Verschläft das Handwerk die demographische ... - Demotrans
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<strong>Verschläft</strong> <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Herausforderung?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung<br />
des Problemfelds ‚<strong>demographische</strong> Entwicklung‘<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen“<br />
Dokumentation eines Fachgesprächs im Rahmen des Forschungsprojekts<br />
„Altautoproblem lösen und Arbeitsplätze schaffen – zwei Aufgaben, ein Ansatz“ *<br />
am 26. März 2001<br />
im<br />
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München e.V.<br />
München, März 2002<br />
* Das Projekt ist ein Teil des Projektverbundes „Öffentlichkeits- und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r<br />
Wandel“ und wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem<br />
Förderkennzeichen 01 HH 9901/0 gefördert.
Inhalt<br />
3<br />
1. Einleitung 5<br />
2. Konzept und Ziele des Fachgesprächs 8<br />
3. Ein erstes Meinungsbild: Ist <strong>das</strong> Thema „<strong>demographische</strong>r Strukturwandel“<br />
bereits im <strong>Handwerk</strong> angekommen? 9<br />
4. Das <strong>Handwerk</strong> und seine Beschäftigten – Verlierer des <strong>demographische</strong>n<br />
Umbruchs? – ein Einleitungsreferat 11<br />
5. Fachgespräch 35<br />
Themenkomplex I Handlungsebene Unternehmen: Zwischen Nachwuchsproblemen<br />
und älter werdenden Belegschaften 35<br />
Themenkomplex II Handlungsebene Weiterbildungsanbieter: Von der<br />
Konzentration auf <strong>die</strong> Qualifizierung jüngerer zur<br />
stärkeren Berücksichtigung älterer Arbeitnehmer 43<br />
Themenkomplex III Handlungsebene Betriebsberatung: Statt kurzfristiger<br />
Problemlösungen – Einstieg in eine gezielte Personalentwicklung:<br />
ein Beitrag der Betriebsberatung im<br />
<strong>Handwerk</strong> zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n<br />
Strukturwandels? 47<br />
Themenkomplex IV Handlungsebene Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes:<br />
Präventiver Gesundheitsschutz und<br />
gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung – ein wichtiger<br />
Ansatz zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Wandels<br />
im <strong>Handwerk</strong>? 51<br />
Themenkomplex V Handlungsebene Verbände und Organisationen des<br />
<strong>Handwerk</strong>s und seiner Beschäftigten: Verbände als<br />
Multiplikatoren der Vermittlung des Problems und<br />
Impulsgeber für notwendige Anpassungsmaßnahmen 56<br />
Themenkomplex VI Handlungsebene <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n: Meist noch<br />
geringer Problemdruck und doch schon hoher Handlungsbedarf<br />
– wie „verkauft“ man den <strong>demographische</strong>n<br />
Umbruch im <strong>Handwerk</strong>? 59<br />
6. Resümee 63<br />
Anlagen: Teilnehmerliste<br />
Fragenkatalog
1. Einleitung<br />
5<br />
Das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten ständig angestiegen,<br />
zugleich werden <strong>die</strong> nachrückenden Jahrgänge immer kleiner. In der Folge altern<br />
<strong>die</strong> Erwerbsbevölkerung und damit <strong>die</strong> Belegschaften in den Betrieben noch rascher.<br />
Daraus resultiert eine Fülle von Problemen: bei der Altersversorgung, im Gesundheitssystem<br />
und nicht zuletzt bei der Versorgung mit Arbeitskräftenachwuchs. Einiges<br />
spricht dafür, <strong>das</strong>s viele Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s gerade vom zuletzt genannten<br />
Aspekt überdurchschnittlich betroffen sein werden:<br />
• So wird es den vielen <strong>Handwerk</strong>sbetrieben mit vergleichsweise schwacher Arbeitsmarktposition<br />
in Zukunft schwerer fallen, in der Konkurrenz mit der Industrie<br />
und den alten und neuen Dienstleistungsbranchen aus den kleiner werdenden<br />
Nachwuchsjahrgängen qualifizierte Kräfte im gewünschten Umfang zu rekrutieren.<br />
• Damit dürfte es kaum mehr möglich sein, weit über den rechnerischen Eigenbedarf<br />
hinaus auszubilden, so wie es bislang für weite Teile des <strong>Handwerk</strong>s charakteristisch<br />
war.<br />
• Wenn zugleich <strong>die</strong> bisher verbreitete Abwanderung vor allem jüngerer Arbeitskräfte<br />
aus dem <strong>Handwerk</strong> in andere Wirtschaftsbereiche aufgrund des dort rückläufigen<br />
Personalbedarfs und des sich verändernden Qualifikationsbedarfs in <strong>die</strong>sen<br />
Wirtschaftszweigen weiter zurückgeht, ist ein erheblicher Anstieg des Durchschnittsalters<br />
der Belegschaften kaum zu vermeiden. <strong>Handwerk</strong>sbetriebe werden also<br />
in Zukunft mit einem steigenden Anteil älterer Mitarbeiter konfrontiert sein.<br />
Darauf sind jedoch <strong>die</strong> meisten, eher an überdurchschnittlich junge Belegschaften<br />
gewohnten <strong>Handwerk</strong>sbetriebe personalpolitisch kaum vorbereitet.<br />
In den Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s scheint <strong>das</strong> Problembewusstsein hinsichtlich der<br />
langfristigen Folgen des <strong>demographische</strong>n Umbruchs für <strong>die</strong> Arbeitswelt noch kaum<br />
entwickelt. Dies ist überaus fatal, weil <strong>die</strong> Weichen für eine erfolgreiche, zukunftsweisende<br />
Strategie zur Lösung der mit der <strong>demographische</strong>n Entwicklung einhergehenden<br />
Probleme bei der Arbeitskräfteversorgung im <strong>Handwerk</strong> früh gestellt werden müssen.<br />
Marktmächtige und ertragsstarke Unternehmen können eine jugendzentrierte Personalpolitik<br />
trotz der Verknappung der Nachwuchsjahrgänge fortsetzen, wenn sie bereit sind,<br />
dafür einen höheren Preis (in Form höherer Ausbildungsvergütungen oder sonstiger<br />
Vergünstigungen) zu zahlen. Die allermeisten <strong>Handwerk</strong>sbetriebe dagegen sind nicht in<br />
der Lage, in <strong>die</strong>sem Wettbewerb um den knapper werdenden Nachwuchs mitzuhalten.<br />
Für sie liegen <strong>die</strong> Chancen vor allem darin, <strong>die</strong> Reserven der vorhandenen (und älter<br />
werdenden) Belegschaften zu mobilisieren, zu entwickeln und optimal zu nutzen mit<br />
dem Ziel, Arbeit im <strong>Handwerk</strong> unter Anknüpfung an <strong>die</strong> positiven Potenziale wieder zu<br />
einer langfristig attraktiven Perspektive zu machen. Sofern <strong>die</strong>s gelingt, ist <strong>das</strong> zugleich<br />
der beste Ansatz, <strong>die</strong> Konkurrenzposition des <strong>Handwerk</strong>s auf dem Arbeitsmarkt allgemein<br />
und speziell bei der Versorgung mit Auszubildenden zu verbessern.
Ansatzpunkte hierzu sind u.a.:<br />
6<br />
• eine zukunftsweisende Arbeitsgestaltung (d.h. nicht zuletzt „altersgerechte“ Gestaltung<br />
der Arbeitsplätze) und vorbeugender Gesundheitsschutz;<br />
• verstärkte Anstrengungen zur Gewinnung möglichst Motivierter und gut Qualifizierter<br />
vor allem durch ein bedarfsorientiertes Ausbildungsvolumen und damit verbundene<br />
gute Chancen der Übernahme nach der Gesellenprüfung, anstelle des<br />
kaum mehr erfolgversprechenden Versuchs, durch Ausbildung über den rechnerischen<br />
Bedarf eine ausreichende Arbeitskräfteversorgung zu gewährleisten;<br />
• <strong>die</strong> Schaffung innerbetrieblicher Aufstiegsmöglichkeiten und einer betrieblichen<br />
Laufbahnplanung;<br />
• <strong>die</strong> Intensivierung der Weiterbildungsanstrengungen und Beteiligung älterer Mitarbeiter<br />
durch Schaffung altersgerechter Qualifizierungsangebote (arbeitsbegleitendes<br />
Lernen);<br />
• <strong>die</strong> Förderung des Generationen übergreifenden Erfahrungsaustauschs und der Zusammenarbeit<br />
etc.;<br />
• <strong>die</strong> Erschließung der Beschäftigungsreserve „Frauen“ oder <strong>die</strong> gezielte Heranführung<br />
von ausländischen Mitbürgern an <strong>Handwerk</strong>sberufe.<br />
Ob <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Herausforderung für eine solche grundlegende Neuorientierung<br />
genutzt wird oder ob nur scheinbar nahe liegende, langfristig aber kaum funktionierende<br />
Ausweichlösungen gesucht werden (etwa <strong>die</strong> Lösung des Nachwuchsproblems durch<br />
Import von Auszubildenden aus Osteuropa), wird davon abhängen, inwieweit es gelingt,<br />
<strong>das</strong> gesamte <strong>Handwerk</strong> – also Betriebsinhaber, Beschäftigte und ihre Vertretungen sowie<br />
<strong>die</strong> Organisationen und unterstützenden Institutionen des <strong>Handwerk</strong>s – für <strong>die</strong><br />
Thematik zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Mit dem 1999 begonnenen Forschungsprogramm<br />
„Öffentlichkeits- und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r Wandel“<br />
will <strong>das</strong> Bundesministerium für Bildung und Forschung (bmb+f) Unternehmen und<br />
Wirtschaft rechtzeitig auf <strong>die</strong> Folgen der <strong>demographische</strong>n Entwicklung für Betriebe<br />
und Arbeitsmarkt aufmerksam machen. Darüber hinaus sollen praktische Lösungen und<br />
Handlungshilfen zur Bewältigung betrieblicher Altersstrukturprobleme, wie sie im<br />
Rahmen des seit 1994 bestehenden Förderschwerpunkts „Demographische Entwicklung"<br />
erarbeitet und erprobt wurden, den Betrieben und wichtigen Multiplikatoren in<br />
der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt (Berater, Fachverbände, Arbeitsverwaltungen,<br />
Qualifizierungsanbieter) etc. nahe gebracht werden. Die Sensibilisierung und <strong>die</strong> Bereitstellung<br />
von Lösungskonzepten können allerdings nur dann in den Unternehmen etwas<br />
bewegen, wenn <strong>die</strong> Transferstrategien passgenau auf <strong>die</strong> Rahmenbedingungen der jeweiligen<br />
Zielgruppe zugeschnitten sind.
7<br />
Gerade im <strong>Handwerk</strong> bestehen jedoch spezifische Barrieren, aber auch Chancen, für eine<br />
breite Thematisierung und Bearbeitung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“:<br />
• Noch behindert <strong>die</strong> sehr verbreitete, gerade in den letzten Jahren wegen des Lehrstellenmangels<br />
verstärkte Praxis der Überausbildung oftmals <strong>die</strong> Wahrnehmung des<br />
Problems. Diese Überausbildung hat, zusammen mit der durch sie begünstigten<br />
Abwanderung aus dem <strong>Handwerk</strong> zur Folge, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Belegschaften oft noch sehr<br />
jung sind. Die Alterung aber ist im vollen Gange, und es wird aufgrund der <strong>demographische</strong>n<br />
Entwicklung keinen Weg zurück zur bisherigen Praxis geben können.<br />
• Auch <strong>die</strong> Tatsache, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Betriebsinhaber häufig selbst vergleichsweise alt sind<br />
und oft <strong>die</strong> Frage der Betriebsübergabe ungelöst im Raum steht, ist für einen aufgeschlossenen<br />
Umgang mit der Thematik kaum förderlich. Hinzu kommen <strong>die</strong> meist<br />
kaum vorhandenen oder zumindest sehr eingeschränkten Planungsressourcen sowie<br />
<strong>das</strong> weitgehende Fehlen von Personalplanung und -entwicklung. Vorbeugendes<br />
Handeln findet daher kaum statt.<br />
• Andererseits gibt es im Bereich des <strong>Handwerk</strong>s ein dichtes Netz von handwerksbezogenen<br />
Institutionen und handwerksnahen Unterstützungsstrukturen und damit eigentlich<br />
günstige Voraussetzungen, Themen in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> „hineinzutragen“.<br />
Dabei könnte <strong>die</strong> institutionelle Besonderheit des <strong>Handwerk</strong>s, <strong>die</strong> darin besteht,<br />
<strong>das</strong>s auch <strong>die</strong> Arbeitnehmerseite an der Selbstverwaltung des <strong>Handwerk</strong>s beteiligt<br />
ist, zum Vorteil aller Beteiligten dafür genutzt werden, auch <strong>die</strong> Beschäftigten in<br />
gemeinsame Initiativen zur zukunftsträchtigen Bewältigung des <strong>demographische</strong>n<br />
Wandels einzubinden.<br />
Wie ein Konzept aussehen könnte, <strong>das</strong> im ersten Schritt <strong>das</strong> Thema „<strong>demographische</strong>r<br />
Umbruch“ und daraus erwachsende Handlungsanforderungen für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> „zielgruppengerecht“<br />
aufbereitet, und dann in einem weiteren Schritt den handelnden Personen<br />
und Institutionen <strong>die</strong> geeigneten Werkzeuge zur Umsetzung der oben skizzierten<br />
Zielvorstellungen an <strong>die</strong> Hand gibt, war Thema eines Fachgesprächs, <strong>das</strong> am Institut für<br />
Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF München) e.V. durchgeführt wurde. Dieses<br />
Fachgespräch fand im Rahmen des Teilvorhabens “Altautoprobleme lösen und Arbeitsplätze<br />
schaffen – zwei lohnende Aufgaben, ein Ansatz“ im Forschungsprogramm „Öffentlichkeits-<br />
und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r Wandel“ am 26. März 2001<br />
statt, dessen Verlauf und Ergebnisse hiermit dokumentiert werden.<br />
Wir – <strong>das</strong> Forschungsteam – möchten an <strong>die</strong>ser Stelle allen Teilnehmern des Fachgesprächs,<br />
<strong>die</strong> ihre Erfahrungen eingebracht und engagiert mitdiskutiert haben, danken.<br />
Die Dokumentation der lebhaften und z.T. auch kontroversen Diskussionen möge dazu<br />
beizutragen, bei den Teilnehmern und anderen interessierten oder motivierbaren Akteuren<br />
im Bereich des <strong>Handwerk</strong>s <strong>die</strong> Bereitschaft zu wecken, sich weiter für eine konstruktive<br />
Bewältigung der Herausforderungen des <strong>demographische</strong>n Wandels im <strong>Handwerk</strong><br />
zu engagieren und einen breiten Thematisierungs- und Mobilisierungsprozess in<br />
Gang zu setzen.
2. Konzept und Ziele des Fachgesprächs<br />
Die Veranstaltung sollte Aufschluss darüber erbringen,<br />
8<br />
• wie <strong>die</strong> Folgen, <strong>die</strong> der <strong>demographische</strong> Wandel für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> mit sich bringt,<br />
aufbereitet und dargestellt werden können, um ein entsprechendes Problembewusstsein<br />
bei den Unternehmen und ihren Beschäftigten zu fördern;<br />
• wie <strong>die</strong> Handlungsanforderungen, <strong>die</strong> sich aus dem Strukturbruch ergeben, formuliert<br />
werden können, damit sie von den Unternehmen und Organisationen des<br />
<strong>Handwerk</strong>s wahrgenommen, aufgegriffen und umgesetzt werden.<br />
Zielgruppe der Veranstaltung waren daher Experten aus dem <strong>Handwerk</strong> oder „handwerksumgebenden“<br />
Institutionen, <strong>die</strong> aus jeweils spezifischer Perspektive oder in bestimmter<br />
Funktion als Multiplikator auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlicher<br />
Weise in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> hinein wirken können (s. beiliegendes Teilnehmerverzeichnis).<br />
Die Veranstaltung wurde als Fachgespräch konzipiert, da <strong>die</strong>se Form nach unseren Erfahrungen<br />
den Anforderungen des Gegenstands und den Interessen der Teilnehmer besser<br />
gerecht wird als etwa eine „klassisch“ organisierte Tagung mit einem hohen Anteil<br />
an Referaten, <strong>die</strong> zudem großen Vorbereitungsaufwand erfordern und oft wenig Raum<br />
für Diskussionen lassen. Viel wichtiger als in breitem Umfang Ergebnisse zu vermitteln<br />
war es u.E., <strong>das</strong> vorhandene Know-how und <strong>die</strong> praktischen Erfahrungen der Teilnehmer<br />
zu aktivieren und im Dialog auszutauschen.<br />
Zur Strukturierung wurde <strong>das</strong> umfangreiche Problemfeld <strong>demographische</strong>r Wandel nach<br />
sechs Themenkomplexen bzw. Handlungsebenen aufgegliedert. Zu <strong>die</strong>sen Handlungsfeldern<br />
wurden einschlägige Fragen formuliert (siehe Anlage Fragenkatalog), <strong>die</strong> den<br />
„zuständigen“ Experten vor der Tagung übermittelt wurden. Nach einer kurzen Bestandsaufnahme<br />
der derzeitigen Wahrnehmung der Demographieproblematik im <strong>Handwerk</strong><br />
und einer Einführung in <strong>die</strong> Thematik (siehe 3. und 4.) lief <strong>das</strong> Fachgespräch in<br />
Form einer eine zielgerichtete Befragung der anwesenden Experten ab, und an <strong>die</strong> sich<br />
jeweils eine Diskussionsrunde im Plenum anschloss (siehe 5.).<br />
Da <strong>die</strong> Dialogform eines Fachgesprächs eine überschaubare Teilnehmerzahl voraussetzt,<br />
war es bei weitem nicht möglich, alle für <strong>die</strong> Thematik in Betracht kommenden Experten<br />
einzubeziehen. Daher kann selbstverständlich weder für <strong>die</strong> Zusammensetzung der Teilnehmer<br />
noch für <strong>die</strong> Ergebnisse des Fachgesprächs der Anspruch erhoben werden, repräsentativ<br />
für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>, seine Organisationen, Betriebe und Beschäftigten zu sein.<br />
Darauf kam es bei <strong>die</strong>ser Veranstaltung aber auch nicht an. Ziel war es vielmehr, weitergehende<br />
Transferaktivitäten anzustossen und <strong>die</strong> Teilnehmer und Multiplikatoren dafür zu<br />
gewinnen, den in vollem Gang befindlichen <strong>demographische</strong>n Wandel breiter und
9<br />
schneller im <strong>Handwerk</strong> zu thematisieren und in ihrem Handlungsfeld als „Makler“ für <strong>die</strong><br />
rechtzeitige Weichenstellung notwendiger Maßnahmen tätig zu werden.<br />
3. Ein erstes Meinungsbild: Ist <strong>das</strong> Thema „<strong>demographische</strong>r Strukturbruch“<br />
bereits im <strong>Handwerk</strong> angekommen?<br />
Um in <strong>die</strong> Thematik einzustimmen, wurden <strong>die</strong> Teilnehmer zu Beginn des Fachgesprächs<br />
gebeten, folgende Fragen spontan zu beantworten:<br />
Ist Ihrer Erfahrung nach der <strong>demographische</strong> Strukturwandel im <strong>Handwerk</strong><br />
ein Thema?<br />
I. Wenn nein:<br />
Welcher der folgenden Aussagen stimmen Sie am ehesten zu:<br />
1. Weil <strong>das</strong> Problem in Wirklichkeit eher ein kleines ist und stark aufgebauscht wird.<br />
2. Weil andere, als dringender angesehene Probleme im Vordergrund stehen.<br />
3. Weil <strong>die</strong> meisten Betriebsinhaber und Beschäftigten sich nach dem Motto<br />
„Schuster bleib’ bei deinen Leisten“ für solche Fragen nicht interessieren.<br />
4. Weil man davon ausgeht, <strong>das</strong>s es nicht so schlimm kommen wird und andere<br />
<strong>das</strong> Problem schon lösen werden („Schauen wir mal, dann sehen wir schon“).<br />
Erwarten Sie, <strong>das</strong>s Demographie dennoch in absehbarer Zeit ein Thema wird?<br />
II. Wenn ja:<br />
1. Seit wann ist Demographie ein Thema?<br />
2. Wo wird darüber bereits im <strong>Handwerk</strong> diskutiert?<br />
3. Steigt der Stellenwert in jüngster Zeit an und erwarten Sie, <strong>das</strong>s er weiter wächst?<br />
4. Oder rechnen Sie damit, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Debatte rasch wieder einschläft?<br />
5. Wie ist <strong>das</strong> Thema Demographie bislang ins <strong>Handwerk</strong> gekommen?<br />
• von außen (z.B. durch Politik, Me<strong>die</strong>n, Wissenschaft)<br />
• von innen aufgrund bereits aufgetretener Probleme und eigener<br />
Befassung und Analyse der kommenden Engpässe<br />
Das Ergebnis<br />
Nur zwei der Teilnehmer hatten den Eindruck, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung<br />
im <strong>Handwerk</strong> noch nicht thematisiert wird, wobei betriebliche und branchenspezifische<br />
Erfahrungshintergründe als ausschlaggebend angesehen wurden:<br />
• Demographie wird auf der Ebene der Betriebe erst zum Problem, wenn der Betrieb<br />
unmittelbar betroffen ist: Solange er genügend Auszubildende und Fachkräfte bekommt,<br />
wird <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung kaum problematisiert. Die <strong>Handwerk</strong>sbetriebe<br />
denken nicht langfristig.
