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Verschläft das Handwerk die demographische ... - Demotrans

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<strong>Verschläft</strong> <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Herausforderung?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung<br />

des Problemfelds ‚<strong>demographische</strong> Entwicklung‘<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen“<br />

Dokumentation eines Fachgesprächs im Rahmen des Forschungsprojekts<br />

„Altautoproblem lösen und Arbeitsplätze schaffen – zwei Aufgaben, ein Ansatz“ *<br />

am 26. März 2001<br />

im<br />

Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München e.V.<br />

München, März 2002<br />

* Das Projekt ist ein Teil des Projektverbundes „Öffentlichkeits- und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r<br />

Wandel“ und wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem<br />

Förderkennzeichen 01 HH 9901/0 gefördert.


Inhalt<br />

3<br />

1. Einleitung 5<br />

2. Konzept und Ziele des Fachgesprächs 8<br />

3. Ein erstes Meinungsbild: Ist <strong>das</strong> Thema „<strong>demographische</strong>r Strukturwandel“<br />

bereits im <strong>Handwerk</strong> angekommen? 9<br />

4. Das <strong>Handwerk</strong> und seine Beschäftigten – Verlierer des <strong>demographische</strong>n<br />

Umbruchs? – ein Einleitungsreferat 11<br />

5. Fachgespräch 35<br />

Themenkomplex I Handlungsebene Unternehmen: Zwischen Nachwuchsproblemen<br />

und älter werdenden Belegschaften 35<br />

Themenkomplex II Handlungsebene Weiterbildungsanbieter: Von der<br />

Konzentration auf <strong>die</strong> Qualifizierung jüngerer zur<br />

stärkeren Berücksichtigung älterer Arbeitnehmer 43<br />

Themenkomplex III Handlungsebene Betriebsberatung: Statt kurzfristiger<br />

Problemlösungen – Einstieg in eine gezielte Personalentwicklung:<br />

ein Beitrag der Betriebsberatung im<br />

<strong>Handwerk</strong> zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n<br />

Strukturwandels? 47<br />

Themenkomplex IV Handlungsebene Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes:<br />

Präventiver Gesundheitsschutz und<br />

gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung – ein wichtiger<br />

Ansatz zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Wandels<br />

im <strong>Handwerk</strong>? 51<br />

Themenkomplex V Handlungsebene Verbände und Organisationen des<br />

<strong>Handwerk</strong>s und seiner Beschäftigten: Verbände als<br />

Multiplikatoren der Vermittlung des Problems und<br />

Impulsgeber für notwendige Anpassungsmaßnahmen 56<br />

Themenkomplex VI Handlungsebene <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n: Meist noch<br />

geringer Problemdruck und doch schon hoher Handlungsbedarf<br />

– wie „verkauft“ man den <strong>demographische</strong>n<br />

Umbruch im <strong>Handwerk</strong>? 59<br />

6. Resümee 63<br />

Anlagen: Teilnehmerliste<br />

Fragenkatalog


1. Einleitung<br />

5<br />

Das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten ständig angestiegen,<br />

zugleich werden <strong>die</strong> nachrückenden Jahrgänge immer kleiner. In der Folge altern<br />

<strong>die</strong> Erwerbsbevölkerung und damit <strong>die</strong> Belegschaften in den Betrieben noch rascher.<br />

Daraus resultiert eine Fülle von Problemen: bei der Altersversorgung, im Gesundheitssystem<br />

und nicht zuletzt bei der Versorgung mit Arbeitskräftenachwuchs. Einiges<br />

spricht dafür, <strong>das</strong>s viele Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s gerade vom zuletzt genannten<br />

Aspekt überdurchschnittlich betroffen sein werden:<br />

• So wird es den vielen <strong>Handwerk</strong>sbetrieben mit vergleichsweise schwacher Arbeitsmarktposition<br />

in Zukunft schwerer fallen, in der Konkurrenz mit der Industrie<br />

und den alten und neuen Dienstleistungsbranchen aus den kleiner werdenden<br />

Nachwuchsjahrgängen qualifizierte Kräfte im gewünschten Umfang zu rekrutieren.<br />

• Damit dürfte es kaum mehr möglich sein, weit über den rechnerischen Eigenbedarf<br />

hinaus auszubilden, so wie es bislang für weite Teile des <strong>Handwerk</strong>s charakteristisch<br />

war.<br />

• Wenn zugleich <strong>die</strong> bisher verbreitete Abwanderung vor allem jüngerer Arbeitskräfte<br />

aus dem <strong>Handwerk</strong> in andere Wirtschaftsbereiche aufgrund des dort rückläufigen<br />

Personalbedarfs und des sich verändernden Qualifikationsbedarfs in <strong>die</strong>sen<br />

Wirtschaftszweigen weiter zurückgeht, ist ein erheblicher Anstieg des Durchschnittsalters<br />

der Belegschaften kaum zu vermeiden. <strong>Handwerk</strong>sbetriebe werden also<br />

in Zukunft mit einem steigenden Anteil älterer Mitarbeiter konfrontiert sein.<br />

Darauf sind jedoch <strong>die</strong> meisten, eher an überdurchschnittlich junge Belegschaften<br />

gewohnten <strong>Handwerk</strong>sbetriebe personalpolitisch kaum vorbereitet.<br />

In den Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s scheint <strong>das</strong> Problembewusstsein hinsichtlich der<br />

langfristigen Folgen des <strong>demographische</strong>n Umbruchs für <strong>die</strong> Arbeitswelt noch kaum<br />

entwickelt. Dies ist überaus fatal, weil <strong>die</strong> Weichen für eine erfolgreiche, zukunftsweisende<br />

Strategie zur Lösung der mit der <strong>demographische</strong>n Entwicklung einhergehenden<br />

Probleme bei der Arbeitskräfteversorgung im <strong>Handwerk</strong> früh gestellt werden müssen.<br />

Marktmächtige und ertragsstarke Unternehmen können eine jugendzentrierte Personalpolitik<br />

trotz der Verknappung der Nachwuchsjahrgänge fortsetzen, wenn sie bereit sind,<br />

dafür einen höheren Preis (in Form höherer Ausbildungsvergütungen oder sonstiger<br />

Vergünstigungen) zu zahlen. Die allermeisten <strong>Handwerk</strong>sbetriebe dagegen sind nicht in<br />

der Lage, in <strong>die</strong>sem Wettbewerb um den knapper werdenden Nachwuchs mitzuhalten.<br />

Für sie liegen <strong>die</strong> Chancen vor allem darin, <strong>die</strong> Reserven der vorhandenen (und älter<br />

werdenden) Belegschaften zu mobilisieren, zu entwickeln und optimal zu nutzen mit<br />

dem Ziel, Arbeit im <strong>Handwerk</strong> unter Anknüpfung an <strong>die</strong> positiven Potenziale wieder zu<br />

einer langfristig attraktiven Perspektive zu machen. Sofern <strong>die</strong>s gelingt, ist <strong>das</strong> zugleich<br />

der beste Ansatz, <strong>die</strong> Konkurrenzposition des <strong>Handwerk</strong>s auf dem Arbeitsmarkt allgemein<br />

und speziell bei der Versorgung mit Auszubildenden zu verbessern.


Ansatzpunkte hierzu sind u.a.:<br />

6<br />

• eine zukunftsweisende Arbeitsgestaltung (d.h. nicht zuletzt „altersgerechte“ Gestaltung<br />

der Arbeitsplätze) und vorbeugender Gesundheitsschutz;<br />

• verstärkte Anstrengungen zur Gewinnung möglichst Motivierter und gut Qualifizierter<br />

vor allem durch ein bedarfsorientiertes Ausbildungsvolumen und damit verbundene<br />

gute Chancen der Übernahme nach der Gesellenprüfung, anstelle des<br />

kaum mehr erfolgversprechenden Versuchs, durch Ausbildung über den rechnerischen<br />

Bedarf eine ausreichende Arbeitskräfteversorgung zu gewährleisten;<br />

• <strong>die</strong> Schaffung innerbetrieblicher Aufstiegsmöglichkeiten und einer betrieblichen<br />

Laufbahnplanung;<br />

• <strong>die</strong> Intensivierung der Weiterbildungsanstrengungen und Beteiligung älterer Mitarbeiter<br />

durch Schaffung altersgerechter Qualifizierungsangebote (arbeitsbegleitendes<br />

Lernen);<br />

• <strong>die</strong> Förderung des Generationen übergreifenden Erfahrungsaustauschs und der Zusammenarbeit<br />

etc.;<br />

• <strong>die</strong> Erschließung der Beschäftigungsreserve „Frauen“ oder <strong>die</strong> gezielte Heranführung<br />

von ausländischen Mitbürgern an <strong>Handwerk</strong>sberufe.<br />

Ob <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Herausforderung für eine solche grundlegende Neuorientierung<br />

genutzt wird oder ob nur scheinbar nahe liegende, langfristig aber kaum funktionierende<br />

Ausweichlösungen gesucht werden (etwa <strong>die</strong> Lösung des Nachwuchsproblems durch<br />

Import von Auszubildenden aus Osteuropa), wird davon abhängen, inwieweit es gelingt,<br />

<strong>das</strong> gesamte <strong>Handwerk</strong> – also Betriebsinhaber, Beschäftigte und ihre Vertretungen sowie<br />

<strong>die</strong> Organisationen und unterstützenden Institutionen des <strong>Handwerk</strong>s – für <strong>die</strong><br />

Thematik zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Mit dem 1999 begonnenen Forschungsprogramm<br />

„Öffentlichkeits- und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r Wandel“<br />

will <strong>das</strong> Bundesministerium für Bildung und Forschung (bmb+f) Unternehmen und<br />

Wirtschaft rechtzeitig auf <strong>die</strong> Folgen der <strong>demographische</strong>n Entwicklung für Betriebe<br />

und Arbeitsmarkt aufmerksam machen. Darüber hinaus sollen praktische Lösungen und<br />

Handlungshilfen zur Bewältigung betrieblicher Altersstrukturprobleme, wie sie im<br />

Rahmen des seit 1994 bestehenden Förderschwerpunkts „Demographische Entwicklung"<br />

erarbeitet und erprobt wurden, den Betrieben und wichtigen Multiplikatoren in<br />

der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt (Berater, Fachverbände, Arbeitsverwaltungen,<br />

Qualifizierungsanbieter) etc. nahe gebracht werden. Die Sensibilisierung und <strong>die</strong> Bereitstellung<br />

von Lösungskonzepten können allerdings nur dann in den Unternehmen etwas<br />

bewegen, wenn <strong>die</strong> Transferstrategien passgenau auf <strong>die</strong> Rahmenbedingungen der jeweiligen<br />

Zielgruppe zugeschnitten sind.


7<br />

Gerade im <strong>Handwerk</strong> bestehen jedoch spezifische Barrieren, aber auch Chancen, für eine<br />

breite Thematisierung und Bearbeitung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“:<br />

• Noch behindert <strong>die</strong> sehr verbreitete, gerade in den letzten Jahren wegen des Lehrstellenmangels<br />

verstärkte Praxis der Überausbildung oftmals <strong>die</strong> Wahrnehmung des<br />

Problems. Diese Überausbildung hat, zusammen mit der durch sie begünstigten<br />

Abwanderung aus dem <strong>Handwerk</strong> zur Folge, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Belegschaften oft noch sehr<br />

jung sind. Die Alterung aber ist im vollen Gange, und es wird aufgrund der <strong>demographische</strong>n<br />

Entwicklung keinen Weg zurück zur bisherigen Praxis geben können.<br />

• Auch <strong>die</strong> Tatsache, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Betriebsinhaber häufig selbst vergleichsweise alt sind<br />

und oft <strong>die</strong> Frage der Betriebsübergabe ungelöst im Raum steht, ist für einen aufgeschlossenen<br />

Umgang mit der Thematik kaum förderlich. Hinzu kommen <strong>die</strong> meist<br />

kaum vorhandenen oder zumindest sehr eingeschränkten Planungsressourcen sowie<br />

<strong>das</strong> weitgehende Fehlen von Personalplanung und -entwicklung. Vorbeugendes<br />

Handeln findet daher kaum statt.<br />

• Andererseits gibt es im Bereich des <strong>Handwerk</strong>s ein dichtes Netz von handwerksbezogenen<br />

Institutionen und handwerksnahen Unterstützungsstrukturen und damit eigentlich<br />

günstige Voraussetzungen, Themen in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> „hineinzutragen“.<br />

Dabei könnte <strong>die</strong> institutionelle Besonderheit des <strong>Handwerk</strong>s, <strong>die</strong> darin besteht,<br />

<strong>das</strong>s auch <strong>die</strong> Arbeitnehmerseite an der Selbstverwaltung des <strong>Handwerk</strong>s beteiligt<br />

ist, zum Vorteil aller Beteiligten dafür genutzt werden, auch <strong>die</strong> Beschäftigten in<br />

gemeinsame Initiativen zur zukunftsträchtigen Bewältigung des <strong>demographische</strong>n<br />

Wandels einzubinden.<br />

Wie ein Konzept aussehen könnte, <strong>das</strong> im ersten Schritt <strong>das</strong> Thema „<strong>demographische</strong>r<br />

Umbruch“ und daraus erwachsende Handlungsanforderungen für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> „zielgruppengerecht“<br />

aufbereitet, und dann in einem weiteren Schritt den handelnden Personen<br />

und Institutionen <strong>die</strong> geeigneten Werkzeuge zur Umsetzung der oben skizzierten<br />

Zielvorstellungen an <strong>die</strong> Hand gibt, war Thema eines Fachgesprächs, <strong>das</strong> am Institut für<br />

Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF München) e.V. durchgeführt wurde. Dieses<br />

Fachgespräch fand im Rahmen des Teilvorhabens “Altautoprobleme lösen und Arbeitsplätze<br />

schaffen – zwei lohnende Aufgaben, ein Ansatz“ im Forschungsprogramm „Öffentlichkeits-<br />

und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r Wandel“ am 26. März 2001<br />

statt, dessen Verlauf und Ergebnisse hiermit dokumentiert werden.<br />

Wir – <strong>das</strong> Forschungsteam – möchten an <strong>die</strong>ser Stelle allen Teilnehmern des Fachgesprächs,<br />

<strong>die</strong> ihre Erfahrungen eingebracht und engagiert mitdiskutiert haben, danken.<br />

Die Dokumentation der lebhaften und z.T. auch kontroversen Diskussionen möge dazu<br />

beizutragen, bei den Teilnehmern und anderen interessierten oder motivierbaren Akteuren<br />

im Bereich des <strong>Handwerk</strong>s <strong>die</strong> Bereitschaft zu wecken, sich weiter für eine konstruktive<br />

Bewältigung der Herausforderungen des <strong>demographische</strong>n Wandels im <strong>Handwerk</strong><br />

zu engagieren und einen breiten Thematisierungs- und Mobilisierungsprozess in<br />

Gang zu setzen.


2. Konzept und Ziele des Fachgesprächs<br />

Die Veranstaltung sollte Aufschluss darüber erbringen,<br />

8<br />

• wie <strong>die</strong> Folgen, <strong>die</strong> der <strong>demographische</strong> Wandel für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> mit sich bringt,<br />

aufbereitet und dargestellt werden können, um ein entsprechendes Problembewusstsein<br />

bei den Unternehmen und ihren Beschäftigten zu fördern;<br />

• wie <strong>die</strong> Handlungsanforderungen, <strong>die</strong> sich aus dem Strukturbruch ergeben, formuliert<br />

werden können, damit sie von den Unternehmen und Organisationen des<br />

<strong>Handwerk</strong>s wahrgenommen, aufgegriffen und umgesetzt werden.<br />

Zielgruppe der Veranstaltung waren daher Experten aus dem <strong>Handwerk</strong> oder „handwerksumgebenden“<br />

Institutionen, <strong>die</strong> aus jeweils spezifischer Perspektive oder in bestimmter<br />

Funktion als Multiplikator auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlicher<br />

Weise in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> hinein wirken können (s. beiliegendes Teilnehmerverzeichnis).<br />

Die Veranstaltung wurde als Fachgespräch konzipiert, da <strong>die</strong>se Form nach unseren Erfahrungen<br />

den Anforderungen des Gegenstands und den Interessen der Teilnehmer besser<br />

gerecht wird als etwa eine „klassisch“ organisierte Tagung mit einem hohen Anteil<br />

an Referaten, <strong>die</strong> zudem großen Vorbereitungsaufwand erfordern und oft wenig Raum<br />

für Diskussionen lassen. Viel wichtiger als in breitem Umfang Ergebnisse zu vermitteln<br />

war es u.E., <strong>das</strong> vorhandene Know-how und <strong>die</strong> praktischen Erfahrungen der Teilnehmer<br />

zu aktivieren und im Dialog auszutauschen.<br />

Zur Strukturierung wurde <strong>das</strong> umfangreiche Problemfeld <strong>demographische</strong>r Wandel nach<br />

sechs Themenkomplexen bzw. Handlungsebenen aufgegliedert. Zu <strong>die</strong>sen Handlungsfeldern<br />

wurden einschlägige Fragen formuliert (siehe Anlage Fragenkatalog), <strong>die</strong> den<br />

„zuständigen“ Experten vor der Tagung übermittelt wurden. Nach einer kurzen Bestandsaufnahme<br />

der derzeitigen Wahrnehmung der Demographieproblematik im <strong>Handwerk</strong><br />

und einer Einführung in <strong>die</strong> Thematik (siehe 3. und 4.) lief <strong>das</strong> Fachgespräch in<br />

Form einer eine zielgerichtete Befragung der anwesenden Experten ab, und an <strong>die</strong> sich<br />

jeweils eine Diskussionsrunde im Plenum anschloss (siehe 5.).<br />

Da <strong>die</strong> Dialogform eines Fachgesprächs eine überschaubare Teilnehmerzahl voraussetzt,<br />

war es bei weitem nicht möglich, alle für <strong>die</strong> Thematik in Betracht kommenden Experten<br />

einzubeziehen. Daher kann selbstverständlich weder für <strong>die</strong> Zusammensetzung der Teilnehmer<br />

noch für <strong>die</strong> Ergebnisse des Fachgesprächs der Anspruch erhoben werden, repräsentativ<br />

für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>, seine Organisationen, Betriebe und Beschäftigten zu sein.<br />

Darauf kam es bei <strong>die</strong>ser Veranstaltung aber auch nicht an. Ziel war es vielmehr, weitergehende<br />

Transferaktivitäten anzustossen und <strong>die</strong> Teilnehmer und Multiplikatoren dafür zu<br />

gewinnen, den in vollem Gang befindlichen <strong>demographische</strong>n Wandel breiter und


9<br />

schneller im <strong>Handwerk</strong> zu thematisieren und in ihrem Handlungsfeld als „Makler“ für <strong>die</strong><br />

rechtzeitige Weichenstellung notwendiger Maßnahmen tätig zu werden.<br />

3. Ein erstes Meinungsbild: Ist <strong>das</strong> Thema „<strong>demographische</strong>r Strukturbruch“<br />

bereits im <strong>Handwerk</strong> angekommen?<br />

Um in <strong>die</strong> Thematik einzustimmen, wurden <strong>die</strong> Teilnehmer zu Beginn des Fachgesprächs<br />

gebeten, folgende Fragen spontan zu beantworten:<br />

Ist Ihrer Erfahrung nach der <strong>demographische</strong> Strukturwandel im <strong>Handwerk</strong><br />

ein Thema?<br />

I. Wenn nein:<br />

Welcher der folgenden Aussagen stimmen Sie am ehesten zu:<br />

1. Weil <strong>das</strong> Problem in Wirklichkeit eher ein kleines ist und stark aufgebauscht wird.<br />

2. Weil andere, als dringender angesehene Probleme im Vordergrund stehen.<br />

3. Weil <strong>die</strong> meisten Betriebsinhaber und Beschäftigten sich nach dem Motto<br />

„Schuster bleib’ bei deinen Leisten“ für solche Fragen nicht interessieren.<br />

4. Weil man davon ausgeht, <strong>das</strong>s es nicht so schlimm kommen wird und andere<br />

<strong>das</strong> Problem schon lösen werden („Schauen wir mal, dann sehen wir schon“).<br />

Erwarten Sie, <strong>das</strong>s Demographie dennoch in absehbarer Zeit ein Thema wird?<br />

II. Wenn ja:<br />

1. Seit wann ist Demographie ein Thema?<br />

2. Wo wird darüber bereits im <strong>Handwerk</strong> diskutiert?<br />

3. Steigt der Stellenwert in jüngster Zeit an und erwarten Sie, <strong>das</strong>s er weiter wächst?<br />

4. Oder rechnen Sie damit, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Debatte rasch wieder einschläft?<br />

5. Wie ist <strong>das</strong> Thema Demographie bislang ins <strong>Handwerk</strong> gekommen?<br />

• von außen (z.B. durch Politik, Me<strong>die</strong>n, Wissenschaft)<br />

• von innen aufgrund bereits aufgetretener Probleme und eigener<br />

Befassung und Analyse der kommenden Engpässe<br />

Das Ergebnis<br />

Nur zwei der Teilnehmer hatten den Eindruck, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung<br />

im <strong>Handwerk</strong> noch nicht thematisiert wird, wobei betriebliche und branchenspezifische<br />

Erfahrungshintergründe als ausschlaggebend angesehen wurden:<br />

• Demographie wird auf der Ebene der Betriebe erst zum Problem, wenn der Betrieb<br />

unmittelbar betroffen ist: Solange er genügend Auszubildende und Fachkräfte bekommt,<br />

wird <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung kaum problematisiert. Die <strong>Handwerk</strong>sbetriebe<br />

denken nicht langfristig.


