Christoph Egle/ Christian Henkes - Dritte Wege - Uni.hd.de
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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />
als <strong>de</strong>r zentrale Grundwert <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie, son<strong>de</strong>rn auch als <strong>de</strong>r archimedischer<br />
Punkt <strong>de</strong>r Programm<strong>de</strong>batte (Merkel 2001; Meyer 2001; SPD 2000; Thierse 2000, 2001).<br />
Während die gerechtigkeitstheoretische Position <strong>de</strong>r SPD bisher darin bestand, über die<br />
Gewährung von Chancengleichheit hinaus <strong>de</strong>n erwirtschafteten Wohlstand <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />
ein Stück weit von oben nach unten umzuverteilen (Ergebnisgleichheit), 43 so wird diese<br />
Position nun mit <strong>de</strong>m Schlagwort <strong>de</strong>r „produktivitätssteigern<strong>de</strong>n Ungleichheit“<br />
herausgefor<strong>de</strong>rt. Die Sozial<strong>de</strong>mokratie hat sich offenbar auf die Suche nach einem<br />
Kriterium und einer Rechtfertigung für sozial gerechtfertigte Ungleichheiten gemacht.<br />
Schon im angesprochenen „<strong>Dritte</strong> <strong>Wege</strong> – Neue Mitte“-Papier (Grundwertekommission<br />
1999) wird eine entsprechen<strong>de</strong> „Präzisierung“ <strong>de</strong>s Gerechtigkeitsbegriffs gefor<strong>de</strong>rt. Soziale<br />
Gerechtigkeit be<strong>de</strong>ute we<strong>de</strong>r eine schlichte Herstellung von Vermögens- und<br />
Einkommensgleichheit, noch sei es gerecht, <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Sozialstaat einfach<br />
fortzuschreiben. Statt<strong>de</strong>ssen wird ein „mo<strong>de</strong>rnes Verständnis“ von sozialer Gerechtigkeit<br />
gefor<strong>de</strong>rt: Eine durch Steuersenkungen hervorgerufene Vertiefung von<br />
Einkommensungleichheiten könne sozial gerecht sein, wenn dadurch eine wirtschaftliche<br />
Dynamik entfesselt wür<strong>de</strong>, von <strong>de</strong>r auch die am wenigsten Begünstigten <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
profitierten bzw. dadurch besser gestellt wür<strong>de</strong>n als zuvor. Diese Formulierung entspricht<br />
im Wesentlichen John Rawls’ Differenzprinzip, auf <strong>de</strong>n sich die Autoren auch explizit<br />
berufen. Eine Deregulierung <strong>de</strong>s Arbeitsmarktes sei ebenfalls nicht ungerecht, wenn<br />
dadurch „Effizienzgewinne“ erzielt wür<strong>de</strong>n und bisherige Arbeitslose in das<br />
Erwerbsleben eingebun<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n (Grundwertekommission 1999: 28 f.). Gerecht sei<br />
nämlich alles, was gesellschaftliche Inklusion för<strong>de</strong>re.<br />
Auf <strong>de</strong>m Programmforum zum Thema Gerechtigkeit machte sich vor allem Wolfgang<br />
Clement zum Kronzeugen <strong>de</strong>r Überzeugung, dass eine „begrenzte Ungleichheit im<br />
Ergebnis (...) sehr wohl auch ein Katalysator (..) für individuelle als auch für<br />
gesellschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten“ sei (in: SPD 2000: 11). Ähnlich äußerte sich<br />
Gerhard Schrö<strong>de</strong>r in einem Beitrag zur „Neubestimmung <strong>de</strong>r Aufgaben von Staat und<br />
Gesellschaft“: Erstens sei eine sozial<strong>de</strong>mokratische Illusion gewesen, dass „mehr Staat“<br />
das beste Mittel sei, soziale Gerechtigkeit herzustellen, und zweitens solle man sich heute<br />
43 Im Berliner Programm heißt es dazu: „Gerechtigkeit grün<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r gleichen Wür<strong>de</strong> aller Menschen. Sie<br />
verlangt gleiche Freiheit, Gleichheit vor <strong>de</strong>m Gesetz, gleiche Chancen <strong>de</strong>r politischen und sozialen Teilhabe<br />
und <strong>de</strong>r sozialen Sicherung. Sie verlangt die gesellschaftliche Gleichheit von Mann und Frau. Gerechtigkeit<br />
erfor<strong>de</strong>rt mehr Gleichheit in <strong>de</strong>r Verteilung von Einkommen, Eigentum und Macht, aber auch im Zugang zu<br />
Bildung, Ausbildung und Kultur.“ (SPD 1998a: 12).<br />
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