10<br />
• Demographie ist nur eines von vielen Problemen, von denen manche handwerkliche<br />
Branchen existenziell bedroht sind – hier wurde auf <strong>die</strong> im Kfz-Gewerbe aktuell<br />
bestehende Gefährdung vieler Betriebe durch <strong>die</strong> sog. „Bereinigung der Händlernetze“<br />
durch <strong>die</strong> Automobilhersteller verwiesen. Erst wenn <strong>die</strong> grundsätzlichen<br />
Überlebensperspektiven der Branche gesichert sind, werde der Blick frei auf <strong>die</strong><br />
Problematik des <strong>demographische</strong>n Wandels.<br />
Überwiegend hatten <strong>die</strong> Teilnehmer jedoch den Eindruck, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Thema Demographie<br />
inzwischen im <strong>Handwerk</strong> „angekommen“ sei, allerdings mit deutlichen Einschränkungen:<br />
• So meinten einige Teilnehmer, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Thematik zwar inzwischen von den Verbänden<br />
des <strong>Handwerk</strong>s, den Kammern und Innungen durchaus aufgegriffen, auf der<br />
Ebene der Betriebe aber noch nicht wahrgenommen werde. D.h., hier bestehe seitens<br />
der Institutionen des <strong>Handwerk</strong>s noch erheblicher Aufklärungsbedarf.<br />
• Demographische Probleme würden vom <strong>Handwerk</strong> vor allem unter dem Aspekt der<br />
Nachwuchssicherung wahrgenommen. Das <strong>Handwerk</strong> sei nicht zum erstenmal mit<br />
dem Problem geburtenschwacher Nachwuchsjahrgänge konfrontiert, doch <strong>die</strong> mit<br />
dem <strong>demographische</strong>n Strukturbruch verbundene, völlig andere Dimension der<br />
Problematik werde noch nicht erkannt. Weit weniger Sensibilität bestehe außerdem<br />
hinsichtlich des Alterns der Belegschaften.<br />
• Inhaber von <strong>Handwerk</strong>sbetrieben sähen sich vor allem im Zusammenhang mit der<br />
Frage der Nachfolge und Übergabe des Betriebs mit der Demographieproblematik<br />
konfrontiert. Dagegen würden sie oft davon ausgehen, <strong>das</strong>s aufseiten der Mitarbeiter<br />
auch in Zukunft ausreichend junge Nachwuchskräfte zur Verfügung stehen werden.<br />
An <strong>die</strong>sem Widerspruch müssten Transferaktivitäten anknüpfen.<br />
• Der <strong>demographische</strong> Wandel spiegle sich im älter Werden der Kundschaft. Dies<br />
könne ein geeigneter Ansatzpunkt für <strong>das</strong> Marketing des Problems Demographie im<br />
<strong>Handwerk</strong> sein, sozusagen über den Umweg: „Guckt euch mal eure Kundschaft an,<br />
heute und in zehn Jahren! Stellt euch darauf ein und erschließt euch damit neue<br />
Märkte!“<br />
Die in <strong>die</strong>ser ersten Bestandsaufnahme gesammelten Aspekte zur Wahrnehmung der<br />
Demographieproblematik im <strong>Handwerk</strong> wurden im Verlauf der Diskussion wieder aufgegriffen.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
4. Das <strong>Handwerk</strong> und seine Beschäftigten – Verlierer des <strong>demographische</strong>n Umbruchs?<br />
Einleitungsbeitrag<br />
„DER DEMOGRAPHISCHE UMBRUCH –AUSWIRKUNGEN UND HERAUSFORDERUNGEN FÜR<br />
DAS HANDWERK“<br />
Thesen und Informationen
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
12<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Der <strong>demographische</strong> Strukturbruch –<br />
Folgen für <strong>die</strong> Arbeitswelt noch immer weit unterschätzt<br />
1994:<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung richtet Förderschwerpunkt „Demographischer Wandel<br />
und Zukunft der Erwerbsarbeit am Standort Deutschland“ ein. 1995/1996 werden fünf Verbund-<br />
Forschungsvorhaben auf den Weg gebracht:<br />
Verbund I: Arbeits- und Innovationspotentiale im Wandel<br />
INIFES – Stadtbergen, ISF München und SÖSTRA – Berlin.<br />
Verbund II: Zukunftsfähige Anforderungen und Strategien im <strong>Handwerk</strong><br />
Zukunftswerkstatt der <strong>Handwerk</strong>skammer Hamburg, Fh Niederrhein-Mönchengladbach<br />
und ISF München.<br />
Verbund III: Begrenzte Tätigkeitsdauer und neue Arbeitszeitmodelle für Ältere<br />
ISO – Saarbrücken, ISIS – Frankfurt, Forschungsgesellschaft für Gerontologie – Dortmund<br />
und Zentrum für Sozialpolitik – Bremen.<br />
Verbund IV: Innovation bei veränderten Altersstrukturen<br />
FhG-IAO – Stuttgart, TU Chemnitz und BTU Cottbus.<br />
Verbund V: Innovation, Belegschaftsstrukturen und Altern im Betrieb<br />
GfAH – Dortmund, ISO - Saarbrücken, VDI/VDE IT – Teltow, TU Hamburg-Harburg, FH Neu-Brandenburg,<br />
a&o Research – Berlin, HDZ – Aachen.<br />
Weitere Infos unter: www.demotrans.de
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
13<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Warum ein Forschungsschwerpunkt „Demographischer Wandel und Zukunft<br />
der Erwerbsarbeit am Standort Deutschland“?<br />
➠ Der bevölkerungspolitische Umbruch ist in vollem Gange – auch wenn <strong>das</strong> vielfach<br />
noch nicht bemerkt wird.<br />
♦ Die Geburtenzahlen gehen laufend zurück, <strong>die</strong> Menschen werden – bislang zumindest – immer<br />
älter.<br />
♦ Die ins Erwerbsleben eintretenden Jahrgänge werden kleiner.<br />
♦ Das Durchschnittsalter der Belegschaften wird steigen.<br />
♦ Engpässe bei der Versorgung mit Nachwuchs sind absehbar.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
Anzahl<br />
1600,0<br />
1400,0<br />
1200,0<br />
1000,0<br />
800,0<br />
600,0<br />
400,0<br />
200,0<br />
0,0<br />
1<br />
5<br />
9<br />
Alter<br />
13<br />
Quelle: INIFES, Stadtbergen<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
14<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Bevölkerung nach Altersgruppen 1997<br />
17<br />
21<br />
25<br />
29<br />
33<br />
37<br />
41<br />
45<br />
49<br />
53<br />
57<br />
61<br />
65<br />
69<br />
73<br />
77<br />
81<br />
85<br />
89<br />
93
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
100%<br />
80%<br />
60%<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
15<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Bevölkerung nach Altersgruppen in Deutschland<br />
1960 - 2040<br />
über 64<br />
55 - 64<br />
45 - 54<br />
35 - 44<br />
25 - 34<br />
bis 14 Jahre<br />
1960 1980 1996 2000 2010 2020 2030 2040<br />
Quelle: INIFES, Stadtbergen<br />
15 - 24<br />
}-7 Mio. / -1/3
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
Projektion: Altersstruktur des Erwerbspersonenpotentials<br />
in Deutschland 1996 bis 2040<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
52%<br />
25%<br />
23%<br />
1996<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
16<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
30- bis 49- jährig<br />
50 Jahre und älter<br />
15- bis 29- jährig<br />
2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040<br />
(Quelle: Fuchs/ Thon: Nach 2010 sinkt <strong>das</strong> Angebot an Arbeitskräften, IAB-Kurzbericht<br />
48%<br />
30%<br />
22%
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
Trotz absehbarer Alterung:<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
17<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Die Personalpolitik der meisten Unternehmen ist immer noch ausgesprochen<br />
jugendzentriert – warum?<br />
♦ Es gab und gibt noch immer vielfältige Chancen, Ältere möglichst früh in den Ruhestand<br />
zu schicken.<br />
♦ Daher ist es auch nicht zwingend erforderlich, Arbeitsplätze altersgerecht zu gestalten.<br />
♦ Diese „Rezepte“ stoßen an Grenzen und werden sehr bald nicht mehr funktionieren können.<br />
♦ Wir werden noch lange mit dadurch ausgelösten massiven „Spätfolgen“ zu kämpfen haben.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
18<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Ein umfassendes Umdenken ist daher unumgänglich<br />
♦ nicht nur bei Unternehmen sondern z.B. auch<br />
♦ bei den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer,<br />
♦ bei den Verbänden,<br />
♦ den Sozialversicherungsträgern,<br />
♦ Berufsgenossenschaften,<br />
♦ der Arbeitsverwaltung,<br />
♦ bei Bildungsträgern und<br />
♦ den auf den verschiedenen Ebenen politisch Verantwortlichen.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
19<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Das <strong>Handwerk</strong> und seine Beschäftigten – <strong>die</strong> großen Verlierer<br />
des <strong>demographische</strong>n Umbruchs?<br />
ZUR ENTWICKLUNG DER ARBEITSKRÄFTEVERSORGUNG IM HANDWERK<br />
Klagen über eine unzulängliche Arbeitskräfteversorgung im <strong>Handwerk</strong><br />
♦ sind nicht zum ersten Mal zu hören,<br />
♦ sondern kehren in gewissen Abständen immer wieder<br />
Zwei Hauptaspekte<br />
♦ qualitative Dimension:<br />
Soweit es überhaupt gelingt, <strong>die</strong> gewünschten qualifizierten und motivierten Arbeitskräfte<br />
zu gewinnen, scheitert häufig der Versuch sie dauerhaft ans <strong>Handwerk</strong> zu binden.<br />
♦ quantitative Dimension:<br />
Die Zahl der Fachkräfte ist zu gering,<br />
♦ weil <strong>die</strong> Zahl der Ausgebildeten überhaupt zu gering ist und/oder<br />
♦ weil es zu Abwanderung von ausgelernten Gesellen kommt.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
Ursachen der Probleme<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
20<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
♦ Demographische Umbrüche (weniger Junge, mehr Ältere) werden wesentlich zur Verschärfung<br />
der Situation beitragen<br />
♦ Sie sind aber – zumindest bislang - nicht <strong>die</strong> hauptsächliche Ursache der Schwierigkeiten<br />
Entscheidend ist vielmehr:<br />
Die schwache Position großer Teile des <strong>Handwerk</strong>s auf dem Arbeitsmarkt<br />
Arbeitskraftnachfrager (Unternehmen) bilden eine Schlange und kommen je nach ihrem Platz<br />
(also gemäß ihrer „Arbeitsmarktposition“) zum Zuge:<br />
Wer <strong>die</strong> (vermeintlich oder tatsächlich) attraktivsten Arbeitsplätze anbietet, hat <strong>die</strong> größte Auswahl.<br />
Daher:<br />
♦ Auch ausgeprägte generelle Arbeitskräfteknappheit trifft nicht alle Unternehmen gleich.<br />
♦ Aber auch bei quantitativem Überangebot können qualitative Engpässe (z.B. bei der<br />
Versorgung mit motivierten Auszubildenden mit höheren Schulabschlüssen oder mit Arbeitskräften<br />
mit modernen Abschlüssen) auftreten.<br />
♦ Arbeitskraftnachfrager „am Ende der Schlange“ sind davon weit überproportional betroffen.<br />
♦ Es gibt dabei massive regionale und branchenbezogene Unterschiede.
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VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
21<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Ursachen der Probleme der Arbeitskräfteversorgung im <strong>Handwerk</strong><br />
Vorab:<br />
♦ „Das <strong>Handwerk</strong>“ im Sinne eines einheitlichen Wirtschaftszweigs mit hochgradig homogener<br />
Struktur gibt es nicht.<br />
♦ Die ca. 600.000 Betriebe haben höchst unterschiedliche Rahmenbedingungen und<br />
Voraussetzungen:<br />
� ca. 100 verschiedene Gewerke und dazugehörige „Produktmärkte“<br />
� starke regionale Unterschiede<br />
� Betriebsgrößen von 1 bis weit über 1.000 Beschäftigte.<br />
Aber:<br />
Bei der Arbeitskräfteversorgung kann man vielleicht noch am ehesten von Problemen<br />
„des <strong>Handwerk</strong>s“ - oder jedenfalls wesentlicher Teile - sprechen.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
22<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Charakteristisch für <strong>die</strong> Nachkriegsperiode im <strong>Handwerk</strong><br />
♦ Eine gegenüber Industrie und Dienstleistungssektor schwächere Arbeitsmarktposition<br />
(weit hinten in der „Schlange“).<br />
♦ Die eigene Ausbildung ist der einzig wirklich bedeutender Weg der Rekrutierung:<br />
♦ 84 % der im <strong>Handwerk</strong> Beschäftigten wurden auch dort ausgebildet,<br />
♦ in der Industrie sind es nur 54 % und<br />
♦ im öffentlichen Dienst sogar nur 41 %. 1<br />
Demographische Veränderungen machten sich im <strong>Handwerk</strong> daher stets am direktesten bei der<br />
Versorgung mit Auszubildenden bemerkbar.<br />
1 Mendius, Hans Gerhard, unter Mitarbeit von Braun, Stefan; Heidling, Eckhard; Jau<strong>das</strong>, Joachim: Betriebliche Personalpolitik und Ausgliederungsprozesse.<br />
In: Bericht der Staatsregierung zur sozialen Lage in Bayern. Material- und Analyseband der wissenschaftlichen Projektgruppe,<br />
hrsg. v. Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen & Gesundheit, München 1999, S. 187-236.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
2<br />
3<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
23<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Ausbildungsleistungen weit über dem eigenen Bedarf – Seit langem im <strong>Handwerk</strong><br />
verbreitet:<br />
Das <strong>Handwerk</strong> als „Arbeitskräftelieferant“ für andere Wirtschaftszweige<br />
♦ 29,4 % der in der Industrie und<br />
♦ 23 % der im öffentlichen Dienst Tätigen haben ihre Ausbildung im <strong>Handwerk</strong> gemacht.<br />
♦ Verloren gingen dem <strong>Handwerk</strong> nicht zuletzt besser qualifizierte Arbeitskräfte, <strong>die</strong> es<br />
gerne gehalten hätte.<br />
♦ Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt haben daran nichts Grundlegendes geändert. 2<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 3<br />
60% der Befragten halten es für wahrscheinlich oder sogar sehr wahrscheinlich, daß <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />
auch in Zukunft etwa <strong>das</strong> Doppelte des rechnerischen Bedarfs ausbilden wird.<br />
Vgl. Mendius, Schütt, Weimer: Umfassender Strukturwandel mit alternden Belegschaften..., München 2001.<br />
Vgl. www.isf-muenchen.de.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
Schlußfolgerung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
24<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
<strong>Handwerk</strong>sunternehmen müssen ihre Position auf dem Arbeitsmarkt ohne<strong>die</strong>s<br />
aktiv verbessern - durch <strong>die</strong> Demographische Veränderungen steigt <strong>die</strong><br />
Dringlichkeit zusätzlich.<br />
Ansatzpunkte :<br />
♦ verbesserte Bezahlung und<br />
♦ bessere Arbeitsbedingungen,<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: Mindestens 2/3 der Befragten – bezogen auf einzelne<br />
Gewerke z.T. noch weit mehr - sehen noch Handlungsbedarf in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz.<br />
♦ Autonomiespielräume, Aufstiegschancen und höhere Sicherheit der Beschäftigung;<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 90% rechnen für <strong>die</strong> Beschäftigten mit mehr eigenverantwortlicher<br />
Wahrnehmung von Aufgaben, 2/3 mit stärkerer Beteiligung an Entscheidungen.<br />
♦ Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze und<br />
♦ stärkere Orientierung auf den Einsatz weiblicher Arbeitskräfte;<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: über 50% glaubt nicht an <strong>die</strong>se Entwicklung, ¾ fänden<br />
sie aber wünschenswert.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
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DIIE<br />
Fachgespräch<br />
25<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Stärkung der Position von <strong>Handwerk</strong>sunternehmenauf dem Arbeitsmarkt:<br />
Trotz einiger Verbesserungen noch erheblicher Nachholbedarf z.B.<br />
♦ bezüglich der Schaffung von Qualifizierungs- und Aufstiegsmöglichkeiten<br />
♦ bei der Aufwertung und „Ausdehnung“ des „großen Befähigungsnachweises“ auch<br />
als Voraussetzung für innerbetriebliche Führungsaufgaben von einiger Bedeutung.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
26<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Eine zukunftsfähige Politik der Arbeitskräfteversorgung sollte daher<br />
♦ Die Ausbildung zahlenmäßig stärker am mittelfristigen Bedarf ausrichten.<br />
HIERZU ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 82% erwarten <strong>das</strong>, aber nur 57% halten es für<br />
wünschenswert<br />
♦ Zugleich versuchen, möglichst motivierte und qualifizierte Auszubildende zu gewinnen.<br />
HIERZU ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 64% gehen davon aus, daß auch künftig <strong>die</strong> Auszubildenden<br />
in der Regel Haupt oder Realschulabschluß haben werden.<br />
♦ Entsprechende betriebliche (Personal-)Entwicklungsperspektiven bieten.<br />
HIERZU ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 71% hielten Aktivitäten zur Laufbahngestaltung für<br />
wünschenswert, für wahrscheinlich erachten sie aber nur 28%.<br />
♦ Und damit den Abfluß qualifizierter Fachkräfte wirksam bremsen<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 80% gehen davon aus, daß sich <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> bemüht<br />
erfahren ältere Arbeitskräfte im Betrieb zu halten – sogar 91 halten es für wünschenswert<br />
Solche Ansätze bilden aber bislang eher <strong>die</strong> Ausnahme:<br />
Viele <strong>Handwerk</strong>sunternehmen richten <strong>das</strong> Ausbildungsvolumen noch immer aus:<br />
♦ nach den betrieblichen Möglichkeiten, Ausbildung durchzuführen und vor allem<br />
♦ an den skizzierten Erfahrungen mit Abwanderung und daraus resultierenden Engpässen;<br />
♦ nach den erwarteten Kosten-Ertragsrelationen der Ausbildung;<br />
♦ auf Grund von Appellen, Ausbildungsplätze bereitzustellen.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
Die derzeitige - unbefriedigende - Situation<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
27<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
♦ Viele Absolventen werden nach Abschluß einer Ausbildung im dualen System nicht<br />
übernommenen (regional und nach Berufen sehr unterschiedlich ausgeprägt).<br />
♦ Die Zahl der Arbeitslosen nach Lehrabschluß ist auf über 26 % angestiegen<br />
(ABL: 23%, NBL 39% !!). 4<br />
♦ Der Anteil von abgebrochenen Ausbildungen liegt sehr hoch und steigt z.T. noch an.<br />
♦ Vielfach sind wachsende Durchfallquoten bei den Abschlußprüfungen zu verzeichnen.<br />
♦ Zugleich häufen sich wieder Klagen über Lehrlingsmangel<br />
(ebenfalls regional und nach Berufen sehr unterschiedlich ausgeprägt).<br />
♦ Werden Vorschläge gemacht, „Lehrlinge“ aus dem Ausland zu importieren.<br />
4 Zahlen aus dem Berufsbildungsbericht 2000 der Bundesregierung.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
Daraus entstehende Fragen<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
28<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
♦ Wie erklärt sich <strong>das</strong> gleichzeitige Auftreten von „Nichtübernahme“ fertig Ausgebildeter und von<br />
Mangel an Auszubildenden?<br />
♦ Gibt es Möglichkeiten bestehenden Fachkräftemangel mit bislang nicht übernommenen Fachkräften<br />
abzudecken?<br />
♦ Welche Maßnahmen könnten dazu beitragen?<br />
♦ Bedeutet <strong>die</strong> Feststellung von Nachwuchsmangel heute, daß nicht alle Lehrstellen besetzt werden<br />
können, oder daß es tatsächlich mittelfristig zu wenig Fachkräfte gibt?<br />
♦ Wird dabei bereits berücksichtigt, daß aus einer Reihe von Gründen mit einer Verringerung der<br />
Abwanderung zu rechnen ist?
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
Schlußfolgerung:<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
29<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Wenn es nicht gelingt, im <strong>Handwerk</strong> eine an längerem Verbleib und an umfassender Personalentwicklung<br />
orientierte Beschäftigungspolitik noch stärker zu etablieren sowie <strong>die</strong> Abbruch- und<br />
Durchfallzahlen bei der Lehre zu senken und <strong>die</strong> Quote derer, <strong>die</strong> nach Abschluß der Ausbildung<br />
übernommen wird, möglichst hoch zu halten, dann besteht <strong>die</strong> Gefahr, daß<br />
♦ sich <strong>das</strong> Image des <strong>Handwerk</strong>s insgesamt – also auch derjenigen, Unternehmen <strong>die</strong> eine weitsichtige<br />
Personalpolitik betreiben - auf dem Arbeitsmarkt (wieder) verschlechtert.<br />
♦ Damit <strong>die</strong> Arbeitsmarktposition und <strong>die</strong> Zukunftschancen des <strong>Handwerk</strong>s und seiner Beschäftigten<br />
beeinträchtigt werden.<br />
Vor allem aber kann <strong>die</strong>se „Strategie“ weniger den je dauerhaft erfolgreich sein, denn<br />
<strong>das</strong> „<strong>demographische</strong> Problem“ wird sich zunehmend verschärfen<br />
auch wenn 1998 es noch <strong>die</strong> große Mehrheit der Befragten es für „sehr“ (34%) oder für eher wahrscheinlich<br />
(53%) hielt, daß <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> in den kommenden 10-15 Jahren genügend Arbeitskräfte<br />
findet (ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG).