10<br />

• Demographie ist nur eines von vielen Problemen, von denen manche handwerkliche<br />

Branchen existenziell bedroht sind – hier wurde auf <strong>die</strong> im Kfz-Gewerbe aktuell<br />

bestehende Gefährdung vieler Betriebe durch <strong>die</strong> sog. „Bereinigung der Händlernetze“<br />

durch <strong>die</strong> Automobilhersteller verwiesen. Erst wenn <strong>die</strong> grundsätzlichen<br />

Überlebensperspektiven der Branche gesichert sind, werde der Blick frei auf <strong>die</strong><br />

Problematik des <strong>demographische</strong>n Wandels.<br />

Überwiegend hatten <strong>die</strong> Teilnehmer jedoch den Eindruck, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Thema Demographie<br />

inzwischen im <strong>Handwerk</strong> „angekommen“ sei, allerdings mit deutlichen Einschränkungen:<br />

• So meinten einige Teilnehmer, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Thematik zwar inzwischen von den Verbänden<br />

des <strong>Handwerk</strong>s, den Kammern und Innungen durchaus aufgegriffen, auf der<br />

Ebene der Betriebe aber noch nicht wahrgenommen werde. D.h., hier bestehe seitens<br />

der Institutionen des <strong>Handwerk</strong>s noch erheblicher Aufklärungsbedarf.<br />

• Demographische Probleme würden vom <strong>Handwerk</strong> vor allem unter dem Aspekt der<br />

Nachwuchssicherung wahrgenommen. Das <strong>Handwerk</strong> sei nicht zum erstenmal mit<br />

dem Problem geburtenschwacher Nachwuchsjahrgänge konfrontiert, doch <strong>die</strong> mit<br />

dem <strong>demographische</strong>n Strukturbruch verbundene, völlig andere Dimension der<br />

Problematik werde noch nicht erkannt. Weit weniger Sensibilität bestehe außerdem<br />

hinsichtlich des Alterns der Belegschaften.<br />

• Inhaber von <strong>Handwerk</strong>sbetrieben sähen sich vor allem im Zusammenhang mit der<br />

Frage der Nachfolge und Übergabe des Betriebs mit der Demographieproblematik<br />

konfrontiert. Dagegen würden sie oft davon ausgehen, <strong>das</strong>s aufseiten der Mitarbeiter<br />

auch in Zukunft ausreichend junge Nachwuchskräfte zur Verfügung stehen werden.<br />

An <strong>die</strong>sem Widerspruch müssten Transferaktivitäten anknüpfen.<br />

• Der <strong>demographische</strong> Wandel spiegle sich im älter Werden der Kundschaft. Dies<br />

könne ein geeigneter Ansatzpunkt für <strong>das</strong> Marketing des Problems Demographie im<br />

<strong>Handwerk</strong> sein, sozusagen über den Umweg: „Guckt euch mal eure Kundschaft an,<br />

heute und in zehn Jahren! Stellt euch darauf ein und erschließt euch damit neue<br />

Märkte!“<br />

Die in <strong>die</strong>ser ersten Bestandsaufnahme gesammelten Aspekte zur Wahrnehmung der<br />

Demographieproblematik im <strong>Handwerk</strong> wurden im Verlauf der Diskussion wieder aufgegriffen.


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

4. Das <strong>Handwerk</strong> und seine Beschäftigten – Verlierer des <strong>demographische</strong>n Umbruchs?<br />

Einleitungsbeitrag<br />

„DER DEMOGRAPHISCHE UMBRUCH –AUSWIRKUNGEN UND HERAUSFORDERUNGEN FÜR<br />

DAS HANDWERK“<br />

Thesen und Informationen


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

12<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Der <strong>demographische</strong> Strukturbruch –<br />

Folgen für <strong>die</strong> Arbeitswelt noch immer weit unterschätzt<br />

1994:<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung richtet Förderschwerpunkt „Demographischer Wandel<br />

und Zukunft der Erwerbsarbeit am Standort Deutschland“ ein. 1995/1996 werden fünf Verbund-<br />

Forschungsvorhaben auf den Weg gebracht:<br />

Verbund I: Arbeits- und Innovationspotentiale im Wandel<br />

INIFES – Stadtbergen, ISF München und SÖSTRA – Berlin.<br />

Verbund II: Zukunftsfähige Anforderungen und Strategien im <strong>Handwerk</strong><br />

Zukunftswerkstatt der <strong>Handwerk</strong>skammer Hamburg, Fh Niederrhein-Mönchengladbach<br />

und ISF München.<br />

Verbund III: Begrenzte Tätigkeitsdauer und neue Arbeitszeitmodelle für Ältere<br />

ISO – Saarbrücken, ISIS – Frankfurt, Forschungsgesellschaft für Gerontologie – Dortmund<br />

und Zentrum für Sozialpolitik – Bremen.<br />

Verbund IV: Innovation bei veränderten Altersstrukturen<br />

FhG-IAO – Stuttgart, TU Chemnitz und BTU Cottbus.<br />

Verbund V: Innovation, Belegschaftsstrukturen und Altern im Betrieb<br />

GfAH – Dortmund, ISO - Saarbrücken, VDI/VDE IT – Teltow, TU Hamburg-Harburg, FH Neu-Brandenburg,<br />

a&o Research – Berlin, HDZ – Aachen.<br />

Weitere Infos unter: www.demotrans.de


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

13<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Warum ein Forschungsschwerpunkt „Demographischer Wandel und Zukunft<br />

der Erwerbsarbeit am Standort Deutschland“?<br />

➠ Der bevölkerungspolitische Umbruch ist in vollem Gange – auch wenn <strong>das</strong> vielfach<br />

noch nicht bemerkt wird.<br />

♦ Die Geburtenzahlen gehen laufend zurück, <strong>die</strong> Menschen werden – bislang zumindest – immer<br />

älter.<br />

♦ Die ins Erwerbsleben eintretenden Jahrgänge werden kleiner.<br />

♦ Das Durchschnittsalter der Belegschaften wird steigen.<br />

♦ Engpässe bei der Versorgung mit Nachwuchs sind absehbar.


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

Anzahl<br />

1600,0<br />

1400,0<br />

1200,0<br />

1000,0<br />

800,0<br />

600,0<br />

400,0<br />

200,0<br />

0,0<br />

1<br />

5<br />

9<br />

Alter<br />

13<br />

Quelle: INIFES, Stadtbergen<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

14<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Bevölkerung nach Altersgruppen 1997<br />

17<br />

21<br />

25<br />

29<br />

33<br />

37<br />

41<br />

45<br />

49<br />

53<br />

57<br />

61<br />

65<br />

69<br />

73<br />

77<br />

81<br />

85<br />

89<br />

93


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

15<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Bevölkerung nach Altersgruppen in Deutschland<br />

1960 - 2040<br />

über 64<br />

55 - 64<br />

45 - 54<br />

35 - 44<br />

25 - 34<br />

bis 14 Jahre<br />

1960 1980 1996 2000 2010 2020 2030 2040<br />

Quelle: INIFES, Stadtbergen<br />

15 - 24<br />

}-7 Mio. / -1/3


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

Projektion: Altersstruktur des Erwerbspersonenpotentials<br />

in Deutschland 1996 bis 2040<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

52%<br />

25%<br />

23%<br />

1996<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

16<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

30- bis 49- jährig<br />

50 Jahre und älter<br />

15- bis 29- jährig<br />

2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040<br />

(Quelle: Fuchs/ Thon: Nach 2010 sinkt <strong>das</strong> Angebot an Arbeitskräften, IAB-Kurzbericht<br />

48%<br />

30%<br />

22%


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

Trotz absehbarer Alterung:<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

17<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Die Personalpolitik der meisten Unternehmen ist immer noch ausgesprochen<br />

jugendzentriert – warum?<br />

♦ Es gab und gibt noch immer vielfältige Chancen, Ältere möglichst früh in den Ruhestand<br />

zu schicken.<br />

♦ Daher ist es auch nicht zwingend erforderlich, Arbeitsplätze altersgerecht zu gestalten.<br />

♦ Diese „Rezepte“ stoßen an Grenzen und werden sehr bald nicht mehr funktionieren können.<br />

♦ Wir werden noch lange mit dadurch ausgelösten massiven „Spätfolgen“ zu kämpfen haben.


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

18<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Ein umfassendes Umdenken ist daher unumgänglich<br />

♦ nicht nur bei Unternehmen sondern z.B. auch<br />

♦ bei den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer,<br />

♦ bei den Verbänden,<br />

♦ den Sozialversicherungsträgern,<br />

♦ Berufsgenossenschaften,<br />

♦ der Arbeitsverwaltung,<br />

♦ bei Bildungsträgern und<br />

♦ den auf den verschiedenen Ebenen politisch Verantwortlichen.


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

19<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Das <strong>Handwerk</strong> und seine Beschäftigten – <strong>die</strong> großen Verlierer<br />

des <strong>demographische</strong>n Umbruchs?<br />

ZUR ENTWICKLUNG DER ARBEITSKRÄFTEVERSORGUNG IM HANDWERK<br />

Klagen über eine unzulängliche Arbeitskräfteversorgung im <strong>Handwerk</strong><br />

♦ sind nicht zum ersten Mal zu hören,<br />

♦ sondern kehren in gewissen Abständen immer wieder<br />

Zwei Hauptaspekte<br />

♦ qualitative Dimension:<br />

Soweit es überhaupt gelingt, <strong>die</strong> gewünschten qualifizierten und motivierten Arbeitskräfte<br />

zu gewinnen, scheitert häufig der Versuch sie dauerhaft ans <strong>Handwerk</strong> zu binden.<br />

♦ quantitative Dimension:<br />

Die Zahl der Fachkräfte ist zu gering,<br />

♦ weil <strong>die</strong> Zahl der Ausgebildeten überhaupt zu gering ist und/oder<br />

♦ weil es zu Abwanderung von ausgelernten Gesellen kommt.


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

Ursachen der Probleme<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

20<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

♦ Demographische Umbrüche (weniger Junge, mehr Ältere) werden wesentlich zur Verschärfung<br />

der Situation beitragen<br />

♦ Sie sind aber – zumindest bislang - nicht <strong>die</strong> hauptsächliche Ursache der Schwierigkeiten<br />

Entscheidend ist vielmehr:<br />

Die schwache Position großer Teile des <strong>Handwerk</strong>s auf dem Arbeitsmarkt<br />

Arbeitskraftnachfrager (Unternehmen) bilden eine Schlange und kommen je nach ihrem Platz<br />

(also gemäß ihrer „Arbeitsmarktposition“) zum Zuge:<br />

Wer <strong>die</strong> (vermeintlich oder tatsächlich) attraktivsten Arbeitsplätze anbietet, hat <strong>die</strong> größte Auswahl.<br />

Daher:<br />

♦ Auch ausgeprägte generelle Arbeitskräfteknappheit trifft nicht alle Unternehmen gleich.<br />

♦ Aber auch bei quantitativem Überangebot können qualitative Engpässe (z.B. bei der<br />

Versorgung mit motivierten Auszubildenden mit höheren Schulabschlüssen oder mit Arbeitskräften<br />

mit modernen Abschlüssen) auftreten.<br />

♦ Arbeitskraftnachfrager „am Ende der Schlange“ sind davon weit überproportional betroffen.<br />

♦ Es gibt dabei massive regionale und branchenbezogene Unterschiede.


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VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

21<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Ursachen der Probleme der Arbeitskräfteversorgung im <strong>Handwerk</strong><br />

Vorab:<br />

♦ „Das <strong>Handwerk</strong>“ im Sinne eines einheitlichen Wirtschaftszweigs mit hochgradig homogener<br />

Struktur gibt es nicht.<br />

♦ Die ca. 600.000 Betriebe haben höchst unterschiedliche Rahmenbedingungen und<br />

Voraussetzungen:<br />

� ca. 100 verschiedene Gewerke und dazugehörige „Produktmärkte“<br />

� starke regionale Unterschiede<br />

� Betriebsgrößen von 1 bis weit über 1.000 Beschäftigte.<br />

Aber:<br />

Bei der Arbeitskräfteversorgung kann man vielleicht noch am ehesten von Problemen<br />

„des <strong>Handwerk</strong>s“ - oder jedenfalls wesentlicher Teile - sprechen.


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VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

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Fachgespräch<br />

22<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Charakteristisch für <strong>die</strong> Nachkriegsperiode im <strong>Handwerk</strong><br />

♦ Eine gegenüber Industrie und Dienstleistungssektor schwächere Arbeitsmarktposition<br />

(weit hinten in der „Schlange“).<br />

♦ Die eigene Ausbildung ist der einzig wirklich bedeutender Weg der Rekrutierung:<br />

♦ 84 % der im <strong>Handwerk</strong> Beschäftigten wurden auch dort ausgebildet,<br />

♦ in der Industrie sind es nur 54 % und<br />

♦ im öffentlichen Dienst sogar nur 41 %. 1<br />

Demographische Veränderungen machten sich im <strong>Handwerk</strong> daher stets am direktesten bei der<br />

Versorgung mit Auszubildenden bemerkbar.<br />

1 Mendius, Hans Gerhard, unter Mitarbeit von Braun, Stefan; Heidling, Eckhard; Jau<strong>das</strong>, Joachim: Betriebliche Personalpolitik und Ausgliederungsprozesse.<br />

In: Bericht der Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern. Material- und Analyseband der wissenschaftlichen Projektgruppe,<br />

hrsg. v. Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen & Gesundheit, München 1999, S. 187-236.


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2<br />

3<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

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Fachgespräch<br />

23<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Ausbildungsleistungen weit über dem eigenen Bedarf – Seit langem im <strong>Handwerk</strong><br />

verbreitet:<br />

Das <strong>Handwerk</strong> als „Arbeitskräftelieferant“ für andere Wirtschaftszweige<br />

♦ 29,4 % der in der Industrie und<br />

♦ 23 % der im öffentlichen Dienst Tätigen haben ihre Ausbildung im <strong>Handwerk</strong> gemacht.<br />

♦ Verloren gingen dem <strong>Handwerk</strong> nicht zuletzt besser qualifizierte Arbeitskräfte, <strong>die</strong> es<br />

gerne gehalten hätte.<br />

♦ Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt haben daran nichts Grundlegendes geändert. 2<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 3<br />

60% der Befragten halten es für wahrscheinlich oder sogar sehr wahrscheinlich, daß <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />

auch in Zukunft etwa <strong>das</strong> Doppelte des rechnerischen Bedarfs ausbilden wird.<br />

Vgl. Mendius, Schütt, Weimer: Umfassender Strukturwandel mit alternden Belegschaften..., München 2001.<br />

Vgl. www.isf-muenchen.de.


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Schlußfolgerung<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

24<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

<strong>Handwerk</strong>sunternehmen müssen ihre Position auf dem Arbeitsmarkt ohne<strong>die</strong>s<br />

aktiv verbessern - durch <strong>die</strong> Demographische Veränderungen steigt <strong>die</strong><br />

Dringlichkeit zusätzlich.<br />

Ansatzpunkte :<br />

♦ verbesserte Bezahlung und<br />

♦ bessere Arbeitsbedingungen,<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: Mindestens 2/3 der Befragten – bezogen auf einzelne<br />

Gewerke z.T. noch weit mehr - sehen noch Handlungsbedarf in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz.<br />

♦ Autonomiespielräume, Aufstiegschancen und höhere Sicherheit der Beschäftigung;<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 90% rechnen für <strong>die</strong> Beschäftigten mit mehr eigenverantwortlicher<br />

Wahrnehmung von Aufgaben, 2/3 mit stärkerer Beteiligung an Entscheidungen.<br />

♦ Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze und<br />

♦ stärkere Orientierung auf den Einsatz weiblicher Arbeitskräfte;<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: über 50% glaubt nicht an <strong>die</strong>se Entwicklung, ¾ fänden<br />

sie aber wünschenswert.


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VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

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Fachgespräch<br />

25<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Stärkung der Position von <strong>Handwerk</strong>sunternehmenauf dem Arbeitsmarkt:<br />

Trotz einiger Verbesserungen noch erheblicher Nachholbedarf z.B.<br />

♦ bezüglich der Schaffung von Qualifizierungs- und Aufstiegsmöglichkeiten<br />

♦ bei der Aufwertung und „Ausdehnung“ des „großen Befähigungsnachweises“ auch<br />

als Voraussetzung für innerbetriebliche Führungsaufgaben von einiger Bedeutung.


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VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

26<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Eine zukunftsfähige Politik der Arbeitskräfteversorgung sollte daher<br />

♦ Die Ausbildung zahlenmäßig stärker am mittelfristigen Bedarf ausrichten.<br />

HIERZU ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 82% erwarten <strong>das</strong>, aber nur 57% halten es für<br />

wünschenswert<br />

♦ Zugleich versuchen, möglichst motivierte und qualifizierte Auszubildende zu gewinnen.<br />

HIERZU ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 64% gehen davon aus, daß auch künftig <strong>die</strong> Auszubildenden<br />

in der Regel Haupt oder Realschulabschluß haben werden.<br />

♦ Entsprechende betriebliche (Personal-)Entwicklungsperspektiven bieten.<br />

HIERZU ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 71% hielten Aktivitäten zur Laufbahngestaltung für<br />

wünschenswert, für wahrscheinlich erachten sie aber nur 28%.<br />

♦ Und damit den Abfluß qualifizierter Fachkräfte wirksam bremsen<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 80% gehen davon aus, daß sich <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> bemüht<br />

erfahren ältere Arbeitskräfte im Betrieb zu halten – sogar 91 halten es für wünschenswert<br />

Solche Ansätze bilden aber bislang eher <strong>die</strong> Ausnahme:<br />

Viele <strong>Handwerk</strong>sunternehmen richten <strong>das</strong> Ausbildungsvolumen noch immer aus:<br />

♦ nach den betrieblichen Möglichkeiten, Ausbildung durchzuführen und vor allem<br />

♦ an den skizzierten Erfahrungen mit Abwanderung und daraus resultierenden Engpässen;<br />

♦ nach den erwarteten Kosten-Ertragsrelationen der Ausbildung;<br />

♦ auf Grund von Appellen, Ausbildungsplätze bereitzustellen.


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VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

Die derzeitige - unbefriedigende - Situation<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

27<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

♦ Viele Absolventen werden nach Abschluß einer Ausbildung im dualen System nicht<br />

übernommenen (regional und nach Berufen sehr unterschiedlich ausgeprägt).<br />

♦ Die Zahl der Arbeitslosen nach Lehrabschluß ist auf über 26 % angestiegen<br />

(ABL: 23%, NBL 39% !!). 4<br />

♦ Der Anteil von abgebrochenen Ausbildungen liegt sehr hoch und steigt z.T. noch an.<br />

♦ Vielfach sind wachsende Durchfallquoten bei den Abschlußprüfungen zu verzeichnen.<br />

♦ Zugleich häufen sich wieder Klagen über Lehrlingsmangel<br />

(ebenfalls regional und nach Berufen sehr unterschiedlich ausgeprägt).<br />

♦ Werden Vorschläge gemacht, „Lehrlinge“ aus dem Ausland zu importieren.<br />

4 Zahlen aus dem Berufsbildungsbericht 2000 der Bundesregierung.


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Daraus entstehende Fragen<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

28<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

♦ Wie erklärt sich <strong>das</strong> gleichzeitige Auftreten von „Nichtübernahme“ fertig Ausgebildeter und von<br />

Mangel an Auszubildenden?<br />

♦ Gibt es Möglichkeiten bestehenden Fachkräftemangel mit bislang nicht übernommenen Fachkräften<br />

abzudecken?<br />

♦ Welche Maßnahmen könnten dazu beitragen?<br />

♦ Bedeutet <strong>die</strong> Feststellung von Nachwuchsmangel heute, daß nicht alle Lehrstellen besetzt werden<br />

können, oder daß es tatsächlich mittelfristig zu wenig Fachkräfte gibt?<br />

♦ Wird dabei bereits berücksichtigt, daß aus einer Reihe von Gründen mit einer Verringerung der<br />

Abwanderung zu rechnen ist?


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Schlußfolgerung:<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

29<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Wenn es nicht gelingt, im <strong>Handwerk</strong> eine an längerem Verbleib und an umfassender Personalentwicklung<br />

orientierte Beschäftigungspolitik noch stärker zu etablieren sowie <strong>die</strong> Abbruch- und<br />

Durchfallzahlen bei der Lehre zu senken und <strong>die</strong> Quote derer, <strong>die</strong> nach Abschluß der Ausbildung<br />

übernommen wird, möglichst hoch zu halten, dann besteht <strong>die</strong> Gefahr, daß<br />

♦ sich <strong>das</strong> Image des <strong>Handwerk</strong>s insgesamt – also auch derjenigen, Unternehmen <strong>die</strong> eine weitsichtige<br />

Personalpolitik betreiben - auf dem Arbeitsmarkt (wieder) verschlechtert.<br />

♦ Damit <strong>die</strong> Arbeitsmarktposition und <strong>die</strong> Zukunftschancen des <strong>Handwerk</strong>s und seiner Beschäftigten<br />

beeinträchtigt werden.<br />

Vor allem aber kann <strong>die</strong>se „Strategie“ weniger den je dauerhaft erfolgreich sein, denn<br />

<strong>das</strong> „<strong>demographische</strong> Problem“ wird sich zunehmend verschärfen<br />

auch wenn 1998 es noch <strong>die</strong> große Mehrheit der Befragten es für „sehr“ (34%) oder für eher wahrscheinlich<br />

(53%) hielt, daß <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> in den kommenden 10-15 Jahren genügend Arbeitskräfte<br />

findet (ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG).


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VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

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Fachgespräch<br />

30<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Die demographisch bedingte Verknappung von Arbeitskräftenachwuchs –<br />

(k)ein Problem für alle Unternehmen?<br />

Betroffenheit vom Nachwuchsmangel hängt ab von der Position in der Nachfragerschlange.<br />

♦ Marktmächtige und ertragsstarke Unternehmen (z.B. Automobilindustrie, Chemie, Maschinenbau,<br />

große Versicherungen oder Banken, IT-Unternehmen oder Me<strong>die</strong>nkonzerne, aber auch<br />

kleinere Betriebe z.B. aus der Software-Branche) werden <strong>die</strong> Verknappung kaum spüren.<br />

♦ Für den Bedarf <strong>die</strong>ser Unternehmen an Auszubildenden reicht auch der kleinste anstehende Altersjahrgang<br />

noch bequem aus.<br />

♦ Diese Unternehmen können sich weiter <strong>die</strong> „Rosinen“ aus dem Gesamtangebot herauspicken –<br />

um so eher, je leichter es ihnen <strong>die</strong> Wettbewerber um Personal z.B. aus dem <strong>Handwerk</strong> machen.<br />

♦ Das Problem reduziert sich auf <strong>die</strong> finanzielle Dimension: Wenn etwas knapper wird, wird es bekanntlich<br />

teurer. Wer genügend zahlen kann, muß keinen Mangel leiden.


