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Christoph Egle/ Christian Henkes - Dritte Wege - Uni.hd.de

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>:<br />

Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Die Programm<strong>de</strong>batte in <strong>de</strong>r SPD.<br />

Erscheint in:<br />

<strong>Egle</strong>, <strong>Christoph</strong>/Ostheim, Tobias/Zohlnhöfer, Reimut (Hrsg.) 2003:<br />

Das rot-grüne Projekt. Eine Bilanz <strong>de</strong>r Regierung Schrö<strong>de</strong>r 1998-2002,<br />

Wiesba<strong>de</strong>n, West<strong>de</strong>utscher Verlag<br />

PREPRINT AUF DEN INTERNETSEITEN DES DFG-FORSCHUNGSPROJEKTES<br />

SOZIALDEMOKRATISCHE ANTWORTEN AUF INTEGRIERTE MÄRKTE –<br />

DRITTE WEGE IM INTERNATIONALEN VERGLEICH<br />

MARSTALLSTRASSE 6<br />

69117 HEIDELBERG<br />

dritte-wege@uni-<strong>hd</strong>.<strong>de</strong><br />

http://www.dritte-wege.uni-<strong>hd</strong>.<strong>de</strong><br />

Ruprecht-Karls-<strong>Uni</strong>versität Hei<strong>de</strong>lberg<br />

Institut für Politische Wissenschaft<br />

TEL.: 06221 - 54 2882<br />

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SEKRETARIAT: 06221 - 54 2883


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Korrespon<strong>de</strong>nzadressen <strong>de</strong>r Autoren:<br />

Institut für Politische Wissenschaft<br />

<strong>Uni</strong>versität Hei<strong>de</strong>lberg<br />

Marstallstr. 6<br />

69117 Hei<strong>de</strong>lberg<br />

<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>, M.A.<br />

Email: christoph.egle@urz.uni-hei<strong>de</strong>lberg.<strong>de</strong><br />

<strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>, M.A.<br />

Email: christian.henkes@urz.uni-hei<strong>de</strong>lberg.<strong>de</strong><br />

Tel.: (06221) 54 3128<br />

Fax: (06221) 54 2896<br />

2


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Inhalt:<br />

1 Einleitung ...................................................................................................................................4<br />

2 Akteur und Handlungsraum ..................................................................................................5<br />

2.1 Die SPD in <strong>de</strong>n neunziger Jahren .......................................................................................5<br />

2.2 Die Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r SPD........................................................................................7<br />

2.3 Der Handlungsraum.............................................................................................................9<br />

2.4 „Innovation und Gerechtigkeit“ – elektoral erfolgreich, programmatisch leer.........10<br />

3 Die Friktionen zwischen Programm und Regierungspolitik............................................11<br />

3.1 Wirtschafts- und Sozialpolitik: Neoliberalismus ante portas? .....................................12<br />

3.2 Innenpolitik: die drohen<strong>de</strong> Überfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Traditionswähler..............................17<br />

3.3 Außenpolitik: die umstrittene Rolle <strong>de</strong>s Militärs...........................................................19<br />

4 Die Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm .........................................................23<br />

4.1 Im Zentrum <strong>de</strong>r Debatte: soziale Gerechtigkeit .............................................................23<br />

4.2 Bewertung <strong>de</strong>r bisherigen Programm<strong>de</strong>batte.................................................................26<br />

5 Schluss ......................................................................................................................................27<br />

6 Literatur....................................................................................................................................30<br />

3


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

1 Einleitung<br />

War Rot-Grün ein Projekt? Gera<strong>de</strong> das Fragezeichen ver<strong>de</strong>utlicht das Irritieren<strong>de</strong><br />

angesichts <strong>de</strong>s Wirkens dieser Koalition. Während <strong>de</strong>r gesamten Legislaturperio<strong>de</strong> blieb<br />

es <strong>de</strong>n professionellen Politikbeobachtern und <strong>de</strong>r interessierten Öffentlichkeit unklar,<br />

inwieweit die han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Akteure tatsächlich grundlegen<strong>de</strong> Konzepte hatten, nach <strong>de</strong>nen<br />

sie ihre Politik ausrichteten. Sind aber die Grundlagen und Ziele <strong>de</strong>s eigenen politischen<br />

Han<strong>de</strong>lns unsicher, so wer<strong>de</strong>n inhaltlich nur schwer fassbare Begriffe in <strong>de</strong>n Diskurs<br />

gebracht (Merkel 2000a: 263). Der „<strong>Dritte</strong> Weg“ im europäischen und die „Neue Mitte“ im<br />

<strong>de</strong>utschen Kontext sind solche Metapher. Beson<strong>de</strong>rs innerhalb <strong>de</strong>r SPD war am Beginn <strong>de</strong>r<br />

Legislaturperio<strong>de</strong> nicht geklärt, welche Politik sie mit <strong>de</strong>r erlangten Regierungsmacht<br />

verfolgen wollte. Diese Politik sollte zwar „besser“, aber nicht unbedingt „an<strong>de</strong>rs“ sein –<br />

wobei offen blieb, mit welchen programmatischen Kriterien sowohl das eine als auch das<br />

an<strong>de</strong>re zu messen sei.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n Beitrag soll anhand dreier Politikfel<strong>de</strong>r 1 aufgezeigt wer<strong>de</strong>n, welche<br />

Spannungsverhältnisse zwischen <strong>de</strong>r sozial<strong>de</strong>mokratischen Programmatik und <strong>de</strong>r<br />

Regierungspraxis zu beobachten waren und welche Rolle innerparteiliche Konflikte dabei<br />

spielten. Außer<strong>de</strong>m soll danach gefragt wer<strong>de</strong>n, inwiefern durch die Regierungstätigkeit<br />

eine programmatische Neuausrichtung <strong>de</strong>r SPD angestoßen wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn schließlich hat<br />

die Partei in ihrem ersten Regierungsjahr <strong>de</strong>n Beschluss gefasst, sich ein neues<br />

Grundsatzprogramm zu geben. 2 Konnte <strong>de</strong>r innerparteiliche Konflikt zwischen<br />

„Traditionalisten“ und „Mo<strong>de</strong>rnisierern“ um die Neuformulierung o<strong>de</strong>r Beibehaltung<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischer Ziele und Instrumente angesichts verän<strong>de</strong>rter Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />

und Handlungsbedingungen beigelegt wer<strong>de</strong>n? 3 In diesem Beitrag wird <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n,<br />

dass die SPD während <strong>de</strong>r Regierungszeit einen Prozess <strong>de</strong>r nachholen<strong>de</strong>n<br />

programmatischen Verän<strong>de</strong>rungen sowohl bei <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n Zielen als auch <strong>de</strong>n<br />

1 Die drei Politikfel<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n anhand von vier Kriterien ausgesucht, (1.) aufgrund <strong>de</strong>r zentralen<br />

Be<strong>de</strong>utung eines Politikfel<strong>de</strong>s für die I<strong>de</strong>ntität und das Selbstverständnis <strong>de</strong>r Partei, (2.) aufgrund <strong>de</strong>r<br />

Diskrepanz zwischen Programm und tatsächlicher Politik. (3.) aufgrund <strong>de</strong>r dadurch hervorgerufenen<br />

Spannungen innerhalb <strong>de</strong>r Partei selbst und (4.) aufgrund <strong>de</strong>r Diskrepanz zwischen Partei und <strong>de</strong>n eigenen<br />

Wählern.<br />

2 Die begonnene programmatische Neupositionierung <strong>de</strong>r SPD fügt sich in die Revisionismus<strong>de</strong>batte<br />

innerhalb <strong>de</strong>r europäischen Sozial<strong>de</strong>mokratie am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 90er Jahre ein. Zu <strong>de</strong>n Stationen dieser Debatte<br />

um <strong>de</strong>n „<strong>Dritte</strong>n Weg“ vgl. Cuperus/Duffek/Kan<strong>de</strong>l (2001), Gid<strong>de</strong>ns (2001) und Merkel (2000b).<br />

3 Diese eher publizistische Plakatierungen, welche einen grundsätzlichen Strömungskonflikt bezeichnen,<br />

wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Beteiligten wortreich von sich gewiesen (z. B. Thierse 2000 und Dressler/Junker/Mikfeld<br />

1999).<br />

4


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

politischen Instrumenten (Hall 1993) 4 zumin<strong>de</strong>st begonnen hat. Dieser Prozess zeigt<br />

beispielhaft das Spannungsverhältnis zwischen <strong>de</strong>n Zielen Vote-seeking und Policy-<br />

seeking (Müller/Strøm 1999, Wolinetz 2002) 5 auf, in <strong>de</strong>m sich professionalisierte<br />

Wählerparteien (Panebianco 1988) befin<strong>de</strong>n: Bestimmte programmatische Vorhaben und<br />

Ziele einer Partei können häufig nur unter Inkaufnahme von Wählerstimmentzug<br />

durchgesetzt wer<strong>de</strong>n, während eine zu starke Orientierung am Wählermarkt wie<strong>de</strong>rum<br />

die programmatische I<strong>de</strong>ntität einer Partei aushöhlen kann. Für die sich als<br />

„Programmpartei“ verstehen<strong>de</strong> SPD kam während <strong>de</strong>r Regierungszeit erschwerend<br />

hinzu, dass zusätzlich zu dieser Gratwan<strong>de</strong>rung das Verhältnis von Grundwerten, Zielen<br />

und Instrumenten als Ausgangspunkt ihres Policy-seeking umstritten war. Dies ist<br />

insofern von Be<strong>de</strong>utung, da Parteiprogramme die Politik von Regierungsparteien<br />

signifikant beeinflussen, wie dies Klingemann/Hofferbert/Budge (1994) eindrucksvoll<br />

nachgewiesen haben. Es stellt sich damit die Frage, wie bei einer unklaren und<br />

umstrittenen programmatischen Ausrichtung exekutive Entscheidungen getroffen wer<strong>de</strong>n<br />

und welche Rückwirkung diese haben.<br />

2 Akteur und Handlungsraum<br />

2.1 Die SPD in <strong>de</strong>n neunziger Jahren<br />

Das 1989 verabschie<strong>de</strong>te Grundsatzprogramm formulierte zwar konsistent <strong>de</strong>n<br />

ökosozialen und postmaterialistischen Grundkonsens <strong>de</strong>r damaligen SPD und befriedigte<br />

das Bedürfnis <strong>de</strong>r überzeugten Anhänger nach inhaltlicher Akzentuierung, war jedoch<br />

schon 1990 überholt (Bartels 2000: 714), da es die Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r politischen<br />

Handlungsbedingungen nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kalten Krieges und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Einheit<br />

nicht wi<strong>de</strong>rspiegelte. 6 Eine programmatische Neupositionierung, die durch die<br />

4 Nach Peter Hall (1993) kann eine Verän<strong>de</strong>rung von Politikinhalten auf drei Ebenen stattfin<strong>de</strong>n: Erstens auf<br />

<strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Ziele, die verfolgt wer<strong>de</strong>n, zweitens <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Instrumente, mit welchen die Ziele erreicht<br />

wer<strong>de</strong>n sollen und schließlich auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r spezifischen Ausgestaltung dieser Instrumente. Es bedarf<br />

<strong>de</strong>r Einordnung, ob es sich bei <strong>de</strong>r Programm<strong>de</strong>batte in <strong>de</strong>r SPD um Än<strong>de</strong>rungen dritter Ordnung o<strong>de</strong>r nur<br />

um zweiter Ordnung han<strong>de</strong>lt.<br />

5 Bei<strong>de</strong>s korrespondiert mit <strong>de</strong>r von Panebianco aufgezeigten unterschiedlichen Strategien, die<br />

professionelle Wählerparteien verfolgen können: Eine Anpassungsstrategie (an die Gegebenheiten <strong>de</strong>r<br />

Umwelt) auf <strong>de</strong>r einen Seite und eine Überzeugungsstrategie (eben dieser Umwelt) auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

(Panebianco 1988: 12ff).<br />

6 Dieses Programm wird sicherlich das am wenigsten beachtete Grundsatzprogramm in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r<br />

SPD sein, auch wenn immer wie<strong>de</strong>r betont wird, dass zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>r Grundwerteteil aktuell und zeitlos sei<br />

(z.B. Thierse 2000, Meyer 2002).<br />

5


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Wahlnie<strong>de</strong>rlage von 1990 hätte induziert wer<strong>de</strong>n können, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r ersten Hälfte <strong>de</strong>r<br />

90er Jahre durch die nicht gelöste Personaldiskussion an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r Partei in <strong>de</strong>n<br />

Hintergrund gedrängt. 7 Da Oskar Lafontaine 1991 nicht zum Parteivorsitz bereit war und<br />

Björn Engholm 1993 von <strong>de</strong>n Nachwirkungen <strong>de</strong>r Barschelaffäre eingeholt wur<strong>de</strong>, war<br />

eine Mitglie<strong>de</strong>rbefragung eine innovative Möglichkeit, die Personalfrage partizipativ und<br />

öffentlichkeitswirksam zu klären. Der Sieger dieser Befragung – Rudolf Scharping – hatte<br />

aber nur eine relative Mehrheit (40,3%) <strong>de</strong>r Partei hinter sich und konnte auf Dauer <strong>de</strong>n<br />

personellen Konflikt mit <strong>de</strong>n machtbewussten Ministerpräsi<strong>de</strong>nten Schrö<strong>de</strong>r und<br />

Lafontaine nicht been<strong>de</strong>n.<br />

Programmatisch unternahm die SPD zu Beginn <strong>de</strong>r 90er Jahre mit <strong>de</strong>n Petersberger<br />

Beschlüssen 8 eine Annäherung an die neuen Gegebenheiten in <strong>de</strong>r Außenpolitik, so dass<br />

die SPD nun auch Bun<strong>de</strong>swehreinsätze im Rahmen von UN-Missionen zuließ. Auch in <strong>de</strong>r<br />

Asylpolitik entschied sich die SPD nach innerparteilichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen 9 zu einer<br />

restriktiveren Haltung, um dieses für die SPD schädliche Thema von <strong>de</strong>r Tagungsordnung<br />

zu bekommen. Begonnen, aber nicht zu En<strong>de</strong> geführt, 10 wur<strong>de</strong> eine inhaltliche<br />