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
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HANDWERK<br />
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Fachgespräch<br />
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DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Die demographisch bedingte Verknappung von Arbeitskräftenachwuchs –<br />
(k)ein Problem für alle Unternehmen?<br />
Betroffenheit vom Nachwuchsmangel hängt ab von der Position in der Nachfragerschlange.<br />
♦ Marktmächtige und ertragsstarke Unternehmen (z.B. Automobilindustrie, Chemie, Maschinenbau,<br />
große Versicherungen oder Banken, IT-Unternehmen oder Me<strong>die</strong>nkonzerne, aber auch<br />
kleinere Betriebe z.B. aus der Software-Branche) werden <strong>die</strong> Verknappung kaum spüren.<br />
♦ Für den Bedarf <strong>die</strong>ser Unternehmen an Auszubildenden reicht auch der kleinste anstehende Altersjahrgang<br />
noch bequem aus.<br />
♦ Diese Unternehmen können sich weiter <strong>die</strong> „Rosinen“ aus dem Gesamtangebot herauspicken –<br />
um so eher, je leichter es ihnen <strong>die</strong> Wettbewerber um Personal z.B. aus dem <strong>Handwerk</strong> machen.<br />
♦ Das Problem reduziert sich auf <strong>die</strong> finanzielle Dimension: Wenn etwas knapper wird, wird es bekanntlich<br />
teurer. Wer genügend zahlen kann, muß keinen Mangel leiden.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
Eine ernstzunehmende Gefahr:<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
31<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Ein Umgang mit <strong>demographische</strong>n Engpässen, der betriebswirtschaftlich unproblematisch,<br />
aber gesamtgesellschaftlich fatal wirkt:<br />
Firmen mit den besten Voraussetzungen zur Bewältigung der <strong>demographische</strong>n Herausforderungen,<br />
können sich ihnen am ehesten entziehen.<br />
Unternehmen <strong>die</strong>ses Typs haben am ehesten Erfahrungen mit der<br />
♦ Einrichtung altersgerechter Arbeitsplätze,<br />
♦ mit der Entwicklung entsprechender Qualifizierungsangebote usw.<br />
♦ bzw. verfügen zumindest über <strong>die</strong> dafür erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen.<br />
Aber:<br />
♦ Wenn es nicht gelingt, sie in eine Strategie zur gemeinsamen Bewältigung der Herausforderungen<br />
einer alternden Erwerbsbevölkerung einzubinden, können sie am ehesten dem verbreiteten<br />
„Jugendlichkeitskult“ weiterhin frönen.<br />
♦ Je erfolgreicher <strong>die</strong>se Unternehmen an der Spitze der Arbeitskraftnachfrager-Schlange <strong>die</strong><br />
knapper werdenden Jungen rekrutieren, desto mehr trifft aber <strong>die</strong> Knappheit <strong>die</strong> Betriebe am<br />
Ende der Schlange.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
32<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
<strong>Handwerk</strong>sbetriebe in der <strong>demographische</strong>n Klemme?<br />
Große Teile des <strong>Handwerk</strong>s haben eine Position im hinteren Teil der „Nachfrageschlange“<br />
auf dem Arbeitsmarkt<br />
Folge:<br />
♦ Ausbildung im bisherigen Umfang wird daher kaum noch möglich sein.<br />
♦ Die Probleme, sich im Wettbewerb um <strong>die</strong> „guten und motivierten Arbeitskräfte“ zu<br />
behaupten werden eher anwachsen.<br />
Nicht nur der Zustrom an Auszubildenden wird zurückgehen, sondern auch der Abfluß<br />
von Ausgelernten!<br />
♦ Schon jetzt wird in vielen Regionen und Gewerken eine Abnahme der freiwilligen<br />
Fluktuation aus dem <strong>Handwerk</strong> in andere Wirtschaftszweige, wegen dort rückläufigem<br />
Bedarf - insbesondere an „Angelernten“ - festgestellt.<br />
♦ In der Folge ist mit rascher Alterung der Belegschaften zu rechnen, auch wenn -<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG – nur knapp <strong>die</strong> Hälfte der Befragten damit rechnete,<br />
daß alternde Belegschaften <strong>die</strong> Arbeitswelt im <strong>Handwerk</strong> in den nächsten 10 bis<br />
15 Jahren verändern werden.<br />
♦ Arbeiten im <strong>Handwerk</strong> müssen mit Altersgruppen durchgeführt werden, <strong>die</strong> in vielen<br />
Gewerken bislang kaum noch vorhanden waren.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
FAZIT:<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
33<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
Der <strong>demographische</strong> Strukturbruch muß daher keineswegs zu massiven zahlenmäßigen<br />
Arbeitskräfteengpässen im <strong>Handwerk</strong> führen.<br />
Ins Haus steht aber <strong>die</strong> gewaltige Aufgabe, vorhandene Arbeitsplätze so zu gestalten,<br />
daß sie auch von Älteren noch voll ausgefüllt werden können. Das erfordert u.a:<br />
♦ Förderung lebenslangen Lernens<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: Über 90% der Befragten sind der Meinung, daß der bisherige Umfang<br />
des Weiterlernens nicht ausreicht.<br />
♦ altersgerechte Weiterbildung.<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 72% halten neue Lernformen für Ältere für wichtig.<br />
♦ generelle Akzentverschiebung von der Erstausbildung auf <strong>die</strong> Aus- und Weiterbildung.<br />
ERGEBNIS EINER EXPERTENBEFRAGUNG: 85% halten es für unwahrscheinlich, daß eine breit angelegte Erstausbildung<br />
für <strong>das</strong> gesamte Berufsleben ausreicht.<br />
♦ Entwicklung von Konzepten generationenübergreifenden gemeinsamen Lernens.
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
VERSCHLÄFT<br />
DAS<br />
HANDWERK<br />
DIIE<br />
Fachgespräch<br />
34<br />
DEMOGRAPHIISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen<br />
MIT ÄLTEREN BELEGSCHAFTEN IM HANDWERK INNOVATIV UND ERFOLGREICH BLEIBEN -<br />
Gefragt sind alle wichtigen Gruppen im <strong>Handwerk</strong><br />
♦ Betriebsinhaber und Beschäftigte;<br />
♦ Zentral- und Fachverbände und ihre Untergliederungen;<br />
♦ Institutionen, <strong>die</strong> sich mit<br />
♦ Betriebsberatung,<br />
♦ mit Arbeits- und Gesundheitsschutz befassen oder<br />
♦ Weiterbildungsmaßnahmen anbieten – nicht zuletzt aber<br />
♦ <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> über <strong>die</strong> Instrumente verfügen, zunächst <strong>das</strong> Problembewußtsein zu<br />
schaffen und dann Lösungsansätze zu transferieren (Me<strong>die</strong>n).<br />
Aus <strong>die</strong>sen Gruppen sind heute hier Experten versammelt, <strong>die</strong> wir jetzt anhören wollen um dann in<br />
eine intensive Diskussion einzusteigen.
5. Fachgespräch<br />
THEMENKOMPLEX I<br />
Handlungsebene Unternehmen:<br />
Zwischen Nachwuchsproblemen und älter werdenden Beschäftigten<br />
35<br />
Das <strong>Handwerk</strong> gerät durch <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung in zweierlei Hinsicht unter<br />
Anpassungsdruck: Zum einen wegen der schwieriger werdenden Versorgung mit qualifizierten<br />
jungen Nachwuchskräften und zum anderen wegen der in Zukunft älteren Belegschaften.<br />
Konfrontiert mit <strong>die</strong>sem Anpassungsdruck sind in erster Linie <strong>die</strong>jenigen<br />
Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s, <strong>die</strong> als Nachfrager nach Arbeitskräften und Auszubildenden<br />
mit anderen Wirtschaftsbereichen konkurrieren müssen und <strong>die</strong> den Wandel von<br />
eher jüngeren Belegschaften zu älteren Mitarbeitern vollziehen müssen – und <strong>die</strong>s in<br />
einem auch für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> turbulenter werdenden wirtschaftlichen Umfeld. Das Ziel<br />
der Fragen zu <strong>die</strong>sem Themenkomplex war, zunächst einmal zu eruieren, wie sich aus<br />
der Perspektive der Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s 2 <strong>die</strong> Versorgung mit Nachwuchskräften<br />
und <strong>die</strong> Arbeit mit älteren Belegschaften darstellt.<br />
Hauptbasis der Versorgung des <strong>Handwerk</strong>s mit Arbeitskräftenachwuchs ist <strong>die</strong> eigene<br />
Ausbildung. Demographische Veränderungen in der Zusammensetzung des Erwerbspersonenpotenzials<br />
machen sich daher im <strong>Handwerk</strong> stets am direktesten bei der Versorgung<br />
mit Auszubildenden bemerkbar. Deshalb richteten sich <strong>die</strong> Fragen <strong>die</strong>ses Themenkomplexes<br />
zunächst auf <strong>die</strong> gegenwärtige Situation der Berufsausbildung.<br />
2 Leider ist es im Rahmen des Fachgesprächs nicht gelungen, in größerem Umfang handwerkliche<br />
Unternehmer als Teilnehmer zu gewinnen – ein angesichts begrenzter Ressourcen und geringer Abkömmlichkeit<br />
<strong>die</strong>ser Personengruppe nicht unbekanntes Problem bei derartigen Veranstaltungen.<br />
Daher wurden <strong>die</strong> entsprechenden Fragen auch quasi stellvertretend an <strong>die</strong> anwesenden Vertreter<br />
der <strong>Handwerk</strong>sverbände (Kammer, Innunngen) sowie der Arbeitnehmerorganisation gerichtet.
THEMENKOMPLEX I<br />
Handlungsebene Unternehmen<br />
Zwischen Nachwuchsproblemen und älter werdenden Belegschaften<br />
36<br />
� Arbeitskräfteversorgung<br />
• Wonach richtet sich <strong>die</strong> Zahl der Ausbildungsplätze derzeit und in Zukunft?<br />
• Woran orientiert sich <strong>die</strong> Übernahme bzw. Nichtübernahme von Auszubildenden?<br />
• Wie wird sich <strong>die</strong> Abwanderung aus dem <strong>Handwerk</strong> voraussichtlich entwickeln?<br />
• Welche Maßnahmen sind zur Gewinnung und Bindung qualifizierter Arbeitskräfte<br />
für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> notwendig?<br />
• Welche Potenziale bietet <strong>die</strong> Mobilisierung zusätzlicher Arbeitsmarktreserven<br />
(z.B. Frauen, Ausländer, Arbeitslose)?<br />
Die Diskussion zeigte, <strong>das</strong>s bereits derzeit erhebliche Engpässe bei der Versorgung mit<br />
Auszubildenden bestehen – obwohl der eigentliche „Knick“ beim Rückgang der Nachwuchsjahrgänge<br />
um 2005/2006 erst noch bevorsteht. Es zeigte sich aber auch, <strong>das</strong>s <strong>die</strong><br />
Situation regional und vor allem auch zwischen den Gewerken sehr unterschiedlich<br />
wahrgenommen wird. Das Kfz-Gewerbe als nach wie vor attraktiver Ausbildungsberuf<br />
bspw. habe selbst in einer Region wie München noch wenig Probleme bei der Versorgung<br />
mit Nachwuchs, auch wenn es durchaus schwierig sei, Auszubildende mit geeigneter<br />
schulischer Vorqualifikation zu bekommen:<br />
„...also wir bekommen natürlich <strong>die</strong> Lehrlinge, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Großindustrie nicht nimmt,<br />
... BMW, Siemens, Mercedes oder <strong>die</strong> Computerfirmen. Diese Leute gehen nicht<br />
ins <strong>Handwerk</strong> oder kommen nachher zu uns und gehen nicht in <strong>die</strong> Industrie. Das<br />
Niveau geht von oben nach unten so durch. Wenn wir in mittelständischen Betrieben<br />
Lehrlinge bekommen, <strong>die</strong> mittlere Reife haben, dann sind wir schon überglücklich.<br />
Mit Hauptschulabschluss sind wir auch schon zufrieden.“<br />
Die niedrigen schulischen Ausgangsqualifikationen der Bewerber im <strong>Handwerk</strong> geraten<br />
im Kfz-Gewerbe zunehmend in Konflikt mit den steigenden Anforderungen:<br />
„Wir sind ein sehr technischer Beruf geworden, mit viel Elektrik und Elektronik,<br />
und man kann einen Hauptschüler oder einen Schulabgänger mit Note vier im<br />
Grunde nicht mehr einstellen, weil <strong>die</strong> mit großer Wahrscheinlichkeit nicht durch<br />
<strong>die</strong> Prüfung kommen.“<br />
Als noch dramatischer wird <strong>die</strong> zunehmende Lücke zwischen schulischer Ausgangsqualifikation<br />
und steigenden fachlichen und außerfachlichen Anforderungen der <strong>Handwerk</strong>sberufe<br />
aus der Sicht des Sanitär-, Heizungs- und Klimagewerbes wahrgenommen:<br />
„Wenn sich jemand für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> entscheidet, dann geht er zuerst in Richtung<br />
Kfz und andere Berufe. Und was dann übrig bleibt, <strong>das</strong> landet bei uns. Dabei<br />
haben wir in Bezug auf <strong>die</strong> Technisierung und Elektronisierung genau <strong>das</strong> gleiche
37<br />
Problem wie <strong>das</strong> Kfz-Gewerbe: Auch unsere Produkte werden immer hochtechnisierter,<br />
so<strong>das</strong>s wir als Mindestanforderung, wenn ein Lehrling dann auch wirklich<br />
entsprechend qualifiziert zum Abschluss gebracht werden soll, eigentlich den<br />
Hauptschulabschluss brauchen. Aber nach unseren Erhebungen ist es so, <strong>das</strong>s im<br />
SHK-Bereich ein nicht unerheblicher Anteil der Lehrlinge unterhalb des Hauptschulabschlusses<br />
liegt.“<br />
Trotz aller Imagekampagnen und anderer Bemühungen von Kammern und Innungen,<br />
wie Kontakte zu Schulen, Angebote von Praktika und Schnupperkursen, habe <strong>das</strong><br />
<strong>Handwerk</strong> gegenwärtig – darin war man sich im Auditorium einig – ein massives Imageproblem,<br />
<strong>das</strong> zunehmend auch vormals attraktive <strong>Handwerk</strong>sberufe wie Kfz-<br />
Mechaniker oder Elektriker tangiert. Bezüglich der Ursachen gab es ein breites und<br />
kontroverses Spektrum von Meinungen. Mehrfach wurde darauf verwiesen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
<strong>Handwerk</strong>, um auch für Realschüler und Abiturienten attraktiv zu werden, den Jugendlichen<br />
mehr Aufstiegs- und Entwicklungschancen bieten müsste. Neue Qualifikationstypen<br />
wie der Kfz-Servicetechniker oder der Ausbildungsgang zum Betriebsassistenten,<br />
wie er in Hessen im Rahmen einer normalen handwerklichen Ausbildung angeboten<br />
wird, wurden als richtige Ansätze bewertet.<br />
Unterschiedliche Einschätzungen gab es bezüglich des Stellenwerts der Ausbildungsvergütung<br />
für <strong>die</strong> Attraktivität einer handwerklichen Ausbildung: Der Meinung „...<strong>die</strong><br />
Zeiten sind vorbei, wo ein Jugendlicher sagte, für mich ist ein Ausbildungsplatz erst mal<br />
<strong>das</strong> wichtigste, und aufs Geld gucke ich nicht“ wurde entgegengehalten:<br />
„Wäre <strong>die</strong> Ausbildungsvergütung entscheidend, dann hätte der Bau überhaupt<br />
keine Sorgen. Die zahlen ja leicht 2000 DM im dritten Lehrjahr und machen auch<br />
viel Öffentlichkeitsarbeit. Das <strong>Handwerk</strong> mit den geringsten Ausbildungsvergütungen,<br />
<strong>das</strong> Schneiderhandwerk, kann sich vor Abiturientinnen nicht retten, <strong>die</strong><br />
alle auf <strong>die</strong> Modeschule gehen wollen, hochqualifizierte junge Leute, <strong>die</strong> <strong>das</strong><br />
Schneiderhandwerk lernen wollen ...“<br />
Auch <strong>die</strong> bisher dominierende Rekrutierungsstrategie des <strong>Handwerk</strong>s, Ausbildung weit<br />
über den Bedarf mit nachfolgender Nicht-Übernahme eines Teils der Absolventen, wurde<br />
wegen ihrer Auswirkungen für <strong>das</strong> Image der handwerklichen Berufe problematisiert.<br />
Dabei wurde betont, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>se Strategie insbesondere in Zeiten knapper Ausbildungsplätze<br />
auf einem Konsens beider Sozialpartner basierte: Hinsichtlich des Problems<br />
der Nicht-Übernahme von Auszubildenden müsse man „sicher auch <strong>die</strong> Ver<strong>die</strong>nste des<br />
<strong>Handwerk</strong>s sehen, in den schwierigen Zeiten, als man noch jeden Ausbildungsplatz<br />
brauchte, und wir auch als Gewerkschaften gesagt haben, lieber ausbilden und anschließend<br />
in <strong>die</strong> Arbeitslosigkeit als Jugendliche direkt in <strong>die</strong> Arbeitslosigkeit zu schicken,<br />
<strong>das</strong> war immer noch der zweitbeste Weg. Und wir haben <strong>das</strong> mitgetragen. Es hat allerdings<br />
dazu geführt, daß <strong>das</strong> Image im <strong>Handwerk</strong> schlecht ist.“
38<br />
Dass sich <strong>die</strong> Praxis der Überausbildung nicht nur wegen ihrer negativen Auswirkungen<br />
auf <strong>das</strong> Image der <strong>Handwerk</strong>sberufe, sondern schon allein angesichts der <strong>demographische</strong>n<br />
Verknappung von Ausbildungskandidaten, so nicht mehr aufrechterhalten lässt,<br />
war im Auditorium weitgehend unstrittig. Verwiesen wurde von verschiedenen Teilnehmern<br />
allerdings auf <strong>die</strong> Schwierigkeiten, einen solchen behutsamen Umsteuerungsprozess<br />
in Gang zu setzen, und zwar sowohl auf der Ebene des Einzelbetriebs, als auch<br />
auf verbandspolitischer Ebene. Eine bedarfsorientierte, dafür intensivere und qualitativ<br />
bessere Ausbildung sei mit schmerzhaften Selektionsprozessen schon bei den Ausbildungsbewerbern<br />
verbunden:<br />
„Zu so einem Paradigmenwechsel zu kommen ist natürlich auch sehr schwierig,<br />
weil sehr schwer gegenüber der Politik zu vermitteln. Es ist auch gerade in der<br />
politischen Auseinandersetzung und im Bemühen, politisch etwas zu erreichen,<br />
sehr wichtig, wenn man in der Vergangenheit immer sagen konnte, so wie hier in<br />
Bayern, wir haben 20 Prozent der Beschäftigten, aber wir bilden 42 Prozent der<br />
Jugendlichen aus, <strong>das</strong> war natürlich ein großes Pfund, mit dem wir wuchern<br />
konnten. ... Und ich glaube, wir können <strong>die</strong>sen Paradigmenwechsel sicherlich<br />
nicht von heute auf morgen schaffen und wir können ihn weder gegenüber der<br />
Politik schaffen noch gegenüber unseren Betrieben.“<br />
Problematisiert wurden auch <strong>die</strong> negativen sozialpolitischen Folgen eines solchen Paradigmenwechsels:<br />
„Das <strong>Handwerk</strong> hat sich bislang ja als wichtiger Integrationsfaktor<br />
auch gegenüber benachteiligten Jugendlichen bewährt. Wenn man sich gerade <strong>die</strong>ser<br />
Jugendlichen nicht mehr annähme, dann wäre <strong>das</strong> natürlich auch für <strong>die</strong> gesellschaftliche<br />
Entwicklung eine verheerende Prognose.“ Als ein Lösungsweg und eine zukünftige<br />
Aufgabe für <strong>die</strong> Tarifparteien wurde der Vorschlag, für <strong>die</strong>sen Kreis benachteiligter<br />
Jugendlicher „theorieentlastete“ Ausbildungsberufe zu schaffen, in den Raum gestellt,<br />
allerdings in der Diskussion nicht weiter vertieft.<br />
Die Ursache für <strong>die</strong> hohen Durchfallquoten in handwerklichen Ausbildungsberufen –<br />
hier wurden für ein Gewerk im Raum München Quoten von 30 – 40% genannt – sahen<br />
viele Teilnehmer hauptsächlich in der mangelnden Berufsvorbereitung der Schulabgänger.<br />
Diese mangelnde Ausbildungsreife betrifft sowohl Defizite in persönlichen und<br />
sozialen Verhaltensweisen als auch Defizite in Grundfertigkeiten wie Rechtschreibung,<br />
Mathematik etc. und stelle mittlerweile ein ernsthaftes Problem für viele <strong>Handwerk</strong>sbetriebe<br />
dar. Es tritt ein Selektionsprozess bei denjenigen Jugendlichen ein, <strong>die</strong> sich für<br />
eine Ausbildung im <strong>Handwerk</strong> bewerben: „Es ist ja nicht so, daß wir hohe Durchfallquoten<br />
haben, weil unser Niveau gestiegen ist. Das Niveau ist gleich, <strong>die</strong> Anforderungen<br />
sind gleich. Aber <strong>die</strong> gut motivierten Lehrlinge zu bekommen, <strong>das</strong> ist unser Hauptproblem.“<br />
Es wurde in <strong>die</strong>sem Zusammenhang nochmals darauf verwiesen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
<strong>Handwerk</strong> auch als „Reparaturbetrieb für den Arbeitsmarkt“ fungiere: “Wo finden sie<br />
denn noch <strong>die</strong> Lehrstelle kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres? Wo finden sie den<br />
Praktikumsplatz für einen Umschüler, der aus einer Maßnahme der Arbeitsverwaltung
39<br />
kommt? Den finden sie nur im <strong>Handwerk</strong>. Und <strong>das</strong>s dann da besonders schwierige Personenkreise<br />
anzutreffen sind, liegt auf der Hand.“<br />
Als ein „Hoffnungsschimmer“ für <strong>die</strong> Lösung der quantitativen und qualitativen Probleme<br />
der Arbeitskräfteversorgung wurde – mit Hinweis auf den angekündigten Personalabbau<br />
im Bankensektor - angeführt, <strong>das</strong>s inzwischen auch <strong>die</strong> Jugendlichen merken,<br />
<strong>das</strong>s vermeintlich stabile und attraktive Berufe in den Diensleistungsbranchen keine<br />
dauerhafte Arbeitsplatzsicherheit mehr bieten. Dagegen könne <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> seinen<br />
Beschäftigten langfristige Perspektiven eröffnen:<br />
„Das ist eben der große Vorteil im <strong>Handwerk</strong>, <strong>das</strong>s wenn <strong>die</strong> Auftragslage stimmt,<br />
<strong>die</strong> Leute, <strong>die</strong> motivierbar und entsprechend leistungswillig sind – auch durch<br />
Fortbildung –, durchaus in der Lage sind, lange im Betrieb zu bleiben. Wir haben<br />
auch relativ viele Alte.“<br />
Damit war <strong>das</strong> Thema „Arbeiten mit älteren Belegschaften im <strong>Handwerk</strong>sbetrieb“ angesprochen.<br />
Folgende Fragekomplexe standen hier zur Debatte:<br />
THEMENKOMPLEX I<br />
Handlungsebene Unternehmen<br />
Zwischen Nachwuchsproblemen und älter werdenden Belegschaften<br />
� Arbeiten mit älteren Belegschaften<br />
• Welche Spielräume und Ansatzpunkte sehen Sie für ...<br />
� eine Verringerung von Arbeitsbelastungen und Gesundheitsgefährdungen<br />
zur Vermeidung von vorzeitigem Gesundheitsverschleiß?<br />
� <strong>die</strong> Schaffung von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten in der Arbeitstätigkeit<br />
für alle Beschäftigten?<br />
� den gleichberechtigten Einbezug auch Älterer in formale Weiterbildungsmaßnahmen?<br />
� eine betriebliche Laufbahngestaltung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Beschäftigung Älterer<br />
und den Verbleib qualifizierter Mitarbeiter fördert?<br />
� Maßnahmen zur Sicherung und zum Transfer des betrieblichen Erfahrungswissens<br />
(z.B. durch Förderung altersgemischter Arbeitsgruppen)?<br />
• Lassen sich Innovationsbereitschaft und Flexibilität des Unternehmens<br />
auch mit älteren Belegschaften sichern?<br />
Zunächst erhob sich <strong>die</strong> Frage nach der Altersstruktur der Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong>.<br />
So habe <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> auf politischer Ebene bisher stets argumentiert, <strong>das</strong>s es im Gegensatz<br />
zur Großindustrie, <strong>die</strong> ihre Belegschaften durch exzessive Frühverrentungsmaßnahmen<br />
in den letzten Jahren verjüngt habe, tendenziell mehr ältere Arbeitnehmer<br />
beschäftige.
