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1-2021

Zeitschrift für Elektro-, Gebäude- und Sicherheitstechnik, Smart Home

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Editorial<br />

Künstliche Intelligenz und<br />

menschliche Dummheit<br />

Unser Leben wird mehr und mehr durch Technik dominiert, bis hin zur Künstlichen Intelligenz (KI) in<br />

die eigenen vier Wände. Doch lohnt es sich, hierbei kritisch abzuchecken, ob die damit verbundenen<br />

Erwartungen auch erfüllt werden können. Anhand von drei Beispielen aus dem Bereich „Haus und<br />

Elektronik“ möchte ich dies illustrieren.<br />

Ing. Frank Sichla<br />

Haus und Elektronik<br />

Das erste Beispiel ist recht lustig: Ein technikbegeisterter Bekannter hatte für teures Geld eine intelligente<br />

Katzenklappe installieren lassen. Die öffnete nur nach innen, wenn sich die mit einem Chip ausgestattete<br />

eigene Katze näherte, während sie nach außen ohne diese Einschränkung öffnete. Nun gab es da in der<br />

Nähe einen kleinen Waschbären, der das Hereingehen und Herauskommen der Katze beobachtete. Er<br />

gelangte ganz einfach ins Haus, indem er die Klappe zu sich herauszog, machte sich über das Katzenfutter<br />

her und flüchtete, vom Hausherrn überrascht, zunächst mal in den Keller, um nach einiger im Haus<br />

gestifteten Unordnung wieder durch die Klappe zu verschwinden. Dumm gelaufen für den auf seine<br />

vermeintlich intelligente Lösung stolzen Hausherren…<br />

Das zweite Beispiel ist nach meiner Meinung ein echter Skandal: Das kriminaltechnische Labor Bundpol<br />

testet Technik auf Schwachstellen und Sicherheitslücken, etwa Funkalarmanlagen, die sich dank ihrer<br />

Flexibilität und einfachen Installation großer Beliebtheit erfreuen. Unbekannt ist dabei oft, dass Diebe<br />

eine solche Alarmanlage leicht deaktivieren können. Daher fielen alle Funkalarmanlagen, die vom<br />

Bewegungsmelder über Fenstermelder sowie mit dem Handynetz verbunden werden, bei Tests auf<br />

Manipulationssicherheit durch. Die Deaktivierung gelingt leicht mit handelsüblichen Geräten, sogenannten<br />

Jammern, die man legal für wenig Geld im Internet erhält. Da macht auch die „Sicherheitsfrequenz“ 868<br />

MHz keine Ausnahme. Anwender, die aufgrund der Installationsvorteile eine Funkalarmanlage wählen,<br />

wiegen sich dummerweise leider in falscher Sicherheit…<br />

Beispiel Nummer drei: Im smarten Heim der Zukunft soll Künstliche Intelligenz (KI) das Kommando in der<br />

Steuerungszentrale übernehmen und für eine automatisierte Rundumversorgung sorgen. „Bei der weiteren<br />

Entwicklung von Smart Living wird KI eine entscheidende Rolle spielen“, meint Michael Schidlack von der<br />

Wirtschaftsinitiative Smart Living. Denn die KI könne mithilfe von Sensoren, Mikrofonen und Kameras alle<br />

Wünsche der Bewohner erfüllen.<br />

Doch Sicherheitsspezialisten wie Rolf Haas von McAfee wissen: Wer auf die Wohnungssteuerung<br />

zugreifen kann, der beherrscht Haus und Bewohner. Deshalb muss diese extrem gut abgesichert<br />

sein. Genau da aber gibt es noch viel Nachholbedarf: Die Verschlüsselung ist oft mangelhaft, die<br />

Steuerungssysteme lassen sich teilweise über wenig abgesicherte Apps bedienen. Daher gilt die<br />

Steuerungs-Software für das Smart Living unter Sicherheitsexperten als recht offen. In Sachen Sicherheit<br />

besteht also auch beim Smart Living noch Nachholbedarf.<br />

Solch intelligente Systeme lassen sich dank KI per Spracheingabe steuern. Das führt uns zu<br />

Spracheingabesystemen wir Alexa, Siri und Google Home. Dass diese datenschutzrechtlich erhebliche<br />

Sicherheitslücken aufweisen, stört die meisten Nutzer nicht, was steigende Verkaufszahlen untermauern.<br />

Olaf Pusch, IT-Sicherheitsexperte, verweist darauf, dass so ein Gerät die ganze Zeit mithören muss, um<br />

reagieren zu können. Dabei kann es sich auch einmal „verhören“ und dann private Gespräche an einen<br />

zufälligen Kontakt versenden. Das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen<br />

fand heraus, dass Alexa keineswegs nur auf ihr festgelegtes Signalwort reagiert, sondern auch auf ähnlich<br />

klingende Begriffe. Daher sind die Nutzer und ihre Privatsphäre nicht absolut sicher.<br />

Alexa-Nutzer stimmen zu, dass ihre Gespräche ausgewertet werden könnten – aber ob von einer KI oder<br />

von Menschen, das lässt Amazon offen. Bekannt ist nur, dass alles, was nach Aussprechen des Code-<br />

Wortes gesagt wird, auf amerikanischen Servern landet. Und das unabhängige IT-Sicherheitsinstitut<br />

AV-Test stellte bei Alexa sogar einen permanenten Datenversand fest, auch wenn das Gerät eigentlich aus<br />

sein sollte.<br />

Lt. DSGVO müssen „Kunden über alles einfach, klar und verständlich informiert werden“.<br />

Bundesjustizministerin Katarina Barley hält daher die Praktik, Sprachbefehle aufzuzeichnen, nur weil die<br />

Datenschutzerklärung schwammig sei, für „nicht akzeptabel“ und droht mit Bußgeldern in Höhe von 4 %<br />

des Jahresumsatzes. Dies ist nach meiner Meinung vielleicht etwas dumm, denn wie will man Amazon<br />

bestrafen, wenn man es nicht einmal besteuern kann?<br />

Ing. Frank Sichla<br />

Haus und Elektronik 1/<strong>2021</strong> 3

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