Vergewisserung in <strong>de</strong>r Sozial- und Wirtschaftspolitik, die aufgrund <strong>de</strong>r Globalisierung,<br />

<strong>de</strong>s Maastrichtvertrags und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utscher Einheit nötig gewor<strong>de</strong>n war. Eine solche<br />

programmatische Entwicklung wur<strong>de</strong> durch die Politikverflechtung im bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen<br />

„Grand-Coalition-State“ (Schmidt 1996) aber erschwert, da die Oppositionspartei SPD<br />

aufgrund ihrer mitgestalten<strong>de</strong>n Position im Bun<strong>de</strong>srat an einer grundlegen<strong>de</strong><br />

Neupositionierung gehin<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>. Die Übernahme <strong>de</strong>s Parteivorsitzes durch Lafontaine<br />

im Jahre 1995 been<strong>de</strong>te zwar die öffentliche Zerstrittenheit und Orientierungslosigkeit<br />

innerhalb <strong>de</strong>r Partei, 11 eine Klärung <strong>de</strong>r grundsätzlichen inhaltlichen Ausrichtung und die<br />

damit verbun<strong>de</strong>ne Lösung <strong>de</strong>r Kanzlerkandidatenfrage für 1998 unterblieb jedoch.<br />

7 Das Problem <strong>de</strong>r SPD <strong>de</strong>r 90er Jahre war nicht, dass sie zuwenig politische Führungstalente hatte, son<strong>de</strong>rn<br />

dass es in <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn zu viele ambitionierte SPD-Ministerpräsi<strong>de</strong>nten gab (so Walter 2002: 215ff).<br />

8 Die Petersberger Beschlüsse waren das Ergebnis einer Klausurtagung <strong>de</strong>r Parteiführung, die dann nach<br />

innerparteilicher Kritik in das SPD-Sofortprogramm, beschlossen auf <strong>de</strong>m außeror<strong>de</strong>ntlichen Parteitag 1992,<br />

einflossen (SPD 1992).<br />

9 Bei bei<strong>de</strong>n Positionen han<strong>de</strong>lte es sich um Kernelemente sozial<strong>de</strong>mokratischer Basisi<strong>de</strong>ntität, was sich zum<br />

Beispiel in <strong>de</strong>r Vielzahl von Nein-Stimmen von SPD-Abgeordneten zum Asylkompromiss zeigte. Sie waren<br />

aber einem signifikanten Teil <strong>de</strong>r traditionellen Wählerschaft nicht zu vermitteln.<br />

10 Sowohl das SPD-Sofortprogramm als auch die Re<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Vorsitzen<strong>de</strong>n Engholm (SPD 1992) und<br />

Scharping (SPD 1993a, 1993b) enthalten vorsichtige Überlegungen hinsichtlich <strong>de</strong>r Priorität <strong>de</strong>r<br />

Haushaltssanierung als auch <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierung (inklusive Kürzungen) <strong>de</strong>s Wohlfahrtsstaates.<br />

11 Dieses wur<strong>de</strong> medial geför<strong>de</strong>rt durch <strong>de</strong>n Führungsstreit zwischen Scharping und Schrö<strong>de</strong>r, bei <strong>de</strong>m<br />

Scharping äußerst unglücklich agierte und so für diesen Streit verantwortlich gemacht wur<strong>de</strong> (Walter 2002:<br />

237).<br />

6


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Der Dualismus „Mo<strong>de</strong>rnisierer vs. Traditionalisten“ suggeriert eine gewisse Ein<strong>de</strong>utigkeit<br />

<strong>de</strong>r Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>n Flügeln, <strong>de</strong>r sicherlich publizistisch überzeichnet<br />

wur<strong>de</strong>, allerdings zu Beginn <strong>de</strong>r Regierungsübernahme in Gestalt unterschiedlicher<br />

Strömungen innerhalb <strong>de</strong>r SPD durchaus festzustellen war (Frenzel 2002: 161f., Padgett<br />

1994: 27f.). Zwei bzw. drei (bedingt durch eine gewisse Binnendifferenzierung) Gruppen<br />

hatten 1998 entgegengesetzte Vorstellungen davon, welche Politik nach einer<br />

Regierungsübernahme von <strong>de</strong>r SPD umzusetzen sei:<br />

(1) Als „Traditionskompanie“ lassen sich beson<strong>de</strong>rs diejenigen bezeichnen, die <strong>de</strong>n<br />

Gewerkschaften und Sozialpolitikern <strong>de</strong>r Partei nahe stehen und das Ziel <strong>de</strong>r Partei in<br />

erster Linie darin sehen, <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n nationalen Sozialstaat mit <strong>de</strong>m erreichten<br />

Schutzniveau für Arbeitsnehmer gegen neoliberale Flexibilisierungen zu verteidigen.<br />

Dieser Flügel kann, gestützt auf die Gewerkschaften und die Präferenzen großer Teile <strong>de</strong>s<br />

Elektorats, eine zu starke Anpassung an neoliberale Konzepte durch Protest und<br />

Enthaltung wirksam verhin<strong>de</strong>rn.<br />

(2) Eine zweite Gruppe stellt die parlamentarische Linke dar (z. B. Lafontaine), die auf die<br />

verän<strong>de</strong>rten ökonomischen Rahmenbedingungen mit einer reregulativen Politik auf<br />

europäischer o<strong>de</strong>r globaler Ebene reagieren und dabei auf nachfragepolitische<br />

Instrumente zurückgreifen wollen.<br />

Bei<strong>de</strong> Gruppen können – trotz vieler Differenzen im Detail – als die „Linke“ o<strong>de</strong>r die<br />

„Traditionalisten“ innerhalb <strong>de</strong>r SPD bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />

(3) Dem stehen die sogenannten „Mo<strong>de</strong>rnisierer“ gegenüber, die zwar kein geschlossenes<br />

politisches Konzept haben (Weßels 2001: 46), aber davon ausgehen, dass angesichts<br />

verän<strong>de</strong>rter Handlungsbedingungen eine Anpassung <strong>de</strong>r sozial<strong>de</strong>mokratischen<br />

Programmatik nötig sei und dabei zwangsläufig auch bisher abgelehnte Ziele und Mittel<br />

integriert wer<strong>de</strong>n müssten. Die bisherigen Instrumente sozial<strong>de</strong>mokratischer Politik<br />

hätten sich als untauglich erwiesen und müssten aufgeben wer<strong>de</strong>n. 12<br />

2.2 Die Herausfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r SPD<br />

Wie alle europäischen Sozial<strong>de</strong>mokratien musste die SPD beson<strong>de</strong>rs auf drei sich<br />

verschränken<strong>de</strong> und überlappen<strong>de</strong> Herausfor<strong>de</strong>rungen am Beginn <strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

eine programmatische Antwort fin<strong>de</strong>n: Erstens auf <strong>de</strong>n sozialstrukturellen Wan<strong>de</strong>l, <strong>de</strong>nn<br />

7


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

die zunehmen<strong>de</strong> Alterung <strong>de</strong>r Bevölkerung, die Auflösung fester Erwerbsbiographien<br />

und die Herausbildung einer wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft (Pierson 2001)<br />

erzwingen einer Anpassung <strong>de</strong>s Sozialstaates, damit dieser weiterhin die Aufgabe einer<br />

sozialen Absicherung <strong>de</strong>r Bevölkerung wahrnehmen kann. 13 Eine Diskussion um die<br />

Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s Wohlfahrtsstaates for<strong>de</strong>rt somit die Kernkompetenz <strong>de</strong>r<br />

Sozial<strong>de</strong>mokratie heraus, für soziale Sicherheit und Gerechtigkeit zu sorgen. Zweitens<br />

führen die ökonomischen Entwicklungen, zusammengefasst unter <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r<br />

Globalisierung, zu einer Verän<strong>de</strong>rung, wenn nicht Einschränkung <strong>de</strong>r<br />

wirtschaftspolitischen Handlungsoptionen <strong>de</strong>s Nationalstaates. 14 Die Sozial<strong>de</strong>mokratie<br />

muss sich hier ihrer noch bestehen<strong>de</strong>n Konzepte vergewissern, wie sie unter diesen<br />

Bedingungen noch Politik gestalten möchte. <strong>Dritte</strong>ns wird <strong>de</strong>r Prozess <strong>de</strong>r Globalisierung<br />

im europäischen Kontext durch die wachsen<strong>de</strong> Europäische Integration und die<br />

Verlagerung relevanter Politikfel<strong>de</strong>r vom Nationalstaat auf die europäische Ebene<br />

ergänzt. Was dies für die nationalen Sozial<strong>de</strong>mokratien be<strong>de</strong>utet und ob sich daraus eine<br />

Strategie auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r EU ergeben könnte, ist innerhalb <strong>de</strong>r SPD noch weitgehend<br />

ungeklärt.<br />

Diese Herausfor<strong>de</strong>rungen verlangen eine „situationbezogene Konkretisierung <strong>de</strong>r<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischen Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ (Meyer 2001:<br />

13). Die Betonung <strong>de</strong>r gemeinsamen Grundwerte lässt außer acht, dass es in <strong>de</strong>r<br />

Diskussion um sehr unterschiedliche Neu<strong>de</strong>finitionen ebendieser Grundwerte und sich<br />

ausschließen<strong>de</strong> Politikkonzepte geht (Jünke 1999). Im Kern <strong>de</strong>s programmatischen<br />

Konflikts steht die zentrale Frage nach <strong>de</strong>r konkreten, zeitgemäßen sozial<strong>de</strong>mokratischen<br />

Ausformung <strong>de</strong>ssen, was soziale Gerechtigkeit sei. Damit verbun<strong>de</strong>n ist die Frage, welche<br />

Rolle <strong>de</strong>r Staat in Bezug auf <strong>de</strong>n Markt bei <strong>de</strong>r Verwirklichung dieses<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischen Ziels einzunehmen hat. Welches Ausmaß an neoliberalen<br />

12 Schrö<strong>de</strong>rs Diktum, es gebe keine linke o<strong>de</strong>r rechte, son<strong>de</strong>rn nur mo<strong>de</strong>rne o<strong>de</strong>r unmo<strong>de</strong>rne<br />

Wirtschaftspolitik, be<strong>de</strong>utet im Prinzip die Anpassung <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie an angebotspolitische Konzepte<br />

(<strong>de</strong>r von manchen Sozial<strong>de</strong>mokraten noch ein ‚links’ verpasst wird, z.B. Hombach 1998).<br />

13 Diese Verän<strong>de</strong>rungen ebenso wie die Globalisierung haben auf die unterschiedlichen Wohlfahrtstypen<br />

aufgrund <strong>de</strong>ren institutioneller Verfasstheit unterschiedliche Wirkungen, welche hier allerdings<br />

unberücksichtigt bleiben (hierzu Swank 2002). Zu bemerken ist allerdings, dass beson<strong>de</strong>rs<br />

beitragsfinanzierte Sozialstaaten wie Deutschland unter Anpassungsdruck stehen.<br />

14 Innerhalb <strong>de</strong>r umfangreichen Literatur zur Globalisierungs<strong>de</strong>batte (z.B. Busch/Plümper 1999) wird zwar<br />

über <strong>de</strong>ren Ausmaß und die Art <strong>de</strong>r Beschränkung nationalstaatlicher Optionen kontrovers argumentiert,<br />

unzweifelhaft han<strong>de</strong>lt es sich aber um eine qualitative Verän<strong>de</strong>rung für die möglichen Instrumente<br />

regulativer Politik.<br />

8


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Elementen wie Flexibilisierung und Privatisierung ist noch statthaft, um als<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischer Politik-Mix zu gelten?<br />

2.3 Der Handlungsraum<br />

Die programmatische Entwicklung als Antwort auf neue Herausfor<strong>de</strong>rungen wird<br />

maßgeblich davon bestimmt, wie sich <strong>de</strong>r Handlungsraum, in <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Akteur Partei<br />

bewegt, konstituiert (Scharpf 2000). Sowohl die gesellschaftliche Verankerung in <strong>de</strong>r<br />

Wählerschaft als auch die Konkurrenzsituation im Parteienwettbewerb beeinflussen die<br />

inhaltliche Ausrichtung und Wahrnehmung bestimmter neuer Probleme und können sich<br />

als Ressource o<strong>de</strong>r Restriktion für eine Revision von Zielen und Strategien herausstellen.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r abnehmen<strong>de</strong>n langfristigen Wählerbindung (Roth 2001), <strong>de</strong>s<br />

kontinuierlichen Schrumpfens <strong>de</strong>r Gewerkschaften und <strong>de</strong>s Industriearbeiteranteils in <strong>de</strong>r<br />

Bevölkerung ist es für die SPD unausweichlich gewor<strong>de</strong>n, ein heterogenes<br />

Wählerpublikum an sich zu bin<strong>de</strong>n. Ein solcher Spagat ist für die SPD als strukturell nur<br />

zweitstärkster Partei (Stöss/Nie<strong>de</strong>rmayer 2000) keine ganz neue Restriktion (Walter 2002).<br />

Dieser Spagat wird allerdings dadurch erschwert, dass die SPD nicht nur gleichzeitig<br />

Wechsel- und Stammwähler gewinnen muss, son<strong>de</strong>rn dass sich ihre Stammwähler aus<br />

zwei heterogenen gesellschaftlichen Milieus zusammensetzen, <strong>de</strong>ren Interessen und<br />

Präferenzen an eine sozial<strong>de</strong>mokratische Politik häufig diametral entgegengesetzt sind. 15<br />

Die programmatische Befriedigung aller kann nur durch ein eklektisches Nebeneinan<strong>de</strong>r<br />

unterschiedlicher Ziele und Vorhaben gelingen. Eine gewisse Unklarheit über die<br />

politischen Vorhaben ist <strong>de</strong>shalb für einen Wahlsieg vorteilhaft, wird allerdings zum<br />

Problem, wenn die Vorhaben in Regierungspolitik umzusetzen sind, da dann ein Teil <strong>de</strong>r<br />