40<br />
Flächendeckende Daten zur Altersstruktur der Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong> gibt es – im<br />
Gegensatz zur Altersstruktur der Inhaber von <strong>Handwerk</strong>sbetrieben, <strong>die</strong> in den <strong>Handwerk</strong>srollen<br />
der Kammern erfasst wird - nicht. Vereinzelt existieren Daten zur Altersstruktur<br />
in ausgewählten Gewerken und Regionen. Diese Daten und <strong>die</strong> Auswertung der<br />
BIBB/IAB-Erwerbstätigenstichprobe von 1992 lassen im Gegensatz zur o.g. These jedoch<br />
den Schluss zu, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong> verglichen mit den übrigen<br />
Wirtschaftszweigen eher recht jung sind. Nach Daten des IKK-Systems betrug 1999 der<br />
Anteil der Arbeitnehmer im <strong>Handwerk</strong>, <strong>die</strong> 50 Jahre und älter sind, im Durchschnitt<br />
15,4 %. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Gewerken: So ist der Altersdurchschnitt<br />
in der Gewerkegruppe Textil/Leder mit 20,3 % überdurchschnittlich<br />
hoch, ebenso in den Nahrungsmittelgewerken mit 19 % und im Bau-/Ausbaugewerbe<br />
mit 17,7 %. In den Metall- und Elektrogewerken dagegen liegt der Anteil der über 50jährigen<br />
mit 14,7 % leicht unter dem Durchschnitt des <strong>Handwerk</strong>s.<br />
Insgesamt wurde im Verlauf der Diskussion ein überaus positives Bild von der Beschäftigungssituation<br />
älterer Arbeitnehmer im <strong>Handwerk</strong> gezeichnet. Jugendzentrierte<br />
Personalpolitik, Vorurteile gegenüber der Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter mit<br />
entsprechendem diskriminierendem Arbeitseinsatz und betrieblichen Ausgliederungsstrategien<br />
sind, nach den Einschätzungen der befragten <strong>Handwerk</strong>svertreter, eher wenig<br />
verbreitet. Ältere Mitarbeiter stellen vielmehr wegen ihrer beruflichen Erfahrung und<br />
sozialen Qualifikationen für den <strong>Handwerk</strong>sbetrieb ein geschätztes Arbeitskräftepotenzial<br />
dar: „Wir sind mit den älteren Arbeitnehmern sehr zufrieden, so bis 50, <strong>das</strong> sind<br />
nämlich <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> tatsächlich in der Arbeit sind, <strong>die</strong> nicht krank machen, <strong>die</strong> nicht<br />
blau machen, sondern <strong>die</strong> wirklich Verantwortung tragen.“<br />
Dass <strong>die</strong>se Einschätzung auch vor dem Hintergrund des Problems der Abwanderung<br />
ausgebildeter Fachkräfte aus dem <strong>Handwerk</strong> zu sehen ist, macht <strong>das</strong> Beispiel des Dachdeckerhandwerks<br />
klar. Das Dachdeckergewerk leidet einerseits unter akutem Nachwuchsmangel<br />
– so sei <strong>die</strong> Zahl der Ausbildungsplätze im letzten Jahr bundesweit um 15<br />
% zurückgegangen -, andererseits weisen <strong>die</strong> Daten des IKK-Systems bundesweit einen<br />
extrem niedrigen Altersdurchschnitt für <strong>die</strong>ses Gewerk aus. Diese Altersstruktur resultiert<br />
sowohl aus dem Nachwuchsmangel als auch aus der Abwanderung:<br />
„Warum der Schwund älterer Facharbeiter bei uns im <strong>Handwerk</strong> so groß ist - <strong>das</strong><br />
ist aber nicht nur bei uns im Dachdeckerhandwerk so, <strong>das</strong> ist in jedem Beruf so -<br />
<strong>das</strong> ist <strong>die</strong> Abwerbung durch <strong>die</strong> Industrie und städtische Einrichtungen. Jeder<br />
Bauhof holt sich einen Bauhandwerker in einem gewissen Alter vom Bau, weil er<br />
einen unwahrscheinlichen Erfahrungsschatz hat... Da kommt keiner wieder raus,<br />
weil da <strong>die</strong> Sozialversorgung, <strong>die</strong> soziale Leistung jenseits der Realität von gewerblichen<br />
Arbeitnehmern auf dem Bau ist. Das ist unsere Krux, <strong>die</strong> kriegen wir<br />
nicht weg.“
41<br />
Nicht nur <strong>die</strong> bekanntlich niedrigere Entlohnung, auch gesundheitliche Belastungen, so<br />
wurde ergänzt, sind ein Grund für <strong>die</strong> hohe Abwanderung. Im Dachdeckerhandwerk<br />
seien daher ältere Mitarbeiter<br />
„...so wertvoll, <strong>das</strong>s jeder Betrieb den älteren Mitarbeiter festhält, und zwar durch<br />
Schulungen, Weiterbildungsmaßnahmen, besondere Vergütungen, Sonderurlaub<br />
... Diese Mitarbeiter werden auch benötigt für den Nachwuchs, um <strong>das</strong> Wissen,<br />
<strong>die</strong> Kenntnisse und den Erfahrungsschatz weiterzugeben. ... Und deshalb ist der<br />
Erfahrungsschatz der älteren Mitarbeiter so ein Schatz, <strong>das</strong> ist <strong>das</strong> wahre Kapital<br />
von einem Betriebsinhaber und den hält er fest, mit allen möglichen Mitteln, <strong>die</strong><br />
ihm zur Verfügung stehen.“<br />
Es wurde <strong>die</strong> These vertreten, <strong>das</strong>s im <strong>Handwerk</strong>sbetrieb auch aufgrund der größeren<br />
persönlichen Nähe und engeren Bindungen anders mit älteren Mitarbeitern umgegangen<br />
werde als in anderen Wirtschaftszweigen:<br />
„Problematisch wird es sicherlich, wenn mit zunehmendem Alter krankheitsbedingte<br />
Probleme dazukommen. Dann gibt es sicherlich Schwierigkeiten. Aber solange<br />
man gesundheitlich leistungsfähig ist, auch wenn <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit insgesamt<br />
nachlässt, weil man einfach älter wird, <strong>das</strong> kann man mit Erfahrung zum<br />
größten Teil ausgleichen. Und <strong>das</strong> ist für den Unternehmer ganz wichtig. Ich erlebe<br />
<strong>das</strong> vor allem in Kleinbetrieben und in mittleren Betrieben, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> eine <strong>Handwerk</strong>sfamilie<br />
ist, <strong>die</strong> den älteren Arbeitnehmer nicht einfach vor <strong>die</strong> Tür setzt, weil<br />
er jetzt ein gewisses Alter erreicht hat und weil er vielleicht ein Problem werden<br />
könnte in den nächsten Jahren, sondern <strong>die</strong> Bindung ist wirklich sehr stark.“<br />
Gesundheitlicher Verschleiß sowie körperliche und psychische Belastungen sind jedoch<br />
auch in <strong>Handwerk</strong>sbetrieben ein Problem und begrenzen <strong>die</strong> Einsetzbarkeit älterer Beschäftigter<br />
für manche handwerkliche Tätigkeit. Genannt wurden der Werkstattbereich<br />
im Kfz-Gewerbe und Baustellentätigkeiten im SHK- und Dachdeckerhandwerk. Die<br />
sich aus der eingeschränkten Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter ergebenden Probleme<br />
lösen <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe - so <strong>die</strong> Erfahrungen der Befragten -, wenn auch u.U.<br />
mit erheblichen Schwierigkeiten, aufgrund ihrer internen Flexibilität durch Umsetzung<br />
in andere, weniger belastende Arbeitsbereiche oder durch flexible Aufgabenzuweisung<br />
bei der Auftragsbearbeitung.<br />
Ein gravierendes betriebliches Problem mit älteren Beschäftigten wurde in der mangelnden<br />
Weiterbildungsbereitschaft älterer Mitarbeiter gesehen: “Das Problem liegt<br />
darin, <strong>das</strong>s sie <strong>die</strong> Weiterbildung nicht mehr machen oder sehr wenige von ihnen. Wenn<br />
jemand 45 oder 50 ist, dann sagt er: Schick lieber einen Jungen hin zur Schulung oder<br />
<strong>die</strong>s oder jenes, ich will davon nichts mehr wissen. Und <strong>das</strong> ist unser Problem.“ Gerade<br />
in Gewerken mit dynamischer Technikentwicklung führe <strong>die</strong>se geringe Weiterbildungsbereitschaft<br />
zu Innovationsproblemen: „Im SHK-Gewerbe kommt ja noch einiges an<br />
innovativen Techniken auf uns zu, und da bleibt es nicht aus, <strong>das</strong>s sich <strong>die</strong> Fortbildung
42<br />
auf <strong>die</strong> ganze Bandbreite der Beschäftigten erstrecken muss. Problem sind natürlich<br />
dann wirklich <strong>die</strong> Älteren über 50, ab da wird es dann wirklich problematisch.“ Differenziert<br />
wurden <strong>die</strong>se Erfahrungen dahingehend, <strong>das</strong>s weniger <strong>die</strong> von den Herstellern<br />
angebotenen sog. Produktschulungen, <strong>die</strong> in der handwerklichen Weiterbildung eine<br />
große Rolle spielen, ein Problem für <strong>die</strong> älteren Arbeitnehmer darstellen, zumal <strong>die</strong>se<br />
meist im Betrieb und während der Arbeitszeit stattfinden, sondern „...schwierig wird es,<br />
wenn ältere Arbeitnehmer von sich aus, freiwillig, eine Schulung machen sollen, da<br />
kommt dann immer wieder <strong>das</strong> Argument, ich bin so und so alt, habe noch drei, vier<br />
Jahre oder fünf Jahre, ich komme mit meiner Erfahrung so durch.“ Für ältere Mitarbeiter<br />
entfalle der Wunsch nach inner- und außerbetrieblichem Aufstieg und damit eine<br />
ganz wichtige Motivation für freiwillige Weiterbildungsanstrengungen.<br />
Die beklagte sinkende Weiterbildungsbereitschaft der Älteren sei, so wurde <strong>die</strong>sen Erfahrungen<br />
entgegengehalten, weniger eine Funktion des Alters als vielmehr <strong>das</strong> Ergebnis<br />
von Weiterbildungsabstinenz und Lernentwöhnung während des gesamten Arbeitslebens:<br />
„Das hat weniger was mit dem Alter zu tun, sondern wie er über seine berufliche<br />
Tätigkeit, über seinen beruflichen Werdegang an <strong>die</strong> Weiterbildung herangeführt<br />
wird. ... Wenn ein 50-Jähriger, der <strong>die</strong> Gesellenprüfung mit 20 oder 21 gemacht<br />
hat, jetzt nach 30 Jahren noch mal einen Weiterbildungslehrgang besuchen soll,<br />
da wird er sich natürlich mit Händen und Füßen gegen wehren. Also wenn er<br />
kontinuierlich weitergebildet wird, was im Grunde <strong>das</strong> Gebot der Stunde ist, dann<br />
wird <strong>das</strong> überhaupt kein Problem. Es sind einfach <strong>die</strong> Zeitbrüche <strong>das</strong> riesige Problem.<br />
Und gerade speziell im <strong>Handwerk</strong>, aber auch in anderen Branchen der Industrie<br />
ist versäumt worden, kontinuierlich weiterzubilden, aus Kostengründen, aus<br />
welchen Gründen auch immer.“<br />
Nicht nur <strong>die</strong> Beschäftigten müssen sich an den Gedanken lebenslangen Lernens gewöhnen.<br />
Auch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe sind aufgerufen, durch eine kontinuierliche, alle<br />
Beschäftigten einbeziehende Weiterbildung <strong>die</strong> Forderung lebenslangen Lernens zu<br />
realisieren, um sich damit <strong>die</strong> Innovationsfähigkeit und Weiterbildungsbereitschaft ihrer<br />
Mitarbeiter auch im höheren Alter zu erhalten.
THEMENKOMPLEX II<br />
43<br />
Handlungsebene Weiterbildungsanbieter:<br />
Von der Konzentration auf <strong>die</strong> Qualifizierung Jüngerer zur stärkeren Berücksichtigung<br />
älterer Arbeitnehmer<br />
Lebensbegleitende berufliche Weiterbildung stellt auch im <strong>Handwerk</strong> eine Voraussetzung<br />
dar, um mit älter werdenden Belegschaften in Zukunft <strong>die</strong> Innovationsfähigkeit der<br />
Unternehmen zu sichern. Die <strong>demographische</strong> Entwicklung wird zu einer Akzentverschiebung<br />
zwischen Erst- und Weiterbildung führen. Ältere Arbeitnehmer werden in<br />
Zukunft zu einer wichtigen Zielgruppe beruflicher Weiterbildung. Ein Blick auf <strong>die</strong><br />
gegenwärtige Weiterbildungssituation zeigt, <strong>das</strong>s in betrieblicher und überbetrieblicher<br />
Weiterbildung ältere Beschäftigte eher eine Randgruppe darstellen. Nach wie vor fehlt<br />
es an Angeboten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> besonderen Lernerfordernisse Älterer berücksichtigen. Somit<br />
kommen im Zuge der <strong>demographische</strong>n Entwicklung auf <strong>die</strong> Weiterbildungsanbieter im<br />
<strong>Handwerk</strong> erhebliche Anpassungserfordernisse zu: von der Etablierung einer „Weiterbildungskultur“<br />
in <strong>Handwerk</strong>sbetrieben bis hin zur Entwicklung altersgerechter Weiterbildungsangebote.<br />
THEMENKOMPLEX II<br />
Handlungsebene Weiterbildungsanbieter<br />
Von der Konzentration auf <strong>die</strong> Qualifizierung jüngerer zur stärkeren<br />
Berücksichtigung älterer Arbeitnehmer?<br />
• Jugendzentriertes Weiterbildungsverhalten der Unternehmen, geringe Weiterbildungsbereitschaft<br />
älterer Beschäftigter – gilt <strong>das</strong> auch für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>?<br />
• Was können <strong>die</strong> Anbieter von Weiterbildung tun, um <strong>die</strong> Zielgruppe der älteren<br />
Beschäftigten zu erreichen?<br />
• Welche Anforderungen sind an Weiterqualifizierungsangebote für Ältere zu stellen?<br />
• Sind spezielle, neue Angebotsformen und Qualifizierungskonzepte erforderlich?<br />
• Wie können sich <strong>die</strong> Weiterbildungseinrichtungen des <strong>Handwerk</strong>s organisatorisch<br />
und methodisch-didaktisch auf <strong>die</strong> Zielgruppe der Älteren einstellen?<br />
• Welche Rolle können Tarifpolitik oder gesetzgeberische Initiativen zur Förderung<br />
der Weiterbildung im <strong>Handwerk</strong> und speziell zur stärkeren Berücksichtigung Älterer<br />
spielen?<br />
• Was können <strong>die</strong> Arbeitnehmervertretungen (Betriebsräte und Mitglieder in den<br />
Selbstverwaltungsorganen des <strong>Handwerk</strong>s) dazu beitragen?<br />
Mit der vor drei Jahren gegründeten Zentralstelle für Weiterbildung im <strong>Handwerk</strong><br />
(ZWH) wurde eine zentrale Dienstleistungseinrichtung für handwerkliche Bildungszentren<br />
geschaffen, <strong>die</strong> wichtige Koordinationsfunktionen für <strong>das</strong> Bildungsangebot im<br />
<strong>Handwerk</strong> wahrnimmt und von der potenziell auch Impulse in Richtung einer Anpas-
44<br />
sung an <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung zu erwartenden Strukturveränderungen<br />
ausgehen könnten.<br />
Der Vertreter der ZWH stellte zunächst <strong>das</strong> Aufgabenspektrum der Einrichtung dar: Die<br />
von der ZWH erbrachten Dienstleistungen umfassen <strong>die</strong> Durchführung von Bildungsbedarfsanalysen,<br />
<strong>die</strong> Entwicklung von Lehrgangskonzepten und Materialien für Dozenten<br />
und Teilnehmer und nicht zuletzt <strong>die</strong> Weiterbildung der Ausbilder. Dabei versuche<br />
man, <strong>die</strong> aktuell <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> beschäftigenden Probleme wie Globalisierung, Betriebsübergabe,<br />
Existenzgründung etc. aufzugreifen. Die ZWH sieht sich als kundenorientierter<br />
Dienstleister in zweierlei Richtung: für <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe, <strong>die</strong> qualifizierte<br />
und motivierte Fachkräfte brauchen, und für <strong>die</strong> Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong>, <strong>die</strong><br />
mittels Weiterbildung ihre beruflichen Ziele verwirklichen wollen.<br />
Die mit der <strong>demographische</strong>n Entwicklung auf <strong>die</strong> handwerklichen Bildungsanbieter<br />
zukommenden Herausforderungen werden in der ZWH durchaus schon thematisiert:<br />
Mit 500 handwerklichen Bildungszentren und einem Jahresumsatz von 1,5 Mrd. DM<br />
stellen <strong>die</strong> Bildungszentren einen gewichtigen Wirtschaftsfaktor im <strong>Handwerk</strong> dar.<br />
Deshalb müsse schon aus Gründen drohender Unterauslastung infolge des <strong>demographische</strong>n<br />
Umbruchs über <strong>das</strong> Thema Demographie nachgedacht werden. An entsprechenden<br />
Überlegungen werde auch gearbeitet.<br />
Spezielle Lehrgänge für Ältere, ebenso wie für Frauen, gibt es bundesweit bereits im<br />
Bereich EDV. Ausschlaggebend für <strong>die</strong>ses Angebot war der Gedanke, durch altersbzw.<br />
geschlechtshomogene Lehrgangsgruppen <strong>die</strong> Teilnahmebarrieren <strong>die</strong>ser Zielgruppen<br />
abzubauen. Zudem gibt es Maßnahmen für ältere Arbeitslose bzw. von Arbeitslosigkeit<br />
bedrohte Fachkräfte. Diese Angebote, so der Vertreter der ZWH, seien erst <strong>die</strong><br />
Anfänge.<br />
Ein für ältere Teilnehmer interessanter Ansatz seien <strong>die</strong> neuen Lernkonzepte zur Online-Qualifizierung,<br />
an denen man seit einiger Zeit arbeite. Die ZWH habe ein flächendeckendes<br />
System von Online-Lehrgängen entwickelt, <strong>das</strong> zurzeit von 35 Bildungseinrichtungen<br />
angeboten wird. Online-Lernverfahren seien deshalb für Ältere besonders<br />
geeignet, weil <strong>die</strong> Teilnehmer <strong>das</strong> Lerntempo selbst bestimmen können, <strong>die</strong> Lehrgänge<br />
am Arbeitsplatz oder auch zu Hause stattfinden können und <strong>die</strong> Dozenten, <strong>die</strong> Teilnehmer<br />
über <strong>das</strong> Netz lehrgangsbegleitend betreuen, weitgehend auf <strong>die</strong> individuellen Lernerfordernisse<br />
eingehen können. Gegenwärtig nehmen ca. 1000 Lernende an <strong>die</strong>sen<br />
Online-Kursen teil, darunter auch ältere Beschäftigte. Die ZWH sieht in den Online-<br />
Lernkonzepten eine sehr zukunftsträchtige und ausbaufähige Möglichkeit zur besseren<br />
Erreichung der Zielgruppe der älteren Arbeitnehmer.