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VERSCHLÄFT<br />

Eine ernstzunehmende Gefahr:<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

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Fachgespräch<br />

31<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Ein Umgang mit <strong>demographische</strong>n Engpässen, der betriebswirtschaftlich unproblematisch,<br />

aber gesamtgesellschaftlich fatal wirkt:<br />

Firmen mit den besten Voraussetzungen zur Bewältigung der <strong>demographische</strong>n Herausforderungen,<br />

können sich ihnen am ehesten entziehen.<br />

Unternehmen <strong>die</strong>ses Typs haben am ehesten Erfahrungen mit der<br />

♦ Einrichtung altersgerechter Arbeitsplätze,<br />

♦ mit der Entwicklung entsprechender Qualifizierungsangebote usw.<br />

♦ bzw. verfügen zumindest über <strong>die</strong> dafür erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen.<br />

Aber:<br />

♦ Wenn es nicht gelingt, sie in eine Strategie zur gemeinsamen Bewältigung der Herausforderungen<br />

einer alternden Erwerbsbevölkerung einzubinden, können sie am ehesten dem verbreiteten<br />

„Jugendlichkeitskult“ weiterhin frönen.<br />

♦ Je erfolgreicher <strong>die</strong>se Unternehmen an der Spitze der Arbeitskraftnachfrager-Schlange <strong>die</strong><br />

knapper werdenden Jungen rekrutieren, desto mehr trifft aber <strong>die</strong> Knappheit <strong>die</strong> Betriebe am<br />

Ende der Schlange.


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VERSCHLÄFT<br />

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HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

32<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

<strong>Handwerk</strong>sbetriebe in der <strong>demographische</strong>n Klemme?<br />

Große Teile des <strong>Handwerk</strong>s haben eine Position im hinteren Teil der „Nachfrageschlange“<br />

auf dem Arbeitsmarkt<br />

Folge:<br />

♦ Ausbildung im bisherigen Umfang wird daher kaum noch möglich sein.<br />

♦ Die Probleme, sich im Wettbewerb um <strong>die</strong> „guten und motivierten Arbeitskräfte“ zu<br />

behaupten werden eher anwachsen.<br />

Nicht nur der Zustrom an Auszubildenden wird zurückgehen, sondern auch der Abfluß<br />

von Ausgelernten!<br />

♦ Schon jetzt wird in vielen Regionen und Gewerken eine Abnahme der freiwilligen<br />

Fluktuation aus dem <strong>Handwerk</strong> in andere Wirtschaftszweige, wegen dort rückläufigem<br />

Bedarf - insbesondere an „Angelernten“ - festgestellt.<br />

♦ In der Folge ist mit rascher Alterung der Belegschaften zu rechnen, auch wenn -<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG – nur knapp <strong>die</strong> Hälfte der Befragten damit rechnete,<br />

daß alternde Belegschaften <strong>die</strong> Arbeitswelt im <strong>Handwerk</strong> in den nächsten 10 bis<br />

15 Jahren verändern werden.<br />

♦ Arbeiten im <strong>Handwerk</strong> müssen mit Altersgruppen durchgeführt werden, <strong>die</strong> in vielen<br />

Gewerken bislang kaum noch vorhanden waren.


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

FAZIT:<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

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Fachgespräch<br />

33<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

Der <strong>demographische</strong> Strukturbruch muß daher keineswegs zu massiven zahlenmäßigen<br />

Arbeitskräfteengpässen im <strong>Handwerk</strong> führen.<br />

Ins Haus steht aber <strong>die</strong> gewaltige Aufgabe, vorhandene Arbeitsplätze so zu gestalten,<br />

daß sie auch von Älteren noch voll ausgefüllt werden können. Das erfordert u.a:<br />

♦ Förderung lebenslangen Lernens<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: Über 90% der Befragten sind der Meinung, daß der bisherige Umfang<br />

des Weiterlernens nicht ausreicht.<br />

♦ altersgerechte Weiterbildung.<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 72% halten neue Lernformen für Ältere für wichtig.<br />

♦ generelle Akzentverschiebung von der Erstausbildung auf <strong>die</strong> Aus- und Weiterbildung.<br />

ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 85% halten es für unwahrscheinlich, daß eine breit angelegte Erstausbildung<br />

für <strong>das</strong> gesamte Berufsleben ausreicht.<br />

♦ Entwicklung von Konzepten generationenübergreifenden gemeinsamen Lernens.


Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

VERSCHLÄFT<br />

DAS<br />

HANDWERK<br />

DIIE<br />

Fachgespräch<br />

34<br />

DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />

MIT ÄLTEREN BELEGSCHAFTEN IM HANDWERK INNOVATIV UND ERFOLGREICH BLEIBEN -<br />

Gefragt sind alle wichtigen Gruppen im <strong>Handwerk</strong><br />

♦ Betriebsinhaber und Beschäftigte;<br />

♦ Zentral- und Fachverbände und ihre Untergliederungen;<br />

♦ Institutionen, <strong>die</strong> sich mit<br />

♦ Betriebsberatung,<br />

♦ mit Arbeits- und Gesundheitsschutz befassen oder<br />

♦ Weiterbildungsmaßnahmen anbieten – nicht zuletzt aber<br />

♦ <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> über <strong>die</strong> Instrumente verfügen, zunächst <strong>das</strong> Problembewußtsein zu<br />

schaffen und dann Lösungsansätze zu transferieren (Me<strong>die</strong>n).<br />

Aus <strong>die</strong>sen Gruppen sind heute hier Experten versammelt, <strong>die</strong> wir jetzt anhören wollen um dann in<br />

eine intensive Diskussion einzusteigen.


5. Fachgespräch<br />

THEMENKOMPLEX I<br />

Handlungsebene Unternehmen:<br />

Zwischen Nachwuchsproblemen und älter werdenden Beschäftigten<br />

35<br />

Das <strong>Handwerk</strong> gerät durch <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung in zweierlei Hinsicht unter<br />

Anpassungsdruck: Zum einen wegen der schwieriger werdenden Versorgung mit qualifizierten<br />

jungen Nachwuchskräften und zum anderen wegen der in Zukunft älteren Belegschaften.<br />

Konfrontiert mit <strong>die</strong>sem Anpassungsdruck sind in erster Linie <strong>die</strong>jenigen<br />

Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s, <strong>die</strong> als Nachfrager nach Arbeitskräften und Auszubildenden<br />

mit anderen Wirtschaftsbereichen konkurrieren müssen und <strong>die</strong> den Wandel von<br />

eher jüngeren Belegschaften zu älteren Mitarbeitern vollziehen müssen – und <strong>die</strong>s in<br />

einem auch für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> turbulenter werdenden wirtschaftlichen Umfeld. Das Ziel<br />

der Fragen zu <strong>die</strong>sem Themenkomplex war, zunächst einmal zu eruieren, wie sich aus<br />

der Perspektive der Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s 2 <strong>die</strong> Versorgung mit Nachwuchskräften<br />

und <strong>die</strong> Arbeit mit älteren Belegschaften darstellt.<br />

Hauptbasis der Versorgung des <strong>Handwerk</strong>s mit Arbeitskräftenachwuchs ist <strong>die</strong> eigene<br />

Ausbildung. Demographische Veränderungen in der Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotenzials<br />

machen sich daher im <strong>Handwerk</strong> stets am direktesten bei der Versorgung<br />

mit Auszubildenden bemerkbar. Deshalb richteten sich <strong>die</strong> Fragen <strong>die</strong>ses Themenkomplexes<br />

zunächst auf <strong>die</strong> gegenwärtige Situation der Berufsausbildung.<br />

2 Leider ist es im Rahmen des Fachgesprächs nicht gelungen, in größerem Umfang handwerkliche<br />

Unternehmer als Teilnehmer zu gewinnen – ein angesichts begrenzter Ressourcen und geringer Abkömmlichkeit<br />

<strong>die</strong>ser Personengruppe nicht unbekanntes Problem bei derartigen Veranstaltungen.<br />

Daher wurden <strong>die</strong> entsprechenden Fragen auch quasi stellvertretend an <strong>die</strong> anwesenden Vertreter<br />

der <strong>Handwerk</strong>sverbände (Kammer, Innunngen) sowie der Arbeitnehmerorganisation gerichtet.


THEMENKOMPLEX I<br />

Handlungsebene Unternehmen<br />

Zwischen Nachwuchsproblemen und älter werdenden Belegschaften<br />

36<br />

� Arbeitskräfteversorgung<br />

• Wonach richtet sich <strong>die</strong> Zahl der Ausbildungsplätze derzeit und in Zukunft?<br />

• Woran orientiert sich <strong>die</strong> Übernahme bzw. Nichtübernahme von Auszubildenden?<br />

• Wie wird sich <strong>die</strong> Abwanderung aus dem <strong>Handwerk</strong> voraussichtlich entwickeln?<br />

• Welche Maßnahmen sind zur Gewinnung und Bindung qualifizierter Arbeitskräfte<br />

für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> notwendig?<br />

• Welche Potenziale bietet <strong>die</strong> Mobilisierung zusätzlicher Arbeitsmarktreserven<br />

(z.B. Frauen, Ausländer, Arbeitslose)?<br />

Die Diskussion zeigte, <strong>das</strong>s bereits derzeit erhebliche Engpässe bei der Versorgung mit<br />

Auszubildenden bestehen – obwohl der eigentliche „Knick“ beim Rückgang der Nachwuchsjahrgänge<br />

um 2005/2006 erst noch bevorsteht. Es zeigte sich aber auch, <strong>das</strong>s <strong>die</strong><br />

Situation regional und vor allem auch zwischen den Gewerken sehr unterschiedlich<br />

wahrgenommen wird. Das Kfz-Gewerbe als nach wie vor attraktiver Ausbildungsberuf<br />

bspw. habe selbst in einer Region wie München noch wenig Probleme bei der Versorgung<br />

mit Nachwuchs, auch wenn es durchaus schwierig sei, Auszubildende mit geeigneter<br />

schulischer Vorqualifikation zu bekommen:<br />

„...also wir bekommen natürlich <strong>die</strong> Lehrlinge, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Großindustrie nicht nimmt,<br />

... BMW, Siemens, Mercedes oder <strong>die</strong> Computerfirmen. Diese Leute gehen nicht<br />

ins <strong>Handwerk</strong> oder kommen nachher zu uns und gehen nicht in <strong>die</strong> Industrie. Das<br />

Niveau geht von oben nach unten so durch. Wenn wir in mittelständischen Betrieben<br />

Lehrlinge bekommen, <strong>die</strong> mittlere Reife haben, dann sind wir schon überglücklich.<br />

Mit Hauptschulabschluss sind wir auch schon zufrieden.“<br />

Die niedrigen schulischen Ausgangsqualifikationen der Bewerber im <strong>Handwerk</strong> geraten<br />

im Kfz-Gewerbe zunehmend in Konflikt mit den steigenden Anforderungen:<br />

„Wir sind ein sehr technischer Beruf geworden, mit viel Elektrik und Elektronik,<br />

und man kann einen Hauptschüler oder einen Schulabgänger mit Note vier im<br />

Grunde nicht mehr einstellen, weil <strong>die</strong> mit großer Wahrscheinlichkeit nicht durch<br />

<strong>die</strong> Prüfung kommen.“<br />

Als noch dramatischer wird <strong>die</strong> zunehmende Lücke zwischen schulischer Ausgangsqualifikation<br />

und steigenden fachlichen und außerfachlichen Anforderungen der <strong>Handwerk</strong>sberufe<br />

aus der Sicht des Sanitär-, Heizungs- und Klimagewerbes wahrgenommen:<br />

„Wenn sich jemand für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> entscheidet, dann geht er zuerst in Richtung<br />

Kfz und andere Berufe. Und was dann übrig bleibt, <strong>das</strong> landet bei uns. Dabei<br />

haben wir in Bezug auf <strong>die</strong> Technisierung und Elektronisierung genau <strong>das</strong> gleiche


37<br />

Problem wie <strong>das</strong> Kfz-Gewerbe: Auch unsere Produkte werden immer hochtechnisierter,<br />

so<strong>das</strong>s wir als Mindestanforderung, wenn ein Lehrling dann auch wirklich<br />

entsprechend qualifiziert zum Abschluss gebracht werden soll, eigentlich den<br />

Hauptschulabschluss brauchen. Aber nach unseren Erhebungen ist es so, <strong>das</strong>s im<br />

SHK-Bereich ein nicht unerheblicher Anteil der Lehrlinge unterhalb des Hauptschulabschlusses<br />

liegt.“<br />

Trotz aller Imagekampagnen und anderer Bemühungen von Kammern und Innungen,<br />

wie Kontakte zu Schulen, Angebote von Praktika und Schnupperkursen, habe <strong>das</strong><br />

<strong>Handwerk</strong> gegenwärtig – darin war man sich im Auditorium einig – ein massives Imageproblem,<br />

<strong>das</strong> zunehmend auch vormals attraktive <strong>Handwerk</strong>sberufe wie Kfz-<br />

Mechaniker oder Elektriker tangiert. Bezüglich der Ursachen gab es ein breites und<br />

kontroverses Spektrum von Meinungen. Mehrfach wurde darauf verwiesen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

<strong>Handwerk</strong>, um auch für Realschüler und Abiturienten attraktiv zu werden, den Jugendlichen<br />

mehr Aufstiegs- und Entwicklungschancen bieten müsste. Neue Qualifikationstypen<br />

wie der Kfz-Servicetechniker oder der Ausbildungsgang zum Betriebsassistenten,<br />

wie er in Hessen im Rahmen einer normalen handwerklichen Ausbildung angeboten<br />

wird, wurden als richtige Ansätze bewertet.<br />

Unterschiedliche Einschätzungen gab es bezüglich des Stellenwerts der Ausbildungsvergütung<br />

für <strong>die</strong> Attraktivität einer handwerklichen Ausbildung: Der Meinung „...<strong>die</strong><br />

Zeiten sind vorbei, wo ein Jugendlicher sagte, für mich ist ein Ausbildungsplatz erst mal<br />

<strong>das</strong> wichtigste, und aufs Geld gucke ich nicht“ wurde entgegengehalten:<br />

„Wäre <strong>die</strong> Ausbildungsvergütung entscheidend, dann hätte der Bau überhaupt<br />

keine Sorgen. Die zahlen ja leicht 2000 DM im dritten Lehrjahr und machen auch<br />

viel Öffentlichkeitsarbeit. Das <strong>Handwerk</strong> mit den geringsten Ausbildungsvergütungen,<br />

<strong>das</strong> Schneiderhandwerk, kann sich vor Abiturientinnen nicht retten, <strong>die</strong><br />

alle auf <strong>die</strong> Modeschule gehen wollen, hochqualifizierte junge Leute, <strong>die</strong> <strong>das</strong><br />

Schneiderhandwerk lernen wollen ...“<br />

Auch <strong>die</strong> bisher dominierende Rekrutierungsstrategie des <strong>Handwerk</strong>s, Ausbildung weit<br />

über den Bedarf mit nachfolgender Nicht-Übernahme eines Teils der Absolventen, wurde<br />

wegen ihrer Auswirkungen für <strong>das</strong> Image der handwerklichen Berufe problematisiert.<br />

Dabei wurde betont, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>se Strategie insbesondere in Zeiten knapper Ausbildungsplätze<br />

auf einem Konsens beider Sozialpartner basierte: Hinsichtlich des Problems<br />

der Nicht-Übernahme von Auszubildenden müsse man „sicher auch <strong>die</strong> Ver<strong>die</strong>nste des<br />

<strong>Handwerk</strong>s sehen, in den schwierigen Zeiten, als man noch jeden Ausbildungsplatz<br />

brauchte, und wir auch als Gewerkschaften gesagt haben, lieber ausbilden und anschließend<br />

in <strong>die</strong> Arbeitslosigkeit als Jugendliche direkt in <strong>die</strong> Arbeitslosigkeit zu schicken,<br />

<strong>das</strong> war immer noch der zweitbeste Weg. Und wir haben <strong>das</strong> mitgetragen. Es hat allerdings<br />

dazu geführt, daß <strong>das</strong> Image im <strong>Handwerk</strong> schlecht ist.“


38<br />

Dass sich <strong>die</strong> Praxis der Überausbildung nicht nur wegen ihrer negativen Auswirkungen<br />

auf <strong>das</strong> Image der <strong>Handwerk</strong>sberufe, sondern schon allein angesichts der <strong>demographische</strong>n<br />

Verknappung von Ausbildungskandidaten, so nicht mehr aufrechterhalten lässt,<br />

war im Auditorium weitgehend unstrittig. Verwiesen wurde von verschiedenen Teilnehmern<br />

allerdings auf <strong>die</strong> Schwierigkeiten, einen solchen behutsamen Umsteuerungsprozess<br />

in Gang zu setzen, und zwar sowohl auf der Ebene des Einzelbetriebs, als auch<br />

auf verbandspolitischer Ebene. Eine bedarfsorientierte, dafür intensivere und qualitativ<br />

bessere Ausbildung sei mit schmerzhaften Selektionsprozessen schon bei den Ausbildungsbewerbern<br />

verbunden:<br />

„Zu so einem Paradigmenwechsel zu kommen ist natürlich auch sehr schwierig,<br />

weil sehr schwer gegenüber der Politik zu vermitteln. Es ist auch gerade in der<br />

politischen Auseinandersetzung und im Bemühen, politisch etwas zu erreichen,<br />

sehr wichtig, wenn man in der Vergangenheit immer sagen konnte, so wie hier in<br />

Bayern, wir haben 20 Prozent der Beschäftigten, aber wir bilden 42 Prozent der<br />

Jugendlichen aus, <strong>das</strong> war natürlich ein großes Pfund, mit dem wir wuchern<br />

konnten. ... Und ich glaube, wir können <strong>die</strong>sen Paradigmenwechsel sicherlich<br />

nicht von heute auf morgen schaffen und wir können ihn weder gegenüber der<br />

Politik schaffen noch gegenüber unseren Betrieben.“<br />

Problematisiert wurden auch <strong>die</strong> negativen sozialpolitischen Folgen eines solchen Paradigmenwechsels:<br />

„Das <strong>Handwerk</strong> hat sich bislang ja als wichtiger Integrationsfaktor<br />

auch gegenüber benachteiligten Jugendlichen bewährt. Wenn man sich gerade <strong>die</strong>ser<br />

Jugendlichen nicht mehr annähme, dann wäre <strong>das</strong> natürlich auch für <strong>die</strong> gesellschaftliche<br />

Entwicklung eine verheerende Prognose.“ Als ein Lösungsweg und eine zukünftige<br />

Aufgabe für <strong>die</strong> Tarifparteien wurde der Vorschlag, für <strong>die</strong>sen Kreis benachteiligter<br />

Jugendlicher „theorieentlastete“ Ausbildungsberufe zu schaffen, in den Raum gestellt,<br />

allerdings in der Diskussion nicht weiter vertieft.<br />

Die Ursache für <strong>die</strong> hohen Durchfallquoten in handwerklichen Ausbildungsberufen –<br />

hier wurden für ein Gewerk im Raum München Quoten von 30 – 40% genannt – sahen<br />

viele Teilnehmer hauptsächlich in der mangelnden Berufsvorbereitung der Schulabgänger.<br />

Diese mangelnde Ausbildungsreife betrifft sowohl Defizite in persönlichen und<br />

sozialen Verhaltensweisen als auch Defizite in Grundfertigkeiten wie Rechtschreibung,<br />

Mathematik etc. und stelle mittlerweile ein ernsthaftes Problem für viele <strong>Handwerk</strong>sbetriebe<br />

dar. Es tritt ein Selektionsprozess bei denjenigen Jugendlichen ein, <strong>die</strong> sich für<br />

eine Ausbildung im <strong>Handwerk</strong> bewerben: „Es ist ja nicht so, daß wir hohe Durchfallquoten<br />

haben, weil unser Niveau gestiegen ist. Das Niveau ist gleich, <strong>die</strong> Anforderungen<br />

sind gleich. Aber <strong>die</strong> gut motivierten Lehrlinge zu bekommen, <strong>das</strong> ist unser Hauptproblem.“<br />

Es wurde in <strong>die</strong>sem Zusammenhang nochmals darauf verwiesen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

<strong>Handwerk</strong> auch als „Reparaturbetrieb für den Arbeitsmarkt“ fungiere: “Wo finden sie<br />

denn noch <strong>die</strong> Lehrstelle kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres? Wo finden sie den<br />

Praktikumsplatz für einen Umschüler, der aus einer Maßnahme der Arbeitsverwaltung


39<br />

kommt? Den finden sie nur im <strong>Handwerk</strong>. Und <strong>das</strong>s dann da besonders schwierige Personenkreise<br />

anzutreffen sind, liegt auf der Hand.“<br />

Als ein „Hoffnungsschimmer“ für <strong>die</strong> Lösung der quantitativen und qualitativen Probleme<br />

der Arbeitskräfteversorgung wurde – mit Hinweis auf den angekündigten Personalabbau<br />

im Bankensektor - angeführt, <strong>das</strong>s inzwischen auch <strong>die</strong> Jugendlichen merken,<br />

<strong>das</strong>s vermeintlich stabile und attraktive Berufe in den Diensleistungsbranchen keine<br />

dauerhafte Arbeitsplatzsicherheit mehr bieten. Dagegen könne <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> seinen<br />

Beschäftigten langfristige Perspektiven eröffnen:<br />

„Das ist eben der große Vorteil im <strong>Handwerk</strong>, <strong>das</strong>s wenn <strong>die</strong> Auftragslage stimmt,<br />

<strong>die</strong> Leute, <strong>die</strong> motivierbar und entsprechend leistungswillig sind – auch durch<br />

Fortbildung –, durchaus in der Lage sind, lange im Betrieb zu bleiben. Wir haben<br />

auch relativ viele Alte.“<br />

Damit war <strong>das</strong> Thema „Arbeiten mit älteren Belegschaften im <strong>Handwerk</strong>sbetrieb“ angesprochen.<br />

Folgende Fragekomplexe standen hier zur Debatte:<br />

THEMENKOMPLEX I<br />

Handlungsebene Unternehmen<br />

Zwischen Nachwuchsproblemen und älter werdenden Belegschaften<br />

� Arbeiten mit älteren Belegschaften<br />

• Welche Spielräume und Ansatzpunkte sehen Sie für ...<br />

� eine Verringerung von Arbeitsbelastungen und Gesundheitsgefährdungen<br />

zur Vermeidung von vorzeitigem Gesundheitsverschleiß?<br />

� <strong>die</strong> Schaffung von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten in der Arbeitstätigkeit<br />

für alle Beschäftigten?<br />

� den gleichberechtigten Einbezug auch Älterer in formale Weiterbildungsmaßnahmen?<br />

� eine betriebliche Laufbahngestaltung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Beschäftigung Älterer<br />

und den Verbleib qualifizierter Mitarbeiter fördert?<br />

� Maßnahmen zur Sicherung und zum Transfer des betrieblichen Erfahrungswissens<br />

(z.B. durch Förderung altersgemischter Arbeitsgruppen)?<br />

• Lassen sich Innovationsbereitschaft und Flexibilität des Unternehmens<br />

auch mit älteren Belegschaften sichern?<br />

Zunächst erhob sich <strong>die</strong> Frage nach der Altersstruktur der Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong>.<br />

So habe <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> auf politischer Ebene bisher stets argumentiert, <strong>das</strong>s es im Gegensatz<br />

zur Großindustrie, <strong>die</strong> ihre Belegschaften durch exzessive Frühverrentungsmaßnahmen<br />

in den letzten Jahren verjüngt habe, tendenziell mehr ältere Arbeitnehmer<br />

beschäftige.


