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Sechsämtermagazin November 2019

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Oberpfälzer Küche<br />

Süße Maultaschen<br />

Die berühmte Köchin Marie Schandri vom<br />

Regensburger "Goldenen Kreuz" am<br />

Haidplatz, einer ehemals berühmten<br />

Nobelabsteige und viel gepriesener<br />

Gourmet-Tempel in der Zeit, als Regensburg<br />

einst die stolze und hochfrequentierte<br />

Freie Reichsstadt war -<br />

Treffpunkt von Hoher Politik und massiger<br />

Wirtschaft - eben diese Herrschaftsköchin<br />

hatte vielleicht gar keine Ahnung, wie<br />

feudal und mächtig das einfache Volk<br />

draußen vor den Stadtmauern sich<br />

verköstigte, wenn auch anders als im<br />

noblen Schlemmerlokal der Stadt. Sie<br />

kannte die Maultasche vielleicht, hat sie<br />

aber in ihrem Kochbuch nicht für<br />

erwähnenswert gehalten. Stattdessen hat<br />

sie dem feudalen österreichischmonarchischen<br />

Apfelstrudel in ihrem<br />

einzigartigen Kochbuch den Vorzug<br />

gegeben.<br />

Gott sei dank hat unsere Maultasche<br />

dieses Stadtmauerblümchendasein abgelegt<br />

und prangt selbstbewusst aus<br />

mancher Speisekarte der gehobenen<br />

Kategorien unserer Gastronomie. Der<br />

Ursprung dieser Geschmacksnervenexplosion<br />

war, zurückgehend von den<br />

Schwaben über die Römer - China -<br />

jawohl - China! Dieser chinesische<br />

Exportschlager namens "Jiaozi" brauchte<br />

zwar rund 2000 Jahre, um sich hier in<br />

bayerischen Landen (speziell Oberpfalz<br />

und Schwaben) einzunisten, auszubreiten<br />

und jetzt als traditionell einheimisches<br />

Hauptessen oder als<br />

Dessertvariation ihren festen Platz im<br />

Speiseplan zu haben.<br />

Zutaten Teig:<br />

500 g Weizenmehl (Type 405)<br />

3 Eier<br />

1 TL Haselnussöl<br />

½ Fläsche Buttervanille<br />

1 Prise Salz<br />

½ geriebene Zitronenschale<br />

30 g Puderzucker<br />

¼ l Milch<br />

Rindsschmalz (Butterschmalz) zum<br />

Einpinseln<br />

Zutaten Füllung:<br />

1,5 kg 1,5 kg Früchte: Äpfel, Zwetschgen<br />

oder Aprikosen. Oder Apfel und<br />

Zwetschgen. Oder Rhabarber oder<br />

warum auch nicht: Birnen. Auf jeden Fall<br />

keine Orangen.<br />

Zucker<br />

Zitronensaft<br />

Fruchtlikör<br />

Magerquark<br />

Zutaten Bratreine:<br />

Fett zum Ausbuttern<br />

Semmelbrösel<br />

125 g Butter zum Einpinseln<br />

Zucker zum Überstreuen<br />

2 Eier<br />

220 ml Sahne<br />

50 g zerlassene Butter<br />

Zubereitung:<br />

Teig: Aus den o.a. Zutaten einen nicht zu<br />

festen (eher noch weichen) Teig kneten.<br />

In Frischhaltefolie verpacken und eine<br />

halbe Stunde ruhen lassen.<br />

In der Zwischenzeit die Fruchtfüllung<br />

vorbereiten:<br />

Die Früchte nicht zu klein schneiden. Die<br />

Hälfte davon andünsten, erkalten lassen<br />

und dann mit der rohen Hälfte mischen.<br />

Nach Bedarf zuckern und mit Zitrone<br />

säuern. Vielleicht mit einem Gläschen<br />

eines der Frucht entsprechendem Likörs<br />

abschmecken.<br />

Den ausgeruhten, sich angenehm<br />

anfühlenden geschmeidigen und leicht<br />

duftenden Teig aus seiner Frischhaltefolienzwangsjacke<br />