45<br />
Es wurde <strong>die</strong> Frage diskutiert, inwieweit ein stärkerer Einsatz betriebs- und arbeitsplatznaher<br />
Qualifizierungsformen <strong>die</strong> Barrieren von <strong>Handwerk</strong>sbetrieben gegenüber<br />
kontinuierlichen Weiterbildungsaktivitäten abbauen und <strong>die</strong> Chancen Älterer, gleichberechtigt<br />
in betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen einbezogen zu werden, erhöhen<br />
könnte. Dies wurde zwar eingeräumt, allerdings gab man zu bedenken, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Realisierung<br />
solcher innerbetrieblicher Qualifizierungsformen stark an <strong>die</strong> Betriebsgröße<br />
gebunden sei. Für <strong>das</strong> Gros der handwerklichen Kleinbetriebe mit zehn bis zwölf Beschäftigten<br />
kämen solche innerbetrieblichen Maßnahmen nicht in Frage - aus Kostengründen<br />
oder weil <strong>die</strong> entsprechende Umsetzungskompetenz fehle. Für <strong>die</strong>se Betriebe<br />
läge <strong>die</strong> Zukunft eher in zentral angebotenen Online-Lernkonzepten. Hingewiesen wurde<br />
auch darauf, <strong>das</strong>s sich bei den von den Herstellern durchgeführten Produktschulungen<br />
<strong>die</strong> mediale Unterstützung der direkt am Arbeitsplatz angesiedelten Lern- und Informationsprozesse<br />
zunehmend durchsetze. Das geschehe schon allein aus Kostenerwägungen<br />
der Hersteller. Voraussetzung für <strong>die</strong> Nutzung solcher Lernsysteme sei aber<br />
Me<strong>die</strong>nkompetenz. Die sei bei den Jüngeren, <strong>die</strong> mit Computer und Internet aufgewachsen<br />
sind, vorhanden, ältere Mitarbeiter müsse man daran erst heranführen. “Wenn man<br />
sie aber einmal da hingeführt hat, sind sie begeistert“.<br />
Herstellerschulungen im Zuge der Einführung neuer Produkte oder Produktionsverfahren<br />
spielen in der handwerklichen Fortbildung eine bedeutende Rolle. Es wurde <strong>die</strong><br />
Frage gestellt, inwieweit <strong>die</strong> Hersteller sich in ihren Lehrgangskonzepten auf <strong>die</strong> Bedürfnisse<br />
älterer Schulungsteilnehmer einstellen, zumal <strong>die</strong> Hersteller eigentlich <strong>die</strong><br />
Ressourcen hätten, ihre Angebote, <strong>die</strong> teils zentral in ihren Schulungseinrichtungen,<br />
teils in den Betrieben stattfinden, organisatorisch und didaktisch anzupassen. Initiativen<br />
seitens der Hersteller in <strong>die</strong>se Richtung waren nicht bekannt. Es wurde aber darauf verwiesen,<br />
<strong>das</strong>s oft gar nicht eine aufwendige Anpassung der Methodik erforderlich sei,<br />
sondern schon kleine organisatorische Maßnahmen ausreichen, um den Bedürfnissen<br />
älterer Teilnehmer entgegenzukommen. Dies setze aber <strong>die</strong> Kooperationsbereitschaft<br />
der Hersteller voraus. So stelle <strong>die</strong> oft weite Anreise zu den zentralen Schulungseinrichtungen<br />
gerade für <strong>die</strong> eher „häuslichen“ Älteren eine Teilnahmebarriere dar. Es<br />
wurde von einem Fall berichtet, bei dem es durch <strong>die</strong> Initiative der Innung gelungen<br />
war, den Schulungsleiter eines Herstellers für <strong>die</strong> Durchführung von Lehrgängen vor<br />
Ort zu gewinnen. Das Ergebnis sei gewesen, <strong>das</strong>s überproportional viele Beschäftigte<br />
im Alter von 50 – 60 Jahren an <strong>die</strong>ser Schulungsmaßnahme teilgenommen und sie auch<br />
erfolgreich absolviert hätten. Außerdem spare sowohl der Hersteller als auch der Betrieb<br />
durch <strong>die</strong> ortsnahe Durchführung Kosten. Allerdings: „Gewisse Edelhersteller sind natürlich<br />
auf dem hohen Ross, <strong>die</strong> meinen, <strong>das</strong>s muss an ihrem Ort passieren, aber vielleicht<br />
kommt dort ja auch langsam <strong>die</strong> Denke, <strong>das</strong>s es, wenn man <strong>die</strong> älteren Mitarbeiter<br />
erfassen will, Sinn macht zu kooperieren.“
46<br />
Betont wurde nochmals, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Herstellerschulungen hinsichtlich des Einbezugs älterer<br />
Mitarbeiter nicht <strong>das</strong> Problem seien, zumal, wie z.B. im Kfz-Gewerbe, vom Hersteller<br />
sogar vorgeschrieben werde, <strong>das</strong>s jeder Mitarbeiter, unabhängig vom Alter gewisse<br />
Schulungen absolvieren muss. Das Weiterbildungsproblem stelle sich vielmehr in<br />
den Kleinbetrieben des <strong>Handwerk</strong>s und in den nicht herstellergebundenen Betrieben, <strong>die</strong><br />
selber initiativ werden müssen. Zwar böten <strong>die</strong> Innungen und Kammern auch für <strong>die</strong>se<br />
Betriebe – gerade für Bayern könne <strong>das</strong> gesagt werden – breit gefächerte und umfangreiche<br />
Schulungen an, über <strong>die</strong> <strong>die</strong> Betriebe regelmäßig informiert würden, „... nur es<br />
scheitert an der Trägheit älterer Mitarbeiter, <strong>die</strong> Weiterbildung auch anzunehmen.“<br />
Explizit an <strong>die</strong> anwesenden Vertreter der Arbeitnehmerseite richtete sich <strong>die</strong> Frage,<br />
welche Handlungsmöglichkeiten sie sehen, Kollegen im <strong>Handwerk</strong>, insbesondere Ältere,<br />
für <strong>die</strong> berufliche Weiterbildung zu motivieren. Es hiess, <strong>das</strong>s auch <strong>die</strong> Gewerkschaften<br />
<strong>die</strong> Information und Motivierung der Beschäftigten zu lebenslangem Lernen<br />
und Weiterbildungsanstrengungen als ihre Aufgabe ansähen und <strong>die</strong>se auch zunehmend<br />
wahrnähmen. Allerdings: „Unsere Betriebsräte in den Betrieben, ich will <strong>das</strong> mal so<br />
ganz offen sagen, <strong>die</strong> schlafen in der Frage Weiterbildung genauso wie viele Betriebsinhaber<br />
und <strong>die</strong> Arbeitnehmer auch.“ Obwohl es gerade auf dem Feld der Weiterbildung<br />
sehr weitgehende betriebliche Mitbestimmungsmöglichkeiten gäbe, würden <strong>die</strong>se von<br />
den Betriebsräten noch sehr selten genutzt. Neben der betrieblichen Ebene habe <strong>die</strong><br />
Gewerkschaft auch <strong>die</strong> Möglichkeit, über <strong>die</strong> Tarifpolitik Einfluss auf <strong>die</strong> Weiterbildung<br />
zu nehmen. Im <strong>Handwerk</strong> gäbe es derzeit einen einzigen Weiterbildungstarifvertrag,<br />
nämlich im SHK-Gewerbe Berlin. Dieser sei zwar vor 15 Jahren von der Gewerkschaft<br />
durchgesetzt, aber von ihr kaum genutzt worden. Dagegen setze <strong>die</strong> zuständige<br />
Innung ihn sehr erfolgreich um. Hier habe <strong>die</strong> Gewerkschaft eine Chance verspielt, im<br />
<strong>Handwerk</strong> eine tarifpolitische Vorreiterrolle einzunehmen und eine gelungene handwerksspezifische<br />
Lösung zu etablieren. Die Tatsache, <strong>das</strong>s derzeit in der Industrie wieder<br />
über Weiterbildungstarifverträge verhandelt werde, sei dagegen für <strong>die</strong> tarifpolitische<br />
Umsetzung im <strong>Handwerk</strong> eher nachteilig, weil man sich damit dem Vorwurf aussetze,<br />
doch nur für <strong>die</strong> Industrie gefundene Lösungen auf <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> übertragen zu<br />
wollen. Weiterbildungstarifverträge machen nach Einschätzung der befragten Arbeitnehmervertreter<br />
gerade im <strong>Handwerk</strong> Sinn, denn Weiterbildung koste Geld. Die Chance,<br />
Weiterbildung über Tarifverträge zu finanzieren, solle sich daher auch <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />
nicht entgehen lassen.
THEMENKOMPLEX III<br />
Handlungsebene Betriebsberatung:<br />
Statt kurzfristiger Lösungen - Einstieg in eine gezielte Personalentwicklung:<br />
Ein Beitrag der Betriebsberatung zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n<br />
Strukturwandels?<br />
47<br />
Langfristige Personalentwicklung, gezielte Personalrekrutierung, Laufbahngestaltung,<br />
systematische Analyse des betrieblichen Qualifizierungspotenzials und -bedarfs, <strong>das</strong><br />
sind Zielvorstellungen präventiv orientierter, langfristiger Personalentwicklung, <strong>die</strong><br />
selbst in vielen Großbetrieben längst noch nicht Realität ist. Dennoch ist unabweisbar,<br />
<strong>das</strong>s angesichts der <strong>demographische</strong>n Entwicklung <strong>die</strong> Pflege, Weiterentwicklung und<br />
Förderung des vorhandenen Mitarbeiterpotenzials auch für <strong>Handwerk</strong>sbetriebe immer<br />
notwendiger wird. Es entsteht ein Bedarf an für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> geeigneten Konzepten<br />
der Personalentwicklung, <strong>die</strong> dem Alterungsprozess der Belegschaften und den veränderten<br />
Rahmenbedingungen bei der Arbeitskräfteversorgung Rechnung tragen. Damit<br />
erhebt sich <strong>die</strong> Frage, wie ein Einstieg in eine systematischere Personalentwicklung und<br />
<strong>die</strong> dafür erforderlichen Kompetenzen in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> umzusetzen sind.<br />
THEMENKOMPLEX III<br />
Handlungsebene Betriebsberatung<br />
Statt kurzfristiger Problemlösungen Einstieg in eine gezielte Personalentwicklung – ein<br />
Beitrag der Betriebsberatung zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturwandels?<br />
• Welche Struktur hat <strong>die</strong> Betriebsberatung im <strong>Handwerk</strong> gegenwärtig (Inanspruchnahme,<br />
inhaltliche Schwerpunkte)?<br />
• Was kann Betriebsberatung zur Sensibilisierung der Unternehmen für <strong>die</strong> Demographieproblematik<br />
beitragen?<br />
• Erfahrungen aus einem regionalen Ansatz zum Aufbau von Personalentwicklungskompetenz<br />
im <strong>Handwerk</strong>: <strong>das</strong> Teilprojekt der FH-Niederrhein.<br />
• Wo liegen <strong>die</strong> Barrieren und Probleme einer Integration von langfristigen Personalentwicklungskonzepten<br />
in bisherige Beratungsangebote des <strong>Handwerk</strong>s:<br />
� aufseiten der Unternehmen,<br />
� bei der Beratungskapazität,<br />
� hinsichtlich der Übertragbarkeit vorhandener Konzepte zur alternsgerechten<br />
Personalentwicklung auf <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>?<br />
• Könnten Altersteilzeitmodelle mit dem Ziel der Verlängerung der Verweildauer<br />
Älterer im Unternehmen Gegenstand von Betriebsberatung sein?<br />
In dem Projekt „Laufbahngestaltung in Kleinbetrieben“ im Rahmen des Forschungsschwerpunkts<br />
„Öffentlichkeits- und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r Wandel“ des<br />
bmb+f, <strong>das</strong> vom Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der Fachhochschule Niederrhein<br />
durchgeführt wurde, ist versucht worden, Personalentwicklungskonzepte für
48<br />
<strong>Handwerk</strong>sbetriebe zu entwickeln und in einer Region in NRW aktiv Personalentwicklungskompetenz<br />
in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> zu transferieren.<br />
Birgit Weber von der FH Niederrhein berichtet zunächst über <strong>die</strong>ses Projektvorhaben:<br />
Das Vorhaben wurde am Beispiel der Gewerke SHK, Kfz und des Dachdeckerhandwerks<br />
durchgeführt. Allen drei Gewerken ist gemeinsam, <strong>das</strong>s sie einerseits - zumindest<br />
regional – Schwierigkeiten haben, qualifizierte Fachkräfte zu bekommen, und <strong>das</strong>s es<br />
andererseits in <strong>die</strong>sen Gewerken in bestimmten Tätigkeitsbereichen nur bedingt möglich<br />
ist, bis zum Erreichen des Rentenalters beschäftigt zu bleiben. Daher stellen sich für<br />
<strong>die</strong>se Gewerke <strong>die</strong> Herausforderungen des <strong>demographische</strong>n Wandels verschärft. Vordringlich<br />
erscheinen insbesondere Maßnahmen, <strong>die</strong> <strong>das</strong> Leistungsvermögen der Mitarbeiter<br />
langfristig erhalten und <strong>die</strong> <strong>die</strong> Attraktivität <strong>die</strong>ser <strong>Handwerk</strong>sberufe für Nachwuchskräfte<br />
steigern. In dem Projekt wurden alle Phasen der Personalentwicklung berücksichtigt:<br />
vom Ein-, Auf- und Umstieg bis zum Ausstieg aus dem Berufsleben. So<br />
wurde z.B. ein Baustein zum Personalmarketing entwickelt, also eine Anleitung zur<br />
gezielteren Beschaffung von Fachkräften und Auszubildenden mittels der Erstellung<br />
eines betrieblichen Anforderungsprofils, ein Baustein zur innerbetrieblichen Weiterbildungsplanung,<br />
zur Arbeitsorganisation und altersgerechten Arbeitsgestaltung. Diese<br />
Bausteine wurden zusammen mit den Betrieben entwickelt und in den Betrieben umgesetzt.<br />
Es stellt sich <strong>die</strong> Frage, wie man <strong>die</strong>se, in enger Zusammenarbeit mit ausgewählten<br />
Betrieben entwickelten Maßnahmen und Lösungen in <strong>die</strong> Breite der Betriebe eines<br />
Gewerks in der Region transferiert. Wichtig dafür erscheint zunächst der enge Dialog<br />
und <strong>das</strong> ständige Feed-back der Betriebe, <strong>die</strong> solche Konzepte anwenden, mit den regionalen<br />
<strong>Handwerk</strong>sorganisationen, der Kammer, den Innungen und den Kreishandwerkerschaften,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Ergebnisse dann diffun<strong>die</strong>ren. Weiterhin wurde an der FH eine Arbeitsgruppe<br />
KMU eingerichtet, <strong>die</strong> als regionales Kompetenzzentrum und ständiger<br />
Ansprechpartner der Betriebe für Beratungen im Bereich Personalentwicklung <strong>die</strong>nt.<br />
Ein Weg, Personalentwicklung in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> zu transferieren, wäre, sie in <strong>die</strong> vorhandenen<br />
Strukturen der Betriebsberatung im <strong>Handwerk</strong> zu integrieren. Die Frage an<br />
<strong>die</strong> Vertreter der Kammern lautete, inwieweit <strong>das</strong> Thema Personalentwicklung bei der<br />
derzeitigen Praxis der Betriebsberatung im <strong>Handwerk</strong> bereits eine Rolle spielt und inwieweit<br />
es Pläne gibt bzw. es für möglich gehalten wird, <strong>die</strong>ses Thema in <strong>die</strong> Betriebsberatung<br />
aufzunehmen?<br />
Für <strong>die</strong> Kammer München ist festzustellen, <strong>das</strong>s der Beraterstab dort derzeit pro Jahr<br />
etwa 100.000 Betriebskontakte realisiert, d.h. im Schnitt lässt sich jeder <strong>Handwerk</strong>sbetrieb<br />
des Kammerbezirks etwa 1,8 mal pro Jahr in irgendeiner Frage von den Betriebsberatern<br />
der Kammer beraten. Das Thema Personalentwicklung stehe dabei bisher nicht<br />
im Vordergrund, man stelle aber eine zunehmende Nachfrage in <strong>die</strong>sem Feld fest. Daher
49<br />
werde derzeit überlegt, ob der Bereich Personalentwicklung künftig zu einem Standardberatungsthema<br />
für <strong>die</strong> Betriebsberatungsstellen gemacht werden könne.<br />
Ein derzeit durch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>skammer München/Oberbayern in Kooperation mit dem<br />
Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) durchgeführter Modellversuch „Personalentwicklung<br />
für kleine und mittlere Unternehmen auf dem Weg zum Service- und Systemanbieter“<br />
soll Erkenntnisse für <strong>die</strong> Ausweitung des Angebots erbringen. Diese sei<br />
nicht zuletzt auch eine Frage der vorhandenen Beratungskapazitäten, teilweise fehle es<br />
im Beratungsapparat auch noch an der notwendigen Kompetenz. Das heisst, sollte Personalentwicklung<br />
zum Standardberatungsthema werden, müssten zunächst <strong>die</strong> Berater<br />
zu <strong>die</strong>sem Thema geschult werden.<br />
Aktiv seien <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>skammern beim Thema Personalentwicklung bereits insofern,<br />
als man, „was <strong>das</strong> lebenslange Lernen betrifft, schon seit Jahren als Messias unterwegs<br />
[sei], um unseren Betrieben, unseren Beschäftigten zu predigen, beispielsweise bei jeder<br />
Freisprechungsfeier von Gesellen, <strong>das</strong>s mit <strong>die</strong>ser Gesellenprüfung nur <strong>die</strong> erste Stufe<br />
des lebenslangen Lernens bewältigt ist, genauso wie nach der Meisterprüfung, <strong>das</strong>s wir<br />
auch immer an <strong>die</strong> jungen Leute appellieren, sich jetzt nicht mental zur Ruhe zu setzen<br />
und <strong>das</strong> Lernen einzustellen“. So bietet <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>skammer München eine Aus- und<br />
Fortbildungsberatung an, in der u.a. auch mit den Betrieben der Qualifizierungsbedarf<br />
und <strong>die</strong> Qualifikationsprofile ermittelt werden, um passende Fortbildungen anzubieten.<br />
Es wurde auch darauf hingewiesen, <strong>das</strong>s beim Thema Personalentwicklung stets <strong>die</strong><br />
Heterogenität des <strong>Handwerk</strong>s, insbesondere <strong>die</strong> unterschiedlichen Betriebsgrößen, zu<br />
bedenken seien. Anspruchsvolle Konzepte gerade auch für ältere Arbeitnehmer wie eine<br />
Laufbahnplanung, <strong>die</strong> den Leistungswandel im höheren Alter berücksichtigt, seien<br />
bspw. nur in größeren <strong>Handwerk</strong>sbetrieben realistisch.<br />
Auch in Großbetrieben, so ein wiederholter Hinweis, passiere trotz vorhandener Personalabteilungen<br />
in Hinblick auf langfristige Personalentwicklung nicht unbedingt viel.<br />
Der <strong>Handwerk</strong>sbetrieb habe dagegen meist eine ziemlich genaue Einschätzung der<br />
Qualifikationen und Leistungsfähigkeit seiner Leute, „... nur <strong>das</strong>s <strong>die</strong> gesamte Entwicklung<br />
auf Glück und Zufall aufgebaut ist. Da wird nicht konkret geplant, so ich habe<br />
jetzt zwanzig der zehn über 50 oder 55-Jährige, ich muss jetzt langsam Nachwuchs<br />
nachfüttern, damit ich eine vernünftige Altersstruktur bekomme ...“. Derzeit – so <strong>die</strong><br />
Erfahrung eines Betriebsberaters im Raum München – leiden <strong>die</strong> Betriebe unter dem<br />
akuten Problem des Fachkräftemangels. Dies sei <strong>das</strong> Thema, mit dem <strong>die</strong> Berater immer<br />
wieder konfrontiert würden und wo man sich schnelle Hilfe erwarte. Der Fachkräftemangel<br />
stehe in der Wahrnehmung der Betriebe so im Vordergrund, <strong>das</strong>s es schwerfalle,<br />
den Betrieben in <strong>die</strong>ser Situation den Gedanken an langfristige Personalentwicklung<br />
oder Weiterentwicklung des vorhandenen Fachkräftepotenzials nahe zu bringen.
50<br />
In <strong>die</strong>sem Zusammenhang wurde auf <strong>die</strong> sog. Arbeitnehmerbörsen hingewiesen, <strong>die</strong><br />
einige Kammern inzwischen eingerichtet haben, um <strong>die</strong> Betriebe bei der Fachkräftesuche<br />
zu unterstützen. Auch der Vorschlag, <strong>die</strong> Probezeiten von derzeit drei Monaten auf<br />
sechs Monate zu verlängern wurde in <strong>die</strong> Debatte geworfen: Gerade für einen Kleinbetrieb<br />
sei eine Neueinstellung immer ein hohes Risiko, <strong>die</strong> Arbeitskräfte müssen in <strong>das</strong><br />
Team passen, Zeugnisse allein seien heute nicht mehr aussagefähig. Kritisch wurde angemerkt,<br />
<strong>das</strong>s eine solche Verlängerung der Probezeit auf Widerstand seitens der Gewerkschaft<br />
stoße.<br />
Inwieweit stellt zwischenbetriebliche Kooperation einen Weg dar, <strong>die</strong> Handlungsspielräume<br />
von <strong>Handwerk</strong>sbetrieben bei der Personalentwicklung zu erweitern, etwa bei der<br />
innerbetrieblichen Weiterbildung oder wenn es darum geht, Umsetzungsarbeitsplätze<br />
für leistungsgeminderte ältere Mitarbeiter zu finden? Diese Option wurde ziemlich einhellig<br />
als unrealistisch bewertet. Bezogen auf <strong>das</strong> Kfz-Gewerbe wurde gesagt: „Wenn<br />
Sie unsere Branche kennen, dann wissen Sie, <strong>das</strong>s unsere Formel lautet: Feind, Todfeind,<br />
Markenkollege.“ Die Angst vor Abwerbung von Personal sei zu groß. Seitens der<br />
Arbeitnehmervertreter wurde dagegen von einem gelungenen Beispiel überbetrieblicher<br />
Kooperation bei der Fachkräftevermittlung berichtet:<br />
„Es gibt bei ... eine Kooperation zwischen Betriebsräten der Händlerbetriebe und<br />
dem Herstellerwerk. Eines der Anliegen der Gewerkschaft war, innerhalb des<br />
Markennetzes so etwas wie eine Personalbörse aufzubauen. Denn wir wussten ja,<br />
<strong>das</strong>s viele Betriebe geschlossen werden und <strong>die</strong> Umstrukturierung in den nächsten<br />
Jahren fortgesetzt wird. Der Widerstand war zunächst groß, <strong>das</strong> Argument war,<br />
wenn wir so etwas machen, dann stellen sich <strong>die</strong> Arbeitnehmer da rein, um ihren<br />
Lohn nach oben zu bringen, man betrachtete <strong>das</strong> als Abwerbung. Inzwischen haben<br />
wir uns geeinigt, im April wird <strong>die</strong>se Börse ins Internet gestellt. Der Hersteller<br />
hat eingesehen, <strong>das</strong>s es besser ist, so etwas innerhalb des eigenen Markennetzes<br />
zu machen, da man ja auch viel in <strong>die</strong> Qualifizierung der Leute hineingesteckt<br />
hat. Und wenn einer weg will, dann findet er auch andere Wege, ... also <strong>das</strong> lässt<br />
sich sowieso nicht verhindern. Und ich frage mich, warum kann man so etwas<br />
nicht auch in anderen Bereichen machen? Wir haben vorhin gesehen, <strong>das</strong>s in vielen<br />
<strong>Handwerk</strong>sbetrieben über den Bedarf ausgebildet wird. Wäre es da nicht gut,<br />
auch hier solche Prozesse zu organisieren?“
THEMENKOMPLEX IV<br />
51<br />
Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes:<br />
Präventiver Gesundheitsschutz und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung – ein<br />
wichtiger Ansatz zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Wandels im <strong>Handwerk</strong>?<br />
Befragungen im <strong>Handwerk</strong> zeigen immer wieder, <strong>das</strong>s Arbeit im <strong>Handwerk</strong> nach wie<br />
vor als belastend und körperlich verausgabend empfunden wird. In vielen handwerklichen<br />
Gewerken gibt es Arbeitsplätze mit begrenzter Tätigkeitsdauer, also Arbeiten, <strong>die</strong><br />
im höherem Alter nicht mehr ausgeübt werden können. Die konkrete Belastungssituation<br />
und <strong>die</strong> Erwartung, den Anforderungen der gegenwärtigen Tätigkeit nicht bis zum<br />
Erreichen des Rentenalters gewachsen zu sein, sind wichtige Gründe für <strong>die</strong> Abwanderung<br />
von Fachkräften aus dem <strong>Handwerk</strong> dar. Diese findet meist in den mittleren Erwerbsjahren<br />
statt. Auf der anderen Seite werden demographisch bedingt auch im <strong>Handwerk</strong><br />
<strong>die</strong> Belegschaften älter werden. Das <strong>Handwerk</strong> steht also vor der Aufgabe, <strong>die</strong><br />
vorhandenen Arbeitsplätze so zu gestalten, <strong>das</strong>s sie auch von älteren Beschäftigten noch<br />
ausgefüllt werden können. Es wird in Zukunft vermehrt Anstrengungen zu ergonomischer<br />
Arbeitsgestaltung und zum Abbau psychischer Belastungen unternehmen müssen.<br />
Der Ausbau des präventiven Gesundheitsschutzes und Maßnahmen zur Qualifizierung<br />
der Beschäftigten, Gesundheitsrisiken rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden, wären<br />
weitere wichtige Handlungserfordernisse.<br />
THEMENKOMPLEX IV<br />
Handlungsebene Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes<br />
Präventiver Gesundheitsschutz und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung – ein<br />
wichtiger Ansatz zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Wandels im <strong>Handwerk</strong>?<br />
• Wie ist der derzeitige Informationsstand über gesundheitlichen Verschleiß in den<br />
einzelnen Gewerken und bei spezifischen Altersgruppen und welche Entwicklungstendenzen<br />
werden erwartet?<br />
• Was können <strong>die</strong> Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes tun, um<br />
<strong>die</strong> Problematik älter werdender Belegschaften und daraus abzuleitenden<br />
Anforderungen an präventivem Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung<br />
in <strong>die</strong> Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s zu tragen?<br />
• Welche Handlungskonzepte werden von den Trägern im Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />
bereits mit welchem Erfolg praktiziert?<br />
� Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Beschäftigten<br />
(sicherheits- und gesundheitsbewusstes Verhalten)?<br />
� Aufklärung der Unternehmen über Möglichkeiten betrieblicher Arbeitsgestaltung<br />
mit dem Ziel der Verringerung von Gefährdungen und arbeitsbedingten<br />
körperlichen Belastungen?<br />
� Welche Ansatzpunkte gibt es derzeit zur Etablierung eines Frühwarnsystems<br />
zu gewerkespezifischen Verschleißschwerpunkten und Risikopotenzialen?<br />
• Wären neue Kooperationsformen und Netzwerke zwischen verschiedenen<br />
Akteuren sinnvoll (z.B. Verzahnung von beruflicher Weiterbildung mit Arbeitsund<br />
Gesundheitsschutzthemen)?