Wählerschichten mit sich gegenseitig ausschließen<strong>de</strong>n Präferenzen zwangsläufig<br />

enttäuscht wird. 16<br />

Auf <strong>de</strong>m Wählermarkt be<strong>de</strong>utet diese Heterogenität eine Konkurrenz mit <strong>de</strong>n Grünen um<br />

postmaterialistisch eingestellte Wähler, mit <strong>de</strong>r CDU/CSU um produktivistisch<br />

15 Während die Arbeiter und Angestellten aus <strong>de</strong>r mittleren und unteren Einkommensgruppen (also die<br />

klassischen Stammwähler) von <strong>de</strong>r SPD eine Sicherung und Verteidigung ihrer erreichten sozialen und<br />

wirtschaftlichen Rechte und Positionen erwarten, sehen die ‚neuen Stammwähler’ aus wissensbasierten<br />

Dienstleistungsberufen die Aufgabe darin, eine notwendige postmaterialistische Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>r<br />

Gesellschaft einzuleiten.<br />

16 Was 1998 noch schneller geschehen konnte, da die rot-grüne Regierung keinen ein<strong>de</strong>utigen<br />

Wählerauftrag hatte (Falter 2001). Vor <strong>de</strong>r Wahl sprachen sich für die rot-grüne Option nur 46% <strong>de</strong>r<br />

potentiellen SPD-Wähler aus. Innerhalb <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Wechselwähler gab es sogar eine Mehrheit für eine<br />

große Koalition.<br />

9


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

eingestellte Beschäftigte im Westen und mit <strong>de</strong>r PDS um sozialstaatlich eingestellte<br />

Wähler im Osten. Erschwert wird diese Position im Parteienwettbewerb dadurch, dass die<br />

SPD mit <strong>de</strong>r CDU als zweiter großen Sozialstaatspartei auf <strong>de</strong>m Feld ihrer Kernkompetenz<br />

konkurrieren muss, so dass <strong>de</strong>r programmatische Spielraum eher begrenzt ist. Die SPD<br />

kann somit „nach allen Seiten“ Wähler verlieren. Konsistente programmatische Angebote,<br />

die alle diese Wählergruppen gleichzeitig ansprechen, sind kaum zu formulieren.<br />

Was für <strong>de</strong>n Machterwerb <strong>de</strong>r SPD jedoch günstig ist, ist ihre pivotale Stellung innerhalb<br />

dieses Parteienspektrums. Während alle an<strong>de</strong>ren Parteien zur Regierungsübernahme nur<br />

einen (Grüne/PDS) o<strong>de</strong>r zwei (CDU/FDP) mögliche Koalitionspartner haben, können die<br />

Sozial<strong>de</strong>mokraten prinzipiell mit je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Parteien regieren. Aufgrund <strong>de</strong>r<br />

babylonischen Koalitionsgefangenschaft <strong>de</strong>r Grünen (und auch <strong>de</strong>r PDS) kann die SPD<br />

programmatisch weit in die Mitte rücken, ohne eine mögliche Regierungsteilhabe aufs<br />

Spiel setzen zu müssen.<br />

2.4 „Innovation und Gerechtigkeit“ – elektoral erfolgreich, programmatisch leer<br />

Die Themenkonjunktur verlief für die SPD wahlstrategisch glücklich, da ihr Grundthema<br />

– die Frage <strong>de</strong>r sozialen Gerechtigkeit – in <strong>de</strong>n letzten Jahren <strong>de</strong>r Kohl-Regierung zu<br />

einem vorherrschen<strong>de</strong>n Thema in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit wur<strong>de</strong>, weil auch eine Mehrheit <strong>de</strong>r<br />

potentiellen Wähler über die Stammwähler hinaus diese Frage als für sich relevant und<br />

damit wahlentschei<strong>de</strong>nd ent<strong>de</strong>ckten (Eith/Mielke 2000). Die um das Begriffspaar<br />

„Innovation und Gerechtigkeit“ konzipierte Wahlkampagne (Ristau 2000) war für die SPD<br />

elektoral höchst erfolgreich. Sie konnte mit Hilfe dieser bei<strong>de</strong>n Begriffe eine optimale<br />

Wählerkoalition schmie<strong>de</strong>n, d.h. Stammwähler mobilisieren und zugleich enttäusche<br />

<strong>Uni</strong>ons- und Wechselwähler gewinnen (Forschungsgruppe Wahlen 1998; Roth 2001). Aus<br />

<strong>de</strong>r Not <strong>de</strong>r Konkurrenzsituation zwischen Lafontaine und Schrö<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> eine Tugend<br />

gemacht, <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>m zweischneidigen wirtschaftspolitischen Profil dieses Tan<strong>de</strong>ms<br />

wur<strong>de</strong>n ebenfalls komplementäre Wählerpotentiale angesprochen. Während Lafontaine<br />

für „Gerechtigkeit“ stand und die klassische Klientel <strong>de</strong>r SPD mobilisierte, versprach<br />

Schrö<strong>de</strong>r „Innovation“ und gewann so die Wähler <strong>de</strong>r „Neuen Mitte“. Erkauft wur<strong>de</strong><br />

dieser Erfolg jedoch mit einer programmatischer Unschärfe: Das Wahlprogramm enthält<br />

vornehmlich vage Absichtserklärungen statt konkreter Maßnahmen, 17 die Differenzen<br />

17 Somit sind die späteren Koalitionspartner SPD und Grüne mit ihren Wahlprogrammen jeweils<br />

gegensätzlichen Logiken gefolgt. Während die Grünen im Spannungsfeld zwischen programmatischer<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

zwischen <strong>de</strong>m Parteivorsitzen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Kanzlerkandidaten über die Richtung in <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftspolitik wur<strong>de</strong>n nur über<strong>de</strong>ckt und auch die innerparteilichen Differenzen auf<br />

diesem Gebiet nicht überwun<strong>de</strong>n. Die Aussagen <strong>de</strong>s Wahlprogramms zur Wirtschafts-<br />

und Sozialpolitik sind <strong>de</strong>mentsprechend durch ein eigentümliches „Sowohl als auch“<br />

gekennzeichnet: Das überragen<strong>de</strong> Ziel <strong>de</strong>s Programms, <strong>de</strong>r Abbau <strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit,<br />

soll durch eine „kluge und pragmatische Kombination von Angebots- und<br />

Nachfragepolitik“ erreicht wer<strong>de</strong>n. Auf <strong>de</strong>r Angebotsseite sollen eine Absenkung <strong>de</strong>r<br />

Unternehmenssteuern und <strong>de</strong>r Sozialversicherungsbeiträge Investitionen <strong>de</strong>r<br />

Unternehmen begünstigen, die Ausgaben für Bildung und Wissenschaft in <strong>de</strong>n<br />

kommen<strong>de</strong>n fünf Jahren verdoppelt wer<strong>de</strong>n. Auf <strong>de</strong>r Nachfrageseite sollen steuerliche<br />

Entlastungen <strong>de</strong>r Arbeitnehmer und die Erhöhung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>rgel<strong>de</strong>s die Binnennachfrage<br />

und somit die Konjunktur ankurbeln. Außer<strong>de</strong>m soll die Finanzpolitik wie<strong>de</strong>r<br />

„konjunkturgerecht“ wer<strong>de</strong>n. Für arbeitslose Jugendliche wird ein Sofortprogramm<br />

angekündigt. Gleichzeitig verpflichtet sich die SPD aber auch zu einer „strengen<br />

Haushaltsdisziplin“ und sieht für kreditfinanzierte Konjunkturprogramme „keinerlei<br />

Spielraum“. Während Schrö<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Programmparteitag in Leipzig die Angebotsseite<br />

dahingehend konkretisierte, dass er die Senkung von Unternehmenssteuern auf einen<br />

einheitlichen Steuersatz von 35 % ankündigte, hob Lafontaine die im Programm<br />

genannten klassisch-sozial<strong>de</strong>mokratischen Maßnahmen in <strong>de</strong>r Sozial- und<br />

Arbeitsmarktpolitik 18 hervor. Schrö<strong>de</strong>r spielte somit die Rolle <strong>de</strong>s wirtschaftsfreundlichen<br />

„Mo<strong>de</strong>rnisierers“, während Lafontaine für die „traditionellen“ Bestän<strong>de</strong><br />

sozial<strong>de</strong>mokratischer Politik eintrat.<br />

3 Die Friktionen zwischen Programm und Regierungspolitik<br />

Im ersten Regierungsjahr war die SPD gleich mit drei Krisen konfrontiert (Mielke 1999):<br />

Bis En<strong>de</strong> 1999 mit einer Akzeptanzkrise bei <strong>de</strong>n Wählern, bis zum Rücktritt Lafontaines<br />

mit einer Stabilitätskrise in <strong>de</strong>r Führung und nach <strong>de</strong>m darauf folgen<strong>de</strong>n Kurswechsel in<br />

Akzentuierung und Mäßigung <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Parteibasis gewünschten, aber elektoral unsensiblen<br />

programmatischen Schärfe gefolgt waren (<strong>Egle</strong> i.d.B.), verfolgte die SPD eine <strong>de</strong>moskopisch gestützte<br />

Strategie <strong>de</strong>r Wählerstimmenmaximierung, die auf Kosten <strong>de</strong>r programmatischen Klarheit ging. Somit warf<br />

die grüne Basis ihren Regierungspolitikern häufig mangeln<strong>de</strong> Durchsetzungsfähigkeit <strong>de</strong>s (anspruchsvollen)<br />

Programms vor, während die Parteibasis <strong>de</strong>r SPD mit <strong>de</strong>r Zeit in eine hilflose Orientierungslosigkeit verfiel.<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

<strong>de</strong>r Finanz- und Wirtschaftspolitik mit einer Programmkrise, da die Parteibasis auf diesen<br />

Politikwechsel nicht vorbereitet war. Zwar ist es durchaus nicht unüblich, dass Parteien<br />

nach <strong>de</strong>m Wechsel von <strong>de</strong>r Opposition in die Regierung einen innerparteilichen Streit<br />

darüber führen, wie ihre Programmatik konkret ausgestaltet wer<strong>de</strong>n soll – bei <strong>de</strong>r SPD<br />

war allerdings nicht nur die Konkretisierung, son<strong>de</strong>rn die ganze Richtung <strong>de</strong>r Politik<br />

umstritten. Die mustergültige programmatische Vorbereitung <strong>de</strong>r britischen Labour Party<br />

unter Tony Blair auf die Regierungspolitik darf in diesem Zusammenhang eher als eine<br />

Ausnahme gelten. Aber auch in <strong>de</strong>r Innen- und Außenpolitik musste die Partei<br />

Programmatik und Politik neu bestimmen. In <strong>de</strong>r Außenpolitik brach sie mit <strong>de</strong>m<br />

Grundsatz, ohne UN-Mandat keine Auslandseinsätze <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swehr zuzulassen. In <strong>de</strong>r<br />

Innenpolitik differierte die Politik zwar kaum von <strong>de</strong>r Programmatik, eine (zu) liberale<br />

Gesellschaftspolitik wird aber von einem Teil <strong>de</strong>r SPD-Wählerschaft nicht akzeptiert, so<br />

dass auch hier von manchen Vorhaben Abstand genommen wur<strong>de</strong>.<br />

3.1 Wirtschafts- und Sozialpolitik: Neoliberalismus ante portas?<br />

Der wirkungsmächtigste innerparteiliche Streit um das Verhältnis von Programmatik und<br />

Regierungspolitik fand in <strong>de</strong>n für die Sozial<strong>de</strong>mokratie zentralen Politikfel<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />

Wirtschafts- und Sozialpolitik statt – <strong>de</strong>nn hier musste das unklare Profil zwischen<br />

„Innovation und Gerechtigkeit“ konkret ausgestaltet und <strong>de</strong>r innerparteiliche Konflikt<br />

zwischen „Traditionalisten“ und „Mo<strong>de</strong>rnisierern“ gelöst wer<strong>de</strong>n.<br />

Während für Oskar Lafontaine <strong>de</strong>r (neoliberale) wirtschaftspolitische Mainstream <strong>de</strong>r<br />

letzen Jahre „voll neben <strong>de</strong>r Sache lag“ (Lafontaine 1999: 48), for<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>signierte<br />

Kanzleramtsminister und Mo<strong>de</strong>rnisierer Bodo Hombach einen allgemeinen Rückzug <strong>de</strong>s<br />

Staates aus <strong>de</strong>r Wirtschaft, <strong>de</strong>n „Abschied vom Sozialstaat alten Typs“ und einen<br />

„Befreiungsschlag“ durch kräftige Steuersenkungen (Hombach 1998). Zunächst wur<strong>de</strong>n<br />

aber durch das Gesetz zu „Korrekturen in <strong>de</strong>r Sozialversicherung und zur Sicherung <strong>de</strong>r<br />

Arbeitnehmerrechte“ diejenigen Vorhaben <strong>de</strong>s Wahlprogramms in die Praxis umgesetzt,<br />

die <strong>de</strong>n „Traditionalisten“ zuzuschreiben sind (Schmidt i.d.B.). Vor allem die Maßnahmen<br />

zur „Scheinselbständigkeit“ und zu <strong>de</strong>n geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen riefen<br />

<strong>de</strong>n vehementen öffentlichen Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>r Wirtschaftsverbän<strong>de</strong> hervor. Wie diese<br />

Maßnahmen erfüllte auch die Steuerreform 1998/99, die in erster Linie <strong>de</strong>n<br />

18 Hierbei sind in erster Linie die versprochenen Korrekturen bei <strong>de</strong>r Lohnfortzahlung, <strong>de</strong>m<br />

Kündigungsschutz und <strong>de</strong>m Schlechtwettergeld zu nennen sowie die angekündigte Reform <strong>de</strong>r<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Arbeitnehmerhaushalten, nicht aber <strong>de</strong>r Wirtschaft zugute kam (Zohlnhöfer i.d.B.),<br />

ziemlich genau das Wahlprogramm. Lafontaines Ziel einer Makrosteuerung <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaft und seine For<strong>de</strong>rung nach einer lockeren Geldpolitik rief bei vielen<br />

