D E R C L U B D E R T O T E N D E N K E R GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL Soll ich mir altes Zeug im Museum anschauen? Die größten Denker aller Zeiten beantworten Fragen unserer Gegenwart, übermittelt durch den Philosophen Christoph Quarch. Diesmal: Kurz nach seinem 250. Geburtstag erklärt Hegel, wieso es sich lohnt, sich mit Geschichte zu befassen. Also woischt, i bi ja a Schwoab. Und a Schwoab ka gar net andersch, als alles nuffz’hebe, was ihm querkommt. Heidenei, des verstoasch ja net, denn du bischt ja wohl kan Schwoab, sonst tätst et frage, ob des guat isch, sich im Museum so an alte Plunder az’gucke. Also in gepflegtem Hochdeutsch: Wir Schwaben neigen dazu, Dinge aufzuheben. Und als ein schwäbischer Philosoph neige ich – auch nach vielen Jahren in Berlin noch – dazu, genau das gut und sinnvoll zu finden. Denn mit dem Aufheben hat es eine eigentümliche Bewandtnis. Das Aufheben ist nämlich die Lieblingsbeschäftigung des Geischtes – Pardon: des Geistes. Ums Aufheben ist es mir also zu tun. Denn Aufheben ist wichtig – Aufheben ist geistreich. Genauso geistreich wie das Spiel mit Worten, das ich jetzt gern mit dir spielen möchte: Aufheben – so habe ich’s vor langen Jahren in meiner „Phänomenologie des Geistes“ ausgearbeitet – kann dreierlei bedeuten: etwas aufbewahren bzw. etwas vor der Mülltonne retten; etwas abschaffen, wie man etwa ein Verbot aufhebt; und etwas auf eine höhere Ebene bringen – so wie man etwas vom Fußboden aufhebt, wenn es runtergefallen ist. Und jetzt kommt’s: Wenn der Geist etwas aufhebt, dann geschieht alles drei zugleich. Und das ist dann auch die Erklärung dafür, warum es eine ganze Menge bringt, gelegentlich einmal ein Museum aufzusuchen. Ist nicht leicht zu verstehen, auch nicht leicht zu erklären, aber ich will’s versuchen: Als Erstes mach dir bitte klar, dass du nicht vom Himmel ge fallen bist. Nein, bist du nicht: Du bist in eine Welt hineingeboren, die schon vor dir da war und die eine Geschichte hat. Die Welt, in der du lebst, ist eine gewordene Welt. Je mehr du nun in sie hineinwächst, desto mehr saugst du sie auf – und mit ihr auch ihre Geschichte. Die Weise, wie du denkst, wie du sprichst, wie du fühlst: Alles „ Du bist in eine Welt hineingeboren, die schon vor dir da war und die eine Geschichte hat.“ hat eine Geschichte, die weit, weit hinter deine Geburt zurückreicht. Denn es ist die Geschichte des Geistes: die Geistesgeschichte, die wir bis zu den ersten Anfängen der Menschheit zurück verfolgen können. Ja, wie ein roter Faden zieht der Geist sich durch die Jahrhunderte. Und mit jedem Jahrzehnt – das war meine größte Entdeckung – wird er etwas … geistreicher, etwas umfassender, etwas komplexer, etwas bewusster. Und wie macht er das? Die Antwort kennst du schon: durchs Aufheben. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: die Europäische Union. Nach zwei Weltkriegen und dem Faschismus war man sich in Europa einig, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe. Also schloss man sich zu einer Europäischen Gemeinschaft zusammen. Dabei wurde einiges aufgehoben: Alte Feindschaften wurden abgeschafft, während nationale Eigenheiten aufbewahrt blieben. Und Europa wurde auf eine neue Entwicklungsstufe gebracht – die heute allerdings vielen Menschen Kopfzerbrechen bereitet, wenn man bedenkt, was in Ländern wie Polen, Ungarn oder Großbritannien abgeht. Und da sage ich dir: Du kannst das heutige Europa nur verstehen, wenn du seine Geschichte kennst. Du verstehst den Geist deiner Zeit nur, wenn du dir klarmachst, was er alles aufgehoben hat – im dreifachen Sinne. Und was er auf gehoben hat, findest du als „altes Zeug“ in den historischen Museen. Also: Wenn du verstehen willst, in welcher Welt du lebst, befasse dich mit der Vergangenheit. Klar, du kannst so tun, als wärest du vom Himmel gefallen – aber damit fällst du auf die Nase. Im Einzelfall ist das nicht schlimm. Wenn aber ein ganzer Kontinent seine Geschichte vergisst, dann wird es eng. Deshalb glaube ich, es bringt uns allen etwas, ab und zu in ein Museum zu gehen. FRIEDRICH HEGEL (1770–1831) war einer der einflussreichsten Denker für das 19. und 20. Jahrhundert. Nicht nur Karl Marx und die Wegbereiter des Sozialismus ließen sich von ihm inspirieren, sondern auch existenzialistische Philosophen wie Søren Kierkegaard oder Jean-Paul Sartre. Als gebürtiger Schwabe wurde er 1818 an die Berliner Universität berufen, wo er eine große Hörer- und Anhängerschaft fand. Seine Philosophie ist hochkomplex, erhebt sie doch den Anspruch, ein geistiges System bereitzustellen, mit dem sich die Kultur- und Menschheitsgeschichte als dynamische Entfaltung des Weltgeistes verstehen lässt. DR. CHRISTOPH QUARCH BENE ROHLMANN 18 THE RED BULLETIN
GEORG WILHELM FRIEDRICH HEGEL (1770–1831) „Du kannst das heutige Europa nur verstehen, wenn du seine Geschichte kennst. Du verstehst den Geist deiner Zeit nur, wenn du dir klarmachst, was er alles aufgehoben hat.“ THE RED BULLETIN 19
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