52<br />
Die Vertreter der angesprochenen Institutionen erklärten einvernehmlich, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
Thema angekommen sei. Seitens der Innungskrankenkassen gibt es eine Vielzahl von<br />
Untersuchungen, <strong>die</strong> sich mit den spezifischen Belastungs- und Verschleißsituationen in<br />
den unterschiedlichen Gewerken beschäftigen. Der Vertreter der Berufsgenossenschaft<br />
stellte eine Längsschnittstu<strong>die</strong> zum Krankheits- und Frühverrentungsgeschehen im Bauund<br />
Ausbaugewerk vor, <strong>die</strong> 70 % der Bauberufe erfasst und <strong>die</strong> Entwicklung seit 1992<br />
widerspiegelt. Es wurde in der Baubranche u.a. ein Vergleich von Beschäftigten mit<br />
körperlicher Arbeit und solchen, <strong>die</strong> keine körperliche Arbeit verrichten, gemacht. Ein<br />
Ergebnis ist:<br />
„... doppelt so viele Bauleute haben Rückenbeschwerden oder auch am Rücken<br />
Erkrankungen als <strong>die</strong> Leute, <strong>die</strong> keine körperliche Arbeit haben. Wenn sie älter<br />
werden, gleicht sich <strong>das</strong> aus. Also <strong>die</strong> Einflussnahme beruflicher Rehabilitation ...<br />
hat nur Sinn, wenn sie sehr frühzeitig greift ... eigentlich bei der Berufsberatung.<br />
Ist derjenige überhaupt geeignet für den Beruf? ... <strong>das</strong> ist wichtig, <strong>das</strong>s wir im<br />
Vorfeld sehen und nicht nach einem halben Jahr oder einem Jahr merken, der<br />
kann <strong>das</strong> gar nicht ...“<br />
In der Baubranche haben über 90 % der Betriebe weniger als zehn Beschäftigte und<br />
einen hohen Anteil an ungelernten und ausländischen Arbeitskräften. So gibt es bei Ungelernten<br />
verglichen mit allen gewerblich Beschäftigten, im Durchschnitt ein neunfach<br />
höheres Risiko vorzeitig verrentet zu werden.<br />
„... wer da 50 Jahre ist, der hat nichts anderes gelernt, kann auch nichts anderes.<br />
Ein Bauhilfsarbeiter fängt mit 53 oder 54 Jahren an umzulernen, einen ordentlichen<br />
Lehrberuf. Das ist illusionär.“<br />
Die Frühverrentungsursachen sind jedoch nicht ausschließlich beruflich bedingt, sondern<br />
auch Nebenfaktoren wie Lebensstile spielen eine Rolle.<br />
„Aber <strong>die</strong> Gesundheit kann man sehr wohl beeinflussen. ... <strong>die</strong>se Fähigkeit kann<br />
man erweitern, indem man altersgerechte Arbeit ... mit beeinflusst, indem <strong>die</strong> positiven<br />
Eigenschaften, <strong>die</strong> ein älterer Mensch hat, also Zuverlässigkeit, Gelassenheit,<br />
<strong>die</strong> besseren Erfahrungen, auch <strong>die</strong> Fähigkeit, Dinge schnell zusammenzubringen,<br />
nutzt. Die anderen Dinge, wo es auf den Bizeps ankommt, <strong>die</strong> kann ich<br />
nicht mehr fordern, <strong>die</strong> muss ich zurückfahren. Lebensstil, ..., jeder hat einen Tornister<br />
mit seinem Wasserstand und [es kommt darauf an] wie er damit umgeht, ...<br />
Rauchen, Alkohol, Infektionen.<br />
Für den hohen Krankenstand bei Älteren ist auch der Verbleib im Betrieb relevant:<br />
„Wenn jemand wechselt, dann wechselt er früh, ... wenn er älter wird, also im<br />
Grunde wenn er nicht mehr kann, bekommt er nichts anderes mehr.“
53<br />
Die daraus zu ziehenden Schlüsse sind, <strong>das</strong>s Untersuchungen je nach spezifischen Belastungssituationen<br />
(Krebs erregende Stoffe, Atemschutz, Tauglichkeit) erfolgen sollen<br />
und <strong>die</strong> Betriebsärzte möglichst früh Gespräche mit den Versicherten und Betriebsräten<br />
vor Ort führen müssen.<br />
Ein Teilnehmer betonte, <strong>das</strong>s laut der jüngsten BIBB-IAB-Untersuchung nicht nur <strong>die</strong><br />
psychischen Belastungen sondern auch wieder <strong>die</strong> körperlichen Belastungen zunehmen.<br />
Aus den Kommentaren der Teilnehmer geht hervor, <strong>das</strong>s es nicht an Daten zur Gesundheitssituation<br />
mangelt. Relevante Handlungsfelder sind vielmehr der präventive Gesundheitsschutz<br />
und <strong>die</strong> Sensibilisierung von Betrieben und Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong>.<br />
Auf der Individualebene wird nach wie vor zu spät gesundheitsförderndes Verhalten<br />
thematisiert, d.h. wenn erste Beeinträchtigungen bereits vorhanden sind. Dabei wäre es<br />
von großer Wichtigkeit, jungen Menschen <strong>die</strong> Bedeutung von gesundheitsfördernden<br />
und -erhaltenden Lebens- und Arbeitsweisen zu vermitteln.<br />
Auf der betrieblichen Ebene stehen <strong>die</strong> Inhaber und Führungskräfte dem Thema skeptisch<br />
gegenüber: Sie erwarten zunächst einen erheblichen Kostenaufwand, dem kein<br />
sofort wahrnehmbarer Nutzen entgegensteht. Eine Teilnehmerin bemerkte hierzu:<br />
„Es kommen dann immer Bedenken von den Arbeitgebern, <strong>das</strong> kostet ja Geld.<br />
Dazu muss gesagt werden, <strong>das</strong>s gerade bei Mitarbeiterzirkeln, <strong>die</strong> wir dann durchführen,<br />
es oft <strong>die</strong> kleinen Dinge sind, <strong>die</strong> wenig Geld kosten, <strong>die</strong> dann aber von<br />
den Mitarbeitern kommen. Und was der Mitarbeiter einbringt, dann auch motiviert<br />
und es hat nichts damit zu tun, <strong>das</strong>s man so riesengrosse Investitionen machen<br />
muss ...“<br />
Das Problem wird aus vielerlei Gründen hintangesetzt, nicht zuletzt bedingt durch <strong>das</strong><br />
konkurrenzbestimmte Tagesgeschäft und <strong>die</strong> dünne Personaldecke in den Kleinbetrieben<br />
sowie auch durch <strong>die</strong> mögliche Sozialisierung der Folgekosten des frühzeitigen<br />
Verschleißes über <strong>die</strong> Frühverrentung.<br />
Die Sensibilisierung muss auf verschiedenen Ebenen greifen:<br />
• Je nach spezifischer Problemstellung im Betrieb (Alters- und Krankheitsstruktur,<br />
Führungsverhalten), den Gewerken (typische Verschleiß- und Belastungserscheinungen)<br />
und im <strong>Handwerk</strong> allgemein (<strong>demographische</strong> Entwicklung, d.h. Nachwuchskräftemangel,<br />
Abwanderung, Frühverrentung keine zukunftsträchtige Lösungsstrategie).<br />
• Arbeitnehmer, Betriebsinhaber und Führungskräfte
54<br />
• Junge Menschen, <strong>die</strong> noch in der Ausbildung sind<br />
• Verbände, Kammern, Ausbildungsinstitutionen<br />
• <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n<br />
Verbreitungsmöglichkeiten<br />
Probleme bereiten einerseits <strong>die</strong> Widerstände der Betriebsinhaber und andererseits <strong>das</strong><br />
geringe Interesse von Arbeitnehmerseite, insbesondere der jüngeren Arbeitnehmer. Hinzu<br />
kommt, <strong>das</strong>s es sich im <strong>Handwerk</strong> hauptsächlich um Kleinbetriebe handelt, in denen<br />
<strong>das</strong> klassische betriebliche Gesundheitsmanagement nicht greift bzw. <strong>die</strong> für Großbetriebe<br />
geeigneten Maßnahmen nicht zu installieren sind. Nichtsdestotrotz gibt es von<br />
den anwesenden Institutionen konkrete (Modell-)Vorhaben, <strong>das</strong> Thema Gesundheitsschutz<br />
stärker in <strong>die</strong> Betriebe zu tragen.<br />
Ein bereits (mit der Elektro-Innung München) erfolgreich eingeschlagener Weg sind<br />
sog. gewerkespezifische Innungszirkel. Sie sind dazu geeignet, dem Problem der Kleinbetriebe<br />
mit max. zehn Mitarbeitern zu begegnen, in denen Arbeitskreise oder Mitarbeiterzirkel<br />
nicht installiert werden können. Gleichzeitig können auf <strong>die</strong>se Weise Betriebe<br />
erreicht werden, <strong>die</strong> nicht an einem Produktionsstandort arbeiten (Montage, Baustellen).<br />
Außerdem wird versucht, über <strong>die</strong> Berufsschulen (durch <strong>die</strong> Innungskrankenkassen)<br />
bereits bei der Lehrerausbildung Gesundheitsthemen im Unterricht zu verankern.<br />
Die Meisterausbildung ist ein weiteres Standbein, da <strong>die</strong> Meister eine wichtige Multiplikatorengruppe<br />
innerhalb des Betriebs darstellen. Man bemüht sich, während der Meisterausbildung<br />
<strong>das</strong> Bewusstsein für Gesundheitsthemen und gesundheitsrelevante Arbeitsprozesse<br />
zu erhöhen und <strong>die</strong>sen Themenblock in <strong>die</strong> Prüfung zu integrieren. Auch<br />
hier gibt es ein Modellprojekt der Innungskrankenkasse mit der Holzfachschule Bad<br />
Wildungen.<br />
Die Ausbildung der Führungskräfte stellt ebenfalls einen Ansatzpunkt dar, da <strong>die</strong>se<br />
durch ihr Führungsverhalten und ihre Einflussnahme auf <strong>die</strong> betriebliche Arbeitsgestaltung<br />
über enorme Eingriffsmöglichkeiten verfügen. Hier gibt es bereits eine erfolgreiche<br />
Zusammenarbeit zwischen der Innungskrankenkasse und der FH Niederrhein.<br />
Eine Sensibilisierungsmöglichkeit auf betrieblicher Ebene sind Betriebsanalysen dazu,<br />
welche Altersstruktur und welche Krankheiten es im Betrieb gibt und wie <strong>die</strong>se beiden<br />
Faktoren zusammenhängen können. Jedoch scheinen nicht alle Betriebe für solche<br />
Analysen offen zu sein. Ein Ansatz wäre, solche Betriebsbeispiele in Fachblättern zu
55<br />
veröffentlichen - und zwar nicht nur den arbeitsmedizinischen –, um so eine erste Sensibilisierung<br />
hervorzurufen.<br />
Ein weiterer positiver Ansatzpunkt ergibt sich, wenn für einen Betrieb <strong>die</strong> Zertifizierung<br />
nach ISO 9002 erforderlich wird. Hier wird durch eine zusätzliche Zertifizierung versucht,<br />
Umweltschutz und Arbeitssicherheit zu integrieren. Die Zertifizierung kann als<br />
erster Schritt genutzt werden, um <strong>die</strong> Betriebe an <strong>das</strong> Thema Arbeitsschutz heranzuführen.<br />
So findet zumindest eine erste Einbindung der Betriebe statt.<br />
Ein geeignetes Instrument zur Installierung von Frühwarnsystemen ist <strong>die</strong> Gesundheitsberichterstattung,<br />
d.h.<br />
„... da gibt es <strong>das</strong> tatsächliche Krankheitsgeschehen im Betrieb, <strong>die</strong> Schwerpunkte<br />
des Krankheitsgeschehens... man kann auch mit konzentrierten Maßnahmen, auch<br />
mit Berufsgenossenschaften, mit den Betriebsinhabern, mit der Personalvertretung<br />
gezielt auf <strong>die</strong> Behebung <strong>die</strong>ser gesundheitsschädlichen Arbeitsprozesse hinarbeiten.“<br />
Derzeit stellen Gesundheits- und Werkstattzirkel den Idealfall betrieblicher Gesundheitsförderung<br />
dar.<br />
Ein wichtiges Ziel innerhalb der Betriebe wäre eine Gesundheitsförderung auf ganzheitlicher<br />
Basis: Diese würde auch <strong>das</strong> Kommunikationsverhalten der Führungs- und<br />
Arbeitskräfte (Verminderung von Stressfaktoren) sowie <strong>die</strong> Verbesserung der Arbeitsabläufe<br />
und Bewegungsabläufe mittels Analysen beinhalten.<br />
Vielen Beschäftigten ist <strong>die</strong> Tatsache, <strong>das</strong>s es angesichts der <strong>demographische</strong>n Entwicklung<br />
und der Finanzierungsprobleme der Alterssicherung <strong>die</strong> Ausweichoption<br />
Frühverrentung in Zukunft in dem Umfang nicht mehr geben wird, noch kaum bewusst.<br />
Hier läge ein wichtiger Ansatzpunkt, <strong>die</strong> Arbeitnehmer zu einem schonenderen Umgang<br />
mit ihrer Ressource Gesundheit zu motivieren.<br />
„... <strong>die</strong> Dramatik des körperlichen, gesundheitlichen Verschleißes [wird] wahrscheinlich<br />
von vielen ja deshalb nicht so empfunden, weil es bis jetzt immer <strong>die</strong><br />
Ausweichlösung vorzeitige Pensionierung gegeben hat. [...] ist <strong>das</strong> ein Punkt, der<br />
eigentlich viel deutlicher gemacht werden müsste, weil der einen dazu bewegen<br />
könnte, sorgsamer mit seinem Gut Gesundheit umzugehen bzw. sich auch effektiver<br />
dagegen zu wehren, wenn es Leute gibt; <strong>die</strong> nicht bereit sind, Voraussetzungen<br />
zu schaffen, <strong>das</strong>s man in Ehren in seinem Beruf im <strong>Handwerk</strong> alt werden<br />
kann. Ihr müsst oder dürft euch darauf einrichten; ... eine längere Erwerbsbiographie<br />
zu haben.“
THEMENKOMPLEX V<br />
56<br />
Handlungsebene Verbände und Organisationen des <strong>Handwerk</strong>s und seiner Beschäftigten:<br />
Verbände als Multiplikatoren der Vermittlung des Problems und Impulsgeber für<br />
notwendige Anpassungsmaßnahmen<br />
Mit seiner dichten, auch auf regionaler Ebene gegliederten institutionellen Struktur aus<br />
gewerkeübergreifend tätigen <strong>Handwerk</strong>skammern einerseits und fachlich ausgerichteten<br />
Innungen andererseits bietet <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> eigentlich sehr günstige Bedingungen dafür,<br />
<strong>die</strong> Problematik des <strong>demographische</strong>n Wandels und der daraus folgenden Anpassungserfordernisse<br />
bei der Arbeitskräfteversorgung und Arbeitsgestaltung in <strong>die</strong> Betriebe des<br />
<strong>Handwerk</strong>s zu tragen. Voraussetzung ist, <strong>das</strong>s innerhalb <strong>die</strong>ser Organisationen bereits<br />
eine Sensibilität für <strong>die</strong> Thematik besteht. Mit der Selbstverwaltungsstruktur im <strong>Handwerk</strong><br />
und der damit gegebenen Mitwirkung der Arbeitnehmerseite an der Arbeit der<br />
Selbstverwaltungsgremien sind darüber hinaus Potenziale für gemeinsame Initiativen<br />
der Unternehmerseite und der Beschäftigtenvertretungen gegeben, <strong>die</strong> ebenfalls zielorientiert<br />
genutzt werden könnten, um <strong>die</strong> Umsetzung entsprechender Anpassungsmaßnahmen<br />
voranzutreiben.<br />
THEMENKOMPLEX V<br />
Handlungsebene Verbände und Organisationen des <strong>Handwerk</strong>s und seiner<br />
Beschäftigten<br />
Verbände als Multiplikatoren der Vermittlung des Problems und Impulsgeber für notwendige<br />
Anpassungsmaßnahmen<br />
• Gibt es zwischen fachübergreifenden Organisationen des <strong>Handwerk</strong>s (Kammern)<br />
und fachlichen Organisationen (Innungen, Fachverbänden) unterschiedliche Stoßrichtungen<br />
und Ansatzpunkte für den Transfer des Problems „<strong>demographische</strong><br />
Entwicklung“?<br />
• Wie könnte eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den Organisationsebenen aussehen?<br />
• Wie wirkt sich <strong>die</strong> unterschiedliche regionale und gewerkespezifische Betroffenheit<br />
von demographisch bedingten Engpässen auf <strong>die</strong> Wahrnehmung des Problems<br />
und <strong>die</strong> Möglichkeiten, damit umzugehen, aus?<br />
• Welche Folgen ergeben sich aus der Doppelstruktur der Zuständigkeiten der Arbeitnehmerorganisationen<br />
für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> (DGB, Fachgewerkschaften) auf<br />
Schwerpunkte und Transfermöglichkeiten?<br />
• Werden gesetzgeberische und tarifpolitische Ansätze (z.B. Altersteilzeitgesetz,<br />
Weiterbildungstarifverträge) für <strong>die</strong> Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturbruchs<br />
bereits genutzt und wo liegen noch ungenutzte Potenziale?<br />
Die <strong>Handwerk</strong>skammern greifen, so erklärt ein Vertreter <strong>die</strong>ser Institution, <strong>das</strong> Thema<br />
Demographie derzeit von zwei Seiten auf: Zum einen sind <strong>die</strong> Kammern in Bezug auf<br />
<strong>das</strong> Problem der Nachwuchssicherung fachübergreifend durch Nachwuchswerbe- und
57<br />
Imagekampagnen aktiv. Zum anderen ist <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> durch <strong>die</strong> Alterung der Betriebsinhaber<br />
und <strong>das</strong> Problem der Nachfolgeregelung von der <strong>demographische</strong>n Entwicklung<br />
besonders betroffen. Hier stehe man mit Sensibilisierungsaktionen erst noch am<br />
Anfang. Für den Transfer in <strong>die</strong> handwerklichen Betriebe biete ein Forschungsvorhaben<br />
wie <strong>die</strong> „Öffentlichkeits- und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r Wandel“ gute Ansatzpunkte,<br />
um gemeinsam mit und unterstützt durch <strong>die</strong> Wissenschaft <strong>die</strong> Demographieproblematik<br />
in <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe zu tragen. Von den Angeboten <strong>die</strong>ses Projekts<br />
werde - beispielsweise von der Kammer München - durchaus Gebrauch gemacht.<br />
Ein in seiner Multiplikatorenwirkung für den Transfer sehr wichtiges Gremium seien<br />
<strong>die</strong> Vollversammlungen der Kammern, zumal auf <strong>die</strong>sem Wege auch <strong>die</strong> Fachorganisationen<br />
erreicht werden könnten, da dort i.d.R. auch viele Kreishandwerksmeister und<br />
Innungsobermeister vertreten seien.<br />
„Ich glaube, wenn wir uns in drei Jahren hier wieder träfen, könnten wir zumindest<br />
feststellen, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Sensibilität für <strong>die</strong>ses Thema deutlich angestiegen ist.“<br />
Allerdings, so ein kritischer Hinweis, verfolge man in der <strong>Handwerk</strong>sorganisation zwar<br />
seit vielen Jahren aktiv <strong>die</strong> <strong>demographische</strong> Entwicklung in Hinblick auf <strong>die</strong> Nachwuchsfrage,<br />
„... weil es da den Betrieben auf den Nägeln brennt, aber <strong>das</strong>, was sich eben so<br />
schleichend einstellt, <strong>das</strong>s eben <strong>die</strong> Altersstruktur in den Betrieben ganz anders<br />
wird, also immer mehr ältere Mitarbeiter da sind, da glaube ich, ist noch ein weites<br />
Feld, wo wir etwas rüberbringen müssen“.<br />
Angesichts der bereits diskutierten Notwendigkeit, gut vorqualifizierten und motivierten<br />
Jugendlichen im <strong>Handwerk</strong> Aufstiegschancen und Entwicklungsperspektiven zu bieten,<br />
sollten <strong>die</strong> fachlichen Organisationen nach Meinung eines Fachverbandsvertreters, einen<br />
Schwerpunkt darauf legen, für ihre Gewerke qualifikatorische Zwischenstufen zwischen<br />
Meistern und Gesellen zu schaffen, wie es z.B. im Kfz-Bereich bereits geschieht.<br />
Ebenso wichtig wären kreative Modelle, um Hochschulabsolventen oder auch Stu<strong>die</strong>nabbrechern<br />
sowohl technischer als auch betriebswirtschaftlicher Fachrichtungen einen<br />
alternativen Karriereweg im <strong>Handwerk</strong> zu eröffnen. Zudem müssten <strong>die</strong> Fachorganisationen<br />
darüber nachdenken, Ausbildungswege für solche Jugendlichen zu schaffen, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Qualifikationen für eine normale Ausbildung nicht mitbringen.<br />
Als ein für <strong>die</strong> Verbände und Tarifpartner weiteres wichtiges Tätigkeitsfeld wurde <strong>die</strong><br />
Einflussnahme bei der Formulierung gesetzgeberischer Vorgaben und Regelungen genannt.<br />
Das betreffe z.B. <strong>das</strong> Teilzeitgesetz, <strong>das</strong> Altersteilzeitgesetz, <strong>das</strong> Kündigungsschutzgesetz<br />
und <strong>die</strong> Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese Regelungen seien<br />
in ihrer derzeitigen Form nicht kleinbetriebsgerecht. Teilweise, so z.B. der Kündigungsschutz,<br />
würden sie kontraproduktiv auf <strong>die</strong> Beschäftigungschancen Älterer wirken oder,
58<br />
wie im Fall des Altersteilzeitgesetzes, angesichts der <strong>demographische</strong>n Entwicklung<br />
genau in <strong>die</strong> falsche Richtung zielen, indem <strong>die</strong> älteren Mitarbeiter zu früh in <strong>die</strong> Pensionierung<br />
geschickt würden.<br />