40<br />

Flächendeckende Daten zur Altersstruktur der Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong> gibt es – im<br />

Gegensatz zur Altersstruktur der Inhaber von <strong>Handwerk</strong>sbetrieben, <strong>die</strong> in den <strong>Handwerk</strong>srollen<br />

der Kammern erfasst wird - nicht. Vereinzelt existieren Daten zur Altersstruktur<br />

in ausgewählten Gewerken und Regionen. Diese Daten und <strong>die</strong> Auswertung der<br />

BIBB/IAB-Erwerbstätigenstichprobe von 1992 lassen im Gegensatz zur o.g. These jedoch<br />

den Schluss zu, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong> verglichen mit den übrigen<br />

Wirtschaftszweigen eher recht jung sind. Nach Daten des IKK-Systems betrug 1999 der<br />

Anteil der Arbeitnehmer im <strong>Handwerk</strong>, <strong>die</strong> 50 Jahre und älter sind, im Durchschnitt<br />

15,4 %. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Gewerken: So ist der Altersdurchschnitt<br />

in der Gewerkegruppe Textil/Leder mit 20,3 % überdurchschnittlich<br />

hoch, ebenso in den Nahrungsmittelgewerken mit 19 % und im Bau-/Ausbaugewerbe<br />

mit 17,7 %. In den Metall- und Elektrogewerken dagegen liegt der Anteil der über 50jährigen<br />

mit 14,7 % leicht unter dem Durchschnitt des <strong>Handwerk</strong>s.<br />

Insgesamt wurde im Verlauf der Diskussion ein überaus positives Bild von der Beschäftigungssituation<br />

älterer Arbeitnehmer im <strong>Handwerk</strong> gezeichnet. Jugendzentrierte<br />

Personalpolitik, Vorurteile gegenüber der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter mit<br />

entsprechendem diskriminierendem Arbeitseinsatz und betrieblichen Ausgliederungsstrategien<br />

sind, nach den Einschätzungen der befragten <strong>Handwerk</strong>svertreter, eher wenig<br />

verbreitet. Ältere Mitarbeiter stellen vielmehr wegen ihrer beruflichen Erfahrung und<br />

sozialen Qualifikationen für den <strong>Handwerk</strong>sbetrieb ein geschätztes Arbeitskräftepotenzial<br />

dar: „Wir sind mit den älteren Arbeitnehmern sehr zufrieden, so bis 50, <strong>das</strong> sind<br />

nämlich <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> tatsächlich in der Arbeit sind, <strong>die</strong> nicht krank machen, <strong>die</strong> nicht<br />

blau machen, sondern <strong>die</strong> wirklich Verantwortung tragen.“<br />

Dass <strong>die</strong>se Einschätzung auch vor dem Hintergrund des Problems der Abwanderung<br />

ausgebildeter Fachkräfte aus dem <strong>Handwerk</strong> zu sehen ist, macht <strong>das</strong> Beispiel des Dachdeckerhandwerks<br />

klar. Das Dachdeckergewerk leidet einerseits unter akutem Nachwuchsmangel<br />

– so sei <strong>die</strong> Zahl der Ausbildungsplätze im letzten Jahr bundesweit um 15<br />

% zurückgegangen -, andererseits weisen <strong>die</strong> Daten des IKK-Systems bundesweit einen<br />

extrem niedrigen Altersdurchschnitt für <strong>die</strong>ses Gewerk aus. Diese Altersstruktur resultiert<br />

sowohl aus dem Nachwuchsmangel als auch aus der Abwanderung:<br />

„Warum der Schwund älterer Facharbeiter bei uns im <strong>Handwerk</strong> so groß ist - <strong>das</strong><br />

ist aber nicht nur bei uns im Dachdeckerhandwerk so, <strong>das</strong> ist in jedem Beruf so -<br />

<strong>das</strong> ist <strong>die</strong> Abwerbung durch <strong>die</strong> Industrie und städtische Einrichtungen. Jeder<br />

Bauhof holt sich einen Bauhandwerker in einem gewissen Alter vom Bau, weil er<br />

einen unwahrscheinlichen Erfahrungsschatz hat... Da kommt keiner wieder raus,<br />

weil da <strong>die</strong> Sozialversorgung, <strong>die</strong> soziale Leistung jenseits der Realität von gewerblichen<br />

Arbeitnehmern auf dem Bau ist. Das ist unsere Krux, <strong>die</strong> kriegen wir<br />

nicht weg.“


41<br />

Nicht nur <strong>die</strong> bekanntlich niedrigere Entlohnung, auch gesundheitliche Belastungen, so<br />

wurde ergänzt, sind ein Grund für <strong>die</strong> hohe Abwanderung. Im Dachdeckerhandwerk<br />

seien daher ältere Mitarbeiter<br />

„...so wertvoll, <strong>das</strong>s jeder Betrieb den älteren Mitarbeiter festhält, und zwar durch<br />

Schulungen, Weiterbildungsmaßnahmen, besondere Vergütungen, Sonderurlaub<br />

... Diese Mitarbeiter werden auch benötigt für den Nachwuchs, um <strong>das</strong> Wissen,<br />

<strong>die</strong> Kenntnisse und den Erfahrungsschatz weiterzugeben. ... Und deshalb ist der<br />

Erfahrungsschatz der älteren Mitarbeiter so ein Schatz, <strong>das</strong> ist <strong>das</strong> wahre Kapital<br />

von einem Betriebsinhaber und den hält er fest, mit allen möglichen Mitteln, <strong>die</strong><br />

ihm zur Verfügung stehen.“<br />

Es wurde <strong>die</strong> These vertreten, <strong>das</strong>s im <strong>Handwerk</strong>sbetrieb auch aufgrund der größeren<br />

persönlichen Nähe und engeren Bindungen anders mit älteren Mitarbeitern umgegangen<br />

werde als in anderen Wirtschaftszweigen:<br />

„Problematisch wird es sicherlich, wenn mit zunehmendem Alter krankheitsbedingte<br />

Probleme dazukommen. Dann gibt es sicherlich Schwierigkeiten. Aber solange<br />

man gesundheitlich leistungsfähig ist, auch wenn <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit insgesamt<br />

nachlässt, weil man einfach älter wird, <strong>das</strong> kann man mit Erfahrung zum<br />

größten Teil ausgleichen. Und <strong>das</strong> ist für den Unternehmer ganz wichtig. Ich erlebe<br />

<strong>das</strong> vor allem in Kleinbetrieben und in mittleren Betrieben, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> eine <strong>Handwerk</strong>sfamilie<br />

ist, <strong>die</strong> den älteren Arbeitnehmer nicht einfach vor <strong>die</strong> Tür setzt, weil<br />

er jetzt ein gewisses Alter erreicht hat und weil er vielleicht ein Problem werden<br />

könnte in den nächsten Jahren, sondern <strong>die</strong> Bindung ist wirklich sehr stark.“<br />

Gesundheitlicher Verschleiß sowie körperliche und psychische Belastungen sind jedoch<br />

auch in <strong>Handwerk</strong>sbetrieben ein Problem und begrenzen <strong>die</strong> Einsetzbarkeit älterer Beschäftigter<br />

für manche handwerkliche Tätigkeit. Genannt wurden der Werkstattbereich<br />

im Kfz-Gewerbe und Baustellentätigkeiten im SHK- und Dachdeckerhandwerk. Die<br />

sich aus der eingeschränkten Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter ergebenden Probleme<br />

lösen <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe - so <strong>die</strong> Erfahrungen der Befragten -, wenn auch u.U.<br />

mit erheblichen Schwierigkeiten, aufgrund ihrer internen Flexibilität durch Umsetzung<br />

in andere, weniger belastende Arbeitsbereiche oder durch flexible Aufgabenzuweisung<br />

bei der Auftragsbearbeitung.<br />

Ein gravierendes betriebliches Problem mit älteren Beschäftigten wurde in der mangelnden<br />

Weiterbildungsbereitschaft älterer Mitarbeiter gesehen: “Das Problem liegt<br />

darin, <strong>das</strong>s sie <strong>die</strong> Weiterbildung nicht mehr machen oder sehr wenige von ihnen. Wenn<br />

jemand 45 oder 50 ist, dann sagt er: Schick lieber einen Jungen hin zur Schulung oder<br />

<strong>die</strong>s oder jenes, ich will davon nichts mehr wissen. Und <strong>das</strong> ist unser Problem.“ Gerade<br />

in Gewerken mit dynamischer Technikentwicklung führe <strong>die</strong>se geringe Weiterbildungsbereitschaft<br />

zu Innovationsproblemen: „Im SHK-Gewerbe kommt ja noch einiges an<br />

innovativen Techniken auf uns zu, und da bleibt es nicht aus, <strong>das</strong>s sich <strong>die</strong> Fortbildung


42<br />

auf <strong>die</strong> ganze Bandbreite der Beschäftigten erstrecken muss. Problem sind natürlich<br />

dann wirklich <strong>die</strong> Älteren über 50, ab da wird es dann wirklich problematisch.“ Differenziert<br />

wurden <strong>die</strong>se Erfahrungen dahingehend, <strong>das</strong>s weniger <strong>die</strong> von den Herstellern<br />

angebotenen sog. Produktschulungen, <strong>die</strong> in der handwerklichen Weiterbildung eine<br />

große Rolle spielen, ein Problem für <strong>die</strong> älteren Arbeitnehmer darstellen, zumal <strong>die</strong>se<br />

meist im Betrieb und während der Arbeitszeit stattfinden, sondern „...schwierig wird es,<br />

wenn ältere Arbeitnehmer von sich aus, freiwillig, eine Schulung machen sollen, da<br />

kommt dann immer wieder <strong>das</strong> Argument, ich bin so und so alt, habe noch drei, vier<br />

Jahre oder fünf Jahre, ich komme mit meiner Erfahrung so durch.“ Für ältere Mitarbeiter<br />

entfalle der Wunsch nach inner- und außerbetrieblichem Aufstieg und damit eine<br />

ganz wichtige Motivation für freiwillige Weiterbildungsanstrengungen.<br />

Die beklagte sinkende Weiterbildungsbereitschaft der Älteren sei, so wurde <strong>die</strong>sen Erfahrungen<br />

entgegengehalten, weniger eine Funktion des Alters als vielmehr <strong>das</strong> Ergebnis<br />

von Weiterbildungsabstinenz und Lernentwöhnung während des gesamten Arbeitslebens:<br />

„Das hat weniger was mit dem Alter zu tun, sondern wie er über seine berufliche<br />

Tätigkeit, über seinen beruflichen Werdegang an <strong>die</strong> Weiterbildung herangeführt<br />

wird. ... Wenn ein 50-Jähriger, der <strong>die</strong> Gesellenprüfung mit 20 oder 21 gemacht<br />

hat, jetzt nach 30 Jahren noch mal einen Weiterbildungslehrgang besuchen soll,<br />

da wird er sich natürlich mit Händen und Füßen gegen wehren. Also wenn er<br />

kontinuierlich weitergebildet wird, was im Grunde <strong>das</strong> Gebot der Stunde ist, dann<br />

wird <strong>das</strong> überhaupt kein Problem. Es sind einfach <strong>die</strong> Zeitbrüche <strong>das</strong> riesige Problem.<br />

Und gerade speziell im <strong>Handwerk</strong>, aber auch in anderen Branchen der Industrie<br />

ist versäumt worden, kontinuierlich weiterzubilden, aus Kostengründen, aus<br />

welchen Gründen auch immer.“<br />

Nicht nur <strong>die</strong> Beschäftigten müssen sich an den Gedanken lebenslangen Lernens gewöhnen.<br />

Auch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe sind aufgerufen, durch eine kontinuierliche, alle<br />

Beschäftigten einbeziehende Weiterbildung <strong>die</strong> Forderung lebenslangen Lernens zu<br />

realisieren, um sich damit <strong>die</strong> Innovationsfähigkeit und Weiterbildungsbereitschaft ihrer<br />

Mitarbeiter auch im höheren Alter zu erhalten.


THEMENKOMPLEX II<br />

43<br />

Handlungsebene Weiterbildungsanbieter:<br />

Von der Konzentration auf <strong>die</strong> Qualifizierung Jüngerer zur stärkeren Berücksichtigung<br />

älterer Arbeitnehmer<br />

Lebensbegleitende berufliche Weiterbildung stellt auch im <strong>Handwerk</strong> eine Voraussetzung<br />

dar, um mit älter werdenden Belegschaften in Zukunft <strong>die</strong> Innovationsfähigkeit der<br />

Unternehmen zu sichern. Die <strong>demographische</strong> Entwicklung wird zu einer Akzentverschiebung<br />

zwischen Erst- und Weiterbildung führen. Ältere Arbeitnehmer werden in<br />

Zukunft zu einer wichtigen Zielgruppe beruflicher Weiterbildung. Ein Blick auf <strong>die</strong><br />

gegenwärtige Weiterbildungssituation zeigt, <strong>das</strong>s in betrieblicher und überbetrieblicher<br />

Weiterbildung ältere Beschäftigte eher eine Randgruppe darstellen. Nach wie vor fehlt<br />

es an Angeboten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> besonderen Lernerfordernisse Älterer berücksichtigen. Somit<br />

kommen im Zuge der <strong>demographische</strong>n Entwicklung auf <strong>die</strong> Weiterbildungsanbieter im<br />

<strong>Handwerk</strong> erhebliche Anpassungserfordernisse zu: von der Etablierung einer „Weiterbildungskultur“<br />

in <strong>Handwerk</strong>sbetrieben bis hin zur Entwicklung altersgerechter Weiterbildungsangebote.<br />

THEMENKOMPLEX II<br />

Handlungsebene Weiterbildungsanbieter<br />

Von der Konzentration auf <strong>die</strong> Qualifizierung jüngerer zur stärkeren<br />

Berücksichtigung älterer Arbeitnehmer?<br />

• Jugendzentriertes Weiterbildungsverhalten der Unternehmen, geringe Weiterbildungsbereitschaft<br />

älterer Beschäftigter – gilt <strong>das</strong> auch für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>?<br />

• Was können <strong>die</strong> Anbieter von Weiterbildung tun, um <strong>die</strong> Zielgruppe der älteren<br />

Beschäftigten zu erreichen?<br />

• Welche Anforderungen sind an Weiterqualifizierungsangebote für Ältere zu stellen?<br />

• Sind spezielle, neue Angebotsformen und Qualifizierungskonzepte erforderlich?<br />

• Wie können sich <strong>die</strong> Weiterbildungseinrichtungen des <strong>Handwerk</strong>s organisatorisch<br />

und methodisch-didaktisch auf <strong>die</strong> Zielgruppe der Älteren einstellen?<br />

• Welche Rolle können Tarifpolitik oder gesetzgeberische Initiativen zur Förderung<br />

der Weiterbildung im <strong>Handwerk</strong> und speziell zur stärkeren Berücksichtigung Älterer<br />

spielen?<br />

• Was können <strong>die</strong> Arbeitnehmervertretungen (Betriebsräte und Mitglieder in den<br />

Selbstverwaltungsorganen des <strong>Handwerk</strong>s) dazu beitragen?<br />

Mit der vor drei Jahren gegründeten Zentralstelle für Weiterbildung im <strong>Handwerk</strong><br />

(ZWH) wurde eine zentrale Dienstleistungseinrichtung für handwerkliche Bildungszentren<br />

geschaffen, <strong>die</strong> wichtige Koordinationsfunktionen für <strong>das</strong> Bildungsangebot im<br />

<strong>Handwerk</strong> wahrnimmt und von der potenziell auch Impulse in Richtung einer Anpas-


44<br />

sung an <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung zu erwartenden Strukturveränderungen<br />

ausgehen könnten.<br />

Der Vertreter der ZWH stellte zunächst <strong>das</strong> Aufgabenspektrum der Einrichtung dar: Die<br />

von der ZWH erbrachten Dienstleistungen umfassen <strong>die</strong> Durchführung von Bildungsbedarfsanalysen,<br />

<strong>die</strong> Entwicklung von Lehrgangskonzepten und Materialien für Dozenten<br />

und Teilnehmer und nicht zuletzt <strong>die</strong> Weiterbildung der Ausbilder. Dabei versuche<br />

man, <strong>die</strong> aktuell <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> beschäftigenden Probleme wie Globalisierung, Betriebsübergabe,<br />

Existenzgründung etc. aufzugreifen. Die ZWH sieht sich als kundenorientierter<br />

Dienstleister in zweierlei Richtung: für <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe, <strong>die</strong> qualifizierte<br />

und motivierte Fachkräfte brauchen, und für <strong>die</strong> Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong>, <strong>die</strong><br />

mittels Weiterbildung ihre beruflichen Ziele verwirklichen wollen.<br />

Die mit der <strong>demographische</strong>n Entwicklung auf <strong>die</strong> handwerklichen Bildungsanbieter<br />

zukommenden Herausforderungen werden in der ZWH durchaus schon thematisiert:<br />

Mit 500 handwerklichen Bildungszentren und einem Jahresumsatz von 1,5 Mrd. DM<br />

stellen <strong>die</strong> Bildungszentren einen gewichtigen Wirtschaftsfaktor im <strong>Handwerk</strong> dar.<br />

Deshalb müsse schon aus Gründen drohender Unterauslastung infolge des <strong>demographische</strong>n<br />

Umbruchs über <strong>das</strong> Thema Demographie nachgedacht werden. An entsprechenden<br />

Überlegungen werde auch gearbeitet.<br />

Spezielle Lehrgänge für Ältere, ebenso wie für Frauen, gibt es bundesweit bereits im<br />

Bereich EDV. Ausschlaggebend für <strong>die</strong>ses Angebot war der Gedanke, durch altersbzw.<br />

geschlechtshomogene Lehrgangsgruppen <strong>die</strong> Teilnahmebarrieren <strong>die</strong>ser Zielgruppen<br />

abzubauen. Zudem gibt es Maßnahmen für ältere Arbeitslose bzw. von Arbeitslosigkeit<br />

bedrohte Fachkräfte. Diese Angebote, so der Vertreter der ZWH, seien erst <strong>die</strong><br />

Anfänge.<br />

Ein für ältere Teilnehmer interessanter Ansatz seien <strong>die</strong> neuen Lernkonzepte zur Online-Qualifizierung,<br />

an denen man seit einiger Zeit arbeite. Die ZWH habe ein flächendeckendes<br />

System von Online-Lehrgängen entwickelt, <strong>das</strong> zurzeit von 35 Bildungseinrichtungen<br />

angeboten wird. Online-Lernverfahren seien deshalb für Ältere besonders<br />

geeignet, weil <strong>die</strong> Teilnehmer <strong>das</strong> Lerntempo selbst bestimmen können, <strong>die</strong> Lehrgänge<br />

am Arbeitsplatz oder auch zu Hause stattfinden können und <strong>die</strong> Dozenten, <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

über <strong>das</strong> Netz lehrgangsbegleitend betreuen, weitgehend auf <strong>die</strong> individuellen Lernerfordernisse<br />

eingehen können. Gegenwärtig nehmen ca. 1000 Lernende an <strong>die</strong>sen<br />

Online-Kursen teil, darunter auch ältere Beschäftigte. Die ZWH sieht in den Online-<br />

Lernkonzepten eine sehr zukunftsträchtige und ausbaufähige Möglichkeit zur besseren<br />

Erreichung der Zielgruppe der älteren Arbeitnehmer.


