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Einleitung - Österreichische Nationalbibliothek

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<strong>Einleitung</strong> ÖSTERREICHISCHE LITERATURZEITSCHRIFTEN 1945–1990<br />

http://www.onb.ac.at/oe-literaturzeitschriften<br />

beschworene Selbstbild blieb nicht ohne Wirkung auf die Außensicht, die es teils übernahm<br />

und damit die – zweifellos – herausragende Stellung der „manuskripte“ noch weiter<br />

verfestigte. Der Wunsch nach dem historischen Fußabdruck war z. B. im ersten Heft von 1975<br />

unübersehbar. In seiner ungezeichneten Vorbemerkung schrieb Kolleritsch:<br />

In den Manuskripten erscheinen nur Erstveröffentlichungen. Sie werden für viele wichtige Arbeiten<br />

einmal die Grundlage für die Untersuchung von Textvarianten sein. 32<br />

Im deutlichen Gegensatz zu der Zeitschrift „Literatur und Kritik“, in der Gegenwartsliteratur<br />

in bestimmten Erscheinungsphasen gegenüber der Pflege und Re-Lektüre vorangegangener<br />

Schriftsteller(innen) teils einen schweren Stand hatte, bemühte sich Kolleritsch nur vereinzelt<br />

um ältere Autor(inn)en, wie etwa den steirischen Julius Franz Schütz oder – und dies äußerst<br />

verdienstvoll – den Surrealisten Raoul Hausmann. Ansonsten war Kolleritsch eher in ein Netz<br />

von Gleichaltrigen eingebunden. Ernst Jandl und Friederike Mayröcker gehörten zu den<br />

einflussreichsten Impulsgeber(inne)n der „manuskripte“. Von deren Vermittlung profitierte<br />

Kolleritsch, insbesondere in Bezug auf Oswald Wiener und auf die Wiener Gruppe überhaupt.<br />

Der Herausgeber behielt sich dennoch immer die letzte Entscheidung vor.<br />

An eine Spezifizierung der inhaltlichen Ausrichtung gelangten die „manuskripte“ am<br />

nächsten nicht zufällig im ideologisch aufgeheizten Jahr 1968. In einer „marginalie“ hatte<br />

Kolleritsch geschrieben:<br />

Die Literatur, die jetzt nur mehr politisch agitatorisch sein soll, wird zu leichtfertig angreifbar gemacht,<br />

verliert ihre notwendige Differenziertheit gegenüber der gleichgeschalteten Dummheit, und gibt so die<br />

Aktion einer begründbaren Bewußtseinsveränderung auf. […] Wenn Schneider die Avantgarde<br />

spöttisch angreift, so schneidet er den Ast ab, auf dem er selbst sitzt, weil er nicht begreift, daß ein<br />

konkretes Gedicht heute genauso eine Kampfansage gegen das Establishment ist wie ein ästhetisches<br />

Maoabzeichen. 33<br />

Michael Scharang setzte sich dagegen im nächsten Heft in einem langen Brief für die neue<br />

linke, sozialkritische Literatur im Gefolge der 68er ein. Während sich später auch Elfriede<br />

Jelinek an seine Seite gesellte, vertrat Peter Handke die entgegengesetzte Position:<br />

Außerdem interessiert es mich immer weniger, irgendwie überprüfbar effektiv zu werden, Hauptsache<br />

ich selber mache Erfahrungen beim Schreiben und Machen und dann auch Veröffentlichung [sic!] von<br />

Büchern. 34<br />

32 Manuskripte (1975), H. 46, S. [2].<br />

33 Alfred Kolleritsch: Marginalie. In: manuskripte (1969), H. 25, S. 3. – Bei gesagtem Schneider handelt es sich<br />

um den deutschen Schriftsteller Peter Schneider, der in dem von Hans Magnus Enzensberger verantworteten<br />

„Kursbuch“ die Literatur in den Dienst der Kulturrevolution stellen wollte.<br />

34 Zitiert nach Manuskripte (1969), H. 26, S. 1.<br />

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