Über <strong>die</strong> von der <strong>Handwerk</strong>sorganisation vielfach beklagte, nicht handwerksgerechte<br />
Ausgestaltung gesetzgeberischer Regelungen entspann sich eine Kontroverse. Derartige<br />
öffentlichen Stellungnahmen der <strong>Handwerk</strong>sverbände trügen, so ein Vertreter der Arbeitnehmerseite,<br />
dazu bei, <strong>das</strong> negative Image des <strong>Handwerk</strong>s zu verfestigen, wie bei<br />
der Debatte um <strong>das</strong> Betriebsverfassungsgesetz:<br />
„Die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes bringt riesige Probleme, im<br />
<strong>Handwerk</strong> bricht alles zusammen. Ich möchte nicht, <strong>das</strong>s junge Leute <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />
sehen als einen Bereich, der zusammenstürzt, sondern ich möchte sehen,<br />
<strong>das</strong>s da Perspektiven sind. Im übrigen ist aufzuräumen mit der Mär, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Betriebsverfassungsgesetz<br />
<strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sbetriebe in den Ruin stürzt. Also erst mal<br />
ändert sich am Betriebsverfassungsgesetz gar nichts. Ab fünf darf schon heute<br />
gewählt werden, darf auch zukünftig gewählt werden. Durch <strong>das</strong> neue Betriebsverfassungsgesetz<br />
gibt es keinen Betriebsrat mehr. Zweitens <strong>die</strong> Kosten, <strong>die</strong> entstehen,<br />
<strong>die</strong> entstehen bei Betrieben ab 200 Arbeitnehmern ... ich nehme mal an,<br />
<strong>das</strong>s der Anteil der Betriebe über 200 Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong> wahrscheinlich<br />
bei weit unter 0,5 % liegt. ... Was übrig bleibt, ist, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> wieder<br />
einmal als Looser einer Reform dargestellt wird, statt zu sagen, auch im <strong>Handwerk</strong><br />
haben wir gute Chancen, Arbeitnehmer, ihr seid herzlich willkommen, auch<br />
hier gibt es Mitbestimmungsmöglichkeiten wie in jedem Industriebetrieb, ihr seid<br />
keine Arbeitnehmer zweiter Klasse, <strong>das</strong> wäre genau <strong>die</strong> Botschaft, <strong>die</strong> <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />
vermitteln muss. ... So, wenn wir <strong>das</strong> hinkriegen, dann brauchen wir auch<br />
den älteren Arbeitnehmern nicht zu sagen, sucht euch irgendwo einen anderen<br />
Job, da bleiben sie im <strong>Handwerk</strong>, da sind attraktive Arbeitsbedingungen. ... Wir<br />
können Tarifverträge sicherlich so gestalten, <strong>das</strong>s man den Übergang für ältere<br />
Arbeitnehmer ins Ausscheiden aus dem Arbeitsleben günstig gestaltet.“<br />
Nicht „Jammern“, sondern <strong>die</strong> kreative tarifpolitische Gestaltung gesetzlicher Regelungen<br />
im <strong>Handwerk</strong> sei <strong>das</strong> Gebot der Stunde.<br />
Einig waren sich <strong>die</strong> Diskutanten darüber, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> derzeit dominierende Nutzungsform<br />
der Altersteilzeit, <strong>das</strong> Blockmodell, den eigentlich sinnvollen und wegen der <strong>demographische</strong>n<br />
Entwicklung gebotenen Intentionen des Gesetzes – nämlich dem gleitenden<br />
Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand und dem allmählichen betrieblichen Erfahrungstransfer<br />
von den Älteren zu den Jüngeren – zuwiderläuft. Kritik am Altersteilzeitgesetz<br />
wurde insofern geübt, als es „mal wieder Industrie und <strong>Handwerk</strong> über einen<br />
Leisten schlägt“. So sei im <strong>Handwerk</strong> Teilzeitarbeit schwerer in den Betriebsablauf zu<br />
integrieren, zumal bei kundenorientierter Dienstleistung der Mitarbeiter stets als Ansprechpartner<br />
für den Kunden zur Verfügung stehen müsse. Dem wurde entgegengehalten,<br />
<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Altersteilzeitgesetz nicht nur Halbtagsarbeit bedeute, sondern ein breites<br />
Spektrum von Arbeitszeitformen – von der tageweisen über <strong>die</strong> wöchentliche und
59<br />
monatliche Bündelung der Freizeit – zulasse, <strong>die</strong> sowohl den Interessen des Betriebs als<br />
auch den Bedürfnissen der älteren Arbeitnehmer entgegen kämen. Das Altersteilzeitgesetz<br />
eigne sich für <strong>die</strong> Tarifpartner, gemeinsam nach Modellen zu suchen, <strong>die</strong> den spezifischen<br />
Anforderungen des <strong>Handwerk</strong>s entsprächen. Allerdings zeigte sich auch, <strong>das</strong>s<br />
hier noch erheblicher Beratungsbedarf besteht. Insofern wäre <strong>die</strong> Entwicklung handwerksgerechter<br />
betrieblicher Lösungen der Altersteilzeit ein Aufgabenfeld für <strong>die</strong> Betriebsberatung.<br />
Die Chancen für gemeinsame Initiativen der Sozialpartner, <strong>das</strong> „schließlich <strong>das</strong> gesamte<br />
<strong>Handwerk</strong> fordernde“ Thema Demographie in <strong>die</strong> Breite zu tragen und Lösungen voranzutreiben,<br />
wurden vor allem auf Kammerebene gesehen, in den Vorständen und Vollversammlungen,<br />
wo Arbeitnehmer und Arbeitgeber an einem Tisch sitzen. Hier sei in<br />
einzelnen Kammern <strong>die</strong> Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite<br />
sehr gut. Schwieriger wurden <strong>die</strong> Möglichkeiten eingeschätzt, zu - zwischen den Spitzenorganisationen<br />
des <strong>Handwerk</strong>s und den Gewerkschaften gemeinsam getragenen -<br />
Positionen und evtl. auch gesetzgeberischen Vorstößen zu gelangen. Wobei hier von<br />
den Arbeitnehmervertretern darauf verwiesen wurde, daß in den entsprechenden Arbeitskreisen<br />
der <strong>Handwerk</strong>sorganisation auf Landes- und Bundesebene, in denen solche<br />
Themen zu behandeln seien, <strong>die</strong> Arbeitnehmerseite nicht vertreten sei. Daher behandle<br />
<strong>die</strong> Arbeitnehmerseite <strong>die</strong>ses Thema in ihren eigenen Arbeitskreisen, was <strong>die</strong> Chancen<br />
im Sinne einer Durchsetzung handwerksgerechter Regelungen nicht erhöhe: „Wir sind<br />
dann zweigleisig gefahren und nicht eingleisig, und <strong>das</strong> war auch ein Nachteil“.<br />
THEMENKOMPLEX VI<br />
Handlungsebene <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n:<br />
Meist noch geringer Problemdruck und doch schon hoher Handlungsbedarf – wie<br />
„verkauft“ man den <strong>demographische</strong>n Umbruch?<br />
Das <strong>Handwerk</strong> verfügt in Deutschland über eine eigene, sehr vielfältige Presselandschaft.<br />
Die handwerkseigenen Me<strong>die</strong>n könnten daher als wichtiger Multiplikator für den<br />
<strong>demographische</strong>n Umbruch sensibilisieren, indem sie <strong>die</strong> Thematik in <strong>die</strong> Betriebe des<br />
<strong>Handwerk</strong>s, an <strong>die</strong> Betriebsinhaber und Beschäftigten, transferieren. Dabei sind auch sie<br />
mit der spezifischen Vermittlungsproblematik des Themas Demographie konfrontiert:<br />
der Tatsache, <strong>das</strong>s der <strong>demographische</strong> Wandel einerseits ein sehr langfristiger und<br />
schleichender Prozess ist, zu dessen Bewältigung aber andererseits bereits heute wichtige<br />
Weichenstellungen – wie z.B. hinsichtlich der Nachwuchsrekrutierung und der Implementation<br />
einer Praxis lebenslangen Lernens in den Betrieben – erfolgen müssen.<br />
Zudem ist der <strong>demographische</strong> Wandel ein äußerst komplexes und facettenreiches<br />
Thema, <strong>das</strong> viele Bereiche des betrieblichen Geschehens tangiert. Gerade weil der <strong>demographische</strong><br />
Wandel ein langfristiges Thema darstellt, dessen Bezug zu aktuellen, den
60<br />
jeweiligen <strong>Handwerk</strong>sbetrieb berührenden Problemen nicht in jedem Fall eindeutig und<br />
für <strong>die</strong> Betroffenen transparent ist, stehen <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n vor der schwierigen Aufgabe, <strong>das</strong><br />
Thema trotz nicht offensichtlicher Aktualität dauerhaft „am Köcheln“ zu halten.<br />
THEMENKOMPLEX VI<br />
Handlungsebene <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n<br />
Meist noch geringer Problemdruck und doch schon hoher Handlungsbedarf – wie<br />
„verkauft“ man den <strong>demographische</strong>n Umbruch?<br />
• Welche Zielgruppen erreicht <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>spresse?<br />
• Was macht ein Thema „attraktiv“?<br />
• Wo liegen <strong>die</strong> Schwierigkeiten, wo lägen Ansatzpunkte, <strong>das</strong> Thema „Demographische<br />
Entwicklung und Herausforderungen für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>“ erfolgreich zu platzieren?<br />
• Wo gibt es Defizite, wo Verbesserungsmöglichkeiten bei der künftigen Darstellung<br />
und Vermittlung des Demographiethemas durch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n?<br />
• Welche Me<strong>die</strong>n (Printme<strong>die</strong>n, Rundfunk, TV, CD) bieten sich an?<br />
• Welche Darstellungsformen (Praxisbeispiele, Handlungshilfen wie Checklisten,<br />
Leitfäden) sind geeignet?<br />
• Welche Hilfestellung und Beiträge können Forschungsprogramme wie der Demographieverbund<br />
leisten?<br />
• Wäre eine „Demographiekampagne“ denkbar und wer sollte sich ggf. daran beteiligen?<br />
Zunächst wurden von den anwesenden Vertretern der <strong>Handwerk</strong>spresse <strong>das</strong> Spektrum<br />
und <strong>die</strong> Zielgruppen der <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n erläutert: Die <strong>Handwerk</strong>spresse in<br />
Deutschland ist so inhomogen wie <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> selbst. Im wesentlichen gibt es zum<br />
einen <strong>die</strong> branchenübergreifenden Organe, <strong>die</strong> von den <strong>Handwerk</strong>skammern herausgegeben<br />
werden. Hier sind zwei größere Zeitschriften zu nennen: <strong>das</strong> „Deutsche <strong>Handwerk</strong>sblatt“<br />
und <strong>die</strong> „Deutsche <strong>Handwerk</strong>szeitung". Zum anderen gibt es <strong>die</strong> fachspezifischen<br />
Organe, <strong>die</strong> zugleich Mitteilungsorgane der Landesfachverbände bzw. der Bundesfachverbände<br />
sind. Da <strong>die</strong> Bindung zwischen <strong>Handwerk</strong>sorganisationen und fachübergreifender<br />
und fachspezifischer <strong>Handwerk</strong>spresse sehr eng ist, kann davon ausgegangen<br />
werden, <strong>das</strong>s Kampagnen, <strong>die</strong> von den Kammern getragen werden, in <strong>die</strong>sen<br />
Me<strong>die</strong>n ihren Niederschlag finden. Das gilt auch für potenzielle Initiativen der Kammern<br />
und Fachverbände zum Thema Demographie. Daneben gibt es natürlich für <strong>die</strong><br />
unabhängigen Redaktionen <strong>die</strong>ser Zeitschriften <strong>die</strong> Möglichkeit, von sich aus Themen<br />
wie Demographie in <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n zu tragen.<br />
Neben der <strong>Handwerk</strong>spresse gibt es noch andere <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> zunehmend<br />
online gehen, so <strong>die</strong> zentrale Informationsseite des Zentralverband des Deutschen
61<br />
<strong>Handwerk</strong>s www.handwerk.de oder www.handwerk-info.de. Außerdem verfügen verschiedene<br />
Gewerke auch über Kundenzeitschriften.<br />
Zielgruppe der fachübergreifenden <strong>Handwerk</strong>spresse seien, so erklärten <strong>die</strong> beteiligten<br />
Fachleute einhellig, in erster Linie <strong>die</strong> Betriebsinhaber. Die Beschäftigten dagegen erreiche<br />
man nur in geringem Umfang, außer vielleicht <strong>die</strong> mitarbeitende Ehefrau und den<br />
ein oder anderen leitenden Mitarbeiter. Dies läge einerseits daran, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Zeitschriften<br />
von den Inhabern nicht weitergereicht würden, andererseits aber auch daran, <strong>das</strong>s <strong>die</strong>se,<br />
selbst wenn sie zugänglich seien, von den Mitarbeitern nicht gelesen würden. Bei den<br />
fachlichen Organen sehe es insofern etwas anders aus, als <strong>die</strong>se auch öfters <strong>die</strong> praktische<br />
Arbeit betreffende Aufsätze enthielten, <strong>die</strong> deshalb eher an <strong>die</strong> Mitarbeiter weitergegeben<br />
werden und Teil der innerbetrieblichen Weiterbildung darstellen. Aber auch<br />
hier sei der Zielerreichungsgrad bei den Beschäftigten nicht sehr hoch. Über <strong>die</strong> Nutzerstruktur<br />
der handwerklichen Onlineme<strong>die</strong>n lagen keine Informationen vor, u.a. weil<br />
<strong>die</strong>se erst seit kurzer Zeit im Netz stehen.<br />
Publikationsme<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> sich ebenfalls potenziell mit dem Thema Demographie befassen<br />
könnten und auch bereits befassen – z.B. unter dem Aspekt der persönlichen Gesundheitsförderung<br />
-, sind <strong>die</strong> Versichertenzeitschriften der Innungskrankenkassen, <strong>die</strong><br />
sich direkt an <strong>die</strong> Mitarbeiter wenden.<br />
Für <strong>die</strong> Attraktivität eines Themas in der <strong>Handwerk</strong>spresse – und damit auch für <strong>die</strong><br />
Vermittlung des Themas Demographie - gelten folgende Kriterien:<br />
Erstens brauche jedes Thema einen praktischen Aufhänger.<br />
„Wir müssen alles, was wir transportieren wollen anhand von Beispielen transportieren:<br />
Der Schreinermeister A hat <strong>das</strong> und <strong>das</strong> Problem, er löst es durch <strong>die</strong><br />
Wege A, B und C, und <strong>das</strong> Fazit ist D.“<br />
Gefragt seien Best-practice-Beispiele, <strong>die</strong> dem <strong>Handwerk</strong>er zeigen, wie man sich durch<br />
Personalentwicklung, Mitarbeiterführung oder Mitarbeiterbeteiligung trotz allgemeinen<br />
Nachwuchsmangels qualifizierte Fachkräfte sichern kann, quasi ein Ideenpool.<br />
Ein zweites Kriterium ist <strong>die</strong> Betroffenheit:<br />
„Es muss ein Thema sein, <strong>das</strong>s ihn berührt, z.B. Betriebsübergabe, Nachfolgeregelung,<br />
Existenzgründung, der ältere Mensch als Kunde ... Dem <strong>Handwerk</strong>er kann<br />
man <strong>das</strong> Thema Demographie nicht plausibel machen, indem man <strong>das</strong> Wort Demographie<br />
oder <strong>demographische</strong>r Umbruch verwendet, sondern indem man <strong>das</strong><br />
verbindet mit dem Thema Nachwuchssorgen oder auch Fachkräftemangel, <strong>das</strong> ist<br />
ihm viel näher.“
62<br />
Als hilfreich habe sich auch erwiesen, an spezifische, aktuelle Branchenprobleme anzuknüpfen,<br />
z.B. im Kfz-Gewerbe <strong>die</strong> anstehende Zusammenlegung oder Schließung von<br />
an sich florierenden Betrieben im Zuge der Bereinigung der Händlernetze, wodurch <strong>das</strong><br />
Problem der Sicherung von Arbeitsplätzen und des Beschäftigungsschutzes für ältere<br />
Arbeitnehmer aufgekommen war. Hier müsste man den Schluss vermitteln, <strong>das</strong>s <strong>die</strong><br />
konkreten Lösungsmöglichkeiten des Problems auch durch <strong>die</strong> <strong>demographische</strong>n Rahmenbedingungen<br />
konditioniert sind.<br />
Anknüpfend an <strong>die</strong> vorausgegangene Diskussion über <strong>das</strong> Image des <strong>Handwerk</strong>s wurde<br />
angemahnt, bei der Vermittlung des Themas Demographie darauf zu achten, „<strong>das</strong>s <strong>die</strong>s<br />
nicht wieder so ein Thema wird, bei dem <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> jammert oder irgendein Problem<br />
hat, dann schalten – außer der <strong>Handwerk</strong>spresse – alle anderen Me<strong>die</strong>n auf Durchzug“.<br />
Wichtig sei, <strong>das</strong> Thema mit „trendigen“ Zukunftsthesen zu versehen oder anhand<br />
zukunftsweisender betrieblicher Lösungsbeispiele zu verkaufen, nach dem Motto: <strong>das</strong><br />
<strong>Handwerk</strong> als Vorreiter bei der präventiven Einstellung auf den <strong>demographische</strong>n Umbruch.<br />
Wie schon erwähnt, erreichen <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n zwar <strong>die</strong> Betriebsinhaber, jedoch<br />
nicht oder nur in geringem Umfang <strong>die</strong> Mitarbeiter. Angesichts der Notwendigkeit,<br />
auch bei den Beschäftigten im <strong>Handwerk</strong> Sensibilität für <strong>die</strong> Thematik Demographie<br />
und <strong>die</strong> daraus erwachsenden individuellen Herausforderungen – lebenslanges Lernen,<br />
individuelle Gesundheitsvorsorge etc. – zu wecken, wurden Möglichkeiten diskutiert,<br />
verstärkt auch <strong>die</strong>se Zielgruppe zu erreichen. Aus dem Kfz-Gewerbe wurde von dem<br />
erfolgreichen Versuch des Fachverbands berichtet, <strong>die</strong> Mitarbeiter der Betriebe durch<br />
eine Wandzeitung anzusprechen, <strong>die</strong> an <strong>das</strong> schwarze Brett gehängt wird. Mit Preisausschreiben<br />
und sehr kurz gefassten Informationen habe man eine ganz gute Resonanz<br />
bekommen. Generell herrschte aber Skepsis, ein so komplexes Thema wie Demographie<br />
auf <strong>die</strong>sem Wege der Zielgruppe der Mitarbeiter näher bringen zu können.<br />
„Also man muss <strong>das</strong> ganz nüchtern sehen: Im Betrieb liegen ganze Stapel von Publikationen<br />
aus, <strong>die</strong> werden nicht mal durchgeblättert, <strong>die</strong> Pause ist kurz, abends<br />
hat man eigene Hobbys und auch keine Zeit, noch mal in <strong>die</strong> Zeitung zu schauen<br />
... <strong>das</strong> ist leider so.“<br />
Der einzig mögliche Weg wurde in der direkten Ansprache gesehen: Ausgehend von<br />
den Kammern müsse man <strong>das</strong> Thema über <strong>die</strong> Innungen in <strong>die</strong> Gesellenausschüsse<br />
transportieren.<br />
Auch seitens der Gewerkschaft versucht man inzwischen mittels branchenspezifischer<br />
Informationsbroschüren, <strong>die</strong> vierteljährlich erscheinen, <strong>die</strong> Mitglieder in den Betrieben<br />
direkt zu erreichen. Aber auch hier wurde der Weg über <strong>die</strong> Printme<strong>die</strong>n eher skeptisch<br />
eingeschätzt: Man könne durch Me<strong>die</strong>n <strong>das</strong> Thema „nur anreißen, versuchen zu sensi-
63<br />
bilisieren, aufzeigen, da kommt ein Problem auf euch zu". Wenn es aber um <strong>die</strong> konkreten<br />
Folgerungen geht, sieht man nur den Weg über <strong>die</strong> Betriebsräte. Transferkanäle<br />
könnten <strong>die</strong> Arbeitnehmer-Vizepräsidenten der Kammern oder auch Publikationsorgane<br />
des DGB sein, <strong>die</strong> sich an <strong>die</strong> Arbeitnehmervertreter in den Selbstverwaltungsorganen<br />
des <strong>Handwerk</strong>s richten. Auch in den Handlungshilfen, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Arbeitnehmervertreter<br />
erstellt werden, z.B. zum Thema betriebliche Weiterbildung, ließe sich gut <strong>das</strong> Thema<br />
„Demographie“ unterbringen. Kritisch wurde angemerkt, <strong>das</strong>s allerdings auch bei Betriebsräten<br />
<strong>das</strong> Problembewusstsein bezüglich der Thematik alternde Belegschaften und<br />
<strong>demographische</strong>r Umbruch noch nicht sehr ausgeprägt sei und noch geweckt werden<br />
müsse. In <strong>die</strong>se Richtung sei man zunehmend aktiv, z.B. durch <strong>die</strong> Präsentation des<br />