befreien und auf dem<br />

bemehlten Brett zu einer etwa 15 cm<br />

langen Wurscht rollen. In etwa zehn gleich<br />

dicke Teigtaler schneiden. Aufgereiht an<br />

der Stirnseite des Mehlbrettls wird die<br />

Geschichte schon langsam poetisch.<br />

Mit dem Nudelwalker jeden Taler ausrollen.<br />

Walken, mehlen, walken, mehlen -<br />

umdrehen - walken, mehlen und wieder<br />

walken und wieder mehlen, bis der teigige<br />

Goldtaler ein dünner runder feiner<br />

Pfannakuchen ist, den man vorsichtig<br />

zum leichten Antrocknen legt.<br />

Derweilen ist am Herd die Butter geschmolzen.<br />

Sollte sie leicht (!) angebrannt<br />

sein, kann das durchaus ein Tüpfelchen<br />

für den Hochgenuß der Maultaschen<br />

herhalten.<br />

Die ausgewalkten,<br />

goldgelben, dünnen<br />

und schon ein bisserl<br />

angetrockneten Teigfladen<br />

kommen wieder<br />

aufs Brett und werden<br />

schön satt mit dem<br />

köstlichen leicht nussigen<br />

Rindsschmalz<br />

(Butterschmalz) bestrichen<br />

- die Maultaschen<br />

lohnen es mit einem wahren<br />

Feuerwerk an Hochgenüssen. Die erkaltete,<br />

voll, rund und kräftig schmeckende<br />

Fruchtmasse (mmmmh), die kalte Frucht-<br />

Quark- Mischung also (mit oder ohne<br />

Weinbierln), wird mit dem Löffel<br />

halbzentimeter dick auf den Fladen<br />

gestrichen, wobei ein 2 cm freier Rand<br />

ringsum frei bleiben soll. Der rechte und<br />

linke Rand wird dann über die Masse<br />

eingeschlagen, leicht angedrückt und<br />

anschließend von oben ebenfalls<br />

eingeschlagen. Andrücken und vorsichtig<br />

rollen.<br />

Jetzt haben wir eine MAULTASCHE -<br />

jawohl, eine Maultasche, bei der man sich<br />

fragt: Wo ist das Maul und wo die Tasche?<br />

Ja ja es stimmt, man kann es nicht<br />

erkennen, aber wir legen diese Maultasche<br />

in die vorher gut ausgebutterte<br />

(vom Butterschmalz beim Walken) wenn<br />

möglich eiserne Bratreine, wischen sie<br />

noch mal mit dem Butterschmalz ab, die<br />

nächste Maultasche wird gefüllt, gerollt,<br />

gelegt, die Dritte gefüllt, gerollt, gelegt, die<br />

4., die 5., ...<br />

Die Bratreine ist nun voll mit butterglänzenden<br />

aufgewölbten, in Reih und<br />

Glied liegenden voluminös prallen<br />

Fruchtstrudeln, die darauf warten, mit<br />

glitzernden Zuckerkristallen bestreut und<br />

mit Milch begossen zu werden. Nun ab in<br />

den vorgeheizten Backofen, den sie<br />

goldbraun glänzend nach etwa 30 Minuten<br />

wieder verlassen. - Die Maultaschen<br />

sind immer noch nicht fertig.<br />

Anrichten:<br />

Zum Finale geben wir noch mal etwa 50 g<br />

zerlaufene heiße Butter und etwa 200 ml<br />

Sahne, die mit 2 Eiern verquirlt ist<br />

("Royal") über die fast fertig gebackene<br />

Süßspeise.<br />

Schieben das ganze nochmals ins 180<br />

Grad heiße Backrohr und lassen dieser<br />

Köstlichkeit noch 7 Minuten Zeit, um<br />

grandios zu vollenden.<br />

Es ist wohl kein Maul zu erkennen, aber<br />

sie schmecken göttlich, unsere Maultaschen.<br />

Man könnte sie auch mit einer Kugel Eis<br />

oder mit Mousse au Chocolat oder oder<br />

oder ... servieren.

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