Beobachtern <strong>de</strong>n Eindruck einer Politik <strong>de</strong>s „krausen Pseudo-Keynesianismus“ (FAZ<br />

10.11.1998, 1) hervor. Die ersten Monate nach <strong>de</strong>m Regierungswechsel gab eher <strong>de</strong>r<br />

Parteivorsitzen<strong>de</strong> als <strong>de</strong>r Kanzler die Richtlinien <strong>de</strong>r Politik an. Die<br />

Mo<strong>de</strong>rnisierungsfraktion innerhalb <strong>de</strong>r SPD kam nicht zum Zuge, vor allem <strong>de</strong>r<br />

nordrhein-westfälische Ministerpräsi<strong>de</strong>nt und Mo<strong>de</strong>rnisierer Wolfgang Clement fühlte<br />

sich von Lafontaine überrollt und kritisierte die geplante Steuerreform als zu<br />

wirtschaftsfeindlich. Spätestens jetzt war klar, dass es in <strong>de</strong>r SPD kein gemeinsames<br />

wirtschaftspolitisches Konzept gab und sich das elektoral noch erfolgreiche<br />

Spannungsverhältnis zwischen Schrö<strong>de</strong>r und Lafontaine inzwischen als kontraproduktiv<br />

erwies. Die Unklarheit über die wirtschaftspolitische Richtung <strong>de</strong>r Regierung kulminierte<br />

in <strong>de</strong>r Kabinettsitzung vom 10. März 1999, in <strong>de</strong>r Schrö<strong>de</strong>r klarstellte, dass man ein Land<br />

nicht gegen die Wirtschaft regieren könne und eine Politik gegen die Wirtschaft mit ihm<br />

nicht zu machen sei (Lafontaine 1999: 222). Tags darauf trat Oskar Lafontaine von seinen<br />

Ämtern zurück. Über die Grün<strong>de</strong> für diesen radikalen Schritt, <strong>de</strong>r die Regierungspolitik<br />

<strong>de</strong>r SPD verän<strong>de</strong>rte und <strong>de</strong>n linken Flügel <strong>de</strong>r Partei nachhaltig schwächte, 19 kann nur<br />

spekuliert wer<strong>de</strong>n – drei Faktoren wer<strong>de</strong>n aber eine Rolle gespielt haben: Zum einen ist es<br />

Lafontaine nicht gelungen, die EU-Partner von einem europäischen Pakt in <strong>de</strong>r<br />

Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Geldpolitik zu überzeugen, zweitens stand er, in<br />

Deutschland wie im Ausland, unter medialem Dauerbeschuss und schließlich könnte man<br />

in Schrö<strong>de</strong>rs oben genannten Formulierung durchaus eine gezielte Provokation sehen,<br />

seinen Rücktritt herbeizuführen. Somit wur<strong>de</strong> die Phase <strong>de</strong>r Dominanz Lafontaines bzw.<br />

<strong>de</strong>r Traditionalisten been<strong>de</strong>t, und die Mo<strong>de</strong>rnisierungsfraktion in <strong>de</strong>r Partei hatte nun die<br />

Chance, ihre Vorstellungen umzusetzen. 20<br />

Tatsächlich war mit <strong>de</strong>m Wechsel von Oskar Lafontaine zu Hans Eichel auch ein<br />

Politikwechsel verbun<strong>de</strong>n (Zohlnhöfer i.d.B.). Jedoch konnte sich auch <strong>de</strong>r neue<br />

geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse und die Beschneidung <strong>de</strong>r sog. “Scheinselbständigkeit“.<br />

19 Dadurch wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>utlich, wie personell schwach die SPD-Linke gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Mo<strong>de</strong>rnisierungsflügel gera<strong>de</strong> in exekutiven und parteiinternen Führungsposten ist.<br />

20 Dabei rechnen wir Schrö<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>rnisierern zu, auch wenn dieser nach Lafontaines Rücktritt situativ<br />

durchaus Themen und Position <strong>de</strong>s linken Flügels zum Ausdruck brachte, vor allem zur Mobilisierung <strong>de</strong>r<br />

gewerkschaftsnahen Stammklientel <strong>de</strong>r SPD im Vorfeld <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagswahl 2002. Außer<strong>de</strong>m musste<br />

Schrö<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>s Parteivorsitzes darauf achten, parteiintegrativ zu wirken und schwächte<br />

somit das „reine“ Mo<strong>de</strong>rnisierungsprofil etwas ab.<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Finanzminister auf das Wahlprogramm berufen, in <strong>de</strong>m ja auch eine<br />

Konsolidierungspolitik mit „strenger Haushaltsdisziplin“ und eine „Rückführung <strong>de</strong>r<br />

Staatsverschuldung“ angekündigt wur<strong>de</strong>. Das im Mai/Juni 1999 von Hans Eichel<br />

geschnürte Sparpaket rief allerdings heftige innerparteiliche Proteste hervor und wur<strong>de</strong><br />

als sozial ungerecht kritisiert, da das größte Einsparvolumen im Bereich <strong>de</strong>n Renten- und<br />

Arbeitslosenversicherung erzielt wur<strong>de</strong> (Hickel 1999). Auch die knapp zwei Jahre später<br />

verabschie<strong>de</strong>te Rentenreform wur<strong>de</strong> innerhalb <strong>de</strong>r SPD als sozial unausgewogen kritisiert,<br />

da im Aufbau einer kapitalge<strong>de</strong>ckten Säule eine Abkehr vom Solidarprinzip und <strong>de</strong>r<br />

paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber- und Nehmer gesehen wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>r<br />

Gesundheitspolitik fürchtet <strong>de</strong>r linke Flügel seither eine ähnliche Reform, d.h. eine<br />

partielle Privatisierung <strong>de</strong>r Kosten <strong>de</strong>r Sozialvorsorge. Die Arbeitsmarktpolitik war vom<br />

Wechsel von Lafontaine zu Eichel kaum tangiert – neben <strong>de</strong>r Erfüllung <strong>de</strong>r<br />

Wahlversprechen zeichnete sich die Regierung in diesem Bereich aber ohnehin nicht<br />

durch einen beson<strong>de</strong>ren Reformeifer aus (Schmid i.d.B.). Hier konnten sich die<br />

beharren<strong>de</strong>n Kräfte <strong>de</strong>r Traditionalisten behaupten und beispielsweise Deregulierungen<br />

am Arbeitsmarkt verhin<strong>de</strong>rn.<br />

Fast gleichzeitig mit <strong>de</strong>r Bekanntgabe <strong>de</strong>s Sparpaketes veröffentlichte Gerhard Schrö<strong>de</strong>r<br />

gemeinsam mit Tony Blair im Juni 1999 einen „Vorschlag“ für <strong>de</strong>n „Weg nach vorne für<br />

Europas Sozial<strong>de</strong>mokraten“ (Schrö<strong>de</strong>r/Blair 1999). Dieses Schrö<strong>de</strong>r-Blair-Papier brach mit<br />

vielen traditionellen Glaubenssätzen <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie, und so fürchtete <strong>de</strong>r linke<br />

bzw. traditionelle Flügel <strong>de</strong>r SPD (und große Teile <strong>de</strong>r Gewerkschaften) eine<br />

Generalrevision <strong>de</strong>r sozial<strong>de</strong>mokratischen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Tatsächlich ging<br />

es in <strong>de</strong>r sich nun entwickeln<strong>de</strong>n Programm<strong>de</strong>batte nicht nur um Politikverän<strong>de</strong>rungen<br />

auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r Politikinstrumente (also solcher zweiter Ordnung), son<strong>de</strong>rn sogar<br />

dritter Ordnung, d.h. um die Zielhierarchie <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie – insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r<br />

Diskussion um Chancen- und Ergebnisgleichheit (s.u.).<br />

Man kann in diesem Papier <strong>de</strong>n Versuch Schrö<strong>de</strong>rs sehen, die seiner Meinung nach im<br />

Zuge <strong>de</strong>r Abarbeitung <strong>de</strong>r Wahlversprechen verloren gegangene ökonomische<br />

Kompetenz <strong>de</strong>r SPD und das Wohlwollen <strong>de</strong>r Wirtschaft wie<strong>de</strong>rzuerlangen (FAZ<br />

17.6.1999, 3). Gleichzeitig wur<strong>de</strong> offenbar versucht, die Programmentwicklung in seine<br />

Richtung zu lenken. Zwar beginnt das Papier mit einer verbalen Verbeugung vor <strong>de</strong>n<br />

Werten <strong>de</strong>r sozialen Gerechtigkeit und <strong>de</strong>r Solidarität, auf diese folgt jedoch eine<br />

Abrechnung mit <strong>de</strong>r sozial<strong>de</strong>mokratischen Politik <strong>de</strong>r letzten Jahrzehnte: Diese hätte sich<br />

zu sehr an sozialer Gleichheit im Ergebnis statt am Gebot <strong>de</strong>r Chancengleichheit orientiert,<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

die Staatsausgaben und die Steuerlast für Haushalte und Unternehmen seien zu hoch, und<br />

ganz generell seien die Schwächen <strong>de</strong>s Marktes über- und seine Stärken unterschätzt<br />

wor<strong>de</strong>n. Der Staat solle in Zukunft mehr steuern als ru<strong>de</strong>rn, weniger kontrollieren als<br />

herausfor<strong>de</strong>rn. Unter <strong>de</strong>m Titel einer „angebotsorientierten Agenda für die Linke“ wird<br />

zwar einem neoliberalen laisser-faire eine Absage erteilt, aber auch einer<br />

kreditfinanzierten Finanzpolitik und staatlichen Interventionen in die Wirtschaft. Die<br />

Produkt-, Kapital- und Arbeitsmärkte sollten allesamt <strong>de</strong>reguliert und flexibler wer<strong>de</strong>n.<br />

Für niedrig Qualifizierte brauche man einen Niedriglohnsektor, und die Systeme <strong>de</strong>r<br />

sozialen Sicherung müssten so reformiert wer<strong>de</strong>n, dass sie eine Arbeitsaufnahme nicht<br />

behin<strong>de</strong>rten. Man tut diesem Papier sicher kein Unrecht, wenn man in ihm eine<br />

programmatische Anpassung an die Funktionslogik integrierter Märkte sieht, die vor<br />

allem mit <strong>de</strong>n exekutiven Erfahrungen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Regierungschefs erklärt wer<strong>de</strong>n<br />

können. Das bisherige Anliegen <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie jedoch, die Wirtschaft in ihrem<br />

Sinne zu steuern o<strong>de</strong>r gar „Politics against Markets“ zu betreiben, scheint aufgegeben<br />

wor<strong>de</strong>n zu sein.<br />

Die Kritik aus <strong>de</strong>r SPD an diesem „Vorschlag“ war ebenso fundamental wie heftig, 21 und<br />

bis in die Parteispitze hinein wur<strong>de</strong> kritisiert, dass durch dieses Papier <strong>de</strong>r Eindruck<br />

entstan<strong>de</strong>n sei, <strong>de</strong>r Kanzler versuche <strong>de</strong>r SPD „von oben“ eine Programm<strong>de</strong>batte<br />

aufzudrücken. Letzteres war zumin<strong>de</strong>st nicht erfolglos, <strong>de</strong>nn schon wenige Tage nach <strong>de</strong>r<br />

Veröffentlichung dieses Papiers diagnostizierte Bun<strong>de</strong>sgeschäftsführer Ottmar Schreiner,<br />

die SPD stehe „am Vorabend einer neuen programmpolitischen Debatte“ (FAZ 17.6.1999,<br />

3).<br />

Bevor aber <strong>de</strong>r Parteitag in Berlin im Dezember tatsächlich die Ausarbeitung eines neuen<br />

Grundsatzprogramms beschloss, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r innerparteilich Streit noch eine Zeitlang<br />

öffentlich fortgeführt. So griff die „Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in <strong>de</strong>r<br />

SPD“ das Papier scharf an, da es die Leistungen <strong>de</strong>r Arbeiterbewegung ignoriere und ein<br />

Zerrbild <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie und <strong>de</strong>r sozialen Wirklichkeit zeichne. Im August<br />

veröffentliche eine Reihe von Bun<strong>de</strong>stagsabgeordneten ein Papier mit <strong>de</strong>m Titel „Kurs<br />

halten statt Neoliberalismus“: Das Schrö<strong>de</strong>r-Blair-Papier sei nicht nur eine „Rückkehr zu<br />

<strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r Politik von Helmut Kohl“ (ähnlich hatten sich zwischenzeitlich auch<br />

die Gewerkschaften geäußert), son<strong>de</strong>rn sogar eine „Zerstörung <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r<br />

21 So sprach <strong>de</strong>r Juso-Vorsitzen<strong>de</strong> Mikfeld von „gemäßigt-neoliberalen Polemiken“ und <strong>de</strong>r DGB von einer<br />

„historisch-blin<strong>de</strong>n Diffamierung <strong>de</strong>s Sozialstaats“ (FAZ 10.6.1999, 10).<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Sozial<strong>de</strong>mokratie“. Anstelle <strong>de</strong>r von Hans Eichel verfolgten Sparpolitik wird in diesem<br />

Papier vorgeschlagen, die Ökosteuer zu erhöhen, die Vermögenssteuer wie<strong>de</strong>r<br />

einzuführen und eine Ausbildungsabgabe zu erheben. Vor allem eine beson<strong>de</strong>re<br />

Besteuerung hoher Vermögen ist ein zentrales Anliegen <strong>de</strong>s linken Flügels, das auf nahezu<br />

je<strong>de</strong>m Parteitag gefor<strong>de</strong>rt wird. In einer „Berliner Erklärung“ stellten die Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

drei linken Arbeitsgemeinschaften <strong>de</strong>r SPD 22 schließlich klar, dass „eine Sozial<strong>de</strong>mokratie,<br />

die Weltmarktorientierung, Marktliberalisierung und Sozialstaatsprivatisierung zum<br />

Maßstab nimmt, an ihren selbstgesetzten Ansprüchen scheitern“ müsse<br />

(Dreßler/Junker/Mikfeld 1999). Demgegenüber wurzle die Sozial<strong>de</strong>mokratie im Streben<br />

nach sozialer Gerechtigkeit. Dennoch wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Parteitag im Dezember 1999 <strong>de</strong>r<br />

wirtschaftspolitische Leitantrag <strong>de</strong>r Parteivorstan<strong>de</strong>s mit großer Mehrheit angenommen.<br />