45<br />

Es wurde <strong>die</strong> Frage diskutiert, inwieweit ein stärkerer Einsatz betriebs- und arbeitsplatznaher<br />

Qualifizierungsformen <strong>die</strong> Barrieren von <strong>Handwerk</strong>sbetrieben gegenüber<br />

kontinuierlichen Weiterbildungsaktivitäten abbauen und <strong>die</strong> Chancen Älterer, gleichberechtigt<br />

in betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen einbezogen zu werden, erhöhen<br />

könnte. Dies wurde zwar eingeräumt, allerdings gab man zu bedenken, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Realisierung<br />

solcher innerbetrieblicher Qualifizierungsformen stark an <strong>die</strong> Betriebsgröße<br />

gebunden sei. Für <strong>das</strong> Gros der handwerklichen Kleinbetriebe mit zehn bis zwölf Beschäftigten<br />

kämen solche innerbetrieblichen Maßnahmen nicht in Frage - aus Kostengründen<br />

oder weil <strong>die</strong> entsprechende Umsetzungskompetenz fehle. Für <strong>die</strong>se Betriebe<br />

läge <strong>die</strong> Zukunft eher in zentral angebotenen Online-Lernkonzepten. Hingewiesen wurde<br />

auch darauf, <strong>das</strong>s sich bei den von den Herstellern durchgeführten Produktschulungen<br />

<strong>die</strong> mediale Unterstützung der direkt am Arbeitsplatz angesiedelten Lern- und Informationsprozesse<br />

zunehmend durchsetze. Das geschehe schon allein aus Kostenerwägungen<br />

der Hersteller. Voraussetzung für <strong>die</strong> Nutzung solcher Lernsysteme sei aber<br />

Me<strong>die</strong>nkompetenz. Die sei bei den Jüngeren, <strong>die</strong> mit Computer und Internet aufgewachsen<br />

sind, vorhanden, ältere Mitarbeiter müsse man daran erst heranführen. “Wenn man<br />

sie aber einmal da hingeführt hat, sind sie begeistert“.<br />

Herstellerschulungen im Zuge der Einführung neuer Produkte oder Produktionsverfahren<br />

spielen in der handwerklichen Fortbildung eine bedeutende Rolle. Es wurde <strong>die</strong><br />

Frage gestellt, inwieweit <strong>die</strong> Hersteller sich in ihren Lehrgangskonzepten auf <strong>die</strong> Bedürfnisse<br />

älterer Schulungsteilnehmer einstellen, zumal <strong>die</strong> Hersteller eigentlich <strong>die</strong><br />

Ressourcen hätten, ihre Angebote, <strong>die</strong> teils zentral in ihren Schulungseinrichtungen,<br />

teils in den Betrieben stattfinden, organisatorisch und didaktisch anzupassen. Initiativen<br />

seitens der Hersteller in <strong>die</strong>se Richtung waren nicht bekannt. Es wurde aber darauf verwiesen,<br />

<strong>das</strong>s oft gar nicht eine aufwendige Anpassung der Methodik erforderlich sei,<br />

sondern schon kleine organisatorische Maßnahmen ausreichen, um den Bedürfnissen<br />

älterer Teilnehmer entgegenzukommen. Dies setze aber <strong>die</strong> Kooperationsbereitschaft<br />

der Hersteller voraus. So stelle <strong>die</strong> oft weite Anreise zu den zentralen Schulungseinrichtungen<br />

gerade für <strong>die</strong> eher „häuslichen“ Älteren eine Teilnahmebarriere dar. Es<br />

wurde von einem Fall berichtet, bei dem es durch <strong>die</strong> Initiative der Innung gelungen<br />

war, den Schulungsleiter eines Herstellers für <strong>die</strong> Durchführung von Lehrgängen vor<br />

Ort zu gewinnen. Das Ergebnis sei gewesen, <strong>das</strong>s überproportional viele Beschäftigte<br />

im Alter von 50 – 60 Jahren an <strong>die</strong>ser Schulungsmaßnahme teilgenommen und sie auch<br />

erfolgreich absolviert hätten. Außerdem spare sowohl der Hersteller als auch der Betrieb<br />

durch <strong>die</strong> ortsnahe Durchführung Kosten. Allerdings: „Gewisse Edelhersteller sind natürlich<br />

auf dem hohen Ross, <strong>die</strong> meinen, <strong>das</strong>s muss an ihrem Ort passieren, aber vielleicht<br />

kommt dort ja auch langsam <strong>die</strong> Denke, <strong>das</strong>s es, wenn man <strong>die</strong> älteren Mitarbeiter<br />

erfassen will, Sinn macht zu kooperieren.“


46<br />

Betont wurde nochmals, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Herstellerschulungen hinsichtlich des Einbezugs älterer<br />

Mitarbeiter nicht <strong>das</strong> Problem seien, zumal, wie z.B. im Kfz-Gewerbe, vom Hersteller<br />

sogar vorgeschrieben werde, <strong>das</strong>s jeder Mitarbeiter, unabhängig vom Alter gewisse<br />

Schulungen absolvieren muss. Das Weiterbildungsproblem stelle sich vielmehr in<br />

den Kleinbetrieben des <strong>Handwerk</strong>s und in den nicht herstellergebundenen Betrieben, <strong>die</strong><br />

selber initiativ werden müssen. Zwar böten <strong>die</strong> Innungen und Kammern auch für <strong>die</strong>se<br />

Betriebe – gerade für Bayern könne <strong>das</strong> gesagt werden – breit gefächerte und umfangreiche<br />

Schulungen an, über <strong>die</strong> <strong>die</strong> Betriebe regelmäßig informiert würden, „... nur es<br />

scheitert an der Trägheit älterer Mitarbeiter, <strong>die</strong> Weiterbildung auch anzunehmen.“<br />

Explizit an <strong>die</strong> anwesenden Vertreter der Arbeitnehmerseite richtete sich <strong>die</strong> Frage,<br />

welche Handlungsmöglichkeiten sie sehen, Kollegen im <strong>Handwerk</strong>, insbesondere Ältere,<br />

für <strong>die</strong> berufliche Weiterbildung zu motivieren. Es hiess, <strong>das</strong>s auch <strong>die</strong> Gewerkschaften<br />

<strong>die</strong> Information und Motivierung der Beschäftigten zu lebenslangem Lernen<br />

und Weiterbildungsanstrengungen als ihre Aufgabe ansähen und <strong>die</strong>se auch zunehmend<br />

wahrnähmen. Allerdings: „Unsere Betriebsräte in den Betrieben, ich will <strong>das</strong> mal so<br />

ganz offen sagen, <strong>die</strong> schlafen in der Frage Weiterbildung genauso wie viele Betriebsinhaber<br />

und <strong>die</strong> Arbeitnehmer auch.“ Obwohl es gerade auf dem Feld der Weiterbildung<br />

sehr weitgehende betriebliche Mitbestimmungsmöglichkeiten gäbe, würden <strong>die</strong>se von<br />

den Betriebsräten noch sehr selten genutzt. Neben der betrieblichen Ebene habe <strong>die</strong><br />

Gewerkschaft auch <strong>die</strong> Möglichkeit, über <strong>die</strong> Tarifpolitik Einfluss auf <strong>die</strong> Weiterbildung<br />

zu nehmen. Im <strong>Handwerk</strong> gäbe es derzeit einen einzigen Weiterbildungstarifvertrag,<br />

nämlich im SHK-Gewerbe Berlin. Dieser sei zwar vor 15 Jahren von der Gewerkschaft<br />

durchgesetzt, aber von ihr kaum genutzt worden. Dagegen setze <strong>die</strong> zuständige<br />

Innung ihn sehr erfolgreich um. Hier habe <strong>die</strong> Gewerkschaft eine Chance verspielt, im<br />

<strong>Handwerk</strong> eine tarifpolitische Vorreiterrolle einzunehmen und eine gelungene handwerksspezifische<br />

Lösung zu etablieren. Die Tatsache, <strong>das</strong>s derzeit in der Industrie wieder<br />

über Weiterbildungstarifverträge verhandelt werde, sei dagegen für <strong>die</strong> tarifpolitische<br />

Umsetzung im <strong>Handwerk</strong> eher nachteilig, weil man sich damit dem Vorwurf aussetze,<br />

doch nur für <strong>die</strong> Industrie gefundene Lösungen auf <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> übertragen zu<br />

wollen. Weiterbildungstarifverträge machen nach Einschätzung der befragten Arbeitnehmervertreter<br />

gerade im <strong>Handwerk</strong> Sinn, denn Weiterbildung koste Geld. Die Chance,<br />

Weiterbildung über Tarifverträge zu finanzieren, solle sich daher auch <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />

nicht entgehen lassen.


THEMENKOMPLEX III<br />

Handlungsebene Betriebsberatung:<br />

Statt kurzfristiger Lösungen - Einstieg in eine gezielte Personalentwicklung:<br />

Ein Beitrag der Betriebsberatung zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n<br />

Strukturwandels?<br />

47<br />

Langfristige Personalentwicklung, gezielte Personalrekrutierung, Laufbahngestaltung,<br />

systematische Analyse des betrieblichen Qualifizierungspotenzials und -bedarfs, <strong>das</strong><br />

sind Zielvorstellungen präventiv orientierter, langfristiger Personalentwicklung, <strong>die</strong><br />

selbst in vielen Großbetrieben längst noch nicht Realität ist. Dennoch ist unabweisbar,<br />

<strong>das</strong>s angesichts der <strong>demographische</strong>n Entwicklung <strong>die</strong> Pflege, Weiterentwicklung und<br />

Förderung des vorhandenen Mitarbeiterpotenzials auch für <strong>Handwerk</strong>sbetriebe immer<br />

notwendiger wird. Es entsteht ein Bedarf an für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> geeigneten Konzepten<br />

der Personalentwicklung, <strong>die</strong> dem Alterungsprozess der Belegschaften und den veränderten<br />

Rahmenbedingungen bei der Arbeitskräfteversorgung Rechnung tragen. Damit<br />

erhebt sich <strong>die</strong> Frage, wie ein Einstieg in eine systematischere Personalentwicklung und<br />

<strong>die</strong> dafür erforderlichen Kompetenzen in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> umzusetzen sind.<br />

THEMENKOMPLEX III<br />

Handlungsebene Betriebsberatung<br />

Statt kurzfristiger Problemlösungen Einstieg in eine gezielte Personalentwicklung – ein<br />

Beitrag der Betriebsberatung zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturwandels?<br />

• Welche Struktur hat <strong>die</strong> Betriebsberatung im <strong>Handwerk</strong> gegenwärtig (Inanspruchnahme,<br />

inhaltliche Schwerpunkte)?<br />

• Was kann Betriebsberatung zur Sensibilisierung der Unternehmen für <strong>die</strong> Demographieproblematik<br />

beitragen?<br />

• Erfahrungen aus einem regionalen Ansatz zum Aufbau von Personalentwicklungskompetenz<br />

im <strong>Handwerk</strong>: <strong>das</strong> Teilprojekt der FH-Niederrhein.<br />

• Wo liegen <strong>die</strong> Barrieren und Probleme einer Integration von langfristigen Personalentwicklungskonzepten<br />

in bisherige Beratungsangebote des <strong>Handwerk</strong>s:<br />

� aufseiten der Unternehmen,<br />

� bei der Beratungskapazität,<br />

� hinsichtlich der Übertragbarkeit vorhandener Konzepte zur alternsgerechten<br />

Personalentwicklung auf <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>?<br />

• Könnten Altersteilzeitmodelle mit dem Ziel der Verlängerung der Verweildauer<br />

Älterer im Unternehmen Gegenstand von Betriebsberatung sein?<br />

In dem Projekt „Laufbahngestaltung in Kleinbetrieben“ im Rahmen des Forschungsschwerpunkts<br />

„Öffentlichkeits- und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r Wandel“ des<br />

bmb+f, <strong>das</strong> vom Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der Fachhochschule Niederrhein<br />

durchgeführt wurde, ist versucht worden, Personalentwicklungskonzepte für


48<br />

<strong>Handwerk</strong>sbetriebe zu entwickeln und in einer Region in NRW aktiv Personalentwicklungskompetenz<br />

in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> zu transferieren.<br />

Birgit Weber von der FH Niederrhein berichtet zunächst über <strong>die</strong>ses Projektvorhaben:<br />

Das Vorhaben wurde am Beispiel der Gewerke SHK, Kfz und des Dachdeckerhandwerks<br />

durchgeführt. Allen drei Gewerken ist gemeinsam, <strong>das</strong>s sie einerseits - zumindest<br />

regional – Schwierigkeiten haben, qualifizierte Fachkräfte zu bekommen, und <strong>das</strong>s es<br />

andererseits in <strong>die</strong>sen Gewerken in bestimmten Tätigkeitsbereichen nur bedingt möglich<br />

ist, bis zum Erreichen des Rentenalters beschäftigt zu bleiben. Daher stellen sich für<br />

<strong>die</strong>se Gewerke <strong>die</strong> Herausforderungen des <strong>demographische</strong>n Wandels verschärft. Vordringlich<br />

erscheinen insbesondere Maßnahmen, <strong>die</strong> <strong>das</strong> Leistungsvermögen der Mitarbeiter<br />

langfristig erhalten und <strong>die</strong> <strong>die</strong> Attraktivität <strong>die</strong>ser <strong>Handwerk</strong>sberufe für Nachwuchskräfte<br />

steigern. In dem Projekt wurden alle Phasen der Personalentwicklung berücksichtigt:<br />

vom Ein-, Auf- und Umstieg bis zum Ausstieg aus dem Berufsleben. So<br />

wurde z.B. ein Baustein zum Personalmarketing entwickelt, also eine Anleitung zur<br />

gezielteren Beschaffung von Fachkräften und Auszubildenden mittels der Erstellung<br />

eines betrieblichen Anforderungsprofils, ein Baustein zur innerbetrieblichen Weiterbildungsplanung,<br />

zur Arbeitsorganisation und altersgerechten Arbeitsgestaltung. Diese<br />

Bausteine wurden zusammen mit den Betrieben entwickelt und in den Betrieben umgesetzt.<br />

Es stellt sich <strong>die</strong> Frage, wie man <strong>die</strong>se, in enger Zusammenarbeit mit ausgewählten<br />

Betrieben entwickelten Maßnahmen und Lösungen in <strong>die</strong> Breite der Betriebe eines<br />

Gewerks in der Region transferiert. Wichtig dafür erscheint zunächst der enge Dialog<br />

und <strong>das</strong> ständige Feed-back der Betriebe, <strong>die</strong> solche Konzepte anwenden, mit den regionalen<br />

<strong>Handwerk</strong>sorganisationen, der Kammer, den Innungen und den Kreishandwerkerschaften,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Ergebnisse dann diffun<strong>die</strong>ren. Weiterhin wurde an der FH eine Arbeitsgruppe<br />

KMU eingerichtet, <strong>die</strong> als regionales Kompetenzzentrum und ständiger<br />

Ansprechpartner der Betriebe für Beratungen im Bereich Personalentwicklung <strong>die</strong>nt.<br />

Ein Weg, Personalentwicklung in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> zu transferieren, wäre, sie in <strong>die</strong> vorhandenen<br />

Strukturen der Betriebsberatung im <strong>Handwerk</strong> zu integrieren. Die Frage an<br />

<strong>die</strong> Vertreter der Kammern lautete, inwieweit <strong>das</strong> Thema Personalentwicklung bei der<br />

derzeitigen Praxis der Betriebsberatung im <strong>Handwerk</strong> bereits eine Rolle spielt und inwieweit<br />

es Pläne gibt bzw. es für möglich gehalten wird, <strong>die</strong>ses Thema in <strong>die</strong> Betriebsberatung<br />

aufzunehmen?<br />

Für <strong>die</strong> Kammer München ist festzustellen, <strong>das</strong>s der Beraterstab dort derzeit pro Jahr<br />

etwa 100.000 Betriebskontakte realisiert, d.h. im Schnitt lässt sich jeder <strong>Handwerk</strong>sbetrieb<br />

des Kammerbezirks etwa 1,8 mal pro Jahr in irgendeiner Frage von den Betriebsberatern<br />

der Kammer beraten. Das Thema Personalentwicklung stehe dabei bisher nicht<br />

im Vordergrund, man stelle aber eine zunehmende Nachfrage in <strong>die</strong>sem Feld fest. Daher


49<br />

werde derzeit überlegt, ob der Bereich Personalentwicklung künftig zu einem Standardberatungsthema<br />

für <strong>die</strong> Betriebsberatungsstellen gemacht werden könne.<br />

Ein derzeit durch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>skammer München/Oberbayern in Kooperation mit dem<br />

Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) durchgeführter Modellversuch „Personalentwicklung<br />

für kleine und mittlere Unternehmen auf dem Weg zum Service- und Systemanbieter“<br />

soll Erkenntnisse für <strong>die</strong> Ausweitung des Angebots erbringen. Diese sei<br />

nicht zuletzt auch eine Frage der vorhandenen Beratungskapazitäten, teilweise fehle es<br />

im Beratungsapparat auch noch an der notwendigen Kompetenz. Das heisst, sollte Personalentwicklung<br />

zum Standardberatungsthema werden, müssten zunächst <strong>die</strong> Berater<br />

zu <strong>die</strong>sem Thema geschult werden.<br />

Aktiv seien <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>skammern beim Thema Personalentwicklung bereits insofern,<br />

als man, „was <strong>das</strong> lebenslange Lernen betrifft, schon seit Jahren als Messias unterwegs<br />

[sei], um unseren Betrieben, unseren Beschäftigten zu predigen, beispielsweise bei jeder<br />

Freisprechungsfeier von Gesellen, <strong>das</strong>s mit <strong>die</strong>ser Gesellenprüfung nur <strong>die</strong> erste Stufe<br />

des lebenslangen Lernens bewältigt ist, genauso wie nach der Meisterprüfung, <strong>das</strong>s wir<br />

auch immer an <strong>die</strong> jungen Leute appellieren, sich jetzt nicht mental zur Ruhe zu setzen<br />

und <strong>das</strong> Lernen einzustellen“. So bietet <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>skammer München eine Aus- und<br />

Fortbildungsberatung an, in der u.a. auch mit den Betrieben der Qualifizierungsbedarf<br />

und <strong>die</strong> Qualifikationsprofile ermittelt werden, um passende Fortbildungen anzubieten.<br />

Es wurde auch darauf hingewiesen, <strong>das</strong>s beim Thema Personalentwicklung stets <strong>die</strong><br />

Heterogenität des <strong>Handwerk</strong>s, insbesondere <strong>die</strong> unterschiedlichen Betriebsgrößen, zu<br />

bedenken seien. Anspruchsvolle Konzepte gerade auch für ältere Arbeitnehmer wie eine<br />

Laufbahnplanung, <strong>die</strong> den Leistungswandel im höheren Alter berücksichtigt, seien<br />

bspw. nur in größeren <strong>Handwerk</strong>sbetrieben realistisch.<br />

Auch in Großbetrieben, so ein wiederholter Hinweis, passiere trotz vorhandener Personalabteilungen<br />

in Hinblick auf langfristige Personalentwicklung nicht unbedingt viel.<br />

Der <strong>Handwerk</strong>sbetrieb habe dagegen meist eine ziemlich genaue Einschätzung der<br />

Qualifikationen und Leistungsfähigkeit seiner Leute, „... nur <strong>das</strong>s <strong>die</strong> gesamte Entwicklung<br />

auf Glück und Zufall aufgebaut ist. Da wird nicht konkret geplant, so ich habe<br />

jetzt zwanzig der zehn über 50 oder 55-Jährige, ich muss jetzt langsam Nachwuchs<br />

nachfüttern, damit ich eine vernünftige Altersstruktur bekomme ...“. Derzeit – so <strong>die</strong><br />

Erfahrung eines Betriebsberaters im Raum München – leiden <strong>die</strong> Betriebe unter dem<br />

akuten Problem des Fachkräftemangels. Dies sei <strong>das</strong> Thema, mit dem <strong>die</strong> Berater immer<br />

wieder konfrontiert würden und wo man sich schnelle Hilfe erwarte. Der Fachkräftemangel<br />

stehe in der Wahrnehmung der Betriebe so im Vordergrund, <strong>das</strong>s es schwerfalle,<br />

den Betrieben in <strong>die</strong>ser Situation den Gedanken an langfristige Personalentwicklung<br />

oder Weiterentwicklung des vorhandenen Fachkräftepotenzials nahe zu bringen.


50<br />

In <strong>die</strong>sem Zusammenhang wurde auf <strong>die</strong> sog. Arbeitnehmerbörsen hingewiesen, <strong>die</strong><br />

einige Kammern inzwischen eingerichtet haben, um <strong>die</strong> Betriebe bei der Fachkräftesuche<br />

zu unterstützen. Auch der Vorschlag, <strong>die</strong> Probezeiten von derzeit drei Monaten auf<br />

sechs Monate zu verlängern wurde in <strong>die</strong> Debatte geworfen: Gerade für einen Kleinbetrieb<br />

sei eine Neueinstellung immer ein hohes Risiko, <strong>die</strong> Arbeitskräfte müssen in <strong>das</strong><br />

Team passen, Zeugnisse allein seien heute nicht mehr aussagefähig. Kritisch wurde angemerkt,<br />

<strong>das</strong>s eine solche Verlängerung der Probezeit auf Widerstand seitens der Gewerkschaft<br />

stoße.<br />

Inwieweit stellt zwischenbetriebliche Kooperation einen Weg dar, <strong>die</strong> Handlungsspielräume<br />

von <strong>Handwerk</strong>sbetrieben bei der Personalentwicklung zu erweitern, etwa bei der<br />

innerbetrieblichen Weiterbildung oder wenn es darum geht, Umsetzungsarbeitsplätze<br />

für leistungsgeminderte ältere Mitarbeiter zu finden? Diese Option wurde ziemlich einhellig<br />

als unrealistisch bewertet. Bezogen auf <strong>das</strong> Kfz-Gewerbe wurde gesagt: „Wenn<br />

Sie unsere Branche kennen, dann wissen Sie, <strong>das</strong>s unsere Formel lautet: Feind, Todfeind,<br />

Markenkollege.“ Die Angst vor Abwerbung von Personal sei zu groß. Seitens der<br />

Arbeitnehmervertreter wurde dagegen von einem gelungenen Beispiel überbetrieblicher<br />

Kooperation bei der Fachkräftevermittlung berichtet:<br />

„Es gibt bei ... eine Kooperation zwischen Betriebsräten der Händlerbetriebe und<br />

dem Herstellerwerk. Eines der Anliegen der Gewerkschaft war, innerhalb des<br />

Markennetzes so etwas wie eine Personalbörse aufzubauen. Denn wir wussten ja,<br />

<strong>das</strong>s viele Betriebe geschlossen werden und <strong>die</strong> Umstrukturierung in den nächsten<br />

Jahren fortgesetzt wird. Der Widerstand war zunächst groß, <strong>das</strong> Argument war,<br />

wenn wir so etwas machen, dann stellen sich <strong>die</strong> Arbeitnehmer da rein, um ihren<br />

Lohn nach oben zu bringen, man betrachtete <strong>das</strong> als Abwerbung. Inzwischen haben<br />

wir uns geeinigt, im April wird <strong>die</strong>se Börse ins Internet gestellt. Der Hersteller<br />

hat eingesehen, <strong>das</strong>s es besser ist, so etwas innerhalb des eigenen Markennetzes<br />

zu machen, da man ja auch viel in <strong>die</strong> Qualifizierung der Leute hineingesteckt<br />

hat. Und wenn einer weg will, dann findet er auch andere Wege, ... also <strong>das</strong> lässt<br />

sich sowieso nicht verhindern. Und ich frage mich, warum kann man so etwas<br />

nicht auch in anderen Bereichen machen? Wir haben vorhin gesehen, <strong>das</strong>s in vielen<br />

<strong>Handwerk</strong>sbetrieben über den Bedarf ausgebildet wird. Wäre es da nicht gut,<br />

auch hier solche Prozesse zu organisieren?“


THEMENKOMPLEX IV<br />

51<br />

Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes:<br />

Präventiver Gesundheitsschutz und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung – ein<br />

wichtiger Ansatz zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Wandels im <strong>Handwerk</strong>?<br />

Befragungen im <strong>Handwerk</strong> zeigen immer wieder, <strong>das</strong>s Arbeit im <strong>Handwerk</strong> nach wie<br />

vor als belastend und körperlich verausgabend empfunden wird. In vielen handwerklichen<br />

Gewerken gibt es Arbeitsplätze mit begrenzter Tätigkeitsdauer, also Arbeiten, <strong>die</strong><br />

im höherem Alter nicht mehr ausgeübt werden können. Die konkrete Belastungssituation<br />

und <strong>die</strong> Erwartung, den Anforderungen der gegenwärtigen Tätigkeit nicht bis zum<br />

Erreichen des Rentenalters gewachsen zu sein, sind wichtige Gründe für <strong>die</strong> Abwanderung<br />

von Fachkräften aus dem <strong>Handwerk</strong> dar. Diese findet meist in den mittleren Erwerbsjahren<br />

statt. Auf der anderen Seite werden demographisch bedingt auch im <strong>Handwerk</strong><br />

<strong>die</strong> Belegschaften älter werden. Das <strong>Handwerk</strong> steht also vor der Aufgabe, <strong>die</strong><br />

vorhandenen Arbeitsplätze so zu gestalten, <strong>das</strong>s sie auch von älteren Beschäftigten noch<br />

ausgefüllt werden können. Es wird in Zukunft vermehrt Anstrengungen zu ergonomischer<br />

Arbeitsgestaltung und zum Abbau psychischer Belastungen unternehmen müssen.<br />

Der Ausbau des präventiven Gesundheitsschutzes und Maßnahmen zur Qualifizierung<br />

der Beschäftigten, Gesundheitsrisiken rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden, wären<br />

weitere wichtige Handlungserfordernisse.<br />

THEMENKOMPLEX IV<br />

Handlungsebene Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes<br />

Präventiver Gesundheitsschutz und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung – ein<br />

wichtiger Ansatz zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Wandels im <strong>Handwerk</strong>?<br />

• Wie ist der derzeitige Informationsstand über gesundheitlichen Verschleiß in den<br />

einzelnen Gewerken und bei spezifischen Altersgruppen und welche Entwicklungstendenzen<br />

werden erwartet?<br />

• Was können <strong>die</strong> Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes tun, um<br />

<strong>die</strong> Problematik älter werdender Belegschaften und daraus abzuleitenden<br />

Anforderungen an präventivem Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung<br />

in <strong>die</strong> Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s zu tragen?<br />

• Welche Handlungskonzepte werden von den Trägern im Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />

bereits mit welchem Erfolg praktiziert?<br />

� Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Beschäftigten<br />

(sicherheits- und gesundheitsbewusstes Verhalten)?<br />

� Aufklärung der Unternehmen über Möglichkeiten betrieblicher Arbeitsgestaltung<br />

mit dem Ziel der Verringerung von Gefährdungen und arbeitsbedingten<br />

körperlichen Belastungen?<br />

� Welche Ansatzpunkte gibt es derzeit zur Etablierung eines Frühwarnsystems<br />

zu gewerkespezifischen Verschleißschwerpunkten und Risikopotenzialen?<br />

• Wären neue Kooperationsformen und Netzwerke zwischen verschiedenen<br />

Akteuren sinnvoll (z.B. Verzahnung von beruflicher Weiterbildung mit Arbeitsund<br />

Gesundheitsschutzthemen)?


