihre triste Sichtweise kritisiert, zum anderen erfreute sich<br />
die Nähe zum Surrealismus, zu Formexperimenten usw. nicht besonders großer Beliebtheit in<br />
der (schulnahen) Öffentlichkeit. Als Bindeglied zwischen den Fronten wurde im Dezember<br />
1950 Friedrich Polakovics zum Assistenten des verantwortlichen Redakteurs Franz Häußler<br />
bestellt.<br />
Innerhalb des Beiträger(innen)kreises war es vor allem Herbert Eisenreich, der dem<br />
experimentellen Umgang mit Sprache äußerst kritisch gegenüberstand. Die internen<br />
Auseinandersetzungen gipfelten 1951 im Ausscheiden von Andreas Okopenko, H.C.<br />
Artmann, René Altmann, Ernst Kein und Hans Weißenborn. Die „neuen wege“ wurden nun<br />
vor allem von jenen bestimmt, deren Literaturbegriff zwar Modernität beanspruchte, aber am<br />
realistischen Gehalt des Erzählens und Dichtens festhielt, unter ihnen Gerhard Fritsch, Walter<br />
Buchebner, Elfriede Gerstl, Marlen Haushofer oder Hans Lebert. Als 1957 wieder Gedichte<br />
von Ernst Kein, konkrete Poesie von Gerhard Rühm und Sprechgedichte von Ernst Jandl<br />
erschienen, brach neuerlich ein Sturm der Empörung los. Nachdem der unbeirrbare Redakteur<br />
Friedrich Polakovics im nächsten Heft nochmals Gedichte von Kein sowie erstmals<br />
Dialektgedichte von Artmann veröffentlichte, verlor er seine Stelle. 26<br />
Die aus dem Arbeitskreis ausgeschiedene Truppe hatte allerdings bereits 1950 – maßgeblich<br />
von H.C. Artmann initiiert – an dem Parallelprojekt „Der Keller“ gearbeitet. 1951 entstand<br />
daraus die erste Avantgardezeitschrift nach dem Krieg, nämlich die „publikationen einer<br />
wiener gruppe junger autoren“ (1951–1957). Neben Andreas Okopenko, der die treibende<br />
Kraft bei der Umsetzung war und schließlich als Herausgeber fungierte, waren es vor allem<br />
die Beiträge von René Altmann, H.C. Artmann, Ernst Jandl, Ernst Kein und Friederike<br />
Mayröcker, die die hektographierte Zeitschrift prägten. Allerdings währte auch dieses Projekt<br />
nicht lange. Im Januar 1953 erschien das vorerst letzte Heft, ehe H.C. Artmann 1957 die<br />
Zeitschrift unter dem Titel „publikationen“ für zwei Ausgaben noch einmal aufleben ließ.<br />
25<br />
Andreas Okopenko: Der Fall „Neue Wege“. Dokumentation gegen und für einen Mythos. In: Literatur und<br />
Kritik (1966), H. 9/10, S. 89–104, hier S. 95.<br />
26<br />
Vgl. dazu auch Daniela Strigl: Die Neuen Wege – Zentralorgan der literarischen Avantgarde? In:„NEUE<br />
WEGE“. 75 Jahre Theater der Jugend in Wien. Hg. von Gerald M. Bauer, Birgit Peter. Wien, Berlin: Lit Verlag<br />
2008, S. 73–86.<br />
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