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The Red Bulletin Dezember 2020 (DE)

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„ICH TRAGE MEINE FAMILIE IMMER BEI MIR“<br />

Vier Tage bevor Nims Purja sein „Project Possible“ startete,<br />

unterzog er sich der letzten Sitzung für ein Stück Körperkunst,<br />

das jetzt seinen Rücken schmückt. Die Arbeit zeigt die<br />

14 Berge seiner Tour – vom kleinsten, dem 8027 Meter hohen<br />

Shishapangma ganz unten, bis zum Mount Everest (8.848 m),<br />

der bis hinauf zum Nacken reicht. Aber es ist kein herkömmliches<br />

Tattoo. Das Werk, in vier Sitzungen von der Londoner<br />

Tattoo-Künstlerin Valerie Vargas gestochen, enthält nämlich<br />

den genetischen Code von Purjas Angehörigen. Das entsprechende<br />

Verfahren wurde 2016 von Ex-Navy-SEAL Boyd<br />

Renner und seinem Geschäftspartner Patrick Duffy patentiert:<br />

„Everence“ verarbeitet DNA – in Purjas Fall waren es Haare<br />

von Eltern, Geschwistern und seiner Frau – zu einem medizinischen<br />

Polymer in Form eines Pulvers, das mit Tätowierfarbe<br />

vermischt werden kann. Diese Tinte wurde verwendet, um die<br />

Gebets fahnen auf Purjas Rücken herzustellen.<br />

DAVID SHERPA/PROJECT POSSIBLE<br />

vielen Leuten waghalsig erscheinen. Aber<br />

das Risiko ist nicht für alle gleich. Ich<br />

könnte zum Beispiel nicht BASE-jumpen.<br />

Du lebst im Moment, aber das heißt<br />

nicht, dass du keine Risikobewertung<br />

vornimmst. Es ist ein schmaler Grat zwischen<br />

mutig und dumm – im Moment<br />

zu leben und dabei zu sterben. Ich will<br />

eine ganz lange Zeit im Moment leben.“<br />

Als Purja 2018 zum Leiter der<br />

SBS-Abteilung „Kriegsführung<br />

in extremen Kältegebieten“ ernannt<br />

wurde, wandte er sich mit<br />

einer Bitte an seinen Kommandanten.<br />

„Ich sagte: ‚Weil das jetzt mein Job ist<br />

und ich noch so viel Urlaub habe, möchte<br />

ich mir gern 18 Tage freinehmen und<br />

auf die fünf höchsten Berge der Welt<br />

klettern. Das bringt auch was für die Einheit.‘<br />

Zuerst waren meine Vorgesetzten<br />

begeistert, doch dann sagten sie: ‚Dieses<br />

Risiko kannst du nicht eingehen.‘ Ich<br />

sagte: ‚gut‘, und beschloss zu kündigen.“<br />

Es war keine leichte Entscheidung.<br />

„Ich war in meiner Familie der Alleinverdiener.<br />

Jeden Monat schickte ich Geld<br />

von meinem Gehalt direkt nach Hause<br />

an meine Eltern. Mein Vater lag halbseitig<br />

gelähmt im Spital, meine Mutter lebte<br />

in einem Zimmer in Kathmandu, um bei<br />

ihm zu sein. Mein Bruder rief mich an:<br />

‚Du bist jetzt so nahe an deiner Pension,<br />

warum willst du das opfern?‘ Er war<br />

wütend, er hat zwei Monate kein Wort<br />

mit mir gesprochen.“<br />

Inzwischen drohte auch Purjas ehrgeiziger<br />

Plan – er hatte das Vorhaben,<br />

alle 14 Achttausender in Rekordzeit zu<br />

besteigen, mittlerweile „Project Possible“<br />

getauft – an der Realität zu zerschellen.<br />

„Ein Freund, der sich um die Finanzierung<br />

kümmern sollte, sagte: ‚Es tut mir leid,<br />

aber ich habe überhaupt kein Geld zusammenbekommen,<br />

obwohl ich es sieben<br />

THE RED BULLETIN 47

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