52<br />

Die Vertreter der angesprochenen Institutionen erklärten einvernehmlich, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Thema angekommen sei. Seitens der Innungskrankenkassen gibt es eine Vielzahl von<br />

Untersuchungen, <strong>die</strong> sich mit den spezifischen Belastungs- und Verschleißsituationen in<br />

den unterschiedlichen Gewerken beschäftigen. Der Vertreter der Berufsgenossenschaft<br />

stellte eine Längsschnittstu<strong>die</strong> zum Krankheits- und Frühverrentungsgeschehen im Bauund<br />

Ausbaugewerk vor, <strong>die</strong> 70 % der Bauberufe erfasst und <strong>die</strong> Entwicklung seit 1992<br />

widerspiegelt. Es wurde in der Baubranche u.a. ein Vergleich von Beschäftigten mit<br />

körperlicher Arbeit und solchen, <strong>die</strong> keine körperliche Arbeit verrichten, gemacht. Ein<br />

Ergebnis ist:<br />

„... doppelt so viele Bauleute haben Rückenbeschwerden oder auch am Rücken<br />

Erkrankungen als <strong>die</strong> Leute, <strong>die</strong> keine körperliche Arbeit haben. Wenn sie älter<br />

werden, gleicht sich <strong>das</strong> aus. Also <strong>die</strong> Einflussnahme beruflicher Rehabilitation ...<br />

hat nur Sinn, wenn sie sehr frühzeitig greift ... eigentlich bei der Berufsberatung.<br />

Ist derjenige überhaupt geeignet für den Beruf? ... <strong>das</strong> ist wichtig, <strong>das</strong>s wir im<br />

Vorfeld sehen und nicht nach einem halben Jahr oder einem Jahr merken, der<br />

kann <strong>das</strong> gar nicht ...“<br />

In der Baubranche haben über 90 % der Betriebe weniger als zehn Beschäftigte und<br />

einen hohen Anteil an ungelernten und ausländischen Arbeitskräften. So gibt es bei Ungelernten<br />

verglichen mit allen gewerblich Beschäftigten, im Durchschnitt ein neunfach<br />

höheres Risiko vorzeitig verrentet zu werden.<br />

„... wer da 50 Jahre ist, der hat nichts anderes gelernt, kann auch nichts anderes.<br />

Ein Bauhilfsarbeiter fängt mit 53 oder 54 Jahren an umzulernen, einen ordentlichen<br />

Lehrberuf. Das ist illusionär.“<br />

Die Frühverrentungsursachen sind jedoch nicht ausschließlich beruflich bedingt, sondern<br />

auch Nebenfaktoren wie Lebensstile spielen eine Rolle.<br />

„Aber <strong>die</strong> Gesundheit kann man sehr wohl beeinflussen. ... <strong>die</strong>se Fähigkeit kann<br />

man erweitern, indem man altersgerechte Arbeit ... mit beeinflusst, indem <strong>die</strong> positiven<br />

Eigenschaften, <strong>die</strong> ein älterer Mensch hat, also Zuverlässigkeit, Gelassenheit,<br />

<strong>die</strong> besseren Erfahrungen, auch <strong>die</strong> Fähigkeit, Dinge schnell zusammenzubringen,<br />

nutzt. Die anderen Dinge, wo es auf den Bizeps ankommt, <strong>die</strong> kann ich<br />

nicht mehr fordern, <strong>die</strong> muss ich zurückfahren. Lebensstil, ..., jeder hat einen Tornister<br />

mit seinem Wasserstand und [es kommt darauf an] wie er damit umgeht, ...<br />

Rauchen, Alkohol, Infektionen.<br />

Für den hohen Krankenstand bei Älteren ist auch der Verbleib im Betrieb relevant:<br />

„Wenn jemand wechselt, dann wechselt er früh, ... wenn er älter wird, also im<br />

Grunde wenn er nicht mehr kann, bekommt er nichts anderes mehr.“


53<br />

Die daraus zu ziehenden Schlüsse sind, <strong>das</strong>s Untersuchungen je nach spezifischen Belastungssituationen<br />

(Krebs erregende Stoffe, Atemschutz, Tauglichkeit) erfolgen sollen<br />

und <strong>die</strong> Betriebsärzte möglichst früh Gespräche mit den Versicherten und Betriebsräten<br />

vor Ort führen müssen.<br />

Ein Teilnehmer betonte, <strong>das</strong>s laut der jüngsten BIBB-IAB-Untersuchung nicht nur <strong>die</strong><br />

psychischen Belastungen sondern auch wieder <strong>die</strong> körperlichen Belastungen zunehmen.<br />

Aus den Kommentaren der Teilnehmer geht hervor, <strong>das</strong>s es nicht an Daten zur Gesundheitssituation<br />

mangelt. Relevante Handlungsfelder sind vielmehr der präventive Gesundheitsschutz<br />

und <strong>die</strong> Sensibilisierung von Betrieben und Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong>.<br />

Auf der Individualebene wird nach wie vor zu spät gesundheitsförderndes Verhalten<br />

thematisiert, d.h. wenn erste Beeinträchtigungen bereits vorhanden sind. Dabei wäre es<br />

von großer Wichtigkeit, jungen Menschen <strong>die</strong> Bedeutung von gesundheitsfördernden<br />

und -erhaltenden Lebens- und Arbeitsweisen zu vermitteln.<br />

Auf der betrieblichen Ebene stehen <strong>die</strong> Inhaber und Führungskräfte dem Thema skeptisch<br />

gegenüber: Sie erwarten zunächst einen erheblichen Kostenaufwand, dem kein<br />

sofort wahrnehmbarer Nutzen entgegensteht. Eine Teilnehmerin bemerkte hierzu:<br />

„Es kommen dann immer Bedenken von den Arbeitgebern, <strong>das</strong> kostet ja Geld.<br />

Dazu muss gesagt werden, <strong>das</strong>s gerade bei Mitarbeiterzirkeln, <strong>die</strong> wir dann durchführen,<br />

es oft <strong>die</strong> kleinen Dinge sind, <strong>die</strong> wenig Geld kosten, <strong>die</strong> dann aber von<br />

den Mitarbeitern kommen. Und was der Mitarbeiter einbringt, dann auch motiviert<br />

und es hat nichts damit zu tun, <strong>das</strong>s man so riesengrosse Investitionen machen<br />

muss ...“<br />

Das Problem wird aus vielerlei Gründen hintangesetzt, nicht zuletzt bedingt durch <strong>das</strong><br />

konkurrenzbestimmte Tagesgeschäft und <strong>die</strong> dünne Personaldecke in den Kleinbetrieben<br />

sowie auch durch <strong>die</strong> mögliche Sozialisierung der Folgekosten des frühzeitigen<br />

Verschleißes über <strong>die</strong> Frühverrentung.<br />

Die Sensibilisierung muss auf verschiedenen Ebenen greifen:<br />

• Je nach spezifischer Problemstellung im Betrieb (Alters- und Krankheitsstruktur,<br />

Führungsverhalten), den Gewerken (typische Verschleiß- und Belastungserscheinungen)<br />

und im <strong>Handwerk</strong> allgemein (<strong>demographische</strong> Entwicklung, d.h. Nachwuchskräftemangel,<br />

Abwanderung, Frühverrentung keine zukunftsträchtige Lösungsstrategie).<br />

• Arbeitnehmer, Betriebsinhaber und Führungskräfte


54<br />

• Junge Menschen, <strong>die</strong> noch in der Ausbildung sind<br />

• Verbände, Kammern, Ausbildungsinstitutionen<br />

• <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n<br />

Verbreitungsmöglichkeiten<br />

Probleme bereiten einerseits <strong>die</strong> Widerstände der Betriebsinhaber und andererseits <strong>das</strong><br />

geringe Interesse von Arbeitnehmerseite, insbesondere der jüngeren Arbeitnehmer. Hinzu<br />

kommt, <strong>das</strong>s es sich im <strong>Handwerk</strong> hauptsächlich um Kleinbetriebe handelt, in denen<br />

<strong>das</strong> klassische betriebliche Gesundheitsmanagement nicht greift bzw. <strong>die</strong> für Großbetriebe<br />

geeigneten Maßnahmen nicht zu installieren sind. Nichtsdestotrotz gibt es von<br />

den anwesenden Institutionen konkrete (Modell-)Vorhaben, <strong>das</strong> Thema Gesundheitsschutz<br />

stärker in <strong>die</strong> Betriebe zu tragen.<br />

Ein bereits (mit der Elektro-Innung München) erfolgreich eingeschlagener Weg sind<br />

sog. gewerkespezifische Innungszirkel. Sie sind dazu geeignet, dem Problem der Kleinbetriebe<br />

mit max. zehn Mitarbeitern zu begegnen, in denen Arbeitskreise oder Mitarbeiterzirkel<br />

nicht installiert werden können. Gleichzeitig können auf <strong>die</strong>se Weise Betriebe<br />

erreicht werden, <strong>die</strong> nicht an einem Produktionsstandort arbeiten (Montage, Baustellen).<br />

Außerdem wird versucht, über <strong>die</strong> Berufsschulen (durch <strong>die</strong> Innungskrankenkassen)<br />

bereits bei der Lehrerausbildung Gesundheitsthemen im Unterricht zu verankern.<br />

Die Meisterausbildung ist ein weiteres Standbein, da <strong>die</strong> Meister eine wichtige Multiplikatorengruppe<br />

innerhalb des Betriebs darstellen. Man bemüht sich, während der Meisterausbildung<br />

<strong>das</strong> Bewusstsein für Gesundheitsthemen und gesundheitsrelevante Arbeitsprozesse<br />

zu erhöhen und <strong>die</strong>sen Themenblock in <strong>die</strong> Prüfung zu integrieren. Auch<br />

hier gibt es ein Modellprojekt der Innungskrankenkasse mit der Holzfachschule Bad<br />

Wildungen.<br />

Die Ausbildung der Führungskräfte stellt ebenfalls einen Ansatzpunkt dar, da <strong>die</strong>se<br />

durch ihr Führungsverhalten und ihre Einflussnahme auf <strong>die</strong> betriebliche Arbeitsgestaltung<br />

über enorme Eingriffsmöglichkeiten verfügen. Hier gibt es bereits eine erfolgreiche<br />

Zusammenarbeit zwischen der Innungskrankenkasse und der FH Niederrhein.<br />

Eine Sensibilisierungsmöglichkeit auf betrieblicher Ebene sind Betriebsanalysen dazu,<br />

welche Altersstruktur und welche Krankheiten es im Betrieb gibt und wie <strong>die</strong>se beiden<br />

Faktoren zusammenhängen können. Jedoch scheinen nicht alle Betriebe für solche<br />

Analysen offen zu sein. Ein Ansatz wäre, solche Betriebsbeispiele in Fachblättern zu


55<br />

veröffentlichen - und zwar nicht nur den arbeitsmedizinischen –, um so eine erste Sensibilisierung<br />

hervorzurufen.<br />

Ein weiterer positiver Ansatzpunkt ergibt sich, wenn für einen Betrieb <strong>die</strong> Zertifizierung<br />

nach ISO 9002 erforderlich wird. Hier wird durch eine zusätzliche Zertifizierung versucht,<br />

Umweltschutz und Arbeitssicherheit zu integrieren. Die Zertifizierung kann als<br />

erster Schritt genutzt werden, um <strong>die</strong> Betriebe an <strong>das</strong> Thema Arbeitsschutz heranzuführen.<br />

So findet zumindest eine erste Einbindung der Betriebe statt.<br />

Ein geeignetes Instrument zur Installierung von Frühwarnsystemen ist <strong>die</strong> Gesundheitsberichterstattung,<br />

d.h.<br />

„... da gibt es <strong>das</strong> tatsächliche Krankheitsgeschehen im Betrieb, <strong>die</strong> Schwerpunkte<br />

des Krankheitsgeschehens... man kann auch mit konzentrierten Maßnahmen, auch<br />

mit Berufsgenossenschaften, mit den Betriebsinhabern, mit der Personalvertretung<br />

gezielt auf <strong>die</strong> Behebung <strong>die</strong>ser gesundheitsschädlichen Arbeitsprozesse hinarbeiten.“<br />

Derzeit stellen Gesundheits- und Werkstattzirkel den Idealfall betrieblicher Gesundheitsförderung<br />

dar.<br />

Ein wichtiges Ziel innerhalb der Betriebe wäre eine Gesundheitsförderung auf ganzheitlicher<br />

Basis: Diese würde auch <strong>das</strong> Kommunikationsverhalten der Führungs- und<br />

Arbeitskräfte (Verminderung von Stressfaktoren) sowie <strong>die</strong> Verbesserung der Arbeitsabläufe<br />

und Bewegungsabläufe mittels Analysen beinhalten.<br />

Vielen Beschäftigten ist <strong>die</strong> Tatsache, <strong>das</strong>s es angesichts der <strong>demographische</strong>n Entwicklung<br />

und der Finanzierungsprobleme der Alterssicherung <strong>die</strong> Ausweichoption<br />

Frühverrentung in Zukunft in dem Umfang nicht mehr geben wird, noch kaum bewusst.<br />

Hier läge ein wichtiger Ansatzpunkt, <strong>die</strong> Arbeitnehmer zu einem schonenderen Umgang<br />

mit ihrer Ressource Gesundheit zu motivieren.<br />

„... <strong>die</strong> Dramatik des körperlichen, gesundheitlichen Verschleißes [wird] wahrscheinlich<br />

von vielen ja deshalb nicht so empfunden, weil es bis jetzt immer <strong>die</strong><br />

Ausweichlösung vorzeitige Pensionierung gegeben hat. [...] ist <strong>das</strong> ein Punkt, der<br />

eigentlich viel deutlicher gemacht werden müsste, weil der einen dazu bewegen<br />

könnte, sorgsamer mit seinem Gut Gesundheit umzugehen bzw. sich auch effektiver<br />

dagegen zu wehren, wenn es Leute gibt; <strong>die</strong> nicht bereit sind, Voraussetzungen<br />

zu schaffen, <strong>das</strong>s man in Ehren in seinem Beruf im <strong>Handwerk</strong> alt werden<br />

kann. Ihr müsst oder dürft euch darauf einrichten; ... eine längere Erwerbsbiographie<br />

zu haben.“


THEMENKOMPLEX V<br />

56<br />

Handlungsebene Verbände und Organisationen des <strong>Handwerk</strong>s und seiner Beschäftigten:<br />

Verbände als Multiplikatoren der Vermittlung des Problems und Impulsgeber für<br />

notwendige Anpassungsmaßnahmen<br />

Mit seiner dichten, auch auf regionaler Ebene gegliederten institutionellen Struktur aus<br />

gewerkeübergreifend tätigen <strong>Handwerk</strong>skammern einerseits und fachlich ausgerichteten<br />

Innungen andererseits bietet <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> eigentlich sehr günstige Bedingungen dafür,<br />

<strong>die</strong> Problematik des <strong>demographische</strong>n Wandels und der daraus folgenden Anpassungserfordernisse<br />

bei der Arbeitskräfteversorgung und Arbeitsgestaltung in <strong>die</strong> Betriebe des<br />

<strong>Handwerk</strong>s zu tragen. Voraussetzung ist, <strong>das</strong>s innerhalb <strong>die</strong>ser Organisationen bereits<br />

eine Sensibilität für <strong>die</strong> Thematik besteht. Mit der Selbstverwaltungsstruktur im <strong>Handwerk</strong><br />

und der damit gegebenen Mitwirkung der Arbeitnehmerseite an der Arbeit der<br />

Selbstverwaltungsgremien sind darüber hinaus Potenziale für gemeinsame Initiativen<br />

der Unternehmerseite und der Beschäftigtenvertretungen gegeben, <strong>die</strong> ebenfalls zielorientiert<br />

genutzt werden könnten, um <strong>die</strong> Umsetzung entsprechender Anpassungsmaßnahmen<br />

voranzutreiben.<br />

THEMENKOMPLEX V<br />

Handlungsebene Verbände und Organisationen des <strong>Handwerk</strong>s und seiner<br />

Beschäftigten<br />

Verbände als Multiplikatoren der Vermittlung des Problems und Impulsgeber für notwendige<br />

Anpassungsmaßnahmen<br />

• Gibt es zwischen fachübergreifenden Organisationen des <strong>Handwerk</strong>s (Kammern)<br />

und fachlichen Organisationen (Innungen, Fachverbänden) unterschiedliche Stoßrichtungen<br />

und Ansatzpunkte für den Transfer des Problems „<strong>demographische</strong><br />

Entwicklung“?<br />

• Wie könnte eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den Organisationsebenen aussehen?<br />

• Wie wirkt sich <strong>die</strong> unterschiedliche regionale und gewerkespezifische Betroffenheit<br />

von demographisch bedingten Engpässen auf <strong>die</strong> Wahrnehmung des Problems<br />

und <strong>die</strong> Möglichkeiten, damit umzugehen, aus?<br />

• Welche Folgen ergeben sich aus der Doppelstruktur der Zuständigkeiten der Arbeitnehmerorganisationen<br />

für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> (DGB, Fachgewerkschaften) auf<br />

Schwerpunkte und Transfermöglichkeiten?<br />

• Werden gesetzgeberische und tarifpolitische Ansätze (z.B. Altersteilzeitgesetz,<br />

Weiterbildungstarifverträge) für <strong>die</strong> Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturbruchs<br />

bereits genutzt und wo liegen noch ungenutzte Potenziale?<br />

Die <strong>Handwerk</strong>skammern greifen, so erklärt ein Vertreter <strong>die</strong>ser Institution, <strong>das</strong> Thema<br />

Demographie derzeit von zwei Seiten auf: Zum einen sind <strong>die</strong> Kammern in Bezug auf<br />

<strong>das</strong> Problem der Nachwuchssicherung fachübergreifend durch Nachwuchswerbe- und


57<br />

Imagekampagnen aktiv. Zum anderen ist <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> durch <strong>die</strong> Alterung der Betriebsinhaber<br />

und <strong>das</strong> Problem der Nachfolgeregelung von der <strong>demographische</strong>n Entwicklung<br />

besonders betroffen. Hier stehe man mit Sensibilisierungsaktionen erst noch am<br />

Anfang. Für den Transfer in <strong>die</strong> handwerklichen Betriebe biete ein Forschungsvorhaben<br />

wie <strong>die</strong> „Öffentlichkeits- und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r Wandel“ gute Ansatzpunkte,<br />

um gemeinsam mit und unterstützt durch <strong>die</strong> Wissenschaft <strong>die</strong> Demographieproblematik<br />

in <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe zu tragen. Von den Angeboten <strong>die</strong>ses Projekts<br />

werde - beispielsweise von der Kammer München - durchaus Gebrauch gemacht.<br />

Ein in seiner Multiplikatorenwirkung für den Transfer sehr wichtiges Gremium seien<br />

<strong>die</strong> Vollversammlungen der Kammern, zumal auf <strong>die</strong>sem Wege auch <strong>die</strong> Fachorganisationen<br />

erreicht werden könnten, da dort i.d.R. auch viele Kreishandwerksmeister und<br />

Innungsobermeister vertreten seien.<br />

„Ich glaube, wenn wir uns in drei Jahren hier wieder träfen, könnten wir zumindest<br />

feststellen, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Sensibilität für <strong>die</strong>ses Thema deutlich angestiegen ist.“<br />

Allerdings, so ein kritischer Hinweis, verfolge man in der <strong>Handwerk</strong>sorganisation zwar<br />

seit vielen Jahren aktiv <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung in Hinblick auf <strong>die</strong> Nachwuchsfrage,<br />