Themas auf Schulungen und Tagungen im Rahmen der Gewerkschaftsarbeit.<br />
Als ein wichtiger potenzieller Multiplikator wurde der Verein der <strong>Handwerk</strong>sjournalisten<br />
genannt, der jährliche Weiterbildungsmaßnahmen für seine Mitglieder durchführt.<br />
In <strong>die</strong>sem Forum könnten <strong>die</strong> Ergebnisse des Forschungsschwerpunkts Demographie<br />
präsentiert werden. Insgesamt wurde für <strong>die</strong> anstehende Sensibilisierungsarbeit im<br />
<strong>Handwerk</strong> ein stärkerer Austausch zwischen <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n und Wissenschaft für<br />
notwendig erachtet. Die Wissenschaft verfügt über Daten und Analysen sowie - im<br />
Rahmen ihrer betrieblichen Empirie und Umsetzungsarbeit – über Betriebskontakte und<br />
Praxisbeispiele. Die <strong>Handwerk</strong>spresse hat <strong>das</strong> Know-how, <strong>das</strong> Material in ihren Organen<br />
zielgruppengerecht aufzubereiten.<br />
Dieses Fachgespräch sollte auch zur Knüpfung eines Netzwerks von Kontakten für den<br />
anstehenden Transfer des Themas Demographie in <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> und seine Betriebe<br />
genutzt werden.<br />
Die von Ernst Kistler vorgetragenen Thesen sind unter www.demotrans.de in ausführlicher<br />
Form dargestellt.<br />
6. Resümee<br />
Die Sensibilisierung des <strong>Handwerk</strong>s und seiner Organisationen für <strong>die</strong> Probleme und<br />
Herausforderungen des <strong>demographische</strong>n Umbruchs steht noch am Anfang. Zwar wird<br />
<strong>das</strong> Thema Demographie, wie <strong>das</strong> Fachgespräch zeigte, zunehmend von der <strong>Handwerk</strong>sorganisation<br />
aufgegriffen, bis zu seiner Diffusion auch auf <strong>die</strong> unteren, regionalen<br />
Ebenen der <strong>Handwerk</strong>sorganisation, der Kreishandwerkerschaften und Innungen, ist<br />
jedoch noch ein weiter Weg. Im Vordergrund der Wahrnehmung des Demographieproblems<br />
steht derzeit im <strong>Handwerk</strong> noch der – regional und zwischen den Gewerken allerdings<br />
unterschiedlich ausgeprägte – akute Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Rah-
64<br />
menbedingung, innerhalb derer sich <strong>die</strong> Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturbruchs<br />
im <strong>Handwerk</strong> bewegen muss, ist einerseits <strong>die</strong> Notwendigkeit einer Verbesserung<br />
des Images der <strong>Handwerk</strong>sberufe. Andererseits <strong>die</strong>, durch Veränderungen im Bildungssystem<br />
und -verhalten bedingte veränderte Zusammensetzung der Schulabgänger,<br />
aus denen sich heute <strong>die</strong> Auszubildenden im <strong>Handwerk</strong> rekrutieren. Eine Tatsache, <strong>die</strong><br />
zudem <strong>die</strong> handwerkliche Ausbildung vor große Herausforderungen stellt. Hinzukommt<br />
<strong>die</strong> nach wie vor massive Abwanderung ausgebildeter Fachkräfte aus dem <strong>Handwerk</strong>.<br />
Der hier diskutierte notwendige Paradigmenwechsel im handwerklichen Ausbildungsverhalten<br />
stellt nicht nur ein Problem von hoher arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Brisanz<br />
dar, sondern und ist zugleich auch ein Transferproblem.<br />
Sensibilisierungsarbeit ist auch hinsichtlich der zu erwartenden Alterung der Belegschaften<br />
mit all ihren Folgen für <strong>die</strong> betriebliche Arbeitsgestaltung zu leisten – gerade<br />
im bisher von eher jungen Mitarbeitern „verwöhnten“ <strong>Handwerk</strong>. Auch wenn <strong>das</strong> Fachgespräch<br />
Hinweise darauf gibt, <strong>das</strong>s sich <strong>die</strong> Situation älterer Beschäftigter im <strong>Handwerk</strong><br />
durchaus anders als in der Industrie darstellt, müssen <strong>die</strong> Notwendigkeit eines<br />
Denkens in Kategorien längerfristiger Personalentwicklung und <strong>die</strong> Etablierung einer<br />
Kultur des lebenslangen Lernens noch verstärkt in <strong>die</strong> Betriebe hineingetragen werden.<br />
Entscheidend für den Erfolg der Umsetzungskonzepte ist, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> entwickelten Lösungen<br />
<strong>die</strong> innere Heterogenität des <strong>Handwerk</strong>s und seine unterschiedlichen Betriebsgrößen<br />
berücksichtigen. Deutlich wurde auch, <strong>das</strong>s in der Entwicklung handwerksgerechter<br />
Lösungen ein zukunftsträchtiges innovatives Handlungsfeld für <strong>die</strong> Tarifparteien im<br />
<strong>Handwerk</strong> liegt. Die Ausarbeitung entsprechender Konzepte und der Aufbau der notwendigen<br />
Kompetenzen z.B. bei den handwerklichen Weiterbildungsanbietern und der<br />
Betriebsberatung sind zwar in Gang gekommen, stehen aber noch am Anfang. Auch <strong>das</strong><br />
Problembewusstsein der Arbeitnehmervertretungen in den Betrieben und in den Selbstverwaltungsorganen<br />
des <strong>Handwerk</strong>s, denen beim Transport des Themas und insbesondere<br />
bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen eine wichtige Promotorenrolle<br />
zukommt, muss noch geweckt werden.<br />
Nicht zuletzt sind für <strong>die</strong> Vermittlung des komplexen und facettenreichen Problemfelds<br />
<strong>demographische</strong>r Wandel auch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n gefragt, wobei <strong>das</strong> Fachgespräch<br />
zeigte, <strong>das</strong>s <strong>die</strong> Aufbereitung des Problems im <strong>Handwerk</strong> sehr zielgruppenspezifischen<br />
Anforderungen gerecht werden muss. Der Kooperation von Wissenschaft, <strong>Handwerk</strong>sorganisation<br />
und <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n kommt in <strong>die</strong>sem Transferprozess eine besondere<br />
Bedeutung zu. Der gegenseitige Gedankenaustausch sowie der Aufbau von Kontakten<br />
und eines Netzwerks, wie sie in <strong>die</strong>sem Fachgespräch praktiziert wurden, sollten einen<br />
ersten Schritt in <strong>die</strong>se Richtung darstellen.
Anlagen<br />
Teilnehmerliste<br />
Fragenkatalog
TEILNEHMERKREIS TEILNEHMERKREIS<br />
Rudolf Baier Stellvertretender Vorsitzender der Journalisten-<br />
Vereinigung der Deutschen <strong>Handwerk</strong>spresse<br />
e.V., München<br />
Hartmut Buck Koordination des Verbundprojekts „Öffentlichkeits-<br />
und Marketingstrategie <strong>demographische</strong>r<br />
Wandel“, Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft<br />
und Organisation, Stuttgart<br />
Hans-Josef Claessen Vizepräsident (Arbeitnehmer) der <strong>Handwerk</strong>skammer<br />
Düsseldorf; Düsseldorf<br />
Udo Diefenbach Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen<br />
Dachdeckerhandwerks, Abteilung Berufsbildung,<br />
Köln<br />
Angelika Feldmann Innungskrankenkasse Bayern, München<br />
Dr. Hubert Fexer Hauptgeschäftsführer des Landesinnungsverbandes<br />
des Bayerischen Kraftfahrzeughandwerks,<br />
München<br />
Dipl.-Pol. Siegfried Heinrich Referatsleiter Gesundheitsförderung beim Bundesverband<br />
der Innungskrankenkassen, Bergisch<br />
Gladbach<br />
Helmut Hennecke IG Metall Vorstandsverwaltung, Abteilungsleiter<br />
für den Bereich <strong>Handwerk</strong>, Frankfurt/Main<br />
Dr. Ernst Kistler inifes, Projekt „Sensibilisierung und Aktivierung<br />
für <strong>die</strong> Probleme älterer Erwerbspersonen in der<br />
Region“, Stadtbergen<br />
Manfred Klöpfer Referatsleiter Bildung beim<br />
SHK Bayern, München<br />
Landesverband<br />
Michael Kölbl Inhaber Firma Auto Kölbl, Obermeister, Landesbeauftragter<br />
beim Bayer. Landesverbands für<br />
Kfz-Gewerbe für Öffentlichkeitsarbeit, Unterschleißheim<br />
Franz Kugler Vizepräsident (Arbeitnehmer) der <strong>Handwerk</strong>skammer<br />
für Schwaben, Augsburg<br />
Bernd Lenze Hauptgeschäftsführer der <strong>Handwerk</strong>skammer für<br />
München und Oberbayern, München<br />
Dr. Hans Gerhard Mendius Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
e.V. – ISF München<br />
Martina Neumeyr Pressereferentin der Innungskrankenkassen Bayern,<br />
München<br />
Dipl.-Ing. Hermann Röder Geschäftsführer der Zentralstelle für Weiterbildung<br />
im <strong>Handwerk</strong> (ZWH e.V.), Düsseldorf<br />
Michael Santak Redakteur bei der Deutschen <strong>Handwerk</strong>s Zeitung,<br />
Bad Wörishofen<br />
Eberhard Schmidt Geschäftsführer beim Landesverband mechanischer<br />
Metallhandwerke Bayern, Abteilung Betriebsberatung,<br />
München<br />
Dipl.-Soz. Petra Schütt Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
e.V. – ISF München<br />
Dr. Lothar Semper Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der <strong>Handwerk</strong>skammer<br />
für München und Oberbayern,<br />
München<br />
Harald Siebert Stellvertretender Chefredakteur beim Deutschen<br />
<strong>Handwerk</strong>sblatt, Düsseldorf<br />
Ass. Birgit Weber Fachhochschule Niederrhein, Projekt „Laufbahngestaltung<br />
in Kleinbetrieben“, Mönchengladbach<br />
Dr. Stefanie Weimer Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung<br />
e.V. – ISF München<br />
Dr. Bernd Zschenderlein Stellvertretender Leiter des Arbeitsmedizinischen<br />
Dienstes der Württembergischen Bau-BG,<br />
Böblingen
10.30 Uhr BEGRÜSSUNG DURCH DAS ISF-FORSCHUNGSTEAM<br />
Einführungsreferat<br />
„Der <strong>demographische</strong> Umbruch – Auswirkungen und Herausforderungen<br />
für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>“ (Dr. Hans Gerhard Mendius, ISF München)<br />
11.00 Uhr 1. BEFRAGUNGSRUNDE<br />
Bestandsaufnahme<br />
Ist <strong>das</strong> Thema „Demographischer Wandel“ im <strong>Handwerk</strong> bereits angekommen?<br />
THEMENBLOCK I � Diskussion<br />
THEMENBLOCK II ���� Diskussion<br />
13.15 Uhr Mittagspause<br />
THEMENBLOCK III ���� Diskussion<br />
13.45 Uhr 2. BEFRAGUNGSRUNDE<br />
15.45 Uhr Kaffeepause<br />
THEMENBLOCK IV ���� Diskussion<br />
THEMENBLOCK V � Diskussion<br />
THEMENBLOCK VI � Diskussion<br />
16.00 Uhr Abschlussrunde und -diskussion<br />
Einführende Bemerkungen<br />
„Sensibilisierung für <strong>die</strong> Demographieproblematik – Was läßt sich aus<br />
Erfahrungen außerhalb des <strong>Handwerk</strong>s lernen?“(Dr. Ernst Kistler, INIFES)<br />
Resümee und Schlußwort des Veranstalters<br />
16.30 Uhr Ende der Veranstaltung<br />
Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V.<br />
VERANSTALTUNGSPROGRAMM<br />
FACHGESPRÄCH<br />
VERSCHLÄFT DAS HANDWERK<br />
DIE DEMOGRAPHISCHE HERAUSFORDERUNG?<br />
Ansatzpunkte für eine zielgruppenorientierte Vermittlung<br />
des Problemfelds „<strong>demographische</strong> Entwicklung“ in <strong>das</strong><br />
<strong>Handwerk</strong> und seine Institutionen
THEMENKOMPLEX I<br />
HANDLUNGSEBENE UNTERNEHMEN<br />
Zwischen Nachwuchsproblemen und älter werdenden Belegschaften<br />
� Arbeitskräfteversorgung<br />
• Wonach richtet sich <strong>die</strong> Zahl der Ausbildungsplätze derzeit und in Zukunft?<br />
• Woran orientiert sich <strong>die</strong> Übernahme bzw. Nichtübernahme von Auszubildenden?<br />
• Wie wird sich <strong>die</strong> Abwanderung aus dem <strong>Handwerk</strong> voraussichtlich entwickeln?<br />
• Welche Maßnahmen sind zur Gewinnung und Bindung qualifizierter Arbeitskräfte für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong><br />
notwendig?<br />
• Welche Potentiale bietet <strong>die</strong> Mobilisierung zusätzlicher Arbeitsmarktreserven (z.B. Frauen, Ausländer,<br />
Arbeitslose)?<br />
� Arbeiten mit älteren Belegschaften<br />
• Welche Spielräume und Ansatzpunkte sehen Sie für ...<br />
� eine Verringerung von Arbeitsbelastungen und Gesundheitsgefährdungen zur Vermeidung von vorzeitigem<br />
Gesundheitsverschleiß?<br />
� <strong>die</strong> Schaffung von Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten in der Arbeitstätigkeit für alle Beschäftigten?<br />
� den gleichberechtigten Einbezug auch Älterer in formale Weiterbildungsmaßnahmen?<br />
� eine betriebliche Laufbahngestaltung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Beschäftigung Älterer und den Verbleib qualifizierter<br />
Mitarbeiter fördert?<br />
� Maßnahmen zur Sicherung und zum Transfer des betrieblichen Erfahrungswissens (z. B. durch Förderung<br />
altersgemischter Arbeitsgruppen)?<br />
• Lassen sich Innovationsbereitschaft und Flexibilität des Unternehmens auch mit älteren Belegschaften<br />
sichern?<br />
THEMENKOMPLEX II<br />
HANDLUNGSEBENE WEITERBILDUNGSANBIETER<br />
Von der Konzentration auf <strong>die</strong> Qualifizierung Jüngerer zur stärkeren Berücksichtigung älterer<br />
Arbeitnehmer?<br />
• Zielgruppe der Älteren einstellen?<br />
• Welche Jugendzentriertes Weiterbildungsverhalten der Unternehmen, geringe Weiterbildungsbereitschaft<br />
älterer Beschäftigter – gilt <strong>das</strong> auch für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>?<br />
• Was können <strong>die</strong> Anbieter von Weiterbildung tun, um <strong>die</strong> Zielgruppe der älteren Beschäftigten zu erreichen?<br />
• Welche Anforderungen sind an Weiterqualifizierungsangebote für Ältere zu stellen?<br />
• Sind spezielle, neue Angebotsformen und Qualifizierungskonzepte erforderlich?<br />
• Wie können sich <strong>die</strong> Weiterbildungseinrichtungen des <strong>Handwerk</strong>s organisatorisch und methodischdidaktisch<br />
auf <strong>die</strong> Rolle können Tarifpolitik oder gesetzgeberische Initiativen zur Förderung der Weiterbildung<br />
im <strong>Handwerk</strong> und speziell zur stärkeren Berücksichtigung Älterer spielen?<br />
• Was können <strong>die</strong> Arbeitnehmervertretungen (Betriebsräte und Mitglieder in den Selbstverwaltungsorganen<br />
des <strong>Handwerk</strong>s) dazu beitragen?
THEMENKOMPLEX III<br />
HANDLUNGSEBENE BETRIEBSBERATUNG<br />
Statt kurzfristiger Problemlösungen Einstieg in eine gezielte Personalentwicklung – ein Beitrag der<br />
Betriebsberatung zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturwandels?<br />
• Welche Struktur hat <strong>die</strong> Betriebsberatung im <strong>Handwerk</strong> gegenwärtig (Inanspruchnahme, inhaltliche<br />
Schwerpunkte)?<br />
• Was kann Betriebsberatung zur Sensibilisierung der Unternehmen für <strong>die</strong> Demographieproblematik<br />
beitragen?<br />
• Erfahrungen aus einem regionalen Ansatz zum Aufbau von Personalentwicklungskompetenz im <strong>Handwerk</strong>:<br />
<strong>das</strong> Teilprojekt der FH-Niederrhein.<br />
• Wo liegen <strong>die</strong> Barrieren und Probleme einer Integration von langfristigen Personalentwicklungskonzepten<br />
in bisherige Beratungsangebote des <strong>Handwerk</strong>s:<br />
� auf seiten der Unternehmen,<br />
� bei der Beratungskapazität,<br />
� hinsichtlich der Übertragbarkeit vorhandener Konzepte zur alternsgerechten Personalentwicklung auf <strong>das</strong><br />
<strong>Handwerk</strong>?<br />
• Könnten Altersteilzeitmodelle mit dem Ziel der Verlängerung der Verweildauer Älterer im Unternehmen<br />
Gegenstand von Betriebsberatung sein?<br />
THEMENKOMPLEX IV<br />
HANDLUNGSEBENE INSTITUTIONEN DES ARBEITS- UND GESUNDHEITSSCHUTZES<br />
Präventiver Gesundheitsschutz und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung – ein wichtiger Ansatz<br />
zur Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Wandels im <strong>Handwerk</strong>?<br />
• Wie ist der derzeitige Informationsstand über gesundheitlichen Verschleiß in den einzelnen Gewerken<br />
und bei spezifischen Altersgruppen und welche Entwicklungstendenzen werden erwartet?<br />
• Was können <strong>die</strong> Institutionen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes tun, um <strong>die</strong> Problematik älter werdender<br />
Belegschaften und daraus abzuleitenden Anforderungen an präventivem Gesundheitsschutz und<br />
Arbeitsgestaltung in <strong>die</strong> Unternehmen des <strong>Handwerk</strong>s zu tragen?<br />
• Welche Handlungskonzepte werden von den Trägern im Arbeits- und Gesundheitsschutz bereits mit<br />
welchem Erfolg praktiziert?<br />
� Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz der Beschäftigten (sicherheits- und gesundheitsbewußtes<br />
Verhalten)?<br />
� Aufklärung der Unternehmen über Möglichkeiten betrieblicher Arbeitsgestaltung mit dem Ziel der Verringerung<br />
von Gefährdungen und arbeitsbedingten körperlichen Belastungen?<br />
� Welche Ansatzpunkte gibt es derzeit zur Etablierung eines Frühwarnsystems zu gewerkespezifischen Verschleißschwerpunkten<br />
und Risikopotentialen?<br />
• Wären neue Kooperationsformen und Netzwerke zwischen verschiedenen Akteuren sinnvoll (z.B.<br />
Verzahnung von beruflicher Weiterbildung mit Arbeits- und Gesundheitsschutzthemen)?
THEMENKOMPLEX V<br />
HANDLUNGSEBENE VERBÄNDE UND ORGANISATIONEN DES HANDWERKS UND SEINER<br />
BESCHÄFTIGTEN<br />
Verbände als Multiplikatoren der Vermittlung des Problems und Impulsgeber für notwendige<br />
Anpassungsmaßnahmen<br />
• Gibt es zwischen fachübergreifenden Organisationen des <strong>Handwerk</strong>s (Kammern) und fachlichen Organisationen<br />
(Innungen, Fachverbänden) unterschiedliche Stoßrichtungen und Ansatzpunkte für den<br />
Transfer des Problems „Demographische Entwicklung“?<br />
• Wie könnte eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den Organisationsebenen aussehen?<br />
• Wie wirkt sich <strong>die</strong> unterschiedliche regionale und gewerkespezifische Betroffenheit von demographisch<br />
bedingten Engpässen auf <strong>die</strong> Wahrnehmung des Problems und <strong>die</strong> Möglichkeiten, damit umzugehen<br />
aus?<br />
• Welche Folgen ergeben sich aus der Doppelstruktur der Zuständigkeiten der Arbeitnehmerorganisationen<br />
für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong> (DGB, Fachgewerkschaften) auf Schwerpunkte und Transfermöglichkeiten?<br />
• Werden gesetzgeberische und tarifpolitische Ansätze (z.B. Altersteilzeitgesetz, Weiterbildungstarifverträge)<br />
für <strong>die</strong> Bewältigung des <strong>demographische</strong>n Strukturbruchs bereits genutzt und wo liegen<br />
noch ungenutzte Potentiale?<br />
THEMENKOMPLEX VI<br />
HANDLUNGSEBENE HANDWERKSMEDIEN<br />
Meist noch geringer Problemdruck und doch schon hoher Handlungsbedarf – wie „verkauft“ man<br />
den <strong>demographische</strong>n Umbruch?<br />
• Welche Zielgruppen erreicht <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>spresse?<br />
• Was macht ein Thema „attraktiv“?<br />
• Wo liegen <strong>die</strong> Schwierigkeiten, wo lägen Ansatzpunkte, <strong>das</strong> Thema „Demographische Entwicklung<br />
und Herausforderungen für <strong>das</strong> <strong>Handwerk</strong>“ erfolgreich zu plazieren?<br />
• Wo gibt es Defizite, wo Verbesserungsmöglichkeiten bei der künftigen Darstellung und Vermittlung<br />
des Demographiethemas durch <strong>die</strong> <strong>Handwerk</strong>sme<strong>die</strong>n?<br />
• Welche Me<strong>die</strong>n (Printme<strong>die</strong>n, Rundfunk, TV, CD) bieten sich an?<br />
• Welche Darstellungsformen (Praxisbeispiele, Handlungshilfen wie Checklisten, Leitfäden) sind geeignet?<br />
• Welche Hilfestellung und Beiträge können Forschungsprogramme wie der Demographieverbund<br />
leisten?<br />
• Wäre eine „Demographiekampagne“ denkbar und wer sollte sich ggf. daran beteiligen?<br />
2DOK 263hm FG.doc