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The Red Bulletin Dezember 2020 (DE)

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Lesestoff<br />

Vorwort aus<br />

„Das Leben und das Schreiben“<br />

Dies ist ein kurzes Buch, denn Bücher über das Schreiben<br />

sind voller Blödsinn. Belletristikautoren, ich eingeschlossen,<br />

haben keine große Ahnung davon, was sie eigentlich tun.<br />

Sie wissen nicht, warum etwas Gutes funktioniert und etwas<br />

Schlechtes nicht. Ich dachte mir: Je kürzer das Buch, desto<br />

weniger Blödsinn steht drin.<br />

LESETIPPS<br />

Autobiografische<br />

Feinkost<br />

Vier ausgesuchte Bücher,<br />

die das Leben schrieb<br />

beängstigenden Ideen reichtum<br />

aus, sondern auch durch<br />

ihren perfekten Spannungsaufbau<br />

– was gerade auf der<br />

gern unterschätzten Kurzstrecke<br />

eine besonders hohe<br />

Kunst ist. Angesichts der<br />

enormen Menge und Vielfalt<br />

dieser Suspense-Quickies<br />

drängt sich der Verdacht auf,<br />

dass King schlichtweg nicht in<br />

der Lage sei, eine Geschichte<br />

zu erzählen, die nicht furchtbar<br />

spannend ist.<br />

Wenn es ins Romanformat<br />

geht, wechselt King jedoch<br />

Stil und Tempo, öffnet Räume<br />

zwischen den Zeilen. Als<br />

schlauer Geschäftsmann (der<br />

er natürlich auch ist) weiß er,<br />

dass einem auf Sicht betrachtet<br />

die Leser abhandenkommen,<br />

wenn sie 500 Seiten lang<br />

den Atem anhalten. Genre-<br />

Meilensteine wie „Carrie“,<br />

„Shining“, „Sie“, „Es“, „Die<br />

Arena“ und rund 30 weitere<br />

internationale Bestsellertitel<br />

spielen virtuos mit einem subtilen<br />

Grauen, das gar nicht<br />

auf dem Papier, sondern in unserer<br />

DNA geschrieben steht.<br />

Und ganz nebenbei hat<br />

Stephen King mit „Der Dunkle<br />

Turm“ – womit wir beim Marathon<br />

wären – innerhalb von<br />

dreißig (!) Jahren einen der<br />

irrsten und besten Romanzyklen<br />

der Fantastik geschrieben.<br />

Doch Vorsicht: Bevor man sich<br />

diesem verwegenen Crossover<br />

aus Fantasy-Dystopie<br />

und Italo western nähert, das<br />

King selbst einmal als seinen<br />

„Jupiter“ bezeichnete, sollte<br />

man sicherheitshalber ein<br />

wenig Anlauf nehmen. Denn<br />

der grandiose erste Satz „Der<br />

Mann in Schwarz floh durch<br />

die Wüste, und der Revolvermann<br />

folgte ihm“ eröffnet<br />

eine Reise, die erst nach rund<br />

5600 Seiten endet. Und aufhören<br />

geht sehr, sehr schwer.<br />

Das vermutlich beste Buch,<br />

das der 1947 in Portland,<br />

Maine, geborene Stephen Edwin<br />

King (bisher) veröffentlicht<br />

hat, kommt allerdings<br />

weder aus der Horrorkiste<br />

noch aus dem Fantasy-Universum.<br />

Es ist ein Ratgeber.<br />

In „Das Leben und das Schreiben“,<br />

erschienen im Jahr<br />

2000, gibt der Millionenautor<br />

– eingebettet in autobiografische<br />

Erinnerungen und Anekdoten,<br />

die auch die dunklen<br />

Seiten seiner Karriere beleuchten<br />

– sehr persönliche<br />

Erfahrungen preis, wie man<br />

ein gutes Buch schreibt. Hochgradig<br />

sympathisch, mitunter<br />

sehr lustig und durchgehend<br />

ungeheuer lehrreich – im<br />

wahrsten „Sinne des Wortes“.<br />

Ein wirklich großartiges<br />

Buch, das nicht nur jedem, der<br />

richtig schreiben will, nachdrücklich<br />

ans Herz gelegt sei,<br />

sondern auch allen, die richtig<br />

lesen wollen.<br />

Stephen King? Echt jetzt!<br />

STEPHEN KING<br />

„DAS LEBEN UND DAS SCHREIBEN“<br />

Deutsch von Andrea Fischer.<br />

Ullstein (gebundene Ausgabe),<br />

Heyne (Taschenbuch)<br />

GREGORY DAVID ROBERTS<br />

Der 1952 in Melbourne,<br />

Australien, geborene Roberts<br />

wurde nach mehreren<br />

bewaffneten Raubüberfällen<br />

zu einer 23-jährigen Haftstrafe<br />

verurteilt. Nach<br />

zwei Jahren gelang ihm die<br />

Flucht, und er setzte sich<br />

nach Mumbai in Indien ab.<br />

Was nun auf über 1000 Seiten<br />

folgt, ist die wohl abenteuerlichste<br />

Lebensgeschichte,<br />

die je aufgeschrieben wurde.<br />

Wie wahr sie ist, weiß<br />

nur einer. Kult ist sie<br />

jedenfalls.<br />

„Shantaram“<br />

(Goldmann)<br />

TOM ROBBINS<br />

Keiner trägt die Narrenkappe<br />

tiefer ins Gesicht gezogen als<br />

der 1932 geborene US-Autor.<br />

Auch wenn der Grandseigneur<br />

des literarischen Wahnwitzes<br />

(u. a. „Buntspecht“ „Pan<br />

Aroma“ oder „Salomes siebter<br />

Schleier“) seine Lebensgeschichte<br />

als anekdotische<br />

Häppchen serviert, wartet<br />

hier ein üppiger Festschmaus:<br />

saukomisch, zutiefst klug und<br />

fabelhaft fabuliert.<br />

„Tibetischer Pfirsichstrudel<br />

– Die wahre<br />

Geschichte eines<br />

fantas tischen Lebens“<br />

(Rowohlt)<br />

ERNEST HEMINGWAY<br />

In seinem letzten, posthum<br />

veröffentlichten Buch skizziert<br />

Hemingway Erinnerungen<br />

an seine Jahre 1921 bis<br />

1926 in Paris. Anlässlich seines<br />

50. Todestags erschien<br />

2011 eine Neuübersetzung<br />

der Urfassung, ediert von<br />

Enkel Seán Hemingway und<br />

großartig übersetzt von<br />

Werner Schmitz. Ein literarisches<br />

Kleinod vom Großmeister,<br />

nach dessen Lektüre<br />

man sich vor allem eines<br />

wünscht: eine Zeitmaschine.<br />

„Paris – Ein<br />

Fest fürs Leben“<br />

(Rowohlt)<br />

TERRY GILLIAM<br />

Als Gründungsmitglied der<br />

legendären Monty-Python-<br />

Truppe und Regisseur von<br />

Filmjuwelen wie „Brazil“, „Fear<br />

and Loathing in Las Vegas“<br />

oder „12 Monkeys“ hat der<br />

1940 in Minnesota geborene<br />

Gilliam einiges zu erzählen.<br />

Und er tut es – Illustrationen<br />

inklusive – auf eine Art und<br />

Weise, die keinen Zweifel daran<br />

lässt, dass auch ein Amerikaner<br />

trockenen britischen<br />

Humor im Blut haben kann.<br />

„Gilliamesque –<br />

Meine Prä-posthumen<br />

Memoiren“<br />

(Heyne)<br />

THE RED BULLETIN 85

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