„... weil es da den Betrieben auf den Nägeln brennt, aber <strong>das</strong>, was sich eben so<br />

schleichend einstellt, <strong>das</strong>s eben <strong>die</strong> Altersstruktur in den Betrieben ganz anders<br />

wird, also immer mehr ältere Mitarbeiter da sind, da glaube ich, ist noch ein weites<br />

Feld, wo wir etwas rüberbringen müssen“.<br />

Angesichts der bereits diskutierten Notwendigkeit, gut vorqualifizierten und motivierten<br />

Jugendlichen im <strong>Handwerk</strong> Aufstiegschancen und Entwicklungsperspektiven zu bieten,<br />

sollten <strong>die</strong> fachlichen Organisationen nach Meinung eines Fachverbandsvertreters, einen<br />

Schwerpunkt darauf legen, für ihre Gewerke qualifikatorische Zwischenstufen zwischen<br />

Meistern und Gesellen zu schaffen, wie es z.B. im Kfz-Bereich bereits geschieht.<br />

Ebenso wichtig wären kreative Modelle, um Hochschulabsolventen oder auch Stu<strong>die</strong>nabbrechern<br />

sowohl technischer als auch betriebswirtschaftlicher Fachrichtungen einen<br />

alternativen Karriereweg im <strong>Handwerk</strong> zu eröffnen. Zudem müssten <strong>die</strong> Fachorganisationen<br />

darüber nachdenken, Ausbildungswege für solche Jugendlichen zu schaffen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Qualifikationen für eine normale Ausbildung nicht mitbringen.<br />

Als ein für <strong>die</strong> Verbände und Tarifpartner weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld wurde <strong>die</strong><br />

Einflussnahme bei der Formulierung gesetzgeberischer Vorgaben und Regelungen genannt.<br />

Das betreffe z.B. <strong>das</strong> Teilzeitgesetz, <strong>das</strong> Altersteilzeitgesetz, <strong>das</strong> Kündigungsschutzgesetz<br />

und <strong>die</strong> Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese Regelungen seien<br />

in ihrer derzeitigen Form nicht kleinbetriebsgerecht. Teilweise, so z.B. der Kündigungsschutz,<br />

würden sie kontraproduktiv auf <strong>die</strong> Beschäftigungschancen Älterer wirken oder,


58<br />

wie im Fall des Altersteilzeitgesetzes, angesichts der <strong>demographische</strong>n Entwicklung<br />

genau in <strong>die</strong> falsche Richtung zielen, indem <strong>die</strong> älteren Mitarbeiter zu früh in <strong>die</strong> Pensionierung<br />

geschickt würden.<br />

Über <strong>die</strong> von der <strong>Handwerk</strong>sorganisation vielfach beklagte, nicht handwerksgerechte<br />

Ausgestaltung gesetzgeberischer Regelungen entspann sich eine Kontroverse. Derartige<br />

öffentlichen Stellungnahmen der <strong>Handwerk</strong>sverbände trügen, so ein Vertreter der Arbeitnehmerseite,<br />

dazu bei, <strong>das</strong> negative Image des <strong>Handwerk</strong>s zu verfestigen, wie bei<br />

der Debatte um <strong>das</strong> Betriebsverfassungsgesetz:<br />

„Die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes bringt riesige Probleme, im<br />

<strong>Handwerk</strong> bricht alles zusammen. Ich möchte nicht, <strong>das</strong>s junge Leute <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />

sehen als einen Bereich, der zusammenstürzt, sondern ich möchte sehen,<br />

<strong>das</strong>s da Perspektiven sind. Im übrigen ist aufzuräumen mit der Mär, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Betriebsverfassungsgesetz<br />

<strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe in den Ruin stürzt. Also erst mal<br />

ändert sich am Betriebsverfassungsgesetz gar nichts. Ab fünf darf schon heute<br />

gewählt werden, darf auch zukünftig gewählt werden. Durch <strong>das</strong> neue Betriebsverfassungsgesetz<br />

gibt es keinen Betriebsrat mehr. Zweitens <strong>die</strong> Kosten, <strong>die</strong> entstehen,<br />

<strong>die</strong> entstehen bei Betrieben ab 200 Arbeitnehmern ... ich nehme mal an,<br />

<strong>das</strong>s der Anteil der Betriebe über 200 Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong> wahrscheinlich<br />

bei weit unter 0,5 % liegt. ... Was übrig bleibt, ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> wieder<br />

einmal als Looser einer Reform dargestellt wird, statt zu sagen, auch im <strong>Handwerk</strong><br />

haben wir gute Chancen, Arbeitnehmer, ihr seid herzlich willkommen, auch<br />

hier gibt es Mitbestimmungsmöglichkeiten wie in jedem Industriebetrieb, ihr seid<br />

keine Arbeitnehmer zweiter Klasse, <strong>das</strong> wäre genau <strong>die</strong> Botschaft, <strong>die</strong> <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />

vermitteln muss. ... So, wenn wir <strong>das</strong> hinkriegen, dann brauchen wir auch<br />

den älteren Arbeitnehmern nicht zu sagen, sucht euch irgendwo einen anderen<br />

Job, da bleiben sie im <strong>Handwerk</strong>, da sind attraktive Arbeitsbedingungen. ... Wir<br />

können Tarifverträge sicherlich so gestalten, <strong>das</strong>s man den Übergang für ältere<br />

Arbeitnehmer ins Ausscheiden aus dem Arbeitsleben günstig gestaltet.“<br />

Nicht „Jammern“, sondern <strong>die</strong> kreative tarifpolitische Gestaltung gesetzlicher Regelungen<br />

im <strong>Handwerk</strong> sei <strong>das</strong> Gebot der Stunde.<br />

Einig waren sich <strong>die</strong> Diskutanten darüber, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> derzeit dominierende Nutzungsform<br />

der Altersteilzeit, <strong>das</strong> Blockmodell, den eigentlich sinnvollen und wegen der <strong>demographische</strong>n<br />

Entwicklung gebotenen Intentionen des Gesetzes – nämlich dem gleitenden<br />

Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand und dem allmählichen betrieblichen Erfahrungstransfer<br />

von den Älteren zu den Jüngeren – zuwiderläuft. Kritik am Altersteilzeitgesetz<br />

wurde insofern geübt, als es „mal wieder Industrie und <strong>Handwerk</strong> über einen<br />

Leisten schlägt“. So sei im <strong>Handwerk</strong> Teilzeitarbeit schwerer in den Betriebsablauf zu<br />

integrieren, zumal bei kundenorientierter Dienstleistung der Mitarbeiter stets als Ansprechpartner<br />

für den Kunden zur Verfügung stehen müsse. Dem wurde entgegengehalten,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Altersteilzeitgesetz nicht nur Halbtagsarbeit bedeute, sondern ein breites<br />

Spektrum von Arbeitszeitformen – von der tageweisen über <strong>die</strong> wöchentliche und


59<br />

monatliche Bündelung der Freizeit – zulasse, <strong>die</strong> sowohl den Interessen des Betriebs als<br />

auch den Bedürfnissen der älteren Arbeitnehmer entgegen kämen. Das Altersteilzeitgesetz<br />

eigne sich für <strong>die</strong> Tarifpartner, gemeinsam nach Modellen zu suchen, <strong>die</strong> den spezifischen<br />

Anforderungen des <strong>Handwerk</strong>s entsprächen. Allerdings zeigte sich auch, <strong>das</strong>s<br />

hier noch erheblicher Beratungsbedarf besteht. Insofern wäre <strong>die</strong> Entwicklung handwerksgerechter<br />

betrieblicher Lösungen der Altersteilzeit ein Aufgabenfeld für <strong>die</strong> Betriebsberatung.<br />

Die Chancen für gemeinsame Initiativen der Sozialpartner, <strong>das</strong> „schließlich <strong>das</strong> gesamte<br />

<strong>Handwerk</strong> fordernde“ Thema Demographie in <strong>die</strong> Breite zu tragen und Lösungen voranzutreiben,<br />

wurden vor allem auf Kammerebene gesehen, in den Vorständen und Vollversammlungen,<br />

wo Arbeitnehmer und Arbeitgeber an einem Tisch sitzen. Hier sei in<br />

einzelnen Kammern <strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite<br />

sehr gut. Schwieriger wurden <strong>die</strong> Möglichkeiten eingeschätzt, zu - zwischen den Spitzenorganisationen<br />

des <strong>Handwerk</strong>s und den Gewerkschaften gemeinsam getragenen -<br />

Positionen und evtl. auch gesetzgeberischen Vorstößen zu gelangen. Wobei hier von<br />

den Arbeitnehmervertretern darauf verwiesen wurde, daß in den entsprechenden Arbeitskreisen<br />

der <strong>Handwerk</strong>sorganisation auf Landes- und Bundesebene, in denen solche<br />

Themen zu behandeln seien, <strong>die</strong> Arbeitnehmerseite nicht vertreten sei. Daher behandle<br />

<strong>die</strong> Arbeitnehmerseite <strong>die</strong>ses Thema in ihren eigenen Arbeitskreisen, was <strong>die</strong> Chancen<br />

im Sinne einer Durchsetzung handwerksgerechter Regelungen nicht erhöhe: „Wir sind<br />

dann zweigleisig gefahren und nicht eingleisig, und <strong>das</strong> war auch ein Nachteil“.<br />

THEMENKOMPLEX VI<br />

Handlungsebene <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n:<br />

Meist noch geringer Problemdruck und doch schon hoher Handlungsbedarf – wie<br />

„verkauft“ man den <strong>demographische</strong>n Umbruch?<br />

Das <strong>Handwerk</strong> verfügt in Deutschland über eine eigene, sehr vielfältige Presselandschaft.<br />

Die handwerkseigenen Me<strong>die</strong>n könnten daher als wichtiger Multiplikator für den<br />

<strong>demographische</strong>n Umbruch sensibilisieren, indem sie <strong>die</strong> Thematik in <strong>die</strong> Betriebe des<br />

<strong>Handwerk</strong>s, an <strong>die</strong> Betriebsinhaber und Beschäftigten, transferieren. Dabei sind auch sie<br />

mit der spezifischen Vermittlungsproblematik des Themas Demographie konfrontiert:<br />

der Tatsache, <strong>das</strong>s der <strong>demographische</strong> Wandel einerseits ein sehr langfristiger und<br />

schleichender Prozess ist, zu dessen Bewältigung aber andererseits bereits heute wichtige<br />

Weichenstellungen – wie z.B. hinsichtlich der Nachwuchsrekrutierung und der Implementation<br />

einer Praxis lebenslangen Lernens in den Betrieben – erfolgen müssen.<br />

Zudem ist der <strong>demographische</strong> Wandel ein äußerst komplexes und facettenreiches<br />

Thema, <strong>das</strong> viele Bereiche des betrieblichen Geschehens tangiert. Gerade weil der <strong>demographische</strong><br />

Wandel ein langfristiges Thema darstellt, dessen Bezug zu aktuellen, den


60<br />

jeweiligen <strong>Handwerk</strong>sbetrieb berührenden Problemen nicht in jedem Fall eindeutig und<br />

für <strong>die</strong> Betroffenen transparent ist, stehen <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n vor der schwierigen Aufgabe, <strong>das</strong><br />

Thema trotz nicht offensichtlicher Aktualität dauerhaft „am Köcheln“ zu halten.<br />

THEMENKOMPLEX VI<br />

Handlungsebene <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n<br />

Meist noch geringer Problemdruck und doch schon hoher Handlungsbedarf – wie<br />

„verkauft“ man den <strong>demographische</strong>n Umbruch?<br />

• Welche Zielgruppen erreicht <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>spresse?<br />

• Was macht ein Thema „attraktiv“?<br />

• Wo liegen <strong>die</strong> Schwierigkeiten, wo lägen Ansatzpunkte, <strong>das</strong> Thema „Demographische<br />

Entwicklung und Herausforderungen für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>“ erfolgreich zu platzieren?<br />

• Wo gibt es Defizite, wo Verbesserungsmöglichkeiten bei der künftigen Darstellung<br />

und Vermittlung des Demographiethemas durch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n?<br />

• Welche Me<strong>die</strong>n (Printme<strong>die</strong>n, Rundfunk, TV, CD) bieten sich an?<br />

• Welche Darstellungsformen (Praxisbeispiele, Handlungshilfen wie Checklisten,<br />

Leitfäden) sind geeignet?<br />

• Welche Hilfestellung und Beiträge können Forschungsprogramme wie der Demographieverbund<br />

leisten?<br />

• Wäre eine „Demographiekampagne“ denkbar und wer sollte sich ggf. daran beteiligen?<br />

Zunächst wurden von den anwesenden Vertretern der <strong>Handwerk</strong>spresse <strong>das</strong> Spektrum<br />

und <strong>die</strong> Zielgruppen der <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n erläutert: Die <strong>Handwerk</strong>spresse in<br />

Deutschland ist so inhomogen wie <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> selbst. Im wesentlichen gibt es zum<br />

einen <strong>die</strong> branchenübergreifenden Organe, <strong>die</strong> von den <strong>Handwerk</strong>skammern herausgegeben<br />

werden. Hier sind zwei größere Zeitschriften zu nennen: <strong>das</strong> „Deutsche <strong>Handwerk</strong>sblatt“<br />

und <strong>die</strong> „Deutsche <strong>Handwerk</strong>szeitung". Zum anderen gibt es <strong>die</strong> fachspezifischen<br />

Organe, <strong>die</strong> zugleich Mitteilungsorgane der Landesfachverbände bzw. der Bundesfachverbände<br />

sind. Da <strong>die</strong> Bindung zwischen <strong>Handwerk</strong>sorganisationen und fachübergreifender<br />

und fachspezifischer <strong>Handwerk</strong>spresse sehr eng ist, kann davon ausgegangen<br />

werden, <strong>das</strong>s Kampagnen, <strong>die</strong> von den Kammern getragen werden, in <strong>die</strong>sen<br />

Me<strong>die</strong>n ihren Niederschlag finden. Das gilt auch für potenzielle Initiativen der Kammern<br />

und Fachverbände zum Thema Demographie. Daneben gibt es natürlich für <strong>die</strong><br />

unabhängigen Redaktionen <strong>die</strong>ser Zeitschriften <strong>die</strong> Möglichkeit, von sich aus Themen<br />

wie Demographie in <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n zu tragen.<br />

Neben der <strong>Handwerk</strong>spresse gibt es noch andere <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> zunehmend<br />

online gehen, so <strong>die</strong> zentrale Informationsseite des Zentralverband des Deutschen


61<br />

<strong>Handwerk</strong>s www.handwerk.de oder www.handwerk-info.de. Außerdem verfügen verschiedene<br />

Gewerke auch über Kundenzeitschriften.<br />

Zielgruppe der fachübergreifenden <strong>Handwerk</strong>spresse seien, so erklärten <strong>die</strong> beteiligten<br />

Fachleute einhellig, in erster Linie <strong>die</strong> Betriebsinhaber. Die Beschäftigten dagegen erreiche<br />

man nur in geringem Umfang, außer vielleicht <strong>die</strong> mitarbeitende Ehefrau und den<br />

ein oder anderen leitenden Mitarbeiter. Dies läge einerseits daran, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Zeitschriften<br />

von den Inhabern nicht weitergereicht würden, andererseits aber auch daran, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>se,<br />

selbst wenn sie zugänglich seien, von den Mitarbeitern nicht gelesen würden. Bei den<br />

fachlichen Organen sehe es insofern etwas anders aus, als <strong>die</strong>se auch öfters <strong>die</strong> praktische<br />

Arbeit betreffende Aufsätze enthielten, <strong>die</strong> deshalb eher an <strong>die</strong> Mitarbeiter weitergegeben<br />

werden und Teil der innerbetrieblichen Weiterbildung darstellen. Aber auch<br />

hier sei der Zielerreichungsgrad bei den Beschäftigten nicht sehr hoch. Über <strong>die</strong> Nutzerstruktur<br />

der handwerklichen Onlineme<strong>die</strong>n lagen keine Informationen vor, u.a. weil<br />

<strong>die</strong>se erst seit kurzer Zeit im Netz stehen.<br />

Publikationsme<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> sich ebenfalls potenziell mit dem Thema Demographie befassen<br />

könnten und auch bereits befassen – z.B. unter dem Aspekt der persönlichen Gesundheitsförderung<br />

-, sind <strong>die</strong> Versichertenzeitschriften der Innungskrankenkassen, <strong>die</strong><br />

sich direkt an <strong>die</strong> Mitarbeiter wenden.<br />

Für <strong>die</strong> Attraktivität eines Themas in der <strong>Handwerk</strong>spresse – und damit auch für <strong>die</strong><br />

Vermittlung des Themas Demographie - gelten folgende Kriterien:<br />

Erstens brauche jedes Thema einen praktischen Aufhänger.<br />

„Wir müssen alles, was wir transportieren wollen anhand von Beispielen transportieren:<br />

Der Schreinermeister A hat <strong>das</strong> und <strong>das</strong> Problem, er löst es durch <strong>die</strong><br />

Wege A, B und C, und <strong>das</strong> Fazit ist D.“<br />

Gefragt seien Best-practice-Beispiele, <strong>die</strong> dem <strong>Handwerk</strong>er zeigen, wie man sich durch<br />

Personalentwicklung, Mitarbeiterführung oder Mitarbeiterbeteiligung trotz allgemeinen<br />

Nachwuchsmangels qualifizierte Fachkräfte sichern kann, quasi ein Ideenpool.<br />

Ein zweites Kriterium ist <strong>die</strong> Betroffenheit:<br />

„Es muss ein Thema sein, <strong>das</strong>s ihn berührt, z.B. Betriebsübergabe, Nachfolgeregelung,<br />

Existenzgründung, der ältere Mensch als Kunde ... Dem <strong>Handwerk</strong>er kann<br />

man <strong>das</strong> Thema Demographie nicht plausibel machen, indem man <strong>das</strong> Wort Demographie<br />

oder <strong>demographische</strong>r Umbruch verwendet, sondern indem man <strong>das</strong><br />

verbindet mit dem Thema Nachwuchssorgen oder auch Fachkräftemangel, <strong>das</strong> ist<br />

ihm viel näher.“


62<br />

Als hilfreich habe sich auch erwiesen, an spezifische, aktuelle Branchenprobleme anzuknüpfen,<br />

z.B. im Kfz-Gewerbe <strong>die</strong> anstehende Zusammenlegung oder Schließung von<br />

an sich florierenden Betrieben im Zuge der Bereinigung der Händlernetze, wodurch <strong>das</strong><br />

Problem der Sicherung von Arbeitsplätzen und des Beschäftigungsschutzes für ältere<br />

Arbeitnehmer aufgekommen war. Hier müsste man den Schluss vermitteln, <strong>das</strong>s <strong>die</strong><br />

konkreten Lösungsmöglichkeiten des Problems auch durch <strong>die</strong> <strong>demographische</strong>n Rahmenbedingungen<br />

konditioniert sind.<br />

Anknüpfend an <strong>die</strong> vorausgegangene Diskussion über <strong>das</strong> Image des <strong>Handwerk</strong>s wurde<br />

angemahnt, bei der Vermittlung des Themas Demographie darauf zu achten, „<strong>das</strong>s <strong>die</strong>s<br />

nicht wieder so ein Thema wird, bei dem <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> jammert oder irgendein Problem<br />

hat, dann schalten – außer der <strong>Handwerk</strong>spresse – alle anderen Me<strong>die</strong>n auf Durchzug“.<br />

Wichtig sei, <strong>das</strong> Thema mit „trendigen“ Zukunftsthesen zu versehen oder anhand<br />

zukunftsweisender betrieblicher Lösungsbeispiele zu verkaufen, nach dem Motto: <strong>das</strong><br />

<strong>Handwerk</strong> als Vorreiter bei der präventiven Einstellung auf den <strong>demographische</strong>n Umbruch.<br />

Wie schon erwähnt, erreichen <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n zwar <strong>die</strong> Betriebsinhaber, jedoch<br />

nicht oder nur in geringem Umfang <strong>die</strong> Mitarbeiter. Angesichts der Notwendigkeit,<br />

auch bei den Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong> Sensibilität für <strong>die</strong> Thematik Demographie<br />

und <strong>die</strong> daraus erwachsenden individuellen Herausforderungen – lebenslanges Lernen,<br />

individuelle Gesundheitsvorsorge etc. – zu wecken, wurden Möglichkeiten diskutiert,<br />

verstärkt auch <strong>die</strong>se Zielgruppe zu erreichen. Aus dem Kfz-Gewerbe wurde von dem<br />

erfolgreichen Versuch des Fachverbands berichtet, <strong>die</strong> Mitarbeiter der Betriebe durch<br />

eine Wandzeitung anzusprechen, <strong>die</strong> an <strong>das</strong> schwarze Brett gehängt wird. Mit Preisausschreiben<br />

und sehr kurz gefassten Informationen habe man eine ganz gute Resonanz<br />

bekommen. Generell herrschte aber Skepsis, ein so komplexes Thema wie Demographie<br />

auf <strong>die</strong>sem Wege der Zielgruppe der Mitarbeiter näher bringen zu können.<br />

„Also man muss <strong>das</strong> ganz nüchtern sehen: Im Betrieb liegen ganze Stapel von Publikationen<br />

aus, <strong>die</strong> werden nicht mal durchgeblättert, <strong>die</strong> Pause ist kurz, abends<br />

hat man eigene Hobbys und auch keine Zeit, noch mal in <strong>die</strong> Zeitung zu schauen<br />

... <strong>das</strong> ist leider so.“<br />

Der einzig mögliche Weg wurde in der direkten Ansprache gesehen: Ausgehend von<br />

den Kammern müsse man <strong>das</strong> Thema über <strong>die</strong> Innungen in <strong>die</strong> Gesellenausschüsse<br />

transportieren.<br />

Auch seitens der Gewerkschaft versucht man inzwischen mittels branchenspezifischer<br />

Informationsbroschüren, <strong>die</strong> vierteljährlich erscheinen, <strong>die</strong> Mitglieder in den Betrieben<br />

direkt zu erreichen. Aber auch hier wurde der Weg über <strong>die</strong> Printme<strong>die</strong>n eher skeptisch<br />

eingeschätzt: Man könne durch Me<strong>die</strong>n <strong>das</strong> Thema „nur anreißen, versuchen zu sensi-


63<br />

bilisieren, aufzeigen, da kommt ein Problem auf euch zu". Wenn es aber um <strong>die</strong> konkreten<br />