Zuvor hatte sich Schrö<strong>de</strong>r auf mehreren Regionalkonferenzen bemüht, <strong>de</strong>r verunsicherten<br />

Parteibasis <strong>de</strong>n neuen Kurs nahe zu bringen. Außer<strong>de</strong>m brachte Schrö<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n<br />

Leitantrag einen Passus ein, dass es bei <strong>de</strong>r Besteuerung von Einkommen und Kapital eine<br />

„Gerechtigkeitslücke“ gebe, die durch eine „europäische Lösung“ geschlossen wer<strong>de</strong>n<br />

solle. Damit wur<strong>de</strong> versucht, zahlreichen Anträgen <strong>de</strong>n Wind aus <strong>de</strong>n Segeln zu nehmen,<br />

die von <strong>de</strong>r Regierung abermals eine Abgabe für hohe Vermögen verlangten. Die<br />

Parteiführung lehnte diese For<strong>de</strong>rung ab, da sie aufgrund <strong>de</strong>r Mehrheitsverhältnisse im<br />

Bun<strong>de</strong>srat ohnehin nicht durchsetzbar sei. Der Beschluss <strong>de</strong>s Parteitages, unter<br />

Beibehaltung <strong>de</strong>r bisherigen Grundwerte das Grundsatzprogramm <strong>de</strong>r SPD zu<br />

überarbeiten und neu zu formulieren, wur<strong>de</strong> begleitet von zahlreichen Anträgen <strong>de</strong>r<br />

Parteiglie<strong>de</strong>rungen, in <strong>de</strong>nen neben einer Kritik am Schrö<strong>de</strong>r-Blair-Papier vor einer<br />

Revision sozial<strong>de</strong>mokratischer Ziele und Werte gewarnt wur<strong>de</strong>. Ganz geheuer war <strong>de</strong>r<br />

Parteibasis <strong>de</strong>r Beschluss wohl nicht, ein neues Programm zu verfassen.<br />

Zwei Jahre später schien zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>r Konflikt über <strong>de</strong>n finanzpolitischen Kurs<br />

entschie<strong>de</strong>n. Im November 2001 verabschie<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r Parteitag mit nur eine Gegenstimme<br />

<strong>de</strong>n Leitantrag „Sicherheit im Wan<strong>de</strong>l“, <strong>de</strong>r Eichels Konsolidierungskurs stützte und<br />

kreditfinanzierte Konjunkturprogramme ablehnte, obwohl die Weltwirtschaft gera<strong>de</strong> erst<br />

eingebrochen war. Wie die Partei jedoch auf Reformen in <strong>de</strong>r Arbeitsmarkt- und<br />

Sozialpolitik nach <strong>de</strong>m knappen rot-grünen Wahlsieg 2002 reagieren wird, bleibt<br />

abzuwarten: In diesen Politikfel<strong>de</strong>rn war bisher – im Gegensatz zur Finanzpolitik – ein<br />

22 Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Arbeitsgemeinschaft sozial<strong>de</strong>mokratischer Frauen<br />

(AsF) und Jungsozialisten (Jusos).<br />

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hohes Maß an „non-<strong>de</strong>cisions“ zu beobachten (Schmidt i.d.B.), die ten<strong>de</strong>nziell <strong>de</strong>n<br />

Präferenzen <strong>de</strong>r Traditionalisten entsprachen.<br />

3.2 Innenpolitik: die drohen<strong>de</strong> Überfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Traditionswähler<br />

Die von <strong>de</strong>r rot-grünen Regierung anvisierten und umgesetzten gesellschaftspolitischen<br />

Reformen 23 wer<strong>de</strong>n zwar von <strong>de</strong>r SPD seit <strong>de</strong>m Berliner Programm als eine notwendige<br />

Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s Gemeinwesens begriffen, stan<strong>de</strong>n aber nicht im Zentrum <strong>de</strong>r<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischen Programm- und Richtungsdiskussion. 24 Während sie für die Grünen<br />

zentrale Projekte darstellen, haben sie für die SPD vor allem wegen ihres<br />

Konfliktpotentials zwischen <strong>de</strong>r Partei und ihrer Wählerschaft eine herausgehobene<br />

Be<strong>de</strong>utung. Innerhalb <strong>de</strong>r heterogenen SPD-Wählerschaft gibt es zwar auch einen<br />

erheblichen Anteil von Wählern, für die solch wertorientierte, gesellschaftspolitisch<br />

liberale Reformen von Relevanz sind und als Anpassung an faktisch längst mo<strong>de</strong>rnisierte<br />

Zustän<strong>de</strong> gesehen wer<strong>de</strong>n, allerdings sind dies für an<strong>de</strong>re Teile <strong>de</strong>r eher materialistisch-<br />

autoritär eingestellten Kern- und Wechselwählerschichten Vorhaben, die klar abgelehnt<br />

wer<strong>de</strong>n (Hilmer 2001). Die SPD-Führung musste somit immer darauf bedacht sein, die<br />

programmatische Balance zu halten.<br />

Die Reform <strong>de</strong>s Staatsangehörigkeitsrechts verfolgte das Ziel einer besseren Integration<br />

<strong>de</strong>r ausländischen Wohnbevölkerung. Zwar wird im Wahlprogramm <strong>de</strong>r SPD die<br />

Ergänzung <strong>de</strong>s Staatsangehörigkeitsrechts durch ein eingeschränktes ius soli als<br />

Kernstück einer erfolgreichen Integrationspolitik genannt (SPD 1998b: 26), allerdings fehlt<br />

ein Hinweis auf die Hinnahme <strong>de</strong>r doppelte Staatsbürgerschaft. Diese wur<strong>de</strong> erst im<br />

Koalitionsvertrag genannt und hingenommen. 25 Der Anfang 1999 vorgestellte Entwurf<br />

über ein neues Staatsangehörigkeitsrecht war noch relativ eng an <strong>de</strong>n Vorstellungen <strong>de</strong>r<br />

Grünen angelehnt. In <strong>de</strong>r öffentlichen Debatte kristallisierte sich die vorgesehene<br />

23 Ausgewählt wur<strong>de</strong>n hierbei zwei Gesetzesvorhaben, nämlich das Staatsangehörigkeitsrecht und das<br />

Zuwan<strong>de</strong>rungsgesetz, da diese sicherlich auch im Bewusstsein <strong>de</strong>r Bevölkerung die am weitest gehen<strong>de</strong>n<br />

Verän<strong>de</strong>rungen darstellten. Das dritte große gesellschaftliche Mo<strong>de</strong>rnisierungsprojekt, die Ermöglichung<br />

gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, stand nie so im Fokus <strong>de</strong>r Diskussion wie die bei<strong>de</strong>n<br />

vorherigen Projekte und besitzt innerhalb <strong>de</strong>r heterogenen SPD-Wählerschaft bei weitem nicht ein so<br />

negatives Mobilisierungspotential. Insofern konnte dieser Bereich weitestgehend <strong>de</strong>n Grünen zur<br />

Profilierung überlassen wer<strong>de</strong>n.<br />

24 Zuwan<strong>de</strong>rung und Staatsangehörigkeit (nicht aber Lebenspartnerschaften) wer<strong>de</strong>n zwar im<br />

Wahlprogramm <strong>de</strong>r SPD genannt, nehmen allerdings nur ähnlich viel Platz ein wie z.B. frei empfangbarer<br />

TV-Sport (ca.1/2 Seite).<br />

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Hinnahme <strong>de</strong>r doppelten Staatsbürgerschaft schnell als ein konfliktkräftiges Element<br />

heraus, das von <strong>de</strong>r CDU/CSU zum Thema einer bun<strong>de</strong>sweiten Unterschriftenaktion<br />

gemacht wur<strong>de</strong>. Nach dieser Kampagne, <strong>de</strong>r dadurch verlorenen gegangenen hessischen<br />

Landtagswahl 26 und <strong>de</strong>m Verlust <strong>de</strong>r Regierungsmehrheit im Bun<strong>de</strong>srat wur<strong>de</strong> die<br />

liberale Ausrichtung <strong>de</strong>s Gesetzentwurfes von <strong>de</strong>r SPD zur Disposition gestellt. 27 Eine zu<br />

starke Orientierung an progressiven wertorientierte Themen führt offenbar dazu, dass<br />

<strong>de</strong>m linken Koalitionspartner Stimmen weggenommen wer<strong>de</strong>n, während etwa im<br />

gleichen Ausmaß in traditionellen SPD-Wählerschichten Stimmen verloren gehen. Die<br />

Kompromisssuche mit <strong>de</strong>r FDP in Rheinland-Pfalz wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r SPD sehr schnell ohne<br />

Beteiligung <strong>de</strong>r Grünen vorgenommen, wobei die Festlegung auf die Vorlage eines<br />

zustimmungsfähigen Gesetzentwurfes ohne Vermittlungsverfahren die FDP in eine<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Position brachte. Der endgültige Entwurf sah dann zwar ein ius soli für die<br />

erste Generation, aber einen Verzicht auf die grundsätzliche Hinnahme <strong>de</strong>r doppelten<br />

Staatsbürgerschaft und statt<strong>de</strong>ssen ein Optionsmo<strong>de</strong>ll für Kin<strong>de</strong>r vor. 28<br />

Das Bewusstsein einer möglichen populistischen Ausbeutung durch die Opposition<br />

spiegelt sich auch in <strong>de</strong>m vorsichtigen Agieren <strong>de</strong>r SPD im Bereich <strong>de</strong>r Zuwan<strong>de</strong>rung<br />

wi<strong>de</strong>r. Erst als es im Jahr 2000 zu einer öffentlichen Diskussion über die Notwendigkeit<br />

<strong>de</strong>r Einwan<strong>de</strong>rung hochqualifizierter Arbeitnehmer (Greencard für IT-Spezialisten) kam<br />

und sich die Frage positiv mit Wirtschaftskompetenz verbin<strong>de</strong>n ließ, wur<strong>de</strong> versucht, mit<br />

<strong>de</strong>r sog. Süssmuth-Kommission im Konsens zu einer Lösung zu kommen. Bis dahin<br />

wur<strong>de</strong> ein mögliches Zuwan<strong>de</strong>rungsgesetz von <strong>de</strong>r SPD überhaupt nicht in Erwägung<br />

gezogen, obwohl es im Wahlprogramm angekündigt wur<strong>de</strong>. Die zentralen Begriffe<br />

(„Begrenzung“ und „Grenzen <strong>de</strong>r Aufnahmefähigkeit“) einer dann auch umgesetzten<br />

25 Es han<strong>de</strong>lte sich dabei um eines <strong>de</strong>r wenigen Zugeständnisse <strong>de</strong>r SPD an die Grünen im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Auslän<strong>de</strong>rpolitik. An<strong>de</strong>re wichtige Punkte (z.B. Asylgesetzgebung, Altfallregelungen) wur<strong>de</strong> bewusst<br />

unklar gehalten.<br />

26 Zwar verloren in erster Linie die Grünen (-4%), während die SPD sogar noch 1,4% hinzugewann, dabei<br />

allerdings das Potential wie bei <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagswahl kaum ausschöpfte. Interessant ist allerdings die<br />

Wählerwan<strong>de</strong>rung. So war das Thema ‚Doppelpass’ für die SPD-Wähler nicht von zentraler Be<strong>de</strong>utung, für<br />

64% <strong>de</strong>rjenigen, die von <strong>de</strong>r SPD zur CDU wechselten, aber von zentraler. Damit einhergehend waren<br />

Verluste bei <strong>de</strong>n Arbeitern entgegen <strong>de</strong>m allgemeinen Trend zu beobachten (vgl. ausführlich: Schmitt-Beck<br />

2000: 12ff.).<br />

27 Der SPD kam es ab dann auf einen Kompromiss mit <strong>de</strong>r Opposition an. Sowohl Lafontaine als auch<br />

Schrö<strong>de</strong>r stellten gleich nach <strong>de</strong>r Hessenwahl implizit die doppelte Staatsangehörigkeit zur Disposition<br />

(Raschke 2001: 259).<br />

28 Mit Verweis auf die Notwendigkeit <strong>de</strong>r Einigung mit <strong>de</strong>r FDP wur<strong>de</strong> auch die For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Grünen<br />

nach einer doppelten Staatsangehörigkeit für Ältere, die im ersten Entwurf an die FDP noch enthalten war,<br />

abgelehnt.<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

restriktiven Ausrichtung <strong>de</strong>s verabschie<strong>de</strong>ten Gesetzes (Busch i.d.B.) sind allerdings schon<br />

im Wahlprogramm enthalten. 29<br />

Innerhalb <strong>de</strong>r SPD gibt es bei <strong>de</strong>n genannten Themen zwar keinen grundsätzlichen<br />

Dissens 30 – die innerparteilichen Flügel sind sich in diesen Fragen überraschend einig –<br />

allerdings unterschiedliche Präferenzen in <strong>de</strong>r Partei und <strong>de</strong>r Wählerschaft. Wie seit 1999<br />

bei nationalen Wahlen in verschie<strong>de</strong>nen europäischen Län<strong>de</strong>rn festzustellen war, steht<br />

gera<strong>de</strong> die Sozial<strong>de</strong>mokratie bei diesen Themen unter Druck. 31 Die bei<strong>de</strong>n Projekte<br />

orientierten sich relativ eng an <strong>de</strong>n Programmvorstellungen <strong>de</strong>r SPD. Dahingegen<br />

weichen sie erheblich von <strong>de</strong>n im Koalitionsvertrag mit <strong>de</strong>n Grünen erreichten<br />

Übereinkünften ab. Im Grun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Legislaturperio<strong>de</strong> genau die vorsichtige<br />

gesetzliche Mo<strong>de</strong>rnisierung gesellschaftlicher Zustän<strong>de</strong> erreicht, die Programmlage <strong>de</strong>r<br />

SPD ist, wobei die Partei erfolgreich <strong>de</strong>n Kompromisszwang durch <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>srat zur<br />