Folgerungen geht, sieht man nur den Weg über <strong>die</strong> Betriebsräte. Transferkanäle<br />

könnten <strong>die</strong> Arbeitnehmer-Vizepräsidenten der Kammern oder auch Publikationsorgane<br />

des DGB sein, <strong>die</strong> sich an <strong>die</strong> Arbeitnehmervertreter in den Selbstverwaltungsorganen<br />

des <strong>Handwerk</strong>s richten. Auch in den Handlungshilfen, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Arbeitnehmervertreter<br />

erstellt werden, z.B. zum Thema betriebliche Weiterbildung, ließe sich gut <strong>das</strong> Thema<br />

„Demographie“ unterbringen. Kritisch wurde angemerkt, <strong>das</strong>s allerdings auch bei Betriebsräten<br />

<strong>das</strong> Problembewusstsein bezüglich der Thematik alternde Belegschaften und<br />

<strong>demographische</strong>r Umbruch noch nicht sehr ausgeprägt sei und noch geweckt werden<br />

müsse. In <strong>die</strong>se Richtung sei man zunehmend aktiv, z.B. durch <strong>die</strong> Präsentation des<br />

Themas auf Schulungen und Tagungen im Rahmen der Gewerkschaftsarbeit.<br />

Als ein wichtiger potenzieller Multiplikator wurde der Verein der <strong>Handwerk</strong>sjournalisten<br />

genannt, der jährliche Weiterbildungsmaßnahmen für seine Mitglieder durchführt.<br />

In <strong>die</strong>sem Forum könnten <strong>die</strong> Ergebnisse des Forschungsschwerpunkts Demographie<br />

präsentiert werden. Insgesamt wurde für <strong>die</strong> anstehende Sensibilisierungsarbeit im<br />

<strong>Handwerk</strong> ein stärkerer Austausch zwischen <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n und Wissenschaft für<br />

notwendig erachtet. Die Wissenschaft verfügt über Daten und Analysen sowie - im<br />

Rahmen ihrer betrieblichen Empirie und Umsetzungsarbeit – über Betriebskontakte und<br />

Praxisbeispiele. Die <strong>Handwerk</strong>spresse hat <strong>das</strong> Know-how, <strong>das</strong> Material in ihren Organen<br />

zielgruppengerecht aufzubereiten.<br />

Dieses Fachgespräch sollte auch zur Knüpfung eines Netzwerks von Kontakten für den<br />

anstehenden Transfer des Themas Demographie in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Betriebe<br />

genutzt werden.<br />

Die von Ernst Kistler vorgetragenen Thesen sind unter www.demotrans.de in ausführlicher<br />

Form dargestellt.<br />

6. Resümee<br />

Die Sensibilisierung des <strong>Handwerk</strong>s und seiner Organisationen für <strong>die</strong> Probleme und<br />

Herausforderungen des <strong>demographische</strong>n Umbruchs steht noch am Anfang. Zwar wird<br />

<strong>das</strong> Thema Demographie, wie <strong>das</strong> Fachgespräch zeigte, zunehmend von der <strong>Handwerk</strong>sorganisation<br />

aufgegriffen, bis zu seiner Diffusion auch auf <strong>die</strong> unteren, regionalen<br />

Ebenen der <strong>Handwerk</strong>sorganisation, der Kreishandwerkerschaften und Innungen, ist<br />

jedoch noch ein weiter Weg. Im Vordergrund der Wahrnehmung des Demographieproblems<br />

steht derzeit im <strong>Handwerk</strong> noch der – regional und zwischen den Gewerken allerdings<br />

unterschiedlich ausgeprägte – akute Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Rah-


64<br />

menbedingung, innerhalb derer sich <strong>die</strong> Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturbruchs<br />

im <strong>Handwerk</strong> bewegen muss, ist einerseits <strong>die</strong> Notwendigkeit einer Verbesserung<br />

des Images der <strong>Handwerk</strong>sberufe. Andererseits <strong>die</strong>, durch Veränderungen im Bildungssystem<br />

und -verhalten bedingte veränderte Zusammensetzung der Schulabgänger,<br />

aus denen sich heute <strong>die</strong> Auszubildenden im <strong>Handwerk</strong> rekrutieren. Eine Tatsache, <strong>die</strong><br />

zudem <strong>die</strong> handwerkliche Ausbildung vor große Herausforderungen stellt. Hinzukommt<br />

<strong>die</strong> nach wie vor massive Abwanderung ausgebildeter Fachkräfte aus dem <strong>Handwerk</strong>.<br />

Der hier diskutierte notwendige Paradigmenwechsel im handwerklichen Ausbildungsverhalten<br />

stellt nicht nur ein Problem von hoher arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Brisanz<br />

dar, sondern und ist zugleich auch ein Transferproblem.<br />

Sensibilisierungsarbeit ist auch hinsichtlich der zu erwartenden Alterung der Belegschaften<br />

mit all ihren Folgen für <strong>die</strong> betriebliche Arbeitsgestaltung zu leisten – gerade<br />

im bisher von eher jungen Mitarbeitern „verwöhnten“ <strong>Handwerk</strong>. Auch wenn <strong>das</strong> Fachgespräch<br />

Hinweise darauf gibt, <strong>das</strong>s sich <strong>die</strong> Situation älterer Beschäftigter im <strong>Handwerk</strong><br />

durchaus anders als in der Industrie darstellt, müssen <strong>die</strong> Notwendigkeit eines<br />

Denkens in Kategorien längerfristiger Personalentwicklung und <strong>die</strong> Etablierung einer<br />

Kultur des lebenslangen Lernens noch verstärkt in <strong>die</strong> Betriebe hineingetragen werden.<br />

Entscheidend für den Erfolg der Umsetzungskonzepte ist, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> entwickelten Lösungen<br />

<strong>die</strong> innere Heterogenität des <strong>Handwerk</strong>s und seine unterschiedlichen Betriebsgrößen<br />

berücksichtigen. Deutlich wurde auch, <strong>das</strong>s in der Entwicklung handwerksgerechter<br />

Lösungen ein zukunftsträchtiges innovatives Handlungsfeld für <strong>die</strong> Tarifparteien im<br />

<strong>Handwerk</strong> liegt. Die Ausarbeitung entsprechender Konzepte und der Aufbau der notwendigen<br />

Kompetenzen z.B. bei den handwerklichen Weiterbildungsanbietern und der<br />

Betriebsberatung sind zwar in Gang gekommen, stehen aber noch am Anfang. Auch <strong>das</strong><br />

Problembewusstsein der Arbeitnehmervertretungen in den Betrieben und in den Selbstverwaltungsorganen<br />

des <strong>Handwerk</strong>s, denen beim Transport des Themas und insbesondere<br />

bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen eine wichtige Promotorenrolle<br />

zukommt, muss noch geweckt werden.<br />

Nicht zuletzt sind für <strong>die</strong> Vermittlung des komplexen und facettenreichen Problemfelds<br />

<strong>demographische</strong>r Wandel auch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n gefragt, wobei <strong>das</strong> Fachgespräch<br />

zeigte, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Aufbereitung des Problems im <strong>Handwerk</strong> sehr zielgruppenspezifischen<br />

Anforderungen gerecht werden muss. Der Kooperation von Wissenschaft, <strong>Handwerk</strong>sorganisation<br />

und <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n kommt in <strong>die</strong>sem Transferprozess eine besondere<br />

Bedeutung zu. Der gegenseitige Gedankenaustausch sowie der Aufbau von Kontakten<br />

und eines Netzwerks, wie sie in <strong>die</strong>sem Fachgespräch praktiziert wurden, sollten einen<br />

ersten Schritt in <strong>die</strong>se Richtung darstellen.


Anlagen<br />

Teilnehmerliste<br />

Fragenkatalog


TEILNEHMERKREIS TEILNEHMERKREIS<br />

Rudolf Baier Stellvertretender Vorsitzender der Journalisten-<br />

Vereinigung der Deutschen <strong>Handwerk</strong>spresse<br />

e.V., München<br />

Hartmut Buck Koordination des Verbundprojekts „Öffentlichkeits-<br />

und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r<br />

Wandel“, Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft<br />

und Organisation, Stuttgart<br />

Hans-Josef Claessen Vizepräsident (Arbeitnehmer) der <strong>Handwerk</strong>skammer<br />

Düsseldorf; Düsseldorf<br />

Udo Diefenbach Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen<br />

Dachdeckerhandwerks, Abteilung Berufsbildung,<br />

Köln<br />

Angelika Feldmann Innungskrankenkasse Bayern, München<br />

Dr. Hubert Fexer Hauptgeschäftsführer des Landesinnungsverbandes<br />

des Bayerischen Kraftfahrzeughandwerks,<br />

München<br />

Dipl.-Pol. Siegfried Heinrich Referatsleiter Gesundheitsförderung beim Bundesverband<br />

der Innungskrankenkassen, Bergisch<br />

Gladbach<br />

Helmut Hennecke IG Metall Vorstandsverwaltung, Abteilungsleiter<br />

für den Bereich <strong>Handwerk</strong>, Frankfurt/Main<br />

Dr. Ernst Kistler inifes, Projekt „Sensibilisierung und Aktivierung<br />

für <strong>die</strong> Probleme älterer Erwerbspersonen in der<br />

Region“, Stadtbergen<br />

Manfred Klöpfer Referatsleiter Bildung beim<br />

SHK Bayern, München<br />

Landesverband<br />

Michael Kölbl Inhaber Firma Auto Kölbl, Obermeister, Landesbeauftragter<br />

beim Bayer. Landesverbands für<br />

Kfz-Gewerbe für Öffentlichkeitsarbeit, Unterschleißheim<br />

Franz Kugler Vizepräsident (Arbeitnehmer) der <strong>Handwerk</strong>skammer<br />

für Schwaben, Augsburg<br />

Bernd Lenze Hauptgeschäftsführer der <strong>Handwerk</strong>skammer für<br />

München und Oberbayern, München<br />

Dr. Hans Gerhard Mendius Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

e.V. – ISF München<br />

Martina Neumeyr Pressereferentin der Innungskrankenkassen Bayern,<br />

München<br />

Dipl.-Ing. Hermann Röder Geschäftsführer der Zentralstelle für Weiterbildung<br />

im <strong>Handwerk</strong> (ZWH e.V.), Düsseldorf<br />

Michael Santak Redakteur bei der Deutschen <strong>Handwerk</strong>s Zeitung,<br />

Bad Wörishofen<br />

Eberhard Schmidt Geschäftsführer beim Landesverband mechanischer<br />

Metallhandwerke Bayern, Abteilung Betriebsberatung,<br />

München<br />

Dipl.-Soz. Petra Schütt Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

e.V. – ISF München<br />

Dr. Lothar Semper Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der <strong>Handwerk</strong>skammer<br />

für München und Oberbayern,<br />

München<br />

Harald Siebert Stellvertretender Chefredakteur beim Deutschen<br />

<strong>Handwerk</strong>sblatt, Düsseldorf<br />

Ass. Birgit Weber Fachhochschule Niederrhein, Projekt „Laufbahngestaltung<br />

in Kleinbetrieben“, Mönchengladbach<br />

Dr. Stefanie Weimer Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />

e.V. – ISF München<br />

Dr. Bernd Zschenderlein Stellvertretender Leiter des Arbeitsmedizinischen<br />

Dienstes der Württembergischen Bau-BG,<br />

Böblingen


10.30 Uhr BEGRÜSSUNG DURCH DAS ISF-FORSCHUNGSTEAM<br />

Einführungsreferat<br />

„Der <strong>demographische</strong> Umbruch – Auswirkungen und Herausforderungen<br />

für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>“ (Dr. Hans Gerhard Mendius, ISF München)<br />

11.00 Uhr 1. BEFRAGUNGSRUNDE<br />

Bestandsaufnahme<br />

Ist <strong>das</strong> Thema „Demographischer Wandel“ im <strong>Handwerk</strong> bereits angekommen?<br />

THEMENBLOCK I � Diskussion<br />

THEMENBLOCK II ���� Diskussion<br />

13.15 Uhr Mittagspause<br />

THEMENBLOCK III ���� Diskussion<br />

13.45 Uhr 2. BEFRAGUNGSRUNDE<br />

15.45 Uhr Kaffeepause<br />

THEMENBLOCK IV ���� Diskussion<br />

THEMENBLOCK V � Diskussion<br />

THEMENBLOCK VI � Diskussion<br />

16.00 Uhr Abschlussrunde und -diskussion<br />

Einführende Bemerkungen<br />

„Sensibilisierung für <strong>die</strong> Demographieproblematik – Was läßt sich aus<br />

Erfahrungen außerhalb des <strong>Handwerk</strong>s lernen?“(Dr. Ernst Kistler, INIFES)<br />

Resümee und Schlußwort des Veranstalters<br />

16.30 Uhr Ende der Veranstaltung<br />

Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.<br />

VERANSTALTUNGSPROGRAMM<br />

FACHGESPRÄCH<br />

VERSCHLÄFT DAS HANDWERK<br />

DIE DEMOGRAPHISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />

Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung<br />

des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“ in <strong>das</strong><br />

<strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen


THEMENKOMPLEX I<br />

HANDLUNGSEBENE UNTERNEHMEN<br />

Zwischen Nachwuchsproblemen und älter werdenden Belegschaften<br />

� Arbeitskräfteversorgung<br />

• Wonach richtet sich <strong>die</strong> Zahl der Ausbildungsplätze derzeit und in Zukunft?<br />

• Woran orientiert sich <strong>die</strong> Übernahme bzw. Nichtübernahme von Auszubildenden?<br />

• Wie wird sich <strong>die</strong> Abwanderung aus dem <strong>Handwerk</strong> voraussichtlich entwickeln?<br />

• Welche Maßnahmen sind zur Gewinnung und Bindung qualifizierter Arbeitskräfte für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />

notwendig?<br />

• Welche Potentiale bietet <strong>die</strong> Mobilisierung zusätzlicher Arbeitsmarktreserven (z.B. Frauen, Ausländer,<br />

Arbeitslose)?<br />

� Arbeiten mit älteren Belegschaften<br />

• Welche Spielräume und Ansatzpunkte sehen Sie für ...<br />

� eine Verringerung von Arbeitsbelastungen und Gesundheitsgefährdungen zur Vermeidung von vorzeitigem<br />

Gesundheitsverschleiß?<br />

� <strong>die</strong> Schaffung von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten in der Arbeitstätigkeit für alle Beschäftigten?<br />

� den gleichberechtigten Einbezug auch Älterer in formale Weiterbildungsmaßnahmen?<br />

� eine betriebliche Laufbahngestaltung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Beschäftigung Älterer und den Verbleib qualifizierter<br />

Mitarbeiter fördert?<br />

� Maßnahmen zur Sicherung und zum Transfer des betrieblichen Erfahrungswissens (z. B. durch Förderung<br />

altersgemischter Arbeitsgruppen)?<br />

• Lassen sich Innovationsbereitschaft und Flexibilität des Unternehmens auch mit älteren Belegschaften<br />

sichern?<br />

THEMENKOMPLEX II<br />

HANDLUNGSEBENE WEITERBILDUNGSANBIETER<br />

Von der Konzentration auf <strong>die</strong> Qualifizierung Jüngerer zur stärkeren Berücksichtigung älterer<br />

Arbeitnehmer?<br />

• Zielgruppe der Älteren einstellen?<br />

• Welche Jugendzentriertes Weiterbildungsverhalten der Unternehmen, geringe Weiterbildungsbereitschaft<br />

älterer Beschäftigter – gilt <strong>das</strong> auch für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>?<br />

• Was können <strong>die</strong> Anbieter von Weiterbildung tun, um <strong>die</strong> Zielgruppe der älteren Beschäftigten zu erreichen?<br />

• Welche Anforderungen sind an Weiterqualifizierungsangebote für Ältere zu stellen?<br />

• Sind spezielle, neue Angebotsformen und Qualifizierungskonzepte erforderlich?<br />

• Wie können sich <strong>die</strong> Weiterbildungseinrichtungen des <strong>Handwerk</strong>s organisatorisch und methodischdidaktisch<br />

auf <strong>die</strong> Rolle können Tarifpolitik oder gesetzgeberische Initiativen zur Förderung der Weiterbildung<br />

im <strong>Handwerk</strong> und speziell zur stärkeren Berücksichtigung Älterer spielen?<br />

• Was können <strong>die</strong> Arbeitnehmervertretungen (Betriebsräte und Mitglieder in den Selbstverwaltungsorganen<br />

des <strong>Handwerk</strong>s) dazu beitragen?


THEMENKOMPLEX III<br />

HANDLUNGSEBENE BETRIEBSBERATUNG<br />

Statt kurzfristiger Problemlösungen Einstieg in eine gezielte Personalentwicklung – ein Beitrag der<br />

Betriebsberatung zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturwandels?<br />

• Welche Struktur hat <strong>die</strong> Betriebsberatung im <strong>Handwerk</strong> gegenwärtig (Inanspruchnahme, inhaltliche<br />

Schwerpunkte)?<br />

• Was kann Betriebsberatung zur Sensibilisierung der Unternehmen für <strong>die</strong> Demographieproblematik<br />

beitragen?<br />

• Erfahrungen aus einem regionalen Ansatz zum Aufbau von Personalentwicklungskompetenz im <strong>Handwerk</strong>:<br />

<strong>das</strong> Teilprojekt der FH-Niederrhein.<br />

• Wo liegen <strong>die</strong> Barrieren und Probleme einer Integration von langfristigen Personalentwicklungskonzepten<br />

in bisherige Beratungsangebote des <strong>Handwerk</strong>s:<br />

� auf seiten der Unternehmen,<br />

� bei der Beratungskapazität,<br />

� hinsichtlich der Übertragbarkeit vorhandener Konzepte zur alternsgerechten Personalentwicklung auf <strong>das</strong><br />

<strong>Handwerk</strong>?<br />

• Könnten Altersteilzeitmodelle mit dem Ziel der Verlängerung der Verweildauer Älterer im Unternehmen<br />

Gegenstand von Betriebsberatung sein?<br />

THEMENKOMPLEX IV<br />

HANDLUNGSEBENE INSTITUTIONEN DES ARBEITS- UND GESUNDHEITSSCHUTZES<br />

Präventiver Gesundheitsschutz und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung – ein wichtiger Ansatz<br />

zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Wandels im <strong>Handwerk</strong>?<br />

• Wie ist der derzeitige Informationsstand über gesundheitlichen Verschleiß in den einzelnen Gewerken<br />

und bei spezifischen Altersgruppen und welche Entwicklungstendenzen werden erwartet?<br />

• Was können <strong>die</strong> Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes tun, um <strong>die</strong> Problematik älter werdender<br />

Belegschaften und daraus abzuleitenden Anforderungen an präventivem Gesundheitsschutz und<br />

Arbeitsgestaltung in <strong>die</strong> Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s zu tragen?<br />

• Welche Handlungskonzepte werden von den Trägern im Arbeits- und Gesundheitsschutz bereits mit<br />

welchem Erfolg praktiziert?<br />

� Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Beschäftigten (sicherheits- und gesundheitsbewußtes<br />

Verhalten)?<br />

� Aufklärung der Unternehmen über Möglichkeiten betrieblicher Arbeitsgestaltung mit dem Ziel der Verringerung<br />

von Gefährdungen und arbeitsbedingten körperlichen Belastungen?<br />

� Welche Ansatzpunkte gibt es derzeit zur Etablierung eines Frühwarnsystems zu gewerkespezifischen Verschleißschwerpunkten<br />

und Risikopotentialen?<br />

• Wären neue Kooperationsformen und Netzwerke zwischen verschiedenen Akteuren sinnvoll (z.B.<br />

Verzahnung von beruflicher Weiterbildung mit Arbeits- und Gesundheitsschutzthemen)?


THEMENKOMPLEX V<br />

HANDLUNGSEBENE VERBÄNDE UND ORGANISATIONEN DES HANDWERKS UND SEINER<br />

BESCHÄFTIGTEN<br />

Verbände als Multiplikatoren der Vermittlung des Problems und Impulsgeber für notwendige<br />

Anpassungsmaßnahmen<br />

• Gibt es zwischen fachübergreifenden Organisationen des <strong>Handwerk</strong>s (Kammern) und fachlichen Organisationen<br />

(Innungen, Fachverbänden) unterschiedliche Stoßrichtungen und Ansatzpunkte für den<br />

Transfer des Problems „Demographische Entwicklung“?<br />

• Wie könnte eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den Organisationsebenen aussehen?<br />

• Wie wirkt sich <strong>die</strong> unterschiedliche regionale und gewerkespezifische Betroffenheit von demographisch<br />

bedingten Engpässen auf <strong>die</strong> Wahrnehmung des Problems und <strong>die</strong> Möglichkeiten, damit umzugehen<br />

aus?<br />

• Welche Folgen ergeben sich aus der Doppelstruktur der Zuständigkeiten der Arbeitnehmerorganisationen<br />

für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> (DGB, Fachgewerkschaften) auf Schwerpunkte und Transfermöglichkeiten?<br />

• Werden gesetzgeberische und tarifpolitische Ansätze (z.B. Altersteilzeitgesetz, Weiterbildungstarifverträge)<br />

für <strong>die</strong> Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturbruchs bereits genutzt und wo liegen<br />

noch ungenutzte Potentiale?<br />

THEMENKOMPLEX VI<br />

HANDLUNGSEBENE HANDWERKSMEDIEN<br />

Meist noch geringer Problemdruck und doch schon hoher Handlungsbedarf – wie „verkauft“ man<br />

den <strong>demographische</strong>n Umbruch?<br />

• Welche Zielgruppen erreicht <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>spresse?<br />

• Was macht ein Thema „attraktiv“?<br />

• Wo liegen <strong>die</strong> Schwierigkeiten, wo lägen Ansatzpunkte, <strong>das</strong> Thema „Demographische Entwicklung<br />

und Herausforderungen für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>“ erfolgreich zu plazieren?<br />

• Wo gibt es Defizite, wo Verbesserungsmöglichkeiten bei der künftigen Darstellung und Vermittlung<br />

des Demographiethemas durch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n?<br />

• Welche Me<strong>die</strong>n (Printme<strong>die</strong>n, Rundfunk, TV, CD) bieten sich an?<br />

• Welche Darstellungsformen (Praxisbeispiele, Handlungshilfen wie Checklisten, Leitfäden) sind geeignet?<br />

• Welche Hilfestellung und Beiträge können Forschungsprogramme wie der Demographieverbund<br />

leisten?<br />

• Wäre eine „Demographiekampagne“ denkbar und wer sollte sich ggf. daran beteiligen?<br />

2DOK 263hm FG.doc

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