Durchsetzung ihrer Vorstellungen gegenüber <strong>de</strong>m kleinen Koalitionspartner ausspielen<br />

konnte.<br />

3.3 Außenpolitik: die umstrittene Rolle <strong>de</strong>s Militärs<br />

Obwohl die rot-grüne Bun<strong>de</strong>sregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung <strong>de</strong>m<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Kapitel „Deutsche Außenpolitik ist Frie<strong>de</strong>nspolitik“ vorangestellt hatte,<br />

waren es kriegerische Auslandseinsätze <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swehr, welche die Außenpolitik<br />

prägten. Bestimmend wur<strong>de</strong> damit ein Element <strong>de</strong>r Außenpolitik, welches nach<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischer Vorstellung nur ein nachrangiger Teil innerhalb einer umfassen<strong>de</strong>n<br />

und nachhaltigen Gesamtkonzeption sein sollte (SPD 1997: 22ff. und Scharping 1998: 141).<br />

Somit war die SPD gezwungen, sich programmatisch ihrer Position zu versichern, auch<br />

wenn die pazifistische Linke innerhalb <strong>de</strong>r SPD keine so be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle spielte wie bei<br />

<strong>de</strong>n Grünen, die dadurch vor eine Zerreißprobe gestellt wur<strong>de</strong>n (<strong>Egle</strong> i.d.B.).<br />

29 Der entsprechen<strong>de</strong> Absatz lautet: „Integration kann nur gelingen, wenn die Grenzen <strong>de</strong>r<br />

Aufnahmefähigkeit und Aufnahmebereitschaft <strong>de</strong>r Gesellschaft beachtet wer<strong>de</strong>n. Deshalb wollen wir eine<br />

wirksame gesetzliche Steuerung und Begrenzung <strong>de</strong>r Zuwan<strong>de</strong>rung. Sie muß die Arbeitsmarktlage, die<br />

Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r sozialen Sicherungssysteme und humanitäre Gesichtspunkte berücksichtigen.“ (SPD<br />

1998b: 44, eigene Hervorhebung).<br />

30 Je<strong>de</strong>nfalls keinen in <strong>de</strong>r Vehemenz wie bei <strong>de</strong>r Wirtschafts- und Sozialpolitik. Zwar gab es einige kritische<br />

Stimmen aus <strong>de</strong>r SPD-Fraktion zum verän<strong>de</strong>rten Schily-Entwurf beim Staatsangehörigkeitsrecht (TAZ<br />

6.3.1999, 6), daraus entwickelte sich aber keine lange Kontroverse.<br />

31 Die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik liegt darin, dass sich dies nicht im dauerhaften Erfolg<br />

rechtspopulistischer Parteien äußert, son<strong>de</strong>rn in erster Linie in Wahlenthaltungen.<br />

19


<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Die 90er Jahre waren für die SPD als Partei mit starken pazifistischen Strömungen von<br />

dauern<strong>de</strong>m innerparteilichem Dissens darüber geprägt, wie auf die Ereignisse im<br />

zerfallen<strong>de</strong>n Jugoslawien reagiert wer<strong>de</strong>n sollte. Die Balkankriege wirkten dabei als ein<br />

katalysieren<strong>de</strong>r Anstoß für einen innerparteilichen Lernprozess hinsichtlich <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>s<br />

Militärs 32 und <strong>de</strong>r gestiegenen außenpolitischen Verantwortung Deutschlands. Während<br />

das Berliner Programm die Bun<strong>de</strong>swehr noch ausschließlich auf Lan<strong>de</strong>s- und<br />

Bündnisverteidigung festlegte, akzeptierte die SPD 1992 mit <strong>de</strong>n Petersberger Beschlüssen<br />

und nach heftigsten innerparteilichen Debatten auf <strong>de</strong>m Außeror<strong>de</strong>ntlichen Parteitag in<br />

Wiesba<strong>de</strong>n frie<strong>de</strong>nserhalten<strong>de</strong> UN-Maßnahmen (Peace-Keeping) <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>swehr –<br />

allerdings nur unter <strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>s Einverständnissen <strong>de</strong>r Konfliktparteien und<br />

nach einer als notwendig erachteten Grundgesetzän<strong>de</strong>rung (SPD 1992: 413). 33 Diese<br />

Programmlage wur<strong>de</strong> zwar 1993, 1994 und 1995 bekräftigt 34, aber nach einem<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichtes von 1994 35 über die Zulässigkeit<br />

<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r damaligen Bun<strong>de</strong>sregierung geschaffenen Fakten (Adria-Einsatz, AWACS-<br />

Flüge, Somalia, NATO-Luftangriffe in Bosnien) vollzog auch die SPD 1997 diese<br />

Erweiterung programmatisch mit und akzeptierte fortan UN-Kampfeinsätze als ein<br />

Element in einer umfassen<strong>de</strong>n, multilateralen Außenpolitik. Beson<strong>de</strong>res Gewicht wur<strong>de</strong><br />

jedoch immer auf die Notwendigkeit eines UN-Sicherheitsratmandats für Einsätze<br />

regionaler Organisationen gelegt, das unabdingbar für die völkerrechtlichen Legitimation<br />

sei (SPD 1997: 27, 32). Die drei wesentlichen Einsätze in <strong>de</strong>r Legislaturperio<strong>de</strong><br />

(Kosovokrieg 1999, Mazedonieneinsatz 2001 und Afghanistan 2001/02) waren<br />

diesbezüglich unterschiedlich gut mit <strong>de</strong>r Position <strong>de</strong>r SPD vereinbar:<br />

UN-Mandat? Ge<strong>de</strong>ckt durch Vereinbarkeit mit<br />

32 Abgesehen von <strong>de</strong>n Aussagen über die Rolle <strong>de</strong>s Militärs bei UN-Missionen und <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r NATO<br />

sind die Aussagen zur Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik in <strong>de</strong>n 90er Jahren (z. B. SPD 1997,<br />

1999b) weitestgehend <strong>de</strong>ckungsgleich.<br />

33 Die im dort im sogenannten SPD-Sofortprogramm genannten „frie<strong>de</strong>nserhalten<strong>de</strong>n Maßnahmen<br />

erweiterter Form“ beinhalten zwar einige weitere Aufgaben für solche Blauhelmtruppen, überschreiten aber<br />

ausdrücklich nicht die Schwelle zu frie<strong>de</strong>nserzwingen<strong>de</strong>n Einsätzen.<br />

34 Auf <strong>de</strong>n Parteitagen 1993 und 1994 wur<strong>de</strong> ausdrücklich je<strong>de</strong> Form <strong>de</strong>r „Intervention“ über<br />

frie<strong>de</strong>nserhalten<strong>de</strong> Maßnahmen hinaus abgelehnt (SPD 1993b: 992; SPD 1994: 203). Auch im Leitantrag zur<br />

Außen-, Frie<strong>de</strong>ns- und Sicherheitspolitik in Mannheim 1995 wird dies noch bekräftigt, allerdings schon mit<br />

<strong>de</strong>m Eingeständnis, dass es Meinungsverschie<strong>de</strong>nheit gibt, die im Rahmen einer Projektgruppe zu einem<br />

Konsens führen sollen (SPD 1995: 843).<br />

35 In diesem Urteil erklärte das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht eine <strong>de</strong>utsche Teilnahme an UN-Kampfeinsätzen<br />

für zulässig, da sich die Bun<strong>de</strong>srepublik durch Art.24(2) GG Systemen kollektiver Sicherheit untergeordnet<br />

hat und Art. 87a GG internationalen Einsätzen nicht entgegenstehe. Allerdings erfor<strong>de</strong>rt ein solcher Einsatz<br />

einen vorherigen Bun<strong>de</strong>stagsbeschluss (Archiv <strong>de</strong>r Gegenwart 1994: 39153).<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

NATO-Vertrag? SPD-<br />

Programmatik?<br />

Kosovokrieg Nein Nein Nein<br />

Mazedonien Ja 36 Ja Ja<br />

Afghanistan Unnötig 37 Ja Indirekt 38<br />

Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Einsatz im Kosovo war durch nichts ge<strong>de</strong>ckt, was 1998 programmatisch<br />

Beschlusslage war. Insofern war das beständige Insistieren <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung, die<br />

Entscheidung zur Teilnahme als Abwägung <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Prinzipien „Nie wie<strong>de</strong>r<br />

Krieg“ und „Nie wie<strong>de</strong>r Auschwitz“ darzustellen, darauf ausgerichtet, innerhalb ihrer<br />

Parteien trotz<strong>de</strong>m Unterstützung zu erlangen. Auch <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Parteitag 1999<br />

verabschie<strong>de</strong>te Leitantrag zum Kosovo-Konflikt (SPD 1999a: 141) verweist auf <strong>de</strong>n Zwang,<br />

aus humanitären Grün<strong>de</strong>n zu intervenieren. Die Verwendung militärischer Mittel wird<br />

aber auch hier in einen Zusammenhang präventiver und umfassen<strong>de</strong>r Sicherheitspolitik<br />

gestellt. Die Kritik innerhalb <strong>de</strong>r SPD zum Kosovokrieg war dann auch eher verhalten, 39<br />

die Re<strong>de</strong>beiträge <strong>de</strong>rjenigen Delegierten, welche <strong>de</strong>n Leitantrag ablehnten, waren nicht<br />

von grundsätzlicher Ablehnung geprägt, son<strong>de</strong>rn von Zweifeln hinsichtlich <strong>de</strong>s<br />

Zeitpunkts, 40 <strong>de</strong>r Einbindung Russlands und <strong>de</strong>r möglichen weiteren Eskalation.<br />

Bun<strong>de</strong>skanzler Schrö<strong>de</strong>r machte <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r Pazifismus eine legitime Strömung in<br />

<strong>de</strong>r Partei sei, diese aber <strong>de</strong>utlich von <strong>de</strong>r Regierung abzugrenzen sei (SPD 1999a: 35).<br />

Realiter ging es gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r SPD darum, ihre außen- und bündnispolitische Verlässlichkeit<br />

unter Beweis zu stellen (vgl.: Hy<strong>de</strong>-Price 2001: 21). Es zeigte sich, wie schnell die Zwänge<br />

<strong>de</strong>r Regierungsverantwortung und <strong>de</strong>r Bündnisverlässlichkeit die programmatischen<br />

36 Während <strong>de</strong>r NATO-Einsatz ‚Task Force Fox’ durch die Resolution 1371 <strong>de</strong>s UN-Sicherheitsrates ge<strong>de</strong>ckt<br />

ist, basiert <strong>de</strong>r Vorläufereinsatz <strong>de</strong>r NATO bei ‚Essential Harvest’ auf <strong>de</strong>r Erklärung <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>nten im<br />

Namen <strong>de</strong>s Sicherheitsrates am 13.8.2001(S/PRST/2001/20), mit <strong>de</strong>r die Bemühungen <strong>de</strong>r NATO zur<br />

Konfliktbeilegung unterstützt wer<strong>de</strong>n.<br />

37 In <strong>de</strong>r Resolution 1368 stellt <strong>de</strong>r Sicherheitsrat fest, dass Art.51 <strong>de</strong>r UNO-Satzung zur individuellen und<br />

kollektiven Selbstverteidigung gegen die Angriffe berechtigt.<br />

38 Die Akzeptanz <strong>de</strong>r NATO als kollektives Verteidigungsbündnis für Deutschland (zuletzt in SPD 1997:31)<br />

ergibt nach Beschluss <strong>de</strong>s Bündnisfalls eine Übereinstimmung mit <strong>de</strong>r SPD-Programmatik.<br />

39 Eine Erklärung von sieben BT-Abgeordnete aus <strong>de</strong>m linken Lager halten <strong>de</strong>n Luftkrieg als Strategie zwar<br />

für falsch, formulieren aber nur ihr Unbehagen, ohne konkrete Schritte zu for<strong>de</strong>rn (abgedruckt in: Blätter für<br />

<strong>de</strong>utsche und internationale Politik 5/1999: 637). Aufgrund <strong>de</strong>s Beschlusses für einen militärischen Einsatz<br />

<strong>de</strong>r NATO, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r alte Bun<strong>de</strong>stag am 16.10.98 noch getroffen hatte, musste sich die rotgrüne Regierung<br />

allerdings auch keiner parlamentarischen Abstimmung unterziehen.<br />

40 D.h., ob alle friedlichen Mittel bereits ausgeschöpft waren.<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Beschlusslagen zur Makulatur wer<strong>de</strong>n ließen und die Ereignisse dort nur noch<br />

nachvollzogen wer<strong>de</strong>n können. 41<br />

Auffällig ist, dass beim Mazedonien-Einsatz, <strong>de</strong>r am ein<strong>de</strong>utigsten sowohl völkerrechtlich,<br />

programmatisch und politisch mit einer präventiven und umfassen<strong>de</strong>n SPD-Außenpolitik<br />

übereinstimmte, <strong>de</strong>rjenige ist, bei <strong>de</strong>r es <strong>de</strong>n sichtbarsten Dissens innerhalb <strong>de</strong>r Partei gab.<br />

19 Abgeordnete <strong>de</strong>r SPD lehnten <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Beschluss <strong>de</strong>r Regierung mit <strong>de</strong>m<br />

Verweis auf das falsche Primat politisch-militärischen Sicherheits<strong>de</strong>nkens und <strong>de</strong>r<br />

kritischen Einschätzung <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>r NATO ab (BT-Plenarprotokoll 14/184: 18226),<br />

woraufhin die Regierung ohne eigene Mehrheit dastand. Dieser Dissens kann Folge <strong>de</strong>r<br />

andauern<strong>de</strong>n Unzufrie<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>r Politik während <strong>de</strong>s Kosovokrieges gewesen sein<br />

und wur<strong>de</strong> erleichtert durch die vorhan<strong>de</strong>ne übergroße Mehrheit im Bun<strong>de</strong>stag. Als<br />

Hochhalten programmatischer Grundsätze lässt sich das Abweichen nicht erklären, <strong>de</strong>nn<br />

gera<strong>de</strong> diese waren erfüllt.<br />

Durch die Verknüpfung <strong>de</strong>r parlamentarischen Zustimmung zur Beistandsleistung im<br />

Afghanistaneinsatz mit <strong>de</strong>r Vertrauensfrage wur<strong>de</strong> seitens <strong>de</strong>s Kanzlers ein ähnliches<br />

Abweichen machtpolitisch verhin<strong>de</strong>rt. 42 In kritischen Stellungnahmen von SPD-<br />

Parlamentariern wur<strong>de</strong> beson<strong>de</strong>rs auf völkerrechtliche Zweifel an <strong>de</strong>n verwen<strong>de</strong>ten<br />

Mitteln (Streubomben) und einer grundsätzlichen Kritik an <strong>de</strong>r Zweckmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />

Krieges als Instrument <strong>de</strong>r Terrorbekämpfung hingewiesen. Die Schnelligkeit <strong>de</strong>s<br />

Zusammenbruchs <strong>de</strong>s Talibanregimes und die Flankierung <strong>de</strong>s Militäreinsatzes durch<br />

einen staatlichen Wie<strong>de</strong>raufbau unter UN-Vermittlung verhin<strong>de</strong>rte eine weitergehen<strong>de</strong><br />

Diskussion. Trotz aller grundsätzlicher Kriegskritik an <strong>de</strong>n Rän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Partei lässt sich<br />

absehen, dass eine – auch militärgestützte – Außen- und Sicherheitspolitik in <strong>de</strong>r SPD nun<br />

programmatisch <strong>de</strong>nkbar ist, sofern gewährleistet ist, dass diese in multilaterale, an<strong>de</strong>re<br />

Aspekte <strong>de</strong>r Sicherheit einschließen<strong>de</strong> Verhandlungslösungen eingebun<strong>de</strong>n sind.<br />

41 So ist im Leitantrag zur Außenpolitik 1997 noch von einem unbedingten UN-Mandat <strong>de</strong>s Sicherheitsrates<br />

die Re<strong>de</strong> (vgl.: SPD 1997: 27). 1999 dagegen wird <strong>de</strong>rgestalt kritisch betrachtet, dass ein möglicher<br />

Missbrauch <strong>de</strong>s Vetorechtes bei massiven Menschenrechtsverletzungen in Zukunft zu verhin<strong>de</strong>rn sei (SPD<br />

1999b: 26).<br />

42 Man ging von ca. 30 SPD-Abgeordneten aus, die <strong>de</strong>m Kanzler nicht folgen wollten. Schließlich blieb nur<br />

Christa Lörcher bei einem Nein und verließ die Fraktion. 17 SPD-Abgeordnete (personell starke<br />

Schnittmenge wie bei Mazedonien) stimmten „aufgezwungen“ zu.<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

4 Die Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm<br />

Aufgrund <strong>de</strong>s Diskussionsprozesses in <strong>de</strong>r Wirtschafts- und Sozialpolitik war klar, dass<br />

sich die SPD als Regierungspartei nicht länger vor einer Kursbestimmung drücken konnte<br />

und die Phase <strong>de</strong>r Orientierungslosigkeit überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n musste. Und wer nicht<br />

mehr weiter weiß, grün<strong>de</strong>t einen Arbeitskreis, in diesem Falle die Kommission zur<br />

Ausarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms. Daran wird <strong>de</strong>utlich, dass<br />

Parteiprogramme nicht nur die Funktion haben, das Politikangebot einer Partei auf <strong>de</strong>m<br />

Wählermarkt zu präsentieren, son<strong>de</strong>rn dass eine Debatte um die Neuformulierung <strong>de</strong>r<br />

Programmatik auch zur Befriedung innerparteilicher Konflikte und zur Integration von<br />

Parteiflügeln genutzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Schon vor <strong>de</strong>m Beschluss <strong>de</strong>s Parteipräsidiums, eine Programmkommission einzusetzen,<br />

begann die Grundwertekommission <strong>de</strong>r SPD Anfang 1999 mit <strong>de</strong>r Arbeit an <strong>de</strong>m<br />

Strategiepapier „<strong>Dritte</strong> <strong>Wege</strong> – Neue Mitte“, mit <strong>de</strong>m die Dichotomie „Mo<strong>de</strong>rnisierer vs.<br />

„Traditionalisten“ überwun<strong>de</strong>n und mit einer Annäherung an ein „mo<strong>de</strong>rnes“<br />

Verständnis sozialer Gerechtigkeit ein erster Beitrag zur Programm<strong>de</strong>batte geleistet<br />

wer<strong>de</strong>n sollte. Der Beschluss <strong>de</strong>r Programmneufassung durch <strong>de</strong>n Berliner Parteitag im<br />

Dezember 1999 wur<strong>de</strong> von zahlreichen Anträgen begleitet, dass das Berliner Programm<br />

nicht revisionsbedürftig sei und vor allem die Grundwerte <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie nicht zur<br />

Disposition stün<strong>de</strong>n. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Grünen, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Impuls für ein neues<br />

Programm von <strong>de</strong>r Parteibasis ausging und die Parteiführung mehrfach gedrängt wer<strong>de</strong>n<br />

musste, ein solches zu erarbeiten (<strong>Egle</strong> i.d.B.), begann <strong>de</strong>r Programmprozess in <strong>de</strong>r SPD<br />

im „top-down“-Verfahren: Hier gab die Parteiführung <strong>de</strong>n Impuls, und die Partei folgte,<br />

wenn auch mit nur mäßiger Begeisterung. Nach <strong>de</strong>r Veröffentlichung eines<br />

Zwischenberichtes im November 2001 wur<strong>de</strong> die Programm<strong>de</strong>batte im folgen<strong>de</strong>n Jahr<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Wahlkampfes in <strong>de</strong>n Hintergrund gedrängt. Was aber wur<strong>de</strong> bisher<br />

diskutiert?<br />

4.1 Im Zentrum <strong>de</strong>r Debatte: soziale Gerechtigkeit<br />

Da die Diskussion um die Aktualität <strong>de</strong>r Grundwerte „Freiheit“ und „Solidarität“ auf <strong>de</strong>n<br />

Diskussionsforen „Grundwerte heute“ wenig Neues und kaum Differenzen innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Partei zu Tage för<strong>de</strong>rte, lag <strong>de</strong>r Fokus <strong>de</strong>s Interesses ein<strong>de</strong>utig auf <strong>de</strong>r umstrittenen<br />

Neubestimmung <strong>de</strong>s Wertes <strong>de</strong>r sozialen Gerechtigkeit. „Gerechtigkeit“ gilt über die<br />

Parteiflügel hinweg und in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Programmprozess begleiten<strong>de</strong>n Publizistik nicht nur<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

als <strong>de</strong>r zentrale Grundwert <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie, son<strong>de</strong>rn auch als <strong>de</strong>r archimedischer<br />

Punkt <strong>de</strong>r Programm<strong>de</strong>batte (Merkel 2001; Meyer 2001; SPD 2000; Thierse 2000, 2001).<br />

Während die gerechtigkeitstheoretische Position <strong>de</strong>r SPD bisher darin bestand, über die<br />

Gewährung von Chancengleichheit hinaus <strong>de</strong>n erwirtschafteten Wohlstand <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s<br />

ein Stück weit von oben nach unten umzuverteilen (Ergebnisgleichheit), 43 so wird diese<br />

Position nun mit <strong>de</strong>m Schlagwort <strong>de</strong>r „produktivitätssteigern<strong>de</strong>n Ungleichheit“<br />

herausgefor<strong>de</strong>rt. Die Sozial<strong>de</strong>mokratie hat sich offenbar auf die Suche nach einem<br />

Kriterium und einer Rechtfertigung für sozial gerechtfertigte Ungleichheiten gemacht.<br />

Schon im angesprochenen „<strong>Dritte</strong> <strong>Wege</strong> – Neue Mitte“-Papier (Grundwertekommission<br />

1999) wird eine entsprechen<strong>de</strong> „Präzisierung“ <strong>de</strong>s Gerechtigkeitsbegriffs gefor<strong>de</strong>rt. Soziale<br />

Gerechtigkeit be<strong>de</strong>ute we<strong>de</strong>r eine schlichte Herstellung von Vermögens- und<br />

Einkommensgleichheit, noch sei es gerecht, <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Sozialstaat einfach<br />

fortzuschreiben. Statt<strong>de</strong>ssen wird ein „mo<strong>de</strong>rnes Verständnis“ von sozialer Gerechtigkeit<br />

gefor<strong>de</strong>rt: Eine durch Steuersenkungen hervorgerufene Vertiefung von<br />

Einkommensungleichheiten könne sozial gerecht sein, wenn dadurch eine wirtschaftliche<br />

Dynamik entfesselt wür<strong>de</strong>, von <strong>de</strong>r auch die am wenigsten Begünstigten <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

profitierten bzw. dadurch besser gestellt wür<strong>de</strong>n als zuvor. Diese Formulierung entspricht<br />

im Wesentlichen John Rawls’ Differenzprinzip, auf <strong>de</strong>n sich die Autoren auch explizit<br />

berufen. Eine Deregulierung <strong>de</strong>s Arbeitsmarktes sei ebenfalls nicht ungerecht, wenn<br />

dadurch „Effizienzgewinne“ erzielt wür<strong>de</strong>n und bisherige Arbeitslose in das<br />

Erwerbsleben eingebun<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n (Grundwertekommission 1999: 28 f.). Gerecht sei<br />

nämlich alles, was gesellschaftliche Inklusion för<strong>de</strong>re.<br />

Auf <strong>de</strong>m Programmforum zum Thema Gerechtigkeit machte sich vor allem Wolfgang<br />

Clement zum Kronzeugen <strong>de</strong>r Überzeugung, dass eine „begrenzte Ungleichheit im<br />

Ergebnis (...) sehr wohl auch ein Katalysator (..) für individuelle als auch für<br />

gesellschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten“ sei (in: SPD 2000: 11). Ähnlich äußerte sich<br />

Gerhard Schrö<strong>de</strong>r in einem Beitrag zur „Neubestimmung <strong>de</strong>r Aufgaben von Staat und<br />

Gesellschaft“: Erstens sei eine sozial<strong>de</strong>mokratische Illusion gewesen, dass „mehr Staat“<br />

das beste Mittel sei, soziale Gerechtigkeit herzustellen, und zweitens solle man sich heute<br />

43 Im Berliner Programm heißt es dazu: „Gerechtigkeit grün<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r gleichen Wür<strong>de</strong> aller Menschen. Sie<br />

verlangt gleiche Freiheit, Gleichheit vor <strong>de</strong>m Gesetz, gleiche Chancen <strong>de</strong>r politischen und sozialen Teilhabe<br />

und <strong>de</strong>r sozialen Sicherung. Sie verlangt die gesellschaftliche Gleichheit von Mann und Frau. Gerechtigkeit<br />

erfor<strong>de</strong>rt mehr Gleichheit in <strong>de</strong>r Verteilung von Einkommen, Eigentum und Macht, aber auch im Zugang zu<br />

Bildung, Ausbildung und Kultur.“ (SPD 1998a: 12).<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

nicht mehr auf die Verteilungsgerechtigkeit beschränken, son<strong>de</strong>rn die Herstellung von<br />

mehr Chancengleichheit in <strong>de</strong>n Mittelpunkt stellen (Schrö<strong>de</strong>r 2000). Tatsächlich hat die<br />

SPD aber schon immer die For<strong>de</strong>rung nach gleichen Lebenschancen vertreten. Im Aspekt<br />

<strong>de</strong>r Verteilungsgerechtigkeit und <strong>de</strong>r Reduzierung von Ungleichheiten im Ergebnis wur<strong>de</strong><br />

bisher jedoch eine originär sozial<strong>de</strong>mokratische Erweiterung <strong>de</strong>s liberalen<br />

Gerechtigkeitsbegriffs gesehen, <strong>de</strong>r auf die Startbedingungen fokussiert ist und die<br />

Verteilungsergebnisse <strong>de</strong>s Marktes nicht ex post korrigieren will (Meyer 2001: 22). Die<br />

SPD diskutiert somit die durchaus nicht belanglose Frage, ob es noch zum Kernbestand<br />

<strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie gehöre, Marktergebnisse durch Umverteilung zu korrigieren<br />

(Mahnkopf 2000) – auch wenn die Mo<strong>de</strong>rnisierer dies nicht völlig ausschließen, so weisen<br />

sie doch zumin<strong>de</strong>st darauf hin, dass nicht je<strong>de</strong> Form von Umverteilung per se gerecht sei<br />

und dass es ein gewisses Maß an „gerechter Ungleichheit“ gebe. Und während letztere<br />

sozialstaatliche Leistungen stärker unter <strong>de</strong>r Überschrift „Rechte und Pflichten“ vergeben<br />

möchten, sehen linke Kritiker im Diskurs über die „Inklusion in <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt“ und<br />

<strong>de</strong>n „aktivieren<strong>de</strong>n Sozialstaat“, <strong>de</strong>r soziale Unterstützungsleistungen auch vom<br />

Verhalten <strong>de</strong>r Leistungsempfänger abhängig macht, eher ein Bruch mit folgen<strong>de</strong>r gern<br />

zitierten Formel <strong>de</strong>s Berliner Programms: „Die Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Menschen ist unabhängig von<br />

seiner Leistung und Nützlichkeit.“ Hinter <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>r „Beschäftigungsfähigkeit“<br />

verberge sich nämlich die For<strong>de</strong>rung, die Menschen an <strong>de</strong>n Markt anzupassen, anstatt <strong>de</strong>n<br />

Markt an die Menschen (Mahnkopf 2000).<br />

So gesehen diskutiert die SPD auch zu Beginn <strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rts noch immer die<br />

eigentlich „alten“ Fragen <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie: Wie ist das Verhältnis von Markt und<br />

Staat zu bestimmen? Inwieweit darf und soll <strong>de</strong>r Staat die Ergebnisse von<br />

Marktgeschehnissen nachträglich verän<strong>de</strong>rn? Und in welcher Beziehung stehen<br />

Gerechtigkeit und soziale Gleichheit zueinan<strong>de</strong>r? In <strong>de</strong>r bisherigen Diskussion wur<strong>de</strong>n<br />

zwei Szenarien <strong>de</strong>utlich, wie die SPD darauf reagieren könnte: Die „Mo<strong>de</strong>rnisierer“ sind<br />

bereit, zum Wohle <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Dynamik ein höheres Maß an sozialer<br />

Ungleichheit hinzunehmen 44 und möchten <strong>de</strong>n Sozialstaat weg von <strong>de</strong>r bisherigen<br />

Dekommodifikation hin zu einem „aktivieren<strong>de</strong>n“ Sozialstaat umbauen, <strong>de</strong>r die<br />

Menschen nicht vor <strong>de</strong>m Markt schützen, son<strong>de</strong>rn im Gegenteil dazu „befähigen“ soll,<br />

sich besser auf <strong>de</strong>m Markt zu positionieren. Dem steht die Position entgegen, das<br />

44 Diese Argumentationsfigur setzt natürlich die Prämisse voraus, dass durch eine starke progressive<br />

Besteuerung und sozialpolitische Umverteilung die Dynamik <strong>de</strong>r Volkswirtschaft geschwächt wird.<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

bisherige Sozialstaatsmo<strong>de</strong>ll im Großen und Ganzen zu erhalten und die verloren<br />

gegangene Steuerungsfähigkeit <strong>de</strong>s Nationalstaates z. B. auf europäischer Ebene wie<strong>de</strong>r<br />

einzufangen. Während ihrer bisherigen Regierungszeit hat sich die SPD noch nicht<br />

entschie<strong>de</strong>n, welchen Weg sie einschlagen will.<br />

4.2 Bewertung <strong>de</strong>r bisherigen Programm<strong>de</strong>batte<br />

Die Programmdiskussion ist bisher kaum über das Stadium einer Bestandsaufnahme und<br />

Analyse <strong>de</strong>r Herausfor<strong>de</strong>rungen sozial<strong>de</strong>mokratischer Politik hinaus gekommen. Eine<br />

programmatische Entwicklung in konkreten Politikfel<strong>de</strong>rn ist bisher kaum zu beobachten.<br />

Das Grundwertekapitel <strong>de</strong>s Berliner Programms ist nach einer Empfehlung <strong>de</strong>r<br />

Grundwertekommission nicht revisionsbedürftig und soll daher in dieser Form erhalten<br />

bleiben (in: SPD 2001: 28).<br />

Zur Außen- und Sicherheitspolitik hat die Programmkommission noch überhaupt nichts<br />

vorgelegt, da die Verän<strong>de</strong>rungen in diesem Bereich seit <strong>de</strong>r Verabschiedung <strong>de</strong>s Berliner<br />

Programms so gravierend gewesen seien, dass sie bisher noch nicht hätten bewertet<br />

wer<strong>de</strong>n können (ebd.: 5). Somit ist eine programmatische Reaktion auf die Kriegseinsätze<br />

<strong>de</strong>r SPD-geführten Bun<strong>de</strong>sregierung trotz <strong>de</strong>s offensichtlichen „Revisionsbedarfs“ noch<br />

nicht erfolgt. Da die SPD seit 1997 von <strong>de</strong>n Vereinten Nationen mandatierte<br />

Kampfeinsätze außerhalb <strong>de</strong>s NATO-Gebiets aber ohnehin schon mitträgt (s.o.), ist eine<br />

„nachholen<strong>de</strong>“ programmatische Entwicklung schon absehbar. In <strong>de</strong>n Passagen zur<br />

Innenpolitik wur<strong>de</strong> im Zwischenbericht <strong>de</strong>r Programmkommission das oben<br />

angesprochene Spannungsverhältnis zwischen <strong>de</strong>n programmatisch intendierten und<br />

teilweise durchgeführten gesellschaftspolitischen Reformen und <strong>de</strong>r Abneigung eines<br />

Teils <strong>de</strong>r SPD-Wählerschaft gegen diese Maßnahmen nicht thematisiert. Dabei ist es für<br />

die SPD von höchster strategischer Be<strong>de</strong>utung, ob und wie sie ihrer Stammwählerschaft,<br />

die sich sowohl aus materialistisch-autoritären, wie auch aus postmateriell orientierten<br />

Wählern zusammensetzt, zusammenhalten kann. Hier bedarf es noch einer<br />

programmatischen Klärung. Auch in <strong>de</strong>r Wirtschafts- und Sozialpolitik wur<strong>de</strong> im<br />

Zwischenbericht bisher kaum eine konkrete programmatische Fortentwicklung sichtbar.<br />

Es wird jedoch ange<strong>de</strong>utet, dass die Aspekte <strong>de</strong>r „Vorsorge“ und „Aktivierung“ für die<br />

sozialstaatliche Politik in Zukunft Vorrang vor „Reparatur“ und „Nachsorge“ haben<br />

sollten. Auch soll die Bereitschaft <strong>de</strong>r Menschen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, ihre Sozialvorsorge<br />

stärker in ihre eigenen Hän<strong>de</strong> zu nehmen. Im Unklaren ist sich die SPD bisher, wie weit<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

aufgrund <strong>de</strong>r gesellschaftlichen Individualisierung das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r sozialen Integration<br />

durch Erwerbsarbeit noch trägt und ob die bisher arbeitsgesellschaftlich <strong>de</strong>finierten<br />

sozialen Sicherungssysteme nicht durch ein Grundsicherungsmo<strong>de</strong>ll abgelöst wer<strong>de</strong>n<br />

sollten. Lediglich die Diskussion um eine Neubestimmung <strong>de</strong>s Verständnisses sozialer<br />

Gerechtigkeit stellt eine Reflektion und Reaktion auf die während <strong>de</strong>r Regierungszeit<br />

aufgerochenen Konflikte dar: Hier wird nun gefor<strong>de</strong>rt, dass die Sozial<strong>de</strong>mokratie<br />

Maßstäbe für gerechtfertigte Ungleichheiten fin<strong>de</strong>n müsse – auch wenn die For<strong>de</strong>rung<br />

nach weniger Ungleichheit bestehen bleibt: Ungleichheiten in Einkommen und Eigentum<br />

seien in <strong>de</strong>m Maße gerecht, wie sie auf persönlichen Leistungen beruhten, die <strong>de</strong>r<br />

gesamten Gesellschaft zugute kämen. Und eben darum erfor<strong>de</strong>re Gerechtigkeit „mehr<br />

Gleichheit in <strong>de</strong>r Verteilung von Einkommen und Eigentum“ (ebd.: 33). Also doch nichts<br />

Neues unter <strong>de</strong>r Sonne?<br />

5 Schluss<br />

Welches Resümee kann über das Verhältnis von sozial<strong>de</strong>mokratischer Programmatik und<br />

Regierungspolitik <strong>de</strong>r vergangenen vier Jahre nun gezogen wer<strong>de</strong>n? Zunächst ist<br />

festzuhalten, dass die Bedingung <strong>de</strong>s Wahlerfolges <strong>de</strong>r SPD gleichzeitig eine Hypothek für<br />

ihre Regierungstätigkeit war – die SPD musste eine hoch heterogene Wählerschaft für sich<br />

gewinnen, um Mehrheits- und damit Regierungspartei wer<strong>de</strong>n zu können. Für die<br />

Programmatik be<strong>de</strong>utete dies, dass man von allzu klaren Positionen Abstand nahm und<br />

lediglich versprach, nicht alles an<strong>de</strong>rs, aber vieles besser zu machen. Ein konkretes und<br />

Orientierung versprechen<strong>de</strong>s Regierungsprogramm war damit nicht formuliert.<br />

Gleichzeitig musste die SPD auch in ihrer kaum weniger heterogenen Mitglie<strong>de</strong>rbasis die<br />

Reihen schließen und die innerparteilichen Streitigkeiten been<strong>de</strong>n, wie sie zu Beginn <strong>de</strong>r<br />

90er Jahre zu beobachten waren. Dies ist ihr bis zur Wahl durchaus gelungen, allerdings<br />

nicht durch eine Beilegung <strong>de</strong>r grundsätzlichen Konflikte zwischen <strong>de</strong>n Parteiflügeln,<br />

son<strong>de</strong>rn durch eine temporale Ruhigstellung <strong>de</strong>rselben. Bei<strong>de</strong>s zusammen, das<br />

erfolgreiche Schmie<strong>de</strong>n einer großen Wählerkoalition und das Über<strong>de</strong>cken<br />

innerparteilicher Differenzen (vor allem zwischen <strong>de</strong>m Parteivorsitzen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m<br />

Kanzlerkandidaten) erwies sich während <strong>de</strong>r Regierungszeit vor allem in <strong>de</strong>r Wirtschafts-<br />

und Sozialpolitik als Bumerang, da nun die Frage beantwortet wer<strong>de</strong>n musste, welche<br />

Politik die SPD verfolgen möchte. Während in diesem Bereich mit Finanzminister<br />

Lafontaine zuerst ein Vertreter <strong>de</strong>s linken Flügels die Politik angab, übernahmen nach<br />

<strong>de</strong>ssen Rücktritt die Mo<strong>de</strong>rnisierer das Kommando, die eine nahezu gegensätzliche Politik<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

verfolgten. Dabei konnten sich bei<strong>de</strong> Seiten auf entsprechen<strong>de</strong> Passagen <strong>de</strong>s<br />

Wahlprogramms beziehen. Nahezu zeitgleich wur<strong>de</strong> versucht, mit <strong>de</strong>m Schrö<strong>de</strong>r-Blair-<br />

Papier auch auf programmatischer Ebene eine Wen<strong>de</strong> einzuleiten – dieser Vorstoß<br />

scheiterte aber am Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>r Partei. Diese ließ sich nur ungern auf <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />

Parteiführung angestoßenen Prozess einer Neuformulierung <strong>de</strong>s Grundsatzprogramms<br />

ein. Gleichwohl haben sich die Mo<strong>de</strong>rnisierer zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>r Finanz- und<br />

Haushaltspolitik inzwischen durchgesetzt. Im Gegensatz zur Sozial- und<br />

Arbeitsmarktpolitik vertritt die SPD hier nun eine klare Linie, während ihr in <strong>de</strong>n<br />

letztgenannten Politikfel<strong>de</strong>rn die innerparteilichen Konflikte und programmatischen<br />

Anpassungsprozesse vermutlich noch bevorstehen.<br />

In <strong>de</strong>r Außenpolitik hatte die SPD bereits zu Beginn <strong>de</strong>r 90er Jahre begonnen, sich vom<br />

Berliner Programm zu entfernen und vertrat schon ein Jahr vor Regierungsbeginn die<br />

Position, dass die Bun<strong>de</strong>swehr auch außerhalb <strong>de</strong>s Bündnisses eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Dass ausgerechnet eine SPD-geführte Regierung in so hohem Maße davon Gebrauch<br />

machen wird, hat auch innerhalb <strong>de</strong>r Partei viele überrascht – diese relativ „neue“<br />

Position wur<strong>de</strong> dadurch aber innerparteilich gefestigt. Wie die SPD programmatisch auf<br />

<strong>de</strong>n Kosovo-Einsatz reagieren wird, <strong>de</strong>r nicht das gefor<strong>de</strong>rte UN-Mandat hatte, bleibt<br />

abzuwarten. In <strong>de</strong>r Innen- und Rechtspolitik hatte die SPD <strong>de</strong>n Grünen in <strong>de</strong>r<br />

Koalitionsvereinbarung zunächst Zugeständnisse gemacht, die über ihr eigenes<br />

Programm hinausgingen (v.a. bei <strong>de</strong>r Staatsbürgerschaft). Diese gingen im<br />

Parteienwettbewerb aber wie<strong>de</strong>r verloren, so dass die Regierungspolitik nun sehr nahe an<br />

<strong>de</strong>r Position <strong>de</strong>r SPD ist.<br />

In <strong>de</strong>r bisherigen Programm<strong>de</strong>batte begann eine Revision <strong>de</strong>s sozial<strong>de</strong>mokratischen<br />

Gerechtigkeitsverständnisses, wobei in <strong>de</strong>r Neu<strong>de</strong>finition <strong>de</strong>s Zieles sozialer Gerechtigkeit<br />

eine Verän<strong>de</strong>rung dritter Ordnung im Sinne Halls (1993) gesehen wer<strong>de</strong>n kann. Die damit<br />

einhergehen<strong>de</strong> Neubewertung <strong>de</strong>s Verhältnisses von Markt und Staat (schützen<strong>de</strong>r vs.<br />

aktivieren<strong>de</strong>r Sozialstaat) ist hingegen als eine Än<strong>de</strong>rung zweiter Ordnung zu begreifen,<br />

da hier nicht die Ziele, son<strong>de</strong>rn die Instrumente <strong>de</strong>r Politik einem Wan<strong>de</strong>l unterliegen.<br />

Somit hat es für die programmatische Entwicklung <strong>de</strong>r SPD offenbar einen Effekt, dass sie<br />

Regierungspartei gewor<strong>de</strong>n ist – zwar folgte die von <strong>de</strong>r SPD verfolgte Politik (in<br />

unterschiedlichem Umfang) ihrer Programmatik; aber die Regierungspolitik wirkt auch<br />

auf das Programm zurück. Dass ein Programmprozess begonnen wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r genau diese<br />

Rückwirkungen zum Gegenstand hat, ist <strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>rnisierern zuzuschreiben. Bei einem<br />

Verlust <strong>de</strong>r Regierungsmehrheit nach <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>stagswahlen 2002 wäre ein erneuter<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

Flügelkonflikt wahrscheinlich gewesen. Durch die Bestätigung <strong>de</strong>r Regierung geht <strong>de</strong>r<br />

Mo<strong>de</strong>rnisierungsflügel jedoch gestärkt in die noch zu erwarten<strong>de</strong>n innerparteilichen<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen vor allem in <strong>de</strong>r Arbeitsmarkt- und Soziapolitik. Somit kann die<br />

bisherige Regierungszeit durchaus als ein Etappensieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die<br />

Traditionalisten bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />

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<strong>Christoph</strong> <strong>Egle</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Henkes</strong>: Später Sieg <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierer über die Traditionalisten?<br />

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